«Ein paar Weltrevolutionen» - Aktuelle Ausgabe
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Seite 4 Gesehen und Gehört Bodensee Nachrichten, 1. Juni 2012<br />
Die Kunst, die Revolution, das Schloss<br />
ERWIN FEURER AUS EGNACH im Gespräch über «seine» Burnout-Foundation, die Schere zwischen Arm und Reich und seine Pläne.<br />
Erwin Feurer sorgte vor zwei<br />
Jahren für Aufsehen, als er eine<br />
Weltrevolution mit «Benzin<br />
aus Sand» starten wollte.Nun<br />
läuft sein neues Projekt: Der<br />
International Burnout Fund<br />
(IBF) soll die grösste Selbsthilfeorganisation<br />
aller Zeiten<br />
werden und die sozialen Verhältnisse<br />
umwälzen. Ein Gespräch<br />
mit einem Visionär.<br />
Herr Feurer, wie kommt man als<br />
Privatperson auf die Idee, eine<br />
Burnout-Foundation zu gründen?<br />
Das, was der International Burnout<br />
Fund erreichen will, sind eigentlich<br />
alles Aufgaben, die grundsätzlich<br />
dem Staat und seinen Organen<br />
vorbehalten sind. Ich bin<br />
aber der Meinung, dass der Staat<br />
als die Summe aller Individuen an<br />
den Anschlag gekommen ist, sich<br />
selber innerlich weitgehend aufgefressen<br />
hat und Mühe bekundet,<br />
sich überhaupt im Sattel zu halten<br />
–und daher die Bedürfnisse vor allem<br />
der unteren und mittleren<br />
Schichten nicht mehr wahrnimmt<br />
und erfüllen kann. Der Staat nimmt<br />
Geld ein in einer riesigen Menge,<br />
generiert und druckt Geld in unüberschaubarer,<br />
nahezu beliebiger<br />
Menge, aber er benötigt auch viel<br />
Geld für die eigenen Bedürfnisse,<br />
für die Verwaltung sowie dazu, Systeme,<br />
die versagt haben, zum Beispiel<br />
die Banken, künstlich am Leben<br />
zu erhalten.<br />
Sie denken, der Staat ist zu sehr<br />
mit sich selbst beschäftigt, um sich<br />
mit dem Phänomen «Burnout» beschäftigen<br />
zu können?<br />
Das Modell des kapitalistischen Sozialstaats<br />
ist in der Endphase, ein<br />
Auslaufmodell. Der Trend, alle Aufgaben<br />
dem Staat aufzubürden,<br />
muss sich wieder vermehrt drehen<br />
zur Selbstverantwortung des<br />
Einzelnen. Ich bin darum der Meinung,<br />
dass es eine private Organisation<br />
geben muss, eine Selbsthilfeorganisation,<br />
welche die Aufgaben,<br />
die anstehen, lösen kann, indem<br />
sie auch Selbstverantwortung<br />
übernimmt.<br />
Im Businessplan des International<br />
Burnout Fund vom März dieses<br />
Jahres schreiben Sie, dass die<br />
Stiftung auch betrieben wird, um<br />
inoffiziell Einfluss auf die Politik<br />
zu nehmen. Sie wollen lobbyieren.<br />
Es ist ein erklärtes Ziel des International<br />
Burnout Fund, dass wir<br />
Einfluss auf Handlungen von Staat<br />
und anderen politischen und wirtschaftlichen<br />
Trägerschaften nehmen<br />
wollen, dies durchaus in einem<br />
gewissen aktiv-aggressiven<br />
Sinn – also in einem Widerstandssinn<br />
bis hin zu einem kreativen<br />
Anarchismus. Wir wollen uns<br />
in den Weg stellen, aber auch Lösungen<br />
erarbeiten und anbieten,<br />
ähnlich wie die Piraten in Deutschland<br />
oder die Occupy-Bewegung<br />
weltweit. Ich denke, dass dies<br />
ernstzunehmende Modelle für die<br />
Zukunft sein können und werden.<br />
Noch existiert der International<br />
Burnout Fund nur in der Theorie<br />
–sprich in Form eines Businessplans.<br />
Was soll die Institution be-<br />
inhalten?<br />
Der IBF ist am 1. Mai 2009 gegründet<br />
worden mit dem Zweck der<br />
Vorbeugung, Behandlung und Erforschung<br />
der Krankheit Burnout<br />
sowie ganzheitliche und nachhaltige<br />
Rehabilitation der Burnout-<br />
Betroffenen. Weiter ist die Errichtung<br />
von Behandlungszentren<br />
sowie der Aufbau einer Selbsthilfeorganisation<br />
geplant. Die Ausübung<br />
von Solidarität der Gemeinschaft<br />
gegenüber dem Einzelnen<br />
und umgekehrt, Information<br />
und Aufklärung der Öffentlichkeit<br />
zum Thema Burnout, Einflussnahme<br />
auf Wirtschaft und Politik<br />
sowie aktive Vertretung der<br />
Burnout-Betroffenen in der Öffentlichkeit<br />
stehen im Zentrum der<br />
Arbeit des «IBF».<br />
Das Schloss Radibor in Sachsen,<br />
das dem International Burnout<br />
Fund gehört und das Sie seit Jahren<br />
auf Vordermann bringen, soll<br />
als Zentrale der Stiftung dienen.<br />
Wieso Deutschland und nicht die<br />
Schweiz?<br />
Deutschland ist für den Start ein<br />
hochinteressantes Land, da es mit<br />
der Eingliederung der Neuen Länder<br />
nach der Wende 1990 ganz besondere,<br />
sehr schwierige Aufgaben<br />
zu bewältigen hat. Burnout ist<br />
im Osten Deutschlands an allen<br />
Ecken und Enden erkennbar,während<br />
in der Schweiz −vorderhand<br />
−Burnout sich manifestiert in der<br />
Bereitstellung von Burnout–Kliniken,<br />
die sich wiederum nur Bessergestellte<br />
leisten können. Da ich<br />
mit dem International Burnout<br />
Fund die unteren und mittleren<br />
Schichten ansprechen und von daher<br />
die soziale Revolution in Bewegung<br />
bringen will, ist nach meiner<br />
Einschätzung der Osten<br />
Deutschlands der ideale Ausgangspunkt<br />
dazu. Die Schweiz wird<br />
jedoch in einer zweiten Phase<br />
ebenfalls als Zielort einbezogen.<br />
Laut Businessplan besteht Ihr erstes<br />
Ziel darin, 100 000 Sympathisanten,<br />
Gönner und Mitglieder<br />
zu finden. Grenzt das an Utopie<br />
oder glauben Sie wirklich daran?<br />
In Europa leben rund 500 Millionen<br />
Menschen. Alle Berichte, alle<br />
Statistiken, die ich lese, zeigen auf,<br />
dass in etwa die Hälfte dieser 500<br />
Millionen Menschen im Laufe ihres<br />
Lebens in eine Depression oder<br />
in die Nähe eines Burnouts geraten<br />
könnten. So gesehen, ist die<br />
erste Zielsetzung von 100 000<br />
Sympathisanten, Gönnern und<br />
Mitgliedern sogar bescheiden. Das<br />
Ziel kann aber nur erreicht werden,<br />
wenn die Stiftung ein aktives<br />
Fundraising und Sozialmarketing<br />
betreibt.<br />
Wie soll das aussehen?<br />
Ich bin in Gesprächen mit möglichen<br />
Projektleitern, die selbstständig<br />
eine Fundraising-Organisation<br />
auf die Beine stellen. Das<br />
wird in Ostdeutschland geschehen.<br />
Die Abklärungen mit den Behörden<br />
sind gemacht, die Einwilligung<br />
ist da. Es werden sogenannte<br />
Dialoger auf die Strassen<br />
von Bautzen, Leipzig, Görlitz und<br />
Dresden unterwegs sein, um Sympathisanten,<br />
Gönner und Mitglieder<br />
zu generieren. Und eines soll<br />
von Anfang klar gestellt sein: Die<br />
Erwin Feurer in seinem Wohnort Egnach: «Zwischen meinem 60. und 70. Lebensjahr noch etwas Wesentliches auf der Welt verändern».<br />
Menschen, die auf die Strasse gehen,<br />
werden dafür auf Provisionsbasis<br />
bezahlt. Sie sollen davon leben<br />
können. Gerade darum ist Ostdeutschland<br />
mit der hohen Arbeitslosenrate<br />
ein idealer Ausgangspunkt<br />
für den Aufbau dieser<br />
Selbsthilfeorganisation. Dass Menschen<br />
sich mit Burnout aktiv beschäftigen<br />
und damit auch noch<br />
Geld verdienen können, wird einen<br />
hohen prophylaktischen Nutzen<br />
bringen und ihnen auch Druck<br />
und Existenzangst lindern.<br />
Mit dem International Burnout<br />
Fund wollen Sie Burnout-Betroffenenhelfen.WasistausIhrerSicht<br />
das grösste Missverständnis im<br />
Zusammenhang mit diesem Phänomen?<br />
(Pause) Ein Missverständnis ist<br />
bestimmt darin zu finden, dass die<br />
Ursache eines Burnouts meiner<br />
Meinung nach in der ungünstigen<br />
Güterverteilung liegt. Es wird nicht<br />
gern darüber gesprochen, dass die<br />
Güter dieser Welt relativ ungerecht<br />
verteilt sind und deswegen<br />
kommen wir auch nicht zum Kern<br />
des Themas –wir wissen nicht genau,<br />
wie wir mit dieser Schere zwischen<br />
Arm und Reich umgehen<br />
sollen. Wenn die Arbeitgeber den<br />
Arbeitnehmern mehr geben würden,<br />
die Arbeitnehmer dafür aber<br />
auch mehr Verantwortung und<br />
Einbindung, allenfalls auch Mitbestimmung<br />
im Betrieb erhalten<br />
würden –kurz, wenn die Kooperation<br />
optimaler wäre –dann hätten<br />
wir weniger Burnout-Fälle.<br />
Sie sprechen von einer Demokratisierung<br />
der Arbeitswelt.<br />
In diese Richtung geht es, Humanisierung<br />
und Demokratisierung<br />
der Arbeitswelt sind Themen, die<br />
in einer modernen Gesellschaft<br />
diskutiert und für alle Marktteilnehmer<br />
in zufriedenstellender<br />
Weise gelöst werden müssen. Die<br />
Schere, die in der Vergangenheit<br />
zugunsten der «Fünf Prozent», die<br />
über 95 Prozent des Volksvermögens<br />
verfügen, immer weiter aufgegangen<br />
ist, müsste zugunsten der<br />
«Habenichtse», also der 95 Prozent<br />
der Bevölkerung, die insgesamt<br />
nur über fünf Prozent des<br />
Volksvermögens verfügen, wieder<br />
zugehen.<br />
Die Stiftung haben Sie im Jahr<br />
2009 ins Leben gerufen. Wann hat<br />
sich die Idee entwickelt?<br />
Schon zwei bis drei Jahre vorher.<br />
Ich habe meinen 60. Geburtstag<br />
kommen sehen und mir vorgenommen,<br />
dass ich unabhängig von<br />
der Vergangenheit zwischen meinem<br />
60. und 70. Lebensalter noch<br />
etwas Wesentliches auf der Welt<br />
verändern will. Ich bin jetzt 61 und<br />
habe in den vergangenen zwei Jahren<br />
schon viel für den International<br />
Burnout Fund erreicht. Das<br />
Netzwerk steht und es geht jetzt effektiv<br />
nur noch darum, den Vorstand<br />
von zehn bis 20 Leuten zusammenzustellen,<br />
die Strategie<br />
definitiv auszuarbeiten und umzusetzen.<br />
Das Schloss Radibor in<br />
Sachsen, die Zentrale des International<br />
Burnout Fund, ist ebenfalls<br />
bereit. Inzwischen ist das<br />
Schloss nach jahrzehntelanger<br />
Verwahrlosung wieder erschlossen<br />
und bescheiden bewohnbar.<br />
Das Schloss gilt auch als Stützpunkt<br />
ihres früheren Projektes<br />
«Benzin aus Sand».<br />
«Benzin aus Sand» –also die Möglichkeit,<br />
Erdöl durch Silanöl zu ersetzen,<br />
ist ein noch viel komplexeres<br />
Thema. Ich habe in den letzten<br />
zwei Jahren die Türfallen an<br />
besten Adressen der Wirtschaft,<br />
Politik und Wissenschaft «poliert».<br />
Die Angst vor einem Paradigmenwechsel,<br />
vor einer grundsätzlichen<br />
Weltbildveränderung,<br />
einem Wechsel ins Siliziumzeitalter<br />
ist noch zu gross. Der Aufbau einer<br />
effizienten Silantechnologie<br />
kostet in einer ersten Tranche rund<br />
30 bis 40 Millionen Franken. Obwohl<br />
das Projekt «Benzin aus Sand»<br />
absolut realisierbar, wissenschaftlich<br />
stringent nachgewiesen und als<br />
vollkommen glaubwürdig eingestuft<br />
wurde, wollte kein Investor<br />
den «Nestbeschmutzer» spielen, da<br />
die Umwälzungen und Veränderungen<br />
zu gross gewesen wären.<br />
Darum konzentriere ich mich jetzt<br />
auf den International Burnout<br />
Fund.<br />
Die Idee ist also stillgelegt?<br />
Absolut nicht. Der Urheber,Dr. Peter<br />
Plichta, versucht alles, um seine<br />
Idee zu verwirklichen. Da müss-<br />
Bild: bg<br />
te eine junge Generation von Wissenschaftlern<br />
hingehen und versuchen,<br />
seine Ideen umzusetzen.<br />
«Benzin aus Sand» ist ein Projekt<br />
der Zukunft und eine Friedensinitiative,<br />
da die Menschen keine<br />
Angst mehr haben müssten, dass<br />
ihnen der Rohstoff abhanden<br />
kommt. Die Rohstoffe zur Herstellung<br />
des Silanöls sind Silizium,<br />
also Sand, was in der Erdrinde als<br />
zweithäufigstes Element in unerschöpflich<br />
ausreichendem Mass<br />
vorhanden ist, und Stickstoff, der<br />
zu 80 Prozent die Atmosphäre ausmacht.<br />
Viele Kriege und Interventionen<br />
werden letztendlich wegen<br />
der Rohstoffe gemacht –das<br />
würde wegfallen, das wäre das Phänomenale<br />
an dieser Idee. Wirtschaft,<br />
Politik und Wissenschaft<br />
müssen dazu aber noch einen grossen<br />
Reifeprozess durchlaufen<br />
möglicherweise bis hin zu Katastrophen<br />
und politischen Wirren.<br />
Der International Burnout Fund,<br />
BenzinausSand–stehtdasSchloss<br />
Radibor schlussendlich als Symbol<br />
für gesellschaftliche Umwälzungen?<br />
Ich stelle mich wahrscheinlich<br />
manchmal etwas unklug an, weil<br />
ich viel zu offen sage, was ich machen<br />
will – anstelle eines diplomatischen<br />
und pragmatischen<br />
Vorgehens. Wenn mich jemand<br />
fragt, was ich vorhabe, dann sage<br />
ich Folgendes: Ich will nicht mehr<br />
und nicht weniger, als ein <strong>paar</strong><br />
Weltrevolutionen in Gang zu setzen.<br />
Eine soziale Weltrevolution<br />
mit dem International Burnout<br />
Fund, welche die grösste Selbsthilfeorganisation<br />
aller Zeiten werden<br />
soll, dazu die wirtschaftliche<br />
Weltrevolution mit «Benzin aus<br />
Sand», die den Übergang ins Siliziumzeitalter<br />
einläuten soll. Der<br />
Gesprächspartner ist dann erst mal<br />
ruhig und muss leer schlucken. Ich<br />
nehme dabei in Kauf, wenn die<br />
Leute denken, dass ich ein Spinner<br />
sei, denn es ist schlichtweg<br />
mein Wille, Klartext zu reden. Ethisch<br />
und moralisch habe ich dabei<br />
ein sehr gutes Gefühl: Diese<br />
Weltrevolutionen sind keine Revolutionen,<br />
bei denen Menschen<br />
sterben müssen; es sind Revolutionen<br />
zum Wohle der Menschheit.<br />
Interview: Benjamin Gahlinger