Migranten fuer PDF - Dr. Burkhard Hergesell
Migranten fuer PDF - Dr. Burkhard Hergesell
Migranten fuer PDF - Dr. Burkhard Hergesell
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Serdar Büyükkayikci mit Vater, Schwester, Oma (von links)<br />
und unbekannten Personen (Serdar Büyükkayikci)<br />
weder die erste Generation türkischer Arbeitsimigranten noch<br />
die Deutschen, sich bemüht hatten, aufeinander zuzugehen<br />
und sich kennen zu lernen. In seiner, der zweiten Generation,<br />
geht das schon etwas besser, ist er überzeugt. Aber die dritte<br />
Generation ist schon so „eingedeutscht“, da kann man nicht<br />
mehr von hundertprozentigen Türken sprechen. Sein eigener<br />
achtjähriger Sohn beispielsweise „spielt Fußball, der geht<br />
schwimmen, in der Schule hat er nur deutsche Freunde“. Sein<br />
Sohn besucht seine vorwiegend deutschen Freunde und auch<br />
andersherum und darf auch bei denen übernachten. Für Serdar<br />
gab es das noch nicht.<br />
Die Diskussionen in Deutschland um Integration hält Serdar<br />
für richtig und notwendig. Er war selber damals sehr isoliert<br />
von der deutschen Bevölkerung, als er zwischen 1980 und<br />
1988 im Krummenacker in Wulsdorf aufwuchs. Er spielte zu<br />
der Zeit nur mit türkischen Kindern. Erst kürzlich traf er einen<br />
seiner Freunde aus der Zeit wieder und war ganz frustriert darüber,<br />
dass der nach 20 Jahren in Deutschland immer noch<br />
nicht richtig deutsch spricht und nicht einmal ein deutsches<br />
Formular lesen kann, obwohl er hier zur Schule gegangen ist.<br />
Die Ursache dafür sieht er in diesen Wohngettos, die man<br />
abschaffen müsste.<br />
Als die Häuser der Siedlung aus seiner Kindheit abgerissen<br />
und 14 Grundstücke zum Kauf angeboten wurden, interessierte<br />
er sich auch dafür. Seine Bank bot ihm eins der noch<br />
freien Grundstücke an. Während des Beratungsgespräches<br />
erfuhr er, dass von den 14 Grundstücken bereits elf verkauft<br />
und neun der Käufer Türken sind. Konsequent zieht er sein<br />
Interesse zurück, weil er aus Gründen der Integration will,<br />
dass seine Kinder in ethnisch gemischtem Wohngebiet aufwachsen.<br />
„Da muss ich Ihren Politikern Recht geben, diese<br />
Gettos, die muss man abschaffen, sonst klappt das nicht.“<br />
Serdar achtet darauf, dass sein Sohn sowohl mit deutschen<br />
als auch mit türkischen Kindern spielt. Dabei ist er sich sicher,<br />
dass es für ihn besser ist, wenn er mit deutschen Kindern<br />
spielt. „Da lernt er auch besser Deutsch, dann lernt er die Kultur<br />
besser kennen. Der soll ja jetzt nicht unsere Kultur vergessen,<br />
der soll das nicht alles aufgeben. Das will ich ja auch<br />
nicht. Aber er muss sich auch ein bisschen anpassen, und da<br />
wird man auch ein bisschen besser anerkannt.“<br />
Er versucht seinen Kindern die türkische Kultur und den muslimischen<br />
Glauben zu vermitteln, aber dogmatisch wird das in<br />
der Familie nicht praktiziert. Serdar glaubt an Allah, aber er<br />
lacht auch verschmitzt, als er zugibt, Alkohol zu trinken. Aber<br />
die Regeln und Rituale sollen die Kinder kennen.<br />
Zu Hause spricht seine Ehefrau Gül, die in Deutschland geboren<br />
wurde, mit den beiden Kindern meistens deutsch,<br />
während er mit ihnen türkisch spricht. Zu Weihnachten werden<br />
bei der Familie Büyükkayikci Lichterketten aufgehangen,<br />
und es gibt Geschenke und einen Nikolaus aus Schokolade.<br />
Genauso lernen die Kinder auch den muslimischen Fastenmonat<br />
Ramadan kennen, und Serdar nimmt seinen Sohn mit in<br />
die Moschee zum Beten und erklärt ihm alles. „Der soll beides<br />
mal kennen lernen. Der soll unsere Kultur nicht vergessen,<br />
aber der soll das auch hier mitmachen. Weil, ich hab nichts<br />
davon, wenn ich ihm verbiete, irgendwie Weihnachten zu feiern.<br />
In der Schule erzählen sie: Du, ich hab zu Weihnachten<br />
das und das gekriegt, dies und jenes. Und du? Ja, wir haben<br />
früher nichts gekriegt. Und da stand ich da! [...] Ja, ich hab<br />
nichts gekriegt.“<br />
Serdar heiratet<br />
Mit 23 Jahren, als Serdar und seine Frau Gül heirateten, zog er<br />
bei den Eltern aus. Die waren dem Sohn schon einige Zeit mit<br />
dem Thema Heiraten auf die Nerven gegangen und hatten ihm<br />
Frauen nahe gelegt, die doch in Frage kämen. „Du musst jetzt<br />
heiraten, du bist 22! Du verdienst jetzt dein eigenes Geld! Das<br />
ist jetzt so weit! [...] Immer wieder. Hier, wie wär’s denn mit<br />
131