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waren 62 . M.E. lässt sich deshalb aus dem Urteil van Mechelen nicht der Schluss ziehen, der EGMR<br />

erachte Videoeinvernahmen von Zeugen unter Ausschluss der beschuldigten Person und ihrer<br />

Verteidigung per se als unzulässig 63 .<br />

Zum andern - und vor allem - hat das Bundesgericht mit BGE 132 I 127 und BGE 133 I 33 das vom<br />

EGMR statuierte Erfordernis, wonach die anonymisierte Zeugenaussage nicht den überwiegend<br />

ausschlaggebenden Beweis darstellen darf, ausdrücklich kritisiert und aufgeweicht. Das<br />

Bundesgericht hat erwogen, die Voraussetzung, dass die Verurteilung nicht ausschliesslich oder<br />

entscheidend auf anonymisierte Aussagen gestützt werden dürfe, sei widersprüchlich. Einerseits<br />

werde damit ein anonymisierter Zeuge ausdrücklich als (unter bestimmten Voraussetzungen)<br />

zulässiges Beweismittel anerkannt bzw. die damit verbundenen Einschränkungen des<br />

Konfrontations- und Fragerechts als noch mit dem Fairnessgebot vereinbar erachtet, anderseits aber<br />

werde die Möglichkeit der Heranziehung solcher Aussagen zur Begründung eines Schuldspruchs<br />

praktisch auf Null reduziert. Denn entweder würden schon die anderen Beweise das Urteil<br />

begründen, womit auf die (auch nur ergänzende) Verwertung anonymisierter Aussagen verzichtet<br />

werden könne, oder sie würden den Schuldspruch für sich gesehen nicht tragen, dann aber handle es<br />

sich bei den Aussagen des anonymisierten Zeugen zwingend um ein zumindest mitentscheidendes<br />

Element 64 . Massgebend für die Zulässigkeit der Verwertung anonymisierter Zeugenaussagen könne<br />

aber nicht das formale Kriterium sein, ob dem dadurch erlangten Beweis eine ausschlaggebende<br />

Bedeutung zukomme oder nicht. Vielmehr sei im Lichte der konventions- und verfassungsmässigen<br />

Verfahrensgarantien in einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob die durch die Zulassung eines<br />

anonymisierten Zeugen bewirkte Beschneidung der Verteidigungsrechte durch schutzwürdige<br />

Interessen gedeckt sei und, wenn ja, ob sich die beschuldigte Person trotzdem wirksam verteidigen<br />

konnte, sie mithin einen fairen Prozess hatte 65 .<br />

Im Ergebnis hat es das Bundesgericht schliesslich explizit offen gelassen, ob eine Verurteilung nicht<br />

auch einzig auf die Aussage eines anonymisierten Zeugen gestützt werden könnte 66 . Mit diesen<br />

Ausführungen weicht das Bundesgericht auch von seiner früheren Praxis ab, wo es sich noch<br />

ausdrücklich zur beschriebenen Rechtsprechung des EGMR bekannt hat 67 . Auf diesen Aspekt wird<br />

zurückzukommen sein 68 .<br />

62 Urteil van Mechelen, a.a.O., Ziff. 61.<br />

63 Vgl. zum Ganzen BGE 133 I 33 E. 3.2.<br />

64 BGE 133 I 33 E. 4.2. Auch WOHLERS (2005), S. 171, hält insoweit fest: "Entweder tragen die anderen<br />

Beweismittel den Schuldspruch, dann kann man auf die Verwertung der Angaben des bemakelten Zeugen<br />

verzichten, oder sie tragen die Verurteilung für sich gesehen nicht, dann handelt es sich aber zwingend um<br />

ein entscheidendes Beweismittel."<br />

65 BGE 133 I 33 E. 4.2 mit Hinweis auf BGE 132 I 127 E. 2.<br />

66 Vgl. BGE 133 I 33 E. 4.4.1: "Der zu beurteilende Fall gibt freilich keinen Anlass zur Entscheidung der<br />

Frage, ob die Aussage eines anonymisierten Zeugen unter den genannten Voraussetzungen auch einen<br />

Schuldspruch zu tragen vermag, wenn keine weiteren Beweismittel zur Verfügung stehen."<br />

67 So hatte das Bundesgericht im diskutierten BGE 125 I 127 E. 10a explizit ausgeführt: "Es ist denkbar,<br />

dass die belastenden Aussagen der V-Person die einzigen oder überwiegend ausschlaggebenden Beweise<br />

darstellen. Diesfalls stösst man an eine fast absolute Grenze, bei der auch die genannten Massnahmen<br />

keine hinreichende Kompensation bieten können (...). In einer derartigen Situation ist die Konsequenz zu<br />

ziehen, dass auf das Zeugnis der anonym bleibenden V-Person nicht abgestellt werden darf und der<br />

Angeschuldigte in Respektierung des Grundsatzes "in dubio pro reo" allenfalls freizusprechen ist."<br />

68 Vgl. nachfolgend Kapitel IV. lit. b) dd).<br />

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