Festschrift - Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung
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auf einem hohen Niveau verlaufende Kurve,<br />
jene <strong>mit</strong> leichter <strong>Behinderung</strong> niedrig verlaufende<br />
Kurven haben (Hahn 1981). –<br />
Aus der grafi schen Darstellung lassen sich<br />
Schlüsse <strong>für</strong> <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong><br />
ziehen: Das Mehr an sozialer Abhängigkeit<br />
bedeutet ein Weniger an selbstständig realisierbarer<br />
Unabhängigkeit. Der Freiheitsraum<br />
<strong>für</strong> selbstständiges Handeln verringert sich<br />
in dem Maße, wie die behinderungsverursachte<br />
Abhängigkeit zunimmt. –<br />
Verantwortung der sozialen Umwelt<br />
Die unter der gestrichelten Kurve liegende<br />
Fläche symbolisiert den Anteil des Lebens<br />
von <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong>, der wesentlich<br />
von anderen <strong>Menschen</strong>, von uns, <strong>mit</strong>verantwortet<br />
wird. Soll das Leben von <strong>Menschen</strong><br />
<strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> jene Qualitäten aufweisen,<br />
die uns wichtig sind, nämlich durch Freude,<br />
durch Glück, durch Wohlbefi nden gekennzeichnet<br />
sein, muss die soziale Umwelt – es<br />
sind nicht nur die direkt Helfenden – da<strong>für</strong><br />
die Verantwortung übernehmen. Wir wissen<br />
aus Erfahrung, dass Pfl ege allein und existenzabsichernde<br />
äußere Versorgung noch<br />
kein glückliches Leben ausmachen, wie wir<br />
leicht auch in Alten- und Pfl egeheimen beobachten<br />
können.<br />
Zusammenfassung<br />
Das Verständnis von <strong>Behinderung</strong> als ein<br />
„Mehr an Sozialer Abhängigkeit“ bedeutet,<br />
dass <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Behinderung</strong> mehr als<br />
andere bei der Realisierung von Lebensglück<br />
auf das Modell B der selbstbestimmten Bedürfnisbefriedigung<br />
angewiesen sind. Sie<br />
benötigen in viel mehr Lebenssituationen<br />
Assistenz, um zu Zuständen des Wohlbefi ndens<br />
zu gelangen und sind mehr als andere<br />
der Gefahr ausgesetzt, fremdbestimmt zu<br />
werden.<br />
30<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schweren <strong>Behinderung</strong>en gehören dazu!<br />
Umgekehrt bedeutet dieses „Mehr an Abhängigkeit“<br />
<strong>für</strong> uns in der sozialen Umwelt<br />
und im weiteren Sinne <strong>für</strong> die Gesellschaft<br />
ein „Mehr an Macht“ über das Leben anderer<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> der ständigen latenten Versuchung<br />
zum Machtmissbrauch. Deshalb müssen<br />
wir uns und der Gesellschaft die Verantwortung<br />
<strong>für</strong> das Leben der Bürger, die eine<br />
<strong>Behinderung</strong> haben, bewusst machen und<br />
uns gegen Machtmissbrauch sensibilisieren.<br />
2.2 Assistenz ist ohne Kommunikation nicht<br />
möglich<br />
Wie ausgeführt, sind <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schwerer<br />
und mehrfacher <strong>Behinderung</strong> bei der Verwirklichung<br />
von Lebensglück in extremer Weise<br />
auf Assistenz angewiesen. Assistenz ist ohne<br />
Kommunikation nicht möglich. Gleichzeitig<br />
sind aber <strong>Menschen</strong> <strong>mit</strong> schwerer und mehrfacher<br />
<strong>Behinderung</strong> häufi g in ihrer Kommunikation<br />
extrem beeinträchtigt:<br />
– Sie können zum Beispiel nicht sprechen.<br />
– Sie können sich zum Beispiel kaum verständlich<br />
ausdrücken.<br />
– Sie benötigen oft sehr viel Zeit, bis sie etwas<br />
zum Ausdruck gebracht haben.<br />
– Sie können sich oft nur nichtsprachlich<br />
ausdrücken, <strong>mit</strong> Bewegungen, ihrem Gesichtsausdruck,<br />
<strong>mit</strong> ihren Augen, <strong>mit</strong> ihrem<br />
gesamtkörperlichen Verhalten.<br />
– Sie haben in ihrem sozialen Umfeld oft<br />
niemand, der sie versteht, wenn sie etwas<br />
zum Ausdruck bringen wollen.<br />
– Sie haben oft niemand in ihrem sozialen<br />
Umfeld, der die Zeit aufbringt, <strong>mit</strong> ihnen<br />
zu kommunizieren.<br />
– Sie sind in Einrichtungen oft „unter sich“:<br />
in ihrer Kommunikation schwer beeinträchtigte<br />
<strong>Menschen</strong>, die nicht <strong>mit</strong>einander<br />
kommunizieren können.