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e i n f ü h r u n g<br />
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eine Ausführung mit Gesang sinnlos wäre. Die zweistimmige Balkung, die sehr tiefe Lage<br />
der Stimme und an anderer Stelle eine unsangliche Notenfolge deuten darauf hin, dass<br />
Bach hier eine Ausführung mit Generalbass im Sinn hatte.<br />
Eine gewisse Schwierigkeit bot die Textierung, die Bach in den Autographen wohl teils<br />
nur andeutete: Die ersten Worte der verwendeten Choralstrophen schrieb er auf, dann ging<br />
er davon aus, dass der Text dem Kopisten bekannt war oder nachgeschlagen werden konnte.<br />
Das stellte die Nachwelt vor Probleme. Bachs Schüler Johann Philipp Kirnberger konnte im<br />
Fall der Motette »Fürchte dich nicht« nach langer Suche erleichtert vermerken: »Endlich habe<br />
ich mit vieler Mühe das Lied im Porstschen Gesangebuche gefunden, in welchem die Strophe zu<br />
dem Canto firmo in der Bachischen Motette Fürchte dich nicht etc. vorkommt; es ist die 11te<br />
Strophe in dem Liede: Warum sollt ich mich denn grämen etc.« Dieses Lied Paul Gerhardts<br />
bildet den zweiten Text der Motette; der erste stammt aus dem Buch Jesaja: Kapitel 41,<br />
Vers 10 und Kapitel 43, Vers 1b.<br />
Die Motette ist symmetrisch aus zweimal 77 Takten aufgebaut, doch ist diese Symmetrie<br />
sehr originell ausgefüllt: Der Text ist keineswegs gleichmäßig auf beide Hälften verteilt.<br />
Bach betont den Ausruf »Fürchte dich nicht«, indem er ihn – dabei vom einen zum anderen<br />
Bibelvers springend – als Rahmen des ersten Teils seiner Motette verwendet. Der deutlich<br />
abgesetzte zweite Teil folgt der sogenannten thüringischen Bibelspruchmotette, die meist<br />
ein Kirchenlied als Hauptmelodie im Sopran führt. Während der Sopran nun im zweiten<br />
Teil dieses Kirchenlied in weiten Bögen einstreut, singen Alt, Tenor und Bass den Rest des<br />
zweiten Bibelverses – jedoch, entgegen der traditionellen Form dieses Motettentyps, nicht<br />
als homophone Gruppe, sondern als kunstvolles Fugato im doppelten Kontrapunkt mit drei<br />
Subjekten (s. Seite 5). Sie entsprechen den drei verbleibenden Zeilen, die Bach dem Inhalt<br />
folgend vertont: In absteigenden Halbtonschritten ist von Erlösung die Rede, implizit vom<br />
Leiden an der Sünde, die die Chromatik darstellt; ihr entgegen richtet sich die Aufwärtsbewegung<br />
des aufmunternden Rufens; die versichernde Schlussaussage »Du bist mein« endlich<br />
wird als schließender, durch Pausen markierter Quintfall formuliert. Nach kurzer Rückkehr<br />
zur anfänglichen Doppelchörigkeit bildet dieser Spruch denn auch die Summe dieser Trauermusik:<br />
Wer auf Gott vertraut, hat nichts zu fürchten.<br />
Ein gegensätzliches Bild entwirft der Anfang der Motette »Komm, Jesu, komm« bwv 229.<br />
Da erklingen klagende, aufsteigende, schließlich dissonant gespannte Ausrufe, unterbrochen<br />
von dramatischen Pausen. Ein Mensch ist seines Lebens überdrüssig. Die expressiven Pausen<br />
haben in der Gattung der Motette eine Tradition als Seufzer-Geste. Wahrscheinlich ist aber<br />
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