Heft 1 - Institut für Zeitgeschichte
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Die USA und die Kolonialfrage (1917-1945) 31<br />
auf oft unklaren Vorstellungen einer neuen Weltordnung, die der konkreten Machtkonstellation<br />
und den wirtschaftlichen Problemen nicht gerecht wurden. War es<br />
aber politisch nicht „richtig", den sich in der Zwischenkriegszeit ankündigenden<br />
und durch den Zweiten Weltkrieg ungemein beschleunigten Entkolonisierungsprozeß<br />
in Rechnung zu stellen, den Emanzipationsbewegungen Verständnis entgegenzubringen<br />
und den neuen Staaten Unterstützung zuzusichern? Unbestreitbar<br />
ist die amerikanische Politik oft schwankend, unklar und wenig konsequent gewesen<br />
und hat weder die eine noch die andere Seite befriedigt; aber war im Dilemma,<br />
mit dem sich Amerika konfrontiert sah, das bereits Wilson zu Konzessionen an seine<br />
Allianzpartner gezwungen hatte und das von Cordell Hull klar formuliert worden<br />
ist, war in der so ungemein komplizierten Situation des Kalten Krieges eine geradlinige<br />
und konsequente Politik, die den Aufbau eines atlantischen Verteidigungssystems<br />
und gleichzeitig die Erhaltung amerikanischer Positionen im asiatisch-afrikanischen<br />
Bereich erlaubt hätte, überhaupt möglich? Indem die Vereinigten Staaten<br />
mit den asiatisch-afrikanischen Emanzipationsbewegungen offen sympathisierten,<br />
konnte vermieden werden, daß der Westen als ein geschlossener Block von<br />
kolonialen Mächten erschien und auf dem Weg zur Unabhängigkeit Unterstützung<br />
nur vom Osten gewährt wurde. Offenbar hat der amerikanische Antikolonialismus,<br />
der in Europa so gern als kurzsichtig-naiv oder dann als wirtschaftlichegoistisch<br />
beurteilt wird, wesentlich zur Beschleunigung der nicht mehr vermeidbaren<br />
Dekolonisation beigetragen und mitgeholfen, dem Westen nicht allzu ungünstige<br />
Ausgangspositionen <strong>für</strong> die nachkoloniale Ära zu verschaffen.