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Minuten lang sollten die Zähne geputzt<br />
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harten und weichen Beläge werden<br />
zweimal jährlich durch die Prophylaxeass<strong>ist</strong>entin<br />
beseitigt. Häusliche und<br />
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unbegründet. Durch eine kleine Spritze<br />
oder, in allerdings seltenen Fällen,<br />
durch eine Vollnarkose wird die Behandlung<br />
komplett schmerzlos gestaltet.<br />
Niemand muss heutzutage diesbezüglich<br />
Angst haben. Entscheidend für den<br />
langfr<strong>ist</strong>igen Zahnerhalt <strong>ist</strong> die regelmäßige<br />
Kontrolle der Zähne auch bei<br />
völliger Schmerzlosigkeit. Schmerzen<br />
sind immer ein Zeichen dafür, dass die<br />
Erkrankung schon fortgeschritten und<br />
eine schnelle, erfolgreiche Therapie<br />
oftmals nicht mehr möglich <strong>ist</strong>.
Vorwort<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
seit den späten achtziger Jahren des vorigen<br />
Jahrhunderts wurden unter dem Druck knapper<br />
werdender finanzieller Mittel in allen Bereichen<br />
der öffentlichen Verwaltung<br />
Anstrengungen unternommen, durch Veränderungen<br />
in Aufbau- und Ablauforganisationen<br />
effektiv arbeitende Strukturen zu<br />
schaffen. Die Zauberworte „Neue Steuerung“<br />
und „schlanker Staat“ öffneten den<br />
eingefahrenen Routinen in der Arbeit der Verwaltungen<br />
dem scharfen Wind betriebswirtschaftlichen<br />
Denkens. In allen Einrichtungen<br />
der öffentlichen Hand tauchten plötzlich<br />
neue Begriffe und die dazugehörenden Experten<br />
auf, um als verkrustet diagnostizierte<br />
Strukturen zu ändern und die jeweiligen Institutionen<br />
fit zu machen für angeblich bevorstehende<br />
Herausforderungen. Bei näherer<br />
Betrachtung bestanden diese in aller Regel<br />
darin, dass mit weniger Personal und geringeren<br />
Mitteln die gleiche Le<strong>ist</strong>ung wie vorher<br />
erbracht werden sollte. Welche grundsätzlichen<br />
Dinge hierbei zu beachten sind, Stichworte<br />
„Change Management“, „Personalsteuerung“,<br />
„Risiken von Veränderungen“,<br />
sollen in den folgenden Beiträgen näher beleuchtet<br />
werden.<br />
Nachhaltige finanzielle Engpässe in den<br />
Haushalten und veränderte Anforderungen<br />
an Staat und Verwaltungen lassen seit einiger<br />
Zeit die Notwendigkeit einer Neuorientierung<br />
im Management von öffentlichen<br />
Ressourcen, Prozessen und Dienstle<strong>ist</strong>ungen<br />
erkennen. Dabei steht die Hinwendung zu<br />
privatwirtschaftlichen Managementmethoden<br />
mit verstärkter Fokussierung auf die konkreten<br />
Ergebnisse und Wirkungen des<br />
Verwaltungshandelns im Vordergrund. <strong>Der</strong><br />
vorliegende Beitrag von Prof. Dr. Dennis Hilgers,<br />
Universität Hamburg, stellt hierfür einen<br />
konzeptionellen Bezugsrahmen unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Reform des öffentlichen<br />
Haushalts- und Rechnungswesens<br />
vor. Er soll zugleich Grundlage und Impulsgeber<br />
für eine stärker empirisch ausgerichtete<br />
Forschung zum öffentlichen Haushaltsund<br />
Rechnungswesen sein.<br />
Fortschritt, Wandel, Technologisierung -im 21.<br />
Jahrhundert bleibt kaum ein Bereich des<br />
menschlichen Lebens unberührt von der rasenden<br />
technikgetriebenen Entwicklung.<br />
4 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Diese Vergänglichkeit, diese (latente) Beschleunigung<br />
der sozialen Prozesse, dieser<br />
kontinuierliche Wandel sind heute Realität<br />
und bringen ihre positiven wie auch negativen<br />
Folgen mit sich. Auf welche Weise Unternehmenswandel<br />
und Unternehmenskultur in<br />
Zusammenhang zu bringen sind, und inwiefern<br />
das Konzept der Unternehmenskultur für<br />
die Führungsaufgabe Change Management<br />
fruchtbar zu machen <strong>ist</strong>- dies soll Thema und<br />
Inhalt des Artikels von Dipl.-Psych. Kerstin<br />
Herzog aus München auf den Seiten 16-26<br />
sein.<br />
Auf der Ebene der Landespolitik in Deutschland<br />
gehören kommunale Gebiets- und Funktionalreformen<br />
zu den möglichen Instrumentarien<br />
solcher Strukturveränderungen. In vielen<br />
deutschen Ländern wurden solche Reformen<br />
in den letzten Jahren durchgeführt oder<br />
deren Umsetzung <strong>ist</strong> geplant. Zu den weitestgehenden<br />
Reformansätzen zählte dabei<br />
die von der Landesregierung Mecklenburg-<br />
Vorpommern in Gang gesetzte umfassende<br />
Gebiets- und Funktionalreform. In einer Studie<br />
der Universität Potsdam, Seite 28, sollte<br />
der Prozess des Zusammenführens von Personal<br />
aus den Altkreisen und Personal aus<br />
Landesbehörden zu einer neuen kreislichen<br />
Behörde sowie die Beteiligung der Mitarbeiter<br />
an dieser Fusion analysiert und bewertet<br />
werden.<br />
Veränderungsprozesse und Anpassungen an<br />
veränderte Umweltbedingungen sind insgesamt<br />
nur schwer durch eine zentrale Instanz<br />
gezielt steuerbar. Sie gehorchen Regeln und<br />
Gesetzen, die nicht nach Belieben geändert<br />
werden können. Die Akteure vor Ort, die Polizeibeamten<br />
in den verschiedenen Positionen<br />
der Organisation, sind nicht nur<br />
Exekutivorgane, die man mit Erlassen füttert,<br />
die von ihnen dann maßstabsgetreu umgesetzt<br />
und abgearbeitet werden. Sie sind eingebunden<br />
in die vielfältigen organisationskulturellen<br />
Handlungskontexte ihres Berufs,<br />
sie haben ihre eigenen Interessen und Vorstellungen<br />
darüber, was richtig und angemessen<br />
<strong>ist</strong> und wie man die Dinge, die getan<br />
werden müssen, richtig und professionell erledigt.<br />
Sie verfügen über ein komplexes Betriebswissen,<br />
dass sie sich in den Jahren ihrer<br />
praktischen Tätigkeit und in der Zusammen-<br />
arbeit mit Kollegen angeeignet haben. Einen<br />
Teil der öffentlichen Verwaltung durch die<br />
Einführung betriebswirtschaftlicher Managementinstrumente<br />
modernisieren zu wollen,<br />
stößt vor allem dann auf Schwierigkeiten,<br />
wenn diese Veränderungsbemühungen auf<br />
eine starke Organisationskultur und damit<br />
auch auf eine ausgeprägte professionelle<br />
Identität treffen. Solche Organisationskulturen<br />
tendieren dazu, sich gegen Managementinterventionen<br />
zur Wehr zu setzen, und<br />
es <strong>ist</strong> in der Regel sehr schwer, die Denk- und<br />
Verfahrensweisen des Managementparadigmas<br />
mit den etablierten und sehr wirkungsmächtigen<br />
Wahrnehmungs-, Denk- und<br />
Verhaltensmustern solcher Professionskulturen<br />
in Übereinstimmung zu bringen. Wer<br />
glaubt, bei der Verwaltungsreform und bei<br />
der Einführung „Neuer Steuerungsinstrumente“<br />
darüber hinweggehen zu können,<br />
wird scheitern. <strong>Der</strong> vorliegende Artikel von<br />
Dr. Jochen Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse, Vizepräsident der<br />
Fachhochschule der Polizei in Brandenburg<br />
auf Seite 56 geht der Frage nach, warum der<br />
Versuch der Verwaltungsmodernisierung in<br />
der Polizei auf derartige Schwierigkeiten<br />
stößt.<br />
In dem abschließenden Beitrag zu diesem<br />
Komplex beschäftigt sich Chr<strong>ist</strong>ian Barthel<br />
von der Deutschen Hochschule der Polizei in<br />
Münster mit der These: „Man kann keine Reform<br />
gegen die Mitarbeiter oder über ihre<br />
Köpfe hinweg durchsetzen“. Die Akteure vor<br />
Ort müssen ernst genommen und deren Betriebswissen<br />
als wichtiges Element jeder<br />
Form von Organisationsentwicklung begriffen<br />
werden. Dieser Artikel <strong>ist</strong> auf Seite 34<br />
nachzulesen.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Spaß, informative Unterhaltung<br />
und Vergnügen beim Lesen, bei<br />
Bedarf können wir Ihnen weitere Exemplare<br />
dieser Ausgabe zur Verfügung stellen. Teilen<br />
Sie bitte dem Verlag die Anzahl der noch benötigten<br />
Hefte mit.<br />
Über Meinungsäußerungen und Leserbriefe<br />
würden wir uns sehr freuen.<br />
Ihre Redaktion
Management by performance – Konturen<br />
und Instrumente eines le<strong>ist</strong>ungsorientierten<br />
6 Verwaltungsmanagements<br />
Prof. Dr. Dennis Hilgers, Universität Hamburg<br />
Change Management –<br />
16 Unternehmenskultur und Führung<br />
Dipl-Psych. Kerstin Herzog, München<br />
27 Suchtprävention bei Bosch<br />
Mitarbeiterorientierte Personalsteuerung<br />
bei Gebiets- und Funktionalreformen<br />
von Landes- und Kommunalverwaltungen<br />
28 am Beispiel Mecklenburg Vorpommerns<br />
Dr. Chr<strong>ist</strong>iane Büchner, Universität Potsdam<br />
Gemeinwesenorientierte Polizeiarbeit<br />
34 und Organisationsentwicklung<br />
Dr. Chr<strong>ist</strong>ian Barthel,<br />
Deutsche Hochschule der Polizei, Münster<br />
Eine Stadt stellt sich vor -<br />
46 Schweinfurt<br />
Riskante Modernisierung starker<br />
56 Professionskulturen<br />
Dr. Jochen Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse,<br />
Fachhochschule der Polizei Brandenburg<br />
Nicht süchtig, und doch abhängig<br />
– die Falle Co-Abhängigkeit<br />
Filmvorstellung - Mia und der<br />
63 Minotaurus<br />
KEINE MACHT DEN DROGEN<br />
Polizeireformen in Brandenburg<br />
68 und Thüringen<br />
84<br />
Inhalt<br />
Dezember<br />
Chaos Computer Club knackt<br />
70 «Bundestrojaner»<br />
74 Neue Dimension des Linksterrorismus<br />
Neues Zentrum im Kampf gegen<br />
77 Cyberkriminelle<br />
79 Internetfahnder Markus Nusser<br />
Die Pläne zur Reform der<br />
82 Sicherungsverwahrung<br />
83 Einsatz über den Wolken<br />
84 Polizeitaucher<br />
Min<strong>ist</strong>erien kommen nur langsam<br />
85 zu Facebook<br />
85 Drogenschmuggel im Knast<br />
87 Polizeibewerber 5 Jahre<br />
79<br />
70<br />
46
Management<br />
by Performance –<br />
Konturen und Instrumente<br />
eines le<strong>ist</strong>ungsorientierten<br />
Verwaltungsmanagements<br />
Dennis Hilgers<br />
Abstract<br />
Nachhaltige finanzielle Engpässe in den<br />
Haushalten und veränderte Anforderungen<br />
an Staat und Verwaltungen lassen seit einiger<br />
Zeit die Notwendigkeit einer Neuorientierung<br />
im Management von öffentlichen<br />
Ressourcen, Prozessen und Dienstle<strong>ist</strong>ungen<br />
erkennen. Dabei steht die Hinwendung zu<br />
privatwirtschaftlichen Managementmethoden<br />
mit verstärkter Fokussierung auf die konkreten<br />
Ergebnisse und Wirkungen des<br />
Verwaltungshandelns im Vordergrund. Die<br />
tatsächliche Diskussion und Entwicklung in<br />
öffentlichen Verwaltungen <strong>ist</strong> allerdings ganz<br />
überwiegend durch die weitgehend isolierte<br />
Übertragung und Anwendung einzelner Instrumente<br />
und Verfahren aus der (privatwirtschaftlichen)<br />
Managementlehre gekenn -<br />
zeichnet. Die in weiten Bereichen vorherrschende<br />
Komplexität der öffentlichen Le<strong>ist</strong>ungserstellung<br />
findet keine Berücksichtigung.<br />
Die Beurteilung der Eignung, Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit<br />
und Wirkung einzelner Instrumente<br />
unter Vernachlässigung der Einbindung<br />
in den komplexen Systemzusammenzusammenhang<br />
dürfte weitgehend unzureichend<br />
sein. <strong>Der</strong> vorliegende Beitrag stellt<br />
hierfür einen konzeptionellen Bezugsrahmen<br />
unter besonderer Berücksichtung der Reform<br />
des öffentlichen Haushalts- und Rechnungswesens<br />
vor. Er soll zugleich Grundlage und<br />
Impulsgeber für eine stärker empirisch ausgerichtete<br />
Forschung zum öffentlichen Haushalts-<br />
und Rechnungswesen sein.<br />
Schlagworte (alphabetisch): Budgetierung,<br />
Integrierte Verbundrechnung, Komple-<br />
6 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
xität öffentlicher Le<strong>ist</strong>ungserstellung, Le<strong>ist</strong>ungs-messung,<br />
Öffentliches Haushalts- und<br />
Rechnungswesen, Performance Management<br />
1. Einleitung<br />
Seit Beginn der New Public Management<br />
(NPM) Bewegung in den 90er Jahren steht<br />
unmittelbar die Le<strong>ist</strong>ungssteuerung auf Basis<br />
einer systematischen Le<strong>ist</strong>ungsmessung auf<br />
der Reformagenda des öffentlichen Sektors. 1<br />
Das damit verbundene ökonomische Denken<br />
bzw. die Einbeziehung von Knappheitsproblemen<br />
in öffentliche Entscheidungen, verbunden<br />
mit der Festlegung von Prioritäten<br />
unterschiedlicher Le<strong>ist</strong>ungen bzw. Le<strong>ist</strong>ungsniveaus<br />
geht dabei einher mit der Anwendung<br />
privatwirtschaftlicher Managementmethoden.<br />
Dies umfasst insbesondere die<br />
Trennung von strategischer/politischer und<br />
operativer (Verwaltungs-) Entscheidung, den<br />
Perspektivenwechsel hin zur Markt- und Kundenorientierung<br />
sowie die Steuerung über<br />
Zielvereinbarungen auf Basis von Le<strong>ist</strong>ungsdaten.<br />
Auf nationaler Ebene werden diese<br />
Elemente des NPM insbesondere unter dem<br />
Begriff des Neuen Steuerungsmodells (NSM)<br />
vornehmlich für die kommunale Ebene seit<br />
geraumer Zeit diskutiert. 2<br />
Die in diesen Reformtendenzen der vergangenen<br />
Jahre erzielte Ausrichtung einer output-<br />
und damit le<strong>ist</strong>ungsorientierten Verwaltung,<br />
geht einher mit der Betonung der<br />
Ergebnisse und Wirkungen öffentlicher Aufgabenerfüllung,<br />
was zwangsläufig eine Fokussierung<br />
auf nicht-monetäre Aspekte und<br />
Handlungswirkungen öffentlicher Einheiten<br />
zur Folge hat. Im Sinne eines Performance<br />
Measurements 3 wird dabei der Aufbau und<br />
Einsatz mehrerer quantifizierbarer Kennzahlen<br />
und Indikatoren zu verschiedenen Le<strong>ist</strong>ungsdimensionen<br />
verstanden. Dies umfasst<br />
sowohl Individualle<strong>ist</strong>ung von Mitarbeitern,<br />
aber auch von Gruppen im Sinne einer Kollektivle<strong>ist</strong>ung<br />
von Organisationseinheiten<br />
und Bereichen. Werden diese erhobenen und<br />
bewerteten Le<strong>ist</strong>ungsdaten als Informationsgrundlage<br />
in einem strategischen Managementprozess<br />
zur Zielbildung, Planung,<br />
Steuerung und Kontrolle der Le<strong>ist</strong>ung und der<br />
Le<strong>ist</strong>ungspotentiale in einer Organisation<br />
eingesetzt, so <strong>ist</strong> von Performance Management<br />
die Rede. 4 Dabei <strong>ist</strong> aber das Performance<br />
Management keine Alternative zur<br />
klassischen Inputorientierung sondern „lediglich“<br />
die zweite Seite ein und derselben<br />
Medaille. Ressourcen- und Performance Management<br />
sind als eine Einheit zu begreifen.<br />
Von daher geht es neben dem klassischen<br />
Ressourcen Management nicht nur um die<br />
Einbeziehung der Le<strong>ist</strong>ungsorientierung sondern<br />
besonders auch um die zeitliche und<br />
sachliche Integration beider Komponenten in<br />
einen einheitlichen Bezugsrahmen.<br />
Nach einer Einführung zu den Besonderheiten<br />
des Le<strong>ist</strong>ungsbegriffs im öffentlichen Sektor<br />
zielt dieser Beitrag zunächst darauf ab, zu<br />
strukturieren, durch welche Instrumente Le<strong>ist</strong>ungsmessung<br />
und Le<strong>ist</strong>ungssteuerung in der<br />
Praxis umgesetzt wird. Dies geschieht unter<br />
Berücksichtigung der gegenwärtigen Literatur,<br />
die durch eine weitgehend isolierte Entwicklung,<br />
Implementierung und Analyse von<br />
einzelnen Steuerungsinstrumenten wie etwa<br />
Kostenrechnung, Produktkataloge oder Wirkungsrechnungen<br />
gekennzeichnet <strong>ist</strong>. Anschließend<br />
werden der Umsetzungsstand<br />
und die zukünftig zu erwartende Entwicklung<br />
der Le<strong>ist</strong>ungssteuerung in Deutschland<br />
aufgezeigt. Aufgrund der bisherigen Vernachlässigung<br />
der Komplexität öffentlicher Le<strong>ist</strong>ungserstellung<br />
wird anschließend unter<br />
besonderer Berücksichtigung der bisherigen<br />
Reform des öffentlichen Haushalts- und
Rechnungswesens ein konzeptioneller Bezugsrahmen<br />
zur Verknüpfung öffentlicher<br />
Le<strong>ist</strong>ungserstellung mit der Ressourcen- und<br />
der Wirkungsebene vorgestellt. Er stellt eine<br />
geeignete theoretische Grundlage für die<br />
notwendige empirische Analyse der Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit<br />
und Weiterentwicklung bisheriger<br />
Steuerungsinstrumente und deren<br />
notwendige Integration in einen komplexen<br />
Gesamtzusammenhang dar.<br />
2. Le<strong>ist</strong>ungsverständnis im<br />
Öffentlichen Sektor<br />
Für eine Le<strong>ist</strong>ungsbetrachtung öffentlicher<br />
Verwaltungen fließen vor allem die mengenund<br />
zeitmäßige Ausprägung der abgegebenen<br />
Le<strong>ist</strong>ungen, ihre Qualität und die mit der<br />
Le<strong>ist</strong>ung erzielten Wirkungen als Le<strong>ist</strong>ungsmerkmale<br />
in die Betrachtung ein. 5 Soll die<br />
Orientierung an Outputgrößen verwaltungsintern<br />
zu einer wirksamen und dauerhaften<br />
Neuorientierung im Sinne eines gesteigerten<br />
Le<strong>ist</strong>ungsbewusstseins führen, sind die definierten<br />
mengen- und qualitätsorientierten<br />
Vorgaben außerdem um Prozessgrößen zu<br />
ergänzen, da erst durch Abbildung und<br />
Quantifizierung von Arbeitsabläufen auch<br />
eine Optimierung der verwaltungsinternen<br />
Prozesse ermöglicht wird. Dies führt in Konsequenz<br />
zu einer Verknüpfung mit bzw. zu<br />
einer Betonung eines öffentlichen Wertschöpfungsprozesses.<br />
6 Während der private<br />
Unternehmenssektor schon seit geraumer<br />
Zeit das Prozessdenken in den Vordergrund<br />
stellt, dominiert nach wie vor im öffentlichen<br />
Sektor das klassische Strukturdenken. Dies<br />
erklärt dann auch, dass die Organisations-<br />
/Personalstruktur zur bestimmenden Größe<br />
für die Le<strong>ist</strong>ung gemacht wird und nicht zur<br />
als von der Le<strong>ist</strong>ung abhängigen Variable.<br />
Aus dieser Erkenntnis, den Fokus vermehrt<br />
auf die Erreichung der Ergebnisse des Verwaltungshandelns<br />
und damit auf den Output<br />
und dessen Wirkungen, den Outcome zu<br />
legen, resultiert der Ansatz der wirkungsorientierten<br />
7 bzw. outputorientierten Verwaltungssteuerung,<br />
wie sie bspw. aus der<br />
Schweiz 8 (WoV, FLAG), den USA 9 (GPRA) oder<br />
Neuseeland 10 (MfO) bekannt <strong>ist</strong>.<br />
Gerade die Fokussierung auf die Konsequenzen,<br />
Wirkungen und den mengenmäßigen<br />
Output des Verwaltungshandelns bringt im<br />
Vergleich zum inputorientierten Verständnis<br />
Vorteile, da diese den politischen Entscheidungsträger<br />
zur Formulierung klarer Le<strong>ist</strong>ungsvorgaben<br />
zwingen und der Transparenz<br />
von Zielvorstellungen dienen. Außerdem bilden<br />
sie – wenn hinreichend operationalisiert<br />
– die Basis für Kostenvergleiche und damit<br />
die Vorraussetzung für eine Analyse von Kos-<br />
tenabweichungen bei gleichem Le<strong>ist</strong>ungsprofil.<br />
Weiterhin unterstützt eine solche Perspektive<br />
die Honorierung der ökonomischen<br />
und ambitioniert erbrachten Le<strong>ist</strong>ungsergebnisse<br />
(Anreizsystem) und ermöglicht eine<br />
Feststellung des Zielerreichungsgrades im<br />
Sinne eines Soll/Ist-Vergleichs z.B. für ein personenbezogenes<br />
oder organisationsweites<br />
Kontraktmanagement.<br />
Charakter<strong>ist</strong>isch für die öffentliche Le<strong>ist</strong>ungserstellung<br />
<strong>ist</strong> in weiten Bereichen ihr hoher<br />
Komplexitätsgrad. Dessen Handhabung erfordert<br />
eine systematische und fundierte<br />
Strukturierung von Le<strong>ist</strong>ungen, die hierfür erforderlichen<br />
Ressourcen und Prozesse sowie<br />
die geplanten bzw. erreichten Wirkungen.<br />
Diese lassen sich nur dann – empirisch –<br />
sinnvoll als Partialproblem analysieren, wenn<br />
deren Lösungsansätze in einen Gesamtzusammenhang<br />
integriert werden.<br />
Abbildung 1 verdeutlicht die angesprochene<br />
Komplexität öffentlicher Le<strong>ist</strong>ungserstellung<br />
und dient als konzeptioneller Bezugsrahmen<br />
z.B. für den Aufbau eines Informationssystems<br />
zur Steuerung von Input (Ressourcen),<br />
Output (Maßnahmen, die diesen Ressourcenverbrauch<br />
verursachen) und Outcome (Ziele<br />
und Wirkungen, die mit den Maßnahmen anvisiert<br />
werden).<br />
Auf der Ebene der Effektivität geht es dabei<br />
um die Abstimmung durch Ziele zwischen Politik<br />
und öffentlicher Einheit. Effektivität <strong>ist</strong><br />
das Verhältnis geplanter Ziele bzw. des erbrachten<br />
Outputs zum tatsächlich realisierten<br />
Zielerreichungsgrad und damit der<br />
Wirkung des Verwaltungshandelns (Outcome).<br />
Bei der Ermittlung der Effektivität<br />
handelt es sich in der Regel um schlecht<br />
strukturierte Probleme, die durch eine sukzessive<br />
Entwicklung von Kennzahlen bzw. Indikatoren<br />
strukturiert werden müssen.<br />
Zielbildung und Zielvorgaben mit der entsprechenden<br />
Bereitstellung von Ressourcen<br />
zur Zielerreichung sind Gegenstand von Kontrakten<br />
zwischen Politik und Verwaltung. Allerdings<br />
sind die Ziele und damit die<br />
Effektivitätsebene sehr stark geprägt durch<br />
politische Rationalitäten, d.h. durch die auf<br />
politische Machterhaltung bzw. Machterweiterungsstrategien<br />
ausgerichtete wenig operable<br />
und damit im nachhinein nur schwer<br />
überprüfbare allgemeine Vorgaben. Konkrete<br />
Zielvorgaben beinhalten das Risiko des politischen<br />
Scheiterns zu Gunsten der politischen<br />
Gegner.<br />
Auf der Ebene der Effizienz sind diese Ziele<br />
vorgegeben, und es werden die geeigneten<br />
Abbildung 1: Prozessmodell öffentlicher Wertschöpfung von Ressourcen und Le<strong>ist</strong>ungen<br />
Eigene Darstellung<br />
Maßnahmen in Form von Input (Ressourceneinsatz)<br />
bzw. Output (Ergebnissen/Le<strong>ist</strong>ungen<br />
bzw. Produkten) festgelegt. Die Effizienz<br />
bezieht sich auf die Relation eines Outputs<br />
mit den dafür erforderlichen Ressourcen (z.B.<br />
Kosten). Bewertungsmaßstab sind zudem die<br />
Zielwirkungen der Maßnahmen einschließlich<br />
der Berücksichtigung von Qualitätsvorgaben.<br />
Das Bewertungsproblem <strong>ist</strong> im<br />
Vergleich zur Effektivität besser strukturiert.<br />
Es geht hier weniger um politische Rationalitäten<br />
sondern um eine Managementrationalität.<br />
11<br />
Auf der Ebene der Kostenwirtschaftlichkeit<br />
(Economy) geht es um das Verhältnis zwischen<br />
eingesetzten, notwendigen Ressourcen<br />
und den damit in Zusammenhang<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 7
stehenden Kosten. Hier steht neben dem<br />
Outcome auch der Output fest, z.B. in Form<br />
der zu erstellenden öffentlichen Le<strong>ist</strong>ung. Im<br />
Idealfall sind diese und ihre qualitativen<br />
Standards eindeutig als fixe Größen vorgegeben.<br />
Damit geht es bei diesem vergleichsweise<br />
gut strukturierten Problem rein<br />
operativ um die konkrete Ausgestaltung des<br />
Le<strong>ist</strong>ungsprozesses. Bewertungskriterium <strong>ist</strong><br />
der Ressourcenverbrauch, d.h. es geht um die<br />
wirtschaftliche Steuerung des Ressourceneinsatzes<br />
im Sinne des ökonomischen Prinzips<br />
als Minimalprinzip (eine vorgegebene Le<strong>ist</strong>ung<br />
mit möglichst geringem Ressourceneinsatz<br />
erzielen). Es handelt sich auf dieser<br />
Ebene um ökonomische Rationalität. Das<br />
Problem besteht jedoch primär in der Ermittlung<br />
eines sinnvollen Vergleichsmaßstabes,<br />
also der Ermittlung von Sollkosten, um im<br />
Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen Aussagen<br />
darüber machen zu können, inwieweit der<br />
Realisationsprozess wirtschaftlich vollzogen<br />
worden <strong>ist</strong>. Die Erfassung des Inputs vor<br />
allem durch Maßgrößen zur Abbildung des<br />
Ressourcenverbrauchs auf der operativen<br />
Ebene führt dann zu der Forderung nach<br />
einem integrierten Rechnungssystem auf<br />
Basis der kaufmännischen Buchführung (z.B.<br />
im Sinne der integrierten Verbundrechnung).<br />
Zur Systematisierung und Herleitung von Effizienzgrößen<br />
und zur Verknüpfung von Inputs,<br />
Outputs und Outcomes bedient sich das<br />
hier zugrunde gelegte Modell eines mechan<strong>ist</strong>ischen<br />
Ansatzes, der sich auch im Sinne<br />
einer Produktionsfunktion begreifen lässt.<br />
Gerade die Komplexität und Vielschichtigkeit<br />
öffentlicher Verwaltungen bedingen als ersten<br />
Schritt einer Klassifikation von Input- und<br />
besonders Outputgrößen, damit Effizienzaussagen<br />
von Verwaltungseinheiten überhaupt<br />
erst ermöglicht werden. Die Systematisierung<br />
z.B. in Produkte und die damit in Zusammenhang<br />
stehende Herleitung von Kennzahlen<br />
und Indikatoren <strong>ist</strong> ein Schritt in diese Richtung<br />
in der deutschen kommunalen Reformpraxis.<br />
12<br />
DS Sven Oppermann<br />
Zahnarzt<br />
DH Katja Hartmann<br />
Dentalhygienikerin<br />
Clausstraße 76 – 80<br />
09126 Chemnitz<br />
Tel. 03 71 / 51 03 74<br />
8 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Neben den Outcomes, die letztlich die Effektivität<br />
des Verwaltungshandelns bestimmen<br />
und in direktem Bezug zur Zielsetzung stehen<br />
13 , stehen am Ende der Prozesskette des<br />
hier vorgestellten Bezugsrahmens die Einflüsse<br />
auf Bürger und Politik. „The ultimate<br />
ambition is to guarantee a functional level of<br />
trust by the members of a „res publica“ in<br />
the State in all its institutions and organizations,<br />
but especially in its public institutions<br />
and organizations.“ 14 Neben der Herausforderung<br />
den Zusammenhang zwischen Output<br />
und Outcome darzustellen und zu<br />
operationalisieren, besteht ebenfalls der Anspruch,<br />
die Verbindung zwischen Outcome<br />
und Trust (Vertrauen) sowie die daraus resultierenden<br />
Veränderungen in einem politischdemokratischen<br />
Abstimmungsprozess<br />
messbar zur gestalten. Neben der Würdigung<br />
der Mikroebene (Effizienz) und Ausführungen<br />
zur nicht ganz leichten Operationalisierung<br />
von Wirkungen (Mesoebene) <strong>ist</strong> gerade der<br />
bisher in der Literatur weitgehend vernachlässigte<br />
Fokus auf die Makroebene und das<br />
damit in Beziehung stehende Verhältnis zwischen<br />
Vertrauen und Zutrauen des Bürgers<br />
gegenüber öffentlichen Verwaltungen und<br />
Behörden weitgehend außer Acht gelassen<br />
worden. 15 Doch gerade auf dieser Ebene besteht<br />
die große Herausforderung, auch zukünftig<br />
Rechtstaatlichkeit und den Bestand<br />
des gesamten politisch-admin<strong>ist</strong>rativen Systems<br />
sicherzustellen. „No country is immune<br />
to a decline in trust. […] Optimal levels of<br />
trust and confidence are functional because<br />
this helps to define optimal control systems<br />
which are the indispensable complement to<br />
make systems function.“ 16 Die Berücksichtigung<br />
dieser Größen <strong>ist</strong> somit gerade unter<br />
dem Gesichtspunkt einer Stakeholderorientierung<br />
elementarer Bestandteil eines ganzheitlichen<br />
Ansatzes zur Erfassung der<br />
öffentlichen Le<strong>ist</strong>ungserstellung. In diesem<br />
Sinne wird der Performance Begriff in der internationalen<br />
Fachdiskussion verwandt für<br />
die Konsequenzen von effizienten und/oder<br />
effektiven Handlungen auf allen Le<strong>ist</strong>ungs-<br />
und Entscheidungsebenen einer Organisation<br />
vor dem Hintergrund der Berücksichtigung<br />
pluraler (Stakeholder-)Interessen und<br />
heterogener Zielorientierung. 17 In diese Richtung<br />
weisen auch die Gedanken bereits bekannter<br />
Mehrebenenkonzepte (3-E- sowie<br />
5-E-Konzept 18 ), allerdings erweitert um Stakeholderinteressen<br />
und daraus abgeleiteten<br />
Zielen und Strategien aus politisch-admin<strong>ist</strong>rativer<br />
Sicht sowie aus Bürgerperspektive.<br />
Charakter<strong>ist</strong>isch sind aber die unmittelbar<br />
mit dem Performance Begriff zusammenhängenden<br />
Eigenschaften von Effizienz und Effektivität<br />
des Verwaltungshandelns, so dass<br />
zunehmend zur Abbildung bzw. Beeinflussung<br />
derer der Begriff des Performance Measurements<br />
bzw. des Performance<br />
Managements verwandt wird. Um die Relevanz<br />
des Themas für die öffentliche Verwaltung<br />
weiter zu vertiefen, wird im Folgenden<br />
näher auf die Funktionsfelder und konkreten<br />
Instrumente Bezug genommen.<br />
3. Grundlagen und<br />
Instrumente des Performance<br />
Managements<br />
Die Erfassung, Beschreibung und Bewertung<br />
eines effektiven und effizienten Verwaltungshandelns<br />
im Sinne eines Performance Measurements<br />
<strong>ist</strong> im Grunde nur ein Aspekt eines<br />
wesentlich umfangreicheren Performance<br />
Management Ansatzes. 19 Auch im öffentlichen<br />
Kontext dient Performance Measurement<br />
als (Informations-)Basis zur Steuerung,<br />
Planung, Budgetierung, Berichtslegung und<br />
Personalführung von Verwaltungen. Performance<br />
Management steht darauf aufbauend<br />
für einen gesamten, strategieorientierten<br />
Managementprozess einer le<strong>ist</strong>ungs- und<br />
wirkungsorientierten Verwaltungssteuerung,<br />
unter Berücksichtigung von Stakeholderinteressen,<br />
besonders von heutigen und zukünftigen<br />
Bürgerbedürfnissen. Die gerade im<br />
öffentlichen Zusammenhang vielfach synonym<br />
vorzufindende Verwendung von Perfor-
Ammons (1996) Matheson (1998) Streib/Po<strong>ist</strong>er (1999) Greiling (2005)<br />
� Accountability<br />
� Planning and<br />
Budgeting<br />
� Operational<br />
improvement<br />
� Program<br />
evaluation<br />
� Performance<br />
appraisal<br />
� Reallocation of<br />
resources<br />
� Monitor contracts<br />
� Quality<br />
improvement<br />
� incentives for good<br />
performance<br />
� budget and<br />
management systems<br />
which support performance<br />
� responsible<br />
managers<br />
� clarity of role<br />
� clarity of<br />
purpose<br />
� accountability and<br />
transparency<br />
� appropriate staff<br />
capability<br />
� culture and<br />
value aligned with organizational<br />
performance<br />
Abbildung 2: Begründungen und Inhalte des Performance Managements für öffentliche Verwaltungen<br />
mance Measurement und Performance Management<br />
<strong>ist</strong> dadurch zu erklären, dass Le<strong>ist</strong>ungsmessung<br />
und -erhebung in nahezu<br />
untrennbarem Verhältnis zur Verwendung<br />
dieser Le<strong>ist</strong>ungsdaten, steht. Pollitt charakterisiert<br />
Performance Management im Rahmen<br />
eines zyklischen Managementprozesses beispielsweise<br />
in fünf Teilprozessen im Sinne<br />
eines Strategie- und Zielbildungsprozess, der<br />
Verantwortungsbildung und Verantwortungszuweisung,<br />
des Performance Measurements,<br />
der Analyse und Informationsfeed back als<br />
� Improvements in the accountability of<br />
individual managers<br />
� Improvements in the level of employee focus on<br />
organizational goals<br />
� Improvements in service quality<br />
� Improvements in the quality of decisions or<br />
decision-making capacity<br />
� Changes in the focus or emphasis of programs<br />
� Improvements in<br />
community relations<br />
� Reductions in the cost<br />
of city operations<br />
� Improvements in the relationship between<br />
admin<strong>ist</strong>rators and elected officials<br />
� Improvements in the objectivity of personnel<br />
performance appraisals<br />
� Changes in program priorities<br />
� Changes in budget<br />
allocations to departments or programs<br />
� Improvements in the level of employee motivation<br />
Holzer/Kloby (2005) Halachmi (2005) Bouckaert/Halligan (2008)<br />
� Establishing goals<br />
and measuring results<br />
� Estimating and<br />
justifying resource<br />
requirements<br />
� Budgeting and<br />
reallocating resources<br />
� Developing organization-improvement<br />
strategies<br />
� Measuring for<br />
performance<br />
� Managing for quality<br />
� Developing human<br />
resources<br />
� Adapting technologies<br />
� Building partnerships<br />
The flair of performance management initiatives around the<br />
globe towards the end of the 20th century have been attributed<br />
to reasons such as:<br />
• A need to review the allocation of resources rigorously<br />
due to the inability of many governments to generate new<br />
sources of revenue to underwrite the growing cost of ex<strong>ist</strong>ing<br />
programs and ser-vices or to finance new ones<br />
• Demands by a better educated public, in the aftermath of<br />
scandals concerning waste and corruption, for information<br />
about the use of tax money<br />
• The evolution of a global village in which a report about an<br />
alleged good practice<br />
• In one place may generate local media reports influencing<br />
public opinion in favour of imitating and transplanting such<br />
a desired practice<br />
• Pressure from donor states and international organizations,<br />
such as the World Bank, on governments of developing<br />
countries to introduce such measures to facilitate<br />
better decisions by donors<br />
• The desire of legislatures to re-establish their credibility<br />
and accountability and create solutions to serious social<br />
issues.<br />
Grundlage der Entscheidungsfindung und der<br />
externer Rechenschaftslegung. 20 <strong>Der</strong> innere<br />
Führungskreis von Messung, Auswertung und<br />
Handlung wird somit durch einen umhüllenden<br />
Strategieprozess begleitet. Gerade hier<br />
liegt die besondere Herausforderung des Themas.<br />
Je genauer, detaillierter und verfügbarer<br />
Performance Informationen vorliegen, desto<br />
umfassender scheint eine Strategie notwendig<br />
zu sein, um zu entscheiden, wie mit den<br />
neu gewonnenen Informationen zu verfahren<br />
und umzugehen <strong>ist</strong>.<br />
� Obligatory or voluntary<br />
reporting<br />
� Modernising public<br />
budgeting<br />
� Contract management<br />
� Inter-admin<strong>ist</strong>rative<br />
comparison/<br />
benchmarking<br />
� Internal diagnosis<br />
system<br />
� Strategic management<br />
system<br />
For ideal types of managing performance:<br />
� Performance Admin<strong>ist</strong>ration,<br />
� Managements of Performance<br />
� Performance Management<br />
� Performance Government.<br />
Performance Management means:<br />
� Adding legitimacy to technicality and<br />
functionality<br />
� Shifting from a closed to an open and to<br />
an bottom-up measurement system<br />
� Shifting to individual indicators<br />
� Quality control of measuring systems<br />
(performance of measurement)<br />
� Quality management models<br />
� Comparing results (benachmarking)<br />
� Learning to improve<br />
� Development by external and pro-active<br />
change<br />
Wie die dargestellte Gegenüberstellung<br />
zeigt, lassen sich die Anforderungen an eine<br />
le<strong>ist</strong>ungsorientierte Verwaltungssteuerung<br />
im Sinne eines Performance Managements in<br />
der internationalen Diskussion der vergangenen<br />
Jahren mit dem Anspruch auf mehr<br />
Transparenz und Verantwortungsübernahme<br />
des Verwaltungshandelns (accountability) zusammenfassen.<br />
Untrennbar sind mit diesem<br />
Thema die generellen Bestrebungen zur Wiederkehr<br />
eines handlungsorientierten Rationalismus,<br />
im Sinne einer Kosten-,<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 9
Dimensionierungs- und Aufgabenkritik öffentlicher<br />
Wertschöpfung verbunden. Dies<br />
bedeutet insbesondere die Einführung von<br />
effizienteren Ansätzen einer auf öffentliche<br />
Zwecke ausgerichteten öffentlicher Rechnungslegung<br />
(finanzwirtschaftliches Performance<br />
Measurement) und damit<br />
verbundener (politischer) Verantwortungsübernahme<br />
(Rechenschaftslegung bezüglich<br />
der Verwendung von Ressourcen) sowie die<br />
Verbesserung und Modernisierung der internen<br />
Verwaltungsabläufe und die Entwicklung<br />
einer real<strong>ist</strong>ischen, performanceorientierten<br />
Vergütungspolitik. 21 Diese Funktionen und<br />
Begründungen werden im Folgenden und ableitend<br />
aus oben dargestellter Übersicht als<br />
Instrumente des Performance Managements<br />
(auf Basis eines Performance Measurements)<br />
dargestellt. Sie dienen im Folgenden als<br />
Übersicht und analytischen Rahmen dessen,<br />
was in Deutschland als Performance Management<br />
zu verstehen <strong>ist</strong>.<br />
Outputorientierte Budgetierung<br />
Die in der Vergangenheit angewandten Verfahren<br />
zur Planung und Bewirtschaftung von<br />
Haushaltsmitteln stellen eine inputorientierte<br />
Budgetierung dar. Nachteil der inputorientierten<br />
Budgetierung und unmittelbar verbunden<br />
mit der Kameral<strong>ist</strong>ik <strong>ist</strong> unter<br />
anderem die Tendenz zur jährlichen Fortschreibung<br />
einmal bewilligter Ausgaben,<br />
ohne immer wieder zu hinterfragen, in welcher<br />
Art und Weise sich das Ergebnis des öffentlichen<br />
Le<strong>ist</strong>ungserstellungsprozess<br />
verändert hat. In enger Beziehung damit<br />
steht bei der inputorientierten Budgetierung<br />
der fehlende Zusammenhang zwischen der<br />
getrennt stattfindenden Planung öffentlicher<br />
Aufgaben und Maßnahmen und der Festsetzung<br />
der Ausgaben für ein Haushaltsjahr. 22<br />
Die outputorientierte Budgetierung hingegen<br />
we<strong>ist</strong> die Finanzmittel in Abhängigkeit des<br />
Ergebnisses des Le<strong>ist</strong>ungserstellungsprozesses<br />
in Relation zu den erzielten Outputs,<br />
unter Umständen sogar in Relation zu er-<br />
10 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
reichten Outcomes (wirkungsorientierte Budgetierung)<br />
zu. 23<br />
Le<strong>ist</strong>ungsorientiertes Kontraktmanagement<br />
und Entlohnung<br />
Die Zuweisung von Finanzmitteln verbunden<br />
mit konkreten Le<strong>ist</strong>ungsvorgaben wird zunehmend<br />
zu einen systemimmanenten Element<br />
von Zielvereinbarungen bzw. Teil des<br />
Kontraktmanagements zwischen Organisationseinheiten<br />
und zunehmend auch zwischen<br />
Organisationsmitgliedern. 24 Damit nimmt<br />
eine neue Kultur des Vertragswesens Einzug<br />
in die öffentliche Verwaltung. 25 Abgesehen<br />
von grundsätzlichen Fragen 26 bezüglich Motivationsaspekten,<br />
Wirksamkeit und Verhaltensänderung<br />
bei der Umstellung auf eine<br />
le<strong>ist</strong>ungsorientierte Entlohnung unter Berücksichtigung<br />
der Besonderheiten des öffentlichen<br />
Sektors, steht vor allem die Frage<br />
nach Ansätzen und Instrumenten zur individuellen<br />
Le<strong>ist</strong>ungserfassung und zur organisationalen<br />
Erfolgsbewertung auf der Agenda.<br />
Neben individuellen, aufgaben- und einrichtungsspezifischen<br />
Einstufungsverfahren auf<br />
Mitarbeiterebene besteht auch hier die Forderung<br />
an ein Performance Measurement,<br />
die durch Mitarbeiterhandeln erzielten Ergebnisse<br />
und Wirkungen des Verwaltungshandelns<br />
zu erfassen und an das Lohn- und<br />
Gehaltsniveau zu koppeln – eine internationale<br />
Entwicklung, die mittlerweile in einem<br />
Großteil der OECD Länder Einzug genommen<br />
hat. 27<br />
Performanceorientiertes Berichtswesen<br />
Berichtslegung im Sinne einer Value-formoney<br />
Darstellung, Informationen über Umsetzung,<br />
Wirkung und Zielerreichung<br />
öffentlicher Aufgaben, Qualitätsanalysen und<br />
Tätigkeitsberichte sind in jüngster Vergangenheit<br />
zentrale Mittel zur Transparenzerhöhung<br />
und Rechenschaftslegung. 28 <strong>Der</strong><br />
klassische Wunsch nach effizienter Verwaltung<br />
und demokratischer, nachvollziehbarer<br />
und transparenter Politik verdeutlicht sich in<br />
diesen Ansprüchen an ein Berichtswesen,<br />
welches sich insbesondere von der rein finanziellen,<br />
inputorientierten, haushaltsbezogenen<br />
Berichtserstattung, hin zu Auswirkungen<br />
und Ergebnissen wandelt. 29 Aus politischer<br />
Sicht besteht dabei die Hoffnung, durch Darstellung<br />
monetärer, als auch nicht-monetärer<br />
Performance Größen des Le<strong>ist</strong>ungserstellungsprozesses<br />
der öffentlichen Verwaltungen,<br />
die Bereitschaft des Bürgers zu erhöhen,<br />
sich im politischen Willensbildungsprozess,<br />
z.B. durch Beteiligung an Wahlen aufgrund<br />
neu gewonnener Transparenz aktiv(er) zu beteiligen.<br />
30 Neben dieser externen Perspektive<br />
nimmt das Berichtswesen auch im admin<strong>ist</strong>rativen<br />
Steuerungsprozess im Sinne eines<br />
„management reportings“ an Bedeutung<br />
zu. 31<br />
Verwaltungsinterne und verwaltungsübergreifende<br />
Le<strong>ist</strong>ungsvergleiche<br />
Produkte, Dienstle<strong>ist</strong>ungen, Prozesse und<br />
Methoden betrieblicher Funktionen über<br />
mehrere Organisationseinheiten hinweg zu<br />
vergleichen bietet die Chance, Wettbewerbssituationen<br />
bspw. gegenüber anderen Abteilungen<br />
bzw. Verwaltungen zu simulieren und<br />
den behördenweiten Erfahrungsaustausch zu<br />
stimulieren. 32 Hierbei besteht ein wesentlicher<br />
Erfolgsfaktor darin, Verwaltungsprodukte<br />
in Hinsicht auf den jeweiligen Ressourcenverbrauch,<br />
Quantität und Qualität<br />
vergleichbar zu machen bzw. Behördenle<strong>ist</strong>ungen<br />
über Aufgaben-, Prozess- und Produkttypologisierungen<br />
zu standardisieren. 33<br />
Neben der gemeinsamen, arbeitsteiligen Entwicklung<br />
von Kennzahlen und operationalisierten<br />
Zielen und der damit verbundenen<br />
Aufdeckung von Hinweisen für Optimierungspotentiale<br />
<strong>ist</strong> besonders der Lern- und<br />
Erkenntnisgewinn durch Benchmarking-Vorhaben<br />
herauszustellen. Verwaltungsinterne<br />
und verwaltungsübergreifende Le<strong>ist</strong>ungsvergleiche,<br />
mit dem Ziel des Adaptierens von<br />
Methoden zur Problemlösung und des Imitierens<br />
hervorragenden Ergebnisse Anderer<br />
�����������������������<br />
���������������������������<br />
�������������������������������������<br />
��������������������������<br />
��������������������������������������<br />
���������������<br />
�����������������������������������������<br />
���������������������������������<br />
��������������������������������������������
<strong>ist</strong> somit Bestandteil eines intensiven organisationalen<br />
Lernprozesses.<br />
Reformiertes öffentliches Rechnungswesen<br />
Das öffentliche Haushaltshalts- und Rechnungswesen<br />
in Deutschland befindet sich gegenwärtig<br />
in einem fundamentalen Umbruch,<br />
wenngleich die Reformdiskussion und<br />
Reformentwicklung in Deutschland sich bisher<br />
weitgehend auf die Reform des öffentlichen<br />
Rechnungswesens zugunsten eines<br />
kaufmännischen Rechungswesens konzentriert<br />
hat. 34 Die Kameral<strong>ist</strong>ik trägt dabei den<br />
Anforderungen an ein zukunftsorientiertes,<br />
le<strong>ist</strong>ungsfähiges Informationssystem öffentlicher<br />
Verwaltungen nicht mehr Rechnung.<br />
Sie gibt zwar sehr genau Auskunft über die<br />
Zahlungsvorgänge während einer Haushaltsperiode,<br />
liefert aber keine Informationen über<br />
die tatsächliche Vermögens- und Schuldensituation<br />
sowie über den jeweiligen Vermögensverbrauch,<br />
Kosten der Verwaltungsaktivitäten<br />
und die zukünftige Ertragskraft<br />
und Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit einer Gebietskörperschaft.<br />
4. Konzeptioneller Bezugsrahmen<br />
und Umsetzungsstand<br />
Die konsequente Erfassung von Ergebnissen<br />
und Wirkungen des Verwaltungshandelns<br />
und die damit verbundene Gegenüberstellung<br />
mit den dafür notwendigen Ressourcen<br />
im Sinne einer Effizienz- und Kostenwirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />
stellt zunächst unmittelbar<br />
die Frage nach der Ausgestaltung<br />
eines Informationssystems für öffentliche<br />
Einheiten und der damit verbundenen Aussagequalität<br />
bzgl. des Ressourcenverbrauchs<br />
und des Mitteleinsatzes. Im Sinne eines finanzwirtschaftlichen<br />
Performance Measurements<br />
mit inhärentem Bezug zur Stakeholderorientierung<br />
(z.B. in Fragen der intergenerative<br />
Gerechtigkeit) geht es dabei besonders<br />
um die Frage, mit welchen<br />
finanziellen Konsequenzen in Bezug auf Verschuldung<br />
und sonstigen Verpflichtungen gegenüber<br />
heutigen und zukünftigen Generationen<br />
das anvisierte öffentliche Le<strong>ist</strong>ungsangebot<br />
umzusetzen <strong>ist</strong>. Darüber hinaus besteht<br />
ein notwendiger Bedarf nach Informationen<br />
zur Abbildung der Inputseite, die<br />
ein reformiertes kaufmännisches Rechnungswesen<br />
mit vertretbarem Aufwand am Besten<br />
zur Verfügung zu stellen scheint. 35 So sind<br />
beispielsweise für den ersten Schritt einer<br />
outputorientierten Budgetierung von Verwaltungseinheiten,<br />
z.B. auf Basis von Kostenund<br />
Mengeneinheiten (accrual budgeting)<br />
entsprechende Kosteninformationen herzuleiten<br />
und diese für die unter- bzw. mehrjäh-<br />
rige Finanz- und Ergebnis-/Haushaltsplanung<br />
anzuwenden. Es besteht somit in letzter Konsequenz<br />
ein Bedarf nach einem integrierten<br />
Rechnungssystem auf Basis der kaufmännischen<br />
Buchführung (accrual accounting)<br />
durch das valide Effizienz- und Effektivitätsaussagen<br />
im Sinne einer Performance Betrachtung<br />
erst ermöglicht werden.<br />
Die Drei-Komponenten-Rechnung basiert auf<br />
der Doppik und besteht aus drei integrierten<br />
Modulen, die durch ein viertes Modul, der Kosten-<br />
und Le<strong>ist</strong>ungsrechnung (KLR), ergänzt<br />
wird. Dieser Ansatz stellt ein integriertes System<br />
von Vermögens-, Finanz- und Ergebnisrechnung<br />
dar, (vgl. Abbildung 3) wobei die<br />
Vermögensrechnung formal das grundlegende<br />
Rechnungsmodul <strong>ist</strong>. Sie we<strong>ist</strong> als Vollvermögensrechnung<br />
in Form einer Bilanz auf der Aktivseite<br />
das Vermögen als Kapitalverwendung<br />
aus. Auf der Passivseite wird die Kapitalherkunft<br />
dokumentiert, d.h. inwieweit das Vermö-<br />
gen mit Eigenkapital bzw. Fremdkapital<br />
finanziert worden <strong>ist</strong>. Das Vermögen sollte in<br />
Verwaltungsvermögen und realisierbares Vermögen<br />
unterteilt werden, wobei dieser Ansatz<br />
der Transparenz von Schuldendeckungspotenzial<br />
und zukünftiger strategischer Option dient.<br />
<strong>Der</strong> Ressourcenverbrauch einer Haushaltsperiode<br />
kann mithilfe eines statisch-komparativen<br />
Vergleichs zwischen zwei Zeitpunkten<br />
(Zeitpunktrechnung) ermittelt werden. Eine<br />
Vermögensminderung bedeutet eine Minderung<br />
des Eigenkapitals einer Gebietskörperschaft,<br />
eine Vermögensmehrung entsprechend<br />
einer Eigenkapitalmehrung. 36 Zentrale<br />
Größen sind das Eigenkapital bzw. dessen Veränderungen<br />
im Zeitablauf in der Vermögensrechnung<br />
und die Differenz von Erträgen und<br />
Aufwendungen in der Ergebnisrechnung. Die<br />
Höhe des Eigenkapitals informiert über die<br />
ökonomische Handlungsvalidität einer Gebietskörperschaft<br />
in der Vergangenheit. Die zukünftige<br />
Veränderung des EK (im Sinne eines<br />
Key Performance Indikators) gibt an, inwieweit<br />
notwendige Haushaltssanierungen ergriffen<br />
wurden und der geforderten intergenerativen<br />
Gerechtigkeit für das konkrete Entscheidungsverhalten<br />
handlungsleitend <strong>ist</strong>. Die Ergebnis-<br />
Abbildung 3 Integrierte Verbundrechnung (IVR) als auf die Erfassung von Le<strong>ist</strong>ungszielen,<br />
Output, Ressourcenverbrauch, Vermögen, Schulden und Finanzen ausgerichtetes<br />
doppisches Pla-nungs- und Rechnungssystem. Eigene Darstellung.<br />
rechnung als wichtigstes Rechenmodul<br />
konkretisiert und erklärt entsprechend die Veränderungen<br />
des Eigenkapitals.<br />
Die Konsequenzen dieses Ansatzes für die öffentlichen<br />
Haushalte sind gravierend. So <strong>ist</strong><br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 11
in der Vermögensrechnung und in der Ergebnisrechnung<br />
auch jener Ressourcenverbrauch<br />
als zukünftige Verpflichtung auszuweisen,<br />
der zwar in einer bestimmten Haushaltsperiode<br />
nicht mit Zahlungen verbunden <strong>ist</strong>,<br />
gleichwohl als Aufwand bzw. Vermögensverbrauch<br />
anfällt. Hierzu zählen insbesondere<br />
Abschreibungen und Pensionsverpflichtungen,<br />
die damit auch die auszuweisende Verschuldung<br />
beeinflussen. Schulden beschränken<br />
sich nicht mehr auf die Geldschulden<br />
(Kapitalmarktschulden), sondern umfassen<br />
darüber hinausgehende zukünftige<br />
Verpflichtungen als Verbindlichkeiten. Als<br />
Schulden sind also auch solche Verpflichtungen<br />
der öffentlichen Hand auszuweisen, die<br />
diese in einer bestimmten Periode eingegangen<br />
<strong>ist</strong>, ohne dass hierfür klassische Geldschulden<br />
durch Aufnahme von Krediten<br />
entstanden sind. 37<br />
Die zunächst auf die ex post Betrachtung<br />
ausgerichtete Mehrkomponentenrechnung<br />
<strong>ist</strong> inzwischen konzeptionell zur Integrierten<br />
Verbundrechnung weiterentwickelt worden.<br />
Diese integriert die Planung (Haushalt/Budgetierung)<br />
und die Ist-Rechnung (Rechnungswesen).<br />
Beide Ebenen müssen sich konzeptionell<br />
und inhaltlich entsprechen und<br />
miteinander verzahnt sein. 38 Dies bedeutet,<br />
dass der Vermögens-, Finanz- und Ergebnisrechnung<br />
als Ist-Rechnung auf der Planungsebene<br />
eine Planbilanz, ein Finanz- und ein<br />
Ergebnishaushalt gegenüber stehen müssen.<br />
39 <strong>Der</strong> Rechnungsstil <strong>ist</strong> die Doppik (doppischer<br />
Verbund). Die Verknüpfung zwischen<br />
dem Ergebnishaushalt und der Ergebnisrechnung<br />
erfolgt durch die Kosten- und Le<strong>ist</strong>ungsrechnung,<br />
wodurch sich eine Outputorientierung<br />
durch die Gegenüberstellung<br />
von abgegebenen Verwaltungsle<strong>ist</strong>ungen in<br />
Relation zum dafür notwendigen Ressourcenaufwand<br />
darstellen lässt. 40<br />
In Zukunft gilt es nun systematisch diese verbesserte<br />
Qualität der Abbildung der Inputseite<br />
und des Ressourcenverbrauchs auch mit<br />
dem Output und Outcome öffentlichen Verwaltungshandelns<br />
in Verbindung zu setzen.<br />
Die klassischen Ansätze einer Kosten- und<br />
Le<strong>ist</strong>ungs- bzw. einer Aufwands- und Ertragsrechnung<br />
(GuV) privatwirtschaftlicher Natur<br />
sind dabei bei öffentlichen Verwaltungen nur<br />
bedingt anwendbar, da ein Großteil der öffentlichen<br />
Le<strong>ist</strong>ungserstellung in nicht-monetärer<br />
Dimension geschieht. Die fehlende<br />
Anwendbarkeit des „matching principle” aus<br />
dem privaten Rechnungswesen, d.h. die logische<br />
Verknüpfung von Aufwand und Ertrag<br />
<strong>ist</strong> dabei zu ersetzten durch eine konsequente<br />
Le<strong>ist</strong>ungserfassung von auf Basis er-<br />
12 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
zielter Outputs und Outcomes. Die folgende<br />
Abbildung 4 stellt dazu einen Bezugsrahmen<br />
für die Le<strong>ist</strong>ungs- und Ressourcensteuerung<br />
für öffentliche Einheiten dar. Kontraktmanagement,<br />
Berichtswesen und Le<strong>ist</strong>ungsvergleiche<br />
bedienen sich dabei als Management -<br />
instrumente den verfügbaren Input- und Outputinformationen,<br />
aus einem reformierten<br />
Rechnungswesen bzw. aus einer systematischen<br />
Outputerfassung auf Basis von Indikatoren<br />
und Kennzahlen. Besondere Bedeutung<br />
kommt dabei der Budgetierung zu, die den<br />
klassischen Haushaltsvollzug auf Ergebnisse,<br />
z.B. gegliedert und ausgerichtet auf Produkte,<br />
reformiert. Festgelegt wird der Einsatz<br />
dieser Instrumente durch einen übergelagerten<br />
strategischen Management Prozess, charakterisiert<br />
aus Planung, Entscheidung und<br />
Rückkopplung und der Prägung in strategische,<br />
d.h. mittel- und langfr<strong>ist</strong>igen Programme.<br />
Grundlage hierfür bildet das<br />
Performance Measurement, das funktional<br />
und institutional dem öffentlichen Controlling<br />
zugewiesen wird. Dieses dient vor allem<br />
als unterstützendes Informationsversorgungsinstrument<br />
der Gegenüberstellung aktueller<br />
Ist-Daten mit vorgegebenen Zielwerten<br />
bzw. mit Daten anderer Perioden.<br />
Entscheidung<br />
Response/Anwendung<br />
Integrierte<br />
Verbundrechnung<br />
Erfassung von<br />
Finanzrechnung<br />
Vermögensrechnung<br />
AufwandsrechnungKostenrechnung<br />
Inputs<br />
(Ressourcen)<br />
KLR<br />
Ergebnisrechnung<br />
Politisches Programm<br />
Haushaltsvollzug<br />
(Mittelbewirtschaftung)<br />
Finanz- und<br />
Ergebnishaushalt<br />
Mittelfr<strong>ist</strong>ige<br />
Finanzplanung<br />
Unter Vorgabe des dargestellten konzeptionellen<br />
Verständnisses (Abbildung 4) einer<br />
möglichen le<strong>ist</strong>ungsorientierten Verwaltungssteuerung<br />
stellt sich unmittelbar die<br />
Frage nach dem Umsetzungsstand der Performance<br />
Management Instrumente in<br />
Deutschland. Das Produktkonzept, welches<br />
stellvertretend für die Outputorientierung auf<br />
Landes- und besonders auf Kommunalebene<br />
in Deutschland vorzufinden <strong>ist</strong>, wird als ein<br />
erster institutionalisierter Ansatz verstanden,<br />
<strong>Rest</strong>riktionen / Rechtliche Vorgaben /<br />
Politische Zielsetzungen / Leitbild<br />
Funktions- u. Rollenverständnis<br />
von Staat u. Verwaltung<br />
NPM<br />
Benchmarking/Ranking<br />
Reporting<br />
Contracting<br />
Budgeting<br />
Performance Measurement flächendeckend<br />
anhand von quantitativen und qualitativen<br />
Kennzahlen pro Produkt zu praktizieren. Das<br />
Produktkonzept <strong>ist</strong> allerdings hinsichtlich der<br />
generellen Ausrichtung und Budgetierung<br />
von öffentlichen Verwaltungen im Hinblick<br />
auf gesellschaftlichen Wandel und neue<br />
(wirtschaftliche) Herausforderungen als<br />
kleinteilig und inkrementell einzustufen.<br />
Hinzu kommt, dass ein großer Teil der Produkte<br />
politisch nicht entscheidungsrelevant<br />
sind, da sie aus einem technischen Vollzug<br />
gesetzlicher Vorgaben resultieren. Eine übergeordnete<br />
programmorientierte Budgetierung,<br />
die von einzelnen Aufgaben und<br />
Organisationseinheiten abstrahierend auf<br />
eine generelle (strategische) Projektebene<br />
abzielt kann auch in Zusammenhang mit<br />
einem Politik-Controlling bis heute nicht vorgefunden<br />
werden. Auf kommunale Ebene hat<br />
sich jedoch die produktorientierte Budgetierung<br />
auf Basis von Kosten bzw. damit auch<br />
auf Basis von Mengen in vielen Bereichen<br />
etabliert. Die Grundlage hierfür <strong>ist</strong> die Kosten-<br />
und Le<strong>ist</strong>ungsrechnung die mit der Modernisierung<br />
des Rechnungswesens hinreichend<br />
weit auf kommunaler Ebene verfügbar<br />
<strong>ist</strong>. Auch die Länder haben bereits begon-<br />
Ergebnis<br />
Vollzug<br />
Planung<br />
Produkt-/<br />
Maßnahmenplanung<br />
Produktplan/<br />
Ergebnishaushalt<br />
Maßnahmenvollzug/<br />
Realisationsprozess<br />
Aufgaben-<br />
/ Programmplanung<br />
Strategisches Management<br />
Ex-post Evaluierung<br />
Erfassung von<br />
Output<br />
Outcome<br />
Impact<br />
Kennzahlen und<br />
Indikatoren<br />
bzgl. Menge<br />
Qualität<br />
Zeiten<br />
Zufriedenheit<br />
Wirkungen<br />
etc.<br />
Ertragsrechnung<br />
Le<strong>ist</strong>ungsrechnung<br />
Measurement Analyse/Inkorporation<br />
Monitoring und Controlling<br />
Verwaltungsrationalität<br />
Politische<br />
Rationalität<br />
Abbildung 4: Konzeptioneller Bezugsrahmen für die Le<strong>ist</strong>ungs- und Ressourcensteuerung<br />
für öffentliche Verwaltungen. Eigene Darstellung<br />
nen in geeigneten Bereichen und bzw. schon<br />
flächendeckend die KLR zu implementieren. 41<br />
Zum Benchmarking in Deutschland <strong>ist</strong> festzustellen,<br />
dass der Le<strong>ist</strong>ungsvergleich mittels<br />
Kennzahlensystemen bisher vorwiegend auf<br />
kommunaler Ebene vorzufinden <strong>ist</strong>. Nach anfänglich<br />
euphorischer Zustimmung Mitte bis<br />
Ende der 90er Jahre sind gegenwärtig lediglich<br />
die Bemühungen der KGSt, als „verwaltungsnaher<br />
Berater“ zu erwähnen. Es <strong>ist</strong><br />
eindeutig zu erkennen, dass sobald Promo
toren, wie die KGSt oder Bertelsmann Stiftung,<br />
ihre treibende Wirkung mit Erreichen<br />
des Endes von Projektlaufzeit einstellen, sich<br />
aus den Verwaltungen selber wenig bis keine<br />
Ansätze zur Fortführung oder eigenständigen<br />
Neuentwicklung von Le<strong>ist</strong>ungsvergleichen<br />
bilden. In diese Richtung we<strong>ist</strong> auch die relativ<br />
hohe Fluktuationsquote von teilnehmenden<br />
Behörden und Städten. All dies kann<br />
durch fehlende Institutionalisierung des<br />
Benchmarking in deutschen Kommunalverwaltungen<br />
erklärt werden. Motivation und<br />
Entscheidung zur Teilnahme entspringt vielfach<br />
dem persönlichen Interesse und Ehrgeiz<br />
einzelner Führungskräfte.<br />
Im Gegensatz zu anderen Benchmarking Ansätzen,<br />
wie z.B. in Großbritannien 42 steht in<br />
Deutschland nicht die Information der Öffentlichkeit<br />
über die Verwaltungsle<strong>ist</strong>ung und<br />
eine Kontrolle des Verwaltungshandelns<br />
durch die Bürger oder vorgelagerte (Aufsichts-)<br />
Behörden im Vordergrund, sondern<br />
die Verbesserung der internen Informationsund<br />
Steuerstrukturen. 43 So basiert das kommunale<br />
Benchmarking hierzulande ganz und<br />
gar auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, da der<br />
externe Handlungsdruck in der öffentlichen<br />
Verwaltung lediglich latent vorhanden <strong>ist</strong>.<br />
Die Grundidee, Benchmarking als Wettbewerbssurrogat<br />
in öffentlichen Verwaltungen<br />
zu etablieren, <strong>ist</strong> damit aufgrund der Erfahrung<br />
der vergangenen zehn Jahre nachweislich<br />
gescheitert. Die Zahl von 200 Vergleichsringen<br />
in zehn Jahren für ganz Deutschland,<br />
die durch wenige Mitarbeiter der KGSt am<br />
Leben erhalten werden, sei Beleg dafür. <strong>Der</strong><br />
potentielle Hebel durch virtuellen Wettbewerb<br />
anreizgebende Impulse zu vermitteln,<br />
wird durch fehlende Anreize sich überhaupt<br />
des Benchmarking zu bemühen zunichte gemacht.<br />
Von einem systemimmanenten Ansatz<br />
des Benchmarkings in Deutschland kann<br />
daher nicht gesprochen werden, so dass<br />
auch Konsequenzen der Benchmarkingergebnisse<br />
durch z.B. positive bzw. negative Sanktionen<br />
ausbleiben.<br />
Auf Seiten der Le<strong>ist</strong>ungsvertragsgestaltung<br />
auf Mitarbeiterebene sieht in Deutschland<br />
der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst<br />
die Einführung variabler Le<strong>ist</strong>ungselemente<br />
vor, die zusätzlich zum Gehalt gezahlt werden.<br />
44 Ein Le<strong>ist</strong>ungsentgelt wird dabei als<br />
Le<strong>ist</strong>ungsprämie, Erfolgsprämie oder Le<strong>ist</strong>ungszulage<br />
zugewiesen. Eine Le<strong>ist</strong>ungsprämie<br />
<strong>ist</strong> in der Regel eine einmalige Zahlung,<br />
die im Allgemeinen auf der Grundlage einer<br />
Zielvereinbarung erfolgt. Sie kann auch in<br />
zeitlicher Abfolge gezahlt werden. Die Erfolgsprämie<br />
kann in Abhängigkeit von einem<br />
bestimmten wirtschaftlichen Erfolg gezahlt<br />
werden. Seit dem Jahr 2007 wird erstmals<br />
(1% der Summe der ständigen Monatsentgelte<br />
des Vorjahres) als Le<strong>ist</strong>ungsentgelt festgelegt.<br />
Als Zielgröße sind jedoch 8% geplant,<br />
wobei der Tarifvertrag nicht festlegt, bis<br />
wann dieses Ziel erreicht werden soll. Die genaue<br />
Bestimmung zur Le<strong>ist</strong>ungsbezahlung<br />
und die anzuwendenden Bewertungsprinzipien<br />
werden vor Ort durch Betriebs- oder<br />
Dienstvereinbarungen zwischen Personalrat,<br />
Dienststelle und Arbeitnehmern geregelt.<br />
Dies betrifft vor allem die Auswahl der Formen<br />
von Le<strong>ist</strong>ungsentgelten, der Methoden<br />
sowie Kriterien der systematischen Le<strong>ist</strong>ungsbewertung<br />
und der aufgabenbezogenen<br />
Bewertung (messbar, zählbar oder<br />
Instrument Umsetzung in Deutschland Zukünftige Entwicklung<br />
Performance<br />
Budgetierung<br />
Performance<br />
Reporting<br />
Performance<br />
Contracting<br />
Auf kommunaler Ebene:<br />
� Weiterhin verstärkter Fokus<br />
� Gliederung der Teilhaushalte in Produkte/Produktgruppen gem. auf (einheitliche) Definition<br />
doppischer GmHVO.<br />
von Le<strong>ist</strong>ungs- und Qualitäts-<br />
� Nutzung quantitativer und qualitativer Kennzahlen zur nachrichtliniveaus und Koppelung deschen<br />
Information.<br />
sen an den Input.<br />
� Erste Ansätze produktorientierter Budgetierung, d.h. Umsetzung der � Wechsel von kleinteiliger<br />
Outputorientierten Budgetierung auf Basis von Kosten bzw. von ab- Produktorientierung („Von der<br />
gegebenen Kosten pro Mengeneinheit auf Grundlage der KLR. Titel zur Produktbürokratie)<br />
� Durch den Bezug des Mittel- und Ressourceneinsatzes zur Le<strong>ist</strong>ung zur Programmorientierung<br />
des jeweiligen Verwaltungszweiges wird damit eine Flexibilisierung und Programmbudgetierung,<br />
der Ausgaben erreicht.<br />
verbunden mit erheblich not-<br />
� Sobald ein Fachbereich durch die Vereinbarung von le<strong>ist</strong>ungsbezowendigerOrganisationsvergenen Budgets gesteuert wird, kann diesem die Planung und Ausänderung.führung der Produkte sowie die Verwendung der zugewiesenen<br />
Ressourcen selbst überlassen werden (Globalbudget).<br />
Auf staatlicher Ebene:<br />
� Produkthaushalte in sechs Bundesländern flächendeckend, in<br />
Bayern und Meckl.-Vorp. auf Probe. Im Saarland in zwei Bereichen.<br />
� Auf Bundesebene keine Verknüpfung zwischen Performanceerfassung<br />
und Budgetierung, lediglich Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen<br />
gem. § 7 Abs. 2 BHO und § 33 BHO.<br />
� Berücksichtigung von Lageberichterstattung im Rahmen des refor- � Verstärkte Auskunft monetämierten<br />
öffentlichen Rechnungswesens (z.B. nach DRS 15), z.B. in rer und nicht-monetärer Per-<br />
Hamburg. Neben handelsrechtlichen Jahresabschlüssen (Bilanz/ formance-Informationen auf<br />
Konzernbilanz, Ergebnisrechnung), Abbildung von immateriellen freiwilliger Basis (z.B. auf on-<br />
Werten zur Darstellung eine angemessene Daseinsfürsorge für die line Plattformen) zur Erhö-<br />
Bevölkerung und die Entwicklung der sozioökonomischen Struktur hung der Transparenz und<br />
einer Gebietskörperschaft.<br />
Rechenschaftslegung öffent-<br />
� Jahresabschluss und Lageberichtswesen wird als Grundlage zur licher Einheiten.<br />
Entlastung des Parlaments/Rats durch die Bürgerschaft verstanden � Verpflichtendes Quality of<br />
(Parlamentspublizität) und bilden das erste handelsrechtlich struktu- Life Reporting.<br />
rierte Berichtswesen an der Schnittstelle zwischen Politik und Ver- � Institutionalisiertes (finanzielwaltung<br />
auf der Staatsebene in Deutschland. Noch keine Verankeles) Berichtswesen durch exrung<br />
des externen Berichtswesens auf kommunaler Ebene.<br />
terne Rating Agenturen.<br />
� Berichtswesen grundsätzlich als Mittel zur internen Steuerung kommunaler<br />
Verwaltungen, insb. Planung und Steuerung des Produkthaushalts<br />
durch (standardisierte) Berichte.<br />
� Auf individueller Ebene Einführung variabler Le<strong>ist</strong>ungselemente im � Aufgrund fehlender Operatio-<br />
Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Ziel- und Le<strong>ist</strong>ungsvereinbanalisierbarkeit reduzierte Wirrung<br />
zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzen, z.B. gem. § 11 Abs. 1 kung bzw. Wegfall von per-<br />
der Geschäftsordnung der Bundesmin<strong>ist</strong>erien (GGO).<br />
sonenbezogenenLe<strong>ist</strong>ungs- � Auf organisatorischer Ebene Ziel- und Le<strong>ist</strong>ungsvereinbarung zwiendgelten.schen Verwaltungseinheiten. Zielvereinbarungen als institutionali- � Notwendigkeit zur Evaluation<br />
siertes Instrument der Globalsteuerung, z.B. im Hochschulbereich bzgl. Dysfunktionalitäten.<br />
(zwischen Min<strong>ist</strong>erium, Hochschule und Fakultäten).<br />
Benchmarking � Wenige intern motivierte Vergleichsinitiativen von Verwaltungen auf<br />
Ländebene (Innovationsring <strong>Sache</strong>n oder Kostenvergleich Berliner<br />
Bezirksämter).<br />
� Dominierende Rolle der KGSt bei Durchführung von freiwilligen<br />
internen kommunalen Vergleichsringen (IKO-Netz). Bisher 220 Vergleichsringe<br />
mit 3000 teilnehmenden Kommunen in 30 kommunalen<br />
Aufgabenfeldern.<br />
� Initiativen der Bertelsmann Stiftung inzwischen eingestellt. Keine<br />
Reformiertes<br />
Rechnungswesen<br />
Initiativen zwischen Bundesländern.<br />
� Auf der kommunalen Ebene in allen 16 Bundesländern Doppik oder<br />
Doppikoptionen bei statischer Orientierung am HGB.<br />
� Auf der staatlichen Ebene verbleit die (erweiterte) Kameral<strong>ist</strong>ik das<br />
führende Rechnungssystem in 13 Bundesländern. Doppik nur in<br />
Bremen, Hamburg und NRW im Sinne der Integrierten Verbundrechnung.<br />
� Erhebliche Reluktanz in einigen Bundesländern (z.B. Bayern, Thüringen).<br />
Modernisierung des HGrG führt in 2009 die „staatliche Doppik“<br />
ein und erlaubt doppisch buchenden Ländern den Verzicht auf<br />
die Kameral<strong>ist</strong>ik.<br />
anderweitig objektivierbar), gegebenenfalls<br />
differenziert nach Arbeitsbereichen oder Zielerreichungsgraden.<br />
Gesetzgeber und Tarifparteien<br />
schaffen damit sowohl für Beamte<br />
als auch für Angestellte des öffentlichen<br />
Dienstes die Voraussetzungen für eine extrinsische<br />
und materielle Anreizgestaltung in<br />
Form der variablen Vergütung.<br />
Die folgende Abbildung verdeutlicht zusammenfassend<br />
die gegenwärtige und die zu erwartende<br />
zukünftige Entwicklung.<br />
munen in 30 kommunalen Aufgabenfeldern.<br />
Heterogenität hingegen auf Staatsebene:<br />
Bund und Länder verharren mittelfr<strong>ist</strong>ig auf<br />
Kameral<strong>ist</strong>ik.<br />
� Auch weiterhin keine institutionalisierte<br />
Pflicht zu behördenweitenLe<strong>ist</strong>ungsvergleichen.<br />
� Doppik mittelfr<strong>ist</strong>ig flächendeckend<br />
auf kommunaler Ebene.<br />
� Entwicklungsbedarf bzgl.<br />
Rechnungslegungsstandards<br />
(HGB oder internationales<br />
IFRS/IPSAS) und Einheitlichkeit<br />
von Bewertungsverfahren.<br />
� Heterogenität hingegen auf<br />
Staatsebene: Bund und Länder<br />
verharren mittelfr<strong>ist</strong>ig auf<br />
Kameral<strong>ist</strong>ik.<br />
� Nach Umstellungserfahrungen<br />
im Rahmen von Eröffnungsbilanzen<br />
nach einigen<br />
Jahren vergleichbare Jahrsabschlüsse<br />
mit Fokus auf<br />
Eigenkapitalverzehr bzw. Ergebnisrechnug.<br />
Abbildung 5: Konzeptioneller Bezugsrahmen für die Le<strong>ist</strong>ungs- und Ressourcensteuerung für öffentliche<br />
Verwaltungen. Eigene Darstellung<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 13
5. Fazit<br />
Die Ursprünge einer, vor allem auf nicht-monetären<br />
Maßgrößen basierenden Entwicklung<br />
der Le<strong>ist</strong>ungsmessung und -erfassung<br />
in der öffentlichen Verwaltung sind komplex.<br />
Performance Measurement steht seit Anbeginn<br />
der Diskussion einerseits als Ansatz zur<br />
Erhöhung der Effizienz der internen Le<strong>ist</strong>ungserstellung<br />
durch Abbildung der erzielten<br />
Ergebnisse sowie andererseits als<br />
Verfahren zur (externen) Rechenschaftslegung<br />
und Verantwortungsbildung gegenüber<br />
Bürger und Politik (z.B. durch Berichtslegung).<br />
45 Performance Measurement wird<br />
somit als Instrument des (New) Public Managements<br />
wahrgenommen 46 , darüber hinaus<br />
aber auch zunehmend als nächste<br />
Phase der Verwaltungsmodernisierung 47 oder<br />
Teil der Governance Bewegung gesehen.<br />
Denn eine Qualitätspolitik und eine nachhaltige<br />
Steuerung öffentlicher Ressourcen verlangt<br />
zunehmend eine die Steuerungsebene<br />
mit der Le<strong>ist</strong>ungsebene verbindende Bewertung<br />
nach den Maßstäben eines Good Governance.<br />
Es lässt sich festhalten, dass das Performance<br />
Measurement zur Messung, Bewertung und<br />
Steuerung öffentlicher Aufgabenerfüllung zunehmend<br />
an Bedeutung gewinnt. Aufbauend<br />
auf den neuen Informationstechnologien und<br />
Daten aus dem reformierten Rechnungswesen<br />
wird die le<strong>ist</strong>ungsorientierte Steuerung<br />
in einer zunehmend größeren Anzahl von Politikfeldern<br />
und Verwaltungsbereichen praktiziert.<br />
Die Darstellung des Umsetzungstands<br />
zeigt, dass in Deutschland neben dieser extensiven<br />
Nutzung die Instrumente des Performance<br />
Management auch intensiv<br />
genutzt werden. Neben der Anwendung zur<br />
Verbesserung der verwaltungsinternen<br />
Steuerungsfähigkeit, steht Performance Management<br />
gleichsam als Oberbegriff zur Rechenschaftslegung,<br />
um politische Mandatsträger,<br />
Verwaltungsklienten und die lokale<br />
Öffentlichkeit über Verwaltungsle<strong>ist</strong>ungen zu<br />
informieren. 48<br />
Auch zukünftig wird an öffentliche Einheiten<br />
der Anspruch bestehen, zu zeigen und zu belegen,<br />
dass sich die Zielerreichung und Le<strong>ist</strong>ungserstellung<br />
positiv entwickelt. Die im<br />
Aufgabenspektrum der öffentlichen Verwaltung<br />
häufig auftretenden und schwer lösbaren<br />
Mess- und Zurechnungsprobleme (besonders<br />
bei der Erfassung und Beurteilung<br />
des Outcomes) erschweren jedoch die Aussagen<br />
über den Erfolg des Verwaltungshandels.<br />
Somit besteht die große Herausforderung<br />
weiterhin in der Abbildung von<br />
Le<strong>ist</strong>ungs-, Effizienz-, und Effektivitätsdaten<br />
mit hohem Maß an Validität, Funktionalität<br />
14 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
und Qualität der abgeleiteten Kennzahlen<br />
und Indikatoren. Auch im öffentlichen Bereich<br />
besteht, wie in privatwirtschaftlichen<br />
Unternehmen, fortwährend der Anspruch,<br />
wenige, aber dafür steuerungsrelevante<br />
Kennzahlen monetärer und nicht-monetärer<br />
Art abzuleiten, die die tatsächlichen und klaren<br />
Zusammenhänge zwischen Zielen, Maßnahmen<br />
und Mitteln verdeutlichen. Diese<br />
Entwicklung weiter konsequent voranzutreiben<br />
erfordert weiterer Forschung.<br />
Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen,<br />
dass Führungskräfte insbesondere unter Anreizbedingungen<br />
zur Manipulation von<br />
Daten und Erhebungsmethoden neigen. Aufgrund<br />
von Mess- und Erfassungsproblemen<br />
bei öffentlichen Aufgaben und verwirklichter<br />
Zielerreichung kann es außerdem zu (un-)beabsichtigten<br />
Zielverschiebungen, hin zu leichter<br />
messbaren Zielen und damit zu Fehllenkungen<br />
von Ressourcen kommen. Gerade<br />
der Trend zu neuen, innovativen, output- und<br />
outcomeorientierten Budgetierungsverfahren<br />
stellt eine erhebliche Anforderung an die Informations-<br />
und Rechnungssysteme der Verwaltungen<br />
dar. So sind Einsatz und Umstellung<br />
auf kaufmännische Rechnungssysteme<br />
in öffentlichen Verwaltungen auch nur<br />
der erste Schritt, die Mittelverwendung transparent<br />
zu gestalten und damit den Weg zu<br />
bereiten für ein modernes und international<br />
vergleichbares Haushaltswesen im Sinne<br />
einer performance-orientierten Budgetierung.<br />
Kontakt:<br />
Universität Hamburg<br />
Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />
Public Management<br />
Jun.-Prof. Dr. Dennis Hilgers<br />
Von-Melle-Park 9<br />
20146 Hamburg<br />
Dennis.Hilgers@wiso.uni-hamburg.de<br />
www.public-management-hamburg.de<br />
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Reichard, C., 2002: Verwaltung als öffentliches Management, in: König, K.<br />
(Hrsg.) Deutsche Verwaltung an der Wende zum 21. Jahrhundert, Baden-<br />
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Baden 2002, S. 255-277.<br />
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S. 173-202.<br />
Fußnoten<br />
1 Vgl. Hood (1991); Dunleavy/Hood (1994); Schedler/Proeller (2006); OECD<br />
2 (1998).<br />
3 Vgl. KGSt (1993); Jann (2005); Bogumil/Grohs/Kuhlmann/Ohm (2007).<br />
4 Vgl. Neely et. al. (1996); Lebas/Euske (2002); Krause (2005).<br />
Klingebiel (1999); Bouckaert/Halligan (2008); Gianakis (2002), Halachmi<br />
(2002; 2005); Kuhlmann/Bogumil/Wollmann (2004); Holzer/Kloby (2005);<br />
Leysen et. al. (2006); Oehler (2006); Van de Walle (2008); Van Dooren/Van<br />
de Walle (2008).<br />
5 Vgl. KGSt (2005), S. 24.<br />
6 Vgl. Klingebiel (1999), S. 41; Moore (1995).<br />
7 Vgl. Buschor (1992).<br />
��������<br />
�������<br />
�������������������������������������������������������������<br />
���<br />
8 Vgl. Schedler (2000); Proeller (2006).<br />
9 Vgl. Breul (2007).<br />
10 Vgl. Norman (2004).<br />
11 Vgl. Budäus (2002), S. 389ff.<br />
12 Vgl. KGSt (1993), S. 21.<br />
13 Zur Frage nach Bestimmung, Relevanz und Messbarkeit von Outcome<br />
Indikatoren vgl. Hatry (1999), S. 55ff.<br />
14 Bouckaert (2006), S. 120.<br />
15 Bouckaert/van de Walle (2003).<br />
16 Vgl. Bouckaert (2006), S. 129.<br />
17 Für eine Übersicht vgl. Hilgers (2008), S. 33 u. 128ff.<br />
18 Vgl. Buchholtz (2001); Buschor (2002).<br />
19 z.B. im Sinne von Bouckaert/van Dooren (2003), S. 132: „Performance<br />
Management can be broadly defined as acting upon performance information.“<br />
Einführend zur technischen Umsetzung von Performance Managedment<br />
im Sinn eines Business Intelligence Ansatzes siehe Krause (2005).<br />
Bereits im Jahre 1991 konstatiert Eccles die Schlüsselrolle der IT in seinem<br />
„Performance Measurement Manifesto“,so dass die Anwendung und Verbreitung<br />
von Informationstechnologien Vorraussetzung für jedes Performance<br />
Management Konzept darstellt, vgl. Eccles (1991), S. 133.<br />
20 Vgl. Pollitt (1999).<br />
21 Vgl. dazu auch McAdam/Hazlett/Casey (2005), S. 257f; de Bruijn (2001).<br />
22 Zur Budgetierung siehe grundlegend: Frischmuth (2001); Grommas<br />
(2005). Zur Integration von Performance Measurement und Budgetierung<br />
siehe auch: Gianakis (1997); Diamond (2005); Curr<strong>ist</strong>ine (2005). Zur Geschichte<br />
des Performance Budgeting in den USA siehe auch: USGAO (1997).<br />
23 Zu den Grundgedanken der Outputsteuerung siehe KGSt (1993), S. 20;<br />
KGSt (1997).<br />
24 Zur Verwaltungssteuerung über Ziele vgl. Deckert (2006): „Kontraktmanagement<br />
bedeutet Steuerung über Zielvereinbarungen und <strong>ist</strong> das Instrument,<br />
anhand dessen Managementverantwortung soweit wie möglich<br />
nach unten verlagert wird, indem Le<strong>ist</strong>ungsvereinbarungen - Le<strong>ist</strong>ungen<br />
oder Produkte nach Menge, Preis, Kosten, Qualität und Zielgruppe, Budgets,<br />
Handlungsspielräumen - zwischen politischer Führung und der Verwaltung<br />
sowie innerhalb der Verwaltung (hier für Einzel- und<br />
Teille<strong>ist</strong>ungen) getroffen werden.“ Siehe dazu auch: KGSt (1993), S. 17;<br />
Schwarting (1997), S. 35; KGSt (1998).<br />
25 Vgl. Reichard (2004), S. 347.<br />
26 Zum Beispiel unter sozialpsychologischer Betrachtung oder aus dem<br />
Blickwinkel der Prinzipal-Agenten-Theorie, vgl. Waterman/Meier (1998).<br />
27 Vgl. dazu sehr anschaulich Ketelaar/Manning/Turkisch (2007), S. 18;<br />
Demmke (2009).<br />
28 Vgl. Greiling (2005), S. 551.<br />
29 Vgl. Gianakis (2002), S. 39.<br />
30 Vgl. Greiling (2005), S. 554ff.<br />
31 Vgl. KGSt (2004), S. 18; Schuster (2003).<br />
32 Vgl. Thau (2009).<br />
33 Vgl. Becker/Weise (2002), S. 18.<br />
34 <strong>Der</strong> Anspruch der Neuausrichtung im Verwaltungshandeln vorwiegend<br />
kommunaler Gebietskörperschaften <strong>ist</strong> dabei jedoch so gravierend, dass<br />
von der größten Verwaltungsreform in Deutschland seit der Reform zur<br />
kommunalen und kameralen Selbstverwaltung von Stein und Hardenberg<br />
Anfang des 19. Jahrhunderts gesprochen werden kann.<br />
35 Vgl. Lüder (2001); Budäus (2006); Budäus/Hilgers (2009).<br />
36 Vgl. Vogelpoth/Poullie (2007), S. 517ff; Schuster (2007); Raupach/Stangenberg<br />
(2009).<br />
37 So hat sich bei der Freien und Hansestadt Hamburg der kameral ausgewiesene<br />
Schuldenstand (Geldschulden) in Höhe von 24,0 Mrd. Euro mit<br />
Umstellung auf die Doppik auf 44,0 Mrd. Euro in der Eröffnungsbilanz zum<br />
1.1.2006 fast verdoppelt.<br />
38 Vgl. Berens u.a. (2005); Berens u.a. (2008).<br />
39 Dabei <strong>ist</strong> der Planvermögensrechnung unter Transparenz- und Steuerungsgesichtpunkten<br />
lediglich eine nachgeordnete Bedeutung beizumessen.<br />
40 Vgl. Rieder/Schedler (2004); Buchholtz (2001).<br />
41 Vgl. Budäus/Hilgers (2009), S. 390.<br />
42 Vgl. Wegener (2004), S. 251ff.<br />
43 Vgl. Kuhlmann (2003), S. 104f.<br />
44 Vgl. TVöD (2005); Tondorf (2007); Reichard/Schröter (2009).<br />
45 Vgl. Greiling (2005), S. 554.<br />
46 “The Performance Measurement phenomenon is international in scope<br />
and it is the centrepiece of what has come to be known as the New Public<br />
Management.” Gianakis (2002), S. 36.<br />
47 „Few ideas capture the zeitge<strong>ist</strong> of public management as succinctly<br />
and completely as performance management, prompting characterization<br />
of the present times as the era of government by performance management.“<br />
Pandey/Coursey/Moynihan (2007), S. 312.<br />
48 Siehe dazu bereits Kuhlmann (2004), S. 94ff.<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 15
Change<br />
Management –<br />
Unternehmenskultur<br />
und Führung<br />
Gliederung<br />
1. Einleitung<br />
2. Change Management ... oder die Kunst Unternehmenswandel<br />
zu „schaffen“<br />
2.1 Ursachen für das Scheitern eines Veränderungsprozesses<br />
2.2 <strong>Der</strong> „gemanagte“ Veränderungsprozess<br />
3. Unternehmenskultur ... oder die „Seele“ der Organisation<br />
3.1 Was verbirgt sich hinter dem „Phänomen“ Unternehmenskultur?<br />
3.2 Forschungsrichtungen der Unternehmenskultur<br />
3.3 Elemente der Unternehmenskultur<br />
1. Einleitung<br />
Fortschritt, Wandel, Technologisierung- im 21. Jahrhundert bleibt<br />
kaum ein Bereich des menschlichen Lebens unberührt von der rasenden<br />
technikgetriebenen Entwicklung.<br />
„An die Stelle der (religiös interpretierten) Ewigkeit tritt die unendliche<br />
Sukzession des Endlichen.“ (Luhmann, 1997). Diese Vergänglichkeit,<br />
diese (latente) Beschleunigung der sozialen Prozesse, dieser<br />
kontinuierliche Wandel sind heute Realität und bringen ihre positiven<br />
wie auch negativen Folgen mit sich.<br />
Nicht zuletzt der Wirtschaftsbereich sieht sich tagtäglich mit den Konsequenzen<br />
dieses „erhöhten Tempos“ konfrontiert und gezwungen,<br />
damit adäquat umzugehen.<br />
In diesen Zeiten der fortschreitenden Technologisierung und Rationalisierung,<br />
der Netzwerk-Organisationen und Telearbeit, der dezentralen<br />
Selbstorganisation und Flexibilisierung mutet der Begriff<br />
„Unternehmenskultur“ fast fremdartig, wenn nicht gar anachron<strong>ist</strong>isch<br />
an.<br />
Wie passt das zusammen: Fortschritt und Wandel auf der einen Seite;<br />
Kultur, Normen und Werte auf der anderen Seite? Sind dies nicht zwei<br />
unvereinbare, gar widersprüchliche Ideen?<br />
16 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
3.4 Ebenen der Unternehmenskultur<br />
3.5 Funktionen der Unternehmenskultur<br />
3.6 Medien der Unternehmenskultur<br />
3.7 Ansätze zur Typisierung von Unternehmenskultur<br />
3.8 Abgrenzung zu artverwandten Konzepten<br />
4. Unternehmenskultur und Veränderung ... oder der Mut zum<br />
„langem Atem“<br />
4.1 Kulturveränderung und die Rolle der Führung<br />
4.2 Die veränderungsfreundliche Unternehmenskultur<br />
5. Schluss ... oder was noch zu sagen bleibt<br />
Ganz im Gegenteil. Wandel und Kultur gehen nicht nur wunderbar miteinander<br />
einher, sie bedingen sich sogar gegenseitig.<br />
Auf welche Weise Unternehmenswandel und Unternehmenskultur in<br />
Zusammenhang zu bringen sind, und inwiefern das Konzept der Unternehmenskultur<br />
für die Führungsaufgabe Change Management<br />
fruchtbar zu machen <strong>ist</strong>- dies soll Thema und Inhalt der nächsten Seiten<br />
sein.<br />
2. Change Management<br />
... oder die Kunst Unternehmenswandel zu „schaffen“<br />
Change Management- ein seit Mitte der 90er Jahre durch die Geschäftsetagen,<br />
durch die Hochschul-Hörsäle, durch die Fachbücher<br />
und Medien der Wirtschaftswelt hindurchwirbelnder, professionell,<br />
dynamisch und vielversprechend klingender Begriff.<br />
Was <strong>ist</strong> eigentlich „Change Management“? Was verbirgt sich hinter<br />
diesem Begriff, der heute offenbar aktueller und zentraler als je zuvor<br />
für die Ex<strong>ist</strong>enz und den Erfolg von Unternehmen <strong>ist</strong>?<br />
Was <strong>ist</strong> gemeint, wenn von der Wichtigkeit und Unvermeidbarkeit<br />
gesteuerter Changeprozesse, aber auch von der damit verbundenen<br />
Skepsis und Angst in Organisationen gesprochen wird?
Schlägt man das Wort „Change“ im Wörterbuch nach, so findet man<br />
u.a. Übersetzungen wie: Änderung, Veränderung, Austausch, Eingriff,<br />
Umbruch, Umkehr, Übergang, Wandel, Wechsel etc.<br />
Noch etwas facettenreicher sind die Entsprechungen für den derzeit<br />
stark strapazierten Begriff „Management“. So bedeutet „to<br />
manage“ sowohl behelfen, besorgen, handhaben, bewältigen, bewerkstelligen,<br />
bewirtschaften, aber auch führen, leiten, lenken, regeln,<br />
steuern sowie gelingen, schaffen, verwalten und zu Stande<br />
bringen.<br />
Um sich darüber klar zu werden, was Change Management meint,<br />
<strong>ist</strong> es ganz hilfreich zunächst zu klären, was Changemanagement<br />
nicht meint.<br />
So befasst sich Change Management z.B. nicht etwa mit der Analyse<br />
und Beurteilung vorhandener Unternehmensstrukturen, Geschäftsprozesse<br />
oder Organisationsstrategien.<br />
Change Management bedeutet auch nicht die Konzeptualisierung<br />
bzw. das Erarbeiten zukünftig adäquater und angestrebter Organisationsstrategien.<br />
Beim Thema Change Management geht es also weder um die Feststellung<br />
des Ist-Zustands der Organisation noch um die Entwicklung<br />
ihres gewünschten Soll-Zustands.<br />
Ziel und Aufgabe des Change Management stellt etwas weitaus<br />
Komplexeres und Dynamischeres dar: das Schließen der Lücke zwischen<br />
diesen zwei Unternehmenszuständen- dem „Ist“ und dem<br />
„Soll“.<br />
Einfach ausgedrückt: beim Change Management steht nicht das<br />
„Was“ sondern vielmehr das „Wie“ im Mittelpunkt des Interesses.<br />
münchen<br />
wie wir es lieben<br />
traditionell · bunt ·<br />
modern · kulturell<br />
Wie können neue Unternehmenskonzepte, neue Organisationsstrukturen,<br />
Innovationen optimal initiiert und vermittelt<br />
werden?<br />
Wie schafft man es, visionäre Veränderungsansätze in<br />
einer Organisation adäquat umzusetzen?<br />
Wie kann dabei das Interesse, die Bereitschaft und das<br />
Engagement der vom Wandel Betroffenen, der Organisationsmitglieder,<br />
gewonnen und genutzt werden?<br />
Wie kann es gelingen, den Übergang vom Alten und Vertrauten<br />
zum Neuen und Unbekannten so zu steuern, dass die stattfindende<br />
Veränderung nicht als (zer-) störender Eingriff,<br />
sondern als erstrebenswerter Wandel wahrgenommen wird?<br />
Wie können die unumgänglichen, mit jedem Veränderungsprozess<br />
verbundenen Probleme und Konflikte bewältigt<br />
werden und eine erfolgversprechende Annäherung<br />
von unternehmerischen Ist- und Soll-Zustand erreicht<br />
werden?<br />
So lässt sich festhalten:<br />
Change Management umfasst die Gesamtheit der bewusst gesteuerten<br />
Maßnahmen einer Organisation zum Zwecke der Initiierung<br />
und Umsetzung neuer Strukturen, Systeme, Strategien, Prozesse und<br />
Kulturen auf der Basis eines richtungsweisenden Soll-Konzeptes.<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 17
Als eine Form sowohl methodischer als auch sozialer Kompetenz bedeutet<br />
Change Management also die kontrollierte Handhabung organisatorischer<br />
Veränderungsprozesse.<br />
Nach diesen Überlegungen zur Komplexität des Entwicklungsfaktors<br />
Change Management erscheint die Tatsache, dass der Großteil organisatorischer<br />
Veränderungsversuche nicht zu den gewünschten Ergebnissen<br />
führt oder gar scheitert, gar nicht mehr so verwunderlich.<br />
Aber was genau sind nun die Ursachen für diese Veränderungsschwierigkeiten?<br />
2.1 Ursachen für das Scheitern<br />
eines Veränderungsprozesses<br />
“<strong>Der</strong> Mensch <strong>ist</strong> ein Gewohnheitstier“. Jede Organisation, jedes<br />
Unternehmen beschäftigt demnach ein „Rudel von individuellen<br />
Gewohnheitstieren“- Mitarbeiter mit ihren persönlichen Arbeitsvorlieben,<br />
ihren eigenen Tätigkeitsvorstellungen und ihren mit der Zeit<br />
entwickelten Routinen im Geschäftsalltag.<br />
<strong>Der</strong> Versuch des Wandels von sozialen Systemen bzw. Organisationen<br />
ruft zunächst Widerstände hervor. Das System, also die Mitarbeiter<br />
des Unternehmens, zeigen Widerstand gegen jegliche Veränderung,<br />
die ihr Gleichgewicht zu stören versucht.<br />
Ob beabsichtigt oder rein zufällig- jede organisatorische Veränderung<br />
hat Einfluss auf die aktuelle (Macht-)Position einzelner Personen<br />
oder bestimmter Personengruppen. Deshalb <strong>ist</strong> auch jeder<br />
Veränderungsprozess durch Aktivitäten begleitet, die dienlich für die<br />
Verteidigung bzw. Ausweitung der individuellen Machtspähre der<br />
Betroffenen sind.<br />
Doch es sind nicht nur machtorientierte widerstrebende Kräfte, die<br />
viele Veränderungsprozesse erschweren. Es sind vor allem auch<br />
Ängste und Befürchtungen der Mitarbeiter, die ihren Widerstand begründen.<br />
Durch den unberechenbaren Wandel verändert sich die<br />
Rolle des einzelnen Organisationsmitglieds in eine mehr oder weniger<br />
unbekannte Richtung. Oftmals entwickelt sich die Angst, die<br />
über lange Zeit erworbene Sicherheit am Arbeitsplatz zu verlieren.<br />
Befürchtungen, eine Verschlechterung in den beruflichen Bedürfnisbefriedigungsmöglichkeiten<br />
zu erleiden, motivieren die Mitarbeiter<br />
jeglicher Veränderung zu widerstreben.<br />
Eine dritte Ursache für das Scheitern diverser Re-Organisationen <strong>ist</strong><br />
die Tatsache, dass Wandlungsprozesse für die Betroffenen immer<br />
auch eine zusätzliche Belastung, zusätzliche Arbeit zum operativen<br />
Geschäft darstellen. Es muss sich in neue Prozessabläufe eingearbeitet,<br />
in neue Unternehmensziele hineingedacht, in neue Unternehmensstrukturen<br />
gefügt werden. Veränderung heißt also Umdenken<br />
und Umorientieren- Veränderung heißt somit auch Zunahme von Belastung,<br />
Aufwand und Stress.<br />
Welcher „normale“ Mitarbeiter soll einem geplanten Unternehmenswandel<br />
also bege<strong>ist</strong>ert und motiviert entgegenblicken?<br />
Dies zu schaffen, <strong>ist</strong> die schwierige Aufgabe der mit dem Change Management<br />
betrauten Unternehmensführung.<br />
2.2 <strong>Der</strong> „gemanagte“ Veränderungsprozess<br />
Um in einem funktionierenden sozialen System die Bereitschaft und<br />
Motivation für eine grundlegende Veränderung zu etablieren, müssen<br />
die Mitglieder in einen geeigneten Bedingungsrahmen versetzt<br />
werden.<br />
Kurt Lewin (1947) gliederte soziale Änderungsprozesse in drei basale<br />
Phasen:<br />
18 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
1. das Auftauen von Einstellungen<br />
2. das Ändern von Verhaltensweisen<br />
3. das Einfrieren von Einstellungen<br />
In der ersten Phasen sollte das Interesse, die Neugier und das Engagement<br />
der Mitarbeiter geweckt werden, die der angestrebten Veränderung<br />
zunächst nicht offen gegenüberstehen. Um deren<br />
Bereitschaft für eine weitere Beschäftigung mit dem Thema Wandel<br />
zu schaffen, muss die Notwendigkeit der Veränderung plausibel begründet<br />
und das Vertrauen in Chancen des Wandels gewonnen werden.<br />
Sind die gefestigten Einstellungen der veränderungsskeptischen Organisationsmitglieder<br />
„aufgetaut“, so sind auch die Voraussetzungen<br />
für die zweite Phase- die Phase der Änderung, also der konkreten<br />
Problembearbeitung, geschaffen.<br />
Die Umsetzung des intendierten Veränderungsprozesses kann nur<br />
dann erfolgreich in Angriff genommen werden, wenn die schon erwähnten<br />
widerstandshemmenden Kräfte ernstgenommen werden.<br />
Bestehende Ängste der Mitarbeiter vor neuen Aufgaben, veränderten<br />
sozialen Beziehungen und Besitzstandverlusten sollten von der Unternehmensführung<br />
angehört und mit den Mitarbeitern gemeinsam<br />
diskutiert und bestenfalls ausgeräumt werden. Wandelbefürwortende<br />
Mitarbeiter und zur Veränderung animierende Führungskräfte hingegen-<br />
als änderungsfördernde Kräfte- können gar nicht fürsorglich<br />
genug gepflegt und verstärkt werden. Dabei sollte auch darauf geachtet<br />
werden, dass die angestrebten Veränderungsschritte nicht zu<br />
groß gewählt werden. Die Bege<strong>ist</strong>erung und Dynamik können sehr<br />
schnell durch das Gefühl der Überforderung erstickt werden.<br />
Die dritte Änderungsprozessphase setzt in dem Moment ein, wo ein<br />
Umdenken der Organisation bereits eingesetzt hat. Das durch die<br />
Umstellungen verlorene systemische Gleichgewicht muss nun wieder<br />
zurückgewonnen werden. Dies gelingt am besten durch die kontinuierliche,<br />
regelmäßige Verstärkung der neugewonnenen Einstellungen<br />
und Verhaltensweisen. Die Unternehmensführung sollte hier nicht<br />
die Gelegenheit verpassen, ihre Mitarbeiter durch Lob, Bestätigung<br />
und Anerkennung für die aufgebrachten Veränderungsbemühungen<br />
zu belohnen.<br />
3. Unternehmenskultur<br />
... oder die „Seele“ der Organisation<br />
Unternehmen sind heutzutage gezwungen, „mit der Zeit zu gehen“,<br />
d.h. sich den ständig wandelnden Umweltbedingungen anzupassen.<br />
Unter diesen Umständen kann es eben nicht mehr die Unternehmensstruktur<br />
oder -Strategie sein, die den Mitarbeitern Stabilität und Orientierung<br />
bietet- sie muss stets flexibel und „im Fluss“ bleiben.<br />
Nichtsdestotrotz benötigt auch der oft mit großem Handlungsspielraum<br />
„gesegnete“ Mitarbeiter des 21. Jahrhunderts Halt, Kons<strong>ist</strong>enz<br />
und Sicherheit, um effizient und erfolgreich im Sinne der Organisation<br />
arbeiten zu können.<br />
Dieser Funktion kann eine gesunde und probate Unternehmenskultur<br />
voll und ganz gerecht werden. Eine stimmige Kultur, die die stabilen<br />
Unternehmenswerte- und normen transparent und bewusst macht,<br />
wirkt außerordentlich gemeinschafts- und identitätsstiftend. Damit<br />
stellt sie einen informellen, impliziten Steuerungs- und Ordnungsrahmen<br />
dar, der es auch lose vernetzten Arbeitsgruppen ermöglicht, sich<br />
vor einem gemeinsamen Wertehintergrund und gestützt durch die<br />
gemeinschaftlichen Unternehmensziele autonom zu organisieren.<br />
In dem Sinne <strong>ist</strong> Unternehmenskultur heute mehr als je zuvor als Orientierungsanker<br />
und „Wir-Gefühl-Stifter“ anzusehen. Sie kann
zudem aber auch als allgemeiner „Sinn-Stifter“ unverzichtbare Motivationspotentiale<br />
unter den Organisationsmitgliedern schaffen. Die<br />
schon erwähnte Rationalisierung vieler organisatorischer Arbeitsprozesse<br />
lässt dem Mitarbeiter die eigene Tätigkeit immer abstrakter und<br />
unfassbarer erscheinen. Vielen Mitarbeitern- und auch nicht selten<br />
den Führungskräften- fehlt das Wissen um das eigentliche Unternehmensziel,<br />
um die Zusammenhänge ihrer Arbeit, um Sinn und Zweck<br />
ihrer Tätigkeit, um ihren persönlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg.<br />
Dadurch wird ihre Le<strong>ist</strong>ung und Motivation erheblich eingeschränkt.<br />
Eine von allen geteilte und anerkannte Unter nehmenskultur<br />
kann genau dieser gefährlichen Entwicklung entgegenwirken.<br />
3.1 Was verbirgt sich hinter dem „Phänomen“<br />
Unternehmenskultur?<br />
- Menge an Gewohnheiten, durch die sich eine Organisation<br />
von seiner Umwelt unterscheidet<br />
- Charakter<strong>ist</strong>ikum einer Gruppe<br />
- wiederkehrende Verhaltensweisen in der Interaktion<br />
- kollektive Überzeugungen<br />
- gemeinsame, geteilte Bedeutungen<br />
- Gruppennorm<br />
- bekundete Werte und Wertvorstellungen<br />
- gewachsenes Meinungs- und Normgefüge<br />
- offizielle Philosophie (implizite Spielregeln)<br />
- niemals „fertiges“ Ergebnis eines gemeinschaftlichen dynamischen<br />
Lernprozesses<br />
- in Interaktion entstehende Übereinkünfte<br />
- verwurzelte Talente innerhalb der Organisation<br />
- Symbole mit Integrationskraft<br />
- implizites Phänomen, das die Eigendefinition des Unternehmens<br />
bestimmt<br />
Dies sind die Beschreibungen und Charakterisierungen, auf die man<br />
bei einer ersten Fachliteraturrecherche zum Thema „Unternehmenskultur“<br />
bzw. „Organisationskultur“ stößt. Das Spektrum der genannten<br />
Merkmale vermittelt schon einen ersten Eindruck von der<br />
Vielfältigkeit und Komplexität des Organisationskulturkonzeptes.<br />
In den letzten 20 Jahren hat die wachsende Relevanz und Brisanz<br />
des Themas „Unternehmenskultur“ natürlich ungemein viele verschiedene,<br />
sich teilweise ergänzende, jedoch auch widersprechende<br />
Erkenntnisse hervorgebracht.<br />
Hier nun soll der Versuch unternommen werden, ein wenig „Licht in<br />
den Dschungel der Organisationskulturliteratur“ zu bringen.<br />
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Versuch einer Begriffsbestimmung<br />
Um eine Idee von der Bedeutung einer „Unternehmenskultur“ zu bekommen,<br />
kann es nicht schaden, sich noch einmal die Definition des<br />
allgemeinen „Kulturbegriffs“ vor Augen zu führen: Eine Kultur <strong>ist</strong> „...<br />
ein Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der<br />
Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration<br />
erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt;<br />
und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter<br />
Ansatz für den Umgang mit diesen Problemen weitergegeben<br />
wird. ...“ (nach Schein, 1995)<br />
Wie nun aber <strong>ist</strong> „Unternehmenskultur“ zu definieren?<br />
“Unternehmenskultur sind die gemeinsamen grundlegenden Überzeugungen<br />
in einer Gruppe, die diese charakterisieren. Diese Überzeugungen<br />
beeinflussen Wahrnehmung, Denken, Handeln und Fühlen<br />
der Gruppenmitglieder.<br />
Sie können sich auch in den Artefakten manifestieren. Die Überzeugungen<br />
werden nicht mehr bewusst gehalten, sie sind aus der Erfahrung<br />
der Gruppe entstanden und haben sich durch die Erfahrung der<br />
Gruppe weiterentwickelt, d.h. sie sind gelernt und werden an neue<br />
Gruppenmitglieder weitergegeben.“ (nach Sackmann, 2002)<br />
Aus einer anderen Perspektive betrachtet folgende Definition<br />
die Organisationskultur:<br />
“Organisationskultur <strong>ist</strong> das implizite Bewusstsein einer Organisation,<br />
das sich zum einen aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder<br />
ergibt und das selbst als kollektive Programmierung die<br />
Verhaltensweisen der Organisationsmitglieder beeinflusst“ (nach<br />
Scholz ‚1987)<br />
Demnach sind Unternehmen also nicht nur durch ihre Struktur und<br />
durch die sie umgebende Umwelt beeinflusst. Als komplexe soziale<br />
Systeme werden sie auch durch die Interaktionen und Verhaltensweisen<br />
ihrer Mitglieder bestimmt. Die individuellen Perspektiven der<br />
einzelnen Mitglieder auf das Unternehmen und seinen „Sinn“ gleichen<br />
sich in der organisationsinternen Interaktion einander an und<br />
gestalten somit implizit und permanent die Unternehmenskultur.<br />
Diese starke Abhängigkeit der Organisation bzw. Organisationskultur<br />
von ihren Mitgliedern macht Change Management zur einer echten<br />
„Führungsaufgabe“ und erklärt gleichzeitig die Widerstände und<br />
starke Trägheit in Kulturveränderungsprozessen.<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 19
Die Definition von Scholz besagt außerdem, dass den Mitgliedern der<br />
Organisation- der Führung und den Mitarbeitern- die eigene (Un-)<br />
Kultur me<strong>ist</strong> gar nicht bewusst <strong>ist</strong>. Die täglichen Routinen, die eingespielten<br />
Verhaltensmuster, die „natürlichen“ Spielregeln und Gesetze,<br />
all die spezifischen Merkmale der Unternehmensstruktur und<br />
–Prozesse werden als selbstverständlich hingenommen und oft für<br />
unveränderbar gehalten.<br />
In vielen Fällen <strong>ist</strong> es erst der Erfahrungsaustausch mit Kollegen anderer<br />
Unternehmen, der „eine objektive Perspektive“ auf die eigene<br />
Organisationskultur ermöglicht.<br />
3.2 Forschungsrichtungen der<br />
Unternehmenskultur<br />
Die Organisationskulturforschung bietet zwei verschiedene Perspektiven,<br />
aus denen man Unternehmenskultur betrachten, analysieren<br />
und mit ihr arbeiten kann. <strong>Der</strong> objektiv<strong>ist</strong>ischen Forschungsauffassung<br />
zufolge, hat ein Unternehmen eine Kultur. Die Kultur stellt demnach<br />
also eine Variable dar, die instrumentalisiert und spezifisch<br />
eingesetzt werden kann, um das Unternehmen und seine Entwicklung<br />
(positiv) zu beeinflussen.<br />
Die subjektiv<strong>ist</strong>ische Forschungsrichtung hingegen geht davon aus,<br />
dass jedes Unternehmen selbst eine Kultur <strong>ist</strong>. Sie repräsentiert die<br />
Basis des Organisationsgeschehens und kann daher nicht funktionalisiert<br />
werden. Hier liegt das Forschungsziel vielmehr in der Erklärung<br />
des Unternehmens und seiner organisatorischen Erscheinungsformen<br />
durch das Verstehen, Deuten und Interpretieren seiner Kultur.<br />
Im Laufe der Zeit hat sich unter den Forschern allerdings auch eine<br />
weitere „Kompromiss-Kulturperspektive“ etabliert, welche sowohl<br />
Elemente des objektiv<strong>ist</strong>isch-funktional<strong>ist</strong>ischen, als auch des subjektiv<strong>ist</strong>isch-interpretativen<br />
Ansatzes beinhaltet und miteinander verbindet:<br />
die „dynamische Konstrukt-Perspektive“. Dieser „gemäßigte“<br />
Ansatz geht davon aus, dass die Entstehung von Unternehmenskultur<br />
alleiniges Ergebnis ihrer Interpretation durch die Organisationsmitglieder<br />
<strong>ist</strong>; sagt aber andererseits auch, dass Unternehmenskultur gestaltbar<br />
<strong>ist</strong>- und zwar durch den gezielten Einsatz dieser subjektiven<br />
Interpretationen.<br />
3.3 Elemente der Unternehmenskultur<br />
Scholz definierte Organisationskultur als „... das implizite Bewusstsein<br />
einer Organisation, das sich (...) aus dem Verhalten der Organisationsmitglieder<br />
ergibt...“. So gesehen bilden auch die Emotionen<br />
bzw. Kognitionen der Organisationsmitglieder die basalen Elemente<br />
einer Unternehmenskultur.<br />
20 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Einstellungen<br />
Einstellungen sind relativ spezifische, auf konkrete Objekte, Personen<br />
oder Situationen gerichtete Neigungen von Personen. Jeder Mensch<br />
hat eine Vielzahl an Einstellungen eher instabiler Natur. Einstellungen<br />
können sich also individuell und situationsbedingt ändern.<br />
Normen<br />
Normen sind sozial geteilte, an Personen oder Situationen gestellte<br />
Erwartungen. Sie stellen einen verbindlicher Grundsatz darüber dar,<br />
wie es sich in spezifischen Situationen zu verhalten bzw. wie es zu<br />
handeln gilt. Normen haben demnach eine Standardisierungsfunktion<br />
in sozialen Systemen.<br />
Werte<br />
Ebenso wie Einstellungen und Normen werden Werte von Personen,<br />
also auch Mitarbeitern, getragen und sind damit essentielle Elemente<br />
jeglicher Unternehmenskultur.<br />
Werte sind Ausdruck von Wünschen, Vorlieben, Präferenzen, Zielensind<br />
eine Art „Lebensphilosophie“. Sie können bewusst sein, müssen<br />
es aber nicht. Werte haben in vielen Fällen einem dem Träger unbewussten<br />
Einfluss auf dessen (Entscheidungs-)Verhalten. Im Gegensatz<br />
zu Einstellungen sind die Werte einer Person langfr<strong>ist</strong>ig konstant<br />
und situationsübergreifend verhaltensbestimmend.<br />
Sollten sich die persönlichen Werte einer Person des Öfteren bewähren,<br />
so werden sie mehr und mehr verinnerlicht, üben einen stärkeren<br />
Verhaltenseinfluss aus und verhelfen ihrem Träger somit zu „innerer<br />
Stabilität“.<br />
Normen und Werte stellen Steuerungsfaktoren dar. Sie steuern und<br />
lenken das Verhalten von Personen und Personengruppen in eine spezifische<br />
Richtung, die für die Ex<strong>ist</strong>enz, den Erhalt und auch den Erfolg<br />
der gemeinsamen Organisation von Relevanz <strong>ist</strong>, so z.B. die Orientierung<br />
zur Teamarbeit.<br />
Sie schaffen Klarheit und Orientierung für die Organisationsmitglieder,<br />
indem sie die Fülle möglicher Verhaltensmuster, Handlungen und<br />
Erwartungen auf eine überschaubare Menge reduzieren. So setzen<br />
sie unternehmensspezifische Standards bzgl. erlaubter/ unerlaubter<br />
Verhaltensweisen, adäquater/ inadäquater Reaktionen sowie akzeptierter/<br />
verurteilenswerter Handlungen.<br />
Normen und Werte erleichtern somit den gegenseitigen Anpassungsprozess<br />
unter den Organisationsmitgliedern und fördern die konfliktfreie<br />
Interaktion innerhalb einer Organisation.<br />
Grundannahmen/ Grundprämissen<br />
Grundannahmen sind un- oder vorbewusste, selbstverständliche Anschauungen,<br />
Wahrnehmungen, Gedanken oder Gefühle von Perso-<br />
Kompetenz in der Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie<br />
Wir bieten unseren Patienten Radiologie,<br />
Nuklear medizin und Strahlentherapie auf<br />
hohem medizinischen und technischen Niveau<br />
an. Ständige Qualitätskontrollen, der Einsatz<br />
modernster Geräte und nicht zuletzt unsere<br />
geschulten, hochqualifizierten Mitarbeiter<br />
machen dies möglich.<br />
Für uns <strong>ist</strong> es sehr wichtig, dass sich unsere<br />
Patienten während der Behandlungsdauer auch<br />
menschlich gut aufgehoben fühlen. Vor Beginn<br />
der Untersuchung oder Behandlung findet ein<br />
ausführliches Beratungs- und Aufklärungsgespräch<br />
statt und auch während der Therapie besteht ein<br />
enger persönlicher Kontakt zu den Ärzten.<br />
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nen. Sie unterscheiden sich von den Werten nur in dem Grad ihres<br />
Verhaltenseinflusses und ihrer Bewusstheit. Grundannahmen sind<br />
ebenso so situationsübergreifend und langfr<strong>ist</strong>ig stabil wie Werte,<br />
haben aber durch ihre Unbewusstheit einen wesentlich stärken Einfluss<br />
auf das Verhalten einer Person.<br />
3.4 Ebenen der Unternehmenskultur<br />
Schein entwickelte 1995 ein gewinnbringendes Analyse- und Interventionsmodell<br />
für Organisations- bzw. Unternehmenskulturen. Dieses<br />
Modell geht davon aus, dass sich in jeder Organisationskultur 3<br />
Ebenen finden lassen, die in spezifischer Beziehung zueinander stehen:<br />
1. die Ebene der Artefakte<br />
Artefakte einer Organisation sind wahrnehmbare,<br />
leicht zu beobachtende Phänomene, die sich jedoch<br />
schwer oder gar nicht deuten bzw. interpretieren lassen.<br />
So z.B.: Unternehmensstrukturen, Prozesse, die Firmenarchitektur,<br />
die Kleidung der Mitarbeiter oder der Unternehmensjargon<br />
2. die Ebene der (bekundeten) Werte<br />
3. die Ebene der Grundannahmen/ Grundprämissen<br />
Scheins Ebenen repräsentieren sowohl funktional<strong>ist</strong>ische<br />
(Artefakte) als auch interpretative (Werte, Grundannahmen)<br />
Elemente der Unternehmenskultur und stehen in wechselseitiger<br />
Abhängigkeit und Interaktion.<br />
Die Merkmale der verschiedenen Kulturebenen lassen sich<br />
sehr gut am Beispiel des berühmten „Eisberges“ veranschaulichen.<br />
Die manifesten, wahrnehmbaren Artefakte der<br />
Organisationskultur entsprechen der sichtbaren Spitze des Eisberges.<br />
Den unsichtbaren Teil des Eisberges- unterhalb der Wasseroberfläche-<br />
stellen die latenten, me<strong>ist</strong> unbewussten, emotional verankerten<br />
Werte und Grundannahmen der Unternehmensmitglieder dar. Sie<br />
sind dem Beobachter zwar nicht direkt zugänglich, haben jedoch den<br />
entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen und sein soziales Geschehen.<br />
Außerdem <strong>ist</strong> das Verständnis dieser Kulturebene unbedingte<br />
Voraussetzung für die adäquate Deutung der oberflächlicheren<br />
Ebenen der Werte bzw. der Artefakte.<br />
3.5 Funktionen der Unternehmenskultur<br />
Die Funktionen einer Organisationskultur sind zahlreich und variieren<br />
oftmals in Abhängigkeit von der konkreten Unternehmensspezifik.<br />
Im Folgenden sollen einige der generellen Kulturfunktionen etwas<br />
näher erläutert werden:<br />
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Identitätsstiftung<br />
- Anschlussmotivbefriedigung, Sinn und Wir-Gefühlstiftung<br />
Organisationscharakterisierung<br />
- Abgrenzung gegenüber anderen Unternehmen bzw. Kulturen<br />
Koordinierung und Orientierungsvermittlung<br />
- in komplexen Systemen durch geteilte Werte und Meinungen<br />
- Kontrollmotivbefriedigung, Orientierung an Verhalten der<br />
Kollegen<br />
Komplexitäts- und Informationsreduktion<br />
- Informationsflut mittels grundlegender Werte und Normen<br />
leichter strukturierbar/ reduzierbar<br />
Schaffung von Motivationspotentialen<br />
- Eröffnung von Lernpotentiale<br />
Innere Stabilisierung und Kontinuitätsgebung<br />
- basaler Konsens gibt Halt und Sicherheit auch in chaotischer,<br />
dynamischer, schwieriger Zeit<br />
3.6 Medien der Unternehmenskultur<br />
Unternehmenskultur lässt sich nicht messen, nicht berechnen, nicht<br />
objektivieren. Ihren Ausdruck als strategische Erfolgsgröße findet sie<br />
auch nur indirekt über betriebswirtschaftliche Größen, Zahlen oder<br />
Fakten. Das Phänomen Unternehmenskultur <strong>ist</strong> also nur sehr schwer<br />
fassbar.<br />
Um die Kultur einer Organisation zu erfassen, muss sie in all ihren<br />
emotionalen Qualitäten gelebt und erlebt werden. Die auf den ersten<br />
Blick „unsichtbare“ Unternehmenskultur mit ihren Elementen benötigt<br />
daher Medien, die sie transportieren, d.h. für die Unternehmensmitglieder<br />
sowie die Organisationsumwelt wahrnehmbar machen:<br />
“Helden“ (cultural heroes)<br />
Helden können zum Beispiel (ehemalige) erfolgreiche Mitarbeiter,<br />
glänzende Führungskräfte aus früherer Zeit oder auch die einstigen<br />
Unternehmensgründer sein. In jedem Fall stellen sie Vorbilder für die<br />
heutigen Organisationsmitglieder dar und sind Symbol für Le<strong>ist</strong>ungen,<br />
Erfolge und Werte des Unternehmens.<br />
Geschichten<br />
Geschichten können Sagen, Anekdoten, Legenden oder auch Mythen<br />
sein, die innerhalb der Organisation verbreitet werden. Sie müssen<br />
nicht unbedingt wahrheitsgemäß sein, ihr alleiniger Zweck <strong>ist</strong> die<br />
Sinnvermittlung sowie die Rechtfertigung bzw. Erklärung bestimmter<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 21
Handlungen der Organisationsmitglieder. Geschichten dienen oftmals<br />
auch zur Reflektion und Neu-Interpretation spezifischer Situationen<br />
im Unternehmensalltag.<br />
Riten<br />
Riten sind Interaktionen stereotypen Ablaufs und erscheinen nicht<br />
selten wie öffentliche Inszenierungen. Sie stellen u.a. ein Mittel der<br />
Einführung neuer Organisationsmitglieder in das Unternehmen dar.<br />
Riten werden oftmals während Schulungsmaßnahmen, Tagungen,<br />
Mittagspausen, Betriebsfeiern etc. „ausgelebt“.<br />
Kommunikation und Sprache<br />
Auch das Medium „Sprache“ kann Inhalte einer Unternehmenskultur<br />
sehr gut transportieren:<br />
Was wird mündlich, was eher schriftlich kommuniziert?<br />
Welcher Sprachstil, welcher “Jargon“, welche Redewendungen herrschen<br />
vor?<br />
Was wird nicht besprochen- was sind Tabus?<br />
Struktur, Architektur und Kleidung<br />
Die Architektur des Firmensitzes, die Gebäudestruktur, die Ausstattung<br />
der Konferenzräume, das Mobiliar, die verwendeten Arbeitsmittel,<br />
die Kleiderordnung- all das sind Ausdrucksformen für die ganz<br />
spezifische Kultur einer Organisation.<br />
3.7 Ansätze zur Typisierung von<br />
Unternehmenskultur<br />
Jedes Unternehmen bildet mit seiner Kultur ein komplexes System. Da<br />
es eine Vielzahl unterschiedlicher Unternehmenstypen mit ihren je-<br />
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22 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
®<br />
weils spezifischen Unternehmensmerkmalen gibt, liegt die Idee nahe,<br />
dass es auch sehr viele verschiedene Unternehmenskulturtypen geben<br />
muss. Diese Erkenntnis spiegelt sich in diversen Ansätzen zur Typisierung<br />
ex<strong>ist</strong>ierender Organisationskulturen wider, von denen nun zwei<br />
genauer erläutert werden sollen. <strong>Der</strong> Unternehmenskulturtyp beschreibt<br />
das unternehmensspezifische Verhalten und kann durch die<br />
Sichtbarmachung kultureller Defizite bzw. Potentiale dazu dienen, die<br />
positive Veränderung bzw. Entwicklung der Organisation zu fördern.<br />
So unterschied Schreyögg (1991) zwischen polyzentrischen und globalen<br />
Unternehmenskulturen. Dieser Ansatz geht davon aus, dass es<br />
eine Interdependenz zwischen nationalen Kulturen und Organisationskulturen<br />
gibt.<br />
polyzentrische Unternehmenskultur<br />
Unternehmenskultur, die in den verschiedenen Ländern, in denen das<br />
Unternehmen situiert <strong>ist</strong>, unterschiedliche Ausformungen aufwe<strong>ist</strong>.<br />
Ein Nachteil dieser „föderal<strong>ist</strong>ischen“ polyzentrischen Unternehmenskultur<br />
könnte darin bestehen, dass sich die einzelnen Subunternehmen<br />
zu sehr verselbstständigen, also von ihrer Mutter -<br />
organisation lösen.<br />
Schreyögg nennt jedoch auch vier Vorteile der polyzentrischen Kultur:<br />
- Spezialisierungsvorteil<br />
- Flexibilitätsvorteil<br />
- Kreativitätsvorteil<br />
- Problemlösevorteil<br />
globale Unternehmenskultur<br />
Unternehmenskultur, die über die Ländergrenzen hinweg ein einheitliches<br />
Erscheinungsbild und universale Artikulationsformen anstrebt.<br />
Vorteile der globalen Unternehmenskultur sind nach Schreyögg:<br />
- Kommunikationsvorteil<br />
- Zuverlässigkeitsvorteil<br />
- Identifikationsvorteil<br />
- Effizienzvorteil<br />
Eine „reine“ globale Unternehmenskultur stellt sicherlich einen unreal<strong>ist</strong>ischen<br />
Idealtyp dar. Ein gewisser Grad an Polyzentrismus wird<br />
in allen international operierenden Organisationen anzutreffen sein,<br />
da sich auch die res<strong>ist</strong>entesten Unternehmen nur schwerlich den jeweiligen<br />
nationalen Kultureinflüssen entziehen können.
J. H. Ansoff (1979) findet einen ganz anderen Zugang zur Unternehmenskultur-Typisierung.<br />
Seine Differenzierungskriterien sind die<br />
Handlungsbereitschaft, die Innovationsfähigkeit und die Zeitperspektive<br />
der Unternehmen.<br />
Ansoff differenziert zwischen den folgenden fünf Kulturtypen, welche<br />
sich vor allem hinsichtlich ihrer Veränderungsfreundlichkeit unterscheiden:<br />
stabile Kultur<br />
Die Organisation orientiert sich sehr stark an der Vergangenheit. Im<br />
Mittelpunkt des Interesses steht die eigene Unternehmung und die<br />
erreichte Position. Risiko, Innovationen und Veränderungen werden<br />
weitestgehend vermieden.<br />
reaktive Kultur<br />
Dieser der stabilen Kultur sehr ähnliche, introvertierte Kulturtyp orientiert<br />
sich vorrangig an der Gegenwart. Geringfügige Veränderungen<br />
werden nicht stringent abgelehnt, sondern sofern die<br />
diesbezügliche Notwendigkeit erkannt wird, unter Minimierung des<br />
Risikos akzeptiert.<br />
antizipative Kultur<br />
Das Unternehmen neigt eher dazu Risiken einzugehen. Die Bedingung<br />
hierfür allerdings <strong>ist</strong>, dass sich diese Risiken für die Organisation<br />
kalkulierbar darstellen.<br />
explorative Kultur<br />
<strong>Der</strong> explorative Kulturtyp sucht Herausforderungen und Veränderungen.<br />
Werden die Erfolgschancen positiv eingeschätzt, kommt es umgehend<br />
zur Initiierung und Umsetzung der neuen Unternehmensziele<br />
– auch unter Vernachlässigung möglicher Risiken.<br />
kreative Kultur<br />
<strong>Der</strong> Unternehmensfokus <strong>ist</strong> auf die Zukunft gerichtet. Extrovertiert<br />
werden Entwicklungsmöglichkeiten gesucht, um sich zukünftig stark<br />
zu positionieren.<br />
Die Vielfalt vorkommender Kulturtypen macht deutlich, dass es sehr<br />
schwierig <strong>ist</strong>, einzelne Organisationen oder gar eine ganze Branche,<br />
einem spezifischen Kulturtyp zuzuordnen. Unter Dominanz eines bestimmten<br />
Kulturtyps sind me<strong>ist</strong> Merkmale verschiedener Kulturtypen<br />
in einem Unternehmen vorzufinden.<br />
3.8 Abgrenzung zu artverwandten Konzepten<br />
Abschließend sollen noch einige Irrtümer beseitigt werden, die seitdem<br />
das Thema Unternehmenskultur „in aller Munde“ <strong>ist</strong>, immer<br />
wieder zu Tage treten.<br />
Dr. Jürgen Kaul<br />
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So wird das Konzept der Unternehmenskultur nicht selten mit<br />
diesen artverwandten Konzepten verwechselt.<br />
Unternehmenskultur bedeutet nicht:<br />
1. Unternehmensethik<br />
Unternehmensethik beschäftigt sich nämlich ausschließlich mit der<br />
Entstehungsbegründung spezifischer Unternehmensnormen- und<br />
werte.<br />
2. Unternehmensphilosophie<br />
Die Unternehmensphilosophie legitimiert lediglich den Unternehmenszweck<br />
durch ihre orientierungsgebenden Leitlinien und Grundsätze.<br />
3. Organisationsklima<br />
Das Organisationsklima <strong>ist</strong> die momentane, subjektive Wahrnehmung<br />
des Unternehmenszustands durch die Mitarbeiter.<br />
4. Unternehmensidentität (Corporate Identity)<br />
Unternehmensidentität stellt den Pool an Mechanismen dar, mit denen<br />
sich eine Organisation seiner Umwelt visualisiert und präsentiert.<br />
4. Unternehmenskultur und Veränderung<br />
...oder der Mut zum „langen Atem“<br />
Wie war das noch gleich mit der Unternehmenskultur...?<br />
- jedes Unternehmen besitzt bzw. entwickelt eine eigene, ganz spezifische<br />
Organisationskultur<br />
- diese Unternehmenskultur steht in enger Beziehung und Wechselwirkung<br />
mit den ebenso spezifischen Strukturen und Strategien<br />
der jeweiligen Organisation<br />
- es gibt nicht die eine, allein richtige Kultur für ein Unternehmenkein<br />
generelles Ideal also, das es zu realisieren gilt und welches<br />
dann die Lösung aller Probleme darstellt<br />
Dies sind drei wesentliche Fakten zum Phänomen „Unternehmenskultur“,<br />
welche drei direkte Konsequenzen für das Thema „Kulturwandel“<br />
nach sich ziehen:<br />
1. Da jedes Unternehmen eine eigene Kultur besitzt,<br />
<strong>ist</strong> auch das Thema „Kulturveränderung“ für jedes<br />
Unternehmen von Bedeutung.<br />
2. Durch die Verzahnung und wechselseitige Abhängigkeit<br />
von Unternehmenskultur und Unternehmensstruktur<br />
bzw. –Strategie bleibt Unternehmenskultur<br />
niemals von Changeprozessen bzw. Organisationsveränderungen<br />
unberührt.<br />
Ganz im Gegenteil: die kulturellen Voraussetzungen<br />
eines Unternehmens sind ganz entscheidend für den Erfolg<br />
jeglicher Re-Organisation. Sollten alle anderen Bedingungen<br />
für die angestrebte Veränderung auch optimal<br />
sein, wird die Organisationskultur aus den Augen verloren,<br />
so gerät das gesamte Change Management schnell<br />
ins Wanken.Somit bedeutet also jeder unternehmerische<br />
Veränderungsprozess gleichzeitig auch eine Veränderung<br />
der Unternehmenskultur.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 23
3. Die Tatsache, dass sich Unternehmen heute mit<br />
ständig wechselnden wirtschaftlichen und technologischen<br />
Rahmenbedingungen, mit einem sich kontinuierlich wandelnden<br />
Umfeld also, konfrontiert sehen, erklärt die Unmöglichkeit<br />
einer einzigwahren, immerfort adäquaten<br />
Unternehmenskultur. Sollte eine Organisation tatsächlich<br />
eine gesunde, probate, klare und widerspruchsfreie Kultur<br />
„leben“, so heißt dies noch lange nicht, dass dieser „Glücksfall“<br />
auch für immer währt. Wechseln die Ziele, die Strategien,<br />
die Strukturen des Unternehmens, so <strong>ist</strong> mit großer<br />
Wahrscheinlichkeit auch eine stimmig modifizierte Kultur erfolgversprechender<br />
als die ehemals „perfekte“ Unternehmenskultur.<br />
Change Management und Kulturwandel einer Organisation<br />
sind demnach untrennbar miteinander verbunden.<br />
4.1 Kulturveränderung und die Rolle<br />
der Führung<br />
All die Charakter<strong>ist</strong>ika, die das „Phänomen Unternehmenskultur“ so<br />
interessant und reizvoll machen, gestalten jedoch auch den Umgang<br />
mit ihr, während bewusst gesteuerter Change Managementprozesse<br />
kompliziert und anspruchsvoll.<br />
Unternehmenskultur<br />
- <strong>ist</strong> ihren Trägern nur zum Teil bewusst, also auch nur teilweise<br />
erfassbar und beeinflussbar<br />
- wird von Menschen- also verschiedenen Individuen<br />
getragen, gelebt und erlebt<br />
- <strong>ist</strong> nicht materieller, sondern eher kognitiver und<br />
emotionaler Natur<br />
- <strong>ist</strong> interpretativ, d.h. sie bedeutet für jeden ihrer<br />
Träger etwas anderes<br />
- <strong>ist</strong> sehr vielschichtig und bietet somit viele „Angriffsflächen“,<br />
die bei ihrem Management bedacht werden<br />
sollten<br />
- hat eine starke Eigendynamik- muss also stets neu<br />
betrachtet und bewertet werden<br />
Damit sich Nutzen und Chancen einer Unternehmenskultur im<br />
Change Management gegenüber ihren Gefahren und Risiken durchsetzen<br />
können, <strong>ist</strong> ein bewusster und sensibler Umgang mit ihr durch<br />
die Unternehmensführung unbedingt erforderlich.<br />
Unternehmenskultur muss bzw. kann nicht „erschaffen“ werden. Sie<br />
entwickelt sich im Laufe der Zeit in jeglicher Organisation ganz automatisch<br />
und selbstständig. Unternehmenskultur kann mehr oder<br />
weniger stark entwickelt, h<strong>ist</strong>orisch gewachsen oder auch bewusst<br />
gepflegt sein, sich fundiert oder widersprüchlich darstellen. Die Kultur<br />
eines Unternehmens <strong>ist</strong> also das kaum objektivierbare Resultat eines<br />
komplexen, langjährigen, organisatorischen Geschehens.<br />
Nichtsdestotrotz zählt- gerade in Zeiten des Wandels- der adäquate<br />
Umgang mit der eigenen Organisationskultur, d.h. ihre Entwicklungsförderung,<br />
ihre Vergegenwärtigung oder in manchen Fällen<br />
auch ihre Zerstörung, zu den Kernaufgaben der Unternehmensführung.<br />
24 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Führungskompetenz bedeutet demnach auch die kontrollierte<br />
Handhabung organisatorischer Kultur-Veränderungsprozesse: so<br />
z.B. das Erkennen eventueller Inkompatibilität externer (Umwelt-)<br />
Bedingungen und aktueller Unternehmenskultur bzw. das kontinuierliche<br />
Überprüfen der Stimmigkeit zwischen Unternehmensstrategie<br />
und –Kultur.<br />
Unternehmensführung stellt letztlich selbst eine Komponente der<br />
Unternehmenskultur dar, da auch sie sich permanent den wandelnden<br />
Rahmenbedingungen anpassen muss. So durchläuft die Führung<br />
einer Organisation immer auch selbst einen kulturellen<br />
Entwicklungsprozess.<br />
Viele Wege führen nach Rom<br />
<strong>Der</strong> durch organisatorische Veränderungsvorhaben provozierte Wandel<br />
einer jahrelang gewachsenen und gefestigten Kultur <strong>ist</strong> ein in seinem<br />
Ablauf kaum vorhersehbarer und sehr komplexer Prozess.<br />
Kulturwandel bedeutet für ein Unternehmen und seine Mitglieder,<br />
ihre bisherige Kultur- also ihr gesamtes bisheriges organisationsbezogenes<br />
Verhalten, Wertesystem, all ihre mit dem Unternehmen verbundenen<br />
Einstellungen und Emotionen- zu überdenken, zu<br />
hinterfragen oder gar „verlernen“ zu müssen.<br />
Die Begleitung dieses sozialen „Umlern-Prozesses“ stellt eine Führungsaufgabe<br />
dar, die nur mit viel Sensibilität, sozialer Kompetenz<br />
und Ausdauer erfolgreich geme<strong>ist</strong>ert werden kann.<br />
Aber wie?<br />
1. Konkretes Beschreiben der neuen Organisationskultur<br />
Die mit den angestrebten Organisationszielen- und Strategien verbundene,<br />
zukünftige Kultur muss von der Unternehmensführung<br />
„greif- und fassbar“ gemacht werden.<br />
Den Organisationsmitgliedern sollte so konkret, plastisch und ausführlich<br />
wie möglich beschrieben und erläutert werden, was die Kernelemente<br />
der zukünftigen Kultur sind- kurz gesagt: wo es hingehen<br />
soll.<br />
2. Begründung der Notwendigkeit des Kulturwandels<br />
Die Hoffnung, Kulturveränderungsprozesse erfolgreich begleiten zu<br />
können, ohne die Einsicht und das Verständnis für den Unternehmenswandel,<br />
bei den betroffenen Organisationsmitgliedern gewonnen<br />
zu haben, <strong>ist</strong> vergebens.<br />
Nur wenn es der Organisationsführung gelingt, die Unumgänglichkeit<br />
der kulturellen „Umorientierung“ glaubhaft und plausibel zu machen,<br />
sind die Voraussetzungen für eine bewusste Auseinandersetzung<br />
der Organisationsmitglieder mit dem Thema „Unternehmenskultur“<br />
ihr Sinn und Nutzen“ gegeben.<br />
3. Die Stärke des Führungsvorbildes<br />
Was könnte die Einstellung eines der bevorstehenden Veränderungen<br />
skeptisch gegenüberstehenden Mitarbeiters mehr beeinflussen, als<br />
die Erfahrung, die neuen „propagierten“ Haltungen, Werte und Normen<br />
durch die Führungsspitze persönlich „vorgelebt“ zu bekommen?<br />
“Taten zählen mehr als Worte“- so denken und empfinden auch vom<br />
Unternehmenswandel verunsicherte Organisationsmitglieder. <strong>Der</strong> direkte<br />
Kontakt mit der die zukünftige Kultur glaubwürdig repräsentierenden<br />
Unternehmensführung überzeugt oftmals mehr als hübsch<br />
gedruckte Leitlinien-Prospekte.<br />
4. Kulturveränderung als Gemeinschaftsprojekt<br />
Um Menschen für eine Idee oder eben für eine Veränderung zu gewinnen,<br />
bedarf es mehr als bloßer Überzeugungskraft. Wirkliches En-
gagement für einen Änderung des „“Hier und Jetzt“ kann sich unter<br />
den Organisationsmitgliedern nur dann entwickeln, wenn sie den Unternehmenswandel<br />
und den damit einhergehenden Kulturwandel<br />
frühzeitig und langfr<strong>ist</strong>ig aktiv mitgestalten können.<br />
Die Unternehmensführung sollte hier also eher die Rolle des Prozessinitiators<br />
und Moderators einnehmen und die Ergebnisse der<br />
partizipativen Ideenentwicklung „von unten nach oben“ (be)fördern.<br />
5. Glaubwürdige, kompetente „Missionare“<br />
So wichtig es <strong>ist</strong>, dass die Organisationsentwicklung hauptsächlich<br />
durch die Organisationsmitglieder vorangetrieben wird, die katalysierende<br />
Wirkung einer charismatischen und sozial sowie methodisch<br />
kompetenten Führung sollte im Change Management nicht unterschätzt<br />
werden. Phasen des anfänglichen Widerstandes, der Mutlosigkeit<br />
oder der im Verlauf einsetzenden Trägheit können durch die<br />
stete Präsenz und den engagierten Einsatz einer sich mit den Entwicklungszielen<br />
identifizierenden, „kulturtragenden“ Führung me<strong>ist</strong><br />
erfolgreich überwunden werden.<br />
6. Am Ball bleiben<br />
Endlich. <strong>Der</strong> Veränderungsprozess <strong>ist</strong> „im Gange“- die neuen Ziele<br />
definiert, die Organisationsmitglieder einbezogen<br />
und motiviert, die Verantwortlichen bestimmt,<br />
das weitere Vorgehen heftig diskutiert<br />
und beschlossen- alle sind zufrieden und stolz<br />
auf das vollbrachte Werk und wiegen sich in<br />
der Gewissheit: „alles wird schon werden“.<br />
Doch ehe man sich versieht sind aller Eifer, En-<br />
gagement und Veränderungswille der Projektund<br />
Diskussionsgruppen verflogen. Die „gesteckten“<br />
Ziele werden durch den Druck, das<br />
„ganz normale“ alltägliche Geschäft weiterhin<br />
optimal bewältigen zu müssen, nach und<br />
nach verdrängt. Die Förderung und Entwicklung<br />
der einst so angestrebten Unternehmensziele<br />
gerät in Vergessenheit und die gerade<br />
„neu aufkeimende“ Kultur schafft erst gar<br />
nicht „zum Vorschein zu kommen“.<br />
Um dies zu verhindern, müssen die Aufmerksamkeit<br />
und das Interesse der Mitarbeiter für<br />
den begonnenen Veränderungsprozess bewahrt<br />
und gefördert werden. Dies erfordert<br />
natürlich die Bereitschaft der Führungsspitze<br />
zur regelmäßigen Auseinandersetzung mit den<br />
erreichten Fortschritten im Changeprozess und<br />
den Mut zu Belohnung bzw. Sanktionierung,<br />
sofern vereinbarte Ziele bzw. getroffene Vereinbarungen<br />
von den Organisationsmitgliedern<br />
unzureichend oder gar nicht erfüllt<br />
wurden. <strong>Der</strong> Ernst und die Wichtigkeit des Unternehmenswandels<br />
kann dem Einzelnen nur<br />
bewusst werden, wenn er beobachten oder<br />
selbst erleben kann, dass seine Bemühungen<br />
wahrgenommen und respektiert werden und<br />
dass das „Nichtstun“ Konsequenzen nach sich<br />
zieht.<br />
Diese gewissenhafte Kontrolle der initiierten<br />
Changeprozesse durch die Organisationsführung<br />
stellt auch eine Form bewussten Umgangs<br />
mit der eigenen Kultur dar.<br />
4.2 Die veränderungsfreundliche<br />
Unternehmenskultur<br />
Wie könnte eine Unternehmenskultur aussehen, die dem steten Wandel<br />
ihres Unternehmens und damit auch ihrer selbst nicht im Wege<br />
steht sondern sogar fördert?<br />
Was sind die Kulturelemente, die der Organisation und ihrer Führung<br />
die schwierige Aufgabe des Change Management erleichtern können?<br />
The Winning Performance- in a changing environment- diese Studie<br />
von Clifford/ Cavanaugh (1985) bewe<strong>ist</strong> zum Einen, dass das Thema<br />
„Kulturwandel“ schon Mitte der 80er Jahre von wissenschaftlichem<br />
Interesse war und diente außerdem dem Organisations- und Managementberater<br />
Doppler im Jahr 2000 zur Beschreibung 5 zentraler<br />
Merkmale einer veränderungsfreundlichen Unternehmenskultur:<br />
Kreative Unruhe<br />
Die beste Voraussetzung für den flexiblen und offenen Umgang mit<br />
Veränderungen und Innovationen in sozialen Systemen, wie z.B. auch<br />
Unternehmen, <strong>ist</strong> eine stete latente kreative Unruhe. Je mehr Experimentierfreude,<br />
Risikobereitschaft, Mobilität und Spontanität unter<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 25
den Mitarbeitern von der Organisationsleitung belohnt und damit<br />
gefördert werden, desto besser gelingt es der Organisation mit Umstellungen<br />
und Wandel umzugehen.<br />
Zusammengehörigkeitsgefühl<br />
Das Gefühl „an einem Strang zu ziehen“, gegenseitiges, ebenenübergreifendes<br />
Vertrauen, Offenheit und Akzeptanz machen eine Gruppealso<br />
auch eine Organisation- stärker und sicherer. Die Ängste und Bedenken,<br />
die durch organisatorische Umstrukturierungen bei den Mitarbeitern<br />
ausgelöst werden, können durch das Empfinden kollektiven<br />
Zusammenhalts schneller bewältigt werden.<br />
Konfliktfähigkeit<br />
Jede Veränderung, jeder Übergang von Vertrautem zu Neuem <strong>ist</strong> mit<br />
Bedenken, mit Ängsten, mit Spannungen und Konflikten verbunden.<br />
Gerade in so großen sozialen Systemen wie Unternehmen, wo verschiedenste<br />
Persönlichkeiten, Interessen und Verhaltenstendenzen<br />
aufeinanderstoßen, <strong>ist</strong> es deshalb von Nöten, mit diesen Konflikten<br />
konstruktiv umzugehen.<br />
So können sich änderungshemmende Kräfte wie Widerstand, Verweigerung<br />
und Aggressionen durchaus fruchtbar für den Organisationswandel<br />
zeigen. Diese natürlichen menschlichen Reaktionen der<br />
Veränderungsbetroffenen müssen von der Unternehmensführung lediglich<br />
frühzeitig erkannt, nicht verdrängt, sondern ernstgenommen<br />
und ausgetragen werden.<br />
Sinnvermittlung<br />
Die Bereitschaft eines Mitarbeiters zusätzliche Belastungen, wie<br />
z.B. eine Re-Organisation, engagiert anzugehen, <strong>ist</strong> letztlich immer<br />
auch eine Frage der Motivation. Kann er sich mit seinem Unternehmen<br />
und seiner Rolle in diesem System identifizieren, erkennt er<br />
den Sinn seiner Tätigkeit und den Beitrag, den er zum Unternehmenserfolg<br />
le<strong>ist</strong>et, so wird es ihm nicht schwer fallen auch „im<br />
Sinne“ der Organisation zu handeln und den notwendigen Wandel<br />
unterstützen.<br />
Kommunikation<br />
Offene, direkte und persönliche Kommunikation stellt immer einen<br />
Erfolgsfaktor für Organisationen dar. Das gilt vor allem in Zeiten der<br />
Veränderung. Gerade der informelle Austausch zwischen den Betroffenen,<br />
aber auch zwischen Befürwortern und Skeptikern, wirkt sich<br />
spannungsreduzierend und konfliktlösend aus. Die wandelinitiierende<br />
Führung sollte deshalb die Chance nutzen, mittels Informationsveranstaltungen,<br />
Arbeitstagungen und Workshops mit den Mitarbeitern<br />
zu kommunizieren, d.h. auch sie an der Diskussion zu beteiligen, ihre<br />
Meinungen anzuhören und ihre Vorschläge aufzunehmen. Die ebe-<br />
26 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
nenübergreifende Kommunikation kann so Orientierung und Sicherheit<br />
für alle am Wandel Beteiligten spenden.<br />
5. Schluss<br />
... oder was noch zu sagen bleibt<br />
Unternehmen, als soziale Systeme, und die darin (inter-)agierenden<br />
Personen verändern sich kontinuierlich, passen sich fortlaufend ihrem<br />
Umfeld, den internen und externen Gegebenheiten an- sind immer<br />
in Dynamik.<br />
Eine Unternehmenskultur ex<strong>ist</strong>iert allein durch ihre Träger. Sie „lebt“<br />
in den Köpfen der Organisationsmitglieder und kommt durch deren<br />
Verhalten zum Vorschein.<br />
Demnach kann eine Unternehmenskultur niemals „fertig“ sein. Sie<br />
muss mit ihren Kulturträgern im Wandel bleiben- zur eigenen Anpassung<br />
und Veränderung fähig sein.<br />
Nur so kann sie der Organisation ihren unentbehrlichen Nutzen<br />
bringen.<br />
Nur so kann sie ihren Zweck als Sinn- und Wir-Gefühlstifter, als Orientierungsanker,<br />
als gemeinsame Norm- und Wertebasis und nicht<br />
zuletzt als Stabilisator im Wandel erfüllen.<br />
Literatur<br />
-Doppler, K./ Lauterburg, C. (2005): Change Management: Den Unternehmenswandel<br />
gestalten (11. Auflage). Campus Verlag, Frankfurt/ New York<br />
-Weber, S.: Veränderungskultur als Katalysator für Wandlungsprozesse von<br />
Unternehmen. Internet<br />
-Scholz, C./ Hofbauer, W. (1990): Organisationskultur: Die vier Erfolgsprinzipien.<br />
Gabler Verlag, Wiesbaden<br />
- artop- Institut an der Humboldt-Universität zu Berlin (2004): Wissenschaftlicher<br />
Bericht zu den Themen Unternehmenskultur, Innovation und Change Management<br />
im Rahmen von InnoBau<br />
- Wildenmann, B. (1999): Professionell Führen (4. Auflage). Luchterhand Verlag<br />
-Berner, W. (2000): Praxis Handbuch Unternehmensführung. Praktische Strategien<br />
zur Veränderung der Unternehmenskultur. Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG<br />
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Suchtprävention bei Bosch in Bamberg<br />
Mit improvisierten Rollenspielen gegen die Sucht<br />
Michael, Matthias und Daniel wollen gemeinsam zur Geburtstagsparty eines Kollegen und freuen sich auf einen fröhlichen Abend –<br />
und dazu gehört auch reichlich Alkohol. Matthias muss aber am nächsten Morgen arbeiten und will nicht mittrinken. Seine Freunde<br />
drängen ihn – „Hey, wir feiern hier einen Geburtstag, da kannst du doch mal eine Ausnahme machen“. Er lässt sich überreden: Erst<br />
ein Bier, dann noch eins, dann Whiskey-Cola und Wodka, bis er total betrunken zusammenbricht. Am nächsten Tag erscheint er viel zu<br />
spät zur Arbeit und wird von seinem Vorgesetzten ermahnt.<br />
Alles nur gespielt, aber authentisch echt. Das Rollenspiel <strong>ist</strong> Teil der Suchtprävention im Bamberger Bosch Werk, die „Schauspieler“<br />
sind angehende Elektroniker im zweiten Lehrjahr. Das Pflichtseminar wird jedes Jahr von der Betrieblichen Sozialberatung am Standort<br />
organisiert und von „Chapeau Claque“, einem freien Träger der Jugendhilfe in Bamberg, durchgeführt.<br />
Das Thema „Sucht“ <strong>ist</strong> seit vielen Jahren ein fester Bestandteil im Ausbildungsplan, um die zukünftigen Fach- und Führungskräfte im<br />
Werkstattbereich in ihrer sozialen Kompetenz zu fördern und sie auf ihre späteren Aufgaben vorzubereiten. „Gefragt sind gereifte und<br />
starke Persönlichkeiten und hier setzen wir auch mit unserer Suchtprävention an“, beschreibt Udo Winkelhorst, Sozialberater in Bamberg,<br />
das Konzept. Es sei der falsche Ansatz, von oben herab zu belehren. „Wichtiger <strong>ist</strong> es, die Persönlichkeit jedes Einzelnen zu stärken,<br />
damit die Gefahr einer Suchterkrankung so gering wie möglich <strong>ist</strong>“, so Winkelhorst. Das Ziel sei vielmehr, zum Nachdenken<br />
anzuregen – ein erster Schritt weg von der potenziellen Sucht.<br />
Im Anschluss an das Rollenspiel wird diskutiert:<br />
Wie hat sich Matthias verhalten? Was hätte ihm geholfen? Was bedeutet Sucht für den Betroffenen?<br />
Die Schlussfolgerungen: Es kommt vor allem darauf an, die eigenen Grenzen im Umgang mit Genussmitteln zu kennen. Und im Fall<br />
einer Suchterkrankung Hilfe annehmen.<br />
„Wir stellen den jungen Leute auch die Betriebsvereinbarung Sucht vor.“, so Winkelhorst. So erfahren sie, welche Stellen im Unternehmen<br />
Hilfe anbieten, aber auch,<br />
dass Sucht am Arbeitsplatz eine<br />
Kündigung mit zur Folge haben<br />
kann – mit anschließender Wiedereinstellung<br />
nach erfolgreicher Therapie.<br />
Das beeindruckt die me<strong>ist</strong>en.<br />
„Ich finde es sehr sozial, dass Betroffene<br />
eine Chance erhalten, gesund<br />
zu werden und wieder zu ihrem Arbeitsplatz<br />
zurückkommen können“,<br />
so Michael.<br />
Informationen zum<br />
Unternehmen:<br />
Die Bosch-Gruppe <strong>ist</strong> ein international<br />
führendes Technologie- und<br />
Dienstle<strong>ist</strong>ungsunternehmen. Mit<br />
Kraftfahrzeug- und Industrietechnik<br />
sowie Gebrauchsgütern und Gebäudetechnik<br />
erwirtschafteten rund<br />
285.000 Mitarbeiter im Geschäftsjahr<br />
2010 einen Umsatz von 47,3<br />
Milliarden Euro.<br />
Am Standort Bamberg fertigt die<br />
Firma Bosch mit ca. 7700 Mitarbeitern<br />
anspruchsvolle Komponenten<br />
für Benzin- und Dieselsysteme, ohne<br />
die ein Auto nicht vorstellbar wäre.<br />
Ca. 300 Auszubildende erlernen<br />
derzeit im Bamberger Werk Berufe<br />
wie Industrie- u. Informatikkaufmann/<br />
-frau, Industriemechaniker/in,<br />
Mechatroniker/-in und<br />
Energieelektroniker/-in.
Mitarbeiterorientierte<br />
Personalsteuerung<br />
bei Gebiets- und Funktionalreformen<br />
am Fallbeispiel Mecklenburg-Vorpommern<br />
(Westmecklenburg)<br />
C. Büchner/J. Franzke/J. Tessmann<br />
„Diese Studie wurde durch die freundliche Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung ermöglicht“.<br />
Vorwort<br />
Aufgabe dieses Forschungsprojektes war die Untersuchung der mitarbeiterorientierten<br />
Personalsteuerung bei Gebiets- und Funktionalreformen<br />
am Fallbeispiel Mecklenburg-Vorpommern (Region<br />
Westmecklenburg). Dieses Fallbeispiel wurde gewählt, weil in diesem<br />
Land im Mai 2006 erstmals in Deutschland die Bildung von Regionalkreisen<br />
in Angriff genommen wurde. Reform begleitend sollte der<br />
Prozess des Zusammenführens von Personal aus den Altkreisen und<br />
Personal aus Landesbehörden zu einer neuen kreislichen Behörde<br />
sowie die Beteiligung der Mitarbeiter an dieser Fusion analysiert und<br />
bewertet werden.<br />
Dieser Prozess wurde jedoch nach nur 13 Monaten jäh gestoppt, als<br />
das Landesverfassungsgericht zentrale Teile dieses Gesetzes im Juni<br />
2007 für verfassungswidrig erklärte. Damit endete auch der Prozess der<br />
Personalzusammenführung und Mitarbeiterbeteiligung in der Gebietsreform.<br />
Die Forschungsfragen, auf die dieses Projekt Antworten finden<br />
sollte, können somit nicht mehr vollständig beantwortet werden.<br />
Die Autoren haben sich dennoch entschlossen, diesen Abschlussbericht<br />
anzufertigen. Da unser Projekt eines der wenigen wissenschaftlichen<br />
Begleitprojekte dieser Gebietsreform war, wollen wir einen<br />
Beitrag zur Dokumentation der Ansätze zur Personalsteuerung bei<br />
dieser Reform le<strong>ist</strong>en, um deren durchaus innovative Ansätze für<br />
künftige Reformen zugänglich zu machen. Dabei gehen wir davon<br />
aus, dass nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts zur Kreisgebietsreform<br />
in Mecklenburg-Vorpommern die Suche nach einer<br />
besseren Kreisstruktur in den deutschen Ländern nicht zu Ende <strong>ist</strong>.<br />
Die Erfahrungen des Reformversuches in Mecklenburg-Vorpommern<br />
in den Jahren 2006/2007 können dabei nützlich sein.<br />
<strong>Der</strong> Dank der Autoren gilt vor allem der Hans-Böckler-Stiftung, die<br />
dank Ihrer großzügigen Förderung dieses Forschungsprojekt erst<br />
möglich gemacht hat. Des Weiteren danken wir allen Mitarbeitern<br />
des Aufbaustabes für den geplanten Regionalkreis Westmecklenburg,<br />
die mit uns während der Forschungsarbeit in vielfältiger Art und<br />
28 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Weise kooperiert haben. Schließlich danken wir Frau Janine Wehrstedt,<br />
die als Projektass<strong>ist</strong>entin zum Erfolg dieses Forschungsprojektes<br />
beigetragen hat.<br />
Potsdam, im Dezember 2007<br />
Chr<strong>ist</strong>iane Büchner / Jochen Franzke / Jens Tessmann<br />
1. Einleitung<br />
1.1 Fokus und Relevanz<br />
Internationaler Standortwettbewerb, fortschreitende europäische Integration,<br />
technologische Innovationen sowie vor allem Veränderungen<br />
der Sozial- und Altersstruktur und sinkende öffentliche<br />
Finanzmittel, haben den Anpassungsdruck auf die politisch-admin<strong>ist</strong>rativen<br />
Strukturen in den letzten Jahren auch in Deutschland deutlich<br />
erhöht. Die bislang erfolgte Modernisierung der Binnenorganisation,<br />
Aufgabenprivatisierung sowie die Einführung einer neuen Personalund<br />
Finanzsteuerung sind allerdings allein nicht ausreichend, um den<br />
veränderten Rahmenbedingungen für öffentliches Handeln gerecht<br />
zu werden. Damit der öffentliche Sektor auch künftig den modernen<br />
Steuerungs- und Le<strong>ist</strong>ungsanforderungen entsprechen kann, sind<br />
eine Überprüfung seiner Aufgaben und deren Verteilung verbunden<br />
mit einer Strukturvereinfachung notwendig.<br />
Auf der Ebene der Landespolitik in Deutschland gehören kommunale<br />
Gebiets- und Funktionalreformen zu den möglichen Instrumentarien<br />
solcher Strukturveränderungen. In vielen deutschen Ländern wurden<br />
solche Reformen in den letzten Jahren durchgeführt oder deren Umsetzung<br />
<strong>ist</strong> geplant. Zu den weitestgehenden Reformansätzen zählte<br />
dabei die von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern in<br />
Gang gesetzte umfassende Gebiets- und Funktionalreform. Das entsprechende<br />
Gesetz wurde nach langen Diskussionen im Mai 2006<br />
beschlossen. Damit wurde erstmals in einem deutschen Land das in<br />
Wissenschaft und Politik schon länger diskutierte Regionalkreismodell<br />
umgesetzt.
Mit dieser Reform wurde in dreierlei Hinsicht verwaltungspolitisches<br />
Neuland betreten: bezüglich des Konzeptes, bezüglich der Dimension<br />
der territorialen Veränderungen und bezüglich der Steuerung des Implementationsprozesses.<br />
Dies hatte vielfältige Konsequenzen für die<br />
Steuerung der Personalumsetzungen im Rahmen dieser Reform. Dieser<br />
Reformprozess wurde allerdings jäh gestoppt, als das Landesverfassungsgericht<br />
zentrale Teile dieses Gesetzes im Juni 2007 für<br />
verfassungswidrig erklärte. Als Hauptziele des Reformvorhabens wurden<br />
von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns die Erhöhung<br />
von Transparenz, Bürgernähe, Bürgerbeteiligung sowie Qualität<br />
und Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung definiert. Durch Konzentration,<br />
Integration und Dezentralisierung sollte die bestehende<br />
Verwaltungsorganisation gestrafft werden.<br />
Dies hätte weit reichende Auswirkungen auf das Personal als zentrale<br />
Le<strong>ist</strong>ungsressource der Verwaltungen gehabt. Die größten Herausforderungen<br />
bestanden dabei in der langfr<strong>ist</strong>igen Reduktion des Personalbestandes,<br />
dem Personalübergang sowie der Personalzusammenführung.<br />
Für den Erfolg kam es auf die Entwicklung einer<br />
intelligenten Durchführungsstrategie und ein effektives Transformationsmanagement<br />
an. Letzteres war auf die Mitwirkung besonders<br />
der Betroffenen, aber auch aller übrigen Mitarbeiter der beteiligten<br />
Verwaltungen angewiesen. Als begünstigender Faktor für die Reform<br />
wirkten außerdem die tief greifende Veränderungen der dienstrechtlichen<br />
(Beamte) und tarifrechtlichen (Angestellte) Rahmenbedingungen<br />
in Deutschland in den letzten Jahren, die neue Möglichkeiten für<br />
die mitarbeiterorientierte Personalsteuerung bei Gebiets- und Funktionalreformen<br />
geschaffen haben.<br />
1.2 Zielstellung<br />
Drei Forschungsfragen sollen im Mittelpunkt dieser Studie stehen:<br />
Erstens sollen die Rahmenbedingungen des Reformprozesses der<br />
Kreisgebiets- und Funktionalreform in Mecklenburg-Vorpommern<br />
sowie zur Steuerung dieses Fusionsprozesses zwischen Mai 2006<br />
(Annahme des Gesetzes) und Juni 2007 (Urteil des Landesverfassungsgerichtes<br />
und Abbruch der Reform) analysiert werden. Dabei<br />
soll herausgearbeitet werden, wie weit der Aufbaustab des geplanten<br />
Regionalkreises Westmecklenburg bei der Entwicklung der Steuerung<br />
des weiteren Fusions- und Integrationsprozesses zur Bildung des Regionalkreises<br />
vorangekommen war, welche Instrumente dabei entwickelt<br />
worden waren und welche Defizite dabei aufgetreten sind.<br />
Zweitens sollen die Erfahrungen des Aufbaustabes des geplanten Regionalkreises<br />
Westmecklenburg in dieser Zeit zu personalpolitischen<br />
Aspekten untersucht werden. Welche Struktur sollte die neue Regionalkreisbehörde<br />
haben? Welche Maßnahmen waren zur Personalentwicklung,<br />
für die Personalauswahl, die Stellenbesetzung der<br />
Führungskräfte usw. vorgesehen? Wie sollte der zu erwartende Personalüberhang<br />
gesteuert werden?<br />
Drittens sollte die Qualität der Mitarbeiterbeteiligung im Aufbaustab<br />
Westmecklenburg analysiert werden. Schwerpunkte dabei waren die<br />
Beteiligungsintensität im Aufbaustab (vor allem die Qualität der Mitwirkung<br />
der Personalräte) sowie die Entwicklung der Information<br />
und Kommunikation der betroffenen Mitarbeiter.<br />
1.3 Aufbau und Methodik<br />
In der Studie werden zunächst die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
zur Personalsteuerung bei Verwaltungsreformen analysiert,<br />
wobei eine innovative Synthese aus Ansätzen der Verwaltungs, Rechts-<br />
, Wirtschafts- und Sozialwissenschaft genutzt wird. Im zweiten Teil werden<br />
dann die konkreten Erfahrungen bei der mitarbeiterorientierte<br />
Personalsteuerung des Aufbaustabes des geplanten Regionalkreises<br />
Westmecklenburg in der Zeit von Juni 2006 bis September 2007 untersucht<br />
und bewertet. Abschließend werden Schlussfolgerungen aus<br />
diesen Erfahrungen für künftige Reformen dieser Arbeit gezogen.<br />
Die Studie wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Aufbaustab zur<br />
Bildung des Regionalkreises Westmecklenburg erstellt. Dieser schuf<br />
ab Juni 2006 zunächst grundsätzliche Rahmenbedingungen für die<br />
Steuerung des Umsetzungsprozesses und beschränkte sich auf die<br />
Erarbeitung von Konzepten zu Schwerpunktthemen. Ausdifferenzierte<br />
Umsetzungsstrategien sollten ab der zweiten Hälfte des Jahres 2007<br />
entwickelt werden, wozu es wegen des Urteils des Landesverfassungsgerichtes<br />
aber nicht mehr kam.<br />
<strong>Der</strong> Aufbaustab zur Bildung des Regionalkreises Westmecklenburg<br />
war für die Studie ausgewählt worden, weil in den bisherigen Kreisen<br />
Ludwigslust und Nordwestmecklenburg bereits eine neue (innere)<br />
Organisations- und Personalsteuerung im Rahmen des NSM sehr erfolgreich<br />
umgesetzt worden war. Diese innovative Form der Steuerung<br />
sollte im zukünftigen (gemeinsamen) Regionalkreis Westmecklenburg<br />
verwendet und fortentwickelt werden, was den Reformerfolg<br />
positiv beeinflusst hätte.<br />
Im Rahmen der Begleitforschung wurden Unterlagen des Aufbaustabes<br />
für den Regionalkreis Westmecklenburg ausgewertet sowie qualitativ<br />
offene Experteninterviews mit dessen Akteuren durchgeführt.<br />
Des Weiteren wurden Erkenntnisse und Erfahrungen zur Personalintegration<br />
aus abgeschlossenen Reformvorhaben anderer Bundesländer<br />
sowie aus der Steuerung von Fusions- und Reorganisationsprozessen<br />
in der Privatwirtschaft verwertet.<br />
2. Personalsteuerung bei<br />
Verwaltungsreformen<br />
2.1 Modelle der Personalsteuerung<br />
2.1.1 Klassisch<br />
Ausgangspunkt für die Steuerung des spezifischen öffentlichen Beschäftigungsverhältnisses<br />
für die Beamten bilden die sog. „hergebrachten<br />
Grundsätze des Berufsbeamtentums“. Diese orientieren sich<br />
an der tradierten Vorstellung eines Staatsdieners, der seinem jeweiligen<br />
Dienstherrn mit besonderer Loyalität und Pflichtbewusstsein<br />
gegenüber tritt und aufopferungsvoll alle ihm durch Weisung und vor<br />
allem Gesetz übertragenen Hoheitsaufgaben gewissenhaft wahrnimmt.<br />
Diese enge Bindung an den Staat wird belohnt durch eine in<br />
der Regel lebenslange Anstellung, statusgerechte Bezahlung (Laufbahn,<br />
Dienstjahre) sowie mit umfangreichen sozialen Fürsorgele<strong>ist</strong>ungen.<br />
(Reichard 2005: 229ff.) Diese Grundsätze haben enorme<br />
Ausstrahlung auch auf die Gestaltung der anderen öffentlichen Beschäftigungsverhältnisse<br />
gehabt.<br />
So konnten die Angestellten im Zeitverlauf eine vergleichbare Versorgungs-<br />
und Beschäftigungssicherheit mit Verweis auf im Wesentlichen<br />
identische Arbeitsinhalte mit dem öffentlichen Dienstherrn als Arbeitgeber<br />
aushandeln. Umgekehrt konnten die Beamten von den Arbeitnehmerrechten<br />
der Angestellten profitieren und sich von den<br />
besonderen (preußischen) Gehorsam- und Treuepflichten ein Stück weit<br />
lösen.<br />
Durch diese Doppelkonstellation <strong>ist</strong> der öffentliche Arbeitgeber bzw.<br />
Dienstherr bei seinen Steuerungsmöglichkeiten der effektiven Aufgabenerledigung<br />
bzw. Le<strong>ist</strong>ungserbringung mit der Zeit stark eingeschränkt<br />
worden. (Vgl. Ellwein 1994: 27ff., 83ff.) Die öffentlichen<br />
Beschäftigten in Deutschland konnten für sich mit Hilfe des dichten<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 29
Einflusses ihrer Interessenvertretungen einen maximalen Schutz der<br />
Arbeitsbedingungen einerseits bei maximaler Versorgungssicherheit<br />
andererseits aushandeln. Arbeitsflexibilität, le<strong>ist</strong>ungsgerechte Bezahlung<br />
und effektive Personalentwicklung im Sinne der Verwaltungsziele<br />
werden durch dieses System deutlich erschwert und<br />
begünstigen Lethargie, Apathie und Strukturkonservatismus. (Vgl.<br />
Reichard 2005, Laux/Siedentopf (Hrsg.) 1993: 338)<br />
Staats- und verwaltungstheoretisch <strong>ist</strong> die klassische Verwaltungsarbeit<br />
definiert als der Vollzug von Normen durch Entscheidungsfindung von<br />
Amtsinhabern des öffentlichen Dienstes. (Vgl. Maurer 1999: §18, Rn.<br />
8; Maurer 2002: §21, Rn. 38) Schon in theoretischer Perspektive kommt<br />
also dem Verwaltungspersonal gegenüber den übrigen Le<strong>ist</strong>ungsressourcen<br />
des Behördengefüges eine erhebliche Rolle zu. Verwaltungspraktisch<br />
gesehen <strong>ist</strong> die Bedeutung der Person des Verwalters<br />
abhängig vom Charakter des Aufgabengebietes und dessen Entwicklung.<br />
(Vgl. Seele 1985a: 151ff., Ellwein 1994: 27ff., 83ff.) Für die zunächst<br />
dominierende Hoheitsverwaltung gilt die möglichst<br />
unpersönliche und rein regelgebundene Tätigkeit als Idealtypus der<br />
Verwaltungstätigkeit. (Vgl. Ellwein 1994: 27-47, Mäding 1972: 195ff.)<br />
Diese Sichtweise änderte sich mit der Komplexität der Aufgabenstellung<br />
des modernen Le<strong>ist</strong>ungs- und Interventionsstaates. (Vgl. Korintenberg<br />
1997: 9, 49, Seele 1985a) Ohne ein hohes Maß an<br />
Einfühlungsvermögen, interdisziplinärer Qualifikation, Entscheidungsspielräume<br />
(Ermessen) und Motivation des Personals waren bzw. sind<br />
diese Arbeitsanforderungen nicht zu erfüllen. (Vgl. Laux 1993: 292f.)<br />
2.1.2 Modern<br />
Auch wenn die öffentliche Verwaltung durch ihre gesellschaftliche<br />
Funktionszuweisung ein spezifisches System ausgebildet hat, unterlag<br />
sie dem Einfluss des gesellschaftlichen Wandels allgemein und<br />
speziell den Veränderungen in der Privatwirtschaft. Die Betonung von<br />
Werten wie Eigenverantwortung, Selbstverwirklichung und Ganzheitlichkeit<br />
haben zu einem Umdenken beim Verwaltungsmanagement<br />
geführt. (Vgl. Klages 1999: 18f.) Ausprägung und Entwicklung der<br />
Personalressource und damit modernes Personalmanagement treten<br />
in den Vordergrund. (Vgl. Klages 1999, Seele 1985: 45f., Ellwein 1994,<br />
Mäding 1972: 194) Unter dem Leitbild der Dienstle<strong>ist</strong>ungsverwaltung<br />
(Neues Steuerungsmodell der KGSt) wendet sich die Verwaltung verstärkt<br />
mit modernen Steuerungsmethoden dem Personal zu. (Vgl. Bogumil<br />
2007: 23ff., Jann 2005: 77, Reichard 2005: 231ff., KGSt 1993)<br />
Im Ergebnis erweisen sich die deutschen Verwaltungen jedoch als res<strong>ist</strong>enter<br />
gegenüber der gesellschaftlichen Dynamik und den damit<br />
verbundenen (notwendigen) Modifikationen ihrer Arbeitsbedingungen.<br />
(Reichard 2005: 234f.) Zurückgeführt wird das vor allem auf die<br />
spezifische Ausprägung des öffentlichen Dienst- und Tarifrechtes, die<br />
gewachsenen Organisationskulturen und die Persönlichkeitsmerkmale<br />
der Mehrheit der Beschäftigten.<br />
Zusätzlich erschwerend für die Umsetzung von Verwaltungsreformen,<br />
modernes Personalmanagement und die Entwicklung der Personalressourcen<br />
der Kommunen und Kreise wirkte – bis vor kurzem - die<br />
zunehmende Haushalts- und Finanzkrise seit den 1990er Jahren. Das<br />
Spannungsfeld zwischen Verwaltungs- und Personalentwicklung einerseits<br />
und der geforderten Personalkostenreduktion andererseits<br />
lässt sich kaum ausbalancieren. (Vgl. Klages 1998: 51) Besonders in<br />
strukturschwachen Regionen wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern,<br />
dem Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt müssen sich<br />
die Verwaltungen auf Kostenersparnis und Haushaltskonsolidierung<br />
konzentrieren. Die zukunftsorientierte, progressive Entwicklung der<br />
Organisationen gerät dabei leider oftmals in den Hintergrund. Insgesamt<br />
haben sich die Verwaltungsreformen im Sinne des Neuen<br />
30 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Steuerungsmodells auf kommunaler Ebene daher auch in der Tendenz<br />
auf Instrumente zur Kostensenkung wie z.B. Budgetierung, Kosten-<br />
Le<strong>ist</strong>ungsrechnung und Aufgabenprivatisierung beschränkt. (Vgl. Bogumil<br />
2007: 61ff., Kuhlmann 2006: 89, Jann/Bogumil 2004: 54ff.)<br />
„<strong>Der</strong> so genannte Humanfaktor in der öffentlichen Verwaltung<br />
[spielt] nach eigenem Selbstverständnis und der gelebten Organisationskultur<br />
[deshalb] keine besondere Rolle“. (Korintenberg 1997:<br />
57) Modernes Personalmanagement und innovative Mitarbeiterbeteiligung<br />
wurden allenfalls am Rande der NSM-Reformen behandelt<br />
und dann auch nur bruchstückhaft eingeführt. (Vgl. Bogumil 2007,<br />
Kuhlmann 2006: 89ff., Reichard 2005, Jann/Bogumil 2004) Dieses<br />
nüchterne Ergebnis steht im klaren Gegensatz zu den Reformintentionen<br />
des NSM. Sollte doch gerade durch die Einführung eines modernen<br />
Personalmanagements die nötigen Rahmenbedingungen weg<br />
vom obrigkeitsstaatlichen und hin zum dienstle<strong>ist</strong>ungsorientierten<br />
(kundenorientierten) Denken und Handeln vollzogen werden.<br />
2.1.3 Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen<br />
Das öffentliche Dienstrecht als Rahmenbedingung für modernes Personalmanagement<br />
gilt schon seit den 1960er Jahren als reformbedürftig.<br />
Kernziele der Reforminitiativen sind direkt oder indirekt die<br />
Überwindung der h<strong>ist</strong>orisch bedingten Doppelstruktur und der Entkoppelung<br />
von den monarchisch-obrigkeitsstaatlichen Grundsätzen<br />
des Berufsbeamtentums. (Vgl. Rieger 2005: 236ff.) Im Zentrum stehen<br />
also die Vereinheitlichung des Dienstrechtes der beiden Beschäftigtengruppen<br />
und die Entwicklung eines zeitgemäßen Leitbildes als<br />
Basis zur umfassenden Modernisierung des öffentlichen Dienstes.<br />
Durch diese Veränderungen soll infolge von mehr Flexibilität, Mobilität,<br />
Offenheit und vor allem Le<strong>ist</strong>ungsorientierung ein effektives<br />
Personalmanagement gefördert werden.<br />
Nach fast 35 Jahren wurden in den letzten Jahren nun diese Reformintentionen<br />
wieder verstärkt aufgegriffen und das Dienstrecht entsprechend<br />
überarbeitet. Seit Ende 2005 (Bund und Kommunen) bzw.<br />
Ende 2006 (Länder) gilt ein neues Tarifrecht für die Angestellten, welches<br />
bereits mit unterschiedlicher Intensität und Erfolg in den Verwaltungen<br />
angewendet wird. Für ihre Beamten hat die<br />
Bundesregierung im Oktober 2007 den Entwurf eines Gesetzes zur<br />
Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz)<br />
verabschiedet.<br />
Infolge der Zuständigkeitsverlagerung im Zuge der Föderalismusreform<br />
im Jahre 2006 können die Länder für sich und ihre Kommunen<br />
diese neuen Statusvorgaben mit eigenen Beamtengesetzen ausfüllen.<br />
Dabei können sie den spezifischen regionalen Anforderungen gerecht<br />
werden. Allerdings wird die unterschiedliche Finanzausstattung eine<br />
nicht unwesentliche Rolle spielen (Gestaltung der Le<strong>ist</strong>ungsvergütung<br />
usw.). Nunmehr liegt es in der Hand des Personalmanagements<br />
in den Verwaltungen inwieweit es gelingt, durch intelligenten Einsatz<br />
der neuen dienstrechtlichen Instrumente und Steuerungsfreiräume<br />
die Effektivität und Effizienz des Arbeitsprozesses zu verbessern.<br />
Die Entwicklung eines strategischen Personalmanagements als integraler<br />
Bestandteil einer ganzheitlichen und wirkungsorientierten Managementkonzeption<br />
einer Verwaltung <strong>ist</strong> dabei ein wesentlicher<br />
Erfolgsfaktor. Auf übergeordneter staatlicher Ebene kann dafür nur die<br />
Voraussetzung geschaffen werden. Personalentwicklung im Sinne eines<br />
Human Ressource Managements <strong>ist</strong> somit Teil jeder Verwaltungsreform.<br />
2.2 Modifikation der Kreisebene als Reformnukleus<br />
Das politisch-admin<strong>ist</strong>rative System der Bundesrepublik <strong>ist</strong> einerseits<br />
territorial (räumlich) und andererseits sektoral (aufgabenbezogen)
gegliedert. Beim Prinzip der sektoralen Gliederung dominiert die spezialisierte<br />
Erfüllung der Einzelaufgabe im Verwaltungsraum. Das Territorialprinzip<br />
betont die raumbezogene Ganzheitlichkeit der<br />
Erfüllung eines Bündels von Einzelaufgaben. Durch staatsrechtlich<br />
festgelegte räumlich-vertikale Kompetenzabschichtung dominiert das<br />
Territorialprinzip. (Vgl. Wagener 1977: 59ff.) Ziel <strong>ist</strong> die harmonische<br />
Ausbalancierung von spezieller und allgemeiner Aufgabenerfüllung<br />
in demokratisch legitimierten Verantwortungsräumen. Damit entspricht<br />
die räumliche Machtverteilung letztendlich dem Politikprinzip<br />
des allgemeinen Mandates.<br />
Neben den Staatsebenen und der Gemeindeebene sind die Kreise als<br />
Gebietskörperschaften definiert. (Vgl. Nierhaus 2003a: 1059f., Nierhaus<br />
2003b: 174ff.) Sie sind mit generalisierten gebündelten Aufgaben<br />
ausgestattet worden. (Vgl. Wollmann 2006a: 1ff., 13ff.)<br />
Als Gemeindeverbände und untere Landesbehörden bilden sie die<br />
zentralen Schnittstellen zwischen Staat- und Ortebene in der Region.<br />
Durch ihre Bündelungs- und Mittlerfunktion gelten die Kreise als<br />
Rückgrat des politisch-admin<strong>ist</strong>rativen Systems. (Vgl. Laux 1972:<br />
93ff., Stern 1972, Schmidt-Aßmann 1996: 534ff.) Ausgelöst durch Veränderungen<br />
der sozio-ökonomischen Strukturen und des gesellschaftspolitisches<br />
Kontextes unterliegen die räumlichen und<br />
sektoralen Zuständigkeiten der Kreise einem intensiven Wandel, bei<br />
dem bisweilen die Sinnfrage nach deren Ex<strong>ist</strong>enzberechtigung gestellt<br />
wird. Die Zuständigkeit für eine Aufgabe bzw. ein Aufgabenbündel<br />
<strong>ist</strong> dabei grundsätzlich von Machtpolitik und Effektivität<br />
abhängig. (Vgl. Wagener 1977: 55ff.) Veränderungen der Raumeinteilung<br />
zielen insbesondere auf Größenklassenvorteile. (Vgl. Miller<br />
2005: LKV, 478ff., Huber/Bergmann 2003: 304ff.)<br />
Mit Ressourcenbündelung sollen Synergie- und Rationalisierungseffekte<br />
realisiert und damit die Tragfähigkeit der Organisation erhöht<br />
werden. (Vgl. Wagener 1983: 745ff.) Eine Aufgabe wird dann im<br />
Wege der Funktionalreform auf die für ihre Erledigung tragfähigste<br />
und ihrem Entstehungszusammenhang adäquateste Ebene verlagert.<br />
(Vgl. Wollmann 2006b, Köstering 58ff.) Es gilt das Subsidiaritätsprinzip.<br />
Aufgrund des Machtungleichgewichtes zwischen den Ländern<br />
und „ihren“ Kommunen kommt es im Zeitverlauf fortwährend zur<br />
Zentralisierung der Aufgaben. Ziel von Zuständigkeitsreformen <strong>ist</strong><br />
deshalb die Verlagerung von Aufgaben auf die Kommunen (Dezentralisierung).<br />
Eine vollständige Kompetenzverlagerung auf die Kommunen<br />
durch „echte“ Kommunalisierung findet nur selten statt. (Vgl.<br />
Wollmann 2006a, 2006b, 2006c) Trotz formaler Dezentralisierung behält<br />
sich das Land in unterschiedlicher Ausprägung eine finanzielle<br />
und normative Steuerung der Aufgaben vor.<br />
Gekoppelt an den Umfang der Zuständigkeitsverlagerung und die<br />
Veränderung des Kreisgebietes sind der Übergang des Personals und<br />
dessen Zusammenführung. Die Größenordnung der Verwaltungsreform<br />
und des Reformobjektes bestimmt dabei den Integrationsaufwand<br />
und das Rationalisierungspotential. Entscheidend für die<br />
Funktionalreform <strong>ist</strong> insofern, ob ganze Aufgabenbereiche oder nur<br />
Teilaufgaben sowie einzelne kleine Zuständigkeiten übertragen werden<br />
sollen. In Abhängigkeit davon werden ganze Behörden, Behördenteile,<br />
einzelne Personen oder auch keine Ressourcen verlagert. Im<br />
letzten Fall müssen die Kommunen die zusätzlichen Aufgaben mit<br />
ihrem vorhandenen Arbeitspotential bewältigen.<br />
Allgemein gilt aber immer der Grundsatz Personal folgt Aufgabe usw.<br />
Im Dezentralisierungsfokus unseres Fallbeispiels Mecklenburg-Vorpommern<br />
befindet sich aktuell die gesamte operative Landesverwaltung.<br />
Die Landesebene soll sich auf die normative Steuerung als ihr<br />
strategisches Kerngeschäft konzentrieren. In diesem Sinne sollen vor<br />
allem die unteren Landesbehörden und die Sonderbehörden in die<br />
Kreisebene soweit zweckmäßig integriert werden. Dieser Prozess <strong>ist</strong><br />
eingebettet in eine umfassende Überprüfung der Notwendigkeit von<br />
Aufgaben (Aufgabenkritik).<br />
Seit einigen Jahren haben in diesem Sinne viele Länder in West- und<br />
Ostdeutschland zahlreiche Zuständigkeiten auf die Kreisebene verlagert.<br />
<strong>Der</strong> Umfang <strong>ist</strong> dabei allerdings sehr unterschiedlich. Eine aktuelle<br />
Umfrage des Deutschen Landkre<strong>ist</strong>ages bewe<strong>ist</strong>, dass es<br />
quantitativ und qualitativ bei der autonomen Steuerung der Aufgaben<br />
noch erhebliche Spielräume gibt. (Vgl. Deutscher Landkre<strong>ist</strong>ag<br />
2006: 5ff.) Die Dezentralisierungsambitionen sind allerdings derzeit<br />
deutlich umfassender als in der Vergangenheit. Somit <strong>ist</strong> auch die<br />
Personalverschiebung umfangreicher und stellt größere Anforderungen<br />
an die Personalsteuerung.<br />
Die Spitzenposition bei der Dezentralisierung nimmt bislang Baden-<br />
Württemberg ein. Dort wurden im Jahre 2005 12.000 Landes-Bedienstete<br />
auf die Kreise verlagert. (Vgl. Ruge 2006 4) Im<br />
Untersuchungsobjekt dieser Studie (Mecklenburg-Vorpommern) sollten<br />
dagegen „nur“ 1.730 Stellen verschoben werden. (Vgl. Innenmin<strong>ist</strong>erium<br />
M-V 2003: 4ff.) In Niedersachsen wurden lediglich 185 Stellen im<br />
Zuge der Verwaltungsstrukturreform übertragen. (Bogumil 2006: 44ff.)<br />
Reformumfang und Steuerungsaufwand von Kreisfusionen sind weitestgehend<br />
abhängig von der Zahl der beteiligten Kreise, deren Struktur<br />
und Ressourcenausstattung. (Vgl. Huber/Bergmann 2003: 304ff.) Grad<br />
und Kontext der Konzentration sind also ausschlaggebend. Mit einer<br />
Halbierung der Kreiseinheiten war der Konsolidierungsaufwand für den<br />
Personalkörper bei zurückliegenden Kreisfusionen in Deutschland recht<br />
groß. (Vgl. Seele 1985: 45ff., Henneke 1994: 145ff.) Dieser Aufwand<br />
übersteigt quantitativ und qualitativ eindeutig den Dezentralisierungsaufwand.<br />
Im Untersuchungsobjekt Mecklenburg-Vorpommern war geplant,<br />
von der Fusion 4.617 Stellen in der Kernverwaltung der Kreise<br />
zu erfassen. (Vgl. Innenmin<strong>ist</strong>erium M-V 2003: A 5-4) Da die betroffenen<br />
Kreise einen vergleichbaren Aufgabenumfang haben sollten, (Deutscher<br />
Landkre<strong>ist</strong>ag 2006: 4ff.) wäre es in Abhängigkeit vom Arbeitsaufwand<br />
sowie den Verdichtungs- und Spezialisierungseffekten zu erheblichen<br />
Personalüberhängen gekommen. (Vgl. Reinholdt 1994: 157f.)<br />
Die Ausdehnung der Kreise auf Regionsniveau hätte gegenüber kleinteiligeren<br />
Reformmodellen demnach zum größten Fusionsaufwand<br />
vor Ort geführt. Dabei müssen natürlich Folgeaufwendungen für notwendige<br />
Kooperationen eingerechnet werden.<br />
3. Fazit<br />
Zu den Rahmenbedingungen des Reformprozess der Kreisgebietsund<br />
Funktionalreform in Mecklenburg-Vorpommern sowie zur Steuerung<br />
des Fusionsprozesses zwischen Mai 2006 (Annahme des Gesetzes)<br />
und Juni 2007 (Urteil des Landesverfassungsgerichtes) können<br />
zusammenfassend folgende Aussagen getroffen werden:<br />
1<br />
<strong>Der</strong> 2006 in Gang gesetzte (und ursprünglich bis 2009 terminierte)<br />
Prozess zur Bildung von Regionalkreisen eröffnete große<br />
Chancen zur Optimierung des Ressourcengefüges (besonders<br />
bezüglich der Organisation und des Personals). Durch die geplante<br />
Behördenneubildung im Rahmen einer komplexen Fusion<br />
waren Strukturen und Prozesse tief greifender veränderbar als<br />
durch isolierte Einzelmaßnahmen und binnenstrukturelle Reformen.<br />
Bei der Neubildung der Regionalkreisbehörden hätten<br />
möglicherweise Vorteile von Systemmerkmalen der Ausgangsbehörden<br />
miteinander verbunden und Nachteile ausgeglichen<br />
bzw. beseitigt werden können. So bestand die h<strong>ist</strong>orische<br />
Chance für Mecklenburg-Vorpommern, suboptimale Entwicklungspfade<br />
beim Le<strong>ist</strong>ungs- und Steuerungspotential zu verlassen.<br />
Diese wurde letztlich nicht genutzt.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 31
2<br />
3<br />
4<br />
<strong>Der</strong> Reformprozess auf der Kreisebene kam jedoch von Anfang<br />
an wegen der Unsicherheit der Beteiligten über die Verfassungsmäßigkeit<br />
der Reform nicht wie geplant voran. Gleichwohl waren<br />
die Kreise (und die bereits gebildeten Aufbaustäbe der neuen Regionalkreise)<br />
verpflichtet, unabhängig vom Ausgang der Klagen<br />
vor dem Verfassungsgericht gegen diese Reform, das entsprechende<br />
Reformgesetz umzusetzen. Die me<strong>ist</strong>en Kreise verhielten<br />
sich allerdings dem entsprechend abwartend. Gründung und innere<br />
Organisation der Mehrzahl der Aufbaustäbe verzögerte sich<br />
deshalb erheblich. Die Planungsarbeiten zur Vorbereitung der Reformumsetzung<br />
gingen nur sehr schleppend voran und wurden<br />
durch die Beteiligten vorsätzlich ausgebremst. Erst nach Ermahnungen<br />
durch das Innenmin<strong>ist</strong>erium als Rechtsaufsichtsbehörde<br />
nahmen schließlich alle Aufbaustäbe ihre Arbeit auf.<br />
Eine Ausnahme bildete lediglich der in dieser Studie untersuchte<br />
Aufbaustab des geplanten Regionalkreises Westmecklenburg,<br />
der die Reform zielstrebig vorantrieb. Aber auch dieser Aufbaustab<br />
konnte – angesichts der oben genannten Umstände – nur<br />
in begrenzten Umfang strategische Entscheidungen zur Steuerung<br />
der Fusion treffen. Es gelang ihm allerdings in der kurzen<br />
zur Verfügung stehenden Zeit, eine effektive Rahmenstruktur für<br />
die Steuerung des weiteren Fusions- und Integrationsprozesses<br />
zur Bildung des Regionalkreises zu schaffen. Defizite gab es<br />
dabei vor allem bezüglich der Kommunikation des Reformprozesses<br />
sowie bei der internen Reflektion von Vorschlägen. Als<br />
problematisch erwies sich auch die festgelegte Einstimmigkeit<br />
der Entscheidungen in den Gremien des Aufbaustabes, eine qualifizierte<br />
Mehrheit wäre für die me<strong>ist</strong>en Fusionsthemen effektiver<br />
gewesen. Unzweckmäßig wirkte sich schließlich die mangelhafte<br />
Beteiligung des Landes an der Fusionssteuerung mit Blick<br />
auf den Integrationsbedarf infolge der Kommunalisierung aus.<br />
Wegen der Unvereinbarkeit der Vorschriften über die Kreisgebietsreform<br />
mit der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern<br />
erklärte das Landesverfassungsgericht am 26.07.2007<br />
die Kreisgebietsreform und einen Großteil der Funktionalreform<br />
für verfassungswidrig. Entscheidend waren der mangelhafte Alternativenvergleich<br />
und zu befürchtende Defizite bei der bürgerschaftlich-demokratische<br />
Steuerung der „Großkreise“. Anerkannt<br />
wurde gleichwohl die Notwendigkeit der Reform. Auch wurde<br />
das Regionalkreismodell nicht grundsätzlich abgelehnt. Gefordert<br />
wurde aber die Entwicklung eines Reformleitbildes und eine darauf<br />
basierende fundierte Prüfung und Abwägung der Vor- und<br />
Nachteile alternativer Reformmodelle. Eine „schonendere“ Neugliederung<br />
und die differenziertere Auseinandersetzung mit der<br />
Demokratiedimension wurden angeraten. Damit war dieser Anlauf<br />
zu einer Funktions- und Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern<br />
beendet. Das Urteil wird Auswirkungen auf künftige<br />
Reformen dieser Art in anderen Ländern haben.<br />
Zu den personalpolitischen Erfahrungen des Aufbaustabes des geplanten<br />
Regionalkreises Westmecklenburg in der Zeit von Juni 2006<br />
bis September 2007 können folgende zusammenfassende Thesen<br />
aufgestellt werden:<br />
1<br />
Die Studie wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Aufbaustab<br />
zur Bildung des Regionalkreises Westmecklenburg erstellt. Dieser<br />
schuf ab Juni 2006 zunächst grundsätzliche Rahmenbedingungen<br />
für die Steuerung des Umsetzungsprozesses und beschränkte sich<br />
auf die Erarbeitung von Konzepten zu Schwerpunktthemen. Aus-<br />
32 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
differenzierte Umsetzungsstrategien sollten ab der zweiten Hälfte<br />
des Jahres 2007 entwickelt werden, wozu es wegen des Urteils<br />
des Landesverfassungsgerichtes aber nicht mehr kam.<br />
Die bereits festgelegte personelle Dimension der geplanten<br />
Kreisreform in Mecklenburg-Vorpommern sollte 6.347 Stellen<br />
umfassen, davon sollten 1.730 Stellen vom Land auf die neuen<br />
Kreise übertragen werden sowie 4.617 Stellen in der Kernverwaltung<br />
der Kreise betroffen sein. Da die betroffenen Kreise<br />
einen vergleichbaren Aufgabenumfang haben sollten, wäre es<br />
in Abhängigkeit vom Arbeitsaufwand sowie den Verdichtungsund<br />
Spezialisierungseffekten zu erheblichen Personalüberhängen<br />
gekommen. Die Ausdehnung der Kreise auf Regionsniveau<br />
hätte gegenüber kleinteiligeren Reformmodellen zu einem größeren<br />
Fusionsaufwand vor Ort geführt.<br />
Auffällig waren die unterschiedlichen Regelungen für die von<br />
der Kreisfusion betroffenen Landes- bzw. Kreisbediensteten.<br />
Durch das Reformgesetz, das Überleitungsgesetz und eine spezielle<br />
Zielvereinbarung waren die Eckpunkte für die Integration<br />
des Landespersonals weitgehend abgesteckt. Die Finanzierung<br />
der Personalkosten für die ehemaligen Landesaufgaben war gesichert.<br />
Für die Landesbeschäftigten gab es gegenüber den Beschäftigten<br />
der Ausgangskreise (zunächst) einen höheren<br />
Bestandsschutz für das Arbeitsverhältnis. Allerdings hätten sich<br />
Angestellte intensiver als die Beamte um die Gestaltung ihres<br />
künftigen Arbeitsverhältnisses bemühen müssen. Für die Überleitungsteile<br />
von Landesbehörden war also nur noch deren organisatorische<br />
Einbindung in die neuen Kreise unklar. Für die<br />
Personalintegration der Kreisbeschäftigten hingegen wurden mit<br />
Ausnahme des mittelfr<strong>ist</strong>igen Kündigungsschutzes kaum konkrete<br />
Vorgaben gemacht. <strong>Der</strong> Aufbaustab konnte hier auf Basis<br />
der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur Umbildung von<br />
Körperschaften (Behörden) bzw. zum Betriebsübergang eigene<br />
Steuerungsmechanismen entwickeln.<br />
Die Projektgruppe Personal und Organisation des Aufbaustabes<br />
des geplanten Regionalkreises Westmecklenburg hatte bereits<br />
einen Vorschlag zur Grobstruktur des Behördenaufbaus erarbeitet.<br />
Mit der geplanten Behördenneubildung wollten die beteiligten<br />
Körperschaften den erfolgreichen Entwicklungspfad des<br />
Altkreises Ludwigslust in der Region fortsetzen und eine einheitliche<br />
moderne Kreisbehörde schaffen. Die Projektgruppe<br />
hatte folgende weitere Planungsschritte vorbereitet: Erarbeitung<br />
eines gemeinsamen Konzeptes zur Personalentwicklung, Vorbereitung<br />
der Einführung des Neuen Steuerungsmodells, Durchführung<br />
der Personalauswahl zur Stellenbesetzung der<br />
Führungskräfte, Verdichtung der Kooperation bei Beteiligungen,<br />
Eigenbetriebe usw., abgestimmte Verfahrensweise zur Besetzung<br />
von freien Stellen bis 2009 und abgestimmte Einführung<br />
der Le<strong>ist</strong>ungsvergütung nach TVöD. Die Vorlage eines gemeinsamen<br />
Konzeptes zur Personalentwicklung durch die Projektgruppe<br />
war für 2008 geplant. Dazu <strong>ist</strong> es nicht mehr gekommen.<br />
Das Rationalisierungsziel im Personalbereich sollte im Mecklenburg-Vorpommern<br />
durch die Kreise im Rahmen der Organisations-<br />
und Personalsteuerung vorgegeben werden. Auch auf<br />
Ebene der beteiligten Ausgangsbehörden war keine Rationalisierungsvorgabe<br />
vereinbart worden. Insofern dominierte im Aufbaustab<br />
des Kreises Westmecklenburg eindeutig die
6<br />
aufgabenorientierte Bedarfs- und Entwicklungsplanung. Einspareffekte<br />
waren nur ein Randthema. Die Effektivität der Aufgabenerledigung<br />
der Regionalkreisbehörde und damit ihrer<br />
Personalsteuerung stand im Zentrum der Bemühungen im Fusions-<br />
und Integrationsprozess.<br />
Die künftige Steuerung des Personalüberhanges wurde im Aufbaustab<br />
des künftigen Regionalkreises Westmecklenburg bis zu<br />
dessen Auflösung nur allgemein diskutiert. Die Projektgruppe<br />
Organisation und Personal des Aufbaustabes hat sich dabei mit<br />
den Anwendungsmöglichkeiten der klassischen Altersteilzeit beschäftigt.<br />
Favorisiert wurde die Altersteilzeit im Blockmodell.<br />
Eine differenzierte passive oder aktivierende Steuerungsstrategie<br />
konnte nicht mehr ausgearbeitet werden. Entsprechende<br />
Auswirkungen hätten also hingenommen werden müssen. Spätestens<br />
nach der Wirksamkeit der Kreisneubildung und dem Ablauf<br />
der 3-jährigen Kündigungsfr<strong>ist</strong> wäre eine Überhangkonzeption<br />
dringend notwendig geworden.<br />
Bezüglich der Mitarbeiterbeteiligung an der Tätigkeit des Aufbaustabes<br />
des geplanten Regionalkreises Westmecklenburg können abschließend<br />
folgende Thesen aufgestellt werden:<br />
7<br />
8<br />
9<br />
Die Beteiligungsintensität in diesem Aufbaustab war vorbildlich.<br />
Unter dessen Leitung wurde eine differenzierte Projektorganisation<br />
geschaffen. Die Tätigkeit in den Querschnittsfunktionen<br />
war schon weit fortgeschritten. Die Arbeit in den Fachgruppen<br />
sollte demnächst starten. In der Projektgruppe Organisation und<br />
Personal waren schon viele Grundsatzentscheidungen getroffen<br />
und Steuerungskonzepte erarbeitet worden. Mitglieder der Personalvertretung<br />
waren an diesem Prozess angemessen beteiligt.<br />
Als Defizit zeigte sich allerdings, dass in den Ausgangsbehörden<br />
keine reformbezogenen Projektgruppen zur Unterstützung der<br />
Delegierten beim Aufbaugremium installiert worden waren. Die<br />
Beteiligungsintensität hätte also im weiteren Verlauf des Fusionsprozesses<br />
gesteigert werden müssen.<br />
Die Information und Kommunikation der von der Fusion betroffenen<br />
Mitarbeiter war allerdings noch gering entwickelt. Diese<br />
beschränkte sich zu sehr auf einen kleinen Kreis der strategischkonzeptionell<br />
Beteiligten beim zentralen Aufbaugremium und<br />
dessen Projektgruppen. Die Informationsmöglichkeiten der betroffenen<br />
Mitarbeiter hingegen beschränkten sich im Wesentlichen<br />
auf eine knappe Reformdokumentation auf der<br />
Internetplattform des Ausgangskreises Ludwigslust, bei den anderen<br />
Ausgangskreisen erfolgte überhaupt keine Information.<br />
Um ein umfassendes Bild über den Reformverlauf zu bekommen,<br />
hätten sie die verstreuten Informationen im Internet und in den<br />
Zeitungen recherchieren müssen. Die Entscheidungsbildung der<br />
Steuerungsgremien konnten sie überhaupt nicht verfolgen.<br />
Unter diesen Umständen bestand die Gefahr, dass Missverständnisse<br />
und unnötige Ängste Widerstände gegen die Fusion verstärken<br />
bzw. erzeugen hätten können. Eine positive<br />
Beeinflussung der Meinungsbildung zur Aktivierung der Mitarbeiter<br />
wurde im Aufbaustab nicht in Erwägung gezogen.<br />
Auch bei der Kommunikation sah es ähnlich defizitär aus. In den<br />
Ausgangskreisen wurden keine fusionsbezogenen Gruppenoder<br />
Einzeldialoge geführt. Die Mitarbeiter konnten ihre Interessen,<br />
Vorschläge und Befürchtungen nicht offiziell zur Diskus-<br />
sion stellen und in die Reformsteuerung einbringen. <strong>Der</strong> Diskussionsbedarf<br />
verschob sich also auf die informelle Ebene. Zustimmung,<br />
Unterstützung und Engagement konnte so nicht gefördert<br />
werden. Es drohte Abwehr- und Blockadehaltung. Die Umsetzung<br />
zukünftiger Vorhaben wurde damit erschwert.<br />
10 Mit der zentralen Projektorganisation zur Reformsteuerung<br />
wurde ein funktionierender Steuerungskern geschaffen. Ausgehend<br />
von diesem Gremium hätte die Beteiligung am Fusionsprozess<br />
aber noch stärker auf die Ausgangsbehörden ausgedehnt<br />
werden müssen. Anderenfalls hätten die Entscheidungen<br />
einen zentral<strong>ist</strong>ischen und intransparenten Anschein gehabt.<br />
Die D<strong>ist</strong>anz zu den Bedürfnissen der Mitarbeiter wäre zu groß<br />
gewesen.<br />
11 Wahrscheinlich wäre es aber spätestens nach einer Bestätigung<br />
der Verfassungskonformität der Reform zu einer massiven Ausweitung<br />
der Fusions- und Integrationsaktivitäten gekommen.<br />
Die Informations-, Kommunikations- und Kooperationspolitik in<br />
den Ausgangsbehörden wäre zumindest auf mittlerem Niveau<br />
stark ausgebaut worden. Denn ohne aktive Unterstützung breiter<br />
Mitarbeiterschichten <strong>ist</strong> eine komplexe Fusion nicht durchführbar.<br />
Ein Steuerungskernteam <strong>ist</strong> dafür nicht ausreichend. Die<br />
Beschränkung der diesbezüglichen Aktivitäten des Aufbaustabes<br />
in dem hier untersuchten Zeitraum <strong>ist</strong> allerdings mit Blick auf<br />
den Schwebezustand der Reform und die Gefahr der Hinfälligkeit<br />
von Ergebnissen verständlich.<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 33<br />
®
Gemeinwesensorientierte<br />
Polizeiarbeit und<br />
Organisationsentwicklung<br />
Chr<strong>ist</strong>ian Barthel<br />
Einleitung<br />
Kommunale Kriminalprävention steht für den Paradigmenwechsel<br />
polizeilichen Handelns in der Risikogesellschaft – für den Wandel vom<br />
„crime fighting“ zum „peace keeping“ (Kreissl 2004) in einer traditionelle<br />
Formen sozialer Kontrolle zunehmend verbrauchenden Gesellschaft.<br />
Ihre Funktion <strong>ist</strong> die Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />
Ordnung, Konfliktschlichtung und Problemlösung, insbesondere<br />
dann, wenn andere staatliche Organisationen sich nicht zuständig<br />
fühlen (Feltes 2001). „Peace keeping“ heißt zugleich policing by comminucation<br />
(gleichermaßen mit den Zielgruppen als auch den vielfältigen<br />
Netzwerkpartnern polizeilichen Handelns) und policing by<br />
knowledge working. Die Polizei wird in der spätmodernen Unsicherheitsgesellschaft<br />
zu einer wichtigen gesellschaftlichen Diagnoseinstanz,<br />
die Analysen der Sicherheitslage erzeugen und wirkungsvoll<br />
kommunizieren kann. Kaum eine andere Institution verfügt über die<br />
Expertise und professionelle Legitimation, die neuen Formen der alltäglichen<br />
Verunsicherung zu thematisieren. Systematische Wissensarbeit,<br />
die kontinuierliche Beobachtung des Gemeindelebens und die<br />
Identifikation der regionalspezifischen Problemschwerpunkte sind<br />
damit entscheidende Voraussetzungen für ein e zielorientierte Polizeiarbeit.<br />
Organisationsinternes Wissensmanagement, das die alltäglichen Beobachtungen<br />
und Wahrnehmungen der Streifenpoliz<strong>ist</strong>en und Kontaktbereichsbeamten<br />
aufgreift, auswertet und umsetzt, gewinnt hier<br />
an Bedeutung. Die Grundthese dieses Beitrages lautet demnach: Gemeinwesensorientierte<br />
Polizeiarbeit braucht eine durchlässige Kommunikations-<br />
und Organisationskultur, die das Dienstwissen der<br />
Praktiker systematisch nutzt. Sofern dieses Dienstwissen in den Führungs-<br />
und Managementprozess Eingang findet, kann ihm die Funktion<br />
eines kontinuierlichen Pulsfühlens der regionalen Sicherheitslage<br />
zukommen.<br />
Allerdings <strong>ist</strong> dieses Dienstwissen (Lenk/Wengelowski 2002)für die<br />
Organisation, das Management und die Führungskräfte insbesondere<br />
des höheren Dienstes nicht unmittelbar zugänglich. Es <strong>ist</strong> eingebettet<br />
in die Normen, Werte und Regeln der Berufskultur vor Ort. Entsprechend<br />
dieser organisationskulturellen Rahmungen kursiert dieses alltägliche<br />
Praxis- und Beobachtungswissen in den eigentümlichen<br />
Erzähl- und Darstellungsformen, die in den Dienstgruppen, Kommissariaten<br />
und den Organisationseinheiten der Kontaktbereichsbeamten<br />
eingeübt und legitimiert sind. Dieses Wissen wird nach den<br />
dramaturgischen Regeln der jeweiligen Berufs- bzw. Bereichskultur<br />
formatiert; es wird zur erzählbaren (witzigen, folklor<strong>ist</strong>ischen, lehrreichen,<br />
heldenhaften, moralischen usw.) Geschichte stilisiert, die<br />
zwar die Deutungs- und Handlungsmuster der Praktiker bestätigt,<br />
aber kaum der professionellen Reflexion oder einer zielorientierten<br />
34 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Verwertung seitens der Dienststelle dient.<br />
Das Wissen der Praktiker lässt sich nicht einfach einsammeln, verdichten,<br />
speichern und in die Zielsystematik der Organisation einspeichern.<br />
Auch wenn die Polizei sich längst der Begrifflichkeit des<br />
Wissensmanagements bedient, hat man eher die formalen und gut<br />
zugänglichen Wissensbestände im Auge, die sich ohne Widerstand<br />
und Friktion in Datenbanken hinterlegen lassen. Das Domänenwissen<br />
der Praktiker vor Ort entzieht sich diesem technischen Prozess der<br />
Wissensabschöpfung. Es dient eher als mikropolitische Ressource in<br />
der Auseinandersetzung mit der Hierarchie und anderen Dienstzweigen.<br />
Aber das bedeutet nicht per se, dass jeder Versuch dieses Wissen zu<br />
mobilisieren zum Scheitern verurteilt <strong>ist</strong>. Es bedarf hier einer Organisationsentwicklungsstrategie,<br />
die die prinzipielle Eigenlogik des Professionswissens<br />
und seine typischen Kommunikationsweisen ernst<br />
nimmt. Praktisch heißt dies: <strong>Der</strong> potentielle Widerspruch und das<br />
Konfliktpotential zwischen Organisation und Management einerseits<br />
und Berufs- und Domänenwissen andererseits muss Gegenstand<br />
einer solchen Entwicklungsstrategie sein.<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
In diesem Sinne wird im ersten Kapitel das Konzept der „Prozessorganisation“<br />
dargestellt – eine Führungs- und Managementphilosophie,<br />
die eine durchlässige Kommunikations- und<br />
Organisationskultur der polizeilichen Dienststellen ermöglicht.<br />
Im zweiten Kapitel wird der zu bearbeitende Widerspruch zwischen<br />
Organisation und Berufskultur, zwischen Managementwissen<br />
und Domänenwissen der Praxis detaillierter dargelegt.<br />
Im dritten Kapitel werden die Grundzüge eines Wissensmanagementansatzes<br />
– das „narrative Wissensmanagement“ – skizziert.<br />
Im vierten Kapitel wird eine praktikable Methode als ein Beispiel<br />
für das narrative Wissensmanagement vorgestellt.<br />
Im fünften Kapitel soll schließlich verdeutlicht werden, welche<br />
Funktionen den polizeilichen Führungskräften in einem Organisationsentwicklungsprozess<br />
zukommen.<br />
Prozessorganisation für eine<br />
durchlässige Kommunikations- und<br />
Organisationskultur<br />
Polizeiliche Behörden und Dienststellen sind (wie andere Bereiche<br />
der Verwaltungen auch) durch eine starke Stigmatisierung gekenn-
zeichnet. Die unterschiedlichen Ebenen der Hierarchie sind in der Alltagsorganisation<br />
durch vielfältige Macht-, Status und Prestige - inzenierungen<br />
geprägt. In horizontaler Hinsicht stellen die<br />
unterschiedlichen Sparten polizeilichen Handelns ein Feld konkurrierender,<br />
um professionelle Anerkennung ringender Positionen dar. In<br />
sozialwissenschaftlichen Organisationsanalysen spricht man von<br />
einem polizeitypischen vertikalen und horizontalen Misstrauen (vgl.<br />
Mensching 2004). Die unterschiedlichen Handlungsfelder stehen im<br />
Widerstreit miteinander, sie grenzen sich durch bereichs- und domänentypische<br />
Manöver, in der Regel nach dem Muster „Wir – die da“,<br />
ab.<br />
Gleichwohl wird man der Organisation der Polizei nicht gerecht,<br />
wenn man hier nur grundsätzliche Irrationalität und verwaltungstypische<br />
Pathologien diagnostiziert. Die Spezifität der polizeilichen Aufgaben,<br />
die darauf aufbauende funktionale Arbeitsteilung und<br />
Organisationsgliederung, sind die Hauptursachen für dieses Misstrauen;<br />
in dem Maße wie sich jede Polizeisparte auf ihre besondere<br />
Aufgabe konzentriert, bildet sie eine lokale Rationalität, das heißt typische<br />
Denk- und Handlungsmuster, eigensinnige Werte und Normen<br />
aus (vgl. Strasser 2004). Relevante Wirklichkeit <strong>ist</strong> demnach die jeweils<br />
eigene, partikuläre Rationalitätskonstruktion, angesichts derer<br />
die andren Bereichsrationalitäten als irrelevant erscheinen. In diese<br />
lokalen Rationalitätsmuster werden Interessen eingeflochten; die Bereiche<br />
versuchen „ihre Kompetenzen und Ressourcen zu vermehren<br />
und andere Untereinheiten darin zu hindern, dasselbe zu tun. Das<br />
verstärkt ihre Identität weiter. Ihre Denken verfestigt sich: es entstehen<br />
geschlossene Denkgebäude, in die andere Auffassungen nicht<br />
eindringen dürfen“ (Schnelle 2006, 16). Es handelt sich hier um eine<br />
notwendige Organisationsdifferenzierung, die es der Polizei ermöglicht<br />
ganz unterschiedliche und hochkomplexe Aufgaben zu realisieren<br />
– es sinnvoller Mechanismus also, der das Blickfeld der<br />
Organisation im Sinne der Arbeitsteilung und der hier notwendigen<br />
Handlungs- und Deutungslogiken fokussiert.<br />
Von Bürokratie im prejorativen, pathologischen Sinne lässt sich erst<br />
sprechen, wenn die aufgabentypischen Identitätsinzenierungen und<br />
Abgrenzungen, die latenten Konflikte der Organisationsbereiche nicht<br />
mehr produktiv bearbeitet werden können. Konflikte selbst sind „normal“<br />
bzw. eine notwendige Erscheinungsform der organisatorischen<br />
Koordinations- und Integrationsaufgabe. Problematisch sind die sekundären<br />
Struktureffekte, die sich aufgrund von Konfliktmeidung,<br />
mangelhafter Konfliktaustragung,<br />
mithin einer Führungs- und Managementkultur ergeben,<br />
die die unvermeidlichen Spannungsfelder in der<br />
Polizeiorganisation nicht zur Kenntnis nimmt bzw.<br />
glaubt, sie durch autoritäre oder technokratische Anordnungen<br />
zu beseitigen. Erst unter diesen Bedingungen<br />
ziehen sich die Mitarbeiter der einzelnen Bereiche<br />
ganz auf den Nahbereich der eigenen Berufsgruppe<br />
zurück, bewerten die Organisation der Polizei insgesamt<br />
als fremdes, uninteressantes, mitunter feindliches<br />
Terrain. Erst jetzt lässt sich von einer starren,<br />
unflexiblen bürokratischen und entwicklungsres<strong>ist</strong>enten<br />
(Misstrauens-) Organisation sprechen.<br />
Das Konzept der „Prozessorganisation“ wurde im Bereich<br />
der Organisationsentwicklung 1 als Gegenentwurf<br />
und Therapie gegen die erstarrte, entwicklungsres<strong>ist</strong>ente,<br />
mithin bürokratische Organisation entwickelt<br />
(Glasl/Hasper 1988). Setzt man sich mit diesem<br />
Ansatz vor dem Hintergrund der Organisationswirklichkeit<br />
in der Polizei auseinander, mag der „Praktiker“<br />
leicht abwinken; zu harmonisch und friedfertig klingen<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 35
ihm die Therapievorschläge zur Bearbeitung verkrusteter Strukturen<br />
und abgebrochener Kommunikationsprozesse. Zu Unrecht - denn<br />
tatsächlich wird hier nicht einer naiven, pazifisierten Organisationsidylle<br />
das Wort geredet, sondern im Gegenteil die grundsätzliche<br />
Spannung zwischen den unterschiedlichen Bereichen und Hierarchieebenen<br />
als strukturelle Tatsache herausgearbeitet.<br />
Ziel <strong>ist</strong> es nach Glasl und Hasper (ebd. 52): „Die Starrheit, die überall<br />
spürbar <strong>ist</strong>, muss aufgebrochen werden; der Mensch soll in seiner Arbeit<br />
wieder zur Geltung kommen und seine tiefere Motivation wieder<br />
finden; die Organisation als Ganzes muss wieder besser auf die Wünsche<br />
der Kunden eingehen. Da liegt der Kern“<br />
Nicht gemeint sind damit unspezifische Beteiligungs- und Partizipations-Rundumschläge:<br />
Mehr Information, bessere Zusammenarbeit<br />
von der Führungsspitze bis zum letzten Mitarbeiter, Mitbestimmung<br />
in allen Bereichen und Themenfeldern – das <strong>ist</strong> die Lyrik einer naiven<br />
Reformpolitik, die mit ihrer gut gemeinten Basisorientierung im Gestrüpp<br />
überkomplexer Veränderungsprozesse hängen bleibt.<br />
Nicht gemeint <strong>ist</strong> der Import neuer Managementinstrumente und -<br />
methoden, das konzeptverliebte Plädoyer für neue Formate der Aufbau-<br />
und Ablauforganisation. Im Gegenteil- die Organisationsentwickler<br />
gehen davon aus, dass die Organisationsstrukturen und<br />
Hierarchieebenen bestehen bleiben und wachsen sollen. „Die Prozeduren<br />
und Strukturen gilt es zu bewahren. Das gute Funktionieren unterliegt<br />
jedoch einer Bedingung: Sie dürfen nicht isolierend wirken,<br />
sondern sollen Beziehungen zueinander herstellen… Das bedeutet,<br />
dass die einzelnen Funktionsträger und Abteilungen lernen müssen,<br />
sich gegenseitig anzuhören, sich selber kritisch zu beleuchten und nötigenfalls<br />
das eigene Verhalten anzupassen. Und das gilt nicht nur für<br />
die Teile, sondern für die ganze Organisation (Glasl/Hasper 1988, 53).“<br />
Prozessorganisation zielt nicht auf den Rückbau der Hierarchie und<br />
die Zurücknahme von Führung – im Gegenteil: Es geht um die Wiedereinführung<br />
von Führung, Organisation und Management in eine<br />
Alltagsorganisation, die durch vermachtete Kommunikation, abgebrochene<br />
Informationswege und Statusinzenierungen gekennzeichnet<br />
<strong>ist</strong>. Führung und Organisation sollen ihrer funktionalen<br />
Bestimmung gemäß arbeiten können. Hierarchie wird erst dann zum<br />
Problem, wenn sie als Unterordnungssystem wirkt und Problemdiagnosen<br />
und das Finden kreativer Lösung behindert.<br />
Gemäß dieser funktionalen Sicht ins<strong>ist</strong>iert der Ansatz der Prozessorganisation<br />
darauf, dass die operative Ebene / „unten“ nicht weniger<br />
wichtig <strong>ist</strong> als die Leitung- und Managementebene / „oben“. Tatsächlich<br />
„sehen“ die unterschiedlichen Funktionsebenen anders und Anders<br />
und es kommt im Sinne einer strategischen Ausrichtung darauf<br />
an, diese unterschiedlichen Perspektiven – bei all ihren Differenzen –<br />
zu integrieren. Dieses Organisationsverständnis steht im diametralen<br />
Gegensatz zum klassischen Organisationskonzept in der Verwaltung<br />
und der Polizei. „Oben“ <strong>ist</strong> hier gleichbedeutend mit genereller Übersicht,<br />
bestem Durchblick, vernünftigster Entscheidungslogik und nachhaltigster<br />
Umsetzungsmacht; dementsprechend <strong>ist</strong> „unten“ nichts<br />
anderes als die funktionale Aufgliederung dieses zentralen Gestaltungs-<br />
und Steuerungswillen in einzelne Aufgabenbereiche.<br />
Das Konzept der Prozessorganisation behauptet demgegenüber drei<br />
gleichwertige, wenn auch in ihrem Wissen und Können unterschiedlich<br />
weit reichende (Führungs-)Ebenen:<br />
•<br />
•<br />
Makrosystem/konstituierende Führung – die Organisation als<br />
Ganzes: Gesamtausrichtung der Organisation, Leitbilder, Vision,<br />
grundlegende Unternehmens- bzw. Organisationspolitik, langfr<strong>ist</strong>ige<br />
Ziele.<br />
Mikrosystem/dirigierende Führung – das Individuum, die Gruppe,<br />
36 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
•<br />
Dienstgruppen, Basisorganisationseinheiten: konkrete Handlungsebene,<br />
operative Führung.<br />
Mesosystem/organisierende Führung – Zwischenstellen, Zusammenfassung<br />
von Mikroeinheiten: Entwicklung der Führung und<br />
Organisation, strategische Schwerpunktsetzung, interne Kommunikation,<br />
Ressourcenverteilung.<br />
Diese drei Ebenen – Mikro, Meso und Makro – sind also nicht pyramidal,<br />
im Sinne einer Gewichtung oder Werthierarchie übereinander<br />
geschichtet. Es handelt sich um unterschiedliche Ausschnitte der Organisationswirklichkeit<br />
mit ihren jeweiligen Aufgaben, aufgabenspezifischen<br />
Methodenrepertoire sowie typischen Wissens- und<br />
Praxisformen. Die Aufgabe der Organisationsentwicklung besteht<br />
darin, diese drei Ebenen in einen andauernden offenen Dialog- und<br />
Kommunikationsprozess zu überführen. Organisations- entwicklung<br />
hat demnach eine Art Dolmetscherfunktion: Sie schafft Anschlüsse<br />
und Verständigungsprozesse zwischen Sphären und Teilsystemen der<br />
Organisation, die naturgemäß in einer gewissen Spannung zueinander<br />
stehen, und die kontinuierlich bearbeitet werden müssen, damit<br />
sie sich nicht gegeneinander abschotten. Das Ergebnis <strong>ist</strong> schließlich<br />
die „Prozessorganisation“ – eine hierarchisch gegliederte Organisation,<br />
in der aber eine ausgesprochene Achtung gegenüber der Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit<br />
und Professionalität an der Basis/dem Mikrosystem<br />
besteht (s.a. Weick/Sutcliff 2003), so wie umgekehrt die Mitarbeiter<br />
Respekt vor der funktionalen Le<strong>ist</strong>ung der unterschiedlichen Führungsebenen<br />
haben.<br />
Dieses Modell der Prozessorganisation <strong>ist</strong> insbesondere aus zwei<br />
Gründen interessant für die Polizei:<br />
1<br />
2<br />
Die sogenannte Mikroebene (Dienstgruppen, Kriminalkommissariate,<br />
Kontaktbereichsbeamte) wird in ihrer eigenständigen<br />
Handlungslogik ernst genommen – als professionelles Handlungssystem<br />
mit eigener Sprache, Symbolik, Wissenssystematik<br />
und Kommunikationsform. Um es an die anderen Bereiche, die<br />
Meso- und die Makroebene heranzuführen, bedarf es besonderer<br />
Übersetzungsprozesse und Verständigungsformen; die Zugänglichkeit<br />
durch Führungskräfte und Management <strong>ist</strong> nicht<br />
schon automatisch durch hierarchische Unterstellung und Abordnung<br />
gegeben, sondern muss (auch gegen Widerstände und<br />
Misstrauen) entwickelt werden. Dies kann nur gelingen, wenn<br />
die bereichskulturty-pischen Denk-, Wissens- und Kommunikationsformen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Auf der Mesoebene sind die Führungskräfte der mittleren Ebene<br />
zu verorten, der höhere Dienst mit Leitungsverantwortung in Polizeiinspektionen,<br />
größeren Revieren oder Polizeikommissariaten.<br />
Im Rahmen der Prozessorganisation kommt diesen Führungskräften<br />
dezidiert die Aufgabe der Organisationsentwicklung zu; sie<br />
sind dafür verantwortlich, dass die vertikale Anschlussfähigkeit<br />
zwischen operativer Ebene und Dienststellenführung bzw. –management<br />
hergestellt wird, und dass die unterschiedlichen Sparten<br />
der Polizei auf horizontaler Ebene in einem produktiven<br />
Kooperationsverhältnis miteinander arbeiten. Führung im Sinne<br />
der Prozessorganisation bedeutet hier nicht nur die Identifikation<br />
polizeilicher Schwerpunkte, Ziel- und Strategieentwicklung nebst<br />
einem diesbezüglichen Controlling, sondern vor allem die Gestaltung<br />
von organisationalen Lernprozessen, die diese Zielsetzungen<br />
wirkungsvoll in die Organisation transportieren. Führungskräfte<br />
sind also nicht nur Manager, sondern Organisationsentwickler,<br />
die Lernprozesse zwischen unterschiedlichen Kulturen, zwischen
polizeilichen Sparten sowie zwischen Management und operativer<br />
Alltagsorganisation in Gang setzen.<br />
Die Herausforderungen der<br />
Organisationsentwicklung<br />
Das Konzept der Prozessorganisation zielt nicht einfach darauf „besser,<br />
mehr, authentischer, menschlicher usw.“ zu kommunizieren. Das<br />
Ziel <strong>ist</strong> kontraproduktive Formen der Verknüpfung unterschiedlicher<br />
Wissen- und Rationalitätsformen in der Organisation zu hinterfragen<br />
und sie auf neue Art und Weise miteinander in Beziehung zu setzen.<br />
Dies wirkt auf die lokalen Wissensformen zurück, ermöglicht Lernund<br />
damit auch Professionalisie-rungsprozesse in den jeweiligen Domänen;<br />
die Organisation insgesamt kann lernen, da ein neues Muster<br />
der Verknüpfung und der Integration verschiedener Wissenstypen<br />
entsteht. 2<br />
In vertikaler Hinsicht geht es darum die notorische Spannung zwischen<br />
dem Wissen und der Handlungsrationalität der Praktiker einerseits<br />
und dem Managementwissen mit seinem impliziten<br />
Rationalitätsmodell andererseits zu bearbeiten. Hier herrschen gegenseitige<br />
Abwertung und bereichskulturelle Schließung: das polizeiliche<br />
Management bewertet das Praxiswissen als unprofessionell<br />
und Praktiker halten das Managementwissen und die Steuerungsinstrumente<br />
polizeilicher Arbeit (z.B.: Ziele, Controlling) für wenig handlungsorientierend<br />
und hilfreich.<br />
In horizontaler Hinsicht geht es darum, das Machtgefüge und die<br />
damit einhergehenden Abgrenzungsmanöver in den Blick zu nehmen.<br />
In dieser Perspektive erscheinen Behörden und Dienststellen als ein<br />
Feld unterschiedlicher Machtpositionen, eine typische Konfiguration<br />
unterschiedlich einflussreicher und durchsetzungsfähiger Polizei-Teilberufe.<br />
Die Prozessorganisation setzt sich also gleichermaßen mit den divergierenden<br />
Rationalitäts- und Deutungskonzepten auseinander sowie<br />
mit den materiellen Machtprozessen, den Aus- und Abgrenzungsmanövern<br />
zwischen diesen Bereichen. Organisationsentwicklung so verstanden<br />
bearbeitet a) die kognitiven, organisationskulturellen<br />
Dimensionen sowie b) die macht- und mikropolitischen Faktoren –<br />
also Wissen und Macht als maßgebliche Konfliktfelder im Organisationsalltag<br />
der Polizei (s. Glasl 2000).<br />
An den schwierigen Reformprozessen der letzten 10-15 Jahren kann<br />
man erkennen, wie stark die Spannung zwischen dem polizeilichen<br />
Managementwissen und dem Handlungs- und Einsatzwissen der<br />
Praktiker <strong>ist</strong>. So kann man die Bege<strong>ist</strong>erung für das betriebsökonomische<br />
Managementwissen seitens des höheren Dienstes auch als<br />
Vorbehalt und implizite Skepsis gegenüber dem Praxiswissen der<br />
operativen Ebene lesen. Zugespitzt lässt sich formulieren: Die generellen<br />
Intransparenzzonen des operativen Polizeidienstes, die strukturell<br />
bedingte, geringe Zugänglichkeit des Polizeimanagements zur<br />
Alltagsorganisation des „Außendienstes“, z.B.: des Einsatz- und Streifendienstes,<br />
wird zunehmend problematisiert. Die Kritik an der klassischen<br />
Ordnungsverwaltung und der Bürokratie unter dem Motto<br />
der „organisierten Unverantwortlichkeit“ fällt zusammen mit dem<br />
Verdacht, dass Mittarbeiter an der Basis ihre Freiräume überstrapazieren,<br />
eine unengagierte „Jobmentalität“ an den Tag legen und es<br />
darüber hinaus an fachlicher Kompetenz fehlen lassen. Zugleich wird<br />
Führungsschwäche auf der operativen Ebene diagnostiziert, die sich<br />
allzu leicht der Gruppendynamik und der (Sub-)Kultur der Dienstgruppe<br />
beuge und damit den Durchgriff der Organisation und des<br />
Managements behindert, statt ihn zu ermöglichen. Diese Krise der<br />
Hierarchie und der bürokratischen Organisationsweise geht einher<br />
mit einer (trotz offizieller Beteuerung des Gegenteils) geringen Achtung<br />
gegenüber dem Praktikerwissen.<br />
Die manageriale Abwertung des Praktikerwissens lässt sich auch an<br />
der impliziten Didaktik der Reformbemühungen ablesen. In naiver<br />
Weise wurde davon ausgegangen, dass intensive Informationen und<br />
Beschulung mit den neuen Managementmethoden (z.B.: Zielver- einbarungen,<br />
Controlling) die Praxis endlich von ihrer ungeplant-reaktiven<br />
Arbeitsweise und ihren fachlichen Defiziten kuriert.<br />
Managementwissen versteht sich als Universalvernunft, die für jede<br />
Form polizeilichen Handelns die generelle, weil logisch-rationale<br />
Handlungsorien-tierung bietet; alle anderen Formen des Wissens erscheinen<br />
demgegenüber als minderwertig. Die Bege<strong>ist</strong>erung für den<br />
vermeintlichen Universalismus des Managementwis-sens ließ erst<br />
gar nicht die Idee aufkommen, dass in der Organisation unterschiedliche<br />
Rationalitäten, Deutungs- und Handlungsmuster wirksam sein<br />
könnten. Die vielfältigen Widerstände und Implementationsbarrieren,<br />
vor allem auf der operativen Ebene, erfordern nun eine andere Sicht<br />
auf die Wissenslandkarte der Polizei.<br />
Entscheidend für die Entwicklung spezifischer Deutungs- und Handlungsmuster<br />
<strong>ist</strong> der praktische Kontext der Arbeit und die hier wirksame<br />
Logik, die die Rationalität des Handelns sowie seine Grenzen<br />
bestimmen. Als exemplarische Wissenstypen professionellen Handelns<br />
in der Polizei kann man den „Einsatz“ (gewissermaßen der<br />
Kern des beruflichen Selbstverständnisses eines jeden Poliz<strong>ist</strong>en)<br />
sowie die einzelfallbezogene „Sachbearbeitung“ verstehen (Chr<strong>ist</strong>ie-Zeyse<br />
2006). Die hier entwickelte Wissenstypologie unterscheidet<br />
sich von einem managerialen Verständnis der Aufgabenbewältigung<br />
durch die folgenden Aspekte (siehe hierzu Harney 1998, 180f):<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Professionelles Handlungswissen bezieht seinen Sinngehalt und<br />
gültige Normen aus Regeln fachlicher Angemessenheit und Perfektion<br />
im unmittelbaren Umgang mit der Aufgabe selbst – und<br />
nicht aus den objektivierten Normen und Standardisierungen<br />
seitens der Organisation.<br />
Es <strong>ist</strong> gewissermaßen der Besitz des Arbeitenden und seiner persönlichen<br />
Bindung an die Aufgabe – und steht damit der Organisation<br />
nicht einfach zur Verfügung bzw. wird gegen den<br />
Durchgriff der Organisation geschützt.<br />
Da hier generierte Wissen <strong>ist</strong> eng verschmolzen mit der beruflichen<br />
Biografie, einsozialisiertes, gewissermaßen körperlich sedimentiertes<br />
Know-how – und damit nicht beliebig optimierbar<br />
durch (manageriale) Methoden, Instrumente oder Fortbildungsangebote.<br />
Es handelt sich hier um eine „theory in use“ (s. Argyris 1996),<br />
d.h. impliziertes Wissen, das im praktischen Handlungsvollzug<br />
zur Entfaltung kommt – und das zugleich nicht identisch <strong>ist</strong> mit<br />
den unter Umständen präsentierten Wissens- und Redeweisen<br />
über diese Arbeit.<br />
Dieses implizite Wissen operiert zume<strong>ist</strong> im Modus der Intuition<br />
– eine angemessene, ganzheitliche Form von Wahrnehmung, Situationsbewertung<br />
und Handlungsvollzug unter den Bedingungen<br />
situativen Drucks. Intuition bringt uno actu (etwa in der<br />
konkreten Einsatzsituation) die äußeren Tatsachen (z.B.: die beteiligten<br />
Akteure und ihr Risikopotential) als auch die notwendigen<br />
Wissens- und Handlungsverkettungen zur Bewältigung<br />
dieser Lage hervor; in diesem Sinne <strong>ist</strong> der intuitive Handlungsvollzug<br />
professioneller Situationsbewältigung dezidiert nicht mit<br />
dem Erkenntnisakt durch Schlussfolgerung vergleichbar.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 37
•<br />
Professionelles Handlungswissen <strong>ist</strong> dem Management nicht<br />
ohne weiteres zugänglich; Management kann dieses Wissen<br />
durch Kontrolle, Monitoring, Korrekturintervention zwar aufstören,<br />
nicht aber per se seine innere Logik und seine eigenwilligkontextspezifische<br />
Zusammensetzung determinieren. Als Besitz<br />
der Profis stellt es eine Blindzone des Managements dar, eine<br />
potentiell dysfunktionale Macht, die die Organisation und das<br />
Management ständig herausfordert.<br />
In der Gegenüberstellung wird die Unterschiedlichkeit zwischen dem<br />
professionellen und dem managerial-organisationsseitigen Wissen<br />
deutlich:<br />
Professionelles Wissen Manageriales Wissen<br />
Beide Wissensformen schließen sich in ihrer Unterschiedlichkeit sowie<br />
in ihrer potentiellen Konflikthaftigkeit aus und benötigen sich doch<br />
zwingend:<br />
1<br />
2<br />
Wird nur (wie in den Reformbemühungen der Polizei) ausschließlich<br />
auf den Typus des managerialen Wissens als einzig<br />
legitimen Deutungs- und Handlungsmuster gesetzt,<br />
dann wird die selbstaktive Bindung der Mitarbeiter an die<br />
Aufgabenstellung in Frage gestellt und schließlich zerstört.<br />
Genau dies war der Tenor der operativen Ebene angesichts<br />
des Managerialismus der Polizeireformen: Die Managementoffen-sive<br />
wird als Bruch des psychologischen Vertrags<br />
(Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse 2006, 195f.) zwischen den hochgradig aufgabenidentifizierten<br />
Poliz<strong>ist</strong>en und einer Polizeiorganisation<br />
gedeutet, die vor jeder Managementrationalität die Kernaufgabe<br />
– nämlich den Einsatz3 im Sinne eines gesellschaftlichen<br />
Auftrages zu gewährle<strong>ist</strong>en hat. Wo Wirtschaftlichkeitsüberlegungen<br />
und standardisierte Effektivitätsnormen<br />
im Vordergrund stehen, sieht sich der Professionelle nicht<br />
nur in seiner Handlungsauton-omie bedroht, sondern auch<br />
in seinem subjektiven Beitrag zum Erfolg des polizeilichen<br />
Kernauftrages diskreditiert.<br />
Würde dagegen ausschließlich auf die aufgabengebundene<br />
Partikularität des Professionswissen gesetzt und die übergreifende,<br />
organisatorisch – manageriale Handlungslogik<br />
außer Acht gelassen, dann wäre das Resultat Verwahrlosung:<br />
mikropolitisches Raubrittertum der unterschiedlichen<br />
Aufgaben- und Organisationsbereiche um Definitionsmacht<br />
und Ressourcen wäre die Folge. Die Einlagerung professionellen<br />
Wissen und professioneller Erfahrung in Organisations-<br />
strukturen und Prozesse würde jede Handlungskoordination<br />
und zielorientierte Steuerung blockieren.<br />
38 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
3<br />
Vor diesem Hintergrund müssen die beiden Wissensformen<br />
und ihr Spannungsverhältnis bearbeitet und ausbalanciert<br />
werden. Es braucht die Disziplinierung<br />
partikularer, professioneller Wissensformen durch das<br />
Management wie umgekehrt das Management nicht<br />
ohne die Selbstbindungsmechanismen der Professionellen<br />
an die Organisation auskommt. <strong>Der</strong> Anschluss zwischen<br />
beiden Wissenstypen <strong>ist</strong> prekär, machtumkämpft<br />
und „scheiternsanfällig“: er stellt aber die wesentliche<br />
Aufgabe eines klugen Managements, reflektierter Führungskräfte<br />
und eines hierauf aufbauenden Wissensmanagements<br />
dar.<br />
Regeln und Normen werden aus der Aufgabe selbst generiert Regeln und Normen werden aus der Gesamtsicht<br />
der Organisation und ihrer Zielsetzung generiert<br />
Besitz der Profis Allgemeingut für jedes Organisationsmit-glied an dieser Stelle<br />
Mit der Berufsbiografie verschmolzen Herausgelöst aus und bereinigt von idio- synkratischen<br />
Aneignungsformen durch die Subjekte<br />
Implizites Wissen und „Theory in Use“ Explizites Wissen – Verschriftlichung, Begriffsbildung,<br />
Begründbarkeit - und „Espoused Theory (s. Argyris ebenda)<br />
Intuition – oft unter den Bedingungen von Handlungsdruck Schlussfolgerungen in handlungsentlastenden Situationen<br />
Grenze und Blindzone des Managements Allgemeingültigkeit des Wissens jenseits lokaler Rationalitäten<br />
und ihrer „Folklore“<br />
Mobilisierung des professionellen<br />
Erfahrungswissens durch „Narratives<br />
Wissensmanagement“<br />
Das Erfahrungswissen der Experten vor Ort <strong>ist</strong> ein Amalgan aus explizitem,<br />
implizitem und narrativem Wissen. Es wird unter den strukturellen<br />
Bedingungen der Aufgabenbe-wältigung erzeugt, in der<br />
Gemeinschaft der Praktiker verallgemeinert, kononisiert und schließlich<br />
an Novizen weitergegeben.<br />
Explizites Wissen wird in der Ausbildung an Fachhochschulen sowie<br />
im Rahmen der Weiterbildungsaktivitäten vermittelt; Themen sind<br />
polizeirelevantes Recht, fachliche Themen des praktischen Einsatzgeschehens<br />
und ergänzende sozialwissen- schaftliche und psychologische<br />
Aspekte einer sich bürger- und kundenorientiert<br />
verstehenden Polizei. Zum expliziten Wissen gehören weiterhin in<br />
Erlassform vorliegende Regelwerke – z.B.: die „Polizeiliche Dienstvorschrift“<br />
100 (PDV 100) – eine Sammlung und Verdichtung praktischer<br />
Einsatzerfahrungen, die eine Planungs- und Handlungsorientierung<br />
für konkrete Einsatzanlässe anbieten kann. Ergänzt wird<br />
dieses Regelwerk zunehmend durch behördenspezifische Verfahrensanweisungen<br />
und –vorschriften, die im Zuge von Prozessbeschreibungen<br />
und Qualitätsmanagement-Einführungen entwickelt werden;<br />
so liegen für unterschiedliche Dienstbereiche mitunter elektronische<br />
Qualitätsmanagement-Handbücher vor, die einzelne Arbeitsabläufe<br />
und Aufgaben Schritt für Schritt beschreiben, die notwendigen Informationen<br />
und Formulare vorhalten und damit Mindeststandards<br />
für Routineaufgaben gewährle<strong>ist</strong>en können. (vgl. Priebe 2007, Ritsert/Müller<br />
2007. Lehmann 2007). In Ergänzung zu diesen Standards<br />
polizeilichen Fachwissens haben einige Länderpolizeien groß angelegte<br />
Wissensportale eingerichtet, die E-Learning-Angebote, Fachforen<br />
für Spezial<strong>ist</strong>en, polizeirelevante Nachrichten usw. präsentieren.
Weitere Container für explizites Wissen sind die behörden- und<br />
dienststellenspezifischen Lagebeschreibungen sowie intranetbasierte<br />
Dienststellenzeitungen, die über polizeiliche und organisationsinterne<br />
Ereignisse berichten. Insgesamt handelt es sich hier um so genanntes<br />
„disembodied knowledge“ (vgl. Polyani 1985, Nonaka/Takeuchi<br />
1997), ein Wissen das Fakten, Regeln und dokumentwerte Erfahrungen<br />
umfasst, das von konkreten Erfahrungsträgern, den Professionellen<br />
abgelöst werden kann und in den Besitz der Organisation<br />
übergegangen <strong>ist</strong>.<br />
Implizites Wissen <strong>ist</strong> „embodied/personal konowledge“, inkorporiertes,<br />
durch praktisches Tun erworbenes Wissen; dieses <strong>ist</strong> nur sehr unvollständig<br />
in Worte fassbar und auf das Engste mit dem<br />
Aufgabenvollzug verknüpft. Fahrrad fahren, Schwimmen, Schreiben,<br />
aber auch intuitives Handeln (z.B.: das angemessene polizeiliche Einschreiten<br />
bei Familienstreitigkeiten usw.) sind integrale Schemata,<br />
die körperliche, emotionale und kognitive Aspekte in nicht auflösbarer<br />
Einheit amalgieren; sie sind gerade deshalb erfolgreich, weil sie<br />
vorreflexiv abgerufen werden und damit situativ hochgradig angemessenes<br />
Verhalten gewährle<strong>ist</strong>en können. Man kann hier auch von<br />
persönlichem Erfahrungsschatz und Intuition sprechen, also etwas,<br />
das im eigentlichen Wortsinne nicht bekannt <strong>ist</strong>, aber auf das man<br />
sich im täglichen Handeln mit Erfolg verlassen kann (vgl. Schreyögg<br />
2002, 2003). Es macht wenig Sinn, dieses implizite Wissen als Fundgrube<br />
für die Organisation unmittelbar ausbeuten zu wollen. Zu sehr<br />
<strong>ist</strong> dieses Wissen an körperliche und vorsprachliche Erfahrungen gebunden.<br />
Es <strong>ist</strong> – selbst bei ambitionierter Erweiterung des expliziten,<br />
organisationsseitig kanonisierten Wissens, z.B.: in Form von noch genaueren<br />
Arbeitsprozessbeschreibungen oder Qualifikations- bemühungen<br />
– nicht unmittelbare von dem erfahrenen Mitarbeiter<br />
abzulösen und Anderen in der Organisation zur Verfügung zu stellen.<br />
Es bedarf zwingend der berufsbiografischen Erfahrung, einer persönlichen<br />
Lehrzeit, um in den Besitz dieses Wissens zu kommen. In diesem<br />
Sinne bietet es sich an hier eher von „Könnerschaft (vgl.<br />
Schreyögg 2002) zu sprechen, als von einem besonderen Wissenstypus,<br />
bei dem die Konvertierbarkeit in eine andere Form immer mitschwingt.<br />
Narratives Wissen <strong>ist</strong> das, was erzählt bzw. expliziert wird, in welcher<br />
Form auch immer: das Gespräch im Frühstücksraum, der<br />
Klatsch über und zwischen den Kollegen, die Entrüstung über andere<br />
Dienstbereiche oder die Behördenleitung und „die da oben“,<br />
die beiläufige Erzählung über Vorkommnisse bei der letzten Streife,<br />
die immer wieder erzählten Heldengeschichten, Moritaten (vgl.<br />
Stehr) und exemplarischen Lehrbeispielen. Geschichten erzählen <strong>ist</strong><br />
das Medium, in dem sich die Kultur eines Dienstbereiches oder auch<br />
der ganzen Organisation abbildet, sedimentiert und fortentwickelt.<br />
In dieses „Story telling“ (Loebbert 2003) eingebettet sind sachliche<br />
Informationen und pragmatische Wissensbestände, normative Urteile<br />
über die Anderen und die eigene Position des Dienstzweiges<br />
in der Organisationswelt, sowie Ansprüche und Zuschreibungen von<br />
Definitionsmacht und informelle Platzzuweisungen. Die Erzählung<br />
<strong>ist</strong> die notwendige Form der Sinngebung, in der Daten erst zur relevanten<br />
Information für eine Gruppe oder Gemeinschaft werden;<br />
jenseits dieser sinngebenden Erzählung bleiben Daten „syntaktische<br />
Informationsruinen“ (vgl. Steinmüller 1993), die niemanden interessieren.<br />
Wer keine Geschichte zu erzählen hat, die gehört und verstanden<br />
wird – egal ob Mitarbeiter, Führungskraft oder das<br />
Management der Organisation – bleibt außen vor. Geschichten sind<br />
sinnhafte Darstellungen der Welt, entstanden in der Gemeinschaft<br />
der Praktiker, die eine gemeinsame Aufgabe, Handlungsbedingungen,<br />
Ressourcen und Begrenzungen teilen. In diesen Gemeinschaften<br />
wächst man in dem Maße hinein, wie man hören und verstehen<br />
kann und sich die Kunstfertigkeit aneignet, selbst Erzählungen nach<br />
den hier geltenden Konstruktionsprinzipien hervor zu bringen. <strong>Der</strong><br />
Neuling findet diese Geschichten vor, sowie die noch unbekannten<br />
Aufgaben und Problemstellungen; Situationen, Aufgaben, die eigene<br />
Rolle und Verantwortlichkeit werden erst in dem Maße deutlich,<br />
wie die Geschichten darüber verstanden und gedeutet werden<br />
können; Geschichten helfen also, sind durchaus auch aufdringlich<br />
und können den Verstehens- horizont auch einengen – aber sie machen<br />
den Teilnehmer in einer solchen Praktikergemeinschaft auch<br />
nicht per se zur denkbefreiten Marionette. Weil Geschichten explizit<br />
sind, können sie potentiell auch reflektiert, verändert und qualifiziert<br />
werden – sicher nicht in naiv-technischer, managerialer Form und<br />
als kolonisierende Landnahme seitens der Organisation. Es handelt<br />
sich hier um latentes Wissen, das gehoben werden kann.<br />
Professioneller Erfahrungswissen <strong>ist</strong> ein lokales, spezifisches Amalgam<br />
aus expliziten, implizitem und narrativem Wissen, seine Form<br />
aber <strong>ist</strong> die des Geschichtenerzählens, des Story telling in der Gemeinschaft<br />
der Praktiker. Es <strong>ist</strong> nicht ausschließlicher Besitz der Praktiker,<br />
es kann auch der Organisation zu Gute kommen: Hier werden<br />
die professionellen Standards generiert und weitervermittelt, die eine<br />
gute Bewältigung der Aufgaben und zentralen Problemstellungen<br />
gewährle<strong>ist</strong>et; hier <strong>ist</strong> die Wurzel für eine Kultur der Zuverlässigkeit<br />
und Verlässlichkeit, die professionelle Qualität und die Identifikation<br />
mit der Aufgabe, potentiell auch mit der Organisation. Es muss einer<br />
Organisation daran gelegen sein, dieses Erfahrungswissen zu fördern<br />
und zu entwickeln. Weick und Suttcliff (2003) haben am Beispiel so<br />
genannter High Reliability Organisations (das sind Flugzeugträger,<br />
die Feuerwehr, das Aufsichtspersonal von Kernkraftwerken, aber auch<br />
Unfall-Notdienste, Spezialeinheiten der Polizei, Formel-Eins-Teams,<br />
vgl. Pawlowsky/M<strong>ist</strong>ele/Geitner 2005) herausgearbeitet, welcher organisatorischer<br />
Vorkehrungen es hierzu bedarf:<br />
• einer Organisationskultur, die Fehler sensibel wahrnimmt<br />
und unmittelbar beseitigt, dabei aber tolerant gegenüber<br />
den Organisationsmitgliedern <strong>ist</strong>,<br />
• einer Ermutigung der Mitarbeiter an der Basis, sich kritischkonstruktiv<br />
mit Strategien, Konzepten und Projekten („von<br />
oben“) auseinander zu sezten und Kursverläufe mitzubestimmen<br />
und<br />
• ein entschiedener Respekt vor fachlichem Können und Wissen,<br />
vor Kennerschaft und Professionalität, wie er in den<br />
communities of practice gelebt wird.<br />
•<br />
Das Ergebnis einer solchen Organisationskultur <strong>ist</strong> eine „achtsame<br />
Organisation“, die sich durch Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Wachheit,<br />
Beharrlichkeit und Umsicht auszeichnet und die zu einem „managing<br />
the unexpected“ (Böhle/Pfeiffer/Sevesay-Tegethoff 2004) imstande<br />
<strong>ist</strong>. Damit sind Organisationstugenden benannt, die auch für eine gemeinwesensorientierte<br />
Polizei unerlässlich sind und die durch das Organisationsent-wicklungskonzept<br />
der Prozessorganisation (s. Kapitel<br />
1) angestrebt werden. Unter diesen Bedingungen entwickelt sich professionelles<br />
Erfahrungswissen zu einem Wissenstypus, der neben den<br />
expliziten und formalen Regeln der Organisation und der Sprache<br />
des Managements seine anerkannte Geltung beanspruchen kann.<br />
Das Erfahrungswissen <strong>ist</strong> hier gewissermaßen „flüssig“, teilt sich mit,<br />
wird mitgeteilt und <strong>ist</strong> im Fluss, eine entscheidende Quelle für den<br />
Erfolg der Organisation.<br />
Das professionelle Erfahrungswissen wird dickflüssig, „sticky“ bis<br />
zum Stillstand (Ortmann), wenn Organisation und Management die<br />
Hegemonie über diesen Wissenstypus beanspruchen, also die in<br />
den Gemeinschaften der Praktiker entwickelten Kompetenzen ge-<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 39
ing achten. In bürokratischen Organisationen, aber auch in der managerialen<br />
Neubürokratie (einer Organisationskultur mit der Vorliebe<br />
für Kennzahlen, umfassende Controlling-Systeme und dem<br />
naiven Rationalitätsglauben an die universale Einsatzfähigkeit betriebswirt-<br />
schaftlicher Methoden), wird das professionelle Erfahrungswissen<br />
notorisch gering geachtet, gewissermaßen als schwer<br />
belehrbares, potentiell abweichendes Verhalten. Entsprechend dann<br />
die Reaktanz auf der Seite der Praktikergemeinschaften: Das Erfahrungswissen<br />
zieht sich zurück in die regionalen Enklaven, wird nicht<br />
mehr (mit-)geteilt, sondern gebunkert – zum Schaden der communities<br />
of practice selbst und für die Organisation insgesamt. Eingekeilt<br />
zwischen bürokratischer Kontrolle und hegemonialer<br />
Managementsprache, bleibt vom Praktikerwissen nur mehr ein mythenbildender<br />
Bodensatz, eine Beschwörung der „Praxis“, die sich<br />
aufgrund mangelnder Anerkennung durch die Organisation zum Eigentlichen<br />
überhöht. Unter den Bedingungen mangelnder organisationaler<br />
Anerkennung verkümmert das Praktikerwissen zur<br />
defensiven Mythenbeschwörung, und das bedeutet: Das aufgabengebundene<br />
Erfahrungswissen wird nicht mehr in der Gruppe thematisiert<br />
und geteilt. Die Beschwörung der „Praxis“ geht einher<br />
mit einer schleichenden Deprofessionalisierung. Praktisch kann das<br />
bedeuten: Ein schwieriger Einsatz wird vornehmlich als Heldentat<br />
präsentiert, die Erzählung kapselt sich ein in Cop-Culture-Stereotype<br />
und immunisiert sich gegen Nachfragen, detaillierte Rekonstruktion<br />
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40 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
typischerweise möglich <strong>ist</strong>, nämlich eine konsequente Nachbereitung<br />
des Einsatzes, verkümmert zur Lernaversion und Kritik abwehrendem<br />
Story telling. Gruppenkohäsion verklumpt dann zum<br />
Groupthink: Kritik und Nachdenken werden unterdrückt, die gruppeneigene<br />
Moral wird zur Kampfansage gegenüber kritischen Mitgliedern<br />
und Externen, Informationen werden in der<br />
Binnenkommunikation, aber auch nach außen stark gefiltert. Für<br />
die alltäglichen Anlässe gibt es schließlich kaum noch ein Besprechungsforum,<br />
denn sie taugen nicht zur Mythenbeschwörung;<br />
damit wird die Zirkulation brauchbaren Wissens abgebrochen. Bei<br />
aller Inszenierung der gruppeneigenen Moral und des beschworenen<br />
Adels der „Praxis“, verkümmert die gruppeninterne und –übergreifende<br />
Kommunikation, die Beamten werden zu Einzelkämpfern<br />
mit ganz eigenen Arbeitsvorstellungen, privaten Zielen und Interessen.<br />
<strong>Der</strong> Organisation muss also daran gelegen sein, das professionelle<br />
Erfahrungswissen zu kultivieren und zu pflegen. Diese vorsichtige<br />
Formulierung soll deutlich machen, dass Wissensmanagement als<br />
direktiver Zugriff und Kolonisierung nicht funktionieren kann – Wissen<br />
lässt sich nicht managen, denn es <strong>ist</strong> zu aller erst im Besitz der<br />
Praktiker. Das Wissen wird nur förderlichen organisationskulturellen<br />
Bedingungen geteilt. Das bedeutet: Management und Organisation<br />
sind dazu verdammt, eine Paradoxie zu bearbeiten: Wie lässt sich<br />
nicht – Organisierbares organisieren, wie können Praktikergemeinschaften<br />
gefördert und zugleich durch die Organisation genutzt<br />
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werden, wenn sie ihrem direkten Zugriff gerade nicht zugänglich<br />
sind? Dem scheuen Tier „professionelles Erfahrungswissen“ kann<br />
die Organisation und das Management sich nur nähern, wenn hegemoniale<br />
Steuerungsnaivität abgerüstet wird: eine fragile Balance,<br />
die vor allem durch Führungskräfte immer wieder – und zwar im<br />
Rahmen der o.g. Konzeption der Prozessorganisation – austariert<br />
werden muss.<br />
Im folgenden Kapitel soll eine methodische Idee vorgestellt werden,<br />
wie Erfahrungswissen und Managementwissen bzw. organisationsseitiges<br />
Steuerungsinteresse in eine zugleich produktive und vorsichtige<br />
Annäherung gebracht werden können.<br />
Narratives Wissensmanagement bei der<br />
Schutzpolizei – ein Beispiel<br />
Im Vordergrund der folgenden Analyse steht der Auszug aus einem<br />
Interview, das im Rahmen eines Forschungsprojektes (Evaluation der<br />
Umsetzung des Neuen Steuerungs- modells in der Polizei eines Bundeslandes)<br />
durchgeführt wurde. Die hier wiedergegebenen Aussagen<br />
eines Dienstgruppenleiters der Schutzpolizei enthalten alle wesentlichen<br />
Merkmale eines gelungenen narrativen Wissensmanagements,<br />
inklusive der schwierigen und scheiternsanfälligen Kopplung zwischen<br />
professionellen Erfahrungswissen und dem Steuerungs- und<br />
Managementsystem der Polizeibehörde.<br />
Dienstgruppenleiter: „Nehmen wir mal den Block Kriminalitätsbekämpfung.<br />
Das <strong>ist</strong> sehr aktuell und entwickelt sich im Moment sehr<br />
interessant weiter. Wir glauben relativ viele Festnahmen zu haben.<br />
Auf der Straße. Die werden aber nach kurzer Zeit wieder entlassen.<br />
Jetzt reden wir von den Intensivtätern, die sich viel im Btm-Bereich<br />
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befinden. Nichts desto trotz waren das Zufallstreffer. Da <strong>ist</strong> einer<br />
erwischt worden, schon wieder der. Wesentliche Feststellung <strong>ist</strong><br />
nach wie vor, dass man sich bewusst wird, wenige Intensivtäter machen<br />
alles. Dann haben wir versucht die zu benennen, diese Intensivtäter.<br />
<strong>Der</strong> <strong>ist</strong> gut, der kommt immer wieder, der, der und der. Dann<br />
haben wir uns eine Wand gemacht in unserer Inspektion, die im<br />
Aufenthaltsraum hängt. Ich habe mir dann einen Kollegen aus der<br />
Dienstgruppe ausgesucht, der diese Wand pflegt. <strong>Der</strong> hat unmittelbaren<br />
Kontakt, der macht die Ausdrucke aus Polas, jetzt mittlerweile<br />
durch diese IGVP-Recher-chen , da kommt er wunderbar an ein Persönlichkeitsbild.<br />
Wir visualisieren den, indem wir das Bild von dem<br />
daneben hängen. Das <strong>ist</strong> keine große Wissenschaft, was wir das gemacht<br />
haben, da steht erst mal, worauf <strong>ist</strong> der spezialisiert. Wir<br />
haben festgestellt, manche Btm’ler oder mancher Intensivtäter<br />
haben sich spezialisiert, die gehen z.B.: in die Krankenhäuser und<br />
bestehlen da die Patienten, die gerade beim Röntgen sind oder so.<br />
Immer wieder. Da wussten wir nachher schon, okay, Personenbeschreibung,<br />
dass kann wohl der sein. Dass wir dann auch teilweise<br />
das Personal an der Pförtnerloge sensibilisiert haben. Könnte das<br />
der oder der sein, der war doch hier. Das <strong>ist</strong> praktikabel, das <strong>ist</strong> auch<br />
spannend. Deswegen haben wir so eine Pinnwand gemacht, haben<br />
das also visualisiert und haben uns Profile rausgesucht, was der favorisiert.<br />
Dann haben wir die Anhaltemeldungen, Beobachtungsund<br />
Feststellungsberichte, haben uns die gesammelt, haben gebeten,<br />
uns die auch zukommen zu lassen aus unserer Dienstgruppe.<br />
Wer arbeitet mit wem, angetroffen mit, steht da eine Rubrik, und<br />
wir wussten ganz genau, der <strong>ist</strong> mit dem unterwegs. Haben uns<br />
Pfeile gemacht, wie ein kleines Soziogramm. Jeder kann auch draufgucken,<br />
innerhalb von zwei Minuten, der braucht nicht viel lesen.<br />
Müller arbeitet mit Schmidt. Nur durch Pfeile. „Angetroffen mit“<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 41
steht dann drauf. Dann hatten wir diese Wand natürlich immer aktuell.<br />
D.h. sobald einer festgenommen wurde, geht der in die Akte. Dann<br />
müssen wir nachhaken, <strong>ist</strong> der vorgeführt worden? Ist der weg?<br />
Wenn der wieder draußen <strong>ist</strong>, müssen wir den wieder ran tun. <strong>Der</strong><br />
Kollege aktualisiert diese Wand, nicht nur die Wand, sondern der<br />
schreibt auch in Word oder wie auch immer und lässt das verschiedenen<br />
Dienststellen zukommen. Das <strong>ist</strong> ja lokal begrenzt. Das müsste<br />
eine intensivere Zusammenarbeit sein…<br />
Die Wan, die nutzen alle. Das <strong>ist</strong> ein Aufenthaltsraum, da kann gegessen<br />
werden, Kaffee getrunken werden, das sehen alle. Das war<br />
unsere erste Wand. Ich komme gleich zu der zweiten. Wir haben gesagt,<br />
bitte nur wir sind zuständig, kein anderer heftet da was dran,<br />
das <strong>ist</strong> wichtig. Wir aus der Dienstgruppe. Es <strong>ist</strong> für die Wand nur ein<br />
Kollege verantwortlich. Er kümmert sich darum, keiner nimmt ab. Gepflegt<br />
wird das nur von uns. Dran orientieren tun sich alle. Wir können<br />
anhand dieser primitiven Vorgehensweise sehen, wir haben eine, ich<br />
möchte keine Prozentzahl sagen, die <strong>ist</strong> aber relativ hoch, die Trefferquote.<br />
Das <strong>ist</strong> spannend. Das macht zufrieden. Den Kollegen geht<br />
es auch so. Ich halte mich auch da eigentlich raus. Ich versuche, <strong>Sache</strong>n<br />
nur anzustoßen, ich möchte auch gar nicht da erscheinen. Vielleicht<br />
kann das mal ein bisschen praktikabler werden. Auch der<br />
Kollege, der das macht, das <strong>ist</strong> kein alter Hase, der <strong>ist</strong> relativ frisch in<br />
der Dienstgruppe. <strong>Der</strong> <strong>ist</strong> mittlerweile drei Jahre da, aber damals war<br />
er gerade mal 1,5 Jahre da. <strong>Der</strong> nimmt sich die Wand vor oder die<br />
Pflege und kümmert sich auch kontaktweise um die Beziehungen mit<br />
anderen Kommissariaten. Aber das muss auf der untersten Ebene<br />
sein. Das <strong>ist</strong> alles oft gut gemeint, Informationsmanagement und so,<br />
aber wenn man die Straße kennt, das hört sich jetzt sehr überheblich<br />
an, da <strong>ist</strong> ein kleiner Unterschied.“<br />
An diesem Interviewausschnitt lassen sich eine Reihe von wichtigen<br />
Punkten demonstrieren:<br />
•<br />
•<br />
Deutlich wird zunächst der Stolz der Praktiker auf ihre Ar-<br />
beit, ihre Ergebnisse und den sichtbar gemachten Erfolg.<br />
<strong>Der</strong> Dienstgruppenleiter (DGL) macht dabei unmissverständlich<br />
klar, dass das generierte Dienstwissen im Besitz<br />
der Dienstgruppe <strong>ist</strong>, dass es gegen externe Zugriffe (durch<br />
andere Dienstzweige und das Management) verteidigt<br />
wird, mithin nicht beliebig abschöpfbar im Sinne des klassischen<br />
Wissensmanagements <strong>ist</strong>. Gerade für die schutzpolizeilichen<br />
Basisorganisationen und ihr relativ niedriges<br />
Ansehen entsteht auf diese Weise ein Kapital, das in den<br />
informellen und formellen Austauschprozessen einer Behörde<br />
zur Positionsverbesserung und professionellen Wertschätzung<br />
eingesetzt werden kann.<br />
Deutlich wird darüber hinaus der Spaß, die Freude am Er-<br />
folg sowie das Selbstbewusstsein, das durch die Vergewisserung<br />
der eigenen Kompetenz entsteht. Dies <strong>ist</strong> insofern<br />
kein trivialer Tatbestand, als gerade das schutzpolizeiliche<br />
Wissen – im Gegensatz zur kriminalpolizeilichen Expertise<br />
– die kleinen und größeren Probleme und Ärgernisse des<br />
Alltags umfasst und damit zugleich eine Vielfältigkeit und<br />
Diffusität aufwe<strong>ist</strong>, die sich nur zu leicht einer systematischen<br />
Thematisierung und Reflexion entzieht. Man kann<br />
hier – ohne jeden abwertenden Unterton – durchaus von<br />
einer Art des Hausfrauenwissens sprechen. Gerade in einer<br />
gemeinwesensorientierten Schutzpolizei bedarf es der kontinuierlichen<br />
Achtsamkeit gegenüber dem Alltag und seiner<br />
eigentümlichen Dynamik zwischen Ordnung und Unordnung.<br />
Selbstvergewisserung der Handlungskompetenz und<br />
reflexive Aneignung des eigenen Wissens führen schließlich<br />
zu einem professionellen Erfolgserleben.<br />
42 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Die Visualisierung und Bildsprache des Erfahrungswissens<br />
(hier: Pinnwand mit Intensivtätern), zumal wenn es mitten<br />
im Alltag der Praktikergemeinschaft (Frühstücksraum) präsentiert<br />
<strong>ist</strong>, wirkt praxisorientierter als jedes „touch und<br />
feel optimierte“ Exel-sheet mit Kennzahlen. Dieses bleibt<br />
vergleichsweise abstrakt und schwer zugänglich, nicht weil<br />
die Poliz<strong>ist</strong>en intellektuell unfähig wären, sondern weil es<br />
von allen Spuren des Alltags bereinigt <strong>ist</strong> und damit nichts<br />
Bedeutsames erzählt. Poliz<strong>ist</strong>en sind tatsächlich Virtuosen<br />
im technischen und eigenwillig – gestalterischen Umgang<br />
mit Kennzahlen, Controlling und operativen Steuerungs- instrumenten,<br />
für ihre Praxis haben diese aber i.d.R. wenig<br />
Orientierungswert; sie werden – im prejorativen Sinne –als<br />
„Theorie‘“, als „Wissenschaft“ bewertet, mithin als Wissen<br />
ohne Wert.<br />
Wichtig <strong>ist</strong> zudem die Ästhetik dieses praktischen Wissens;<br />
der DGL macht deutlich, dass es sich nicht „um Wissenschaft“,<br />
sondern um eine „primitive Vorgehensweise“ handelt,<br />
die genau deshalb wirkt, weil sie nicht standardisiert<br />
<strong>ist</strong>, weil hier gestaltet, gemalt, „gebastelt“ wird, mithin die<br />
Dienstgruppe auf diese Weise ihre eigene Sprache finden<br />
kann.<br />
Die Pinnwand im Frühstücksraum gewährle<strong>ist</strong>et, dass die<br />
gesamte Dienstgruppe einen wichtigen Aspekt ihres Arbeitsprozesses<br />
ständig vor Augen hat. Dies macht einen<br />
entscheidenden Unterschied gegenüber dem offiziellen Informations-management<br />
in den Polizeibehörden: Zwar stehen<br />
hier jedem Poliz<strong>ist</strong>en i.d.R. ein sehr ausführliches<br />
Lagebild und aktuelle Informationen aus der Behörde zur<br />
Verfügung – aber: Jeder Poliz<strong>ist</strong> sitzt allein vor seinem Rechner<br />
(wenn er die Zeit dazu hat oder das persönliche Interesse),<br />
ein Diskurs unter den Kollegen findet statt; anders<br />
die Pinnwand im Frühstücksraum – hier entsteht ein gemeinsames<br />
Bild der Arbeit, ein beschreibbarer Erfahrungsraum,<br />
ein Anker für ein professionelles Bewusstsein. 4<br />
In der letzten Sequenz macht der DGL deutlich, dass das<br />
zusammengetragene Wissen auf der untersten operativen<br />
Ebene mit anderen Dienstgruppen und Fachkommissariaten<br />
geteilt wird. Das professionelle Erfahrungswissen <strong>ist</strong><br />
also nicht grundsätzlich exklusiv gehorteter Bestand einer<br />
abgeschotteten Domäne – es fliest über formale Grenzen<br />
hinweg, aber die Zugänge zu diesem Wissensfluss sind gewissermaßen<br />
bewacht. Vor allem informelle Netzwerke bilden<br />
sich um diese Wissensbestände, die formale<br />
Organisation solcher Netzwerke allerdings <strong>ist</strong> schwierig<br />
bzw. prekär.<br />
Gleichwohl – in den Ausführungen des DGL wird deutlich,<br />
dass das generierte Wissen durchaus Schnittstellen zu anderen,<br />
auch formalen Wissensspeichern auswe<strong>ist</strong>. So legt<br />
die Dienstgruppe Ordner an, in denen die Informationen zu<br />
den festgenommenen und an den Staatsanwalt abverfügten<br />
Intensivtätern vorgehalten werden. <strong>Der</strong> Beauftragte für<br />
Gestaltung der Pinnwand überträgt die hinterlegten Informationen<br />
in Berichte, die an andere Organisationseinheiten<br />
weitergeleitet werden. Es <strong>ist</strong> davon auszugehen, dass die<br />
aktuellen Pinnwände auch in den Dienstbesprechungen<br />
eine wichtige Rolle spielen, bzw. ihrerseits der Anker für<br />
eine ansonsten nicht immer gewährle<strong>ist</strong>ete Regelkommunikation<br />
sind.Prinzipiell besteht die Möglichkeit, dass die<br />
hier festgehaltenen Erfolge und Maßnahmen der Dienstgruppe<br />
in ein Dienststellencontrolling übertragen werden
•<br />
•<br />
•<br />
können – allerdings mit dem o.g. Risiko und der Möglichkeit<br />
des Scheiterns.<br />
Neben der Generierung, Verdichtung und Reflexion des<br />
Dienstwissens stellt diese Vorgehensweise gerade an den<br />
Betreuer der Pinnwand eine besondere Professionalisierungsanforderung:<br />
Er stellt die Schnittstelle der betreffenden<br />
Organisationseinheit zu den unterschiedlichen<br />
Wissenssystemen in der Dienststelle dar:<br />
Er akquiriert das Alltags-Dienstwissen seiner Dienstgruppe<br />
und dokumentiert es auf der Pinnwand.<br />
Er überträgt es in Berichte für andere Organisationseinhei-<br />
ten oder übersetzt es in das Controlling- und Managementsystem<br />
seiner Behörde.<br />
Er muss unterschiedliche Wissenscodes bedienen und wird<br />
auf diese Weise zu einem „Gatekeeper“ an der Schnittstelle<br />
zum professionellen Erfahrungswissen.<br />
Die hier vorgestellte, naturwüchsige Praxis der Dienstgruppe kann<br />
sicher nicht zum methodischen Generalschlüssel für ein organisationssoziologisch<br />
– modernisiertes Wissensmanagement stilisiert werden.<br />
Prinzipiell gilt: Organisation und Management können das<br />
professionelle Erfahrungswissen nicht besitzen und strategisch bewirtschaften<br />
(vgl. Reimann/Vohle 2006, 70f.); aber gerade wenn das<br />
Management sich steuerungstechnisch bescheidet und die Paradoxie<br />
des „Organisierens des Nicht-Organisierbaren“ ernst nimmt, besteht<br />
die Möglichkeit ein Klima, einen organisationskulturellen Nährboden<br />
zu schaffen, der den Wissensfluss der Professionellen stimuliert und<br />
ermutigt. Dazu allerdings bedarf es einer Führungskultur, die jenseits<br />
naiver Steuerungseuphorie Respekt vor dem Erfahrungswissen hat<br />
und nach ähnlichen (wie hier geschilderten) Vorgehensweisen sucht,<br />
um brauchbare Kopplungen zwischen Managementwissen und Erfahrungswissen<br />
zu ermöglichen.<br />
Schluss: Don`t Stop making sense<br />
Man kann das vom Dienstgruppenleiter geschilderte Vorgehen<br />
auch als einen Prozess der professionellen Identitätsbildung und<br />
gruppenbezogenen Sinnstiftung verstehen. Eine sonst eher individuell<br />
und diskontinuierlich ablaufende Dienstzeit wird hier thematisch<br />
fokussiert und in kumulierendem Erfahrungswissen<br />
vergegenwärtigt. Dabei wird nicht nur das diffus verteilte Dienstwissen<br />
sichtbar gemacht, verdichtet und in erfolgreiches Handeln<br />
übersetzt, sondern es entsteht darüber hinaus a) ein Gefühl und<br />
b) ein normativer Anker für die professionelle Identität und das<br />
sinnhafte Handeln der Dienstgruppe. Dieser Prozess steht durchaus<br />
im Gegensatz zu mythischen Beschwörungsformeln und Stereotypen<br />
der Cop Culture, die oft genug mit individueller<br />
Demotivation und unproduktivem gruppendynamischen Prozessen<br />
einhergehen.<br />
Die Mobilisierung des Erfahrungswissens braucht also operative<br />
Führungskräfte, die dezidiert diesen Prozess der Sinnstiftung, des<br />
professionellen „sensemaking“ unterstützen. Operative Führungskräfte<br />
haben nicht nur die Funktion, die Ziele der Organisation<br />
in die Gruppe hinein zu tragen, sondern vor allem die Aufgabe<br />
einen gemeinsamen Sinnhorizont der Organisationsmitglieder aufzuspannen,<br />
der die Grundlage für koordiniertes Deuten und Handeln<br />
darstellt. Im angelsächsischen Kontext spricht man hier von<br />
einem „mind set“ als paradigmatischer Grundlage für professionelles<br />
Handeln. Es <strong>ist</strong> abermals Weick, der wichtige Ressourcen<br />
und Interventionsformen für die grundlegende Funktion des „sensemaking“<br />
durch die Führungskräfte benennt (vgl. Weick 2005 5f.):<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
•<br />
„Social“: Intersubjektiv geteilter Sinn entsteht immer in<br />
Kommunikationspro-zessen, die initiiert, moderiert und institutionalisiert<br />
werden müssen. Gerade für den Bereich des<br />
Einsatzdienstes, der sich vom sog. Tagesdienst durch seine<br />
Schichtdienst-Zeitstruktur unterscheidet, <strong>ist</strong> dies kein trivialer<br />
Tatbestand; hier <strong>ist</strong> es außerordentlich schwierig, eine<br />
ausreichend dicht getaktete Regelkommuni-kation zu institutionalisieren,<br />
die den Prozess des „sensemaking“ wirkungsvoll<br />
unterstützt. Die vorgestellte Methode des<br />
Dienstgruppenleiters <strong>ist</strong> also bezogen auf die besonderen<br />
Arbeitsbedingungen des Einsatzdienstes sehr brauchbar. 5<br />
„Identity“: Ein wesentliches Merkmal der Poliz<strong>ist</strong>enkultur<br />
(vgl. Behr 2000) <strong>ist</strong> es, dass das sog. „polizeiliche Gegenüber“<br />
(stereo-)typisiert wird. <strong>Der</strong> tiefer liegende Grund für<br />
diese Stereotypisierung <strong>ist</strong> die Gewährle<strong>ist</strong>ung der eigenen<br />
beruflichen Identität und die Reduktion situativer Komplexität<br />
auf ordnungsstiftende Interventionsformate. Gerade<br />
aber im Kontext konsequenter Gemeinwesensorientierung<br />
und der o.g. „peace keeping“ – Aufgabe können solche Stereotypisierungen<br />
zum Problem werden. Operative Führungskräfte<br />
haben dann die Aufgabe, diesen reflexartigen<br />
Typisierungen entgegenzuwirken, um alternativen Erklärungsmustern<br />
(die die lebensweltliche Situation des polizeilichen<br />
Gegenübers reflektieren) eine Chance zu geben.<br />
Auf diese Weise kann „Cop-Culture-Identity“ in eine professionelle<br />
Identität transformiert werden.<br />
„Retrospect“: Nach Weick sollten Führungskräfte Kommunikationsräume<br />
eröffnen, damit es den Mitarbeitern gelingt,<br />
redend festzustellen, was sie denken. Die hier<br />
vorgestellte Methode des Dienstgruppenleiters ermöglicht<br />
in exemplarischer Weise die Reflexion nach dem Motto:<br />
„Wie kann ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was<br />
ich sage!“.<br />
„Cues“: Eine weitere Interventionsform im Rahmen des professionellen<br />
Sensemaking <strong>ist</strong> die Erweiterung des Glossars<br />
der Einsatzbeamten. Die Deutung der Außen- und Binnenwelt<br />
kr<strong>ist</strong>allisiert i.d.R. um einige zentrale Begriffe, die das<br />
bereichskulturelle Denkgebäude kennzeichnen. Führungskräften<br />
kommt hier die Aufgabe zu, dieses Glossar zu erweitern,<br />
neue Begriffe einzuspeisen und damit alternative<br />
Perspektiven auf die polizeilichen Probleme zu ermöglichen.<br />
„Ongoing“: Damit wird deutlich gemacht, dass der Prozess<br />
professioneller Wissensgenerierung und Reflexion nicht abgeschlossen<br />
oder auf eine einmalige Intervention reduziert<br />
werden darf. Zu stark sind die Wirkungen aus der polizeilichen<br />
Aufgabenstellung, der einsatztypischen Arbeitsweise<br />
und der Gruppendynamik der Dienstgruppe, die einer Zerstreuung<br />
und Verflüchtigung des Dienstwissens Vorschub<br />
le<strong>ist</strong>en.<br />
„Plausible“: Narratives Wissensmanagement zielt nicht nur<br />
auf die Verdichtung des Dienstwissens, sondern zugleich<br />
auch auf seine Qualifizierung durch Reflexion. In diesem<br />
Sinne <strong>ist</strong> die schnelle – gerade im Einsatzbereich einsozialisierte,<br />
„ergebnisorientierte“ Denk- und Handlungsweise<br />
– zu verlangsamen, zu überprüfen und aufgabenbezogen<br />
zu verändern. Die Aufgabe des gemeinwesensorientierten<br />
„peace keeping“ braucht eine polizeiliche Professionalität,<br />
die neben dem engagierten Handeln auch über mehrperspektivisches<br />
Verstehen verfügt.<br />
„Enactment“: Sinnstiftung als zentrale Aufgabe der Führungskräfte<br />
bedeutet nach Weick: „Help people keep mo-<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 43
ving and keep paying attention!“ Für Führungskräfte in der<br />
Polizei, einer sehr hierarchischen Organisation, sicher eine<br />
Zumutung: einerseits <strong>ist</strong> die klare Ansage gefördert (und<br />
nicht zuletzt von den Mitarbeitern selbst), zugleich soll im<br />
Zuge einer stärkeren Gemeinwesensorientierung ein reflexiver<br />
und achtsamer Professionalisierungsprozess in Gang<br />
gehalten werden.<br />
Wenn man die von Weick benannten Ressourcen und Interventionsformen<br />
der operativen Führungskräfte in das Konzept der Prozessorganisation<br />
einordnet, dann handelt es sich um Aufgaben der<br />
Mikroebene. Damit ein narratives Wissensmanagement auf dieser<br />
Ebene nicht nur insulär, sondern in breiterer Form greifen kann,<br />
braucht es auf der darüber liegenden Mesoebene eine Führungskultur,<br />
die die Eigenlogik der Mikroebene versteht und den Prozess der professionellen<br />
Wissensgenerierung fördert und unterstützt. Werden der<br />
gehobene Dienst und seine Führungskräfte jedoch lediglich als sog.<br />
„Transmissionsriemen“ behördlicher oder dienststellenbezogener<br />
Ziele und Strategien verstanden, dann wird genau das passieren, was<br />
in den vielen Projekten der Neuen Steuerung in der Polizei passierte.<br />
<strong>Der</strong> naive Manageralismus glaubte, sich als konkurrenzlose Universalvernunft<br />
bis in die letzte Kapillare polizeilichen Alltagshandeln<br />
durchsetzen kann. <strong>Der</strong> Effekt war: <strong>Der</strong> gehobene Dienst und seine Führungskräfte<br />
koppeln sich ab, die Logik des Managements und die<br />
Logik professionellen Deutens und Handeln fallen auseinander - der<br />
manageriale Neobürokratismus reproduziert in verschärfter Form die<br />
Glasdecke zwischen gehobenen und höheren Dienst in der Polizei.<br />
Organisationsentwicklung im Sinne der Prozessorganisation und<br />
eines für die Gemeinwesensorientierung der Polizei tauglichen Wissensmanagement<br />
<strong>ist</strong> also anspruchsvoller. Neben der Managementperspektive<br />
auf der Makro- und der Mesoebene muss ein<br />
Wissensmanagement treten, das sich um das leicht irritierbare, potentiell<br />
flüchtige Dienstwissen bemüht. Es bedarf der permanenten<br />
Anstrengung und des Mutes zu experimentieren, um die fragile Kopplung<br />
zwischen Manangement und Handlungslogik der Praxis ( man<br />
kann auch sagen zwischen Organisation und Arbeit) immer wieder<br />
herstellen. Managen allein reicht nicht aus, um das praktische Handeln<br />
der Polizei wirkungsvoll auszurichten. Notwendig <strong>ist</strong> vielmehr<br />
ein Führungsverständ-nis, das Managen und Organisationsentwicklung<br />
(im Sinne eines Weik`schen Sensemaking-Prozesses) integriert.<br />
Wie dieses als Dienststellen- oder Behördenstrategie ermöglicht werden<br />
könnte, <strong>ist</strong> allerdings eine ganz eigene Problematik.<br />
Wir danken der Polizei für Ihren Kampf gegen die Drogenkriminalität<br />
Nürnberg<br />
44 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Literatur<br />
Argyris, C. (1996): Wissen in Aktion – eine Fallstudie zur lernenden Organisation,<br />
Stuttgart<br />
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der Polizei Bremens; in: Barthel, C. (Hg.): Qualitätsmanagement in der<br />
Polizei – Praxis, Konzepte, methodische Weiterentwicklung, Schriftenreihe<br />
der Deutschen Hochschule der Polizei 2/2007, 96-114<br />
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Frankfurt/Oder, in: Barthel, C. (Hg): Qualitätsmanagement in der<br />
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Schriftenreihe der Deutschen Hochschule der Polizei 2/2007, 96-114<br />
Reimann, G./Vohle, F. (2006): Erzählen und Zuhören; in: Personalführung 1/2006,<br />
70-80<br />
Ritsert, R./Müller, R. (2007): Qualitätsverbesserung durch Audits – Überwachung,<br />
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Polizei – Praxis, Konzepte, methodische Weiterentwicklung,<br />
Schriftenreihe der Deutschen Hochschule der Polizei, 2/2007, 96-114<br />
Schnelle, W. (2006): Diskursive Organisations- und Strategieberatung, Quickborn<br />
Schreyögg, G. (2003): Organisation, Wiesbaden<br />
Schreyögg, G. (2002): Kann implizites Wissen Wissen sein – Vorschläge zur<br />
Neuorientierung von Wissensmanagement, Diskussionsbeiträge des<br />
Institutes für Management 14/2002<br />
Stehr, J. Narrationsanalyse von Moralgeschichten; in: Forum für qualitative<br />
Sozialforschung, Themenband: qualitative Kriminologie,<br />
www.qual.research.net<br />
Steinmüller, W. (1993): Informationstechnologie und Gesellschaft, Darmstadt<br />
Strasser, H. (2004): „Das da draußen <strong>ist</strong> Zoo und wir sind die Dompteure“: Poliz<strong>ist</strong>en<br />
im Konflikt mit ethnischen Minderneiten und sozialen Randgruppen,<br />
DFG-Forschungsbericht<br />
Weick, K.E./Sutcliff, K. (2003): Das Unerwartete managen, Stuttgart<br />
Weick, K. E. (2005): Leadership – When Events Don`t play By the Rules; in: profile/09/2005, 5-7
Wir danken der Polizei für Ihren Kampf gegen die Drogenkriminalität<br />
Nürnberg<br />
Ihre Sicherheit.<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 45
Schweinfurt<br />
Reichsstadt, Industrie und Kunst<br />
Ist heutzutage die Rede von Schweinfurt als Industrie-<br />
und Arbeiterstadt, so meint man nicht das<br />
Flair der Stadt, vielmehr spricht man von ihren<br />
Wurzeln. Diese Wurzeln sind gegenwärtig, ebenso<br />
die Bedeutung Schweinfurts als eine der rund 50<br />
ehemaligen Freien Reichsstädte.<br />
<strong>Der</strong> besondere Status der Reichsstädte war die<br />
Reichsfreiheit, die sie nur dem Kaiser untertan<br />
machte. Diese Sonderstellung endete durch den<br />
sog. "Reichsdeputationshauptschluss" 1802/1803.<br />
So lassen sich zahlreiche Zeugnisse der wechselvollen<br />
1.200-jährigen Geschichte besichtigen.<br />
Einem bunten Mosaik gleich steht moderne Architektur<br />
neben Bauwerken vergangener Jahrhunderte.<br />
Durch die Straßen weht der Ge<strong>ist</strong> der alten<br />
Industriepioniere, die Lebensfreude der freien<br />
Reichsbürger und der frische Wind der Gegenwart.<br />
Besucher werden eingeladen Schweinfurt immer<br />
wieder neu zu entdecken.<br />
Sehenswürdigkeiten<br />
Schweinfurter<br />
Rathaus<br />
An der Südseite des Marktplatzes steht mit dem h<strong>ist</strong>orischen Rathaus<br />
das wohl bedeutendste und schönste Gebäude�der Stadt. Es wurde<br />
in den Jahren 1570-1572 von Nikolaus Hofmann (Halle/Saale) erbaut<br />
und gilt als eines der wichtigsten profanen Renaissance-Bauwerke<br />
Süddeutschlands. Doch auch Elemente der Spätgotik klingen in der<br />
Architektur noch an. Wie durch ein Wunder überstand das Schweinfurter<br />
Rathaus sämtliche Katastrophen und Kriege der Jahrhunderte<br />
– vom Dreißigjährigen Krieg bis zu den Bombennächten der vierziger<br />
Jahre. Die Zerstörungen des Rathauses durch den großen Rathausbrand<br />
von 1959, bei dem der Dachstuhl in Brand geriet und weite<br />
Teil des oberen Stockwerks zerstört wurden, wurde schnell wieder<br />
beseitigt und heute erinnert nur das durch den Brand entdeckte und<br />
anschließend freigelegte Fachwerk im Inneren des Rathauses und die<br />
neuen Giebelfiguren an die verheerenden Ereignisse von Damals. Im
Inneren des Rathauses sind neben dem freigelegten Fachwerk, Wandteppiche,<br />
Gemälde, Wappen, Holzschnitzereien und verschiedene<br />
Kunstwerke zu betrachten.<br />
Vor seiner Verwendung als Rathaus im 16. Jahrhundert war an der<br />
Stelle von diesem ein Kaufhaus zu finden. Schon immer war also die<br />
Südseite des Markplatzes ein belebter Ort und so beleben auch heute<br />
noch wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen das Rathaus<br />
und seine Rathausdiele. Im Standesamt mit dem h<strong>ist</strong>orischen Trausaal,<br />
lassen sich jährlich viele Hochzeitspaare im h<strong>ist</strong>orischen Am-<br />
biente trauen. <strong>Der</strong> Stadtrat der Stadt Schweinfurt tagt auch heute<br />
noch im großen Sitzungssaal des h<strong>ist</strong>orischen Rathauses. Das me<strong>ist</strong>fotografierte<br />
Gebäude der Stadt, das wie kein anderes die reichsstädtische<br />
Vergangenheit Schweinfurts dokumentiert, <strong>ist</strong> also nach wie<br />
vor ein zentraler Ort des urbanen Lebens.<br />
Bei der Außenansicht des Rathauses kann man das schöne architektonische<br />
Gesamterscheinungsbild auf sich wirken lassen. Bei genauerer<br />
Betrachtung sind Giebelfiguren und Spitzgauben zu erkennen.<br />
Die Giebelfiguren wurden nach dem Rathausbrand 1959 von unterfränkischen<br />
Bildhauern<br />
neu erstellt. Die Figuren<br />
wurden nach Themen,<br />
wie den Jahreszeiten, der<br />
Schweinfurter Industrie<br />
oder den Tugenden Weisheit,<br />
Stärke und Gerechtigkeit<br />
gefertigt. Besonders<br />
bei Sonnenschein<br />
leuchten die goldenen<br />
Elemente der Figuren und<br />
stellen einen Blickfang<br />
dar.<br />
<strong>Der</strong> an das h<strong>ist</strong>orische<br />
Rathaus anschließende<br />
Neubau aus den 1960er<br />
Jahren beherbergt heute<br />
die Stadtverwaltung. <strong>Der</strong><br />
Bau war damals nötig,<br />
um die verschiedenen<br />
Stellen der Verwaltung<br />
an einem Ort versammeln<br />
zu können.<br />
<strong>Der</strong> Innenhof des Rathauses<br />
mit seinem blumengeschmückten<br />
Brunnen<br />
in Form einer großen<br />
Schale und der in Ihm<br />
sprudelnden Fontäne lädt<br />
zum Verweilen ein.<br />
Das Schweinfurter<br />
Renaissance-Rathaus<br />
wurde in den Jahren<br />
1570-1572 von Nikolaus<br />
Hofmann<br />
(Halle/Saale) erbaut<br />
und gilt als eines der<br />
wichtigsten profanen<br />
Renaissance-BauwerkeSüddeutschlands.<br />
1955 moderner Erweiterungsbau<br />
von<br />
Fred Angerer
Schloss Werneck<br />
Ehem. fürstbischöfliches Sommerschloss<br />
Werneck, neben Veitshöchheim eine der beiden Sommerresidenzen der<br />
Würzburger Fürstbischöfe, <strong>ist</strong> an einem Knie des Wernflüsschens zwischen<br />
Würzburg und Schweinfurt gelegen. Als Jahr der ersten urkundlichen<br />
Erwähnung von Werneck datiert laut Staatsarchiv Würzburg eine<br />
Urkunde von 1223 August 10. Die päpstliche Bestätigung der Schenkung<br />
des Bodo von Ravensburg von 1223 April 9. Zwischen 1224 und 1250<br />
teilten sich zunächst der Deutsche Orden und später Konrad von Reichenberg<br />
sowie Konrad von Schmiedefeld den Besitz, bis er schließlich<br />
an das Hochstift Würzburg überging. Nachdem die Burg im sog. Bauernkrieg<br />
1525 verwüstet sowie von Markgraf Albrecht Alkibiades im Jahr<br />
1553 eingenommen und niedergebrannt worden war, wurde sie unter<br />
Fürstbischof Julius Echter im Jahr 1601 wieder aufgebaut. Diese Anlage<br />
brannte 1723 erneut ab und wurde 1724 notdürftig instandgesetzt.<br />
Das heutige Schloss wurde von Fürstbischof Friedrich Karl von Schönborn<br />
(1729-1746) durch Balthasar Neumann in den Jahren 1733 bis 1745 erbaut.<br />
Gerade ein halbes Jahrhundert diente Werneck den Würzburger Fürstbischöfen<br />
als Sommerresidenz, die nach Georg Dehio „die Verbindung<br />
einer fürstlichen maison de plaisance mit den Baulichkeiten eines Hofgutes<br />
zu einer großzügigen Komposition“ darstellte. Am 28. November 1802 entließ<br />
der letzte Fürstbischof von Würzburg, Georg Karl von Fechenbach, in<br />
Werneck seine Untertanen aus ihrer Treueverpflichtung und empfahl sie<br />
gleichzeitig dem neuen Landesherrn Kurfürst Maximilian von Bayern.<br />
Während der Regierungszeit des Großherzogs Ferdinand von Toskana<br />
diente Werneck zwischen 1806 und 1814 noch einmal als Sommerschloss.<br />
Wie in der Würzburger Residenz ließ der neue Regent auch in<br />
Werneck durch seinen „Baudirecteur“ Nicolas de Salins des Montfort<br />
die Haupträume im antikisierenden Geschmack der „Toskana-Zeit“ umgestalten.<br />
Die nachhaltigsten Veränderungen erfuhr das Schloss jedoch seit seiner<br />
Verwendung als Bezirkskrankenhaus ab 1853. Nach dem Umbauprogramm<br />
des Kgl. Regierungs- und Kreismedizinalrates Dr. Schmidt entwarf<br />
der Kgl. Bauinspektor Mack die Pläne zum Um- und Ausbau des Schlosses.<br />
Am 1. Oktober 1855 konnte die Heil- und Pflegeanstalt Werneck<br />
unter ihrem ersten Direktor, Dr. Bernhard von Gudden, ihre Arbeit aufnehmen.<br />
Unter seiner Ägide wurden eine Wandelhalle zwischen den beiden<br />
Türmen und eine Küche im Ehrenhof errichtet, die erst 1967 wieder<br />
abgebrochen worden sind, und, als eine Art Arbeitstherapie, wurde von<br />
den Anstaltsinsassen der See im Park angelegt. Man gestaltete den barocken<br />
Fasanengarten zu einer Anlage im englischen Landschaftsstil um<br />
und passte die Räume im Innern den Bedürfnissen eines Krankenhauses<br />
an, denen vor allem das barocke Treppenhaus geopfert wurde. Zahlreiche<br />
Anbauten und Erweiterungen entstanden bis in unsere Tage in dem weitläufigen<br />
Areal des Schlossparkes.<br />
Foto: Michael Stahl/pixelio.de
Schloss Werneck - Innenhof mit Brunnen<br />
Heute <strong>ist</strong> in dem Schloss ein Psychiatrisches Krankenhaus mit<br />
einer Abteilung Forensik mit insgesamt 290 Betten und eine<br />
Orthopädische Klinik mit 153 Betten untergebracht (Krankenpflegeschule).<br />
Durch diese Einrichtungen des Bezirks Unterfranken<br />
wird die weiträumige Anlage sinnvoll genutzt.<br />
Foto: z.cochrane<br />
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Schrotturm<br />
Erster industrieller<br />
Hochbau der Stadt<br />
Die Schrotturmanlage, zu der einmal eine Schrotfabrik gehörte, wird<br />
als der erste "industrielle Hochbau" der Stadt bezeichnet. Ehemals<br />
als Rüfferturm bezeichnet, diente er als Treppenturm für ein zweiflügeliges<br />
Renaissance-Wohnhaus.<br />
Für die Zwecke der Schrotfabrikation wurde im 19. Jahrhundert an der<br />
Turm-Südseite ein achtstöckiger quadratischer Schrotschacht angebaut<br />
und der Turm so um 4 Geschosse erhöht.<br />
Flüssiges Blei wurde durch ein Sieb hindurchgeschüttet, dass sich im<br />
freien Fall zu perfekten Kugeln formte. Am Boden wurden diese Bleikugeln<br />
dann in einem Bottich mit kaltem Wasser aufgefangen. Heute<br />
<strong>ist</strong> der Schrotturm einer der letzten drei erhaltenen Schrottürme überhaupt<br />
in Deutschland. Mit seiner herausstechenden Höhe bildet er das<br />
Wahrzeichen der südlichen Altstadt.<br />
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Rückert Denkmal<br />
<strong>Der</strong> Dichter und Oriental<strong>ist</strong>, dessen Geburtshaus an der Südost-Ecke<br />
des Marktplatzes steht, überblickt schon seit 1890 das Treiben auf<br />
dem belebten Platz.<br />
Auf dem Marktplatz erhebt sich das Denkmal eines der berühmtesten<br />
Söhne der Stadt – Friedrich Rückert. <strong>Der</strong> Dichter und Oriental<strong>ist</strong>, dessen<br />
Geburtshaus an der Südost-Ecke des Marktplatzes steht, überblickt<br />
schon seit 1890 das Treiben auf dem belebten Platz. Das<br />
Denkmal wurde vom Architekten Friedrich Ritter von Thiersch und<br />
dem Bildhauer Wilhelm von Rühmann geschaffen. Zu Füßen des<br />
bronzenen Rückerts befinden sich allegorische Figuren aus seinen<br />
Werken, "Geharnischte Sonette" und "Weisheit des Brahmanen".<br />
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Luft. Das Weihnachtsfest steht vor der Tür. Vor der festlichen<br />
Kulisse des h<strong>ist</strong>orischen Rathauses bietet der<br />
Schweinfurter Weihnachtsmarkt ein attraktives Warenangebot<br />
mit leuchtenden weihnachtlichen Geschenkideen<br />
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Unterhaltungsprogramm für alle Altersgruppen stellt<br />
er den Treffpunkt der Region dar. Natürlich <strong>ist</strong> auch dieses<br />
Jahr wieder ein Gewinnspiel einer der Höhepunkte des<br />
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Riskante Modernisierung<br />
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in der Polizei<br />
Von Jochen Chr<strong>ist</strong>ie-Zeyse<br />
Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse, Jochen, Dr. rer. soc.<br />
Jahrgang 1957, Studium der Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre<br />
und Zeitgeschichte in Tübingen und Denver (Colorado).<br />
Mehrjährige Tätigkeit für Abgeordnete verschiedener Parlamente<br />
im In- und Ausland. Persönlicher Referent des baden-württembergischen<br />
Innenmin<strong>ist</strong>ers, Lehraufträge u. a. an der Universität Tübingen<br />
und der Fachhochschule Ludwigsburg. 1999 bis 2008<br />
Dozent für Führungslehre und Management an der Polizei-Führungsakademie<br />
bzw. der Deutschen Hochschule der Polizei in<br />
Münster-Hiltrup. Seit 2008 Vizepräsident der Fachhochschule der<br />
Polizei des Landes Brandenburg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu<br />
Fragen des Managements in der Polizei.<br />
Einen Teil der öffentlichen Verwaltung durch die Einführung betriebswirtschaftlicher<br />
Managementinstrumente modernisieren zu wollen,<br />
stößt vor allem dann auf Schwierigkeiten, wenn diese Veränderungsbemühungen<br />
auf eine starke Organisationskultur und damit auch auf<br />
eine ausgeprägte professionelle Identität treffen. Solche Organisationskulturen<br />
tendieren dazu, sich gegen Managementinterventionen<br />
zur Wehr zu setzen, und es <strong>ist</strong> in der Regel sehr schwer, die Denkund<br />
Verfahrensweisen des Managementparadigmas mit den etablierten<br />
und sehr wirkungsmächtigen Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmustern<br />
solcher Professionskulturen in Übereinstimmung zu<br />
bringen. Wer glaubt, bei der Verwaltungsreform und bei der Einführung<br />
Neuer Steuerungsinstrumente darüber hinweggehen zu können,<br />
wird scheitern.<br />
Einleitung<br />
Die Modernisierung der deutschen Polizei nach der Philosophie des<br />
„Neuen Steuerungsmodells“ steckt in der Krise. Schaut man sich an,<br />
wie sich die Protagon<strong>ist</strong>en der Verwaltungsreform Mitte der 90er<br />
Jahre ein modernes Management in der Polizei vorgestellt haben,<br />
und vergleicht dies mit dem heutigen Ist-Stand, macht sich Ernüchterung<br />
breit: Zwar gibt es zweifellos in einigen Behörden recht ambitionierte<br />
und professionell organisierte Projekte, die vieles von dem<br />
umsetzen bzw. umgesetzt haben, was an Neuen Steuerungsinstrumenten<br />
vorhanden <strong>ist</strong>: Controlling, Budgetierung, Kostenrechnung,<br />
Benchmarking, Strategieentwicklung, Qualitäts- und Prozessmanagement,<br />
um nur einige zu nennen. Doch kann man in vielen Behörden<br />
auch eine deutlich weniger ambitionierte Praxis beobachten, die viel-<br />
56 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
leicht in Teilen mit einigen Steuerungsinstrumenten auch wirklich<br />
arbeitet, in Teilen nur so tut, als ob sie damit arbeitet<br />
(damit die Aufsichtsbehörde nicht meckert), und in Teilen die<br />
entsprechenden Vorgaben von oben schlicht ignoriert, weil es<br />
– so die oft gehörte Begründung – „ja doch nichts bringt“.<br />
Und selbst die gut konzipierten und professionell<br />
umgesetzten Projekte leiden häufig unter einem<br />
entscheidenden Mangel: Sie sind in der großen<br />
Mehrheit der Fälle an Personen gebunden, und<br />
zwar an ambitionierte und kompetente Führungskräfte,<br />
die es geschafft haben, in ihrem<br />
Zuständigkeitsbereich mit ihren Mitarbeitern<br />
gemeinsam neue Wege zu beschreiten,<br />
alte Beamtenroutinen zu überwinden,<br />
Strategien zu entwickeln und damit<br />
auch wirklich Fortschritte zu erzielen.<br />
Doch zeigt ein Blick in die Praxis<br />
immer wieder das gleiche Bild:<br />
Wenn diese Führungskräfte gehen,<br />
bleibt oft wenig übrig. Und wenn<br />
ihre Nachfolger eine ganz andere<br />
(oder auch gar keine) Agenda verfolgen,<br />
sterben solche Projekte oft<br />
einen stillen Tod.<br />
Fragestellung<br />
<strong>Der</strong> vorliegende Artikel geht der Frage<br />
nach, warum der Versuch der Verwaltungsmodernisierung<br />
in der Polizei auf<br />
derartige Schwierigkeiten stößt. Die zentrale<br />
Variable bei dieser Art von Veränderungsprozess<br />
<strong>ist</strong> die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />
die – so die Ausgangsprämisse – in<br />
einem bestimmten Typus von Organisation die<br />
entscheidende Voraussetzung dafür <strong>ist</strong>, dass<br />
derartige Veränderungen auch tatsächlich die<br />
mit ihnen verbundenen Ziele erreichen. Um<br />
einen solchen Typus handelt es sich bei Organisa-
tionen, in denen zum einen die Qualität des Outputs entscheidend<br />
von der Professionalität und dem Engagement der Mitarbeiter abhängt,<br />
und in denen man zum anderen auch Mitarbeiter nicht einfach<br />
entlassen oder durch Entlassungsdrohungen disziplinieren kann,<br />
wenn sie den Veränderungsprozess nicht akzeptieren. Das <strong>ist</strong> überall<br />
dort der Fall, wo eine aufwändig ausgebildete und mit einer starken<br />
professionellen Identität ausgestattete Berufsgruppe im öffentlichen<br />
Auftrag ihrer Arbeit nachgeht und nur schwer zu ersetzen <strong>ist</strong>. Beispiele<br />
hierfür sind etwa Lehrer, Offiziere, Sozialarbeiter, Krankenhausärzte,<br />
Fluglotsen, Sanitäter, Feuerwehrleute oder – wie in unserem<br />
Fall – Polizeibeamte. 1<br />
Die Datenbasis<br />
Die vorliegende Analyse stützt sich im Wesentlichen auf die Erkenntnisse<br />
aus einer mittlerweile fast achtjährigen intensiven Beschäftigung<br />
mit den Möglichkeiten, eine Organisation wie die Polizei durch die<br />
Einführung betriebswirtschaftlicher Managementmethoden zu modernisieren.<br />
Die dabei formulierten Hypothesen stammen zum einen<br />
aus einer Vielzahl von Diskussionen mit Polizeibeamten des gehobenen<br />
und höheren Dienstes auf Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen<br />
an der Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol, der früheren<br />
Polizei-Führungsakademie), zum anderen aus einem Forschungsprojekt,<br />
das zum Ziel hat, den Prozess der Verwaltungsmodernisierung<br />
in der deutschen<br />
Polizei zu untersuchen und herauszubekommen,<br />
welche Faktoren erfolgskritisch<br />
sind und wo die Gründe für<br />
die genannten Schwierigkeiten liegen.<br />
In der ersten Phase dieses<br />
Forschungsprojekts wurden zusammen<br />
mit der Erasmus-Universität<br />
Rotterdam und dem aus der<br />
Universität Osnabrück hervorgegangenen<br />
Institut für wirtschaftspsychologische<br />
Forschung und Beratung<br />
GmbH (IwFB) knapp einhundert<br />
Ratsanwärterinnen und<br />
Ratsanwärter an der Polizei-<br />
Führungsakademie nach<br />
ihren Erfahrungen mit Veränderungsprozessen<br />
in der<br />
Polizei befragt. Dabei<br />
wurde der teilstrukturierte Interviewleitfaden<br />
„Change Explorer“<br />
mit insgesamt 49 Fragen zugrunde gelegt, der<br />
am IwFB entwickelt worden war (Greif et al. 2002).<br />
Die Einzelinterviews wurden auf Band aufgenommen,<br />
nach einem detaillierten Schema codiert und<br />
mit SPSS quantitativ ausgewertet. Die Einzelinterviews<br />
werden darüber hinaus auch<br />
noch nach qualitativen Kriterien analysiert<br />
– ein Prozess, der allerdings noch<br />
nicht abgeschlossen <strong>ist</strong> (Jacobs et al.<br />
2004 und 2007). Die zweite Phase des<br />
Forschungsprojekts wurde ohne externe<br />
Beteiligung durchgeführt; dabei wurden in<br />
rund 30 Gruppen- und 50 Einzelgesprächen<br />
die Veränderungsprozesse in fünf verschiedenen<br />
Polizeibehörden untersucht, wobei die Be-<br />
Foto: Arno Bachert/pixelio.de<br />
fragten sowohl in den Gruppen- als auch in den Einzelinterviews die<br />
Möglichkeit hatten, ihre Wahrnehmung des Veränderungs- prozesses<br />
sowie ihre Deutungen und Bewertungen in einem vergleichsweise<br />
freien Dialog zum Ausdruck zu bringen. Die Einzelgespräche wurden<br />
auf Band aufgenommen, abgeschrieben und gemeinsam mit den Notizen,<br />
die während und nach den Gesprächen angefertigt wurden,<br />
nach den Regeln der qualitativen Sozialforschung ausgewertet.<br />
Ausgangshypothese<br />
Die Frage, warum der Versuch, den öffentlichen Dienst zu modernisieren,<br />
so viel schwerer zu sein scheint als angenommen, wird in der<br />
öffentlichen Diskussion, in Medien und Politik oft mit einem Hinweis<br />
auf die generelle Veränderungsfeindlichkeit des öffentlichen Sektors<br />
beantwortet, was dann fallweise noch ergänzt werden kann durch<br />
Verweise auf die starke Lobbymacht der Beamten und/oder eine offenbar<br />
dem deutschen Nationalcharakter innewohnende grundsätzliche<br />
Abneigung gegen Reformen. Auch wenn in diesen Hypothesen<br />
ein erklärungskräftiger Kern enthalten sein mag, so befriedigen solche<br />
Ansätze doch nur eingeschränkt, denn zum einen kann mit gleichem<br />
Recht die These aufgestellt werden, dass die allerme<strong>ist</strong>en<br />
Menschen – unabhängig von ihrer Branchenzugehörigkeit oder ihrer<br />
Nationalität – Veränderungen in ihren Lebens- und Arbeitsumständen<br />
nur dann bereit sind zu akzeptieren, wenn der Leidensdruck einen<br />
gewissen Wert überschritten hat, und zum anderen zeigt ein Blick in<br />
die neuere deutsche Geschichte, dass gerade auch der öffentliche<br />
Dienst in den vergangenen drei Jahrzehnten ein Maß an Veränderungen<br />
hat über sich ergehen lassen, das es schwer macht, ihm in<br />
Bausch und Bogen eine undifferenzierte und grundsätzliche Veränderungsfeindlichkeit<br />
zu attestieren. Doch wie lässt sich dann erklären,<br />
dass einige Veränderungen wenn nicht leicht, so aber doch ohne größere<br />
Friktionen über die Bühne zu gehen scheinen (man denke mit<br />
Bezug auf die Polizei etwa an die vielfältigen Organisations-veränderungen<br />
in den vergangenen Jahren, die Neuorganisation des Bundesgrenzschutzes,<br />
aber auch an die Einführung der elektronischen<br />
Datenverarbeitung oder an die – zumindest in der Anfangszeit bei<br />
vielen Beamten sehr umstrittene – Öffnung der Schutzpolizei für<br />
Frauen), während andere Veränderungen auf sehr grundsätzliche und<br />
hartnäckige Vorbehalte unter den Organisations-mitgliedern stoßen<br />
und vor allem wegen dieser Vorbehalte ins Stocken geraten? Die Hypothese,<br />
die im Folgenden belegt werden soll, lautet: Das Maß an<br />
Reaktanz, das Angehörige bestimmter Professionskulturen gegenüber<br />
Veränderungen in ihrer Organisation zeigen, hängt in erster Linie<br />
von der Frage ab, ob die geplante Veränderung, die mit ihr bezweckten<br />
Ziele sowie die hinter ihr stehende Philosophie kulturkompatibel<br />
sind oder nicht. Sind sie das, wird auch eine erhebliche Veränderung,<br />
selbst wenn sie sehr stark in die bisher praktizierte Art der Aufgabenerledigung<br />
oder sogar in die individuellen Lebensumstände des<br />
Organisationsmitglieds eingreift, irgendwann akzeptiert – nicht gerne<br />
vielleicht und zähneknirschend, aber irgendwann dann doch. Doch<br />
wenn die Philosophie, die hinter einem Veränderungsprozess steht,<br />
mit wesentlichen Kernbeständen der Organisationskultur und der<br />
professionellen Identität kollidiert, wehren sich die Organisationsmitglieder<br />
mit einer Intensität dagegen, die es eher unwahrscheinlich<br />
macht, dass die mit der Veränderung intendierten Ziele erreicht werden.<br />
Doch nach welchen Kriterien bemisst sich das Maß an Kulturkompatibilität<br />
eines Veränderungsprozesses in der Polizei? Um diese<br />
Frage zu beantworten, <strong>ist</strong> es erforderlich, sich mit der Argumentation<br />
der Organisationsmitglieder auseinander zu setzen und dabei der<br />
spezifischen Rationalität auf die Spur zu kommen, die das Wahrnehmen,<br />
Denken und Handeln der Menschen im Kontext einer solchen<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 57
Organisationskultur maßgeblich bestimmt. Diese organisationskulturell<br />
geprägten und verfestigten Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensmuster<br />
sind so grundlegend und damit konstitutiv für das<br />
Funktionieren einer Organisation, dass es gerechtfertigt <strong>ist</strong>, in diesem<br />
Zusammenhang von einem organisationalen Paradigma zu sprechen.<br />
Das Konstrukt des<br />
organisationalen Paradigmas<br />
Unter dem Begriff des „organisationalen Paradigmas“ verstehe ich<br />
unter (teilweisem) Rückgriff auf den Kuhnschen Paradigmenbegriff<br />
eine Konstellation von fest etablierten, allgemein akzeptierten und<br />
bewährten Verfahrensweisen, Standards und Regeln, die für ein soziales<br />
System – in unserem Fall für die Organisation als Ganzes –<br />
prägend <strong>ist</strong> (Kuhn 2006). Organisationale Paradigmen bilden damit<br />
die Grundlage für generalisierte Lösungswege, mit denen die Organisation<br />
nach einem einigermaßen einheitlichen Muster auf unterschiedliche<br />
Fragestellungen reagieren kann. Jedes organisationale<br />
Paradigma verfügt dabei über eine ganz eigene innere Logik, bestehend<br />
aus bestimmten Prämissen und daraus abgeleiteten, in sich<br />
stimmigen Wenn-Dann-Annahmen. Paradigmen in einem weiteren<br />
Sinne lassen sich ja auch bezeichnen als „die Art und Weise, wie wir<br />
die Welt sehen“, was bezogen auf die Organisation bedeutet, dass<br />
das organisationale Paradigma uns die grundsätzlichen Prämissen<br />
benennt, nach denen die Organisation mit Fragestellungen und Problemen<br />
umgeht bzw. umgehen sollte. Oft kann man davon ausgehen,<br />
dass eine Organisation eine spezifische und dominante Organisationskultur<br />
und damit auch ein zentrales Paradigma hat, nach dem sie<br />
funktioniert. Das <strong>ist</strong> etwa der Fall bei Unternehmen der Privatwirtschaft,<br />
die in dieser Beziehung vergleichsweise einfach zu verstehen<br />
und zu beschreiben sind. 2<br />
Bei einer Organisation wie der Polizei <strong>ist</strong> dies anders, denn die Polizei<br />
steht wie kaum eine andere Organisation in einem Kraftfeld unterschiedlicher<br />
Ansprüche, was sich im gleichzeitigen Vorhandensein<br />
zweier nahezu gleich starker Paradigmen ausdrückt: zum einen des<br />
stark jur<strong>ist</strong>isch und auf die Einhaltung formaler Regeln ausgerichteten<br />
Paradigmas der Bürokratie und zum anderen eines spezifisch polizeilichen<br />
Professionsparadigmas, welches die professionellen<br />
Routinen sowie die Standards für „gute Polizeiarbeit“ definiert und<br />
das Verhalten der Beamtinnen und Beamten im täglichen Dienst<br />
maßgeblich beeinflusst. Die Verwaltungsmodernisierung im Zuge der<br />
Neuen Steuerung kann vor diesem Hintergrund verstanden werden<br />
als der Versuch, zusätzlich zu diesen beiden zentralen Paradigmen<br />
ein drittes Paradigma zu installieren: das Paradigma eines betriebswirtschaftlich<br />
ausgerichteten Managements.<br />
Im Folgenden sollen die drei genannten organisationalen Paradigmen<br />
mit Bezug auf die Polizei dargestellt werden. Dabei konzentriert sich<br />
die Darstellung auf die im Kontext dieser Paradigmen geltenden<br />
Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungslogiken, denn diese bestimmen,<br />
was in dem jeweiligen Kontext als rationales Verhalten gilt. 3<br />
Wesentlicher Teil der jeweiligen Logik <strong>ist</strong> der implizite Vertrag des Organisationsmitglieds<br />
mit der Organisation, der bestimmt, was die Organisation<br />
von ihren Mitgliedern verlangt, der aber auch angibt, was<br />
das Organisationsmitglied von der Organisation erwarten kann. <strong>Der</strong><br />
implizite Vertrag bestimmt damit ganz entscheidend, was von den<br />
Organisationsmitgliedern als gerecht oder ungerecht, als fair oder<br />
unfair, als angemessen oder unangemessen angesehen wird. Es bedarf<br />
kaum einer weiteren Begründung, dass die Akzeptanz eines Veränderungsvorhabens<br />
bzw. die Akzeptanz jeglicher Art von<br />
Führungsentscheidung entscheidend von der Bewertung der Orga-<br />
58 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
nisationsmitglieder hinsichtlich der genannten Kriterien von Gerechtigkeit,<br />
Fairness und Angemessenheit abhängt.<br />
Das manageriale Paradigma<br />
Management wird immer wieder beschrieben als „the art of getting<br />
things done“ (Simon 1997), <strong>ist</strong> also handlungsorientiert, aktiv und<br />
auf Ergebnisse hin ausgerichtet. Dabei spielt ein angemessenes Verhältnis<br />
zwischen Aufwand und Nutzen, d.h. die Frage der Effizienz<br />
eine zentrale Rolle. Die Instrumente, derer sich das Management bedient,<br />
sind hinlänglich bekannt und umfassen alles, was insbesondere<br />
für den Unternehmenssektor seit den Zeiten Frederick Winslow Taylors<br />
sukzessive entwickelt wurde. Im Mittelpunkt der managerialen<br />
Denkweise steht die Orientierung am Erfolg: Wo der im bürokratischen<br />
Paradigma befangene Jur<strong>ist</strong> oder Beamte zuerst auf die Rechtslage<br />
oder die Zuständigkeiten schaut und wo der professionell<br />
denkende Fachmann auf der operativen Ebene vor allem darauf achtet,<br />
dass die Arbeit nach den Standards seiner Profession erledigt<br />
wird, da orientiert sich der Manager an der Frage, welche Entscheidungen<br />
getroffen werden müssen, damit die Organisation bzw. die<br />
Organisationseinheit unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden<br />
Mittel Erfolg hat (Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse 2006c).<br />
Das bürokratische Paradigma<br />
Das bürokratische Paradigma liegt allen Aktivitäten des öffentlichen<br />
Dienstes zugrunde und prägt sowohl die Denk- als auch die Verfahrensweisen<br />
der Verwaltung stärker als jedes andere Paradigma<br />
(Weber 1972: 551 ff.). Es stellt sicher, dass die Organisation kontrollier-<br />
und berechenbar bleibt, dass Regeln befolgt werden, dass Prozesse<br />
und Entscheidungen nachvollzogen werden können. Die<br />
bürokratische Logik <strong>ist</strong> bekanntermaßen nicht sehr flexibel und effizient,<br />
sie verlangsamt Prozesse eher, dafür <strong>ist</strong> sie aber berechenbar,<br />
stabil, regelgebunden und von den dazu legitimierten Instanzen (Min<strong>ist</strong>erium,<br />
Parlament, Rechnungshöfe usw.) grund sätzlich kontrollierbar.<br />
Das bürokratische Paradigma garantiert, dass die Leitung<br />
Einflussmöglichkeiten hat und Führungskräfte führen können. Es begrenzt<br />
damit auch die professionelle Eigendynamik der Polizei, kanalisiert<br />
sie und verhindert, dass sie sich zum Schaden der<br />
Gesellschaft verselbstständigt.<br />
Die Verhaltenserwartungen an die Organisationsmitglieder sind im<br />
Kontext des bürokratischen Paradigmas sehr eindeutig: Es <strong>ist</strong> das<br />
strikte Beachten der vorgegebenen Regeln und Verfahren. Und der<br />
zu vermeidende Zustand folgt unmittelbar aus dieser Erwartung: Es<br />
<strong>ist</strong> die Verletzung geltenden Rechts, das Nichtbeachten einer Verfahrensbestimmung,<br />
der Ungehorsam gegenüber einer Anweisung. Um<br />
sicherzustellen, dass sich auch alle an die entsprechenden Verfahrensbestimmungen<br />
halten, müssen die Führungskräfte das Verhalten<br />
der Beamtinnen und Beamten immer wieder auf die Einhaltung bestimmter<br />
Regeln hin überprüfen, wobei implizit unterstellt wird, dass<br />
die Regelhaftigkeit allein bereits ein optimales Ergebnis garantiert.<br />
<strong>Der</strong> letztgenannte Aspekt bedeutet, dass sich der einzelne Beamte,<br />
aber auch die Führungskraft im Regelfall nicht den Kopf darüber zerbrechen<br />
müssen, ob man das selbe Ergebnis möglicherweise über<br />
eine andere Art der Prozessgestaltung oder durch eine andere Strategie<br />
mit weniger Aufwand hätte erzielen können. Zwar gilt für alle<br />
Beamten der § 7 der jeweiligen Haushaltsordnung, der dem Beamten<br />
das Beachten von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Pflicht<br />
macht, doch obliegt die Überwachung dieser Norm in der Praxis me<strong>ist</strong><br />
den Verwaltungsabteilungen, den Rechnungshöfen und vergleichbaren<br />
Instanzen, nicht aber den vollziehenden Bereichen. Diesen Um-
stand hat sich die Verwaltungsmodernisierung bekanntermaßen besonders<br />
ins Visier genommen, da sich das weitgehende Fehlen strategischer<br />
und prozesshafter Denkweisen nicht zuletzt auch aus dieser<br />
vorwiegend zuständigkeits- und verfahrensorientierten Sichtweise<br />
ableiten lässt.<br />
Aus dem oben Gesagten folgt auch der implizite Vertrag zwischen<br />
Organisationsmitglied und Organisation: Es <strong>ist</strong> der Grundsatz, dass<br />
die Kontrolle des Verhaltens und der Regelbefolgung zwar allgemein<br />
akzeptiert wird, die Kontrolle des Erfolgs der individuellen Le<strong>ist</strong>ung<br />
bzw. der dadurch angestrebten Wirkung jedoch nicht. Anders ausgedrückt:<br />
Ein Organisationsmitglied hat dann, wenn es nichts weiter<br />
tut als sich an die Vorgaben zu halten, nichts zu befürchten, auch<br />
wenn das, was es tut, nicht die von der Leitung intendierte Wirkung<br />
zeigt. Denn für die Frage, ob die vorgegebenen Verfahren die geplante<br />
Wirkung erzielen, <strong>ist</strong> nicht das Organisationsmitglied zuständig, sondern<br />
die Leitung bzw. die Politik 4 . <strong>Der</strong> implizite Vertrag regelt damit<br />
auch die Kriterien, nach denen Verantwortung und Schuld zugewiesen<br />
werden, und auch dies <strong>ist</strong> im Kontext des bürokratischen Paradigmas<br />
sehr eindeutig: Wer sich über bestehende Regelungen oder<br />
Anweisungen hinwegsetzt, tut dies auf eigene Verantwortung, und<br />
die Verantwortung für die Regelbefolgung liegt eindeutig beim einzelnen<br />
Beamten. <strong>Der</strong> Unterschied zur erfolgsorientierten Logik des<br />
Managements <strong>ist</strong> offensichtlich: Ob er eine Regel befolgt oder nicht,<br />
liegt voll und ganz in der Entscheidung des Individuums, und dafür<br />
kann es auch haftbar gemacht werden. Ob es Erfolg hat, mit dem<br />
was es tut, hängt demgegenüber von vielen anderen Faktoren ab,<br />
die der Einzelne in der Regel nicht vollständig steuern kann. Die Folge<br />
<strong>ist</strong>, dass die Übernahme der Verantwortung für ein regelkonformes<br />
Verhalten selbstverständlich akzeptiert wird, die Übernahme der Verantwortung<br />
für Ergebnisse und Wirkungen jedoch nicht. <strong>Der</strong> Grundsatz,<br />
dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Erfolge und<br />
Misserfolge nur sehr eingeschränkt verantwortlich gemacht werden<br />
können, gilt selbstverständlich in der einen oder anderen Form für<br />
fast jede komplexe Organisation, die über mehrere Hierarchie-ebenen<br />
verfügt. Deutliche Unterschiede zwischen den Organisationen gibt<br />
es jedoch bezüglich der Frage, ab welcher Hierarchiestufe die Verantwortung<br />
für konkrete und messbare Ergebnisse beginnt. In Organisationen<br />
der privaten Wirtschaft <strong>ist</strong> dies in der Regel bereits auf der<br />
Ebene des mittleren Managements der Fall, in der öffentlichen Verwaltung<br />
normalerweise nicht. Konkret: <strong>Der</strong> Leiter einer Polizeiinspektion,<br />
der sich pflichtbewusst an die Vorgaben „von oben“ hält, wird<br />
im Kontext der Alltagsorganisation normalerweise auch dann noch<br />
keine Schwierigkeiten bekommen, wenn sich in seinem Zuständigkeitsbereich<br />
alle wesentlichen Ergebniskennzahlen (etwa die Zahl bestimmter<br />
Delikte, die Aufklärungsquote oder die<br />
Verkehrsunfallstat<strong>ist</strong>ik) verschlechtern. Ja, nach dem bürokratischen<br />
Paradigma hätte eine solche Führungskraft bei der Verteilung knapper<br />
Ressourcen sogar noch recht gute Argumente, kann sie doch<br />
deutlich überzeugender darlegen, dass sie zusätzliches Personal oder<br />
zusätzliche Sachmittel braucht, als diejenige Führungskraft, die es<br />
geschafft hat, mit den ihr zur Verfügung gestellten Ressourcen die<br />
Wirkungskennzahlen zu verbessern.<br />
Das Professionsparadigma<br />
Die Denk- und Verhaltensweisen von Poliz<strong>ist</strong>en im dienstlichen Alltag<br />
sind natürlich nur zu einem Teil von der Rationalität des bürokratischen<br />
Paradigmas bestimmt. Das liegt in erster Linie an dem Umstand,<br />
dass sich die Polizei als Teil der Eingriffsverwaltung in einigen<br />
wesentlichen Punkten von der Le<strong>ist</strong>ungsverwaltung unterscheidet<br />
und damit keine „Bürokratie im engeren Sinne“ <strong>ist</strong> (etwa vergleich-<br />
bar mit einem Sozial- oder Standesamt), sondern einen Aufgabenbereich<br />
bearbeitet, der sich sowohl aus admin<strong>ist</strong>rativen als auch aus<br />
konkret vollziehenden Tätigkeiten zusammensetzt. Hinzu kommt der<br />
Umstand, dass die Angehörigen dieser Berufsgruppe auch einen ganz<br />
spezifischen Satz an Wahrnehmungs-, Denk- und Verhaltensweisen<br />
aufweisen, der Vorstellungen darüber beinhaltet, was es bedeutet,<br />
ein guter Poliz<strong>ist</strong> zu sein, welche Art der Einstellung und des Verhaltens<br />
akzeptabel <strong>ist</strong> und welche nicht. Determiniert werden diese Vorstellungen<br />
und Denkmuster von der spezifischen Organisationskultur<br />
der Polizei. Diese Organisationskultur <strong>ist</strong> vor allem im angelsächsischen<br />
Raum sozialwissenschaftlich inzwischen recht gut beschrieben<br />
und erforscht (stellvertretend für viele: Manning/Van Maanen 1978,<br />
Reuss-Ianni/Ianni 1983, Reiner 1991, Manning 1997, Chan 2003,<br />
Crank 2004), wobei sich die me<strong>ist</strong>en dieser Arbeiten sehr stark auf<br />
die Denk- und Verhaltensweisen der uniformierten „street cops“ in<br />
den englischsprachigen Ländern konzentrieren. Die Zahl der deutschsprachigen<br />
wissenschaftlichen Arbeiten zu den Besonderheiten einer<br />
polizeilichen Organisationskultur <strong>ist</strong> demgegenüber noch sehr begrenzt<br />
(vgl. stellvertretend für andere: Behr 2000 und 2006, Reichertz<br />
1991, Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse 2006a).<br />
Für unsere Fragestellung wesentlich sind die Aspekte, welche die<br />
Sichtweise von Polizeibeamten davon prägen, wie gute Polizeiarbeit<br />
aussehen sollte und worauf es in der dienstlichen Aufgabenerledigung<br />
ankommt. Diese Aspekte werden in der Ausbildung gelernt, in<br />
der späteren beruflichen Sozialisation verfestigt und erlangen im Kontext<br />
der polizeilichen Organisationskultur einen Grad an Selbstverständlichkeit,<br />
der nahezu alle professionellen Verrichtungen so<br />
wesentlich prägt, dass er als organisationales Paradigma gleichberechtigt<br />
neben dem bürokratischen Paradigma steht. Im Kontext dieses<br />
spezifisch polizeilichen Professionsparadigmas lassen sich zwei<br />
dominante Handlungslogiken identifizieren, die das polizeiliche Denken<br />
gleichermaßen stark beeinflussen: Die eine Handlungslogik orientiert<br />
sich an der Denkfigur des Einsatzes, die andere bezieht sich<br />
auf die spezifischen Bedingungen der polizeilichen Sachbearbeitung.<br />
Die Denk- und Handlungslogik<br />
des Einsatzgeschehens<br />
Das Denken in Einsatzsituationen <strong>ist</strong> typisch für Organisationen, die<br />
mit Sicherheitsaufgaben im weitesten Sinne betraut sind und deren<br />
Reputation im Wesentlichen davon abhängt, wie gut sie bei der Bewältigung<br />
von Einsatzanlässen agieren. Solche Organisationen sind<br />
neben der Polizei vor allem das Militär, der Katastrophenschutz sowie<br />
Rettungsdienste und Feuerwehr.<br />
<strong>Der</strong> Einsatz 5 <strong>ist</strong> der polizeiliche Ernstfall, und die Erfordernisse der<br />
Einsatzbewältigung haben durch ihren paradigmatischen Charakter<br />
eine prägende Wirkung auf alle anderen Verrichtungen, die in dieser<br />
Organisation anfallen. Die handlungsleitende, verhaltensprägende,<br />
mythen- und identitätsstiftende Funktion des Einsatzes kann kaum<br />
hoch genug eingeschätzt werden: Im Einsatz zeigt sich, wer ein guter<br />
Poliz<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> und wer nicht, im Einsatz sieht sich der Polizeibeamte Aufgaben<br />
gegenüber, die nur von einem Poliz<strong>ist</strong>en bewältigt werden dürfen<br />
bzw. bewältigt werden können. Nirgendwo sonst <strong>ist</strong> der Poliz<strong>ist</strong><br />
stärker Poliz<strong>ist</strong> als im Einsatz, und nirgendwo sonst wird in gleicher<br />
Weise deutlich, worauf es im Polizeiberuf ankommt. Und so sind wesentliche<br />
Bestandteile der spezifisch polizeilichen Organisationskultur<br />
in erster Linie einsatzbezogene Werte, Eigenschaften und Verhaltensmuster.<br />
Diese organisationskulturellen Aspekte lassen sich am besten in Sätzen<br />
ausdrücken, die mit großer Wahrscheinlichkeit von jedem Polizeibeamten<br />
vorbehaltlos bejaht würden. Solche Sätze sind etwa:<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 59
– „In der Polizei muss man sich auf den Kollegen verlassen können,<br />
denn im Ernstfall hängt das eigene Leben davon ab.“<br />
– „Teams müssen funktionieren. Das bedeutet, dass sich der Einzelne<br />
dem Team unterordnen muss.“<br />
– „Wenn man gebraucht wird, muss man da sein.“<br />
– „Wenn’s hart auf hart kommt, <strong>ist</strong> nicht die Zeit für lange Diskussionen.<br />
Da muss einer entscheiden, und die anderen müssen funktionieren,<br />
sonst geht’s nicht.“<br />
Da die Einsatzbewältigung einen so zentralen Stellenwert hat, bekommen<br />
auch die Faktoren, die für die Fähigkeit zur Einsatzbewältigung<br />
kritisch sind, eine besondere Bedeutung in der Organisation.<br />
Solche Faktoren sind etwa der Zusammenhalt im Team, Kollegialität,<br />
Solidarität, Mut, Opferbereitschaft, Disziplin und ein hohes Maß an<br />
Professionalität. Die Aufgabe einer polizeilichen Führungskraft (die<br />
nach wie vor mit dem Begriff des „Polizeiführers“ bezeichnet wird)<br />
besteht unter anderem darin, dafür zu sorgen, dass diese Faktoren<br />
vorhanden sind. Hierbei spielt eine weitere Eigenheit des Polizeiberufs<br />
eine wesentliche Rolle, nämlich der sehr spezifische implizite Vertrag<br />
zwischen Organisation und Organisationsmitglied, den es in<br />
dieser Form vielleicht noch im Militär oder bei der Feuerwehr gibt.<br />
<strong>Der</strong> wesentliche Aspekt in diesem impliziten Vertrag betrifft die – tatsächliche,<br />
in vielen Fällen aber auch nur behauptete – Gefährdung<br />
des Polizeibeamten bei der Ausübung seines Dienstes. Etwas überspitzt<br />
ausgedrückt bringt der Polizeibeamte in den impliziten Vertrag<br />
mit seinem Dienstherrn die jederzeitige Bereitschaft ein, für die Sicherheit<br />
und Freiheit dieser Gesellschaft sein Leben zu opfern. Für<br />
eine solche vertraglich zugesicherte Le<strong>ist</strong>ung kann das Organisationsmitglied<br />
selbstverständlich auch mehr fordern, als wenn die Le<strong>ist</strong>ung<br />
nur darin bestünde, jeden Morgen pünktlich am Arbeitsplatz zu<br />
erscheinen und das zu tun, was die Stellenbeschreibung erfordert.<br />
Die Forderung an den Dienstherrn besteht zum einen darin, den Organisationsmitgliedern<br />
das zur Verfügung zu stellen, was sie zur Ausübung<br />
ihres verantwortungsvollen und potenziell lebensgefährlichen<br />
Dienstes benötigen, und ihnen die dafür erforderliche politische Unterstützung<br />
zu garantieren. Die Forderung besteht darüber<br />
hinaus aber auch in dem Anspruch, das eigene<br />
Engagement anerkannt zu wissen, sowie in der Sicherheit,<br />
dass sich der Dienstherr dann, wenn<br />
etwas schief geht, vor seine Beamten stellt –<br />
vorausgesetzt, es handelt sich um etwas,<br />
„was jedem passieren kann“. Dieser<br />
Aspekt <strong>ist</strong> eng verknüpft mit<br />
dem Anspruch, Handlungsspielräume<br />
eingeräumt<br />
zu bekommen, die den<br />
einzelnen Beamten in<br />
die Lage versetzen,<br />
die jeweilige Situation<br />
auf der<br />
Basis seiner La-<br />
gebeurteilung und seiner professionellen Erfahrung selbstständig bewältigen<br />
zu können. Gefordert <strong>ist</strong> damit auch ein erheblicher Vertrauensvorschuss<br />
auf Seiten des Dienstherrn, von dem erwartet wird, dass<br />
er seinen Beamten grundsätzlich einmal zutraut, ihre Arbeit sorgfältig<br />
und professionell zu verrichten, und dass er sie solange, wie nichts<br />
Offensichtliches schief läuft, auch weitgehend in Ruhe lässt. Die zentrale<br />
Bedeutung des Einsatzes für die polizeiliche Identität und damit<br />
verbunden auch die zentrale Bedeutung aller Faktoren, die für das<br />
Funktionieren im Einsatz erforderlich sind, kollidiert nun mit dem Anspruch<br />
eines betriebswirtschaftlich ausgerichteten Managements,<br />
den polizeilichen Alltag transparenter und „rationaler“ zu gestalten,<br />
die Art und Weise der Dienstausübung und die damit intendierten<br />
Wirkungen durch Kennzahlen messbar zu machen und damit schließlich<br />
den gesamten Betrieb den Kategorien von Effektivität und Effizienz<br />
zu unterwerfen. Damit eng verknüpft <strong>ist</strong> ein gerade auch bei<br />
vielen Polizeibeamten häufig anzutreffendes und in der Regel nicht<br />
positiv konnotiertes Bild des „typischen Managers“, der sich um die<br />
spezifischen Erfordernisse der Einsatzbewältigung wenig kümmert<br />
und stattdessen auf Zahlen, Daten und Fakten schaut, auf die er seine<br />
Entscheidungen gründet. Ein Polizeiführer, der sich allzu offensichtlich<br />
als Manager geriert und dabei die organisationskulturell relevanten<br />
Aspekte polizeilicher Identität missachtet, läuft jedoch Gefahr, bei<br />
seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerade dort an Akzeptanz<br />
einzubüßen, worauf es für die erfolgreiche Einsatzbewältigung am<br />
me<strong>ist</strong>en ankommt: bei den sog. „weichen“ Faktoren, die den Gruppenzusammenhalt,<br />
das Engagement und die polizeiliche Identität gewährle<strong>ist</strong>en.<br />
Die Denk- und Handlungslogik der<br />
polizeilichen Sachbearbeitung<br />
Doch selbstverständlich besteht der Polizeiberuf nicht nur aus Einsätzen.<br />
Vielmehr spielt sich vieles am Schreibtisch oder in geschlos-
senen Räumen ab. Es werden Anzeigen aufgenommen und bearbeitet,<br />
Ermittlungen geführt und Spuren gesichert, Zeugen und Beschuldigte<br />
vernommen und dergleichen mehr. Bei diesen Tätigkeiten gilt<br />
offensichtlich eine andere Logik als bei der Einsatzbewältigung; ich<br />
nenne sie die Sachbearbeiterlogik. Darunter verstehe ich die Denkund<br />
Verhaltensweisen, die bei der Bearbeitung konkreter Fälle wirksam<br />
sind – wobei es unerheblich <strong>ist</strong>, ob es sich um die Aufklärung<br />
eines komplexen Deliktes handelt oder um das Bearbeiten einer vergleichsweise<br />
einfachen Angelegenheit. Erwünschtes Verhalten <strong>ist</strong><br />
nach dieser Logik in erster Linie das Beachten der expliziten und impliziten<br />
professionellen Standards, zu denen vor allem auch die Kompetenz<br />
gehört, operative Entscheidungen weitgehend selbstständig<br />
zu treffen.<br />
Unter operativen Entscheidungen sind im Kontext der Sachbearbeiterlogik<br />
alle die Entscheidungen zu verstehen, die bei der konkreten<br />
Fallbearbeitung getroffen werden müssen, etwa mit Bezug auf die<br />
Frage, ob und, wenn ja, wie ein Zeuge vernommen wird, welche Spuren<br />
relevant sind und welche nicht, ob es einen weiteren Ermittlungsansatz<br />
gibt oder nicht usw. Natürlich <strong>ist</strong> der Polizeibeamte in solchen<br />
Fragen niemals völlig autark, denn immerhin hat er noch einen Vorgesetzten<br />
oder gegebenenfalls die Staatsanwaltschaft, denen gegenüber<br />
er sich im Zweifel auch rechtfertigen können muss, doch sind<br />
die Möglichkeiten des Mikro-Managements von Einzelfällen sowohl<br />
auf Seiten der Führungskraft als auch auf Seiten der Staatsanwaltschaft<br />
schon allein aus arbeits-ökonomischen Gründen recht begrenzt.<br />
Die erfolgsentscheidende Variable <strong>ist</strong> somit die Kompetenz<br />
und die Motivation des einzelnen Beamten, was typischerweise gekoppelt<br />
<strong>ist</strong> mit dem starken Bewusstsein, dass man schon „gelernter<br />
Poliz<strong>ist</strong>“ sein muss, um die entsprechende Aufgabe gut zu bewältigen<br />
und um einschätzen zu können, was bei der Bearbeitung des jeweiligen<br />
Falles erforderlich <strong>ist</strong> und was nicht.<br />
Ein wesentlicher Aspekt in diesem Zusammenhang <strong>ist</strong> somit die im<br />
Hinblick auf Steuerungseingriffe der Leitung sehr weitgehende Intransparenz<br />
der Aufgabenerledigung, was sich in der weit verbreiteten<br />
Ansicht ausdrückt, dass jeder Fall letztlich einzigartig sei, dass<br />
gute Arbeitsergebnisse ausschließlich das Produkt der Professionalität<br />
auf der operativen Ebene seien, und dass es aussichtslos sei, in<br />
diesem Bereich Qualität durch Managementinterventionen herstellen<br />
zu wollen. Nach dieser Ansicht kann Führung mit Bezug auf die spezifischen<br />
Erfordernisse einer professionellen Aufgabenerledigung<br />
kaum über Kennzahlen, Controllingberichte oder andere Managementinstrumente<br />
funktionieren, sondern nur durch die Rekrutierung<br />
kompetenten und motivierten Personals, durch das Einräumen<br />
der für die optimale Aufgabenerledigung erforderlichen Freiräume<br />
sowie gegebenenfalls durch motivierendes,<br />
förderndes und auf die Optimierung der<br />
Rahmenbedingungen ausgerichtetes<br />
Führungsverhalten. Dabei reagieren<br />
die Beamten oft sehr allergisch<br />
auf Versuche, die Effektivität<br />
und Effizienz einer Organisa-<br />
tionseinheit mit dem Hinweis auf aggregierte Daten zu erhöhen, wie<br />
dies für ein Controlling typisch <strong>ist</strong>. Versuche, die Vielfalt der Einzelfälle<br />
in standardisierte Zahlenwerke zu fassen und die Beamten über Zielvereinbarungen<br />
und Kennzahlen zu managen, wären dem Risiko ausgesetzt,<br />
dass die Sachbearbeitung über kurz oder lang umschalten<br />
würde auf das Liefern der gewünschten Zahlen, und damit Kriterien<br />
wie die Einhaltung professioneller Standards, das Sich-Verlassen auf<br />
die polizeiliche Intuition und das persönliche Engagement an Bedeutung<br />
verlören.<br />
Chancen eines kulturkompatiblen<br />
Veränderungsmanagements<br />
Wer eine Organisation wie die Polizei verändern will, <strong>ist</strong> gut beraten,<br />
sich mit der Frage zu beschäftigen, welche Bestandteile der Organisationskultur<br />
elementarer Bestandteil der professionellen Identität<br />
sind und welche nicht.<br />
Wenn eine neue Handlungslogik (wie in unserem Fall die manageriale<br />
Logik) Einzug in eine Organisation hält, werden notwendigerweise<br />
Einstellungen, Anreize, Vorstellungen von unerwünschten Zuständen<br />
und von Gerechtigkeit modifiziert. Die neue Logik muss sich erst etablieren,<br />
d.h. ihren Platz finden zwischen den bereits etablierten Logiken.<br />
Das führt fast zwangsläufig dazu, dass Vorstellungen von gut und<br />
schlecht, richtig und falsch usw. nicht mehr eindeutig sind, sich vielleicht<br />
sogar widersprechen: Was etwa im Kontext der einen Logik notwendig<br />
und sinnvoll <strong>ist</strong>, muss dies im Kontext der anderen Logik nicht<br />
zwangsläufig auch sein. Kritisch und potenziell riskant wird das Einführen<br />
einer neuen Logik dann, wenn nicht deutlich wird, welche Defizite<br />
welcher Logik sie denn eigentlich beheben soll. So haben unsere<br />
Interviews ergeben, dass die Notwendigkeit, betriebswirtschaftliche<br />
Managementinstrumente einzuführen, von der Leitungs-ebene zwar<br />
me<strong>ist</strong> mit den Defiziten des bürokratischen Paradigmas (Mängel von<br />
Inputorientierung und „additivem Ressourcenmanagement“, „organisierte<br />
Unverantwortlichkeit“ usw.) begründet wurde, die Organisationsmitglieder<br />
solche Veränderungen aber oft als gegen das<br />
Professions-paradigma gerichtet wahrgenommen haben. Konkret äußert<br />
sich das etwa in der Wahrnehmung, bei der Einführung von Zielvereinbarungen,<br />
Controlling und Kostenrechnung gehe es „in<br />
Wahrheit“ darum, den Arbeitsdruck zu erhöhen, die Mitarbeiter stärker<br />
zu kontrollieren und letztendlich den Nachweis zu erbringen, dass<br />
die gleiche Arbeit auch mit weniger Mitarbeitern gele<strong>ist</strong>et werden<br />
könne. Wird aber mit der Einführung betriebswirtschaftlicher Managementinstrumente<br />
das professionelle Selbstverständnis auf derartige<br />
Weise berührt, geht es plötzlich um erheblich mehr als nur um neue<br />
Steuerungsinstrumente. Denn dann geht es um das, was nach Ansicht<br />
der Organisationsmitglieder die eigene professionelle Identität ausmacht,<br />
und dann wehrt sich auch der Teil der Organisationsmitglieder,<br />
den man eigentlich gewinnen sollte: die intrinsisch motivierten, engagierten<br />
und mit einem hohen professionellen Ethos ausgestatteten<br />
Beamten, die unter anderen Umständen durchaus offen wären für<br />
Möglichkeiten, die Effektivität und Effizienz der polizeilichen Arbeit<br />
zu verbessern, die sich aber – mit durchaus nachvollziehbaren Argumenten<br />
– dagegen wehren, von bürokratischen Instanzen neue Ma-<br />
Foto: Arno Bachert/pixelio.de
nagementmodelle aufgezwungen zu bekommen, deren Nutzen häufig<br />
zweifelhaft erscheint. Das heißt nicht, dass vor dem Hintergrund einer<br />
derartigen Stabilität organisationskultureller Aspekte jegliche Intervention<br />
mit dem Ziel, die herkömmlichen Formen der Steuerung und<br />
Führung zu modernisieren, von vornherein zum Scheitern verurteilt<br />
wäre. Ein solcher Schluss wäre nicht nur völlig überzogen, sondern<br />
schlicht falsch, denn so veränderungsres<strong>ist</strong>ent, wie der öffentliche<br />
Dienst von manchen Privatisierungsideologen dargestellt wird, <strong>ist</strong> er<br />
nicht – und die Polizei vielleicht noch am allerwenigsten. Die Polizei<br />
<strong>ist</strong> ja – wie dargestellt wurde – nicht nur Verwaltung im engeren Sinne,<br />
sondern durchaus auch ergebnisorientierte Organisation mit einem<br />
klaren Auftrag und organisationskulturell klar verankerten Kriterien<br />
für den Erfolg ihrer Arbeit: Das Ausmaß an öffentlicher Sicherheit lässt<br />
sich durchaus messen, und ein gerichtsfest überführter Straftäter, ein<br />
nach den Regeln der Profession aufgenommener Verkehrsunfall, ein<br />
geschlichteter Streit oder ein ohne Zwischenfälle abgelaufenes Großereignis<br />
sind sehr konkrete und auch für den Außenstehenden nachvollziehbare<br />
Erfolge gut organisierter und professionell ausgeführter<br />
Polizeiarbeit. Auch würde man der Professionalität der me<strong>ist</strong>en Polizeibeamten<br />
nicht gerecht, wenn man ihnen unterstellte, dass sie sich<br />
gegen jeden Versuch wehrten, die Polizeiarbeit wirksamer und den<br />
Ressourceneinsatz wirtschaftlicher zu machen. Doch derartige Versuche<br />
müssen sich im Rahmen dessen bewegen, was für die Mehrheit<br />
der Polizeibeamten organisationskulturell noch akzeptabel <strong>ist</strong>. Das organisationskulturell<br />
Akzeptable <strong>ist</strong> sicherlich kein in Stein gemeißeltes<br />
Fixum, sondern unterliegt genauso den Modifikationen kollektiver<br />
Wahrnehmungs- und Denkprozesse wie wir dies etwa bei der Beschäftigung<br />
weiblicher Beamter in der Schutzpolizei oder bei dem schrittweisen<br />
Übergang von einer sich obrigkeitsstaatlich verstehenden und<br />
autoritär geführten Polizei zu einer bürgernahen und kooperativ geführten<br />
Polizei beobachten konnten. Solche Prozesse aber brauchen<br />
Zeit, und die einzelnen Schritte werden von den Organisationsmitgliedern<br />
sehr genau beobachtet. Die Kriterien, nach denen das Beobachtete<br />
bewertet wird, sind ebenfalls organisationskulturell geprägt und<br />
sehr pragmatisch: Wenn es der Wirksamkeit der polizeilichen Aufgabenerledigung<br />
dient, wird es akzeptiert – wenn nicht, dann nicht. Das<br />
heißt andersherum ausgedrückt: Die vom managerialen Paradigma<br />
angestrebten Verbesserungen der Effektivität und Effizienz polizeilicher<br />
Aufgabenerledigung wären im Kontext des Professionsparadigmas<br />
durchaus akzeptanzfähig<br />
– vorausgesetzt, sie haben das Ziel, die Ergebnisse der Polizeiarbeit<br />
zu verbessern.<br />
Damit sind Veränderungen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
dann akzeptanzfähig, wenn<br />
– klar <strong>ist</strong>, wie das polizeiliche Problem heißt, das durch die Veränderung<br />
gelöst werden soll<br />
– der Nutzen der Veränderung erkennbar <strong>ist</strong> und klar kommuniziert<br />
werden kann<br />
– die hinter dem Veränderungsprozess stehende Philosophie kompatibel<br />
<strong>ist</strong> mit den Wahrnehmungs-, Denk und Handlungsmustern der Polizeibeamten<br />
und auf deren Problemdefinition aufbaut.<br />
Gefordert wird also nichts weniger als eine grundlegende Abkehr von<br />
der bisher praktizierten Form der Verwaltungsmodernisierung in der<br />
Polizei, die neue Managementmethoden bevorzugt im Kontext des bürokratischen<br />
Paradigmas, das heißt mit bürokratischen Mitteln, in bürokratischer<br />
Sprache und mit bürokratischen Kontrollmethoden<br />
eingeführt und dabei die spezifische Rationalität des professionellen<br />
Paradigmas ignoriert hat. Doch nur wer sich der organisationskulturell<br />
verankerten Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster bewusst<br />
<strong>ist</strong> und seine Veränderungs- bemühungen daran ausrichtet, kann Modernisierungsprozesse<br />
so initiieren und durchhalten, dass sie von Dauer<br />
62 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
sind. Alles andere bleibt Stückwerk, Strohfeuer – gut gemeint vielleicht,<br />
doch an Personen gebunden und flüchtig. Denn dauerhaft bleibt nur,<br />
was einen Anker findet in der Denk- und Erfahrungswelt der Organisationsmitglieder<br />
und damit zum Bestandteil der Organisationskultur<br />
oder – anders ausgedrückt – zur Selbstverständlichkeit wird.<br />
Literatur<br />
Barthel, Chr<strong>ist</strong>ian/Jochen Chr<strong>ist</strong>e-Zeyse, Dirk Heidemann (2006): Professionelle Führung in der Polizei. Jenseits des<br />
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Weber, Max (1972): Wirtschaft und Gesellschaft. 5. Aufl., Tübingen.<br />
Dr. Jochen Chr<strong>ist</strong>eZeyse <strong>ist</strong> Dozent im Fachbereich Führung,<br />
Organisations- und Wirtschaftswissenschaften der Deutschen Hochschule der Polizei.<br />
1 Hierbei soll nicht verkannt werden, dass es immer wieder Versuche gibt, die starke Stellung solcher Berufsgruppen<br />
zu brechen; man denke nur an die Massenentlassung von Fluglotsen durch den amerikanischen Präsidenten Ronald<br />
Reagan im Jahre 1981 oder an die Möglichkeit, die Arbeitsbedingungen etwa für Wissenschaftler oder Klinikärzte<br />
sukzessive zu verschlechtern in der Gewissheit, dass für jeden Wissenschaftler oder Arzt, der sich diesen Bedingungen<br />
nicht unterwirft, genug Interessierte vor der Tür stehen.<br />
2 Das heißt nicht, dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen immer nur nach einem Paradigma – etwa dem managerialen<br />
Paradigma – funktioniert. Zweifellos gibt es etwa zwischen den Technikern und den Kaufleuten, zwischen<br />
der Marketingabteilung und dem für Forschung und Entwicklung zuständigen Bereich Unterschiede in den vorherrschenden<br />
Paradigmen, doch <strong>ist</strong> in solchen Organisationen in der Regel ein organisationales Paradigma – nämlich<br />
das manageriale – das eindeutig dominant<br />
3 Dass es bei Veränderungsprozessen mitunter auch irrationales Verhalten gibt – hervorgerufen etwa durch Enttäuschungen,<br />
Verunsicherung, Ängste oder ähnliche Gefühle – <strong>ist</strong> nicht zu leugnen. Doch geben die von uns geführten<br />
Interviews deutliche Hinweise darauf, dass die Kritik an den Zielen und Methoden der Verwaltungsreform<br />
durchaus einen rationalen Kern hat, den kennen sollte, wer sich daran macht, Verwaltungshandeln durch die Einführung<br />
neuer Managementmethoden effektiver und effizienter zu machen.<br />
4 Das heißt nicht, dass es in der Polizei nicht auch Aufgabenbereiche gibt, in denen sehr wohl auf den Erfolg geschaut<br />
wird. Doch handelt es sich dabei um Bereiche, in denen andere Paradigmen bzw. Logiken gelten.<br />
5 Unter „Einsatz“ verstehe ich dabei die ganze Bandbreite, die im Rahmen der polizeilichenAufgabenerfüllung anfallen<br />
kann: von der Aufnahme eines Verkehrsunfalls, der Schlichtung einer Familienstreitigkeit, der Razzia im Rotlichtmilieu<br />
oder der Verhaftung eines Straftäters bis hin zu den großen Ereignissen wie Geiselnahmen,<br />
Großdemonstrationen, Fußball-Länderspielen oder Castor-Transporten.<br />
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages Verwaltung und<br />
Management, erscheinen im Heft 2/2007.
Nicht süchtig, und doch abhängig<br />
– die Falle Co-Abhängigkeit<br />
Die kleine Halbwaise Mia kämpft mit aller Kraft darum, ihren<br />
drogenabhängigen Bruder wieder �nach �Hause zu holen. Seit ihr<br />
gemeinsamer Vater gestorben <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> der 17-jährige Lewin Mias<br />
wichtigste Bezugsperson; sie liebt seine Gute-Nacht- Geschichten,<br />
die im antiken Griechenland spielen. Doch seit ihre Mutter<br />
Lewin �wegen �seiner Drogenabhängigkeit vor die Tür gesetzt<br />
hat, müssen sich die beiden heimlich treffen.<br />
Die achtjährige Mia versteht nicht, was Sucht bedeutet. Sie findet<br />
ihre Mutter gemein und will ihrem Bruder um jeden Preis helfen.<br />
Lewin nutzt die Hilfsbereitschaft seiner kleinen Schwester jedoch<br />
aus und spannt sie immer wieder für seine Zwecke ein. Dadurch<br />
gerät Mia selbst in immer größere Schwierigkeiten und Erklärungsnot.<br />
Erst nach und nach begreift sie, dass Lewin sie belügt<br />
und es so nicht weitergehen kann.<br />
Kinder aus suchtbelasteten Familien wie Mia haben ein besonders<br />
hohes Risiko, einmal selbst von Suchtmitteln abhängig zu<br />
werden� – �oder sich von süchtigen Menschen abhängig zu machen,<br />
also co-abhängig zu werden. Zum Glück <strong>ist</strong> Mia in die- sem<br />
Fall ‚nur‘ eine der Hauptfiguren in dem von KEINE MACHT DEN<br />
DROGEN �mitfinanzierten �Präventionsfilm „Mia und<br />
der Minotaurus“, der gerade als �Abschlussarbeit �eines<br />
jungen, engagierten Studenten-Teams der Filmakademie Baden-<br />
Württemberg entsteht. Auf beeindruckende Weise beleuchtet der<br />
Film die Themen<br />
‚Sucht und Co-Abhängigkeit‘ aus der Sichtweise des kleinen<br />
Mädchens und begleitet Mia auf ihrer abenteuerlichen Reise im<br />
Kampf gegen Lewins Dämonen (symbolisiert durch den Minotaurus)<br />
und ihre eigenen Ängste, die sie überwinden muss, um<br />
für sich selbst einzustehen.
Doch auch wenn Mia nur eine Filmfigur <strong>ist</strong> – ihre Geschichte <strong>ist</strong><br />
in vielen Familien traurige Wirklichkeit. Selbst Erwachsene schaffen<br />
es häufig nicht, sich aus ihrer Co- Abhängigkeit von einem<br />
suchtkranken Menschen zu befreien. Familienmitglieder, Freunde<br />
oder Arbeitskollegen eines Suchtkranken sind häufig nicht bloße<br />
Randfiguren, die mit� dem �Betroffenen mitfühlen und mitleiden,<br />
sondern sie sind selbst direkt betroffen.<br />
Drei Phasen der Co-Abhängigkeit<br />
Co-Abhängigkeit lässt sich typischerweise in drei Phasen unterteilen:<br />
Die Entschuldigungs- und Beschützerphase, in der der Abhängige<br />
davor bewahrt wird, die volle Tragweite seines<br />
Suchtmittelkonsums zu erkennen. Die Kontrollphase, in der ein<br />
Angehöriger �versucht, den Suchtmittelkonsum des �Abhängigen<br />
zu kontrollieren. Die Anklagephase, in der der Abhängige zum<br />
‚Sündenbock‘ erklärt wird und es zwischen Angehörigen und Abhängigen<br />
zu einem zermürbenden und sinnlosen Kampf um das<br />
Suchtmittel kommt.<br />
In ihrer berechtigten Sorge um den geliebten Menschen versuchen<br />
Angehörige und Freunde, dem Suchtkranken zunächst Hilfestellung<br />
zu geben, ihn zu warnen und ihm ins Gewissen zu<br />
reden, nur um sein Verhalten dann wieder vor anderen zu erklären<br />
und zu rechtfertigen. Die eigene Person gerät dabei immer<br />
mehr in den Hintergrund, soziale Kontakte werden auf ein Minimum<br />
reduziert oder brechen völlig ab.<br />
Aus dem tiefen Wunsch zu helfen wird so ein Teufelskreis aus<br />
Vorwürfen, Scham und Schuldgefühlen, in dessen Verlauf<br />
sich ein Partner oder Angehöriger immer tiefer in die eigene Abhängigkeit<br />
von der Sucht des Betroffenen verstrickt. Nicht selten<br />
übernehmen co-abhängige Menschen immer mehr Aufgaben des<br />
Betroffenen und versuchen so, ihm alle Probleme aus dem Weg<br />
zu räumen, die einen weiteren Konsum provozieren könnten. Mit<br />
diesem Verhalten wird dem abhängigen Menschen jedoch nicht<br />
wirklich geholfen, im Gegenteil: Die Sucht wird sogar noch weiter<br />
befördert und dadurch verlängert.<br />
Am Ende beschäftigen sich Co-Abhängige fast pausenlos mit<br />
dem Zustand ihres Gegenübers und übernehmen die Helferrolle<br />
oft so lange, �bis die eigenen Kräfte völlig erschöpft sind. �Die<br />
me<strong>ist</strong>en Co-Abhängigen müssen schließlich selbst fachliche Hilfe<br />
in Anspruch nehmen, um ihr Leben wieder selbstbestimmt me<strong>ist</strong>ern<br />
zu können.<br />
Auch Kinder haben häufig unter Co-Abhängigkeit zu leiden, da<br />
sie� sich me<strong>ist</strong> �bedingungslos loyal verhalten wollen und noch<br />
nicht gelernt haben, dass es manchmal gesund und notwendig<br />
<strong>ist</strong>, sich auch von nahestehenden Menschen abzugrenzen, wie<br />
der Film „Mia und der Minotaurus“ eindrucksvoll zeigt. Die Vereinsamung<br />
und Überforderung von co-abhängigen Kindern <strong>ist</strong><br />
dabei enorm.<br />
Wege aus der Co-Abhängigkeit: Was<br />
können betroffene Angehörige tun?<br />
So paradox es klingt: Die Devise für betroffene Angehörige und<br />
Freunde lautet „Hilfe durch Nicht-Helfen“. Was nicht bedeutet,<br />
64 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
dass man sich völlig von dem Suchtkranken abwenden soll. Vielmehr<br />
geht es darum, den Betroffenen nicht auch noch ständig in<br />
der Bewältigung seines Alltags zu unterstützen. Denn wenn ein<br />
co-abhängiger � An�ehöriger einen �suchtkranken Menschen<br />
durch seine überverantwortliche Haltung von sämtlichen Lasten<br />
und Pflichten des Alltags befreit, entsteht eine Situation, in der<br />
es für den Abhängigen keinerlei Grund gibt, seinen Konsum einzustellen.<br />
Dadurch werden oft wichtige Krisen verhindert, die<br />
dem Suchtkranken die Augen öffnen und ihn dazu bringen, sich<br />
seiner Realität zu stellen und wieder Verantwortung für das ei-
gene Leben und den Ausstieg aus der Sucht zu übernehmen. Coabhängige�<br />
Familienangehörige sollten außerdem selbst � eine<br />
professionelle Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe aufsuchen.<br />
Weitere Informationen zum Thema, Bilder und den offiziellen Trailer<br />
zum Film „Mia und der Minotaurus“ finden Sie unter:<br />
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Fotonachweis: © Filmakademie Baden-Württemberg 2011<br />
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DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 67<br />
®
Polizeireformen<br />
1. Potsdam (dpa/bb) - Die Polizeireform<br />
in Brandenburg tritt aus Sicht von Innenmin<strong>ist</strong>er<br />
Dietmar Woidke (SPD) jetzt in die entscheidende<br />
Phase. Vom 1. November an<br />
würden landesweit 16 Polizeiinspektionen<br />
eingerichtet, die mit den ihnen unterstellten<br />
33 Revieren die bisherige Struktur aus<br />
Schutzbereichen und Wachen ablösen, teilte<br />
das Innenressort am Montag in Potsdam mit.<br />
Darüber wird es am Ende der im vergangenen<br />
Jahr angeschobenen Reform ein Polizeipräsidium<br />
in Potsdam, und vier Direktionen<br />
in Frankfurt (Oder), Cottbus,<br />
Brandenburg/Havel und Neuruppin geben.<br />
Woidke will bis zum 21. Dezember alle Polizeidirektionen<br />
und -inspektionen besuchen.<br />
Dabei werde er mit Poliz<strong>ist</strong>en, Personalräten<br />
und Kommunalvertretern sprechen, kündigte<br />
der Min<strong>ist</strong>er an. Alle Beteiligten hätten Anspruch<br />
auf umfassende Information über die<br />
geplanten Veränderungen.<br />
Bereits kurz nach seinem Amtsantritt im<br />
Herbst 2010 hatte Woidke das Land bere<strong>ist</strong>,<br />
um vor Ort für die Polize<strong>ist</strong>rukturreform zu<br />
werben, die den Mitarbeitern viel abverlange.<br />
Die Präsenz der Sicherheitskräfte in der Fläche<br />
bleibe gewahrt, bekräftigte der SPD-Politiker.<br />
So ändere sich nichts an der Zahl der<br />
in Brandenburg<br />
und Thüringen<br />
eingesetzten Streifenwagen und Revierpoliz<strong>ist</strong>en.<br />
Auch die vier Einsatzhundertschaften<br />
bestünden weiter.<br />
<strong>Der</strong>zeit umfasst die Polizei den Angaben zufolge<br />
8700 Beschäftigte. Im Jahr 2014 soll die<br />
Reform gründlich überprüft werden.<br />
2. Mehrere Thüringer Innenmin<strong>ist</strong>er haben<br />
sich daran versucht, die Polize<strong>ist</strong>ruktur zu ändern.<br />
Nun kommt die Reform. Die Opposition<br />
hält nicht viel davon. Für sie werden nur Türschilder<br />
umgeschraubt.<br />
Erfurt (dpa/th) - Die seit Jahren in Thüringen<br />
diskutierte Polizeireform hat die vorletzte<br />
Hürde genommen. <strong>Der</strong> Innenausschuss des<br />
Landtages stimmte ihr am Freitag zu, sagte<br />
die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende<br />
Sabine Doht. Damit kann der Landtag in der<br />
kommenden Woche über neue Polize<strong>ist</strong>rukturen<br />
entscheiden. Vorgesehen <strong>ist</strong> die Bildung<br />
einer Landespolizeidirektion, deren Einsatzzentrale<br />
landesweit die Steuerung der Polizei<br />
übernimmt. Aus den sieben Polizeidirektionen<br />
sollen Inspektionen werden. Die SPD erwarte,<br />
dass es dadurch mehr «Qualität in der Führung<br />
von Einsätzen» gibt, sagte Doht. Lange<br />
umstritten war das Polizei-Personalkonzept.<br />
Doht und CDU-Fraktionschef Mike Mohring<br />
äußerten sich überzeugt, dass mit der neuen<br />
Struktur etwa 400 Poliz<strong>ist</strong>en mehr auf den<br />
Straßen unterwegs sein werden als bisher.<br />
Gleichzeitig sollen bis zum Jahr 2020 insgesamt<br />
926 Stellen gestrichen werden. Auf<br />
einen Stellenplan hatten sich auf Drängen<br />
der Innenpolitiker der Koalitionsfraktionen<br />
CDU und SPD das Innen- und Finanzmin<strong>ist</strong>erium<br />
verständigt. Danach werden in diesem<br />
Jahr 150 Polizeianwärter eingestellt, in den<br />
nächsten beiden Jahren sollen es dann jeweils<br />
130 sein und 2014 noch 120. Die Reform<br />
finde jetzt breite Unterstützung in der<br />
Koalition, sagte Mohring. «Alle sind dafür.»<br />
<strong>Der</strong> Fraktionsvorsitzende der Linken, Bodo<br />
Ramelow, übte Kritik. Zu befürchten sei, dass<br />
an die Polizeidienststellen «nur neue Türschilder»<br />
geschraubt würden, sagte er. Ähnlich<br />
äußerte sich die Fraktionschefin der Grünen,<br />
Anja Siegesmund. Zudem sei es ein Geheimnis<br />
der Regierung, wie sie mehr Poliz<strong>ist</strong>en in<br />
den Streifendienst bringen wolle.<br />
Was fehle, sei ein aufeinander abgestimmtes<br />
Reformkonzept des Innen- und des Justizmin<strong>ist</strong>eriums,<br />
sagte Ramelow. Insgesamt fehle<br />
der schwarz-roten Regierung ein «Generalplan<br />
zur Verwaltungsreform». <strong>Der</strong> Fraktionsvorsitzende<br />
der FDP, Uwe Barth, beklagte,<br />
dass der Innenausschuss kurzfr<strong>ist</strong>ig nur mit
Tischvorlagen über Änderungen im Polizeigesetz<br />
informiert worden sei.<br />
Die Polizeireform wird nach dem Willen der<br />
Koalition voraussichtlich am kommenden<br />
Donnerstag vom Parlament verabschiedet.<br />
Sie könnte dann 2012 in Kraft treten. Innenmin<strong>ist</strong>er<br />
Jörg Geibert (CDU) hatte bereits angekündigt,<br />
dass für die Umsetzung ein<br />
längerer Zeitraum gebraucht wird. In der Vergangenheit<br />
hatte es immer wieder Anläufe<br />
gegeben, die Polize<strong>ist</strong>ruktur in Thüringen zu<br />
ändern. Diskutiert worden war auch eine Verringerung<br />
der Zahl der Polizeidirektionen, in<br />
deren Bereich es wiederum eine Vielzahl von<br />
Inspektionen gibt. <strong>Der</strong> Thüringer Landtag hat<br />
am Donnerstag die jahrelang immer wieder<br />
vertagte Polizeireform auf den Weg gebracht.<br />
Sie soll dafür sorgen, dass trotz sinkender<br />
Poliz<strong>ist</strong>enzahl künftig mehr Beamte auf Thüringens<br />
Straßen unterwegs sind. Die Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit<br />
der Polizei werde für die<br />
Zukunft gesichert, betonte Innenmin<strong>ist</strong>er<br />
Jörg Geibert (CDU). «Das <strong>ist</strong> ein Wahnsinns-<br />
Erfolg nach einem Jahrzehnt schweißtreibender<br />
Diskussion.»<br />
Mit der Polizeireform will die Landesregierung<br />
das Kunststück schaffen, trotz Personalabbaus<br />
fast 400 Mitarbeiter mehr in den<br />
Basisdienststellen zu haben. «Das <strong>ist</strong> fast die<br />
Quadratur des Kreises», sagte Geibert. Für<br />
jede Dienststelle seien aber Stellenpläne erstellt<br />
worden, die belegten, dass beide Ziele<br />
auch 2021 noch erreicht würden.<br />
Hier meldete die Opposition Zweifel an: Die<br />
Polizeireform sei ein «sehr blasses Projekt»<br />
und beantworte nicht, wie mit den engeren<br />
Ressourcen umgegangen werde, kritisierte<br />
der Grünen-Abgeordnete Dirk Adams. Im<br />
Prinzip würden nur Schilder umgeschraubt,<br />
beim Landeskriminalamt gebe es überhaupt<br />
keine Änderungen. «Ich kann mir nicht vorstellen,<br />
dass Sie damit Geld sparen», sagte<br />
Adams. Die Linke-Abgeordnete Martina Ren-<br />
ner befürchtete Doppelstrukturen bei der Einsatzbewältigung<br />
zwischen Zentrale und regionalen<br />
Dienststellen.<br />
Kernstück der Reform <strong>ist</strong> die Einrichtung<br />
einer Landespolizeidirektion, die künftig eine<br />
Vielzahl von admin<strong>ist</strong>rativen Funktionen der<br />
bisher sieben regionalen Polizeidirektionen<br />
übernehmen soll. Die bisherigen Direktionen<br />
werden zu Inspektionen.<br />
In der Erfurter Einsatzzentrale sollen landesweit<br />
alle Notrufe über die 110 eingehen.<br />
Auch größere Einsätze sollen von hier geleitet<br />
werden. Die Befürchtung, dass sich viele<br />
der 75 Mitarbeiter, die die Telefonate annehmen,<br />
an den Einsatzorten nicht gut genug<br />
auskennen könnten, wies Geibert zurück. Sie<br />
würden mit elektronischen Karten unterstützt.<br />
Zudem würden die Einsätze zwar zentral<br />
gesteuert, die Führung aber bleibe vor<br />
Ort. Eine gemeinsame Einsatzzentrale biete<br />
das höchste Einsparpotenzial, weil deutlich<br />
weniger Personal gebraucht werde.<br />
Die SPD-Fraktion stimme dem Polizeigesetz<br />
mit einem lachenden und einem weinenden<br />
Auge zu, sagte Innenexperte Heiko Gentzel.<br />
Die Reform sei alternativlos. «<strong>Der</strong> Abbau von<br />
926 Stellen <strong>ist</strong> und bleibt aber ein hartes<br />
Brot.» Bei der Haushaltskonsolidierung<br />
komme Thüringen an den Personalkosten<br />
nicht herum - allein bei der Polizei würden<br />
hier 116 Millionen Euro eingespart. «Andere<br />
Bereiche werden folgen müssen.» Die<br />
Schwarzmalerei der Opposition teile er nicht.<br />
Jetzt müsse die Reform aber erst einmal umgesetzt<br />
werden - hier erwarte er noch «Sand<br />
im Getriebe».<br />
Kein Bestandteil der Reform <strong>ist</strong> die künftige<br />
Polize<strong>ist</strong>ärke - einer der größten politischen<br />
Streitpunkte der vergangenen Jahre. <strong>Der</strong> Landtag<br />
stimmte dazu einem Entschließungsantrag<br />
von CDU und SPD zu, der betont, dass der Polizeivollzug<br />
nicht stärker als bisher vorgesehen<br />
Foto: Arno Bachert/pixelio.de<br />
vom Stellenabbau betroffen sein darf. Zudem<br />
wird gefordert, dass bis 2014 jährlich 150 Polizeianwärter<br />
eingestellt werden. Gewerkschaft<br />
rechnet nicht mit mehr Polizei auf der<br />
Straße Die Polizeireform <strong>ist</strong> einer der politischen<br />
Dauerbrenner in Thüringen. In dieser<br />
Woche soll sie nun vom Landtag beschlossen<br />
werden. Die Gewerkschaft der Polizei spendet<br />
dem Vorhaben nur verhalten Beifall.<br />
Erfurt (dpa/th) - Die Gewerkschaft der Polizei<br />
(GdP) <strong>ist</strong> für eine Polizeireform, rechnet aber<br />
mit deutlich weniger Vorteilen als die Landesregierung.<br />
«Sie wird in geringem Umfang<br />
Reserven freisetzen, um zumindest die<br />
Grundversorgung für die Bevölkerung aufrecht<br />
zu erhalten», sagte GdP-Landesvize<br />
Edgar Große in einem Gespräch mit der<br />
Nachrichtenagentur dpa. Die Erwartung des<br />
Landes an 400 zusätzliche Poliz<strong>ist</strong>en im Streifendienst<br />
teile er nicht. «Wir werden nicht<br />
einen Mann mehr auf der Straße haben.» Die<br />
Reform bringe allerdings eine Entlastung von<br />
Verwaltungsaufwand und bei Mehrfachzuständigkeiten.<br />
Das bedeute eine Straffung der Organisation<br />
insgesamt und biete durchaus das Potenzial,<br />
mehr Kräfte für den operativen Dienst freizusetzen.<br />
Die Gewerkschaft rechne mit weniger<br />
als 100. Das reiche aber nicht aus, um den<br />
Stellenverlust insgesamt zu kompensieren. In<br />
der Praxis reiche allein die Zahl der Neueinstellungen<br />
nicht aus, um die Abgänge in den<br />
Ruhestand auszugleichen, sagte Große.<br />
Eine entscheidende Voraussetzung für die geplante<br />
zentrale Einsatzleitstelle sei die flächendeckende<br />
Einführung des Digitalfunks<br />
und von moderner Einsatzleittechnik. So<br />
müsste ein Mitarbeiter in der Einsatzzentrale<br />
bei Notrufen jederzeit sehen können, wo<br />
Streifenwagen auch in entfernten Regionen<br />
gerade unterwegs seien.<br />
Mit Blick auf die Mitarbeiter sei er «eher optim<strong>ist</strong>isch»,<br />
da sich für den Großteil in den<br />
bisherigen Inspektionen kaum etwas ändere.<br />
«Auch von den Mitarbeitern in den bisherigen<br />
Direktionen wird nur ein Teil in die künftige<br />
Landespolizeidirektion ziehen.» Es sei aber<br />
wünschenswert, dass dort möglichst aus allen<br />
Regionen Thüringens Mitarbeiter säßen. Trotz<br />
aller Technik sei Ortskenntnis unerlässlich.<br />
«Wenn Sie keine Vorstellung von der Region<br />
haben oder es um doppelte Orts- oder Straßennamen<br />
geht, wird es sonst schwierig.»<br />
Insgesamt begrüße die Gewerkschaft aber<br />
die Reform, die seit zehn Jahren überfällig<br />
sei. «Wir brauchen diese Strukturen, damit<br />
überhaupt was voran geht», sagte Große.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 69
Chaos Computer Club<br />
knackt<br />
«Bundestrojaner»<br />
Strafermittler dürfen in engen Grenzen die<br />
Online-Kommunikation von Verdächtigen abhören.<br />
Aber eine dabei eingesetzte Software<br />
ermöglicht nach einer Analyse des Chaos<br />
Computer Clubs auch eine umfassende Überwachung<br />
der Bürger - und die <strong>ist</strong> verfassungswidrig.<br />
Berlin (dpa) - Ermittler in Deutschland haben<br />
nach Informationen des Chaos Computer<br />
Clubs (CCC) eine Software zur Überwachung<br />
von Telekommunikations-Verbindungen eingesetzt,<br />
die einen verbotenen «Großen<br />
Lauschangriff» ermöglicht. <strong>Der</strong> «Bundestrojaner»<br />
sei dem Verein auf mehreren Festplatten<br />
anonym zugespielt und von diesem<br />
analysiert worden, berichtete CCC-Sprecher<br />
Frank Rieger. «Die untersuchten Trojaner können<br />
nicht nur höchst intime Daten ausleiten,<br />
sondern bieten auch eine Fernsteuerungsfunktion<br />
zum Nachladen und Ausführen beliebiger<br />
weiterer Schadsoftware.» Das<br />
Bundesinnenmin<strong>ist</strong>erium dementierte: Das<br />
Bundeskriminalamt (BKA) zumindest habe<br />
keinen «Bundestrojaner» eingesetzt.<br />
«Was auch immer der CCC untersucht hat<br />
oder zugespielt bekommen haben mag, es<br />
handelt sich dabei nicht um einen sogenannten<br />
Bundestrojaner», sagte ein Sprecher am<br />
Sonntag laut Mitteilung in Berlin. Das Min<strong>ist</strong>erium<br />
machte keine Angaben, ob und inwieweit<br />
andere deutsche Ermittlungsbehörden<br />
die Überwachungssoftware eingesetzt haben<br />
könnten: «Im Übrigen sind die zuständigen<br />
Justiz- und Sicherheitsbehörden des Bundes<br />
und der Länder jeweils eigenständig für die<br />
Einhaltung technischer und rechtlicher Vorgaben<br />
verantwortlich.»<br />
<strong>Der</strong> CCC teilte mit, der Einsatz dieser Software<br />
verstoße gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
vom 27. Februar 2008,<br />
das der Telekommunikationsüberwachung<br />
enge Grenzen setzt. Grüne, FDP und die Piratenpartei<br />
forderten eine Aufklärung und<br />
70 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
ein Einsatzverbot für den «Bundestrojaner».<br />
Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin Sabine Leutheusser-<br />
Schnarrenberger erklärte, die FDP habe immer<br />
vor den Gefahren staatlicher Schnüffelsoftware<br />
gewarnt. «Noch beunruhigender <strong>ist</strong>,<br />
wenn staatliche Überwachungssoftware sich<br />
nicht an die rechtlichen Grenzen des Zulässigen<br />
oder Nicht-Zulässigen hält.» Auch Grünen-Chefin<br />
Claudia Roth zeigte sich alarmiert.<br />
Nach der Analyse des CCC können mit dem<br />
Überwachsprogramm nicht nur Internet-Te-<br />
lefonate belauscht, sondern auch Bildschirmfotos<br />
von Inhalten des Webbrowsers<br />
oder von Chat- und E-Mail-Programmen gemacht<br />
werden. «Auch niemals versendete<br />
Nachrichten oder Notizen könnten so kopiert<br />
werden. Intime Notizen gehörten aber zu<br />
dem strikt geschützten Kernbereich, den das<br />
Bundesverfassungsgericht bewahrt sehen<br />
wollte», schrieb CCC-Sprecher Rieger in der<br />
«Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».<br />
Wegen Fehlern in der Software entstünden<br />
«eklatante Sicherheitslücken in den infiltrier-
ten Rechnern, die auch Dritte ausnutzen<br />
können».<br />
<strong>Der</strong> Antiviren-Spezial<strong>ist</strong> F-Secure bestätigte<br />
in einer eigenen Analyse, dass das Programm<br />
unter anderem die Eingaben eines Nutzers<br />
im Internet-Browser Firefox und bei Chat-<br />
Programmen wie Skype oder ICQ aufzeichnen<br />
könne. Außerdem könnten Audio-Stücke<br />
aufgenommen werden. «Wir haben keinen<br />
Grund, die Erkenntnisse des CCC anzuzweifeln»,<br />
teilte F-Secure mit.<br />
Die Sicherheitsbehörden in Deutschland bestehen<br />
darauf, dass sie zur Verfolgung von<br />
schweren Straftaten auch eine legale Möglichkeit<br />
haben müssen, Telefonate von Tatverdächtigen<br />
im Internet abhören zu können.<br />
Die Telekommunikationsüberwachung an der<br />
Quelle, kurz als Quellen-TKÜ bezeichnet, soll<br />
eine Möglichkeit bieten, die Kommunikation<br />
über das Internet abzuhören, bevor sie für<br />
den Weg durchs Netz verschlüsselt wird.<br />
Das Bundesverfassungsgericht setzte im Februar<br />
2008 hohe rechtliche Hürden für Online-<br />
Durchsuchungen. Das heimliche Ausspähen<br />
eines Computer-Anwenders zur Gefahrenabwehr<br />
<strong>ist</strong> demnach nur zulässig, wenn es klare<br />
gesetzliche Regeln dafür gibt. Außerdem<br />
muss die Aktion der «Abwehr einer konkreten<br />
Gefahr für ein überragend wichtiges<br />
Rechtsgut» dienen und durch einen Richter<br />
angeordnet werden.<br />
<strong>Der</strong> Chaos Computer Club erklärte, die nun<br />
aufgetauchte Software ermögliche einen viel<br />
weitergehenden Angriff. «Es <strong>ist</strong> wohl das erste<br />
Mal, dass entgegen dem expliziten Votum<br />
aus Karlsruhe systematisch eine heimliche<br />
Ausweitung der Überwachungsmöglichkeiten<br />
in den klar illegalen Bereich vorgenommen<br />
wurde», sagte CCC-Sprecher Rieger.<br />
<strong>Der</strong> «Trojaner» könne über das Netz weitere<br />
Programme nachladen und ferngesteuert<br />
ausführen. «Eine Erweiterbarkeit auf die<br />
volle Funktionalität des Bundestrojaners -<br />
also das Durchsuchen, Schreiben, Lesen<br />
sowie Manipulieren von Dateien - <strong>ist</strong> von Anfang<br />
an vorgesehen.» Sogar ein digitaler großer<br />
Lausch- und Spähangriff sei möglich,<br />
indem ferngesteuert auf das Mikrofon, die<br />
Kamera und die Tastatur des Computers zugegriffen<br />
werde.<br />
In den Tests habe der CCC mit dem Trojaner<br />
Inhalte des Webbrowsers ausspioniert - inklusive<br />
privater Notizen, E-Mails oder Texten<br />
in webbasierten Cloud-Diensten. «Wir<br />
waren überrascht und vor allem entsetzt,<br />
dass diese Schnüffelsoftware nicht einmal<br />
den elementarsten Sicherheitsanforderungen<br />
genügt», sagte ein CCC-Sprecher. Selbst<br />
einfache Absicherungen, wie beim Online-<br />
Banking oder bei Flirtportalen üblich, gebe<br />
es nicht. «Das Sicherheitsniveau dieses Trojaners<br />
<strong>ist</strong> nicht besser, als würde er auf allen<br />
infizierten Rechnern die Passwörter auf<br />
"1234" setzen.»<br />
<strong>Der</strong> ehemalige Bundesinnenmin<strong>ist</strong>er Gerhart<br />
Baum und der frühere Vizepräsident des Bundestages,<br />
Burkhard Hirsch, sprachen von<br />
einem «bisher schlicht für unmöglich gehaltenen<br />
Vorgang». Die beiden FDP-Politiker forderten<br />
den Bundestag auf, den Vorgang<br />
öffentlich und unverzüglich aufzuklären. Sie<br />
kündigten an, den Vorgang in eine Verfassungsbeschwerde<br />
einzuführen, die sie 2009<br />
gegen das BKA-Gesetz in Karlsruhe eingereicht<br />
hatten. So arbeitet eine Trojaner-Software<br />
<strong>Der</strong> Name «Trojaner» für eine Schadsoftware<br />
spielt auf das Trojanische Pferd in<br />
der griechischen Mythologie an. Das riesige<br />
Holzpferd hatten die Griechen nach vergeblicher<br />
Belagerung vor Troja scheinbar zurückgelassen.<br />
Nachdem die Trojaner es in die<br />
Stadt gezogen hatten, krochen des Nachts im<br />
Inneren versteckte Soldaten heraus, öffneten<br />
die Stadtmauern und ließen das Heer der<br />
Griechen ein.<br />
Im digitalen Zeitalter täuschen Trojaner eine<br />
nützliche Anwendung vor, erfüllen im Hintergrund<br />
aber eine ganz andere Funktion. Computer-Kriminelle<br />
nutzen sie beispielsweise,<br />
um Passwörter für E-Mail-Konten abzufangen<br />
oder Online-Banking zu manipulieren.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 71
Dabei werden unter anderem Tastatur-Eingaben<br />
des Anwenders ausspioniert.<br />
Verbreitet werden Trojaner me<strong>ist</strong> über manipulierte<br />
E-Mails oder das Internet. So werden<br />
Anwender beispielsweise mit einem Lockangebot<br />
aufgefordert, eine Software zu installieren.<br />
Folgt der User dieser Aufforderung, n<strong>ist</strong>et<br />
sich der Schädling auf dem Computer ein.<br />
Ähnlich können auch Strafverfolgungsbehörden<br />
in Deutschland Trojaner nutzen: Sie dürfen<br />
Überwachungsprogramme nicht im<br />
Rahmen eines Einbruchs auf den Rechnern<br />
von Verdächtigen installieren, können aber<br />
versuchen, sie selbst mit Tricks zur Installation<br />
der Überwachungssoftware zu bewegen. Es<br />
soll auch Fälle gegeben haben, wo Ermittler<br />
eine legale Hausdurchsuchung ausgenutzt<br />
haben, um ihre Überwachungssoftware auf<br />
Rechnern der Verdächtigen zu installieren.<br />
<strong>Der</strong> nun vom Chaos Computer Club (CCC)<br />
analysierte Trojaner kann Internet-Telefonate<br />
abhören - was in engen Grenzen auch legal<br />
<strong>ist</strong>. Die Software kann der Beschreibung der<br />
CCC-Experten zufolge aber auch Programmcode<br />
aus dem Netz nachladen und könnte<br />
dann verfassungswidrige Aktionen durchführen.<br />
Bei der technischen Umsetzung seien die<br />
Programmierer außerdem so schlampig vorgegangen,<br />
dass nicht nur Behörden diesen<br />
Code nachschieben können, sondern auch<br />
Dritte. Bund und Länder wollen Spionage-<br />
Software selbst entwickeln In Zukunft soll<br />
der Staat seine Trojaner selbst bauen. Und<br />
72 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
die bereits eingesetzten Spionage-Programme<br />
müssen überprüft werden. Darauf<br />
haben sich die Innenmin<strong>ist</strong>er geeinigt. Aber<br />
reicht das aus? <strong>Der</strong> Streit in der Regierung <strong>ist</strong><br />
damit noch nicht beigelegt. Nach massiver<br />
Kritik am Einsatz der umstrittenen Spionage-<br />
Software wollen Bund und Länder künftig die<br />
Technik zur Überwachung selbst entwickeln.<br />
Bundesinnenmin<strong>ist</strong>er Hans-Peter Friedrich<br />
(CSU) kündigte am Donnerstag die Einrichtung<br />
eines Kompetenzzentrums für die sogenannte<br />
Quellen-TKÜ zum Aufzeichnen von<br />
Internet-Kommunikation beim Bundeskriminalamt<br />
(BKA) an.<br />
Die Bundesländer seien eingeladen, sich<br />
daran zu beteiligen, sagte Friedrich in Berlin<br />
nach einer Telefonkonferenz mit seinen<br />
Kollegen aus den Ländern. Mehrere Bundesländer<br />
kündigten bereits Unterstützung an.<br />
Darüber hinaus soll ein Expertengremium<br />
eingerichtet werden, das die bisher benutzte<br />
Software von privaten Anbietern überprüft<br />
und zertifiziert.<br />
Die Innenmin<strong>ist</strong>er reagierten damit auf Forderungen<br />
von Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin Sabine<br />
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), aber<br />
auch aus den Ländern und der Opposition,<br />
die umstrittene Trojaner-Software nicht privaten<br />
Herstellern zu überlassen. <strong>Der</strong> Kern der<br />
benutzten Software, der sogenannte Quellcode,<br />
<strong>ist</strong> den staatlichen Stellen angeblich<br />
bisher nicht bekannt. Missbrauch durch zusätzliche<br />
Funktionen konnte deshalb nicht<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Die Justizmin<strong>ist</strong>erin hält aber die Ankündigungen<br />
der Innenmin<strong>ist</strong>er nicht für ausreichend.<br />
Dies sei bestenfalls ein erster<br />
Schritt. «Es <strong>ist</strong> überfällig, dass der Staat<br />
künftig den Grundrechtsschutz nicht mehr<br />
faktisch in die Hände privater Programmierer<br />
legen wird», sagte sie. Eine koordinierte Aufklärung<br />
von Bund und Ländern über möglichen<br />
Missbrauch der bisher eingesetzten<br />
Software fehle nach wie vor.<br />
Friedrich betonte, dass die Überwachung von<br />
Internet- Kommunikation im Kampf gegen<br />
Terrorismus und organisierte Kriminalität unverzichtbar<br />
bleibe. Es gebe aber «keinerlei<br />
Anhaltspunkte dafür, dass andere Daten abgefragt<br />
wurden». Auch der Vorsitzende der<br />
Innenmin<strong>ist</strong>erkonferenz, der hessische Ressortchef<br />
Boris Rhein (CDU) sagte, innerhalb<br />
der gesetzlichen Grenzen sei dieses Vorgehen<br />
auch in Zukunft «absolut notwendig, um Terrorismus<br />
und Schwerkriminalität effektiv bekämpfen<br />
zu können».<br />
Über die Kosten der geplanten Maßnahmen<br />
machte Friedrich keine Angaben, betonte aber:<br />
«Wir werden sicher zusätzliche Experten einstellen<br />
müssen.» <strong>Der</strong> niedersächsische Innenmin<strong>ist</strong>er<br />
Uwe Schünemann (CDU) sagte nach<br />
der Konferenz: «Wir werden selbstverständlich<br />
weiter sicherstellen, dass wir mit einer entsprechenden<br />
Software ausschließlich den<br />
rechtlich vorgegebenen Rahmen nutzen.»<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat der Überwachung<br />
von Computern enge rechtliche
Grenzen gesetzt. Die Online-Durchsuchung<br />
eines Rechners <strong>ist</strong> nach einem Urteil aus dem<br />
Jahr 2008 nur bei konkreter Gefahr für hochrangige<br />
Rechtsgüter zulässig. Diskussion<br />
um Staatstrojaner: Eine Überprüfung <strong>ist</strong><br />
Pflicht Ein TÜV für den Staatstrojaner: Bundesinnenmin<strong>ist</strong>er<br />
Hans-Peter Friedrich (CSU)<br />
will die umstrittene staatliche Schnüffel-<br />
Software von Experten überprüfen lassen.<br />
Künftig soll sie der Staat sogar selbst entwickeln.<br />
Experten stimmen zu, dass mehr Kontrolle<br />
nötig <strong>ist</strong> - ein selbst gebauter Trojaner<br />
aber nicht.<br />
Warum bestehen Zweifel, dass die Behörden<br />
die Software gründlich genug<br />
überprüft haben?<br />
Finanz- und Innenmin<strong>ist</strong>erium beteuerten,<br />
dass Zollkriminalamt (ZKA) und Bundeskriminalamt<br />
(BKA) die Funktionen des Trojaner<br />
gründlich überprüft hätten. Allerdings erklärten<br />
sie, dass die ihnen unterstellten Behörden<br />
nicht den Quellcode gekannt hätten - also<br />
den Bauplan der Software. Vorgelegen habe<br />
nur der für Rechner lesbare Maschinencode.<br />
Ihn zu analysieren, <strong>ist</strong> extrem aufwendig. Versteckte<br />
Funktionen lassen sich nur mit größer<br />
Mühe entdecken.<br />
Woher weiß dann der Chaos Computer<br />
Club, was die Software kann?<br />
Die Analyse des Trojaners vergleicht CCC-<br />
Sprecher Frank Rieger in einem Beitrag für<br />
die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ)<br />
mit der Obduktion einer unbekannten Spezies<br />
von Lebewesen: Man versuche, einzelne<br />
Funktionen wie die Augen zu<br />
identifizieren und vergleiche sie mit bekannten<br />
Strukturen - etwa Linse, Hornhaut<br />
und Pupille. Auf die Analyse von Software<br />
übertragen heißt das: «Wenn man ergründen<br />
will, was eine bestimmte Routine des<br />
Trojaners bewirkt, schaut man als Erstes<br />
nach, welche Funktionen des Betriebssystems<br />
sie benutzt.»<br />
Könnte ein Art staatlicher Software-<br />
TÜV helfen?<br />
Bundesinnenmin<strong>ist</strong>er Hans-Peter Friedrich<br />
(CSU) will ein Expertengremium einrichten,<br />
das die bisher benutzte Software von privaten<br />
Anbietern überprüft und zertifiziert. In<br />
der Industrie <strong>ist</strong> solch eine Qualitätskontrolle<br />
eine Selbstverständlichkeit. Dazu sei auch der<br />
Staat in der Pflicht, sagt Prof.<br />
Hartmut Pohl von der Universität Bonn-<br />
Rhein-Sieg: «Es muss überprüft werden, ob<br />
die Software dem Anforderungskatalog exakt<br />
entspricht.» Mit genauen Vorgaben verhindere<br />
man nicht nur technische Fehler, sondern<br />
auch rechtliche Probleme.<br />
Einen eigenen TÜV müsse der Staat dafür<br />
aber nicht gründen, meint der Informatiker:<br />
Das nötige technische Know-how sei beispielsweise<br />
bei den Datenschutzbehörden,<br />
Rechnungshöfen oder auch dem Bundesamt<br />
für Sicherheit in der Informationstechnik<br />
(BSI) vorhanden.<br />
<strong>Der</strong> Bund will Trojaner-Software<br />
selbst entwickeln. Ist das sinnvoll?<br />
«Private Firmen bauen Telefonanlagen, Panzer<br />
und entwickeln Software fürs Militär»,<br />
sagt der IT-Sicherheitsspezial<strong>ist</strong> Holger Heimann.<br />
<strong>Der</strong> Geschäftsführer der Firma it.sec<br />
in Ulm sieht daher kein grundsätzliches Problem<br />
darin, von der Privatwirtschaft einen<br />
Trojaner entwickeln zu lassen - so lange der<br />
Auftragnehmer seriös sei und es die nötigen<br />
Kontrollen gebe.<br />
Das hätte durchaus Vorteile für den Staat,<br />
sagt Heimann: «Private Firmen werden eher<br />
effizient entwickeln, insbesondere wenn aus<br />
Auftragsarbeiten "Standardprodukte" werden».<br />
Allerdings müsse man dann davon<br />
ausgehen, dass die Entwickler ihre Produkte<br />
auch in anderen Märkten anbieten - womöglich<br />
ohne Einschränkungen.<br />
Was <strong>ist</strong> mit der richterlichen Kontrolle?<br />
<strong>Der</strong> Trojaner-Einsatz zur Überwachung von<br />
Internet-Telefonaten (Quellen-TKÜ) steht<br />
unter richterlichem Vorbehalt. Aber: «Es <strong>ist</strong><br />
ein Riesenproblem, dass in der Regel zu<br />
wenig Zeit vorhanden <strong>ist</strong>, um den Antrag der<br />
Staatsanwaltschaft in der Tiefe zu überprüfen»,<br />
sagt Chr<strong>ist</strong>ine Nordmann, Sprecherin<br />
der Neuen Richtervereinigung. Das Pensum<br />
dafür sei zu knapp berechnet.<br />
<strong>Der</strong> Deutsche Richterbund erklärt, es gebe relativ<br />
wenig Anträge auf Quellen-TKÜ (rund<br />
100 durch alle Sicherheitsbehörden sind bekannt)<br />
- weil die Prüfung eine besondere Aufgabe<br />
sei, nähmen sich die Richter dafür viel<br />
Zeit. «Alle Beteiligten sind sich bewusst, dass<br />
es sehr schwerwiegender Eingriff in die<br />
Grundrechte der Betroffenen <strong>ist</strong>», betont<br />
Chr<strong>ist</strong>oph Frank, Vorsitzender der Verbandes<br />
und selbst Oberstaatsanwalt. So oder so:<br />
Beide Verbände fordern mehr Stellen für Ermittlungsrichter,<br />
die über solche Eingriffe in<br />
die Grundrechte entscheiden. Polizei fordert<br />
klare Regeln für Späh-Software Für den Ein-<br />
satz von Späh-Software fordern Ermittler angesichts<br />
des Wirbels um Computerüberwachung<br />
einen klaren Rechtsrahmen. <strong>Der</strong><br />
Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei<br />
(GdP), Bernhard Witthaut, sagte der «Passauer<br />
Neuen Presse» (Mittwoch): «Es muss<br />
endlich für den Bereich der Onlineüberwachung<br />
klare verbindliche Regelungen geben.<br />
Die Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin muss die gesetzlichen<br />
Lücken schließen.»<br />
<strong>Der</strong> FDP-Rechtsexperte Marco Buschmann<br />
stellte den Einsatz von Spionage-Software<br />
durch die Sicherheitsbehörden grundsätzlich<br />
infrage. «<strong>Der</strong> nun enthüllte Staatstrojaner<br />
nährt erhebliche Zweifel, dass ein Einsatz von<br />
Spionage-software im Rahmen der deutschen<br />
Verfassung überhaupt möglich <strong>ist</strong>»,<br />
sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung»<br />
(Mittwoch). Bisher deute vieles darauf hin,<br />
dass die Risiken eines eingeschleusten Trojaners<br />
für die Privatsphäre technisch nicht beherrschbar<br />
seien. Buschmann schlug vor:<br />
«Die Strafverfolger sollten sich künftig an<br />
den Internetdienst Skype in Luxemburg wenden.»<br />
Das Unternehmen sei in der Lage, die<br />
verschlüsselte Kommunikation zu dechiffrieren.<br />
Deutsche Behörden könnten solche Auskünfte<br />
in einem Rechtshilfeverfahren auch<br />
durchsetzen.<br />
Die umstrittene staatliche Schnüffel-Software<br />
sorgt für Streit in der schwarz-gelben Koalition.<br />
Justizmin<strong>ist</strong>erin Sabine Leutheusser-<br />
Schnarrenberger (FDP) fordert vom<br />
Innenressort Vorschläge zur Änderung des<br />
Bundeskriminalamt-Gesetzes, um die Privatsphäre<br />
und den Grundrechtsbereich besser<br />
zu schützen. Dagegen wirft Innenmin<strong>ist</strong>er<br />
Hans-Peter Friedrich (CSU) seiner Kabinettskollegin<br />
vor, Ermittler unter «Generalverdacht»<br />
zu stellen. Friedrich rief die Länder<br />
auf, die umstrittene Software nicht mehr zu<br />
verwenden. Nach Baden-Württemberg hat<br />
auch Bayern erklärt, die Trojaner zunächst<br />
nicht weiter einsetzen zu wollen.<br />
<strong>Der</strong> ehemalige Bundesverfassungsrichter<br />
Wolfgang Hoffmann-Riem, der 2008 am<br />
Karlsruher Urteil zur Online-Durchsuchung<br />
mitgewirkt hatte, sagte der «Augsburger Allgemeinen»<br />
(Mittwoch): «Wenn der Staat<br />
eine Software einsetzt, die eine Ausspähung<br />
des Computers oder gar den Missbrauch<br />
durch Dritte ermöglicht, <strong>ist</strong> der Einsatz verfassungswidrig.»<br />
Ein Trojaner dürfe zur<br />
Überwachung der Telekommunikation nur in<br />
den gesetzlich vorgesehenen Fällen und nur<br />
dann eingesetzt werden, wenn technische<br />
Vorkehrungen unbefugte Nutzungen ausschlössen.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 73
Neue Dimension<br />
des Linksextremismus -<br />
oder schon Terrorismus?<br />
Bundesanwaltschaft und BKA ermitteln<br />
wegen Brand-Attacken auf Bahn<br />
Die Brand-Attacken auf die Bahn haben eine<br />
neue Dimension erreicht. Erneute Funde von<br />
Brandsätzen legen eine weitere wichtige ICE-<br />
Strecke lahm. Die Bundesanwaltschaft schaltet<br />
sich ein. Wer genau hinter der Sabotage<br />
steckt, <strong>ist</strong> noch immer unklar.<br />
Berlin (dpa) - Die obersten deutschen Bundesermittler<br />
fahnden jetzt nach den Urhebern<br />
der Serie von Bahn-Brandanschlägen<br />
in Berlin und Brandenburg. Die Bundesanwaltschaft<br />
in Karlsruhe hat am Mittwoch Ermittlungen<br />
aufgenommen. Es bestehe der<br />
Verdacht der «verfassungsfeindlichen Sabotage»,<br />
sagte ein Sprecher der Behörde. Das<br />
Bundeskriminalamt (BKA) sei mit der weiteren<br />
Aufklärung beauftragt.<br />
Den dritten Tag in Folge wurden<br />
in Berlin Brandsätze an Gleisen der Bahn entdeckt.<br />
<strong>Der</strong> Zugfernverkehr von und nach Berlin<br />
war erheblich gestört. Zehntausende<br />
Reisende am Hauptbahnhof - einem der zentralen<br />
Bahnknotenpunkte Deutschlands -<br />
waren von Verspätungen und ausgefallenen<br />
Zügen betroffen.<br />
Die Polizei geht bisher von linksextrem<strong>ist</strong>ischen<br />
Tätern aus. Die Politiker sind sich<br />
uneins, ob es sich bei den Taten um eine neue<br />
Dimension linksextremer Gewalt handelt.<br />
Bundesverkehrsmin<strong>ist</strong>er Peter Ramsauer<br />
(CSU) legte dies nahe.<br />
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe <strong>ist</strong><br />
unter anderem für die Verfolgung terror<strong>ist</strong>ischer<br />
Gewalttaten zuständig. Noch am Vortag<br />
hatte ein Sprecher gesagt, es gebe keine<br />
Anzeichen, dass die Vorfälle in die Zuständigkeit<br />
der Behörde fielen. Nun heißt es<br />
dort: «Ausmaß und Anzahl der Anschläge»<br />
sprächen für eine besondere Bedeutung des<br />
Falles.<br />
74 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Die Bahn prüft derzeit nach Angaben ihres<br />
Sicherheitschefs Gerd Neubeck, ob weiteres<br />
Sicherheitspersonal eingestellt wird. Seit den<br />
ersten Funden am Montag suchen Bahn und<br />
Bundespolizei verstärkt alle Gleisanlagen ab.<br />
Nach der Strecke Berlin-Hamburg musste am<br />
Mittwoch auch die zweite wichtige Fernbahnstrecke<br />
von und nach Berlin zweitweise<br />
gesperrt werden. Züge Richtung Hannover<br />
wurden umgeleitet, nachdem an den Gleisen<br />
der Strecke im Westen Berlins zwei weitere<br />
Brandsätze entdeckt wurden. Einer davon<br />
war vermutlich schon am Montag oder<br />
Dienstag explodiert.<br />
Betroffen waren durch die Streckensperrung<br />
auch Reisende nach Frankfurt, ins Ruhrgebiet<br />
und ins Rheinland. Einen anderen Brandsatz<br />
fanden Bundespoliz<strong>ist</strong>en am Mittwoch zwischen<br />
den Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz<br />
südlich der Berliner Innenstadt.<br />
Trotz der Verspätungen und Zugausfälle hielt<br />
sich der Unmut der Bahnkunden am Berliner<br />
Hauptbahnhof vergleichsweise in Grenzen.<br />
Zehntausenden gestrandeten Fahrgästen<br />
blieb aber auch wenig anderes übrig, als geduldig<br />
auf den Bahnsteigen zu warten. Verständnislos<br />
reagierten viele Menschen<br />
allerdings auf die Methoden der Täter.<br />
Die Polizei geht davon aus, dass alle Brandsätze<br />
gleichzeitig von mutmaßlich linksextrem<strong>ist</strong>ischen<br />
Tätern deponiert wurden und<br />
seitdem nach und nach entdeckt werden. Insgesamt<br />
handelt es sich bislang um mindestens<br />
14 Brandsätze in der Hauptstadt und im<br />
Umland. Die Polizei schloss nicht aus, dass es<br />
noch weitere, nicht entdeckte Sprengsätze<br />
gibt. Bislang konnten keine Täter gefasst<br />
werden. Verletzt wurde niemand.<br />
Bundesverkehrsmin<strong>ist</strong>er Ramsauer verurteilte<br />
die versuchten Brandstiftungen scharf<br />
und sprach von «verbrecherischen terror<strong>ist</strong>i-<br />
schen Anschlägen», die auch in eine neue Dimension<br />
hineingingen. Berlins Regierender<br />
Bürgerme<strong>ist</strong>er Klaus Wowereit (SPD) widersprach:<br />
«Ich gehe nicht davon aus, dass uns<br />
hier ein neuer Linksterrorismus droht. Selbstverständlich<br />
<strong>ist</strong> das aber ein furchtbarer Zustand,<br />
dass Menschen andere Menschen<br />
gefährden. Das muss bekämpft werden.»<br />
Auch das Bundesinnenmin<strong>ist</strong>erium sah noch<br />
keinen neuen Linksterrorismus in Deutschland.<br />
Es gebe bislang keine Hinweise darauf,
dass aus den linksextrem<strong>ist</strong>ischen Strukturen<br />
bereits linksterror<strong>ist</strong>ische Vereinigungen im<br />
Sinne des Strafgesetzbuches geworden seien,<br />
sagte Min<strong>ist</strong>eriumssprecher Jens Teschke.<br />
Die Linke d<strong>ist</strong>anzierte sich von den Urhebern<br />
der Aktionen: «Wer Brandbomben an Bahngleise<br />
legt, <strong>ist</strong> nicht links sondern kriminell.<br />
Gewalt <strong>ist</strong> keine Politik sondern eine Straftat<br />
und muss verfolgt werden», schrieb Parteichef<br />
Klaus Ernst am Mittwoch im Kurznachrichtendienst<br />
Twitter.<br />
Nach den ersten Anschlägen war am Montag<br />
ein Bekennerschreiben im Internet aufgetaucht.<br />
Eine linksextreme Gruppe protestierte<br />
darin gegen den Bundeswehreinsatz in Afghan<strong>ist</strong>an.<br />
Für die Brandsätze verwendeten die Täter<br />
me<strong>ist</strong> Plastikflaschen, die mit Benzin gefüllt<br />
und mit Zündern versehen waren. Sie wurden<br />
in Kabelschächten deponiert und soll-<br />
ten Kabelstränge und Leitungen zerstören,<br />
mit denen Weichen und Signale gesteuert<br />
werden.<br />
Eine Gefahr für Menschen sahen Experten<br />
nicht, weil bei einem Ausfall der Technik alle<br />
Züge gestoppt werden. Die allerme<strong>ist</strong>en der<br />
mindestens 14 Brandsätze zündeten nicht.<br />
Entweder verhinderte das Regenwetter<br />
Schlimmeres oder sie versagten aus technischen<br />
Gründen. Wer steckt hinter den Angriffen<br />
auf die Bahn? Schon werden<br />
Vergleiche zu den Anfängen der RAF gezogen.<br />
Doch Experten sagen, es handele sich<br />
um eine sehr militante Form von Linksextremismus,<br />
die mit dem RAF-Terror nichts zu<br />
tun habe. Rainer Wendt <strong>ist</strong> ein Freund klarer<br />
Ansagen und macht sich als «Lautsprecher»<br />
der Polizei nicht überall Freunde. <strong>Der</strong> Chef<br />
der Deutschen Polizeigewerkschaft warnt<br />
seit Jahren vor einer gefährlichen Zunahme<br />
linksextremer Gewalttaten. Den Fund von<br />
18 Brandsätzen an Bahnstrecken im Großraum<br />
Berlin bis Donnerstagnachmittag interpretiert<br />
er als beginnenden Linksterrorismus,<br />
«auch wenn dies aus der politischen<br />
Perspektive der Regierung noch<br />
nicht erkannt oder anders bewertet wird.»<br />
Dies sei nach versuchten «Mordanschlägen»<br />
auf die Polizei, etwa bei den 1.- Mai-<br />
Demonstrationen in Berlin, eine neue Eskalationsstufe.<br />
Klar <strong>ist</strong>: Die versuchten Brandanschläge sind<br />
eine neue Qualität von Sabotage und verursachen<br />
durch Zugausfälle erheblichen Schaden.<br />
Fast jede Nacht brennen in Berlin seit<br />
Monaten zudem Autos - anfangs nur Luxuslimousinen,<br />
nun müssen sich aber selbst<br />
Kleinwagenbesitzer fürchten. Auch hier war<br />
schnell die Rede von einer neuen Form linker<br />
Gewalt, doch inzwischen scheint klar, dass<br />
auch Pyromanen und ohne politische Motive<br />
agierende Täter mit von der Partie sind.<br />
Daher sind Experten auch vorsichtig, wenn<br />
nun bei den Attacken auf die Bahn Parallelen<br />
zu den Anfängen der Rote Armee Fraktion<br />
(RAF) gezogen werden. Die RAF galt seit den<br />
70er Jahren als Inbegriff für Terror, Gewalt und<br />
Mord von links. Insgesamt fielen ihr mindestens<br />
36 Menschen zum Opfer. Doch der Berliner<br />
Protestforscher Dieter Rucht sagt: «Das <strong>ist</strong><br />
eine ganz andere Nummer gewesen.»<br />
Zwar begann auch der RAF-Terror mit Brandstiftungen<br />
- in Kaufhäusern, um gegen einen<br />
«Konsumwahn» und den Vietnamkrieg zu<br />
protestieren. Doch Ruch betont: «Ich glaube<br />
nicht, dass wir am Anfang einer Spirale nach<br />
oben stehen.» Verbrechen wie gegen die<br />
Bahn würden in der Regel von sehr kleinen<br />
Gruppen verübt. Es gehe ihnen vor allem um<br />
eine symbolische Bedeutung. Die geringe<br />
Sprengkraft der Brandsätze könne ein Indiz<br />
dafür sein, dass es eine gewisse Hemmschwelle<br />
gebe.<br />
Bisher gibt es trotz eines Bekennerschreibens<br />
einer linksextremen Gruppe keine konkreten<br />
Hinweise auf die Täter. In dem Schreiben werden<br />
die Anschläge mit Rüstungstransporten<br />
der Bahn begründet. Doch ob Deutschland<br />
eine neue Welle der Gewalt droht, scheint<br />
fraglich, zumal die Aktionen selbst im linksextremen<br />
Lager kritisch gesehen werden,<br />
weil vor allem die Bürger als Bahnfahrer die<br />
Leidtragenden sind. Auch der Berliner Verfassungsschutz<br />
und Berlins Innensenator Ehrhart<br />
Körting (SPD) sehen eher eine isolierte<br />
Einzelgruppe am Werk.<br />
Dass es sich oft um Splittergruppen handelt,<br />
zeigt das Beispiel der Antiimperial<strong>ist</strong>ischen<br />
Zellen aus den 90ern. Diese bildete sich,<br />
nachdem die RAF im April 1992 ihren Verzicht<br />
auf Gewalt gegen Menschen erklärt<br />
hatte. Nach Anschlägen mit hohem Sachschaden<br />
warnten Sicherheitsexperten damals<br />
vor einer enormen Gefahr. Von 20 bis 50<br />
«Wochenend-Terror<strong>ist</strong>en» war die Rede, die<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 75
nicht im Untergrund leben, sondern sich nur<br />
kurzzeitig an Terrorakten beteiligen. Letztlich<br />
steckten aber wohl nur zwei Physik-Studenten<br />
hinter den Anschlägen.<br />
Die Anschläge gegen die Bahn reißen nun<br />
altbekannte politische Gräben wieder auf.<br />
Die Union beurteilt linksextrem<strong>ist</strong>ische Kriminalität<br />
und Gewalt naturgemäß etwas anders<br />
als Parteien, die links von ihr stehen.<br />
Bundesinnenmin<strong>ist</strong>er Hans-Peter Friedrich<br />
(CSU) warnte, man müsse aufpassen, dass<br />
sich nun kein neuer Linksterrorismus entwickelt.<br />
Bereits im Juli hatte er bei der Vorstellung<br />
des neuen Verfassungsschutzberichtes<br />
vor einer steigenden Gewaltbereitschaft von<br />
Linksextrem<strong>ist</strong>en gesprochen. Friedrich hatte<br />
dabei die Stat<strong>ist</strong>ik aus den ersten fünf Monaten<br />
vor Augen, nach der die Zahl linksextrem<strong>ist</strong>ischer<br />
Straftaten gestiegen <strong>ist</strong>.<br />
Jedoch sieht selbst der CSU-Politiker Friedrich<br />
derzeit keine terror<strong>ist</strong>ischen Strukturen. Er<br />
stützt sich dabei vor allem auf die geltende<br />
Rechtslage, nach der politisch motivierte<br />
Brandschläge erst bei einer erheblichen Gefährdung<br />
des Staates als Terrorismus zu bewerten<br />
sind.<br />
<strong>Der</strong> SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz<br />
sagt zu den Bahnanschlägen deutlicher:<br />
«Das hat mit Terrorismus nichts zu tun.»<br />
Zwar müssten die Anschläge gegen die Bahn<br />
sehr ernst genommen werden. Aber Terrorismus<br />
zeichne sich dadurch aus, dass Menschen<br />
getötet würden, dass Schrecken und<br />
Panik unter der Bevölkerung verbreitet<br />
werde. Die Bahnattacken seien keine Bagatellen,<br />
so Wiefelspütz. «Aber wir sollten auf<br />
dem Teppich bleiben, wenn wir uns zu solchen<br />
Vorgängen äußern. An Bahnanlagen<br />
in Berlin und Umgebung werden immer<br />
mehr Brandsätze entdeckt. Reisende und<br />
Pendler leiden unter Zugausfällen und erheblichen<br />
Verspätungen. Niemand kann<br />
sagen, ob alle Brandsätze gefunden sind.<br />
Gibt es mittlerweile einen neuen Linksterrorismus<br />
in Deutschland? Die wichtigsten Fragen<br />
und Antworten zu den bisherigen<br />
Funden:<br />
Wo wurden die Brandsätze entdeckt?<br />
Offensichtlich haben die Täter sich entscheidende<br />
Punkte im Berliner Bahnnetz ausgesucht,<br />
um den Verkehr möglichst umfassend<br />
lahmzulegen. Zum Beispiel wurden mit den<br />
in Brandenburg und im Westen Berlins entdeckten<br />
Brandsätzen zwei der drei ICE-Strecken<br />
blockiert - die nach Hamburg und die<br />
nach Hannover. Bis Mittwochnachmittag<br />
wurden mindestens 14 entdeckt.<br />
76 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Wie waren die Brandsätze aufgebaut?<br />
Me<strong>ist</strong> waren es Plastikflaschen, die mit Benzin<br />
gefüllt und mit Zeitzündern verbunden<br />
waren. Sie wurden in Kabelschächten deponiert<br />
und richteten sich gegen Kabelstränge<br />
und Leitungen der Bahn, mit denen Weichen<br />
und Signale gesteuert werden. Laut Ermittlern<br />
sind solche Anschläge nur nach umfangreicher<br />
Vorbereitung möglich. Dass nach<br />
bisheriger Kenntnis nur zwei Brandsätze zündeten,<br />
wird vor allem auf das feuchte Wetter<br />
am Montag und Dienstag zurückgeführt.<br />
Wer hat die Brandsätze gelegt? Bislang<br />
gibt es nach offiziellen Angaben keine<br />
heiße Spur. Im Internet bekannte sich eine<br />
antimilitar<strong>ist</strong>ische Gruppe dazu, die bislang<br />
offenbar nicht in Erscheinung trat. Die Berliner<br />
Ermittler gehen von anderen Tätern aus<br />
als bei den Autobrandstiftern.<br />
Waren Menschen in Gefahr? Die Bahn<br />
und Fahrgastvertreter sehen keine Gefahr.<br />
Werden die Signalleitungen gekappt, schalten<br />
demnach alle Signale der Strecke auf Rot.<br />
Züge müssen stoppen. Nur die Mitarbeiter in<br />
der Sicherheitszentrale der Bahn können die<br />
Strecke wieder freigeben. <strong>Der</strong> Braunschweiger<br />
Professor Jörn Pachl hält jedoch auch<br />
größere Brände und Unfälle für möglich,<br />
wenn ein Kabelbrand auch die Systemsicherung<br />
beschädigt.<br />
Gibt es einen neuen Linksterrorismus<br />
in Deutschland? Das CSU-geführte Bundesinnenmin<strong>ist</strong>erium<br />
bewertet die linksextrem<strong>ist</strong>ischen<br />
Strukturen in Deutschland bislang<br />
nicht als terror<strong>ist</strong>isch. Es stützt sich auf das<br />
Strafgesetzbuch und die Rechtsprechung des<br />
Bundesgerichtshofes (BGH). <strong>Der</strong> BGH entschied<br />
im November 2007, dass politisch motivierte<br />
Brandschläge nur bei einer erheb-<br />
®<br />
lichen Gefährdung des Staates als Terrorismus<br />
zu bewerten sind. Demnach <strong>ist</strong> der Terrorismusparagraf<br />
im Strafgesetzbuch nur<br />
noch anwendbar, wenn die Taten staatsgefährdende<br />
Ziele verfolgen und einen Staat erheblich<br />
schädigen können. Im konkreten Fall<br />
ging es damals um die «militante gruppe»<br />
(mg), die seitdem nicht als terror<strong>ist</strong>ische, sondern<br />
nur noch als kriminelle Vereinigung eingestuft<br />
werden darf.<br />
Aber so mancher redet doch von<br />
Linksterrorismus, oder? Ja, wenn es<br />
nicht um die Auslegung der Rechtslage geht,<br />
sind die Bewertungen zum Teil schärfer.<br />
Bundesverkehrsmin<strong>ist</strong>er Peter Ramsauer<br />
(CSU) sprach von «verbrecherischen terror<strong>ist</strong>ischen<br />
Anschlägen». Und Niedersachsens<br />
Innenmin<strong>ist</strong>er Uwe Schünemann (CDU) erklärte,<br />
der Linksextremismus eskaliere zum<br />
Linksterrorismus. <strong>Der</strong> Protestforscher Simon<br />
Teune hatte aber schon Dienstag erklärt,<br />
dass er solche Bewertungen für übertrieben<br />
hält. <strong>Der</strong> Gruppe, die die Anschläge verübe,<br />
gehe es schließlich primär um Sachbeschädigung<br />
- auch wenn die Gefährdung von<br />
Menschenleben nicht ausgeschlossen werden<br />
kann.<br />
Aber die Bundesanwaltschaft hat sich<br />
doch eingeschaltet. Spricht das nicht<br />
für eine neue Dimension? Ja, die Bundesanwaltschaft<br />
ermittelt - wegen «verfassungsfeindlicher<br />
Sabotage», also nicht<br />
wegen terror<strong>ist</strong>ischer Aktivitäten. Die Bundesanwaltschaft<br />
übernimmt die Ermittlungen,<br />
weil sie nach Angaben eines Sprechers<br />
von einer besonderen Bedeutung der Fälle<br />
ausgeht. Und diese liege im Ausmaß und der<br />
Anzahl der Anschläge - insofern könnte man<br />
hier vielleicht schon von einer neuen Stufe<br />
sprechen.<br />
Unser Ziel <strong>ist</strong> es, Kindern und<br />
Jugendlichen zu zeigen:<br />
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fördert dich im Leben?<br />
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Alkohol und Drogen stark zu machen!<br />
Vielen Dank!
Neues Zentrum<br />
im Kampf<br />
gegen Cyberkriminelle<br />
Mit besserer Ausbildung auf in den Kampf gegen Cyberkriminelle:<br />
Ein Ausbildungs- und Forschungszentrum für IT-Sicherheit soll den<br />
Fachkräftemangel der Branche beheben. Auch die Polizei fahndet<br />
immer häufiger online und hat dafür zu wenig Experten.<br />
Balingen (dpa/lsw) - <strong>Der</strong> Kampf gegen Cyberkriminalität wird immer<br />
professioneller. In Balingen (Zollernalbkreis) gibt es bereits einen bundesweit<br />
einzigartigen Studiengang zum Thema IT-Sicherheit - nun<br />
soll ein ganzes Ausbildungszentrum<br />
entstehen. Die Karriereaussichten der<br />
Absolventen sind rosig: Die Branche<br />
sucht ebenso wie die Polizei händeringend<br />
Experten, die IT-Verbrechern das<br />
Handwerk legen können.<br />
Die Anträge für das von der Hochschule<br />
Albstadt-Sigmaringen geplante<br />
Zentrum seien Anfang August beim<br />
Forschungsmin<strong>ist</strong>erium in Berlin eingereicht<br />
worden, sagte Projektleiter<br />
Steve Kovács der Nachrichtenagentur<br />
dpa. Geplant seien mehrere Studiengänge<br />
und Forschungsabteilungen zu<br />
den Themen Computer-Sicherheit und<br />
Internet-Kriminalität. International<br />
gibt es vergleichbare Studiengänge<br />
beispielsweise im irischen Dublin.<br />
Für das «Kompetenz-Zentrum IT-Sicherheit<br />
und IT-Compliance» wollen unter<br />
anderem die Hochschule Albstadt-Sigmaringen,<br />
die Technische Universität<br />
Darmstadt und der Branchenverband<br />
BITKOM zusammenarbeiten.<br />
Bereits im Februar hatte das Bundesbildungsmin<strong>ist</strong>erium<br />
in Karlsruhe, Darmstadt<br />
und Saarbrücken drei Kompetenzzentren<br />
IT-Sicherheit eingerichtet.<br />
«Nicht nur begrüßenswert, sondern<br />
notwendig», seien neue Aus- und Weiterbildungsangebote,<br />
erklärte BIT-<br />
KOM- Arbeitsmarktexperte Stephan<br />
Foto: Rudolpho Duba/pixelio.de<br />
Pf<strong>ist</strong>erer am Mittwoch: «Berufsbegleitende Qualifizierungsangebote<br />
von Hochschulen sind noch viel zu selten.» Beim Branchenverband<br />
gehe man derzeit von mindestens 3000 fehlenden Experten im Bereich<br />
IT-Sicherheit in Deutschland aus.<br />
Auch die Ausbildung und Ermittlungsarbeit der Polizei wird ständig<br />
professionalisiert. Seit Juli gibt es deshalb bei der Generalstaatsanwaltschaft<br />
Stuttgart die «Zentralstelle für die Bekämpfung von In-<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 77
formations- und Kommunikationskriminalität (IuK-Kriminalität)». Dort<br />
geht es auch um neueste Formen elektronischer Verbrechen wie beispielsweise<br />
digitale Schutzgelderpressungen, bei denen bei Nichtzahlung<br />
die IT-Infrastrukturen der Opfer lahmgelegt werden.<br />
«Cyberkriminalität» umfasst eine große Bandbreite an Straftaten -<br />
von der Kinderpornoseite im Internet bis zur gestohlenen PIN-Nummer<br />
am Bankautomaten. Die Zahl der Straftaten im Bereich IuK steigt<br />
seit Jahren stark an; laut Landeskriminalamt auf 32 249 Fälle im Jahr<br />
2010 (plus acht Prozent). Die Schätzungen zu Dunkelziffern und entstandenen<br />
Schäden gehen weit auseinander. Es gibt aber auch Positives<br />
zu vermelden: Im Bereich Besitz und Verschaffen von<br />
Kinderpornografie sanken die Fallzahlen von 1051 im Jahr 2007 auf<br />
386 im Jahr 2010. Computer-Forensiker auf digitaler Spurensuche<br />
Sie sollen denken wie Hacker - denn nur so können Poliz<strong>ist</strong>en Kriminellen<br />
im Internet auf die Spur kommen. In Balingen lässt die Polizei<br />
Spezial<strong>ist</strong>en für die digitale Spurensuche ausbilden. Und auch große<br />
Unternehmen haben Interesse an den IT-Forensikern.<br />
Balingen (dpa/lsw) - Die Studenten tragen Mundschutz und tasten<br />
sich mit Pinzetten langsam ins Innere von Computer-Festplatten vor.<br />
Kein Körnchen Staub darf hineinfallen. «Wir arbeiten ähnlich wie Gerichtsmediziner,<br />
die bei Leichen nach Spuren suchen», sagt Studiengangleiter<br />
Steve Kovács.<br />
Doch statt mit Leichen arbeiten die Studenten in Balingen (Zollernalbkreis)<br />
mit kaputten Festplatten. <strong>Der</strong> Studiengang Digitale Forensik an<br />
der Hochschule Albstadt-Sigmaringen bildet als erster in Deutschland<br />
Experten für die Suche nach Spuren einer Straftat in der digitalen Welt<br />
aus. Die Polizei, aber auch große Unternehmen suchen längst händeringend<br />
nach gut ausgebildeten Spurensuchern in der digitalen Welt.<br />
«Es gibt heute kaum noch Delikte, bei denen keine elektronischen<br />
Geräte ausgewertet werden», sagt Horst Haug vom Landeskriminalamt<br />
(LKA) Baden-Württemberg. Bei nahezu jedem Mord und anderen<br />
schweren Straftaten würden die digitalen Daten von Handy, Laptop<br />
oder Navigationsgerät von Tätern oder Opfern nach Spuren durchsucht.<br />
Hinzu komme die rasant ansteigende Zahl der Straftaten im<br />
Internet. Kinderpornos, Daten-Klau, das Hacken von Netzwerken und<br />
das Verbreiten bösartiger Software: «Das Gebiet der Online-Kriminalität<br />
nimmt immer breiteren Raum der täglichen Arbeit ein.»<br />
Im Hochschullabor in Balingen lernen die Studenten deshalb, wie man<br />
eine Festplatte öffnet, den Datenträger vorsichtig heraushebt und die<br />
78 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Dateien darauf ausliest. Ein Haar oder ein Staubkörnchen, das in die<br />
offenen Hightech-Geräte fällt, könnte entscheidende Spuren in einem<br />
Ermittlungsverfahren zerstören.<br />
«Festplatten aufzuschrauben und wiederherzustellen <strong>ist</strong> nur ein winziger<br />
Teil», erklärt Kovács. Neben den praktischen Erfahrungen mit<br />
dem Mundschutz im Labor büffeln die späteren Computer-Cops<br />
auch einiges an Theorie. Auf dem Stundenplan stehen jur<strong>ist</strong>ische<br />
Themen, Wirtschaftstheorien und Programmierung. «Um Täter überführen<br />
zu können, muss man die Tricks der Hacker selbst kennen»,<br />
meint Kovács.<br />
Nach drei Jahren Fernstudium nennen sich die Absolventen Computer-Forensiker,<br />
verfolgen für die Polizei Kinderporno-Besitzer oder<br />
kämpfen in großen Unternehmen gegen Daten-Diebe.<br />
Bisher hat die Polizei Beamte in eigenen Lehrgängen geschult. «<strong>Der</strong><br />
Studiengang greift das noch recht junge Thema aber viel umfassender<br />
und tiefer auf», sagt der Esslinger Kommissar Rainer Belz, der gerade<br />
das erste Studienjahr an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen hinter<br />
sich hat. Drei Jahre dauert das berufsbegleitende Fernstudium zum<br />
«Master of Science».<br />
Aber nicht alle Studenten sind Poliz<strong>ist</strong>en - der Studiengang <strong>ist</strong> offen<br />
für alle Branchen. Viele große Konzerne haben eigene Sicherheitsabteilungen<br />
für den digitalen Bereich geschaffen und brauchen dafür<br />
gut ausgebildetes Personal. «Die große Gefahr für Unternehmen<br />
kommt nicht durch Hacker-Angriffe von außen», sagt Kovács. Viel gefährlicher<br />
seien eigene Mitarbeiter, die geheime Daten stehlen oder<br />
Viren einschleusen. «Computer-Forensiker müssen sich auch mit Wirtschaftskriminalität<br />
herumschlagen.»<br />
Im ersten Studienjahr hatten sich 30 Studenten eingeschrieben. Aber<br />
die Zahl werde demnächst wohl deutlich steigen, erwartet Kovács.<br />
«Internetkriminalität <strong>ist</strong> das Thema der Zukunft.»<br />
Im Moment laufen die Planungen, in Balingen Deutschlands erstes<br />
IT-Sicherheitszentrum mit weiteren Ausbildungs- und Forschungsabteilungen<br />
zu eröffnen. <strong>Der</strong> Bedarf wäre wohl da.<br />
<strong>Der</strong> Branchenverband Bitkom warnt schon länger vor einem Mangel<br />
an Spezial<strong>ist</strong>en. Deutschland brauche dringend mehr Sicherheitsmanager.<br />
Anders sei man vor digitalen Angriffen nicht<br />
geschützt.<br />
Bild: Gerd Altmann/pixelio.de
D<strong>ist</strong>anz als<br />
Arbeitsprinzip<br />
Es <strong>ist</strong> kein schöner, aber ein wichtiger Job:<br />
Regelmäßig deckt Markus Nusser als Internetfahnder<br />
Fälle von Kindesmissbrauch auf.<br />
Dabei versucht er, die Taten nicht an sich ranzulassen.<br />
Stuttgart (dpa/lsw) - In seinem Beruf <strong>ist</strong> Leidenschaft<br />
fehl am Platz. Emotional und involviert<br />
- diese Adjektive spart sich Markus<br />
Nusser für sein Privatleben auf. An seinem Arbeitsplatz<br />
wird D<strong>ist</strong>anz groß geschrieben.<br />
Denn als Internetfahnder hat er Einblick in<br />
Tatbestände, vor denen viele Menschen lieber<br />
die Augen verschließen.<br />
Seit anderthalb Jahren <strong>ist</strong> Nusser beim Landeskriminalamt<br />
Baden-Württemberg im Netz<br />
Straftätern auf den Fersen. <strong>Der</strong> unerfreuliche<br />
Schwerpunkt: Kinderpornografie. «Wir surfen<br />
nicht den ganzen Tag im Internet herum und<br />
schauen uns irgendwelche Filme an. Glücklicherweise<br />
nicht», stellt der 40-Jährige klar.<br />
Seine Fahndung nach strafbaren Inhalten<br />
und ihren Verbreitern läuft weitaus professioneller<br />
ab als die berühmte Suche nach der<br />
Stecknadel im Heuhaufen. Bei der sogenannten<br />
anlassunabhängigen Recherche durchforstet<br />
er mit Programmen gezielt das<br />
Internet nach pornografischem Material. «Es<br />
<strong>ist</strong> nicht so, dass ich mir jeden Tag diese Dateien<br />
anschauen muss», sagt der Poliz<strong>ist</strong> aber<br />
erleichtert.<br />
Bekannte Filme werden in ein spezielles Programm<br />
eingepflegt. Ab dann übernimmt der<br />
Computer die Arbeit. Findet er den Clip auf<br />
anderen Seiten, wird der entsprechende Internetanschluss<br />
des Verbreiters ermittelt. Die<br />
Beamten müssen die Filminhalte, die sie als<br />
eindeutig strafbar einstufen, zudem detailliert<br />
beschreiben.<br />
Nusser bevorzugt den Ausdruck «Dateien»<br />
wenn er von kinderpornografischen Filmen<br />
spricht. Es <strong>ist</strong> eine D<strong>ist</strong>anz, die notwendig <strong>ist</strong>,<br />
wenn er seinen Beruf professionell ausführen<br />
will. Gerade an Tagen, an denen er nur mit<br />
der technischen Seite zu tun habe, mache er<br />
sich nicht immer so direkt klar, was sich hinter<br />
den Dateinamen und Internetanschlüssen<br />
verberge. «Ich fahnde einfach.»<br />
Die schrecklichen Bilder versucht er mental<br />
im Büro zurückzulassen. Das funktioniere jedoch<br />
nicht immer. «Wenn man auf frisches<br />
Filmmaterial gestoßen <strong>ist</strong>, das einen besonders<br />
krassen Kindesmissbrauch zeigt, <strong>ist</strong> es<br />
nicht so, dass man nach Hause geht und die<br />
Delete-Taste drückt. So funktioniert der Kopf<br />
natürlich nicht.»<br />
Mit den belastenden Eindrücken werden die<br />
Fahnder nicht alleingelassen. «Wir besuchen<br />
häufiger als andere Kollegen entsprechende<br />
Seminare, um solche Dinge verarbeiten zu<br />
können.» Diese sehr spezielle Arbeit sei nicht<br />
für jeden etwas. «Wenn man ein Typ <strong>ist</strong>, der<br />
dazu neigt, sich zu sehr in jedes Opfer hineinzuversetzen,<br />
dann kann man diese Aufgabe<br />
nicht machen. Man muss eine gewisse<br />
Stabilität mitbringen und auch eine gewisse<br />
professionelle D<strong>ist</strong>anz wahren.»<br />
In bestimmten Bereichen sei er sicherlich<br />
durch seine Arbeit sensibler als andere Menschen,<br />
sagt Nusser. Fotos von seiner jungen<br />
Tochter, als sie nackt im Swimmingpool<br />
spielte, habe er ihrem Opa beispielsweise<br />
nicht erlaubt. Zu unsicher sei es ihm, wenn<br />
die Bilder irgendwo entwickelt werden und<br />
in falsche Hände geraten könnten.<br />
Mit seinen Kollegen initiiert der studierte Informatiker<br />
zahlreiche Verfahren, die häufig<br />
auch andauernde Missbrauchsfälle aufdekken<br />
und beenden. Wie die entsprechenden<br />
Strafverfahren ausgehen, verfolge er selten.<br />
Allein vom Umfang her, sei dies kaum möglich.<br />
Das entsprechende Strafmaß möchte er<br />
nicht beurteilen. «Ich weiß, warum ich mich<br />
dazu entschieden habe, Polizeibeamter zu<br />
werden und nicht Richter. Ich will Straftaten<br />
verfolgen und ich möchte nicht das abschließende<br />
Urteil über einen Menschen abgeben.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 79
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Die Pläne zur Reform der<br />
Sicherungsverwahrung<br />
Das Verfassungsgericht hatte sich im Mai unmissverständlich<br />
ausgedrückt: Bis 2013 muss<br />
die Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher<br />
neu geregelt werden. Die Zeit drängt.<br />
In Magdeburg suchen die Justizmin<strong>ist</strong>er von<br />
Bund und Ländern nach einer Lösung.<br />
Magdeburg (dpa) - Für die Reform der Sicherungsverwahrung<br />
wollen die Justizmin<strong>ist</strong>er von<br />
Bund und Ländern die letzten Streitpunkte möglichst<br />
schnell aus dem Weg räumen. Seit Donnerstagmittag<br />
verhandeln die Ressortchefs auf<br />
einer Sonderkonferenz in Magdeburg über das<br />
Thema. Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger<br />
(FDP) will ihr neues Gesamtkonzept<br />
vorstellen.<br />
Strittig <strong>ist</strong> unter anderem noch, nach welchen<br />
Delikten die Maßnahme grundsätzlich überhaupt<br />
möglich sein soll. Das Bundesverfassungsgericht<br />
hatte erklärt, dass die Sicherungsverwahrung<br />
für Schwerverbrecher bis 2013<br />
komplett neu zu regeln <strong>ist</strong>.<br />
Die Unionsmin<strong>ist</strong>er pochen darauf, dass die geplante<br />
Neuregelung sich auch auf Jugendliche<br />
und Heranwachsende erstreckt. Auch hoch gefährliche<br />
junge Menschen müsse der Staat zum<br />
Schutz der Bevölkerung notfalls in Sicherungsverwahrung<br />
nehmen dürfen, forderte Bayerns<br />
Justizmin<strong>ist</strong>erin Beate Merk (CSU) in der<br />
«Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag).<br />
Die Union werde auf eine Regelung für Jugendliche<br />
und Heranwachsende nicht verzichten.<br />
«Es gibt in unserer Gesellschaft leider einige<br />
extrem verrohte junge Leute, darauf müssen<br />
wir als Gesetzgeber reagieren», sagte sie.<br />
Zudem gibt es Forderungen nach einer Neuregelung<br />
der nachträglichen Sicherungsverwahrung<br />
- die allerdings jur<strong>ist</strong>isch äußerst<br />
umstritten <strong>ist</strong>. «Wenn eine psychische Störung<br />
bei einem hochgefährlichen Straftäter erst nach<br />
seiner Verurteilung während der Haft zu erkennen<br />
<strong>ist</strong>, sollte eine Sicherungsverwahrung auch<br />
noch nachträglich angeordnet werden dürfen»,<br />
forderte Merk.<br />
Die Vorsitzende der Justizmin<strong>ist</strong>erkonferenz,<br />
Sachsen-Anhalts Ressortchefin Angela Kolb<br />
(SPD) verwies am Donnerstag auf den Zeitdruck.<br />
Sie erwarte, dass Leitlinien vereinbart<br />
werden, so dass unverzüglich ein Gesetzge-<br />
82 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
bungsverfahren eingeleitet werden könne. Ähnlich<br />
äußerte sich Jochen Hartloff (SPD), Justizmin<strong>ist</strong>er<br />
von Rheinland-Pfalz. Man brauche<br />
dringend das Gesetzgebungsverfahren, sagte<br />
auch er kurz vor der Konferenz. Man sei «auf<br />
einem passablen Weg».<br />
Grundsätzlich einig sind sich die Ressortchefs<br />
bei der von Karlsruhe geforderten klaren Unterscheidung<br />
der Sicherungsverwahrung von<br />
der Strafhaft. Insgesamt haben Bund und Länder<br />
bei der Reform wenig Spielraum, wenn sie<br />
nicht Gefahr laufen wollen, dass die Gerichte<br />
die Sicherungsverwahrung komplett verwerfen.<br />
Die Karlsruher Richter hatten in ihrem Urteil<br />
vom Mai klare Vorgaben gemacht. Die Zeit<br />
drängt: Bis 2013 muss die Sicherungsverwahrung<br />
für Schwerverbrecher in Deutschland<br />
komplett neu geregelt werden. Das hat das<br />
Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden.<br />
Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin Sabine Leutheusser-Schnar-<br />
renberger (FDP) legte nun ihre<br />
Pläne vor:<br />
ANLASSTATEN: Die Sicherungsverwahrung<br />
soll grundsätzlich nur nach schwersten Gewaltund<br />
Sexualdelikten verhängt werden können.<br />
So soll sie beispielsweise für Diebe, Betrüger<br />
und Urkundenfälscher nicht infrage kommen -<br />
das steht auch bereits in dem Gesetz, das zum<br />
Jahresbeginn in Kraft trat. Die Länder wollen<br />
aber, dass der Katalog der Anlasstaten nach<br />
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch<br />
einmal genau überprüft wird.<br />
ZEITPUNKT DER ANORDNUNG: Eine Sicherungsverwahrung<br />
muss künftig bereits im Urteil<br />
angeordnet werden - zumindest vorbehaltlich.<br />
Eine nachträgliche Anordnung während der<br />
Haftzeit des Täters soll es nicht mehr geben.<br />
Nach geltendem Recht <strong>ist</strong> die jur<strong>ist</strong>isch äußerst<br />
umstrittene nachträgliche Sicherungsverwahrung<br />
derzeit im Jugendstrafrecht noch möglich<br />
- künftig aber den Plänen zufolge nicht mehr.<br />
Eine Arbeitsgruppe soll aber prüfen, was mit Tätern<br />
geschieht, bei denen die Gefährlichkeit erst<br />
nach dem Urteil deutlich wird.<br />
ALTFÄLLE: Für Altfälle soll es Ausnahmen<br />
geben. Darunter fallen beispielsweise Täter, für<br />
die die Sicherungsverwahrung - wie sich herausstellte<br />
unzulässigerweise - rückwirkend verlängert<br />
wurde. Sie sollen eingesperrt bleiben,<br />
wenn bei ihnen eine psychische Störung vorliegt<br />
oder zu erwarten <strong>ist</strong>, dass sie bei einer<br />
Freilassung schwerste Gewalt- oder Sexualstraftaten<br />
begehen.<br />
UNTERBRINGUNG: Täter in Sicherungsverwahrung<br />
sollen künftig vom Strafvollzug getrennt<br />
in besonderen Gebäuden oder<br />
Abteilungen untergebracht werden. Die Sicherungsverwahrung<br />
muss sich deutlich von der<br />
Strafhaft unterscheiden - das hatte Karlsruhe<br />
auch so gefordert. Die Sicherungsverwahrung<br />
soll künftig Sicherungsunterbringung heißen.<br />
THERAPIE: Die Täter haben Anspruch auf eine<br />
für sie geeignete psychiatrische, psycho- oder<br />
sozialtherapeutische Behandlung. Ziel muss<br />
künftig sein, die Gefährlichkeit der Täter so zu<br />
mindern, dass die Sicherungsverwahrung sich<br />
erledigt. Wenn es diese Betreuung nicht gibt,<br />
soll die Sicherungsverwahrung - nach einer Vorwarnung<br />
und dem Ablauf einer Fr<strong>ist</strong> - aufgehoben<br />
werden. Geeignete Therapieangebote muss<br />
es auch bereits in der vorausgehenden Haft<br />
geben. Überraschende Freilassungen sollen<br />
aber ausdrücklich vermieden werden. Ungewohnter<br />
Konsens unter den Justizmin<strong>ist</strong>ern:<br />
Überraschend einig zeigen sie sich nun bei der<br />
nötigen Reform der Sicherungsverwahrung -<br />
die nun Sicherheitsunterbringung heißen soll.<br />
Vor Monaten hatte es noch heftigen Streit gegeben.<br />
Magdeburg (dpa) - Bei der nötigen Reform der<br />
Sicherungsverwahrung für Schwerverbrecher<br />
gibt es Fortschritte. Das neue Gesamtkonzept<br />
von Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin Sabine Leutheusser-<br />
Schnarrenberger (FDP) sei bei den Ländern auf<br />
große Akzeptanz gestoßen, sagte die bayerische<br />
Justizmin<strong>ist</strong>erin Beate Merk (CSU) am Donnerstag<br />
in Magdeburg bei einer Sonderkonferenz<br />
der Justizmin<strong>ist</strong>er von Bund und Ländern.<br />
Das Konzept sieht unter anderem vor, dass die<br />
Sicherungsverwahrung grundsätzlich bereits im<br />
Urteil - zumindest vorbehaltlich - angeordnet<br />
werden muss und die Maßnahme nur nach<br />
schwersten Sexual- und Gewaltdelikten möglich<br />
sein soll.<br />
Die geplante Abschaffung der nachträglichen<br />
Sicherungsverwahrung <strong>ist</strong> aber weiterhin strittig:<br />
Eine Arbeitsgruppe der Länder soll bis zur
nächsten Justizmin<strong>ist</strong>erkonferenz im November<br />
prüfen, ob sie nicht doch möglich <strong>ist</strong> für Täter,<br />
bei denen sich die Gefährlichkeit erst in der<br />
Haft herausstellt. Kritiker führen aber rechtliche<br />
Bedenken an.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Mai erklärt,<br />
dass die Sicherungsverwahrung bis 2013<br />
komplett neu zu regeln <strong>ist</strong>. Angesichts dieses<br />
Zeitdrucks forderten die Länder die Bundesjustizmin<strong>ist</strong>erin<br />
zu einer schnellen Gesetzgebung<br />
auf. Leutheusser-Schnarrenberger kündigte<br />
einen Gesetzentwurf für die zweite Oktober-<br />
Hälfte an. Die Vorsitzende der Justizmin<strong>ist</strong>erkonferenz,<br />
Sachsen-Anhalts Justizmin<strong>ist</strong>erin<br />
Angela Kolb (SPD) sagte, bis Juni 2012 müsse<br />
das Bundesgesetz stehen, damit die Länder die<br />
Beschlüsse umsetzen könnten. Auch sie erklärte,<br />
es gebe «in weiten Punkten Übereinstimmung»<br />
von Bund und Ländern.<br />
Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD)<br />
kritisierte das Gesamtkonzept der Bundesmin<strong>ist</strong>erin<br />
allerdings als lückenhaft. «Vor allem werden<br />
nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die<br />
Bevölkerung wirksam vor gefährlichen Straftätern<br />
mit einer psychischen Störung zu schützen»,<br />
meinte sie.<br />
Bayerns Ressortchefin Merk sagte: «Bund und<br />
Länder übernehmen Verantwortung für die Sicherheit<br />
der Bevölkerung. Die Bevölkerung bekommt<br />
die Sicherheit, die sie erwartet.»<br />
Deutschland hatte die Sicherungsver-wahrung<br />
bereits zum Jahresbeginn 2011 reformiert. Damals<br />
war die umstrittene nachträgliche Sicherungsverwahrung<br />
grundsätz- lich abgeschafft<br />
worden, für Jugendliche <strong>ist</strong> sie aber weiter<br />
möglich. Leutheusser-Schnarrenberger will dies<br />
ändern und auch hier die vorbehaltene Sicherungsverwahrung<br />
ausbauen.<br />
Grundsätzlich einig waren sich die Ressortchefs<br />
schon vor der Konferenz bei der<br />
von Karlsruhe geforderten klaren Unterscheidung<br />
der Sicherungsverwahrung von der Strafhaft.<br />
Nach den Plänen von Leutheusser-<br />
Schnarrenberger müssen Täter in Sicherungsverwahrung<br />
künftig vom Strafvollzug getrennt<br />
in besonderen Gebäuden oder Abteilungen untergebracht<br />
werden. Zwingend nötig <strong>ist</strong> auch<br />
eine Therapie für die Täter, um ihre Gefährlichkeit<br />
zu mindern.<br />
Am Donnerstag einigten sich die Justizmin<strong>ist</strong>er<br />
darauf, die Sicherungsverwahrung in Sicherheitsunterbringung<br />
umzubenennen. Kolb erklärte,<br />
damit solle deutlich gemacht werden,<br />
dass die Täter künftig ein intensives Therapieangebot<br />
bekämen.<br />
Einsatz über den Wolken -<br />
Sky Marshals bleiben umstritten<br />
Im Ernstfall sollen sie einen Terrorschlag verhindern.<br />
Doch nicht alle sind von Sky Marshals an<br />
Bord von Flugzeugen überzeugt. Kritiker pochen<br />
darauf, lieber die Kontrollen am Boden zu<br />
verbessern.<br />
Berlin (dpa) - Sie mischen sich unauffällig unter<br />
die Fluggäste und sollen notfalls Terrorangriffe<br />
verhindern: bewaffnete Poliz<strong>ist</strong>en ohne Uniform.<br />
Seit den Anschlägen vom 11. September<br />
2001 setzt auch Deutschland regelmäßig Sky<br />
Marshals ein. <strong>Der</strong> Aufbau der Sondereinheit bei<br />
der heutigen Bundespolizei begann im Oktober<br />
2001 - veranschlagt wurden damals 200 Mann.<br />
Einen terror<strong>ist</strong>ischen Ernstfall gab es bislang<br />
nicht. <strong>Der</strong> Nutzen von Flugsicherheitsbegleitern<br />
bleibt aber umstritten. Kritiker sähen es lieber,<br />
dass die Kontrollen am Boden so gut wären,<br />
dass Terror<strong>ist</strong>en gar nicht erst an Bord kommen<br />
können.<br />
Schon vor zehn Jahren stießen Sky Marshals<br />
vor allem unter Piloten auf Skepsis. Im Falle<br />
einer Schießerei an Bord könnten technische<br />
Leitungen oder auch die Außenhaut der Kabine<br />
so beschädigt werden, dass auch ein Absturz<br />
nicht auszuschließen sei, so die<br />
Befürchtung. Weiterer Punkt: «Die Polizeigewalt<br />
an Bord hat im Prinzip der Pilot. Aber es<br />
kann natürlich nicht sein, dass der Sky Marshal<br />
im Falle eines Falles erst einmal an die Cockpittür<br />
klopft und fragt, ob er eingreifen darf»,<br />
erinnert sich der Generalsekretär des Airline-<br />
Verbandes Barig, Martin Gaebges, an die da-<br />
malige Debatte. Aber alle diese Themen habe<br />
man «geregelt», sagt er.<br />
Wie - darüber schweigen sich Airlines und Sicherheitsbehörden<br />
aus. Das Bundesinnenmin<strong>ist</strong>erium<br />
gibt kaum Auskünfte zu dem Thema -<br />
aus Sicherheitsgründen, wie ein Sprecher erklärt.<br />
Ein Lufthansa-Sprecher bestätigt lediglich,<br />
dass es Sky Marshals noch gibt. <strong>Der</strong> Sprecher<br />
der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg,<br />
zieht eine sehr kritische Zwischenbilanz: Die<br />
Sky Marshals seien «maximal als nachgeordneter<br />
Bestandteil einer Gesamtlösung» zu<br />
sehen, sagt er. «Es muss wesentlich früher angesetzt<br />
werden, nämlich (bei den Sicherheitskontrollen)<br />
am Boden.» Sky Marshals würden<br />
schließlich erst dann aktiv, wenn ein Attentäter<br />
bereits zuschlage.<br />
Auch Barig-Generalsekretär Gaebges plädiert<br />
dafür, die Maßnahmen am Boden zu verbessern<br />
- wenngleich er dafür auch andere Gründe anführt.<br />
«Unser Ziel <strong>ist</strong>, dass die Sicherheitskontrollen<br />
effizient, bezahlbar und vom Zeitaufwand<br />
her erträglich sein müssen.» Heute dauere<br />
alles viel zu lange. «Es kann nicht sein, dass man<br />
die Passagiere bei Flügen in die USA zwei oder<br />
drei Stunden vorher zum Flughafen bitten muss,<br />
damit die Sicherheitskontrollen durchgeführt<br />
werden können.» Gaebges setzt seine Hoffnungen<br />
in Körperscanner - doch die deutschen Testgeräte<br />
hatten bei einem Probelauf in Hamburg<br />
noch zu viele Kinderkrankheiten gezeigt und<br />
mussten zurück ins Labor.<br />
en Airlines geht es vor allem auch um die Kosten.<br />
Für Sky Marshals müssen sie Plätze auf<br />
den Flügen umsonst bereitstellen - gerade auch<br />
in den teureren Klassen nahe des Cockpits, wo<br />
ein Platz schnell mehrere tausend Euro kostet.<br />
Dazu sind sie per Gesetz verpflichtet. Auf welchen<br />
Flügen Sky Marshals eingesetzt werden,<br />
entscheidet die Bundespolizei. Theoretisch<br />
könnten sie überall auftauchen - auch in Ferienfliegern,<br />
sagt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft,<br />
Rainer Wendt. Cockpit-Sprecher<br />
Handwerg sagt: «Es muss auf jedem Flug, egal<br />
ob lang oder kurz, damit gerechnet werden,<br />
dass Sky Marshals an Bord sind. Gerade dieses<br />
Element des Ungewissen <strong>ist</strong> ein wichtiger Faktor<br />
in der Abschreckungsstrategie.»<br />
Über die Sky Marshals selbst <strong>ist</strong> ebenfalls<br />
wenig bekannt. DPolG-Chef Wendt sagt, dass<br />
die Poliz<strong>ist</strong>en genau ausgewählt würden. «Die<br />
Rambos fliegen als erstes raus.» Sky Marshals<br />
müssten nicht nur Kampftechniken beherrschen,<br />
sondern auch stressres<strong>ist</strong>ent und psychisch<br />
stabil sein. «Die müssen stundenlang in<br />
einem Flugzeug sitzen, wo nichts passiert, und<br />
trotzdem müssen sie auch nach zehn Stunden<br />
noch hellwach sein.» Bisher setze man darauf,<br />
dass sich Poliz<strong>ist</strong>en freiwillig für das Auswahlverfahren<br />
zu dem anspruchsvollen Job meldeten.<br />
Damit dies so bleibt, fordert er höhere<br />
Zulagen für die Sky Marshals - ein «paar hundert<br />
Euro» seien jedenfalls nicht genug.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 83
Polizeitaucher -<br />
Ermitteln in<br />
der Tiefe<br />
Sie spüren in Flüssen Diebesgut auf, suchen<br />
Badeseen nach Weltkriegsbomben ab oder<br />
bergen die Körper von Ertrunkenen. Polizeitaucher<br />
sind Experten für Tatorte unter Wasser.<br />
Ihr Job <strong>ist</strong> einer der gefährlichsten, den<br />
die Polizei zu bieten hat.<br />
Talheim (dpa/lsw) - Robert Kunz hat seine<br />
Kollegen an der Leine. <strong>Der</strong> Wasserschutzpoliz<strong>ist</strong><br />
steht neben dem Tauchsteinsee bei Talheim<br />
(Kreis Heilbronn) und hält ein gelbes<br />
Seil, das direkt ins Wasser führt. Rund 13<br />
Meter tiefer arbeiten zwei seiner Kollegen.<br />
Das Seil <strong>ist</strong> an ihrer fast 40 Kilogramm<br />
schweren Tauchausrüstung befestigt, verbindet<br />
sie mit der Oberfläche. «Sie suchen ein<br />
Giftfass», erklärt der 50-Jährige. Allerdings<br />
handelt es sich diesmal nur um eine Attrappe<br />
- die Taucher müssen schließlich üben. Regelmäßig<br />
kommen die Polizeitaucher aus<br />
ganz Baden-Württemberg zum Training zusammen.<br />
84 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Die Taucher sind die Experten<br />
für Ermittlungsarbeit<br />
unter Wasser. Was<br />
schon an Land oft eine<br />
schwierige Aufgabe <strong>ist</strong>,<br />
wird in einem Fluss oder<br />
einem See zur extremen<br />
Herausforderung. Dunkelheit,<br />
Strömungen,<br />
unbekanntes Terrain -<br />
wenn der Taucher die<br />
Orientierung verliert, in<br />
Panik gerät, sich verletzt<br />
oder gar ohnmächtig<br />
wird, besteht sofort Lebensgefahr.<br />
Deshalb<br />
sind Polizeitaucher<br />
immer zu zweit unterwegs,<br />
an Land wartet ein Leinenführer wie<br />
Robert Kunz, der bei Bedarf seine Kollegen<br />
in wenigen Sekunden an die Oberfläche ziehen<br />
kann.<br />
«Ich bin dafür verantwortlich, dass meine<br />
Taucher wieder heil rauskommen», sagt<br />
der 50-Jährige. Sein Blick weicht dabei<br />
nicht von der gelben Leine in seinen Händen,<br />
die auch als<br />
Kommunikationsmittel<br />
dient. «Zweimal<br />
ziehen heißt<br />
links, dreimal ziehen<br />
heißt rechts, viermal<br />
ziehen bedeutet auftauchen»,<br />
erklärt<br />
Kunz. «So kann ich<br />
die Taucher von<br />
oben aus führen.»<br />
Das Schwerpunktthema<br />
der Übung<br />
in Talheim <strong>ist</strong> Spuren-<br />
und Beweissicherung.<br />
An einem<br />
Unterwasser-Tatort<br />
muss genauso sorgfältig<br />
gearbeitet<br />
werden wie an<br />
einem Tatort an
Land. «An einer Tatwaffe oder an einer Leiche<br />
lassen sich selbst nach längerer Zeit im<br />
Wasser immer noch Spuren sichern», erklärt<br />
Michael Hönig, Leiter der Wasserschutzpolizei<br />
Heilbronn. «Wir hatten schon<br />
den Fall, dass wir an einem Beil, das ein<br />
Vierteljahr im fließenden Neckar gelegen<br />
hatte, noch Blutspuren nachweisen konnten.»<br />
Manchmal blieben sogar Fingerabdrücke<br />
erhalten.<br />
An vier Stationen im See trainieren die<br />
Kursteilnehmer deshalb das Auffinden und<br />
Dokumentieren verschiedener Objekte. Mit<br />
wasserdichten Kameras werden Fotos gemacht,<br />
mit Maßbändern vermessen die<br />
Taucher die Gegenstände, auf kleinen weißen<br />
Tafeln machen sie sich mit Fettstiften<br />
vor Ort Notizen über Lage, Zustand und<br />
Auffälligkeiten.<br />
In Baden-Württemberg gibt es insgesamt<br />
50 Polizeitaucher, 48 Männer und zwei<br />
Frauen. Die freiwillige Zusatzausbildung<br />
umfasst 257 Theorie- und Praxisstunden,<br />
abschließend muss noch ein einwöchiger<br />
Tieftauchlehrgang absolviert werden. Einsatzbereiche<br />
der Tauchpoliz<strong>ist</strong>en sind das<br />
Bergen von Diebesgut, die Ermittlungsarbeit<br />
bei Kapitalverbrechen, das Suchen<br />
nach Vermissten, das Aufspüren von<br />
Kampfmitteln oder auch das Absuchen von<br />
Booten nach Sprengsätzen.<br />
Im Jahr 2010 gab es im Land 187 Polizeieinsätze,<br />
an denen Taucher beteiligt waren.<br />
Dabei wurden neben 34 Fahrrädern, 14<br />
Motorrollern, sechs Tresoren, fünf P<strong>ist</strong>olen<br />
und zwei Autos auch eine Wasserleiche<br />
sowie zwei Panzersprenggranaten und vier<br />
Stabbrandbomben aus dem 2. Weltkrieg<br />
geborgen.<br />
Hansjörg Seemann hat alle Übungen des<br />
Trainingskurses in Talheim absolviert. Gerade<br />
<strong>ist</strong> er nach der letzten Station aufgetaucht<br />
- er musste eine Leichenattrappe<br />
finden und untersuchen. «Weibliche Person<br />
in 6,5 Metern Tiefe, 18 Grad Wassertemperatur,<br />
Schussverletzung an der<br />
rechten Schläfe», berichtet Seemann. <strong>Der</strong><br />
49-Jährige aus Kehl (Ortenaukreis) <strong>ist</strong><br />
schon seit 21 Jahren Polizeitaucher. Regelmäßige<br />
Übungen wie diese hält er dennoch<br />
für wichtig. «Man muss immer<br />
wieder trainieren, um fit zu bleiben», sagt<br />
Seemann. «Vor allem sind solche Kurse<br />
aber wichtig, damit wir Taucher uns untereinander<br />
kennenlernen. Wenn wir dort<br />
unten im Einsatz sind, müssen wir uns<br />
blind aufeinander verlassen können.»<br />
NRW-Min<strong>ist</strong>erien<br />
kommen nur langsam<br />
zu Facebook und Twitter<br />
Twitter und Facebook - für die in Berlin erfolgreiche<br />
Piratenpartei eine Selbstverständlichkeit.<br />
Doch staatliche Behörden fremdeln<br />
noch immer, wenn es um soziale Netzwerke<br />
im Internet geht. Auch in der NRW-Regierung<br />
sind zum Beispiel die «Twitterer» eine<br />
Ausnahme.<br />
Düsseldorf (dpa/lnw) - Politik im Internet:<br />
<strong>Der</strong> Erfolg der Piratenpartei in Berlin gilt als<br />
deutliches Signal dafür, dass Regieren und<br />
Opponieren nicht an der digitalen Welt vorbeikommen.<br />
Aber offizielle Stellen machen<br />
um trendige Kommunikationskanäle wie<br />
Twitter oder Facebook noch immer einen<br />
Bogen - auch die me<strong>ist</strong>en Min<strong>ist</strong>erien in<br />
Nordrhein-Westfalen.<br />
Neun Min<strong>ist</strong>erien kommen lieber ohne aus,<br />
nur drei machen mit: Die Staatskanzlei von<br />
Min<strong>ist</strong>erpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)<br />
lässt ab und an bei Twitter und im sozialen<br />
Netzwerk Facebook von sich lesen, ebenso<br />
das Wissenschaftsmin<strong>ist</strong>erium. Das Umweltmin<strong>ist</strong>erium<br />
<strong>ist</strong> seit kurzem bei Twitter zu<br />
sehen, Facebook wird noch gemieden. Kraft<br />
verbreitet zudem regelmäßig Videobotschaften<br />
im Netz.<br />
Über Twitter können Mitglieder Nachrichten<br />
mit einer Länge von maximal 140 Zeichen<br />
verschicken. Außerdem lesen sie sämtliche<br />
Mitteilungen anderer Teilnehmer, denen sie<br />
folgen. Bei Facebook kann man Texte an<br />
eine virtuelle Pinnwand schreiben, Freunde<br />
auf interessante Links hinweisen oder Bilder<br />
und Videos hochladen.<br />
«Facebook und Twitter geben uns die Gelegenheit,<br />
ganz aktuell und gezielt auf neue<br />
Informationen hinzuweisen», sagt Regierungssprecher<br />
Thomas Breustedt. Nutzer<br />
hätten die Möglichkeit, diese Informationen<br />
zu kommentieren und so ihre Fragen, Meinungen<br />
und Anregungen mitzuteilen. «Bei<br />
klassischen Websites <strong>ist</strong> das häufig nicht der<br />
Fall.» Beim Umweltmin<strong>ist</strong>erium heißt es,<br />
man habe das Twitter-Profil gestartet, weil<br />
sich das einige Bürger gewünscht hätten.<br />
Experten sind geteilter Meinung über den<br />
Nutzen für die Bürgerkommunikation der<br />
Behörden. Stefan Laurin vom Journal<strong>ist</strong>en-<br />
Blog «Ruhrbarone» sieht bei Twitter und Facebook<br />
«sehr gute Dialogmöglichkeiten», die<br />
er jedem Min<strong>ist</strong>erium empfehlen wolle. Bürger<br />
würden dort eher etwas schreiben als per Mail<br />
oder mit der Post. Man müsse sehen, wie die<br />
Min<strong>ist</strong>erialbeamten auf Anfragen reagierten.<br />
Thilo von Pape hingegen glaubt, der Nutzen<br />
werde überschätzt. <strong>Der</strong> Kommunikationswissenschaftler<br />
an der Universität Hohenheim<br />
sagt, bei Twitter seien hauptsächlich Journal<strong>ist</strong>en<br />
und andere Multiplikatoren aktiv. «Man<br />
erreicht sehr wenig Privatleute.» Trotzdem sei<br />
ein Min<strong>ist</strong>eriumsangebot dort «mittelfr<strong>ist</strong>ig<br />
sinnvoll».<br />
Bei Facebook seien mehr Bürger angemeldet,<br />
allerdings informierten sich dort nur diejenigen<br />
Menschen bei den Min<strong>ist</strong>erien, die ein besonderes<br />
Interesse daran hätten. «Damit<br />
erreicht man auch nicht die große Masse», urteilt<br />
von Pape. Facebook sei dann interessant,<br />
wenn Nachrichten der Min<strong>ist</strong>erien auch über<br />
den engen Kreis von Interessierten hinaus verbreitet<br />
würden - etwa bei kontroversen Themen<br />
wie Stuttgart 21. «Dann kann das extrem<br />
durchschlagen.»<br />
«Es <strong>ist</strong> nicht so, dass wir es ablehnen», sagte<br />
ein Sprecher des Justizmin<strong>ist</strong>eriums, einen<br />
speziellen Grund für das Fernbleiben gebe es<br />
nicht. Das Innenmin<strong>ist</strong>erium bereitet einen<br />
Auftritt in den sozialen Netzwerken vor: «Wir<br />
erhoffen uns einen besseren Zugang zu der<br />
jüngeren Zielgruppe», sagt ein Sprecher. Beim<br />
Gesundheitsmin<strong>ist</strong>erium heißt es, man habe<br />
nicht genügend Mitarbeiter, um ein Profil bei<br />
Twitter oder Facebook zu pflegen.<br />
Ohne die entsprechenden Ressourcen können<br />
die Vorteile der neuen Medien womöglich in<br />
ihr Gegenteil umschlagen. «Sie müssen jemanden<br />
haben, der sehr schnell antwortet»,<br />
sagt Stefan Laurin von den «Ruhrbaronen».<br />
«Ansonsten produziert man Frustration.»<br />
Ärger macht auch der Datenschutz. Das Umweltmin<strong>ist</strong>erium<br />
etwa <strong>ist</strong> nicht bei Facebook,<br />
wegen des «unzureichenden Datenschutzes».<br />
Das Wissenschaftsmin<strong>ist</strong>erium allerdings<br />
schon - dort sieht man keine Probleme, solange<br />
Facebook-Anwendungen nicht in die offizielle<br />
Internetseite eingebunden würden.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 85
Klassische Feile gibt's nicht mehr -<br />
Drogenschmuggel im Knast<br />
Darmstadt/Frankfurt (dpa/lhe) - Die Nachricht<br />
aus Berlin ließ aufhorchen: Im deutschlandweit<br />
größten Männergefängnis in Tegel wurden<br />
bei gezielten Kontrollen in den Zellen<br />
etliche Handys, tausende Kinderporno-Fotos,<br />
Drogen und sogar Schnaps und Heroin gefunden.<br />
Aber trotz immer strenger werdender<br />
Kontrollen gelingt es auch Häftlingen in hessischen<br />
Gefängnissen immer wieder, vor<br />
allem Drogen in ihre Zellen zu schmuggeln -<br />
zum Teil auf abenteuerlichen Wegen und<br />
nicht immer erfolgreich: In Darmstadt steht<br />
von morgen (Mittwoch) an eine mutmaßliche<br />
Bande vor Gericht, die monatelang Hunderte<br />
von Tabletten und Heroin in der Justizvollzugsanstalt<br />
(JVA) Darmstadt-Eberstadt geschmuggelt<br />
und dort verkauft haben soll.<br />
«Drogen im Gefängnis sind ein fortdauerndes<br />
Problem», beklagt Birgit Kannegießer,<br />
86 DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011<br />
Landesvorsitzende des Bunds der Strafvollzugsbediensteten<br />
(BSBD) in Hessen. Ein Gefängnis<br />
lasse sich eben nicht komplett<br />
abschotten. «Wir werden immer einen<br />
Schritt hinterher sein. Denn vorausschauend<br />
lassen sich die Tricks der Häftlinge nur<br />
schwer erahnen.» Auch Hans Liedel, Sprecher<br />
des Justizmin<strong>ist</strong>eriums in Wiesbaden,<br />
spricht zwar von «strengsten Maßnahmen»,<br />
räumt aber auch ein: «Das <strong>ist</strong> ein Problem -<br />
und zwar in jedem Gefängnis der Welt.»<br />
In Hünfeld und Fulda zum Beispiel schmuggelten<br />
sie über Monate hinweg Heroin mit<br />
getürkter Anwaltspost in den Knast, in Butzbach<br />
machte ein Ex-Justizbeamter gemeinsame<br />
<strong>Sache</strong> mit zwei Häftlingen und<br />
beschaffte Haschisch, Mobiltelefone und<br />
Anabolika. Ein Häftling in Schwalmstadt<br />
bekam die Ware beim Besuch seiner<br />
Schwester zugesteckt, die Bekannte eines<br />
Häftlings der JVA Ziegenhain (Schwalm-Eder-<br />
Kreis) führte sich vor einem Besuch ein Heroin-Kondom<br />
ein, schmuggelte es in die<br />
Besuchertoilette und gab es an ihren inhaftierten<br />
Freund weiter. Auch mit Drogen, die<br />
unter Fingernägeln versteckt wurden, hat<br />
man in Schwalmstadt schon Bekanntschaft<br />
gemacht. Insgesamt wurde das hessische<br />
JVA-Personal im vergangenen Jahr 74 mal<br />
fündig (2009: 64), mit Abstand am häufigsten<br />
in Darmstadt (19).<br />
Hadmut Birgit Jung-Silberreis, Leiterin der Justizvollzugsanstalt<br />
in Wiesbaden, kann ein<br />
Lied singen vom Erfindungsreichtum hinter<br />
den Gefängnismauern: «Es gibt grundsätzlich<br />
nichts, das es nicht gibt», sagt sie. «Aber<br />
wir versuchen so gut es geht, den Kreis der<br />
Möglichkeiten einzuschränken.» Überwa-
chungskameras und gläserne Tische in Besuchszimmern,<br />
Schnüffelhunde vor der Verwandtenvisite,<br />
außerdem dürfen Gefangene<br />
erst raus, wenn das Gelände vor allem an<br />
den Mauern kontrolliert wurde. In der Justizvollzugsanstalt<br />
in Frankfurt werden bei Hinweisen<br />
auf Drogenmissbrauch und bei<br />
Neuzugängen Urinkontrollen durchgeführt.<br />
Wie in den me<strong>ist</strong>en anderen Gefängnissen<br />
auch, werden bei Besuchen nur noch durchsichtige<br />
Getränke gereicht - früher konnten<br />
zum Beispiel in Cola Pillen vom Besucher<br />
zum Häftling geschoben werden. So geschehen<br />
unter anderem in der JVA Hünfeld: Besucher<br />
hatten Drogen in Kaffeebecher fallen<br />
lassen, der Häftling trank den Kaffee mitsamt<br />
dem Stoff.<br />
Eine weitere Schwachstelle: Die Post. «Da<br />
wurde früher so Einiges versucht», erinnert<br />
sich Hadmut Birgit Jung-Silberreis. «Ausgehöhlte<br />
Schinken, getränkte Gummibärchen,<br />
Kekse und Kuchen.» Dieser Schmugglerweg<br />
<strong>ist</strong> nun gesperrt: Nach einer seit November<br />
geltenden Regelung im Strafvollzug dürfen<br />
Gefängnisinsassen aus Sicherheitsgründen<br />
keine Pakete mehr von Privatpersonen erhalten.<br />
«Das mag Romantik und Nähe genommen<br />
haben», sagt Wiesbadens Anstaltsleiterin.<br />
«Aber da ging die Sicherheit einfach<br />
vor.»<br />
Eine weitere Masche: Das Einschmuggeln<br />
per fingierter Anwaltspost. Diese Briefe werden<br />
üblicherweise nicht kontrolliert, um das<br />
Persönlichkeitsrecht der Gefangenen zu ach-<br />
Polizei-Bewerber (5)<br />
bekommt Post vom Min<strong>ist</strong>er<br />
Bocholt/Düsseldorf (dpa) - Die Bewerbung<br />
eines Fünfjährigen für den Polizeidienst hat<br />
auch Nordrhein-Westfalens Innenmin<strong>ist</strong>er<br />
gerührt. Ralf Jäger (SPD) - in der Landesregierung<br />
zuständig für die Polizeibeamten -<br />
schickte dem kleinen Niklas aus dem westfälischen<br />
Bocholt einen Brief: «Die Polizei<br />
braucht viel guten Nachwuchs wie dich»,<br />
schrieb Jäger. «Aus deiner Bewerbung <strong>ist</strong><br />
leicht zu erkennen, dass du dich schon mit<br />
dem Polizeiberuf beschäftigt hast», lobte er.<br />
ten. In Schwalmstadt wurden Drogen sogar<br />
unter Briefmarken in die Anstalt geschmuggelt<br />
- seitdem dürfen die Häftlinge die Briefumschläge<br />
nicht mehr in die Hafträume<br />
mitnehmen. Damit das Briefgeheimnis weiter<br />
gewahrt wird, werden die Briefe im Beisein<br />
der Strafgefangenen geöffnet.<br />
Am häufigsten werden Rauschgiftpäckchen<br />
über die Gefängnismauern geworfen, bilanzierte<br />
das Justizmin<strong>ist</strong>erium in früheren Angaben.<br />
So auch in Darmstadt: Dort sollen<br />
mindestens sieben Männer zwischen März<br />
2009 und September 2010 mit Drogen gehandelt<br />
haben, die sie durch Mauerwürfe und<br />
bei Besuchen auf das Gelände der JVA Darmstadt-Eberstadt<br />
brachten.<br />
Geschmuggelt wurden laut Anklage in rund<br />
60 Fällen über 900 Tabletten sowie 50<br />
Gramm Heroin sowie Kokain. <strong>Der</strong> Prozessbeginn<br />
war schon drei Wochen zuvor geplant<br />
gewesen. <strong>Der</strong> Auftakt platzte aber überraschend,<br />
weil statt der vorgeschriebenen<br />
Hauptschöffen nur Hilfsschöffen geladen<br />
waren. Nun sind noch neun Verhandlungstage<br />
vorgesehen.<br />
Die Angeklagten gehören laut Frankfurter<br />
Staatsanwaltschaft zu einem russischen Verbrechersystem,<br />
das unter dem Namen<br />
«Diebe im Gesetz» in Deutschland gut vernetzt<br />
und organisiert <strong>ist</strong> - und dabei auch aus<br />
den Gefängnissen heraus operiert. Nach dem<br />
Betäubungsmittelgesetz liegt der Strafrahmen<br />
bei bandenmäßigem Drogenhandel<br />
Zwar kann Kindergartenkind Niklas wohl erst<br />
in frühestens 13 Jahren in den Polizeidienst<br />
eintreten. Aber weil seine Bewerbung so toll<br />
war, darf der Knirps schon nächstes Jahr als<br />
Ehrengast zu einer Feier von 1400 Ausbildungsanfängern.<br />
Jäger legte dem Brief ein Begrüßungspaket<br />
bei. «Du bekommst von mir eine große Polizeitasche<br />
mit einem Polizeibären und einem<br />
echten Polizeifußball.»<br />
zwischen zwei und fünf Jahren Haft. Immer<br />
wieder werden die JVA-Bediensteten bei<br />
ihren Kontrollgängen in hessischen Gefängnissen<br />
fündig. Über die Jahre hinweg <strong>ist</strong> die<br />
Zahl der Drogenfunde allerdings zurückgegangen.<br />
Das Justizmin<strong>ist</strong>erium beantwortet<br />
die wichtigsten Fragen: Wie häufig werden<br />
Drogen entdeckt? Die Zahl schwankt enorm,<br />
der Trend <strong>ist</strong> aber deutlich: Es wird immer seltener<br />
etwas entdeckt; sei es, weil die Sicherheitsmaßnahmen<br />
strenger oder weil die<br />
Häftlinge erfindungsreicher sind. Wurden<br />
1999 noch in 220 Fällen Drogen in den Zellen<br />
oder bei Häftlingen gefunden, so sank diese<br />
Zahl kontinuierlich auf 64 im Jahr 2009 und<br />
zuletzt 74 im vergangenen Jahr. Wo wird besonders<br />
oft etwas gefunden? Spitzenreiter<br />
der vergangenen Jahre <strong>ist</strong> die JVA in Darmstadt,<br />
die größte Strafanstalt in Südhessen.<br />
Alleine im vergangenen Jahr wurden dort<br />
laut Justizmin<strong>ist</strong>erium 19 Funde reg<strong>ist</strong>riert.<br />
In Butzbach, Hünfeld und Frankfurt III wurden<br />
die JVA-Bediensteten siebenmal fündig,<br />
in Kassel I und Fulda sechsmal. Was wird am<br />
me<strong>ist</strong>en gefunden? Das hält sich fast die<br />
Waage. Im vergangenen Jahr wurde vor<br />
allem Kokain entdeckt (109,20 Gramm), die<br />
Kontrolleure stießen allerdings auch auf eine<br />
vergleichsweise große Menge Heroin<br />
(100,84 Gramm) sowie auf Haschisch<br />
(75,14). Interessant <strong>ist</strong> eher ein Vergleich mit<br />
dem Jahr 2009: Da lag Haschisch noch deutlich<br />
vorne (335,66) vor Heroin (143,32). Kokain<br />
wurde 2009 dagegen so gut wie keines<br />
gefunden (1,80 Gramm).<br />
Beim Tag der Offenen Tür der Polizei in Bocholt<br />
hatte Niklas vor ein paar Tagen eine Bewerbungsmappe<br />
mit Lichtbild, Anschreiben<br />
und einem - sehr kurzen - Lebenslauf abgegeben.<br />
«Besuch des Kindergartens "Über den<br />
Wolken"» <strong>ist</strong> der einzige Eintrag in der Rubrik<br />
«Werdegang». Er wolle unbedingt Poliz<strong>ist</strong><br />
werden. Zu seinen Hobbys gehöre das<br />
Spielen mit Polizeiautos und Polizeihubschraubern.<br />
DAS BEHÖRDENMAGAZIN Dezember/2011 87
WIR WIR DANKEN DANKEN DER DER POLIZEI POLIZEI FÜR FÜR IHREN IHREN KAMPF KAMPF<br />
GEGEN GEGEN DIE DIE DROGENKRIMINALITÄT<br />
DROGENKRIMINALITÄT<br />
Aachen Dr. K. Axmacher • Dr. K. Braune • Ralf Budde • Renate Schreiber • Aalen Central Shishabar • Spielhallen Aalen • Abenberg Djk-Sportheim •<br />
Alling Heiko Klee • Altenkunstadt Elektro Fiedler GmbH • Motorgeräte Heinecke • Altenmarkt Josef Stigloher • Althengstett Wilh. Goldschmidt GmbH<br />
& Co. KG • Ansbach Dr. H. Böckler • Nölp Malerwerkstätte GmbH • Antdorf Annette Gernhardt • Aschaffenburg Laser Medizin Zentrum • Asperg<br />
Rathaus Apotheke • Auerbach Büchert-Apotheke • Augsburg Dr. J. Weigel • Dr. M. Ringeisen • Dr. R. Kirchmair • Stephen McMillan • Dr. Ch. Etschberger<br />
• Dr. R. Weber • Eiscafe Dolomiti • KaTrans GmbH • Dr. A. Berlin • Augsburg Drs. J. Chrobot & Ch. Scholibo • Backnang Gyromania • Manuel Vilaca<br />
• Bad Aibling Sylvia Rosendorfer • Bad Dürrheim Luschin Reisen GmbH • Bad Homburg A. Weidemann-Maszewski • Dr. B. Hertz • Dr. M. Demmler •<br />
Dr. P. Amini • Kur-Apotheke • R<strong>ist</strong>. Da Claudio • Deco Event KG • Linden-Apotheke • Bad Krozingen Dunowell • Outdoor Shop Kiefer • Schlosserei & Metallbau<br />
Hänsler • Zimmerei Anton Lamb • Bad Neustadt Ofen-Floth • Rae Fischer, Voß & Partner • Bad Schachen Dr. M. Müller • Bad Staffelstein Hans<br />
Batzner GmbH • Bad Tölz Buchhandlung Urban • Drs. Lang & Zötl • F. Weber GmbH • Hotel Kolberbräu • Bad Vilbel D. Lachner • Baden-Baden Dr. H.<br />
K. König • Drs. Wassmann & U. Paulus • Goldschmiede • Hartmann GmbH • Badenweiler Cafe Gerwing • Gasthaus Blume • Gasthof zum Grünen Baum<br />
• Goldschmiede Hermann • Hotel Luisenstuben • Hotel Rebekka mit Haus am Brühl • Markgrafen-Apotheke • Regine Klastat • Trattoria Bella Sicilia • Bamberg<br />
Dr. M. Nagengast • Drs. Hoffmann • Gaststätte Kachelofen • <strong>Rest</strong>. Alt-Ringlein • Rosenapotheke • Wetz GmbH & Co. KG • Bechhofen Entsorgung<br />
+ Transport Tremel GmbH • Beilngrieß Josef Funk • Tenniscenter Neuzell • Bellheim TUI ReiseCenter • Berching Sport König • Berchtesgaden Plenk<br />
& Foisner Stb. GmbH • Berlin Dr. C. Reinke • Dr. Ch. Kramer • Chr<strong>ist</strong>iane Weigmann • J. Wiesenthal • <strong>Rest</strong>. Kuchi • Scheibert & Partner • Drs. K. Bachus-<br />
Banaschak & R. Van Heys • Prof. Dr. K.-R. Jahn & H. Cicek • Zentrum f. Ganzheitliche Medizin • Yesi Werbetechnik • Prof. Dr. Y. Ridha • Mustafa Mih • Frossini<br />
Kiriakidu • Späth´sche Baumschule Handel GmbH • Drs. J. Czerny, T. Leimbach, S. Aign & K. Biolik • RA Gustav Rausch • RA Peter Vogel • Wirtshaus Rolands-<br />
Eck • Druckerei K<strong>ist</strong>macher e. K. • Ayain Baraktar • Dr. S. Sohl • Sinus Property Management • Alexander Kutscherskij • Dr. B. Rimkus • Dr. G. Teschke • Hypoxi<br />
• Dr. T. <strong>Der</strong>inger • RA Andreas Krenke • Simin Kiapourina • Bestattungshaus Cladow • Kuke-Hartwig & Zimmermann • RA Thomas Dittmer • Bernhardswald<br />
Drs. O. Pfranger & M. Neef • Bietigheim Cafe Posto • Deniz Kebap • Gaststätte Treff • SBS Markant GmbH & Co.KG • Binzen Gasthaus zum Schwanen<br />
• Hotel-<strong>Rest</strong>. Ochsen • Birkenfeld Markt Apotheke • Tanzschule Löwen • Bogen Dr. R. Raab • Bonn Manfred Koslowski • Rae Scholl & Jülich • Dr.<br />
A. Ising • Dr. M. Teßmann • Dr. D. Mons • Borna Katrin Junghanns • Bötzingen Döring GmbH • Brannenburg Dr. C. Schütz • Breisach Argus Dienstle<strong>ist</strong>ungen<br />
• Autohaus Gutmann GmbH • Commeco Solutions • Breitengüßbach Birgid Muckelbauer • Bretten Hans Beyle GmbH • Brigachtal Mahler<br />
Immobilien • Stahlbau Münch • Bruckberg Michael Schönfelder • Burghausen GB – Fußpflege • Burgheim RA Petra Hagenloch • Burglauer Norbert<br />
Biebereich • Burgoberbach Friseur Metroploitan • Schrott Allabau • Burgstädt Dr. S. Kühnert • Dr. U. Straube • Cadolzburg Fruchtgroßhandel Schepp<br />
• Markgrafen Getränkemarkt • Schreinerei Weick • Calw Dr. Ch. Dempe • Chemnitz Barber-Shop • Dr. A. Krauß • Coburg Forster & Partner • Jaweed AboShawish<br />
• Colmberg Manfred Herrmann • Cottbus Michaela Jentsch-Legler • Thomas Ramisch • Dr. L. Lehnig • Dr. M.-D. Gereke • Kathrin Welz • Silke<br />
Felgentreff • Ruth Kobel • Bernd Malak • Dr. R. Lauterbach • Crailsheim Dr. T. Pfänder • Deggendorf E. Lippert • Kronner-Silbereisen-Kaiser GbR • La-<br />
Crema • Schwankl – Immobilien • Deining Wolfgang Jäger • Denzlingen Gartenbau Leimenstoll GbR • Kohler Eck • Plating Electronic GmbH • Dettenheim<br />
Dr. K. Wächter • Dietfurt Berschel Bau GmbH • Mürbeth & Tischler • Dietfurth Dr. W. Kanis • Dingolfing Herbert Mückl • Dinkelsbühl Anja Schrader<br />
• Ing.-Büro Ladenburger • Dippoldiswalde Dr. St. Palm • Ditzingen Öztürk Schleiftechnik • Dombühl Schrotthandlung Wanner • Dorsten Klinik AIDA<br />
• Dresden Uschi´s Pfannbar • Friseursalon Haarmonie • Dr. D. Beckert • Dr. K. Niekler • Karsten Wagner • Dr. A. Schindhelm • Frank Ostermann • Schuhexpress<br />
Weigel • Dr. G. Focke • Hannelore Rzitki • Dr. W. Klimank • Ing.-Büro Prätorius • Duisburg Drs. H. Rott & S. Halimeh & G. Kappert • Prof. Dr. H.<br />
Tropisch • Dürrwangen Mertlein-Pinsel GmbH • Ebersbach Dr. G. Schuster & E. Quarch • Eberswalde Elektro Eilers GmbH • Eggenfelder Hausverwaltung<br />
Luger • Eggolsheim Metzgerei Bauer • Ehingen Schreinerei R. Fuchshuber • Eichenau St. Georg Apotheke • Eichstätt Czech´s Autowasch-<br />
Center • Drs. Eberhard, Eberhard & Miller • Friseur Braun • Metzgerei M. Schneider • N. Brummer • Eilenburg Frank Winkler • Elzach Hubert Becherer •<br />
Emmendingen Drs. V. & C. Tornier • Brezelstüble • Buchhandlung Sillmann • Copycenter am Tor • <strong>Der</strong> Obstladen • Detail • Döner King • Eis Saviane •<br />
Lederwaren Sulzberger • Roswitha Lässle • Schwarzwälder Kartoffel Hof • Stadt-Apotheke • Endingen Gasthaus-Hotel Engel • L & M Service GmbH • Weber<br />
GmbH • Erftstadt Dr. E. Schönefelder • Erlangen Döner Haus • Planungs-Büro Horic • Eschenlohe Auto-Gries • Esslingen Blue Line B<strong>ist</strong>ro & Imbiss •<br />
Pippo´s Pizza Express • Ettlingen Dress-Line GmbH • Drs. J. Keller, G. Mairhöfer & B. Kuhnert • OPM GmbH • Orthopäden am Stadtgarten • Falkensee<br />
Dr. C. Wolf • Feldkirch Jörg Zimmermannn • Feucht Dr. W. Müller • Möbel Haas • Feuchtwangen Bonnfinanz Jürgen Brunner • Filderstadt Asia Spez.<br />
Drachen • Automobile Rafeh • Bambus – Schnellrestaurant • Bonländer Kebap Haus • Cafè 61 • Cafe-Bar Baraza • Filder Kebap • Hantat Süpermarkt •<br />
Kebap World • Parea Imbiss • Pizzeria Capr<strong>ist</strong>o • Pizzeria Da Franco • <strong>Rest</strong>. Wok-Haus GmbH • R<strong>ist</strong>. Da Tonini • <strong>Rest</strong>. Stern • Üasa Markt • Flachslanden<br />
Formenbau Buck GmbH • Forchheim Dr. G. Nagel • Drs. S. Henkel & C. Haas • Frankenberg Dr. A. Völker • Sonnen Apotheke • Frankfurt Cafe-B<strong>ist</strong>ro<br />
Dichtung & Wahrheit • Dr. G. Sauerwein • SPG Prematechnik GmbH • Dr. L. Bierbrauer • Guido Kirchmayer • Dr. J. Rungenhagen • G & K Architekten • Dr.<br />
U. Rietheimer • Freiburg Arrong-Beauty & Food int. • Dimas-Fototechnik • For People • Heiligge<strong>ist</strong>-Stüble • Optik Seifert • Red Devil GmbH • Schuhwerk<br />
• Tacheles • Wolfshöhle • Harteck & Partner • M R & H GmbH • Ambassador Sportwetten • Hotel Schemmer • Tereos Deutschland GmbH • BSD Doll GmbH<br />
• Franz Schneider GmbH • M & R Kfz • Küche & Co Freiburg • Bluhotel Freiburg • Cafe Ambiente • Kaiser Dentaltechnik • Haslach Apotheke • Pizza-Boxx<br />
• HUI GmbH • KFZ-Reifenservice Yildiz • Holzmarkt-Apotheke • Russischer Laden Trojka • Freilassing Dr. J. Hallmann • Dr. L. Vork • Speisekammer • Freising<br />
<strong>Rest</strong>. Irodion • Viva-Hair • Freital Möbelhaus Friede • Freyung Dr. J. Michl • Pizzeria Da Antonio • Friedberg Alexandra Kirchner • Deutrich & Dr.<br />
Ihrig • Dr. H.-P. Warnberger & Heidrun Mayr • Drs. A. & Ch. Erk • Fußner-Kühne-Architekten • Friesenheim Blumenhex´ • Ehlenbröker GmbH • Fürth Früchte<br />
Oase • Praxis WiGe • <strong>Rest</strong>. Alexander der Große • Garching Johann Leinthaler • Garmisch-Partenkirchen Dr. T. May • Gauting Drs. Mayer, Stern &<br />
Kuhnle-Krahl • Sabine Haack • Geislingen Cafe Point • City Pizza & Kebap • No Limits Casino • Pilsstube im Sonnencenter • Pizzeria Don Alfredo • Pizzeria<br />
Europa • Sahan Döner • Geltendorf Gasthof Alter Wirt • Georgensmünd Bonnfinanz Jochen Endres • Geretsried Dr. E. Schäfer • Germering<br />
Angelika Heller • Dr. E. Gollwitzer • Atelier Schneider • Hotel Mayer • Thomas Schwarz • Gerolfingen Motorentechnik B. John • Gilching Drs. C. & B. Schmidtner<br />
• Göppingen Galip Döner • Görlitz Dr. L. Hille • Elke Saliger • Gornsdorf Wilfried Andreas Windisch • Grafenau Dr. G. Dembski • Greding Kirschner<br />
Bad + Küche • Greifenberg Oliver K. Ferlings • Großenhain Dr. U. Philipp • Großenseebach Friseur Haarscharf • Sanitätshaus Seebachgrund<br />
GmbH • Großpostwitz Hans-Eberhard Kaulfürst • Grünwald R. & Ch. Otter GmbH • Gunzenhausen Dr. K. Güerk • Getränke Jäger • Hüttl GmbH • Nürminger<br />
Immobilien • Hanau Dr. A. B. Arzuyan • Farid Mohammad & Said Masud Raufi • Haßfurt Dr. G. Henlein • Haundorf JTG Installationstechnik •<br />
Hechendorf Gaststätte Alter Wirt • Heidenau Kinderhaus Annett • Heidenheim Devran Schnellrestaurant • Tinas Kneipe • Habibi Automobile • Heilbronn<br />
Arkadas Market • Cafe-Bar CoC • Cafe-Bar Evergreen • Cafe-Bar Libre • Cafe-Brasserie Täglich • Cina-<strong>Rest</strong>. Kaiser Palast • Ham Ham Go • Hinkelstein<br />
• Imbiss-B<strong>ist</strong>ro Rang Dong • O & B Automaten • Pizza-Kebap-Haus • Wollhaus Kebap-Pizza • Zeus Casino • Besir Özdemir • B<strong>ist</strong>ro Sunrise • Cafe Siesta<br />
Shiha • Ikram Kebaphaus • Lausbub Tatoo • Pizzeria Casanova • Heiligenstadt Auto Dorn • Heimsheim PlanZept • RBI GmbH • Hengersberg<br />
Kremhöller Bestattungen • Hennigdorf Erika Krause • Lena Hegel • Peter Heck • <strong>Rest</strong>. Kim Kim • Herbolzheim Stadt-Apotheke • Herrenberg Reisebüro<br />
Pflanzer • Herrieden Gipser- u. Malerbedarf Zahner • Herrsching Auto-Pfrogner • Pier 48 • Heßdorf Robert Linsenmeyer • Verwaltungs-Gemeinde<br />
Heßdorf • Hildburghausen J. Vonderlind • Hilpoltstein Praxis Für Logopädie • Höchstadt Laufer Mühle GmbH • Xpeerience • Hochstadt a. M.<br />
Firma Zirkelbach • Hockenheim Altenberger GmbH • Bähr Optik • Eiscafe Italia • Merdan Capkur • Hofheim Th. Pirkl • Höhenkirchen Dr. A. Bodura •
WIR DANKEN DER POLIZEI FÜR IHREN KAMPF<br />
GEGEN DIE DROGENKRIMINALITÄT<br />
Hohenpeißenberg Dr. B. Heinrich • Maschinenbau R. Schwab • Holzkirchen Honda-Motortreff • Homburg Chr<strong>ist</strong>a Pirrung • Dr. H. J. Schöndorf • Dr.<br />
Schleifer • Dr. W. Metz • R<strong>ist</strong>. Portofino • Hösbach Gebr. Seubert GmbH • Hoyerswerda Dr. J. Lanzendorf • Lausitz Planung GmbH • Hügelsheim Peter-<br />
Estrich GmbH & Co. KG • Ingolstadt Kanzlei Korbel � & Kremer • Drs. A. Böhm & Koll. • Inning Gasthof Mutz • Iserlohn Dr. J. A. Jast • Kaiserslautern<br />
Dr. Trinkaus • Fuchs Wohnen & Einrichten GmbH & Co. KG • Haaratelier Stugard • Jung GmbH & Co. KG • Kamenz Dr. P. Theissig • Margit Reuter • Kämpfelbach<br />
Jost Drehteile e. K. • Kandern Cos-on-Air OHG • Elektro Schlegel KG • Küchen Karlin • Sonja’s Friseurstüble • Karben Donna K. • Dr. P. Reitz •<br />
Eliya Mobile • Ernst Leßmöllmann • Markt-Apotheke • That´s me • Karlsfeld Dr. Ch. Ried • Karlsruhe Dr. A. Göser • Cafè Ronte 76 • Domicilia GmbH •<br />
Drs. A. Riegsinger & L. Krieglstein • Fielmann AG • Friseur Studio Méwan • Gaststätte Karlstor • Hanimeli Cafe • Mihaela`s Treff • Park Apotheke • Pendel<br />
• Vietnam. Spezialitäten Phò • Spitzweg-Apotheke • Cafè Brohms • Stefans-Werkstatt • Tutmaz – KFZ – Werkstätte GmbH • Karlstadt Bach Metalle GmbH<br />
• Kios am Schnellertor • Zöller Weine • Kaufbeuren Allgäu Kapital GmbH & Co. KG • Cafe am Markt • Dr. A. Zalibera • Gabriele Uhrle • H. Reckziegel &<br />
A. Krumm • <strong>Rest</strong>. Mediterrano • Uwe Tietz • Kehl Casino Diamond • Kelkheim Sonnemann & Partner GbR • Keltern Kaiser Präzisionsschleiferei • KKE<br />
GmbH • Pe-Te-We Schleiftechnik • Kerpen-Sindorf Dr. R. Bruckschen • Kirchberg Apotheke zur Post • Kirchdorf a. Inn H. P. Entholzner • Öller Solarstromsysteme<br />
• Kirchsarten Rombach GmbH Co. KG • Köln Klaus-Peter Roggendorff • Udo Jansen • Prof. Dr. B. Hünermann & Kollegen • Dr. M. Rath •<br />
Drs. O. Ekert & S. H. Gnoth • Dr. J. Assheuer & F. Forutan • Cengiz Aypar • Dr. H. Dietrich • Dr. K. Schwabe-Neises • Ursula Marie Iven • E. Steffens & A. Winckelmann<br />
& B. Kertz • Günther Reinhardt • Dr. St. Laqua • Natalia Berg & Larissa Brakowski • Maritta Möhn • Königsberg Blumen Elisabeth • Friseur S´Kult • Johann<br />
Bertel • Schloßberg Gaststätte • Königsbrunn Dr. Ch. Bentele • Rae Gabrielli & Collegen • Zeiteisen • Königshofen Mathias Hippold • Königswartha<br />
Dr. D. Stöckel • Königswinter Dr. B. Larenz • Konstanz Drs. F. Hoffmann & W. Stöckle & I. Gauss • Korntal-Münchingen Asia-<strong>Rest</strong>. Harmonie • Zentral-Apotheke<br />
• Kornwestheim Eis Venezia • Lahr Aukthun Treuhand GmbH • Autoschmiede Lahr • G. Beisel-Vertrieb • HR Tuningcenter GbR • Kebel Lakkierungen<br />
• Küchenatelier Eschbach & Edmonds • Loft Lahr Clubbing • Schwörer & Offenburger GmbH & Co. KG • Landsberg Drs. Stechele & Denkinger<br />
• Malteser-Apotheke • RA Dieter Erl • RA Petra Boden • Landshut Frausnitz-Brautmode • Langenau Delphin Apotheke • Steinbildhauer Atelier • Langenfeld<br />
Ines Dathe • Langenzenn B. Schneiderheinze • Hair Lounge • Metzgerei E. Dootz • R<strong>ist</strong>. La Cucina Italiana • Lauf a.d. Pegnitz Antalya Supermarkt<br />
• Gaststätte Afroditi • Leinfelden-Echterdingen Drs. A. Kuttruf & H. Sauter • Leipzig Olaf Lehmann • Leonberg Autohaus Wolf GmbH • Bei Inge<br />
& Hansi Im Adler • Gaststätte Germania • Lobby Bar • Tipico Sportwetten • Leutershausen R + M Metallbau GbR • RA Eugen Trumpp • Lichtenau Dr.<br />
R. Bittner • Lichtenfels Flieger-Optik • Alfred Hornung e.K. • Dr. I. Simon-Wagner • Drs. H.-G. Wohn & M. Horn • Kfz-Werkstatt M. Jaud • Spital-Apotheke<br />
• Lindau Bestattungsdienst Friedrich Wurm • Dr. B. Knoll • Dr. C. Jäckel • Dr. Ch. Prem • Dr. K. Steudel • Dr. M. Georgi • Drs. H. u. H. Wille • Drs. M. Meurer<br />
& D.-B. Schimmel • G. M. Riegger • Gasthaus-Hotel Engel • Hotel the Medusa • Hotel-Garni Brugger • Insel-Gaststätten GmbH • La Gelateria • O. Nurberdi<br />
• Physiotherapie Rückenwind • Löbau Dr. S. Drescher • Lörrach Danner Schuhtechnik • Clinical Supplies Management GmbH • Dr. Max Bruch GmbH<br />
• Foto Haus Trefzger • Gasthaus Zum Wilden Mann • Hotel Garni Jesch • Innenarchitektur & Einrichtungen „Stilobjekt“ • Ital. Eis Olivier • Löwen-Apotheke<br />
• Maygo • Metallbau Stockmar e.K. • ProfilTec GmbH • Schmuckwerkststt Roschig • Schuhhaus Ströber • Schuhwerk • Thomas Stiefvater • Trend Fasihon<br />
• Auto-Service-Bund • Autohaus Kaufmann • Die Apotheke Am Engelplatz • Dreiland Stickerei • Gaststätte Rauchfang • Kiefer & Schupp • Küchenstudio<br />
Storz • Kühlerbau Lörrach • Markgräfler Hof • Metzgerei Capizzi • Mit freundlichen Grüßen Elektronik • Ogyprint Werbetechnik • Mimot GmbH •<br />
Ludwigsburg G. Vivenzo • Th. Class • Wok In • B<strong>ist</strong>ro Cafe Bar Metropol • C4 Wollenschläger • Cafe Midori • Drs. Friedel & Backhaus & Calm-Wangern<br />
• RA Frank Wieland • Magstadt Thorsten Baumann • Maisach Hotel Auf der Bühn • Mannheim Flip-Inn GmbH • Kozlowski Immobilien • Onyx Bar &<br />
<strong>Rest</strong>aurant • Marbach Kachelöfen Hermann • Marienberg Dr. D. Claußnitzer • Marktzeuln Landhaus Batz • Martinsried Transact GmbH • Maulbronn<br />
Meyer GmbH • Stadtverwaltung Maulbronn • Meinheim Finanzkonzept GmbH • Memmingen Dr. A. Reichert • Merdingen Hubert Selinger • Jürgen<br />
Escher • Michelau Putz – Friedrich • Mitteleschenbach Beyerlein & Pawlitzki • Mittenwald Dr. M. Läritz • Mittweida Katrin Rudolph • Möhringen<br />
Regenbogen Imbiss • Moosburg Birgit Birnstiel • Dr. M. Garreis • Muggensturm Dr. W. Merkel • Mühlacker Dr. E. Szemes • Mühlbach Getränke Hummel<br />
• Muhr am See S. Horn • Müllheim Dr. J. Penner • Gaststätte & Weinhandel Taberna • R P Kfz Service • München CM Equity AG • Dr. G. Voss • Dr.<br />
J. Marek • Dr. T. Schuster • Ametsbichler & Lehr • BFE Architekten • Dominikanerkonvent St. Kajetan e. V. • Dr. J. Keller • Dr. K. Lampe • Lab4more GmbH •<br />
Luitpoldblock GbR • Odigos GmbH & Co. KG • Sessig & Kollegen Treuhand GmbH • Wächtershäußer & Harz • Karl Hümeyer • Therasport GmbH • Wechner<br />
Architekten GmbH • Kanzlei Renauer • Rae Seidl & Hohenbleicher & Mirz • Dr. Th. Angerpointner • Augenklinik Theresienhöhe • Ilona Brenner • Michael<br />
Beck • Dr. A. Rose-Mayer • Dr. P. Huber • Sicura GmbH • RA Albert Löw • RA Sabine Vortmeyer • Dr. M. Brand • Dr. P. Pere • Ralph Scharrer OhG • Dr. P.-P.<br />
Kuklinski • Georg Kraus • Med. Versorg.-Zentrum im Helios • SHP Consult GmbH • Drs. M. Hussain & U. Schmid • Dr. J. Stannius • Neithard Franke-Gricksch<br />
• Dr. H. Bruckmayer • Dr. Hempen & Kollegen • Dr. W. Körber • J. Eggl • Dr. St. Prager • Alantum Europe GmbH • Eventmesseplanung Darge • Dr. R. M. Merten<br />
• Drs. Scherbaum, Sander, v. Radetzky & Kratzer • U. Westenrieder & Partner • AZHK 24h • Comsa GmbH • Martin Küspert • P. Riemhofer & M. Riemhofer<br />
• Drs. Lutz, Gross & Vogel • Dr. J. Heiner • ACS Treuhand GmbH • Dr. E. Wilhelm • Dr. H.-J. Willerding • Dr. K. Kyhnalek • Dr. S. Hanke • Dr. Th. Schrott<br />
• M. Schmuttermaier • Meta GmbH • Dr. I.-P. Weber • Pommer & Pommer • Dr. N. Hoffmann • RA R. Luczak • H. Neumann • Ludwigshöher-Apotheke •<br />
Aßbichler & Paar • Dr. S. Schleifer • Dr. R. v. Faulhaber • Dr. J. Lechner • ARVE GmbH • SB Guido Rohrer • Dr. B. Mundigl • Rae Schaumburg & Kollegen • Dr.<br />
K. P. Döring • Dr. I. Denstorff • Physikalische Therapie Biller • Radiologie München-Ost • Rudolf Stamm GmbH • Zehentner & Partner GmbH • Dr. A. Platte<br />
• Murnau Foto-Stoess • Optik-Andres • Neuburg Leimis Spirituosen & Weine • Neuendettelsau Georg Stützer • Neufahrn <strong>Rest</strong>. Rama Neufahrn •<br />
Neuhausen Gaststätte Saalbau • Gaststätte Zur Post • Apotheke am Rathaus • Neumarkt Dr. Onodi • Neuried Drs. S. Albiole & F. Dogruel • Neusäss<br />
B. H. Benz • Neustadt Kfz-Technik M. Strober • Melanie Greiner • Niederdorfelden AM Bauservice GmbH • Dr. K. Frey • Nonnenhorn Hotel Seehalde<br />
• Hotel Seewirt • Jakobus-Apotheke • Norderstedt Labor f. Zahntechnik Erno Büll • Nürnberg Dr. D. Reisener • Stempel Heinze OHG • Car Corner • GRS<br />
Bachmann GmbH • TT – Automobile • Kfz-Me<strong>ist</strong>erbetrieb J. Stemmert • Astute Logic GmbH • DOL GmbH • Massivholzmöbel Sandl • Obst & Gemüse-Ecke<br />
• Polsterei Heim & Birke • Za-Ra Markt GmbH • Oberstreu G. Müller • Offenburg Cafe Coyote • Drs. M. Müller & B. Linz & A. Jakob • Ölbronn-Dürrn<br />
Kfz-Lackiererei Erling Zentner • Oranienburg BF Nahrungsergänzung • Color of Skin • Computer & Bürobedarf • Dr. S. Philipp • Elektro An- & Verkauf •<br />
Juliane Hube • Renate Hartwig • Sandra Rückert • Spielkultur • Ulrike Reen • Ostfildern Eiscafe Firenze • Jacek Pyka • Ötisheim Hans-Joachim Keller •<br />
Ottobrunn MVZ Ottobrunn • Pappenheim San. Installation Roth • Peiting Charlys-Haarwelt • Dr. D. Soultanopoulus • Dr. M. Anderl • Pforzheim Aposto<br />
Pforzheim GmbH • Cafe B<strong>ist</strong>ro Point • Cafe Music Bar Exil • Dr. J. Hofsäß • Dr. S. Davulcu • Global Star • Hotel am Theater • Karl Fischer GmbH • Kiefer<br />
Buch & Kunstauktion • Klinik für plast. Chirurgie • M<strong>ist</strong>er Bike • Play & Win Funcenter • Rae Dr. K. & G. Nonnenmacher • Schreibwaren und mehr... •<br />
Sportwetten Pforzheim • Strasser & Bogner GmbH • Tatjana Bepple • Zum Faulenzer • German Power Kern & Sorg GmbH • Burkhardt-Automaten • Cafe<br />
M • Casino Atlantis • Dr. W. Swidersky • Friseursalon Styelock • Hanna Barth • Konstantin Österle • L´Tur Agentur Pforzheim • Polierbetrieb Gerundt • Spielhalle<br />
Black Pearl • Café Prag • Klaus Modelle GmbH & Co. KG • Designhaus X GmbH • Dieter Setzer • Kaiser & Götz & Steinmetz • Kirn Ingenieure • Rad-<br />
Sport Düren GmbH • Falken-Apotheke • Lipps-Bau-GmbH • Piding Drs. Gödde & Steger • REWE-Schönwalder OHG • Pirmasens Dr. A. De Giuli • S. Singer<br />
• Pirna Dr. H. Drechsel • Plattling Dr. M. Franke • Pleinfeld Pension Zottmann • Albrecht GmbH • Drs. P. & D. Kohler • Polsingen Kfz-Service Million<br />
• Potsdam Dr. B. Lotz • Pulheim-Branweiler Dr. W. Obervossbeck • Pulsnitz Peter Prescher • Pyrbaum Fa. Kriegeskorte • Radeberg Dr. M. Haase •<br />
Marion Weise • Rattelsdorf Zum Goldenen Löwen • Regen Dr. T. Fischer • Remshalden B<strong>ist</strong>ro Carpe Diem • Gaststätte Imbiss-Stube • Reutlingen
WIR DANKEN DER POLIZEI FÜR IHREN KAMPF<br />
GEGEN DIE DROGENKRIMINALITÄT<br />
Spielothek Stella´s Inn • Rochlitz Sabine Schulze • Rosenheim A-Mes Internet • Art Design GmbH • Dr. H. Wiehl • Roth Auto-Service Cavdar • Dr. Huschka,<br />
Rau & Frank • Haider Druck-Service • InDooRoth • <strong>Rest</strong>. Kr<strong>ist</strong>all • Röttenbach Fuhrunternehmen Kästner • Weber Metallbau GmbH • Rotthalmünster<br />
Eisenhandlung Koch • Saarbrücken Vina Emporium • Sachsenheim Kfz-Lack-Karosserie Sill • Sailauf Bischof GmbH • Salz Sebald Maschinenbau<br />
GmbH • Sebo GmbH • Saulheim Weinterrassen GbR • Schifferstadt Meriz Transporte • Schillingsfürst Richard Vogel • Schleching Vinz<br />
Bachmann e. K. • Schliengen Design 1810 • Gasthaus am Berg • Herr Drehteile GmbH • Mehlhose Antirutschprodukte • Schirmeier & Strübin • Schnelldorf<br />
Elektro Martin Lauchs • Sonnen-Apotheke • Schöllkrippen Schickling´s Backstuben GmbH • Schongau Berg & Radsport Lerf • Schopfheim Hirsch<br />
Apotheke • Schwäbisch Gmünd Alanya Kebap • Billard Cafe Lions • Coffee-Bar • Gaststätte Anno 1900 • Imbiss Anestis • Internet Life • Tipico Sportwetten<br />
• Schwäbisch Hall Café und Kultur im alten Schlachthaus • Dreikönig-Apotheke • No 14 Textil- und Kunstgewerbe • Schwarzenberg Dr. F. Wellner<br />
• Michl`s Welt • Schwarzheide Brigitte Saffert • Schweinfurt Artur Zeißler • Dr. A. Zeißler • Fit Schlafen • Schwetzingen Dr. M. Dillschneider •<br />
Seefeld Drs. Pohl & Hildbrand • Seukendorf Kfz-Betrieb Beigel & Stark • Kfz-Werkstatt Fronius • R<strong>ist</strong>. Pizzeria Minneci • Simbach Bianca Hahn • Drs.<br />
Sickinger & Stegler • Inferno-Piercing-Tattoo • Kfz Loher e.K. • Simonswald Hotel Tannenhof • Sindelfingen Juwelier & Schmuck Onur • Singen Drs.<br />
B. Oexle & B. Wiesendanger • Sinsheim Ing.-Büro Baumgartner • Solnhofen Dr. Ch. Gedon • Natursteine Friedel • Sonnenberg Monika Jähnich • Spatt<br />
Schreinerei E. Mathes • Speyer Friseur am Kornmarkt • Sepia • Traditionelle Thaimassage • Wolfgang Volandt • St. Georgen <strong>Rest</strong>. Kaiser Wok • Pflegedienst<br />
Schneiderham • Rettenberger Metallveredelung • R<strong>ist</strong>. Pizzeria Bei Bani • St. Leon-Rot Gebäudeausrüstung Ackermann • St. Peter Thomas Ruf •<br />
Zähringer-Apotheke • Stadtbergen Dr. G. F. Hopfer • Staffelstein Dr. J. Gärtner • Staufen Dr. J. Toussaint-Gick • Holzfantasien • Rathaus Cafè Staufen<br />
• Stollberg Dr. J. B. Mueller • Straubing Bären Apotheke • Strullendorf OMV Tankstelle • Stutensee Stutensee-Apotheke • Stuttgart BY Management<br />
GmbH • Discothek Rumors • Doppelpunkt • Engcotec GmbH • Indian Palace • Magnus Villing GmbH • <strong>Rest</strong>. World Of Exotic Food GmbH • Tapas-Cortijo<br />
• Trattoria Santa Lucia • Victoria Etuis GmbH • Wettbüro T. Schlehuber • Wohnen & Garten Ambiente • Anatolien Pizza-Kebap • Cafe-Bar Bados • Cotton<br />
Modehandel • Dr. P. Lee-König • Isn Sandwich Point • Korkuta Gaststätten GmbH • Optik Sichtbar • TÜ 8 Gastronomie GmbH • Vital Lunch • Charly´s<br />
Fahrschule • Erlebnis Schönheit • Ruth Siegle • Gasthaus Schwanen • B<strong>ist</strong>ro Rössle • Cafee Treffpunkt • Gaststätte Rhodos • HC Verwaltungs GmbH • Hotel<br />
Discovery • Rae Hahn & Kollegen • Spielothek-Jackpot • Heslacher Mini Market • Juwelier Hörnle • Top Optik • Sun Dog Tattoo • BLG Lebensmittel-Handelsgesellschaft<br />
mbH • De Marco Luca • Drink City GmbH • Kfz-Me<strong>ist</strong>erbetrieb Wangen • M+M Obst und Gemüsehandel • Onur-Impex GmbH • Endstation<br />
• Abklatsch • Café Royal • Dr. M. Matuschin • TSV Münster • Drs. E. Heinrich & B. Schmidt • Juwelier Aralan • Ma<strong>ist</strong>rali GmbH • Billard-Cafe Vaihingen<br />
• MundArt GmbH • Mybet Wettbüro • Pascha Kebap Haus • Cafe <strong>Rest</strong>. Anno 1897 • ChocolateCity • Eis Cortina • Kfz-Service Markovic • Sidirourgopoulos<br />
Nikolaos • Waldheim Heslach • Ernst Polack GmbH • Sillenbuch´s Kebap • Bullinger GmbH & Co. • ACE Gaming • Suhl Dr. G. Reichel • M. Döhler • Dr. W.<br />
Meißner • Sulzbach Aveva GmbH • Theilenhofen Elektro Schmidt • Thüngersheim Dr. Th. Kühnert • Tiefenbach Edeka – Obergassner • Traunstein<br />
Rosenkavalier • Treuchtlingen Dr. Glöckel • Gebäude u. Technik U. Klier • J. Scheuerlein • Landtechnik Hüttinger • Wellness-Fitness Get-Fit • Tübingen<br />
Tangente-Jour • Afrostore & Telecenter • Er Nadim Automobile • Tutzing Chr<strong>ist</strong>of Rekus • Ulm Barrique Weine • Betten-Gonser • G. Chr<strong>ist</strong>iansen • Unterhaching<br />
Dr. T. Lerner • HRS GmbH • Unterschleißheim Isabella von Bukowski • Jenewein GmbH • L. Neumann • Reifen Bölen • Vaihingen Tanzschule<br />
Rank GmbH • Vaterstetten Marion´s Fiseurteam • Veitsbronn Kleintierpraxis Kleuser • Music And Groove • Viereth Hans-Jürgen Bayer • Villingen<br />
Schwenningen Öz-Bay Market • Wiebelt GmbH & Co. KG • Hess AG • Alois Oberföll • Hässler GmbH • Contact Communications • Hotel Allee • Waldkirch<br />
Automobildienst Jörger • Beton-Abbruchtechnik GmbH • Bi Gi´s Schreibwarenlädle • Creatif Frisör • Damenmode Look • Engelhart • Fitness-Park •<br />
Trendlicht GmbH • Waldkirchen Dr. K. Edelman • Waldkraiburg Demmel & Partner GdbR • Dr. H. Rochlitz • Drs. Gugg & Saam & Mayer-Löw • Waldmünchen<br />
RA Elke Kestler • Wangen Blaue Traube • Chr<strong>ist</strong>oph Wiedemann • Dr. F. Benedix • Eberhard Hübner • Wasserburg Dr. G. Lechner • Joachim<br />
J. Senger • Wassertrüdingen Fahrzeuglackierung Brühschwein • Weihenzell Bürtel GmbH • Weil am Rhein CNC Drehtechnik Schiessel • Neumann<br />
Metallbau e.K. • Roller Automobile GmbH • Weil der Stadt Fahrschule Martin Proß • Fortuna GmbH • Weil-Haltingen Herbert Bee • Weilheim Drs.<br />
St. Rutke & Ch. Jablinka • HIC Hock Ingenieur Consulting • Josef Mader • Weißenburg Dr. H. Hoechstetter • Friseur Ch. Lehmeyer • H. Stiegler • Ing.-Büro<br />
C. Kuhn • Kittsteiner Fahrzeugteile • Wendelstein Dorberth GmbH • Wenzenbach Dr. A. Fischer • Fenster- und Türenstudio Kinateder • Westheim Dr.<br />
P. Gerner • Wiernsheim Gemeinde Wiernsheim • Wiesbaden Dr. W.-D. Wörth • Wieseth Kunststofftechnik Plastolen GmbH • Wilhermsdorf RA Barbara<br />
Holzmann • Sven Unger • Winden Buro GmbH • Winkelhaid Eiscafe Centro • Winnenden Vesperstüble • Winsen Dr. J. Münch • Wolfrathshausen<br />
Rae Leitner & Leitner • Wörthsee Coiffure Claudia • Würzburg J. C. Neckermann GmbH & Co. KG • Zell Andreas Weber • Zittau Anett Scholz • Constanze<br />
Krömer • Dr. M. Zestermann-Tannert & H. Franke • Dr. U. Matthes • Zückshut Gasthof Rieneck • Zweibrücken Adler Apotheke • B<strong>ist</strong>ro <strong>Rest</strong>. Paramount<br />
• Herbert Bartelmann e.K. • Zwiesel Dr. E. Zbieszcyk • Dr. M. Fischer • Edeka – Kammerl<br />
I M P R E S S U M<br />
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Ltd. Kriminaldirektor a.D. Peter Schweinitzer<br />
Verlag:<br />
KARO Fachzeitschriftenverlag<br />
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Enzianstraße 6, 82319 Starnberg / Percha<br />
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Gero Stoffl, Kriminaldirektor a.D. (V.i.S.d.P.)<br />
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Redaktionsschluss: 15.01.2012
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