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„Spracherwerb unter den Bedingungen von Mehrsprachigkeit“

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<strong>„Spracherwerb</strong> <strong>unter</strong> <strong>den</strong> <strong>Bedingungen</strong><br />

<strong>von</strong> <strong>Mehrsprachigkeit“</strong><br />

Sprachförderung beginnt im Kopf der<br />

pädagogischen Kräfte:<br />

Voraussetzung für eine gelungene<br />

Förderung ist das Wissen um <strong>den</strong><br />

normalen Prozess des Spracherwerbs, die<br />

frühe Diskriminationsleistung <strong>von</strong> Kindern<br />

und Strategien, die sie beim<br />

Strukturaufbau einsetzen.<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


<strong>„Spracherwerb</strong> <strong>unter</strong> <strong>den</strong> <strong>Bedingungen</strong><br />

Gliederung:<br />

<strong>von</strong> <strong>Mehrsprachigkeit“</strong><br />

a) Die sprachliche und professionelle Kompetenz <strong>von</strong><br />

Pädagogen<br />

b) Wichtige Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung<br />

c) Exemplarisch: Wie verläuft der Satzerwerb in der<br />

Muttersprache Deutsch? - Was muss dabei geleistet<br />

wer<strong>den</strong>?<br />

d) Wie vollzieht sich der Zweitspracherwerb? -<br />

Hypothesen kritisch hinterfragt<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


asierend auf folgender Literatur:<br />

� Prof. Dr. Rosemarie Tracy: Sprachliche Frühförderung -<br />

Konzeptionelle Grundlagen eines Programms zur Förderung<br />

<strong>von</strong> Deutsch als Zweitsprache im Vorschulalter,<br />

Informationsbroschüre Universität Mannheim, 2003<br />

� Claudia Steinbrink, Manfred Spitzer: Sprache lernen -<br />

Lernprozesse in der kindlichen Sprachentwicklung, Frühes<br />

Deutsch 7 / 2006, S. 34 ff.<br />

� Klaus Börge-Boeckmann: Grundbegriffe der<br />

Spracherwerbsforschung, Frühes Deutsch 7/2006 S. 38 ff.<br />

� Dirim, Inci, Lütje-Klose, Birgit: Tessla Handreichungen zum<br />

Modul 2,<br />

� Prof. Dr. Christa Röber: Neue Aspekte für die<br />

Sprachförderung, Dortmund 14. 02.2007<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


a) Die sprachliche und professionelle<br />

Kompetenz <strong>von</strong> Pädagogen zeichnet sich<br />

aus,<br />

� indem im Deutschen eine unendliche Anzahl an<br />

Sätzen verstan<strong>den</strong>, produziert und intuitiv als<br />

deutsche Sätze erkannt wer<strong>den</strong> können,<br />

� indem Spaß am Spiel mit der Sprache<br />

vorhan<strong>den</strong> ist,<br />

� indem Wissen über Dynamik und Stadien des<br />

Erwerbs vorhan<strong>den</strong> ist, um unrealistische<br />

Erwartungen zu vermei<strong>den</strong> und um das<br />

Förderangebot kindgerecht gestalten zu<br />

können.<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


) Wichtige Erkenntnisse der<br />

Spracherwerbsforschung<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Die „Sandtransportmaschine“:<br />

Die Kinder haben eine<br />

Sandtransportmaschine erfun<strong>den</strong>.<br />

Das Ziel ist es,<br />

<strong>den</strong> Sand aus der blauen Ton über eine<br />

Menschenkette nach oben auf das Gerüst zu<br />

reichen,<br />

um ihn dort durch die Röhre wieder nach<br />

unten rutschen zu lassen.<br />

Sie planen und spielen dabei Hand in Hand.<br />

Prof. Dr. Inci Dirim & Dr. Birgit Lütje-Klose<br />

Universität Hannover


Was muss<br />

ein Kind leisten,<br />

um mitspielen<br />

zu können?<br />

Prof. Dr. Inci Dirim & Dr. Birgit Lütje-Klose<br />

Universität Hannover


Entwicklung <strong>von</strong> Kommunikation und Sprache - aus<br />

interaktionistische Sicht<br />

Dimensionen menschlicher Entwicklung Ebenen <strong>von</strong> Sprache<br />

Wahrnehmung<br />

Sozialverhalten<br />

Motorik<br />

Konzentration<br />

Motivation<br />

Kognition<br />

Emotion<br />

Kommunikation<br />

Sprache<br />

Stimme<br />

nonverbale<br />

Kommunikation<br />

Prof. Dr. Inci Dirim & Dr. Birgit Lütje-Klose<br />

Universität Hannover<br />

phonetischer u.<br />

phonologischer<br />

Bereich<br />

syntaktischer u.<br />

morphologischer<br />

Bereich<br />

semantischer u.<br />

lexikalischer<br />

Bereich<br />

pragmatischer u.<br />

kommunikativer<br />

Bereich


Wichtige Erkenntnisse der<br />

Spracherwerbsforschung<br />

Der Spracherwerb erweist sich überall auf<br />

der Welt als erstaunlich gleichförmige<br />

Entwicklung.<br />

In der Forschung sind noch zahlreiche<br />

Kontroversen über die Einflussfaktoren zu fin<strong>den</strong>.<br />

Darum wer<strong>den</strong> im folgen<strong>den</strong> konsensfähige<br />

Befunde skizziert:<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


„Die Fähigkeit zum Spracherwerb ist Teil<br />

unserer biologischen Ausstattung!“<br />

Der Spracherwerb vollzieht sich in jedem normal<br />

entwickelten Kind.<br />

Er erweist sich als erstaunlich robuste<br />

Entwicklung.<br />

Er bedarf einer sprachlichen Herausforderung<br />

(eines Inputs).<br />

Selbst gehörlose Kinder, deren Input im Idealfall<br />

aus Gebär<strong>den</strong>sprache besteht, erwerben ihre<br />

Sprache so wie hörende Kinder die Lautsprache<br />

(vgl. Leuninger 2000).<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


<strong>„Spracherwerb</strong> ist in hohem Maß<br />

systematisch, folgt einer Eigendynamik!“<br />

Kinder greifen nicht wahllos Elemente und<br />

Strukturen im Input auf,<br />

sondern gehen systematisch und „treffsicher“<br />

vor:<br />

z.B. verwen<strong>den</strong> deutschsprachige Kinder<br />

anfangs systematisch <strong>den</strong> Akkusativ anstatt des<br />

Dativs („Ich erzähle die Frau eine Geschichte.“)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Zwischenlösungen und<br />

Übergeneralisierungen, wie z.B.<br />

„geschwimmt“, stellen wichtige<br />

Entwicklungsschritte dar und verschwin<strong>den</strong><br />

- auch ohne äußere Eingriffe <strong>von</strong> Seiten der<br />

Erwachsenen - wieder (vgl. Tracy 1990).<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


„Beim Spracherwerb kann es auch<br />

Spracherwerbsverzögerungen und -<br />

störungen geben!“<br />

Die vermutete Anzahl der betroffenen<br />

LernerInnen liegt zwischen 5 - 10 % eines<br />

Jahrgangs.<br />

Aktuelle Ergebnisse aus Kanada zeigen jedoch,<br />

dass mehrsprachige Kinder mit spezifischen<br />

Spracherwerbsstörungen (specific language<br />

impairment = SLI) durchaus bessere<br />

Kompetenzen aufweisen, als einsprachige SLI -<br />

Kinder, d.h. die Mehrsprachigkeit erweist sich als<br />

Vorteil (vgl. Paradis, Crago, Gensee & Rice, 2003)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


„Unterschiedliche Strategien und<br />

Erwerbspfade beim Spracherwerb führen<br />

zum Ziel!“<br />

Trotz wesentlicher Übereinstimmungen in<br />

<strong>den</strong> Erwerbsverläufen,<br />

können sich qualitativ und quantitativ<br />

Erwerbsprofile bei normal entwickelten<br />

Kindern <strong>von</strong>einander <strong>unter</strong>schei<strong>den</strong>:<br />

z.B. analytische ganzheitliche<br />

Formelwahrnehmung („gehtich“ für „geht nicht“)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


„Das beim Spracherwerb ausgebildete<br />

Wissen ist weitgehend implizit!“<br />

d.h. es ist nicht bewusst, sondern intuitiv,<br />

(z.B. Segmentierung durch häufiges Hören ein- und desselben Wortes<br />

in <strong>unter</strong>schiedlichen Zusammenhängen, z.B. Lokalisierung <strong>von</strong><br />

„Mama“)<br />

Verbesserung durch Selbstkorrektur<br />

(z.B.: „badi“ (1;11 Jahre) - „da ba<strong>den</strong> die“ (2;5 Jahre)<br />

Kinder <strong>unter</strong>schei<strong>den</strong> früh, wer wie spricht<br />

(z.B. Mutter: In the kita they call it „Frühstück“, don´t they?“ Kind (2;9<br />

Jahre): „Und du heißt das „breakfast“.)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Entwicklung <strong>von</strong> Kommunikation und Sprache - aus<br />

interaktionistische Sicht<br />

Dimensionen menschlicher Entwicklung Ebenen <strong>von</strong> Sprache<br />

Wahrnehmung<br />

Sozialverhalten<br />

Motorik<br />

Konzentration<br />

Motivation<br />

Kognition<br />

Emotion<br />

Kommunikation<br />

Sprache<br />

Stimme<br />

nonverbale<br />

Kommunikation<br />

Prof. Dr. Inci Dirim & Dr. Birgit Lütje-Klose<br />

Universität Hannover<br />

phonetischer u.<br />

phonologischer<br />

Bereich<br />

syntaktischer u.<br />

morphologischer<br />

Bereich<br />

semantischer u.<br />

lexikalischer<br />

Bereich<br />

pragmatischer u.<br />

kommunikativer<br />

Bereich


<strong>„Spracherwerb</strong> vollzieht sich aus<br />

linguistischer Sicht auf verschie<strong>den</strong>en<br />

Ebenen!“ (vgl. Chrystal 1993)<br />

Phonetischer und phonlogischer Bereich<br />

Bereich der Aussprache<br />

z.B. Laut<strong>unter</strong>scheidungen „Bein““Pein“,<br />

Betonungsregeln: „Hase“ zuerst mit betonter dann mit<br />

unbetonter Silbe,<br />

Segmentierung <strong>von</strong> Wörtern aus dem Wortstrom<br />

gesprochener Sprache „ichgehnachhause“<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Syntaktischer und morphologischer Bereich<br />

Grammatischer Bereich<br />

Wissen um korrekten aber auch sinnvollen<br />

Satzaufbau, z.B. „Hänschen klein“ trotz Liedanfang<br />

eines bekanntem Lied ist diese Formulierung falsch<br />

Wissen um wortinterne Strukturen, wie „gegangen“ -<br />

nicht „gegeht“, „Ärgernis“, nicht „Ärgertum“<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Semantischer und lexikalischer Bereich<br />

Bereich der Begriffsbildung<br />

z.B. das Wissen um semantisch logische oder<br />

unlogische Wortabfolgen, z.B. „Der Ball ist rot“<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Pragmatischer und kommunikativer Bereich<br />

Wissen um Gebrauchsbedingungen, wie z.B. „Danke!“,<br />

Sie - Anrede,...<br />

Aufbau <strong>von</strong> metalinguistischem Wissen<br />

(Wissen über Sprache, durch Vergleiche / Kontraste<br />

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BLK FörMig 2008


Lernprinzipien für Grammatikerwerb:<br />

� Kinder beginnen mit ca. 2 Jahren, sich die<br />

Grammatik ihrer Muttersprache anzueignen. Die<br />

kognitive Entwicklung ist noch nicht weit<br />

fortgeschritten.<br />

� Das hat zum Vorteil, dass das Kind aus dem<br />

Input nur wenige grammatische Beispiele<br />

gleichzeitig wahrnehmen kann.<br />

� Die Beispiele, die es am häufigsten hört, wer<strong>den</strong><br />

schließlich mit Hypothesen / Regeln belegt und in<br />

<strong>den</strong> eigenen Sprachschatz aufgenommen<br />

(„Weniger - ist mehr“ - Hypothese vgl. Newport, 1988 und<br />

Elman, 1993)<br />

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BLK FörMig 2008


� Die Schnelligkeit, mit der<br />

Grammatikregeln erlernt wer<strong>den</strong>,<br />

hängt da<strong>von</strong> ab, wie häufig die<br />

entsprechende Formen angeboten<br />

wer<strong>den</strong> (vgl. Szagun 2001 zur Pluralerlernung).<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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c) Exemplarisch:<br />

Wie verläuft der Satzerwerb in der<br />

Muttersprache Deutsch? -<br />

Was muss dabei geleistet wer<strong>den</strong>?<br />

Zunehmend komplexer wer<strong>den</strong>de Äußerungen<br />

<strong>von</strong> 1 - 4 Jahren:<br />

� Meilenstein I (ca. 1 - 1;5 J.):<br />

Einwortäußerungen („da“, „nein“,...)<br />

� Meilenstein II (ca. 1;5 - 2 J.):<br />

Wortkombinationen, mehr Verben als Infinitive, stehen am<br />

Schluss („Mama Bus fahren“, „Tür auf“,...), Artikel,<br />

Präpositionen, Fragepronomen fehlen, benutzen <strong>von</strong><br />

Formeln („klapptich“ = „klappt nicht“)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


� Meilenstein III (ca. 2 - 3 J.):<br />

Einfache, vollständige Sätze mit finiten Verben („Jetzt<br />

geh ich hoch“,...), Kasusdifferenzierung Nominativ -<br />

Akkusativ („Wo kann der hingehen?“...)<br />

� Meilenstein IV ( ca. 3 - 4 J.):<br />

Komplexe Satzreihen, Nebensätze mit flektiertem Verb,<br />

die meisten Wortklassen sind verfügbar (Ich warte, bis<br />

der Hund weggegangen ist“...),<br />

Anschließend weiterhin Kasusdifferenzierungserwerb,<br />

Frageverständnis,...<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Übung: Der deutsche Satzbau<br />

Setzen Sie aus <strong>den</strong> Wörtern „kaufen, Frau, schön,<br />

Knabe, Markt“ Sätze zusammen und tragen sie sie in<br />

die Tabelle ein:<br />

Vorfeld<br />

Verb 2.Pos. Mittelfeld Verbendstellung<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Übung: Der deutsche Satzbau<br />

Vorfeld<br />

Die schöne Frau<br />

und der Knabe<br />

Der Knabe<br />

Die Frau<br />

Der Knabe<br />

Der Markt<br />

Verb 2.Pos.<br />

kaufen<br />

kauft<br />

kauft<br />

kauft<br />

kauft<br />

Mittelfeld<br />

etwas auf dem Markt.<br />

für die Frau auf dem<br />

schönen Markt<br />

<strong>den</strong> schönen Knaben auf dem<br />

Markt.<br />

der Frau auf dem Markt<br />

etwas Schönes<br />

die Frau und <strong>den</strong> schönen<br />

Knaben.<br />

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BLK FörMig 2008<br />

Verbend<br />

stellung<br />

ein.<br />

ab.


Liebe TeilnehrmerInnen,<br />

Sie sind mittlerweile über Meilenstein IV<br />

hinaus und in der Lage:<br />

� aus Wörtern sinnvolle (und unsinnige) Sätze<br />

zu bauen,<br />

� Nomen zu deklinieren,<br />

� Verben zu konjugieren,<br />

� Verbklammen richtig zu setzen,...<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Analysiert man die kindliche<br />

Entwicklung des Satzbaus,<br />

stellt man fest:<br />

dass deutschsprachige Kinder recht zielsicher vorgehen:<br />

� sie bauen Satzstruktur <strong>von</strong> rechts nach links mit<br />

zuverlässig, am Ende stehen<strong>den</strong> Verbpartikel:<br />

Vorfeld<br />

Verb 2.Pos.<br />

Mittelfeld<br />

Tür<br />

Mama Bus<br />

Mama nicht<br />

Tür<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Verbendstellung<br />

auf<br />

fahren<br />

aufmachen


� dann wer<strong>den</strong> Verben mobil und erscheinen an<br />

2. Position, Subjekt - Verb - Kongruenz wird<br />

erlernt;<br />

� schließlich weicht das Verb der Konjunktion<br />

aus in die Verbendstellung.<br />

Vorfeld<br />

Jetzt<br />

Tobias<br />

Verb 2.Pos.<br />

geh<br />

hat<br />

ob<br />

Mittelfeld<br />

ich<br />

es<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Verbendstellung<br />

hoch.<br />

probiert,<br />

pfeift.


� Kinder sind also in der Lage, sich aus<br />

sprachlichem Input einen größten<br />

gemeinsamen Nenner aus Satztypen<br />

herauszufiltern.<br />

� Eine reichhaltige Sprachumgebung mit<br />

komplexen Strukturen ist also für die<br />

Förderung gut.<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Stadien innerhalb der Meilensteine:<br />

Redewendungen wer<strong>den</strong> als ganzheitliche<br />

Formeln komplett und unanalysiert<br />

übernommen („takörtas“ = „da gehört das<br />

(hin)“)<br />

Auslassungen, wie Subjekte, Artikel,<br />

Präpositionen, Fragepronomen („Hund<br />

füttern“, „noch mal Turm bauen“, ... Macht<br />

Mama?“),<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Übergeneralisierungen im Wortschatz<br />

(„wauwau“ für alle Vierbeiner, „die“ für alle Artikel,<br />

Akkusativ für alle Genera)<br />

Kind weiß schon mehr als es lexikalisch kann und setzt<br />

Platzhalter oder Füllsilben ein („nnn so laut<br />

ist“ = „weil das so laut ist“, „ich nnn eine Blume maln“<br />

= „ ich will eine Blume malen“, „nnn da Hühner drin?“<br />

= „sind da Hühner drin?“)<br />

Form - Funktions - Mismatch wird z.B. bei<br />

Frageformulierungen benutzt („Wo der Peter<br />

hinsitzt?“ = „wo setzt sich der Peter hin?“)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Nachdem Kinder wissen, dass Wörter an<br />

verschie<strong>den</strong>en Stellen im Satz vorkommen,<br />

besetzten sie einige Positionen doppelt<br />

(„Julia brauch ich das“, Wo is das andere is?“,<br />

„Das spiel ich´s auch!“)<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Diese Übergangslösungen<br />

zeigen,<br />

wo sich das Kind<br />

in der Sprachentwicklung befindet!<br />

Übergangslösungen verschwin<strong>den</strong>,<br />

Wenn z.B. das Vokabular für Platzhalter<br />

erlernt wird.<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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d) Wie vollzieht sich der<br />

Zweitspracherwerb?<br />

Man <strong>unter</strong>scheidet zwischen:<br />

� monolingualem Spracherwerb (L1),<br />

� doppeltem L1 - Erwerb (z.B. Mutter<br />

englisch, Vater: deutsch) und<br />

� zeitversetztem Zweitspracherwerb (L2).<br />

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Es existieren <strong>unter</strong>schiedliche Hypothesen<br />

zum Zusammenhang <strong>von</strong> L1 und L2 -<br />

Erwerb:<br />

� I<strong>den</strong>titätshypothese:Der L2 - Erwerb verläuft so wie der<br />

L1 - Erwerb. Veraltet!<br />

� Interferenzhypothese: Nähe und Distanz zur L1 wichtig,<br />

z.B. Fehler ergeben sich durch negativen Transfer aus L1.<br />

Erklärt L1 - L2 Erwerb nur bedingt!<br />

� Interimssprachenhypothese:Geht da<strong>von</strong> aus, dass sich<br />

der Spracherwerb in Zwischenstufen vollzieht, dass Fehler<br />

= Zeichen für die Zone der nächsten Entwicklung sind. Gibt<br />

keine Erklärungen dafür, was L2 - Erwerb vorantreibt!<br />

� Interdepen<strong>den</strong>zhypothese: sagt aus, dass L1<br />

bestimmte Stufe haben muss, damit L2 erworben wer<strong>den</strong> kann.<br />

L2 - Förderung und Einfluss auf <strong>den</strong> L2 - Erwerb bleiben unklar!<br />

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Für <strong>den</strong> L2 - Erwerb gilt,<br />

dass er auf einen bereits begonnen L1 - Erwerb<br />

trifft (bereits L1 spezifische Laut<strong>unter</strong>scheidung,..),<br />

dass für seinen Erwerb jedoch kein spezifisches<br />

L1 - Stadium erreicht sein muss,<br />

dass Sprachkontakt / Input anders gestaltet ist<br />

als bei L1,<br />

dass je nach kognitivem Stand L2 expliziter<br />

(bewusster) gelernt wer<strong>den</strong> muss,<br />

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BLK FörMig 2008


dass bei ihm zusätzlich Fossilierungen<br />

(lernersprachliche Abweichungen <strong>von</strong> der<br />

Zielsprache), die es zu korrigieren gilt,<br />

auftreten können,<br />

dass ein „mit ins Boot holender“ Umgang<br />

mit der L1 stattfindet.<br />

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Besonderheiten<br />

beim mehrsprachigen Erwerb<br />

(vgl Jedik 2001)<br />

Phonetischer und phonlogischer Bereich<br />

Länge und Kürze der Vokale: im Deutschen<br />

bedeutungs<strong>unter</strong>schei<strong>den</strong>d (Miete-Mitte), im Russ. /<br />

Türk.nicht<br />

Aufeinanderfolgen <strong>von</strong> zwei Vokalen oder Diphthonge<br />

kommt im Russ./ Türk. kaum vor<br />

Konsonantenverbindungen (spritzt, schrumpft) im Russ.<br />

am Wortanfang / Wortmitte; NICHT am Wortende; im<br />

Türk.kaum Doppelkonsonanten,<br />

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Syntaktischer und morphologischer Bereich<br />

Kein allgemein gültiges Schema; große Unterschiede zwischen frühem<br />

und späterem Erwerb (Tracy, Klein);<br />

Im frühen Zweitspracherwerb Verlauf analog zur erstsprachlichen<br />

Entwicklung,<br />

Mit Varianten aufgrund der Erstsprachen:<br />

� Artikel sind im Deutschen obligatorisch, in vielen Sprachen nicht!<br />

� Genus ist in <strong>unter</strong>schiedlichen Sprachen sehr verschie<strong>den</strong>;<br />

typische Interferenz: „der Kind“, „die Mädchen“<br />

� Kasusmarkierung ist im Deutschen schwierig � „Ich sehe ___<br />

Lehrer“: Artikel, Genus und Kasus Pluralbildung:im Deutschen gibt<br />

es fünf Pluralmorpheme ((e)n, -s, -e, er,Φ)<br />

� Satzbildung: Verbzweitstellung bei Hauptsätzen im Deutschen<br />

obligatorisch, im Türkischen variabel<br />

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Semantischer und lexikalischer Bereich<br />

Wörter: kodieren Wissen über die Welt<br />

� Kognitiver Entwicklungsstand als Voraussetzung für<br />

Begriffsbildung<br />

� Hinreichender „Input“ durch Bezugspersonen<br />

� I<strong>den</strong>tische Lexika in Erst- und Zweitsprache sind selten, je nach<br />

Kontext und Kommunikationspartner der einzelnen Sprachen<br />

<strong>unter</strong>schiedliche Schwerpunkte (Familiensprache,<br />

Schulsprache...)<br />

� In niedrigen Jahrgängen mehrheitlich Dominanz des<br />

muttersprachlichen Wortschatzes,<br />

� Lebendige sprach-kulturelle Lebenspraxis ist Voraussetzung für<br />

umfassendes Lexikon in bei<strong>den</strong> / allen Sprachen (vgl. Kracht<br />

2001)<br />

Prof. Dr. Inci Dirim & Dr. Birgit Lütje-Klose<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

Universität Hannover<br />

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Sprachmischungen<br />

sind kein Zeichen <strong>von</strong> Unkenntnis,<br />

sondern schließen Lücken im jeweiligen<br />

Wortschatz (Platzhalterstrategie):<br />

„Kannst Du move a bit?“<br />

„Monkey auch bike!“<br />

„Ich hab gemade you much better.“<br />

Tipps für die Förderung <strong>von</strong> Mehrsprachigkeit im Elternhaus vgl.:<br />

Montanari, E.: Mit zwei Sprachen groß wer<strong>den</strong>. München, Kösel, 2002<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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Ethnolekt<br />

� ist ein Sammelbegriff für Sprechstile, die <strong>von</strong><br />

Sprechern einer ethnischen Minderheit<br />

verwendet und als für sie typisch eingestuft<br />

wer<strong>den</strong><br />

� wie z.B. „bei die Vater“ (tük-dt.)<br />

� ethnolektale Äußerungen sind einzeln<br />

betrachtet zwar fehlerhaft, aber zeigen in der<br />

Gesamtschau, dass es sich bei diesen Fehlern<br />

um charakteristische (systematische) Merkmale<br />

des Ethnolekts handelt.<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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BICS: “Basic Interpersonal<br />

Communicative Skills (vgl Cummins 1982)<br />

� situationsgebun<strong>den</strong>e Sprachfertigkeiten, die für die<br />

Alltagskommunikation erforderlich sind<br />

� setzten wissen über die Welt und die Situation<br />

voraus<br />

� starker Kontextbezug und nonverbale<br />

Kommunikation ermöglichen Verständnis<br />

� Floskeln und ein bestimmter Wortschatz<br />

ermöglichen erfolgreiche Kommunikation im Alltag<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


CALP: „Cognitive academic<br />

language proficiency“<br />

„sprachliche Fertigkeit, sich aus einer Kontext- reduzierten,<br />

abstrakteren und linguistisch expliziteren Form des<br />

Sprachgebrauchs die mitgeteilte Bedeutung zu erschließen“<br />

(Penner 2003,45)<br />

� Bedeutungen wer<strong>den</strong> nicht Situationsgebun<strong>den</strong><br />

ausgehandelt, sondern müssen aus rein sprachlichen<br />

Informationen hergeleitet wer<strong>den</strong><br />

� Kenntnis der formalen Regeln und Beziehungen einer<br />

Sprache ist erforderlich – Grammatik<br />

� viele Kinder mit Deutsch als Zweitsprache benötigen eine<br />

Sprachförderung, um die CALP-Fähigkeiten zu erwerben<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


L2 - Frühförderung ist sinnvoll, weil:<br />

� „je früher, desto besser“, da auf L1 Erwerbsstrategien<br />

zurückgegriffen wer<strong>den</strong> kann,<br />

� Gehirn noch leistungsfähiger ist, Strukturen zu<br />

entdecken und Regeln zu bil<strong>den</strong> (vgl. Maria Riehl Artikel<br />

„Das mehrsprachige Gehirn“),<br />

� akzentfreiere Aussprache möglicher ist,<br />

� Motivation noch hoch ist und noch keine<br />

Negativerfahrungen mit hineinspielen,<br />

� Förderung <strong>von</strong> Anfang an routiniert dazugehören<br />

kann,<br />

� Förderung sich thematisch gut eingliedern und<br />

anschließen kann.<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

BLK FörMig 2008


Vielen Dank<br />

für Ihre<br />

Aufmerksamkeit!<br />

© Viktoria Prinz - Wittner<br />

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