22.02.2013 Aufrufe

3.500 Abende auf der Bühne - Rondo

3.500 Abende auf der Bühne - Rondo

3.500 Abende auf der Bühne - Rondo

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Miller<br />

Hilary Hahn<br />

»Ich brauche die<br />

Abwechslung«<br />

Hilary Hahn begann ihre Karriere als Wun-<br />

<strong>der</strong>kind. Inzwischen ist die Geigerin zu einer<br />

erwachsenen Künstlerin gereift, die zu den<br />

besten Interpretin nen ihrer Generation zählt.<br />

Lyrische eleganz und noble Leidenschaft –<br />

das sind die Markenzeichen <strong>der</strong> jungen Ame-<br />

rikanerin, <strong>der</strong>en Vorfahren aus <strong>der</strong> Pfalz<br />

stammen. Miquel Cabruja hat sich mit ihr in<br />

Düsseldorf zu einem Gespräch getroffen.<br />

RONDO: frau Hahn, in europa haben zeitgenössische Werke oft einen sehr<br />

elitären Anspruch. In den angelsächsischen Län<strong>der</strong>n hat man stattdessen<br />

den eindruck, dass neue Musik vorrangig für das Publikum komponiert<br />

wird. Gilt das auch für Jennifer Higdons Violinkonzert?<br />

Hilary Hahn: Jennifer Higdons Konzert ist wirklich für das Konzerterlebnis<br />

geschrieben. Ihre Musik lebt von <strong>der</strong> Kommunikation mit dem Publikum,<br />

braucht aber auch die präzise Interaktion <strong>der</strong> Musiker untereinan<strong>der</strong>. es<br />

gibt in dieser Partitur ungewöhnlich viele Soli und kammermusikalische<br />

Passagen, in denen die Orchestermusiker glänzen können. Die ersten Minuten<br />

des Konzertes sind eigentlich ein trio.<br />

RONDO: Das klingt so, als stelle Higdon an ihre Interpreten extrem hohe<br />

Ansprüche.<br />

Hahn: Man muss sich sehr genau mit <strong>der</strong> Partitur auseinan<strong>der</strong>setzen, damit<br />

<strong>der</strong> große bogen gelingt. Das Stück ist rhythmisch außerordentlich<br />

komplex und bietet viele freiheiten <strong>auf</strong> einem technisch sehr hohen niveau.<br />

Deswegen gibt es auch beim mehrmaligen Anhören und Interpretieren<br />

neues zu entdecken: Wann habe ich sonst schon Gelegenheit, mit<br />

Sie hat Tschaikowskys Konzert zehn Jahre liegen lassen, bevor sie es sich<br />

wie<strong>der</strong> vorgenommen und schließlich eingespielt hat<br />

einem Glockenspiel zusammen zu spielen, das mit Stricknadeln angeschlagen<br />

wird?<br />

RONDO: Wie kamen Sie dar<strong>auf</strong>, Higdons Konzert mit dem Klassiker von<br />

tschaikowsky zu kombinieren?<br />

Hahn: Ich finde, dass beide Konzerte, auch wenn sie aus verschiedenen epochen<br />

stammen, viele Gemeinsamkeiten haben. Mit tschaikowskys Konzert<br />

kam ich das erste Mal in berührung, als ich noch eine junge Schülerin<br />

am Curtis Institute war. Danach spielte ich es öfter, bevor ich es für<br />

ein, zwei Jahre beiseite legte, wie ich damals dachte. Stattdessen vergingen<br />

jedoch zehn Jahre.<br />

RONDO: Haben Sie sich bewusst für die Originalfassung von tschaikowskys<br />

Konzert entschieden?<br />

Hahn: Als ich zu tschaikowskys Konzert zurückkehrte, hatte sich meine<br />

Sicht vollkommen verän<strong>der</strong>t. Ich hatte ein Gespür für die feinen nuancen<br />

und die vielen facetten <strong>der</strong> Musik bekommen: diese verletzliche Wildheit,<br />

die sich hinter <strong>der</strong> Klassizität <strong>der</strong> form verbirgt ... Als junges Mädchen hatte<br />

ich die fassung von Leopold Auer gespielt, <strong>der</strong> zu Lebzeiten des Komponisten<br />

entscheidende Kürzungen und Ausschmückungen vornahm. Ich<br />

habe mich nicht bewusst für die Originalversion entschieden, habe jedoch<br />

in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Musik zunehmend gespürt, dass ich alle<br />

noten so spielen will, wie tschaikowsky sie geschrieben hat.<br />

RONDO: es geht Ihnen also weniger um historische Korrektheit?<br />

Hahn: Ich bin kein typ, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> forschung verschreibt. Ich liebe es, mit<br />

Musikern zusammenzuarbeiten, die von <strong>der</strong> Alten Musik herkommen. es<br />

ist faszinierend, was die alles über Phrasierung, Strichtechnik und Ornamentierung<br />

wissen. Aber Musik funktioniert für mich an<strong>der</strong>s. Ich erarbeite<br />

meine Interpretationen instinktiv, so dass sie für mich Sinn ergeben. Ich<br />

muss für mich selbst herausfinden, was mich an einer Komposition anspricht,<br />

und daraus meine eigene Sicht entwickeln.<br />

RONDO: Klingt nach einer ausgeprägten neugier. Kommt daher auch Ihr<br />

Interesse an zeitgenössischer Musik?<br />

Hahn: für mich ist die Musik als Ganzes wichtig. Ich versuche, die ungeheuer<br />

reiche Landschaft <strong>der</strong> klassischen Musik für mich zu erschließen<br />

und alle Lücken zu füllen, die ich in meinem repertoire habe. Ich brauche<br />

die Abwechslung und möchte natürlich alle Werke spielen, die seit langem<br />

das Publikum begeistern. Gleichzeitig will ich aber auch jene großartigen<br />

Stücke kennenlernen, die noch weitgehend unbekannt sind. Wenn<br />

ich Higdon spiele und mich danach mit tschaikowsky beschäftige, habe<br />

ich eine ganz an<strong>der</strong>e Perspektive <strong>auf</strong> seine Musik. Diese form <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />

macht meinen beruf für mich erst interessant.<br />

Hilary Hahn nach einem Konzert in <strong>der</strong> Londoner Royal Albert Hall (l.),<br />

Komponistin Jennifer Higdon mit Kater Beau (r.)<br />

Neu erschienen<br />

Peter Tschaikowsky & Jennifer Higdon<br />

Violinkonzerte<br />

DG/Universal 4778777<br />

Abonnenten finden einen Ausschnitt <strong>auf</strong><br />

<strong>der</strong> beiliegenden RONDO CD #43 Titel 8<br />

1/2011 RONDO 23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!