Migranten fuer PDF - Dr. Burkhard Hergesell
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Bremerhaven fort, dass trotz des Anwerbestopps 1973 die<br />
Zahlen der <strong>Migranten</strong> durch Familienzusammenführung weiter<br />
steigen. 1971 sind es knapp 4400, 1973 dann 5500, 1975<br />
letztlich ca. 8500 Personen. 24 Aber die aktive Anwerbung von<br />
Arbeitsmigranten und Migrantinnen ist im Jahre 1973 in Bremerhaven<br />
etwa 13 Jahre nach ihrem Beginn bereits wieder zu<br />
Ende.<br />
Doppelstrategie Vertreibung und Integration<br />
Nach dem Anwerbestopp 1973 wurde die These, dass<br />
Deutschland kein Einwanderungsland sei, allgemein akzeptiert.<br />
In der Folgezeit waren mehrere Beschlüsse und Maßnahmen<br />
für Arbeitsmigranten folgenschwer. 1981 beschlossen<br />
die Bundesländer die Einschränkung des Ehegatten- und<br />
Kindernachzugs. 25 Es folgten die Steuerung des Arbeitsmarktes<br />
durch die Befristung und Beschränkung von Arbeitserlaubnissen<br />
und die bevorzugte Vermittlung von deutschen<br />
Arbeitslosen durch die Arbeitsämter. 26 Mit den Massenentlassungen<br />
in Bremerhaven bei den Werften und im Schiffbau, der<br />
Reduzierung der deutschen Fischfangflotte durch die politischen<br />
Fangbeschränkungen und den Rationalisierungen zum<br />
Beispiel durch den Einsatz neuer Filetiermaschinen 27 in der<br />
Fischverarbeitung in den 1980er Jahren fielen die Maßnahmen<br />
der Bundesregierung zur „Förderung der Rückkehrbereitschaft“<br />
zusammen. Auf Antrag konnten sich zurückkehrende<br />
<strong>Migranten</strong>familien die selbst eingezahlten Rentenversicherungsbeträge<br />
erstatten lassen. Dabei gingen die Rentenansprüche<br />
verloren wie die Arbeitgeberanteile an den Rentenbeiträgen.<br />
28 „Wachsende Ausländerfeindlichkeit und die Untätigkeit<br />
gewerkschaftlicher Organisationen haben seit Beginn<br />
der [19]80er Jahre vor allem bei den Portugiesen zu<br />
großer Resignation und massenhafter Rückkehr geführt“ 29 , kritisiert<br />
der Jurist Rolf Geffken die Konsequenzen dieser Politik<br />
und resümiert, dass innerhalb eines Jahres 40 000 Portugiesen<br />
und 1984 etwa 300 000 Türken Deutschland verlassen<br />
hatten.<br />
Diese Politik der Vertreibung wurde – allerdings in abgeschwächter<br />
Form – auch in Bremerhaven betrieben und zeigte<br />
auch hier Wirkung. Der größte Arbeitgeber Bremerhavens,<br />
der auch in Bremerhaven seinen Hauptsitz hatte, war die<br />
NORDSEE DEUTSCHE HOCHSEEFISCHEREI GMBH. 1982<br />
beschäftigte sie 1800 Mitarbeiter in der Hauptverwaltung und<br />
den Produktionsbetrieben in der Stadt. Im Gesamtkonzern<br />
16<br />
einschließlich den internationalen Töchtern waren 7900 Mitarbeiter<br />
beschäftigt. Während das Unternehmen am Standort<br />
Cuxhaven die Fangflotte durch die politisch bedingten Fangbeschränkungen<br />
stark reduzieren musste, blieb die Belegschaft<br />
in Bremerhaven weitgehend erhalten. Dennoch wurden<br />
hier in Aushängen am Schwarzen Brett die Mitarbeiter zum<br />
freiwilligen Ausscheiden aufgefordert. Die „Nordsee-Zeitung“<br />
vom 15. Dezember 1982 schrieb dazu: „Knapp 30 Arbeitskräfte<br />
machten davon Gebrauch. Besonders Gastarbeiter nutzten<br />
die Chancen, mit einem zusätzlichen Bonus in die Heimat reisen<br />
zu können.“ 30<br />
Die zwei Entlassungswellen bei der NORDSEE im Jahre 1982<br />
waren mit eindeutigen <strong>Dr</strong>ohungen verbunden: „Die erste [Entlassungswelle;<br />
d. A.] lief bereits vor vier Wochen durch den<br />
Betrieb, als Kündigungsschreiben an 30 Mitarbeiter gingen,<br />
die überdurchschnittlich viel Fehlzeiten aufwiesen. Schon vor<br />
einem Jahr hatte die Betriebsleitung damit begonnen, nachhaltiger<br />
auf die hohe Krankenquote hinzuweisen.“ 31 Die „Nordsee-Zeitung“<br />
schrieb in ihrer Ausgabe vom 12. Januar 1985<br />
unter der Überschrift „Immer mehr Ausländer verlassen die<br />
Stadt“, dass der Anteil der Arbeitsmigranten an der Wohnbevölkerung<br />
Bremerhavens auf 6,7 % gesunken sei und resümiert<br />
weiter, dass ein <strong>Dr</strong>ittel der <strong>Migranten</strong> aus Spanien und<br />
Portugal Bremerhaven bereits verlassen hätte. 32 Bereits zwei<br />
Jahre vorher schrieb die selbe Zeitung in ihrer Ausgabe vom<br />
18. April 1983, dass der „Umgang mit Behörden besonders<br />
gefürchtet“ sei. „Jeden Monat packen zwei türkische Familien<br />
ihre Koffer und kehren in die Heimat zurück. Die Verunsicherung<br />
über die Zukunft der Arbeitsplätze war auch am Sonnabend<br />
in der Strandhalle spürbar. Der Verein für deutsch-türkische<br />
Freundschaft [...] hatte den türkischen Generalkonsul<br />
aus Hannover [...] eingeladen, wobei die türkischen Landsleute<br />
ihre Sorgen abladen konnten. Im Mittelpunkt stand die<br />
Frage nach den Heimreiseprämien, über die seit einem Jahr in<br />
der Bundesrepublik diskutiert wird.“ 33 Es ließen sich keine Hinweise<br />
in den lokalen Zeitungen darauf finden, dass solche Aufforderungen<br />
zur Rückkehr und Prämienzahlungen auch auf<br />
den Werften und im Stahlbau erfolgten, in den Branchen, die<br />
sich in einer viel größeren ökonomischen Krise befanden.<br />
Auch Bremerhavener Politiker waren für die Förderung der<br />
Rückkehrbereitschaft. Die „Nordsee-Zeitung“ vom 9. März<br />
1982 berichtete von einer Veranstaltung, auf der die CDU-Politiker<br />
Bernd Ravens und Michael Teiser dem Anwerbestopp für<br />
Arbeitsmigranten „und Anreize für eine freiwillige Rückkehr“