Impressum Text und Gestaltung: Dr. Michael Köhler und Stadtpräsidium <strong>Uster</strong> Projektleitung: Gallikerkommunikation, Bahnhofstrasse 2, <strong>Uster</strong> Druck: FO Print & Media AG, Egg Redaktion und Lektorat: Jeannine Horni Historische Bilder: Julius Gujer Heutige Bilder: Stephan Kälin, Christian Brütsch, Manuel Reimann, Mario Reichling Bezugsadresse: info@gallikerkom.ch Eine Zusammenarbeit von: © gallikerkommunikation und Stadt <strong>Uster</strong> 2010
Vorwort und Einführungen Liebe <strong>Uster</strong>merinnen und <strong>Uster</strong>mer Zum zweiten Mal nach 2009 begleitet uns der historische Jahreskalender „<strong>Uster</strong> – 12 Monate Stadtgeschichte“ durch den Jahreslauf. Ich freue mich sehr über die zwölf neuen Begegnungen zwischen dem historischen und dem heutigen <strong>Uster</strong>. Ein lebendiges, pulsierendes Gemeinwesen wie die Stadt <strong>Uster</strong> verändert sich laufend. Historische Gebäude werden neuen Nutzungen zugeführt. Andere müssen gar neuen Überbauungen weichen. Manchmal freuen wir uns darüber, dass etwas stolzes Neues entsteht. Oft aber bedauern wir, dass ein lieb gewonnenes Ensemble einem Neubau weichen muss. Aber in einer Stadt wie <strong>Uster</strong>, die den Bewohnern attraktive Wohnmöglichkeiten, gute Arbeitsplätze und schöne Naherholungsgebiete bieten will, ist dieser stete Wandel richtig und wichtig. <strong>Uster</strong> muss Neues zulassen. Dafür sind manchmal Umnutzungen und Neubauten nötig. Nur so können wir diejenigen Rahmenbedingungen schaffen, die für unsere Wohnbevölkerung und die Wirtschaft heute und morgen attraktiv sind. Auch diesen Sachverhalt bringt uns der Jahreskalender „<strong>Uster</strong> – 12 Monate Stadtgeschichte“ näher. Denn es sind nicht nur Gebäude auf den Kalenderblättern abgebildet. Wir begegnen manchen Alltagssituationen aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende. Nichts zeigt deutlicher, wie sich unser alltägliches Leben in den letzten 100 Jahren geändert hat, als diese Momentaufnahmen aus längst vergangenen Zeiten. Oder können Sie sich die Kinderschar, die auf dem Februar-Kalenderblatt ein neues Schulhaus einweiht, mit MP3-Player und Handy vorstellen? Alt und Neu. Diese zwei Komponenten gehören in einer gewachsenen Stadt wie <strong>Uster</strong> untrennbar zusammen. Unsere historischen Bauten erinnern uns an die lange Geschichte unserer Stadt und daran, was unsere Vorfahren geleistet haben. Die neuen Gebäude, Quartiere und Plätze zeugen davon, dass <strong>Uster</strong> pulsiert und lebt. Weil beides zusammengehört, müssen wir bei der Entwicklung unserer Stadt stets in zwei Richtungen blicken: Wir müssen sorgsam mit der gebauten Substanz umgehen. Dazu gehört, dass wir erhalten und schützen, was Erhaltenswert ist. Gleichzeitig müssen wir Neues ermöglichen und so initiativen Persönlichkeiten Chancen für neue städtebauliche Projekte eröffnen. Das setzt ab und zu die Trennung von Altgewohntem voraus. <strong>Uster</strong> lebt diese Grundhaltung seit vielen Jahren konsequent und recht erfolgreich. 2001 wurde unsere Stadt deshalb mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet. Das ist aber nicht das Wichtigste. Das wichtigste ist, dass immer mehr Menschen unsere Stadt als lebenswerten Wohnort entdecken und so an der Zukunft <strong>Uster</strong> mitwirken. Mit herzlichen Grüssen Martin Bornhauser Stadtpräsident Einführung Vor Ihnen liegt bereits die dritte Ausgabe des Kalenders «<strong>Uster</strong> – 12 Monate Stadtgeschichte». Der Erfolg der beiden vorigen Kalender zeigt uns, dass das Interesse am Werden unserer Stadt ungebrochen gross ist. Auch der Kalender fürs Jahr 2011 zeigt zwöf grossformatige Motive aus <strong>Uster</strong>s Vergangenheit und stellt sie der heutigen Gegenwart gegenüber. Auf der Rückseite wird das fotografierte Geschehen in seinen historischen Kontext gestellt. Zur Zeit führt <strong>Uster</strong> den offiziellen Leitspruch «Wohnstadt am Wasser». Ohne Wasser kann keine Siedlung überleben, weswegen bei ihrer Gründung meist darauf geachtet wurde, dass sich in unmittelbarer Nähe ein Wasserlauf befand. Heute spielen Oberflächengewässer wie Flüsse, Bäche, Weiher und Seen eine grosse Rolle für die Lebens- und Wohnqualität. Ihre Bedeutung zeigte sich in <strong>Uster</strong> in der Vergangenheit noch exemplarischer als heute. Für die vielen Fabriken wurde ein Netz von Kanälen angelegt, damit die gleichmässige Kraft des Wassers die Maschinen antreiben konnte. Gleichzeitig wurden die Kanäle von den Kindern als Abenteuerspielplätze in Beschlag genommen und im Sommer als willkommene Bademöglichkeiten genutzt. Noch heute erholt sich die Bevölkerung unserer Stadt noch gerne an den erhalten gebliebenen Rückhalteweihern aus dieser Zeit. Auf diese Zusammenhänge weist der Slogan hin. Der Kalender greift ihn auf und bringt den interessierten Leserinnen und Lesern das Thema Wasser in fünf Bilder und Geschichten näher. Ansonsten bleibt alles beim Alten: Alle Bilder stammen aus dem Nachlass des Industriellen Julius Gujers, der im Stadtarchiv <strong>Uster</strong> verwahrt ist. Die Aufnahmen sind in den Jahren zwischen 1885 und 1917 entstanden. Die Sujets sind auch dieses Mal eine repräsentative Auswahl der Serie «<strong>Uster</strong> gestern und heute», die im Anzeiger von <strong>Uster</strong> erscheint. Moderne Städte unterliegen einer starken baulichen Dynamik. Die wechselnden Ansprüche der Bevölkerung und der Wirtschaft bewirken, dass sich das Stadtbild ständig verändert. Der Wandel verläuft schleichend, erst im Rückblick nimmt man ihn so richtig wahr. Gujers Bilder haben Stadtansichten <strong>Uster</strong>s vor über 100 Jahren eingefroren. Dadurch wird offenbar, wie stark, aber auch wie wenig sich <strong>Uster</strong> an manchen Stellen verändert hat. Es sind Bilder voller Poesie und Romantik, manchmal auch Komik. Wer sich in die historischen Fotografien vertieft, begibt sich auf eine Zeitreise, die ihn die Hektik des heutigen Alltags vergessen lässt. Für die Erstellung der heutigen Vergleichsbilder und die gute Zusammenarbeit möchte ich der Redaktion des Anzeigers von <strong>Uster</strong> herzlich danken, speziell den Herren Stephan Kälin, Christian Brütsch, Manuel Reimann und Mario Reichling. Michael Köhler Historiker Biographie Julius Gujer Mit Ausnahme des Dezember-Sujets stammen alle historischen Aufnahmen dieses Jahreskalenders von Julius Gujer, der am 19. Januar 1855 in <strong>Uster</strong> als Sohn einer Industriellendynastie geboren wurde. Sein Vater, Johann Caspar Gujer, war Gastwirt in Fehraltorf. 1847 heiratete er Anna Babette Zangger, die Tochter des <strong>Uster</strong>mer Industriellen Heinrich Zangger. Weil Anna Babette Zangger sich als Wirtin nicht wohl fühlte, entschloss sich ihr Mann 1849, ins Baumwollgeschäft seines Schwiegervaters einzusteigen. Im gleichen Jahr bezog das Ehepaar an der Florastrasse 18 eine herrschaftliche Villa in der Nähe der zweiten Baumwollspinnerei Zanggers. In diesem Haus, der heutigen Villa Grunholzer, kam Julius Gujer zur Welt. 1859 hatte sein Vater zusammen mit Heinrich Grunholzer, Julius Gujers Onkel, den Spinnereibetrieb von Heinrich Zangger übernommen. Damit war Gujers Weg praktisch vorzeichnet. Mit 17 Jahren trat er in die Industrieschule in Zürich ein und besuchte dann während zwei Jahren das Polytechnikum (ETH). 1875 begann er in Genf eine kaufmännische Lehre und unternahm ausgedehnte Bildungsreisen nach Ägypten, Palästina und Europa. In Alexandria lernte er, unter anderem im Hause Adolf Ringiers, das ägyptische Baumwollgeschäft kennen. 1877 kehrte Julius Gujer nach <strong>Uster</strong> zurück, um seinem Vater im Geschäft zur Seite zu stehen. Am 1. Januar 1883 übernahm er die Leitung des Familienunternehmens, das er in die Kommanditgesellschaft Julius Gujer & Cie umwandelte. 1886 heiratete er Elise Berchtold, die er in <strong>Uster</strong> kennen gelernt hatte. Ein Stammhalter blieb ihm jedoch verwehrt. So entschloss sich Gujer 1917 schweren Herzens, das Unternehmen zu veräussern. Obgleich sich Baumwollfabriken in den Jahren des 1. Weltkrieges nur schwer verkaufen liessen, fand er in den Unternehmern Trüb und Wengle aus Glarus zwei vertrauenswürdige Interessenten, die das Geschäft ab 1. Januar 1917 als Wengle, Trüb & Cie weiterführten. Im gleichen Jahr zogen Gujer und seine Frau nach Zürich um. Neben seiner Geschäftstätigkeit war Julius Gujer Kantonsrat der Freisinnigen Partei, von 1910 bis 1917 sogar Nationalrat. In <strong>Uster</strong> engagierte er sich im Gemeinderat und in der Sekundarschulpflege, die er ab 1910 präsidierte. Von 1897 bis 1899 fungierte er überdies als Bankrat der Zürcher Kantonalbank. Julius Gujer starb 85-jährig am 4. Februar 1940 in Zürich. Es dürfte etwa um 1884 gewesen sein, dass der vielseitig interessierte Industrielle eine Kamera erwarb. Damit schoss er zwischen 1885 und 1917 zahlreiche Bilder von <strong>Uster</strong> und seiner Umgebung, aber auch von Urlaubsreisen nach Graubünden und Deutschland. Das Negativ/Positiv-Verfahren in der Fotografie war 1835 entwickelt worden. Von den auf Glasplatten gebannten Aufnahmen liessen sich beliebig viele Abzüge auf Papier erstellen. Als Gujer seine Leidenschaft für die Fotografie entdeckte, war diese Technik also schon recht lang erprobt. Dennoch war er in der industriell aufstrebenden Landstadt vielleicht nicht der Einzige, aber sicherlich einer von sehr wenigen Fotografen. Allein von <strong>Uster</strong> sind von ihm etwa 500 Fotografien erhalten geblieben, die fein säuberlich in 19 Alben eingeklebt sind.