Bildung macht reich - Stiftung Grone-Schule
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Wie kann sichergestellt werden, dass der Koalitionsstreit um<br />
die Organisation der Hartz-IV-Verwaltung nicht auf dem<br />
Rücken der Arbeitslosen ausgetragen wird?<br />
Im Interesse der Arbeitslosen, aber auch der<br />
Mitar beiter innen und Mitarbeiter der Arbeitsgemein<br />
schaften ist es erforderlich, möglichst<br />
rasch zu einer verfassungskonformen Neu regel<br />
ung zu kommen. Daher ist es wichtig, im ersten Schritt<br />
die grundsätzliche Richtung einer Lösung vorzugeben, damit<br />
die notwendige Verlässlich keit der Rahmenbedingungen<br />
gegeben ist.<br />
Die Zeit, die uns das Bundesverfassungsgericht gegeben<br />
hat, müssen wir aber nutzen, um Probleme, die es in der<br />
Zu sammenarbeit zwischen Agenturen und Kommunen gab,<br />
mit der nötigen Sorgfalt zu bereinigen. Schließlich geht es<br />
darum, vernünftige Strukturen für die Vermittlung von<br />
Langzeitarbeitslosen zu schaffen.<br />
Das wichtigste Ziel ist und bleibt: Arbeitsuchende<br />
bekommen einen leistungsfähigen<br />
und guten Service. Er gewährleistet die soziale<br />
Grundsicherung und fördert die Integration<br />
in Arbeit. Hierfür arbeiten wir zurzeit an verfassungsgemäßen<br />
Strukturen. Dabei stellen wir sicher, dass alle Beteiligten<br />
– Bund, Länder, Kommunen und Bundesagentur –<br />
einbezogen sind und die solidarische Finanzierung der<br />
Kosten der Arbeitslosigkeit durch den Bund nicht angetastet<br />
wird, damit es einen gerechten Ausgleich zwischen<br />
Regionen mit hoher und niedriger Arbeitslosigkeit gibt.<br />
Im Interesse der betroffenen Arbeitslosen ist<br />
eine rasche Einigung auf eine Neuregelung der<br />
Organisa ti on erforderlich. Dies ist auch im Interesse<br />
der Be schäftigten in den Arbeits ge meinschaften<br />
notwendig. Ich bin nicht der Auffassung, dass wir<br />
die vom Bundesverfass ungs gericht gesetzte Frist, bis zu der<br />
eine Neuregelung erfolgt sein muss, ausschöpfen sollten,<br />
sondern dass wir möglichst noch in diesem Jahr in der Koalition<br />
zu einer Einigung kommen. Eine genaue rechtliche<br />
und politische Analyse der vorliegenden Konzepte vor einer<br />
Gesetzesnovelle ist dabei dringend erforderlich. Gründlichkeit<br />
geht hier vor Schnelligkeit.<br />
3 |<br />
Die Zukunft der Jobcenter: Drei Positionen<br />
Ministerin Christa Stewens, Staatssekretär Detlef Scheele und CDU-Sozialexperte Ralf Brauksiepe antworten auf Fragen von <strong>Grone</strong><br />
Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2007 die im SGB II verankerte Zusammenlegung<br />
der Aufgaben von Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit in<br />
gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) für verfassungswidrig erklärt. Wie soll<br />
es jetzt weitergehen mit den Jobcentern?<br />
Das <strong>Grone</strong> Magazin bat die Ministerin im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und<br />
Sozialordnung, Familie und Frauen, Christa Stewens (CSU), den Staatssekretär im Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales, Detlef Scheele (SPD), und Ralf Brauksiepe, den<br />
V.l.n.r.: Christa Stewens, Ministerin im Bayerischen Staatsministerium<br />
für Arbeit- und Sozialforschung, Detlef Scheele, Staatssekretär im Bundesministerium<br />
für Arbeit und Soziales und Ralf Bausiepe, Vorsitzender der<br />
Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />
FOTOS: BMAS, CDU, BAYER. STAATSKANZLEI<br />
Wie soll die Hartz-IV-Verwaltung in Zukunft organisiert<br />
werden?<br />
Wir sollten den Kommunen die Möglichkeit,<br />
die Aufgabe der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen<br />
in eigener Zuständigkeit wahrzunehmen<br />
(sog. Option), künftig unbefristet einräumen<br />
und die Zahl der Options kommunen gleichzeitig<br />
deutlich erweitern. Die Option wird allerdings keine flächendeckende<br />
Lösung sein können. Deshalb sollte darüber<br />
hinaus die Aufgabe der Grund sicherung für Arbeitssuchende<br />
weiterhin zum einen von der Bundesagentur für Arbeit,<br />
zum anderen von den Komm u nen wahrgenommen werden.<br />
Die Schwierigkeit besteht darin, die bisherige Mischverwal<br />
tung soweit wie nötig zu entflechten, zugleich aber auch<br />
die notwendige Kooperation zwischen der Bundesagentur<br />
für Arbeit und den Kommunen zu ermöglichen. Dazu muss<br />
man meines Erachtens das Gesetz ändern, durch Verwaltungs<br />
vorschriften oder ähnlichem allein wird man dies<br />
nicht hinbekommen.<br />
Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden<br />
der Bundesagentur für Arbeit, FrankJürgen<br />
Weise, habe ich am 12. Februar einen ersten<br />
Entwurf „Eckpunkte für ein kooperatives Jobcenter“<br />
vorgelegt. Hiermit wollen wir die guten Erfahrungen<br />
aus den bisherigen Arbeitsgemeinschaften auf der Basis von<br />
freiwilligen Kooperationen fortentwickeln. Wir wollen den<br />
Arbeitsuchenden auch weiterhin Dienstleistungen unter<br />
einem Dach anbieten.<br />
Den Kommunen bieten wir eine verlässliche Mitwirkung<br />
bei der Gestaltung und Durchführung der Programme. Der<br />
neue Kooperationsausschuss stellt das sicher.<br />
Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsge<br />
richts hat der Bundesarbeitsminister den<br />
Vorschlag eines „kooperativen Jobcenters“ zur<br />
Diskussion gestellt. Ein Positionspapier der<br />
unionsgeführten Bundesländer zu dieser Frage liegt ebenfalls<br />
vor. Der Vorschlag des Bundes arbeitsministers, der<br />
ohne eine Änderung des sgbii auskommen soll, ist nach<br />
unserer Einschätzung rechtlich wie politisch nicht akzeptabel.<br />
Der Vorschlag berücksichtigt nicht in aus<strong>reich</strong>endem<br />
Maße die Bedeutung der Kommun en bei der Bekämpfung<br />
der Langzeitarbeitslosigkeit.<br />
IM GESPRÄCH<br />
Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSUBundestagsfraktion,<br />
um ihre Einschätzung. Einig waren sich alle drei, dass nach dem Urteil im Interesse der<br />
Beteiligten eine schnelle Neuregelung erforderlich ist. Unterschiedliche Meinungen gibt<br />
es dagegen vor allem in der Frage, ob die Neuregelung eine Gesetzesänderung erfordert,<br />
wie das Land Bayern und die CDU meinen, oder ob neue Verwaltungsvorschriften<br />
aus<strong>reich</strong>en, wie es das Bundesarbeitsministerium befürwortet. Dieser Punkt war in der<br />
Koalition bereits vor dem Verfassungsgerichtsurteil umstritten.<br />
Sollte bei den Jobcentern die Stellung der Kommunen gestärkt<br />
werden und wie kann das geschehen?<br />
„Im Vorschlag des Bundesarbeitsministers zur<br />
Er rich tung von gemeinsamen Jobcentern ist<br />
eine Stärkung der Stellung der Kommunen<br />
meines Er ach tens kaum zu er<strong>reich</strong>en. Ohne<br />
Änderung der Aufgaben und Finanzverantwortung wird<br />
die Rolle der Kommune aus verfassungsrechtlichen Gründen<br />
eingeschränkt sein. Die Vermittlung der Arbeitslosen<br />
ist schließlich gesetzliche Aufgabe der Bundesagentur für<br />
Arbeit und wird – wie die Regelleistung (Arbeitslosengeld II<br />
und Sozialgeld) – vom Bund finanziert.<br />
Zum Verantwor tungs be<strong>reich</strong> der Kommu nen gehören<br />
neben den Auf wendungen von Langzeit ar beits losen für<br />
Unterkunft und Heizung die flankierenden Ein gliede rungsleistungen<br />
wie beispielsweise die Schuldner und Sucht beratung<br />
oder die Kinderbetreuung. Für Kommunen, die mehr<br />
Verantwortung übernehmen wollen, bleibt daher als Alternative<br />
zum gemeinsamen Jobcenter nur der Ausbau des<br />
Options modells.<br />
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts<br />
hat jeder Träger seine Aufgaben der Grundsiche<br />
rung eigenverantwortlich wahrzunehmen.<br />
Bei unserem Vorschlag für ein kooperatives<br />
Jobcenter setzen wir dabei auf eine sehr enge Zu sammen<br />
arbeit. So sollen die Partner in einem sogenannten<br />
Ko ope rationsausschuss ihr Wissen und ihre Fachkenntnisse<br />
einbringen und ihre Leistungen abstimmen.<br />
Das kooperative Jobcenter wird über größere dezentrale<br />
Entscheidungsspielräume verfügen als die ARGEn heute.<br />
Die Agentur für Arbeit wird für die Durchführung der Aufgaben<br />
des sgbii in Kooperation neue und zielgruppengerechte<br />
Verfahren entwickeln. Das betrifft sowohl lokale Ar beitsmarkt<br />
und Integrationsprogramme, die Abstimmung mit<br />
Akteuren des lokalen Arbeitsmarktes bis hin zur Auswahl<br />
des Personals. Die kommunalen Partner werden bei der<br />
Entwicklung des kooperativen Jobcenters intensiv beteiligt,<br />
um möglichst viel Sachverstand und Erfahrungs wissen zu<br />
integrieren.<br />
Das von der Union favorisierte Optionsmodell<br />
gewinnt durch das Urteil des Bundesver fassungsgerichts<br />
neue Bedeutung, wir befürworten<br />
daher eine Ent fris tung und Ausweitung<br />
dieses Modells. Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt,<br />
dass die Kommunen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit<br />
effektiv und erfolg<strong>reich</strong> arbeiten. Die Bilanz der<br />
69 Optionskommunen in Deutschland ist sehr erfreulich,<br />
daher möchten wir dieses freiwillige Modell weiter stärken.<br />
Es kann jedoch nicht zu einer flächendeckenden einheitlichen<br />
Lösung führen. Für die Kommunen, die sich gegen<br />
die Option entscheiden, muss dann eine getrennte Aufgaben<br />
wahrnehmung auf der Basis eines geänderten sgbii vorgesehen<br />
werden. Die geteilte Trägerschaft ist so effizient<br />
und bürgernah wie möglich zu gestalten.