Uster 2011.pdf
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Elektrizitätswerk <strong>Uster</strong> – Asylstrasse 10<br />
Lärm und Gasgeruch im<br />
Rennenfeld<br />
Herbst 1897<br />
Man zählt das Jahr 1897, das erste Elektrizitätswerk <strong>Uster</strong>s an der<br />
heutigen Asylstrasse 10 im Rennenfeld ist soeben fertiggestellt<br />
worden. Der Bauplatz liegt an diesem Herbsttag verlassen da.<br />
Nur das vernarbte Gras und der Schotter im Vordergrund sowie<br />
ein paar wenige Utensilien zeugen davon, dass hier vor kurzem<br />
noch gebaut worden ist. Einige Werkzeuge warten, in Kisten<br />
verpackt, auf den Abtransport. Eine vergessene Leiter lehnt<br />
an der Dachtraufe. Auch die Umgebungsarbeiten sind bereits<br />
ausgeführt: Der Platz, auf dem das Kraftwerk steht, ist planiert<br />
und mit Kies bedeckt worden. Vor der schmalen Fassade mit den<br />
schmucken Bogenfenstern und dem Rundfenster hat der Gärtner<br />
drei junge Bäume gepflanzt. Alles ist bereit, das Elektrizitätswerk<br />
seiner Bestimmung zu übergeben. Bald wird Strom durch die<br />
Drähte fliessen, die vom Leitungsturm auf dem Dach zu den<br />
Übertragungsmasten verlaufen.<br />
Das Bauwerk bedeutet für <strong>Uster</strong> einen wichtigen Schritt in die<br />
Moderne. Schon bald wird die Stadt ihre Strassenbeleuchtung<br />
elektrifizieren. Elektrische Leuchten werden die Petrollaternen<br />
ablösen, die jeden Abend von Mitarbeitern der Gemeinde<br />
angezündet werden müssen. Dank der Einführung der Elektrizität<br />
lassen sich die Betriebskosten der Strassenbeleuchtung beträchtlich<br />
senken. Ausserdem plant die Stadt, Anschlüsse an<br />
private Interessenten zu vermieten oder zu verkaufen, um so<br />
mehr Geld in ihre Kassen zu schwemmen.<br />
Für die Einführung der Elektrizität war sehr viel Überzeugungsarbeit<br />
nötig. Den Anstoss für den Bau eines E-Werkes gibt im<br />
Januar 1896 die Zivilgemeinde Kirchuster. Um das Vorhaben auf<br />
eine möglichst breite Basis zu stellen und so Kosten zu sparen,<br />
bietet sie ihren Nachbardörfern Ober- und Niederuster an, sich<br />
an dem Vorhaben zu beteiligen. Die beiden Gemeinden sehen<br />
in der neuen Form der Energieversorgung jedoch keine Vorteile<br />
und lehnen dankend ab. So entscheidet die Zivilgemeinde<br />
Kirchuster, das Kraftwerk im Alleingang zu bauen und die<br />
Kosten selbst zu tragen. Als Bauplatz wählt sie einen Standort<br />
nahe der katholischen Kirche im noch weitgehend unbebauten<br />
Rennenfeld nördlich der Bahnlinie. Hier haben sich einige neue<br />
Industriebetriebe angesiedelt, die als potenzielle Kunden in<br />
Frage kommen. Ebenso wäre das benachbarte Dorf Wermatswil,<br />
das Interesse an einer Stromversorgung signalisiert, von hier aus<br />
leichter zu erschliessen. Die Expansionsmöglichkeiten erscheinen<br />
den Initianten günstig genug, um die Planung in die Tat<br />
umzusetzen.<br />
Das neue Elektrizitätswerk wird in einem halben Jahr aus dem<br />
Boden gestampft. Schon bald nach der Inbetriebnahme zeigen<br />
sich erhebliche Baumängel. Der Leitungsturm ist unsorgfältig<br />
gebaut worden und muss verstärkt werden, zudem regnet es<br />
durch das Dach. Probleme ganz anderer Art ergeben sich, weil<br />
die Erschliessungsstrasse, die heutige Werkstrasse, zu eng<br />
ist. Um sie verbreitern zu können, müssten die angrenzenden<br />
Nachbarn einen Teil ihres Landes abtreten. Alle erklären sich<br />
dazu bereit – bis auf einen. Der Arzt Jakob Ritter, wohnhaft in<br />
einer 1896 gebauten Villa an der Brunnenstrasse 16, hat sich<br />
schon seit längerem wegen des Lärmes der Gasmotoren, die<br />
die stromerzeugenden Generatoren antreiben, beschwert. Seine<br />
Einwände gegen den Verlust seiner wohlverdienten Ruhe fanden<br />
jedoch keinerlei Gehör. Jetzt verweigert er im Gegenzug, einen<br />
Streifen seines Grundstücks abzutreten. Die Bauherrschaft ist<br />
wohl oder übel gezwungen, die Strasse so zu belassen, wie sie<br />
ist. Für den honorigen Doktor Ritter, der 1883 zu den Gründern<br />
des ersten <strong>Uster</strong>mer Krankenhauses gehörte, ändert sich nichts:<br />
Er muss sich weiterhin über die Lärmquelle in der Nähe seines<br />
Hauses ärgern.<br />
Eine kunstvoll geschwungene Lampenaufhängung.<br />
Der als Dachreiter ausgeführte Leitungsturm. Frisch gepflanzter Baum auf dem gekiesten Vorplatz.<br />
Zurückgebliebene Materialien zeugen noch von den Bauarbeiten. Die Pfosten markieren die Grundstücksgrenze.