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048 HEUTE<br />

Die Girls wachen auf<br />

Sandy, <strong>de</strong>ine Fotos entmystifizieren<br />

<strong>de</strong>n Alltag auf Tour und zeigen<br />

keine kreischen<strong>de</strong>n Groupies, son<strong>de</strong>rn<br />

das Warten und die Langeweile<br />

zwischen <strong>de</strong>n Auftritten.<br />

Wie ist die Serie entstan<strong>de</strong>n?<br />

Colby, mein Freund, war <strong>de</strong>r<br />

Drummer <strong>de</strong>r Smith Westerns. <strong>Als</strong><br />

er auf Tour ging, bin ich in New<br />

York fast ausgeflippt. Ich hielt es<br />

ohne ihn nicht aus. <strong>Als</strong>o flog ich<br />

ihm hinterher. Ich hab mich von<br />

morgens bis abends abgeschossen,<br />

das hat die Jungs schnell immun<br />

dagegen gemacht, dass ich sie<br />

gleichzeitig <strong>de</strong>n ganzen Tag lang<br />

fotografiere. Manchmal habe ich ihnen schon gesagt,<br />

was sie machen sollen, damit es gut aussieht, meistens<br />

haben sie aber nicht mehr bemerkt, dass ich mit <strong>de</strong>r<br />

Kamera dabei war.<br />

Kleine Hotelzimmer und lange Fahrten mit <strong>de</strong>m Van,<br />

<strong>de</strong>ine Bil<strong>de</strong>r zeigen eine Menge Tour-Tristesse.<br />

Ich weiß nicht mehr genau, wann und wie oft ich mit<br />

<strong>de</strong>n Bands auf Tour war und in welchen Städten sie<br />

gespielt haben. In meiner Erinnerung ist alles ein großer<br />

Brei. Meine Fotos han<strong>de</strong>ln davon, was nach <strong>de</strong>m<br />

Exzess passiert. Die ersten zwei Tage auf Tour feiern<br />

sich alle zu To<strong>de</strong>. Dann kommt das große Erschlaffen,<br />

eigentlich kann keiner mehr. Auf die große Party folgt<br />

das Abhängen auf versifften Sofas und das Übernachten<br />

in ekelhaften Betten. Die meiste Zeit ist man erschöpft.<br />

Du fotografierst ausschließlich analog, nie digital.<br />

Wie viel Material verschleißt du?<br />

Das letzte Mal kam ich mit etwa 40 Filmen zurück. Ich glaube, die habe ich alle geklaut.<br />

Ich habe schon unzählige Filme verloren. Was übrig bleibt, gebe ich zum 99-Cent-Labor.<br />

Material be<strong>de</strong>utet mir nichts. Der eigentliche Prozess ist natürlich das Editieren <strong>de</strong>r Bil<strong>de</strong>r.<br />

Ich möchte nur sehr, sehr wenige zeigen, obwohl ich ständig auf <strong>de</strong>n Auslöser drücke.<br />

Auf Tour passieren eine Menge Dinge, die später keiner <strong>de</strong>r Beteiligten auf einem Foto<br />

sehen will. Bist du in <strong>de</strong>r Hinsicht schon mal in Schwierigkeiten geraten?<br />

Es gab ein paar fotografierte Situationen, die ich im Nachhinein nicht veröffentlichen<br />

durfte. Ich kann dir nicht sagen, worum es da ging, aber glaub mir, es war besser so.<br />

Wirklich in Schwierigkeiten bin ich nur geraten, als ich Colby und mich beim Sex in einer<br />

Toilette in Nashville gefilmt habe. Dummerweise war es nicht meine Kamera, son<strong>de</strong>rn die<br />

von einem an<strong>de</strong>ren Filmteam. Das Zeug ist natürlich sofort im Netz gelan<strong>de</strong>t. Ich kann<br />

dir sagen, auf welcher <strong>de</strong>utschen Porno-Seite du dir das jetzt ansehen kannst.<br />

Du bist ein verdorbenes Kind <strong>de</strong>s Internets. Auf <strong>de</strong>inem Blog lovebryan.com/sandy/<br />

fin<strong>de</strong>n sich viele Fotos, die dich und Colby halb nackt fotografiert zeigen.<br />

Mein Erfolg basiert auf <strong>de</strong>m Internet. Irgendwann habe ich ein paar Fotos von mir und<br />

Colby auf ein Blog gepackt – dann ging es los. Ryan McGinley hat dieses Jahr meine Arbeit<br />

gehypt. Ich kannte ihn nicht, bis ich ihn beim letzten Pitchfork Festival in Chicago<br />

kennengelernt habe. Das hat mir sehr geholfen.<br />

Wer allerdings auch meine Website ent<strong>de</strong>ckt und alles über mein Leben herausgefun<strong>de</strong>n<br />

hat, waren meine Eltern. Eine Zeit lang sind sie ziemlich ausgerastet. Irgendwo hatten<br />

sie gehört, dass es eine Menge Körperflüssigkeiten auf meinen Bil<strong>de</strong>rn gebe. Irgendwie<br />

war es dann aber auch eine Erleichterung, dass sie endlich gesehen haben, was ich mache.<br />

Wie gehst du damit um, dass man <strong>de</strong>inen Stil mittlerweile mit <strong>de</strong>m von Nan Goldin<br />

vergleicht?<br />

Ich wusste nicht, wer diese Nan Goldin ist, bis mich viele Leute mir ihr verglichen haben.<br />

Je<strong>de</strong>r sagt, ich kopiere sie – jetzt, wo ich weiß, wer sie ist, beeinflusst sie mich vielleicht.<br />

Generell kenne ich mich nicht gut mit Fotografen und Kunstgeschichte aus. Ich war<br />

einfach nur eine Grafik<strong>de</strong>signerin, die es nicht ertragen konnte, dass ihr Freund sie<br />

allein zu Hause lässt und auf Tour geht. Ich habe vorher nicht fotografiert und nie darüber<br />

nachgedacht, was ich tue. Ein Konzept habe ich bis heute nicht, ich gucke einfach<br />

weiterhin, was passiert. Bis dahin leben Colby und ich weiter in einer kleinen dreckigen<br />

Bu<strong>de</strong> in China Town.<br />

— GIRLS »FATHER, SON, HOLY GHOST« (TURNSTILE / PIAS / ROUGH TRADE) AUF TOUR VOM 14. BIS 21.11.

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