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NAT 52-56 Flechten - Natürlich

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Chrüteregge<br />

<strong>Flechten</strong> sind Doppelwesen von Pilz und Alge, die sich<br />

in reicher Zahl auf Bäumen, Steinen, Dächern, Mauern und<br />

Zäunen verbreiten. <strong>Flechten</strong> werden auch als Bio-<br />

indikatoren bezeichnet – als Gradmesser für saubere oder<br />

verschmutzte Luft. Ihre Inhaltsstoffe sind gesundheits-<br />

fördernd und werden zu natürlichen Heilmitteln<br />

für Mensch und Tier verarbeitet, insbesondere das<br />

Isländische Moos, die Lungen- und die Bartflechte.<br />

Von Bruno Vonarburg (Text und Fotos)<br />

Prachtflechte<br />

(Xanthoria elegans)<br />

<strong>52</strong> <strong>Natürlich</strong>/Chrüteregge Nr.1-2003


Rund 20 000 <strong>Flechten</strong>arten sollen auf der<br />

Erde existieren; bis 2000 Spezies sind in der<br />

Schweiz bekannt. Carl von Linné, der Taufvater<br />

der Pflanzen, nannte die <strong>Flechten</strong> «rustici<br />

pauperine», was so viel bedeutet wie «armseligster Pöbel».<br />

Der Pflanzengelehrte schenkte den blütenlosen<br />

Gebilden von runzeliger Gestalt, denen er in reicher<br />

Zahl auf seiner Lapplandreise von 1773 begegnete,<br />

keine grosse Beachtung. Im alten Brauchtum dagegen<br />

galten die <strong>Flechten</strong> keineswegs als belanglos. Im hohen<br />

Norden verarbeitete man sie zu Pulver und benutzte<br />

sie als Mehlersatz mit reichem Nährstoffgehalt.<br />

Sibirische Bewohner pflegten ein bierähnliches Getränk<br />

aus <strong>Flechten</strong> herzustellen. Das Gebräu wurde<br />

auch vergoren und zu hochprozentigem <strong>Flechten</strong>schnaps<br />

destilliert.<br />

In Skandinavien dienen die pflanzlichen Gebilde als<br />

Nahrung für Rentiere und Karibus, die den eiskalten<br />

Polarwinter ohne die zahlreichen Rentierflechten (Cladonia<br />

rangiferina) nicht überstehen könnten – um so<br />

mehr als eine <strong>Flechten</strong>mahlzeit aufgrund der antibiotischen<br />

Stoffe vor Erkältungen schützt. Allerdings<br />

sind seit der Tschernobyl-Reaktorkatastrophe viele<br />

nordeuropäische <strong>Flechten</strong>arten mit radioaktiven Isotopen<br />

angereichert, wodurch zahlreiche Rentiere verseucht<br />

wurden und notgeschlachtet werden mussten.<br />

Bei uns wird die Cladonia rangifera aus skandinavischen<br />

Ländern importiert und an Allerheiligen als<br />

Grabschmuck verwendet. Ob diese eingeführte Ware<br />

radioaktiv belastet ist, wurde noch nie kontrolliert.<br />

Vom Wolfsköder zum Färbemittel<br />

Als in unseren einheimischen Wäldern noch Wölfe<br />

hausten, versuchte man die Tiere mit Hilfe von Ködern<br />

zu vergiften. Hierzu verwendete man die äusserst<br />

giftige, olivgrüne Wolfsflechte (Letharia vulpina), die<br />

hier und dort an der Rinde von Lärchenbäumen zu<br />

finden ist. Man vermischte sie mit Schweinefett und<br />

Blut zu einem Klumpen und legte sie auf den Waldboden.<br />

Die toxische Vulpinsäure aus Letharia vulpina<br />

sorgte für die Dezimierung der Wolfsbestände.<br />

Es gibt aber nicht nur giftige, sondern auch wohlduftende<br />

<strong>Flechten</strong>, wie z. B. das Eichenmoos (Evernia<br />

prunasti) und das Baummoos (Pseudevernia furfuracea).<br />

Ihre ätherischen Öle werden in der Parfümherstellung<br />

verwendet. Die alten Ägypter mumifizierten<br />

damit die Toten.<br />

Auch als Farbstofflieferanten besassen die <strong>Flechten</strong><br />

früher grosse Bedeutung, bis sie durch die Anilinfarben<br />

verdrängt wurden. Einzig Orseille wird von<br />

Kennern noch gebraucht, ein aus Rocella- und Lecanora-Arten<br />

extrahiertes Kolorierungsmittel, das insbesondere<br />

Woll- und Seidenstoffe purpur, blau, gelb<br />

und braun färbt.<br />

Vom Chemieunterricht her ist uns vielleicht der<br />

Indikator-Farbstoff Lackmus bekannt, der sich bei<br />

alkalischem Milieu blau und bei saurem rot verfärbt.<br />

Dieses Color wird von der Flechte Rocella tinctoria<br />

gewonnen.<br />

Nr.1-2003<br />

Innige Partner<br />

<strong>Flechten</strong> wurden erstmals durch den griechischen<br />

Naturphilosophen Theophrastus von Eresos beschrieben,<br />

der sie auf Olivenbäumen entdeckte und die<br />

eigenartigen Gebilde als «leiken = Baummoos» betitelte.<br />

Heutige <strong>Flechten</strong>forscher (Lichenologen) bezeichnen<br />

sie als sogenannte «Lichenes». Was bei<br />

blosser Betrachtung wie eine einzige Pflanze aussieht,<br />

ist in Wirklichkeit ein Doppelwesen, d. h. eine Partnerschaft<br />

von Pilz und Alge. Diese Erkenntnis verdanken<br />

wir dem Schweizer Botaniker Simon Schwendener,<br />

der das Bauprinzip des <strong>Flechten</strong>organismus 1869<br />

im richtigen Sinne entdeckte. Bis dahin waren die<br />

<strong>Flechten</strong> als Sonderformen der Moose oder Algen<br />

betrachtet worden.<br />

<strong>Flechten</strong> sind also eine Lebensgemeinschaft von Pilz<br />

und Alge, die sich zum gegenseitigen Nutzen zusammentun.<br />

Der Pilz (Mycobiont) bestimmt das Aussehen<br />

der Flechte, indem er ihre Architektur bildet. Dabei<br />

handelt es sich um niedere Pilze, nicht wie Eierschwamm,<br />

Steinpilz oder Champignon, sondern um<br />

mittelgrosse Schlauchpilze. Ihre häufig schüsselförmigen<br />

Fruchtkörper bestehen aus fadigen Strukturen,<br />

den sogenannten Hyphen. Diese umspinnen die Algen,<br />

bilden ein dichtes Netzwerk und können sogar in die<br />

Algenwände eindringen. Betrachtet man die Flechte<br />

unter dem Mikroskop, sieht man ein verfilztes Dickicht<br />

von Fäden – dies ist der Pilz – mit darin eingestreuten<br />

kleinen kugeligen Zellen – den Blau- oder Grünalgen.<br />

Wie funktioniert diese Zweckgemeinschaft? Als<br />

Photosymbionten der Flechte sind die Algen zuständig<br />

für die Bildung von Assimilaten: Sie führen den<br />

Pilzen Nährstoffe zu, denn nur sie können mit Hilfe<br />

des Sonnenlichts den lebensnotwendigen Zucker<br />

aufbauen. Die Pilze dagegen versorgen die Algen<br />

mit Feuchtigkeit und Mineralien.<br />

<strong>Flechten</strong> können sich geschlechtlich (generativ)<br />

und ungeschlechtlich (vegetativ) fortpflanzen. Bei der<br />

vegetativen Vermehrung lösen sich bei trockenem<br />

Wetter kleine Bruchstücke vom Thallus ab, wobei<br />

Gewebeteile mit Algen und Pilzfäden austreiben. Die<br />

so entstandenen Körner (Soredien) fallen ab, werden<br />

von Wind und Wasser fortgetragen und bilden an<br />

einer anderen Stelle neue <strong>Flechten</strong>. Bei der generativen<br />

Vermehrung bildet der Pilz Sporen aus, die<br />

Dient Rentieren<br />

als<br />

Kraftnahrung:<br />

Rentierflechte


1 Als Köder<br />

ein Gift gegen<br />

Wölfe: Wolfsflechte<br />

2 Wächst nur<br />

0,6 mm im<br />

Jahr: Landkartenflechte<br />

1<br />

der Wind verbreitet. Treffen diese Sporen auf eine<br />

passende Alge, entsteht eine neue Flechte.<br />

Eine Welt voller <strong>Flechten</strong><br />

<strong>Flechten</strong> kann man überall finden, selbst an Orten,<br />

wo keine andere Pflanze mehr Wurzeln schlagen<br />

kann. Ob an den Erdpolen, in den Tiefen der Meere, auf<br />

den Felsen höchster Berge oder in der Wüste: Die<br />

<strong>Flechten</strong> können sich an jeden Standort anpassen.<br />

Sie wachsen weltweit auf kalk- oder kieselhaltigen Gesteinen,<br />

auf Rinden, Mauern, Baumblättern, Dächern,<br />

ja sogar auf Glasscheiben. Sie überziehen Denkmäler,<br />

Grabsteine, Holz- und Metallkonstruktionen. Die Überlebenskünstler<br />

überstehen arktische Kälte, tropische<br />

Hitze und hochgradige Trockenheit. Bei Extremtemperaturen<br />

produzieren sie spezielle Säuren, die ihnen<br />

als Frost- oder Hitzeschutz dienen. An exponierten<br />

Stellen können sich die Doppelwesen bei Temperaturen<br />

von minus 50 °C bis plus 100 °C behaupten.<br />

Auch monatelange Trockenheit führt ihnen keinen<br />

Schaden zu. Einige Tropfen Wasser genügen, um den<br />

<strong>Flechten</strong>stoffwechsel nach langer Durststrecke wieder<br />

auf Touren zu bringen. Dabei ist es erstaunlich, dass<br />

die Pilz- und Algenzwillinge den Wasserhaushalt selbst<br />

regulieren können. Bei extremer Dürre werden sie<br />

starr, um wieder völlig biegsam und elastisch zu<br />

werden, sobald genügend Luftfeuchtigkeit entsteht.<br />

Ausserdem wachsen <strong>Flechten</strong> langsam. Sie sind<br />

genügsam und haben Zeit. Zum Beispiel vergrössert<br />

sich die Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum),<br />

die kalkreiche Felsen mit gelbschwarzen<br />

Flecken überzieht, um 0,6 mm pro Jahr. Laub- und<br />

Strauchflechten schaffen 3 bis 10 mm im Jahr. Die<br />

schnellste ist die Bartflechte; sie verlängert sich<br />

jährlich um 2 cm.<br />

Vielfältig sind auch die Formen der <strong>Flechten</strong>:<br />

blättrig, fadig, bärtig, gestielt, geweihartig, korallig,<br />

verzweigt, trompeten- oder schüsselförmig. Unter<br />

dem Mikroskop präsentieren sie ein wahres Wunderwerk<br />

der bunten Farben: weisslich, grünlich, orange,<br />

braun, neonfarbig, rötlich, grau und schwarz. Um sie<br />

alle artgetreu differenzieren zu können, müssen die<br />

Lichenologen häufig chemische Reagenzien zu Hilfe<br />

nehmen. Botanisch unterscheidet man 5 Hauptgruppen<br />

von <strong>Flechten</strong>arten:<br />

– Krustenflechten: dünne Krusten, die einfache Überzüge<br />

auf Steinen und Holz bilden.<br />

– Blattflechten: blattartige Gebilde, sogenannte Loben,<br />

die auf der Erde gedeihen.<br />

– Nabelflechten: im Untergrund festgewachsene <strong>Flechten</strong>.<br />

– Strauchflechten: besitzen einen dünnem Thallus<br />

und erinnern an kleine Bäume oder Sträucher.<br />

– Bartflechten: hängen wie greises Haar von den Zweigen<br />

der Bäume herunter.<br />

Sensible Bioindikatoren<br />

Vor über 100 Jahren stellte der Lichenologe Nylander<br />

fest, dass sich die Verbreitung von <strong>Flechten</strong> in den<br />

Zentren grosser Städte stark reduzierte. Auch in den<br />

Industriegebieten war ein deutlicher Rückgang der<br />

<strong>Flechten</strong> zu registrieren. Wissenschaftler bewiesen,<br />

dass die zunehmende Luftverschmutzung durch<br />

Schwefeldioxyd, Ozon, Stickoxyde und Schwermetalle<br />

für die Verminderung der <strong>Flechten</strong> verantwortlich<br />

ist. Die pflanzlichen Doppelwesen sind nämlich imstande,<br />

die Luftfeuchtigkeit mit allen darin enthaltenen<br />

Substanzen direkt aufzunehmen. Dabei speichern<br />

sie weitaus mehr Schadstoffe als andere Pflanzen,<br />

vor allem Metallsalze, radioaktive Elemente, Fluor<br />

und Schwefeldioxyd. Das sensible Symbiosegleichgewicht<br />

von Pilz und Alge wird durch die schädlichen<br />

Umweltemissionen erheblich gestört. Die <strong>Flechten</strong><br />

verfärben sich, sie hören auf zu keimen und zu wachsen,<br />

bis letztlich der ganze Thallus abstirbt. Vor allem<br />

die Laub- und Strauchflechten, so zum Beispiel die<br />

2<br />

Nr.1-2003


Lungenflechte, die Rentierflechte und die Bartflechte,<br />

verschwinden zuerst. Ihre Empfindlichkeit macht<br />

diese <strong>Flechten</strong> zu ausgezeichneten Messinstrumenten<br />

für den Grad der Luftverschmutzung. An ihrem Rückgang<br />

lässt sich erkennen, wie stark die Umwelt belastet<br />

ist.<br />

Vom Heilwert der <strong>Flechten</strong><br />

<strong>Flechten</strong> beinhalten zahlreiche Substanzen, die für<br />

ihren Stoffwechsel von zentraler Bedeutung sind.<br />

Vor allem die <strong>Flechten</strong>säuren (Depside, Depsidone und<br />

Usninsäure) haben wichtige Aufgaben zu erfüllen: Aufgrund<br />

ihrer antibiotischen Eigenschaften schützen sie<br />

die Pflanze vor Mikroorganismen und Insekten. Ausserdem<br />

sind sie in der Lage, Metallionen aus Gesteinsunterlagen<br />

herauszulösen, zu chelatisieren und dem<br />

<strong>Flechten</strong>stoffwechsel zugänglich zu machen. Es gibt<br />

sogar <strong>Flechten</strong>, die den härtesten Fels (Quarz) in wasserlösliche<br />

Komplexe überführen können.<br />

Ganz besonders schätzt man die <strong>Flechten</strong> auch als<br />

Arzneipflanzen. Schon im alten Ägypten wurden sie<br />

als Heilmittel eingesetzt. Im Mittelalter stiegen ihre<br />

Anwendungsmöglichkeiten erheblich. Damals war<br />

man der Ansicht, dass Pflanzen, die bestimmten<br />

Körperteilen ähneln, auch für diese hilfreich seien.<br />

Aufgrund der Signaturenlehre empfahl man z. B. die<br />

fadenförmige Bartflechte als Haarwuchsmittel, die<br />

Lungenflechte gegen Lungenkrankheiten und die<br />

gelbe Flechte gegen Gelbsucht. Unter den zahlreichen<br />

<strong>Flechten</strong> werden noch heute 3 Arten als heilkundliche<br />

Spitzenreiter gerühmt: das Isländische<br />

Moos, die Lungen- und die Bartflechte.<br />

Isländisches Moos<br />

Der Gattungsname «Cetraria» stammt vom lateinischen<br />

«cetra = kleiner Lederschild» und bezieht<br />

sich auf die Gestalt des Fruchtkörpers. Der Beiname<br />

«islandica» weist darauf hin, dass die Pflanze häufig in<br />

3<br />

Island wächst. Der deutsche Name «Isländisches<br />

Moos» ist eine irreführende Bezeichnung, denn diese<br />

Strauchflechte ist nicht nur in Island, sondern in ganz<br />

Nord- und Mitteleuropa beheimatet. Auch die Bezeichnung<br />

«Moos» ist falsch und stammt aus der Zeit, als<br />

man botanisch noch nicht zwischen Moos und Flechte<br />

unterschied. In verschiedenen Gebieten des deutschen<br />

Sprachraums ist das Isländische Moos als<br />

Heideflechte, Fiebermoos, Hirschhornflechte, Purgiermoos,<br />

Felsenflechte oder Gastrauten bekannt.<br />

Das Isländische Moos gehört zur botanischen Familie<br />

der Strauchflechten (Parmeliaceae). Es wird etwa<br />

10 cm hoch und hat eine sparrige, gabelige bis<br />

geweihartige Wuchsform. Die Pflanze riecht leicht<br />

nach Tang und hat einen herben, bitteren Geschmack.<br />

Die Flechte beinhaltet an wirksamen Substanzen bis<br />

zu 70% Schleimstoffe, bittere Cetrarsäure, Bitterstoffe,<br />

Lichenin, <strong>Flechten</strong>stärke, Vitamin A, B12, Zucker,<br />

Usninsäure, Jod, Eisen, Kupfer, Lithium, Schwefel,<br />

Silizium und Zink mit kräftigenden, krampflösenden,<br />

hustenlindernden, reizmildernden, entzündungshemmenden<br />

und milchfördernden Eigenschaften. Klinische<br />

Untersuchungen zeigen, dass das inhaltliche<br />

Cetrarin die Vermehrung der roten und weissen Blutkörperchen<br />

anregt, weshalb die Verwendung der<br />

Pflanze bei Blutarmut empfohlen wird. Als Schleimdroge<br />

(Mucilaginosa) wirkt das Isländische Moos reizmildernd:<br />

Seine Schleimstoffe hüllen die entzündlichen<br />

Schleimhäute in Mund, Rachen, Luftwegen,<br />

Magen und Darm ein und beruhigen sie.<br />

Der Tee als Aufguss der getrockneten <strong>Flechten</strong>körper<br />

(Cetraria lichen) wird bei Erschöpfung, Blutarmut,<br />

Husten, Keuchhusten, Bronchitis, Bronchialasthma,<br />

Heiserkeit, Erkältung, Verschleimung der Luftwege,<br />

Lungenemphysem sowie bei anormalen Gärungsprozessen<br />

in Magen und Darm und bei Schwangerschaftserbrechen<br />

empfohlen.<br />

Gebrauchsanweisung: 1 TL voll getrocknetes Isländisches<br />

Moos wird in einer Tasse mit kochend heissem<br />

Wasser angebrüht. Dann lässt man 5 Minuten ziehen,<br />

filtriert ab und trinkt den Tee ungesüsst oder mit Honig<br />

versüsst dreimal täglich nach den Mahlzeiten.<br />

4<br />

3 Zählen zu<br />

den zähesten<br />

Lebewesen:<br />

<strong>Flechten</strong>, hier<br />

am Stamm<br />

einer Lärche<br />

4 Heilmittel<br />

bei Husten:<br />

Isländisches<br />

Moos<br />

<strong>Natürlich</strong>/Chrüteregge 55


Hängt silbrig<br />

von den<br />

Bäumen:<br />

Bartflechte<br />

Bartflechte<br />

In europäischen Gebirgswäldern stösst man da und<br />

dort – in der Schweiz im Engadin – auf alte Rottannenund<br />

Arvenbestände, sogenannte Märchenwälder, wo<br />

Rübezahl aus den Nebelschwaden auftauchen könnte.<br />

Von den Ästen der Bäume hängt ein dichtes, eisgraues<br />

oder grasgrünes Fadengewirr herunter, das unwillkürlich<br />

an Bärte von Gnomen erinnert. Diese Bärte, hinter<br />

denen die Stämme und Zweige nahezu verschwinden,<br />

hüllen die Baumgestalten in einen geheimnisvollen<br />

Schleier. Die stark verästelten, bis zu 1 m langen<br />

Gebilde sind die Lager von Bartflechten (Usnea barbata).<br />

Der Gattungsname «Usnea» wird vom griechischen<br />

«usnoides = moosähnlich» abgeleitet und<br />

charakterisiert die Pflanze als Flechte. «Barbata», der<br />

Beiname, ist lateinischen Ursprungs und bedeutet<br />

bärtig, womit die bärtigen Geflechte bezeichnet<br />

werden. Im Volksmund kennt man die Bartflechte<br />

auch als Baummoos oder Baumbart.<br />

In der Pflanzenheilkunde wird Usnea barbata als<br />

schleimlösendes und entzündungswidriges Mittel bei<br />

Bronchitis, Erkältung, Katarrh, Durchfall und Magenschwäche<br />

eingesetzt. In der Drogerie und Apotheke<br />

sind Usnea-Hustentropfen und -Hustenbonbons der<br />

Firma Bioforce erhältlich. Die in der Bartflechte vorkommende<br />

Usninsäure entfaltet gegenüber Erregern<br />

von Mund-, Rachen und Atemwegsinfektionen eine<br />

spezifische abwehrkräftigende Wirkung. Ihre antibiotischen<br />

Eigenschaften sind klinisch nachgewiesen.<br />

Lungenflechte<br />

Die Lungenflechte, die einen buchtig gelappten,<br />

handtellergrossen Thallus mit netzförmig eingedellter<br />

Oberfläche besitzt, steht ganz im Banne ihrer<br />

Signatur: ihr lungenförmiger Habitus weist auf die<br />

innewohnende Heilkraft bei Lungenerkrankungen<br />

hin. Inspiriert von diesem Erscheinungsbild verwendeten<br />

unsere Vorfahren Sticta pulmonaria bei<br />

entsprechenden Beschwerden der Luftwege und<br />

tauften die Pflanze «Lungenflechte». Selbst der botanische<br />

Artname «pulmonaria» aus dem lateinischen<br />

«pulmo = die Lunge», bringt sowohl die organspezifische<br />

Ähnlichkeit der Flechte als auch ihre Verwendbarkeit<br />

bei Krankheiten der Lunge zum Ausdruck.<br />

«Sticta», die Gattungsbezeichnung, lässt<br />

sich aus dem griechischen «stictos = gefleckt, punktiert»<br />

ableiten und charakterisiert den dunkel punktierten<br />

<strong>Flechten</strong>körper.<br />

Im Gegensatz zum Isländischen Moos bildet Sticta<br />

pulmonaria keine aufrechten, strauchartigen Polster,<br />

sondern tiefbauchige bis handtellergrosse Lappen.<br />

Diese weisen oberseits grubige Vertiefungen auf,<br />

deren Ränder insgesamt ein Adernetz bilden. Der<br />

Thallus ist grünlich, leder- oder rotbraun, während<br />

die Ränder und Netzleisten oft mit gelblich weissmehligen<br />

Häutchen besetzt sind. Die Unterseite ist<br />

hellbraun und in den Furchen schwarzfilzig gefärbt.<br />

Als Epiphyt (Pflanze, die bei selbständiger Ernährung<br />

auf anderen Pflanzen wächst) lebt die Lungenflechte<br />

auf verschiedenen Bäumen, meist an Buche<br />

und Ahorn. Allerdings ist sie infolge der zunehmenden<br />

Luftverschmutzung seltener geworden und in<br />

grossen Beständen nur noch in Gegenden mit staubfreier,<br />

reiner Luft im hohen Norden, in den Alpen und<br />

auf dem Balkan zu finden.<br />

In der früheren Volksheilkunde wurde die Lungenflechte<br />

wie das Isländische Moos bei Erkrankungen<br />

der Atmungsorgane eingesetzt. Sie besitzt ähnliche<br />

Wirkstoffe wie Cetraria islandica: Stictinsäure, Norstictinsäure,<br />

Arabit, Bitter- und Gerbstoffe. Die Pflanze<br />

ist heute hauptsächlich in der Homöopathie in<br />

Gebrauch und wird primär bei beginnenden Erkältungskrankheiten<br />

und allergischen Erkrankungen des<br />

Atemtraktes mit Schnupfen, Rachen- und Kehlkopfentzündung<br />

angewendet. Die Infekte sind gekennzeichnet<br />

durch trockenen Schnupfen mit ständiger<br />

Neigung, die Nase zu schneuzen, ohne dass Sekret herauskommt.<br />

Die Schleimhäute des oberen Atemtraktes<br />

sind äusserst trocken und schmerzhaft, wobei sich<br />

die rhinitischen Beschwerden, mit gelegentlicher<br />

Bildung von trockenen Borken in der Nase, zu den<br />

Bronchien hinunter verlagern und mit Bronchitis<br />

enden können. Dabei besteht ein krampfhafter Reizhusten,<br />

begleitet von Kopfschmerzen und Schmerzen<br />

im Brustkorb, d.h. vom Brustbein bis zur Wirbelsäule<br />

ausstrahlend. Der Reizhusten verstärkt sich<br />

besonders nachts und beim Hinlegen (beim<br />

Aufsitzen besser). Letztlich wird ein ständiger<br />

Druck an der Nasenwurzel empfunden.<br />

<strong>56</strong> <strong>Natürlich</strong>/Chrüteregge Nr.1-2003

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