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wirklichen Erleben entspricht und wahr ist 108 . Die Überprüfung auf Realitätskriterien basiert auf<br />

der aussagepsychologischen Annahme, dass Aussagen über tatsächlich erlebte Ereignisse eine<br />

höhere inhaltliche Qualität aufweisen als frei erfundene Aussagen derselben Person. Als<br />

gewichtiges inhaltliches Realitätskriterium gilt der Detaillierungsgrad der Schilderung. Das<br />

Schildern von Gesprächen, Interaktionen und Handlungskomplikationen, von Ungewöhnlichem,<br />

Nebensächlichem oder Unverstandenem, aber auch von Eigen- und Fremdpsychischem spricht<br />

ebenso für die Glaubhaftigkeit der Aussagen wie eine unstrukturierte Darstellung 109 . Als inhaltliche<br />

Glaubhaftigkeitsmerkmale können weiter das Zugeben von Lücken oder Unsicherheiten, spontane<br />

Präzisierungen und Korrekturen sowie Selbstbelastungen und das Inschutznehmen der<br />

beschuldigten Person genannt werden 110 . Entscheidend ist letztlich, ob die Gesamtaussage logisch<br />

konsistent erscheint 111 . Zu beachten ist mithin, dass nach neueren Erkenntnissen der<br />

Aussagepsychologie die Aussagen primär auf Realitätskriterien überprüft werden, das Abstellen auf<br />

sog. Lügensignale aus wissenschaftlicher Sicht hingegen als fragwürdig eingestuft wird.<br />

Demgemäss kommt nicht nur der generellen Glaubwürdigkeit der Person, sondern insbesondere<br />

auch dem nonverbalen und paraverbalen Verhalten der einvernommenen Person eine geringe<br />

Bedeutung zu. So gehen Laien namentlich davon aus, dass eine Person beim Lügen den<br />

Blickkontakt vermeidet, was bei einer optischen Abschirmung des einvernommenen Zeugen für die<br />

beschuldigte Person kaum oder überhaupt nicht erkennbar ist. Dieses als nonverbales Lügensignal<br />

eingestufte Verhalten zeichnet sich jedoch durch eine geringe Spezifität und Sensivität aus.<br />

Insbesondere kann die Vermeidung von Blickkontakt auch Ausdruck sein von Scham, Ablenkung,<br />

Konzentration, Erinnerungsbemühungen oder Desinteresse. Letztlich ist die Fähigkeit des<br />

Menschen, intuitiv zu erkennen, ob jemand die Wahrheit sagt, ausgesprochen gering 112 .<br />

Der aus meiner Sicht kritischste Punkt an der Verheimlichung der Identität des Zeugen gegenüber<br />

der beschuldigten Person ist darin zu sehen, dass es dieser Schwierigkeiten bereiten kann, ein<br />

allfälliges Motiv des Zeugen für eine falsche Belastung aufzudecken 113 . Die Gefahr einer<br />

Irreführung der Rechtspflege durch den anonymisierten Zeugen dürfte am ehesten bei tatbeteiligten<br />

Zeugen oder Opferzeugen bestehen, welche aus dem Umfeld der beschuldigten Person stammen<br />

und daher ein persönliches Interesse an einer Falschaussage haben könnten 114 . Gerade in solchen<br />

Konstellationen sollte vermehrt von der Möglichkeit der Einholung von Glaubhaftigkeitsgutachten<br />

Gebrauch gemacht werden. Gegenstand der Glaubhaftigkeitsbegutachtung ist die Analyse des vorhandenen<br />

Aussagematerials mit den Methoden der Aussagepsychologie basierend auf der<br />

beschriebenen systematischen Hypothesenprüfung. Neben einer eigens durchgeführten Exploration<br />

ist es auch denkbar, der begutachtenden Person stattdessen videodokumentierte Aussagen des<br />

anonymisierten Zeugen zur Prüfung vorzulegen. Die begutachtende Person hat den Gang und das<br />

Ergebnis der Begutachtung transparent und nachvollziehbar darzustellen, d.h. insbesondere die<br />

Hypothesen und Untersuchungsmethoden zu bezeichnen und zwischen den erhobenen Daten und<br />

deren Interpretation klar zu trennen.<br />

Gerade in sog. "Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen" erscheint es somit m.E.<br />

zusammenfassend sinnvoll, Glaubhaftigkeitsgutachten in Auftrag zu geben.<br />

108 KLING, S. 113.<br />

109 NIEHAUS, S. 313 ff.<br />

110 Siehe KÖHNKEN, S. 15 ff.<br />

111 Vgl. zum Ganzen BENDER/NACK/TREUER, S. 72 ff., sowie BGE 133 I 33 E. 4.3; 129 I 49 E. 5; 128 I<br />

81 E. 2.<br />

112 Vgl. NIEHAUS, S. 501 ff.<br />

113 Vgl. ACKERMANN/CARONI/VETTERLI, S. 1079.<br />

114 In diesem Sinn auch ACKERMANN/CARONI/VETTERLI, S. 1072 f.<br />

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