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Zeugen, zum Teil aber auch bei Zufallszeugen und berufsmässigen Zeugen, kann sich die Sachlage<br />

im Einzelfall anders darstellen. In Fällen, in welchen sich der Belastungszeuge und die beschuldigte<br />

Person kennen und es für diese daher ein Leichtes wäre, auf Beschreibung ihrer Verteidigung den<br />

Zeugen zu identifizieren, kann der Ausschluss (auch) der Verteidigung verhältnismässig sein. M.E.<br />

wäre es fragwürdig, den Rechtsbeistand als Interessenvertreter 122 mittels gesetzlich verankertem<br />

Verschwiegenheitsgebot dazu zu verpflichten, den anonymisierten Belastungszeugen betreffende<br />

Informationen - wie insbesondere Angaben über dessen Identität oder dessen Äusseres - der<br />

beschuldigten Person vorzuenthalten. Die Verteidigung geriete hierdurch in ein<br />

Spannungsverhältnis. Hielte sie sich wie vorgeschrieben an das ihr auferlegte<br />

Verschwiegenheitsgebot, könnte dies zu einem Vertrauensverlust ihres Mandanten führen, welcher<br />

den Eindruck gewinnen könnte, sein Anwalt würde sich nicht mit vollem Einsatz zur Wahrung<br />

seiner Interessen einsetzen. Überdies erscheint es nicht zumutbar, die Verteidigung allfälligen<br />

Druckversuchen ihres Mandanten schutzlos auszuliefern.<br />

Zusammenfassend ist damit im jeweiligen Einzelfall kritisch zu überprüfen, ob der Ausschluss der<br />

Verteidigung erforderlich ist, oder ob es der Verhältnismässigkeitsgrundsatz nicht gebietet, dass<br />

unter Umständen nur das rechtliche Gehör der beschuldigten Person selber, nicht aber auch ihres<br />

Rechtsbeistands eingeschränkt wird 123 . So war es etwa im Fall BGE 132 I 127 sachgerecht, den<br />

Zufallszeugen im Beisein der Verteidigung der beschuldigten Person einzuvernehmen. In der BGE<br />

133 I 33 zugrunde liegenden Konstellation war es demgegenüber zulässig, zum Schutz des Zeugen<br />

vor Repressalien der beschuldigten Person zugleich auch deren Verteidigung auszuschliessen. Die<br />

bundesgerichtliche Rechtsprechung verdient folglich in diesem Punkt Zustimmung.<br />

cc) Beschränkung der Verwertbarkeit anonymisierter Zeugenaussagen auf Fälle, in welchen<br />

schwere Straftaten zu beurteilen sind?<br />

Ausgehend vom diskutierten BGE 132 I 127 ist zu prüfen, ob der Einsatz anonymisierter Zeugen in<br />

sämtlichen Strafverfahren verhältnismässig sein kann. Das Bundesgericht folgerte im Ergebnis, dass<br />

es bei einer konkreten Gefahrensituation für den Zeugen auch bei in Frage stehenden<br />

Strassenverkehrsdelikten zulässig ist, dem Belastungszeugen Anonymität zuzusichern. Im zu<br />

beurteilenden Fall stellt sich vorab die Frage, ob für die beiden Belastungszeugen überhaupt eine<br />

hinreichend konkrete Gefahr für deren Leib und Leben bestand, blieb doch die von der<br />

beschuldigten Person aufgrund ihrer Vorgeschichte (angeblich) ausgehende Gefahr weitgehend<br />

diffus 124 . Selbst wenn diese Gefahr bejaht wird, ist kritisch zu hinterfragen, ob das öffentliche<br />

Interesse an einer effizienten Strafverfolgung und der materiellen Wahrheitsfindung es auch in<br />

einem Fall, in welchem eine Freiheitsstrafe von "nur" sechs Monaten zur Diskussion steht,<br />

rechtfertigt, anonymisierte Zeugenaussagen zuzulassen. Die mit der Anonymitätszusicherung<br />

verbundene Beschränkung der Verteidigungsrechte gebietet es aus meiner Sicht, dass die<br />

Verwertung anonymisierter Zeugenaussagen die Ausnahme bildet, weshalb die<br />

Anonymitätsgewährung vorliegend angesichts der in Frage stehenden Tatbestände (schwere<br />

Verletzung von Verkehrsregeln und Nötigung) sehr weit geht 125 .<br />

122 In Art. 128 StPO wird explizit festgehalten, dass die Verteidigung in den Schranken von Gesetz und<br />

Standesregeln allein den Interessen der beschuldigten Person verpflichtet ist.<br />

123 Botschaft-StPO, BBl 2006 1189.<br />

124 Kritisch auch ACKERMANN/CARONI/VETTERLI, S. 1078; vgl. zudem hiervor Kapitel II. lit. c) aa)<br />

ddd).<br />

125 Kritik an BGE 132 I 127 übt insoweit auch WEHRENBERG, Art. 98b MStP N. 6 Fn. 14; siehe zudem<br />

ACKERMANN/CARONI/VETTERLI, S. 1081 f.<br />

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