Metropolregionen im Vergleich: Berlin – London – Wien
Metropolregionen im Vergleich: Berlin – London – Wien
Metropolregionen im Vergleich: Berlin – London – Wien
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<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> <strong>Wien</strong><br />
<strong>Vergleich</strong>ende Analyse der drei <strong>Metropolregionen</strong> sowie Leitfragenkatalog für Expert/innengespräche<br />
in den Städten <strong>Wien</strong> und <strong>London</strong><br />
erarbeitet <strong>im</strong> Rahmen des Projekts:<br />
Dienstleistungen Wertschätzung und -schöpfung in der Metropolregion <strong>Berlin</strong> <br />
Im Auftrag der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes <strong>Berlin</strong><br />
Gefördert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes <strong>Berlin</strong><br />
<strong>Berlin</strong>, November 2009<br />
WERT.ARBEIT GmbH, <strong>Berlin</strong><br />
Gesellschaft für Arbeit,<br />
Chancengleichheit und Innovation<br />
Albrechtstr. 11 a<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte
Inhalt<br />
1 <strong>Metropolregionen</strong>: Wodurch zeichnen sie sich aus? .......................................... 1<br />
2 <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> <strong>Wien</strong>: Ein erster <strong>Vergleich</strong> ...................................................... 1<br />
3 Blick über den Tellerrand 1: <strong>Wien</strong> ......................................................................... 4<br />
3.1 Strukturwandel und Arbeitsmarktentwicklung in <strong>Wien</strong> ......................................................... 4<br />
3.2 <strong>Wien</strong>er Leitbild ................................................................................................................... 5<br />
3.3 Arbeitsmarktpolitik .............................................................................................................. 6<br />
3.4 <strong>Wien</strong>er Wirtschaftspolitik .................................................................................................... 7<br />
3.5 Weiterbildungsaktivitäten.................................................................................................... 9<br />
3.6 Leitfragen <strong>Wien</strong> ................................................................................................................ 11<br />
4 Blick über den Tellerrand 2: <strong>London</strong> .................................................................. 13<br />
4.1 Strukturwandel und Arbeitsmarktentwicklung in <strong>London</strong> ................................................... 13<br />
4.2 <strong>London</strong>er Leitbild ............................................................................................................. 18<br />
4.3 Arbeitsmarktpolitik ............................................................................................................ 19<br />
4.4 <strong>London</strong>er Wirtschaftspolitik .............................................................................................. 19<br />
4.5 Mindestlohn ..................................................................................................................... 19<br />
4.6 Weiterbildung ................................................................................................................... 20<br />
4.7 Leitfragen <strong>London</strong> ............................................................................................................ 23<br />
5 Referenzliste ......................................................................................................... 25
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
1 <strong>Metropolregionen</strong>: Wodurch zeichnen sie sich aus?<br />
Laut der Definition des Initiativkreises Europäischer <strong>Metropolregionen</strong> (IMK) zeichnen sich<br />
<strong>Metropolregionen</strong> generell dadurch aus, dass sie zur Erreichung von Wachstum und Innova-<br />
tionen in einer Wissensgesellschaft einen gezielten Beitrag leisten. Im Idealfall stellen sie<br />
Motoren der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung in<br />
einem best<strong>im</strong>mten Land oder gar für ganz Europa dar. Ihre Position/ Stellung hängt u.a. da-<br />
von ab, wie stark ihr Einfluss gemessen an best<strong>im</strong>mten Best<strong>im</strong>mungsfaktoren ausgeprägt ist.<br />
Best<strong>im</strong>mungsfaktoren für den Einfluss einer Metropolregion reichen von der Entscheidungs-<br />
und Kontrollfunktion über ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu ihrer<br />
Gatewayfunktion innerhalb eines Landes oder gar Europas. 1<br />
2 <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> <strong>Wien</strong>: Ein erster <strong>Vergleich</strong><br />
Anhand der Ausprägung best<strong>im</strong>mter Bezugspunkte von Innovations- und Wettbewerbsfähig-<br />
keit lassen sich auf Basis vorliegender Daten erste <strong>Vergleich</strong>e zwischen <strong>Berlin</strong>, <strong>London</strong> und<br />
<strong>Wien</strong> ziehen. 2<br />
a) Wirtschaftskraft<br />
Die Wirtschaftskraft einer Großstadtregion spiegelt sich in der vorhandenen Wirtschafts-<br />
kraft der Großstädte und ihrer umliegenden Regionen wieder. Diese lassen sich anhand<br />
des Bruttoinlandprodukts je Einwohner/-in bzw. umgerechnet <strong>im</strong> Kaufkraftstandard pro<br />
Einwohner/in messen. Der <strong>im</strong> Durchschnitt gemessene Kaufkraftstandard der 27 EU-<br />
Mitgliedsstaaten beträgt 22.400 KKS. 3 <strong>London</strong> weist mit einem KKS von 41.500 einen<br />
deutlich über dem EU-Durchschnitt liegenden Kaufkraftstandard auf. <strong>Wien</strong> liegt mit etwas<br />
mehr als 36.000 KKS in Bezug auf die Wirtschaftskraft deutlich hinter <strong>London</strong>, aber noch<br />
1<br />
Die Entscheidungs- und Kontrollfunktion einer Metropolregion richtet sich nach der Zahl und<br />
Bedeutung von Entscheidungszentren der öffentlichen Hand, der Wirtschaft und der Finanzwelt, die<br />
dort angesiedelt sind. Die Innovations- und Wettbewerbsfunktion drückt sich durch die Generierung<br />
technisch-wissenschaftlicher, sozialer und kultureller Innovationen aus. Diese werden z. B. durch die<br />
Zahl der Studierenden an Hochschulen, die Anzahl von Sonderforschungsbereichen oder die Besucher<br />
von Theatern gemessen. Die Gatewayfunktion hebt auf die Einbindung der <strong>Metropolregionen</strong><br />
und nationale und internationale Waren-, Personen- und Informationsströme ab. Indikatoren sind z. B.<br />
Abfahrten von Hochgeschwindigkeitszügen, Passagiere an Flughäfen, Güterumschlag, Messebesucher<br />
und Verlage.<br />
2<br />
Die <strong>im</strong> Folgenden präsentierten Ergebnisse sind maßgeblich entnommen aus: Statistisches Monatsheft<br />
Baden-Württemberg 10/2008: Europäische Großstadtregionen <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>. S. 31-41.<br />
3<br />
KKS = Kaufkraftstandard. Er stellt eine sogenannte aggregierte Kunstwährung dar, die internationale<br />
Preisniveauunterschiede el<strong>im</strong>iniert und somit erst eine <strong>Vergleich</strong>barkeit unterschiedlicher Großstadt-<br />
und <strong>Metropolregionen</strong> innerhalb der EU ermöglicht. Aggregate in KKS werden berechnet, indem<br />
man das Aggregat in jeweiligen Preisen und nationaler Währung durch die entsprechende Kaufkraftparität<br />
teilt (vgl. hierzu auch Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 11/2008: 31).<br />
1
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
vor <strong>Berlin</strong>, dass mit einem KKS von 20.620 selbst hinter dem EU-Durchschnitt zurück<br />
bleibt<br />
b) Wirtschaftswachstum<br />
Neben der Wirtschaftskraft gibt auch das Wirtschaftswachstum Aufschluss über die Inno-<br />
vations- und Wettbewerbsfähigkeit bzw. über die Entwicklungen in den drei genannten<br />
Städte bzw. <strong>Metropolregionen</strong>. Auch hier schneidet <strong>Berlin</strong> <strong>im</strong> direkten <strong>Vergleich</strong> mit <strong>Wien</strong><br />
und <strong>London</strong> am schlechtesten ab. Das Wirtschaftswachstum zwischen 1995 und 2005,<br />
gemessen am BIP, nahm in <strong>Berlin</strong> um rund 21,6 Prozent zu. In <strong>Wien</strong> hingegen stieg das<br />
BIP <strong>im</strong> genannten Zeitraum um 49,5 Prozent, in <strong>London</strong> sogar um 87,1 Prozent. Positiv<br />
für <strong>Berlin</strong> lässt sich allerdings die Entwicklung des Anteils, den der Dienstleistungssektor<br />
an der Entwicklung der Bruttowertschöpfung in den Jahren zwischen 1995 und 2005<br />
trägt, bewerten. Dieser Anteil, den der Dienstleistungsbereich an der gesamten Brutto-<br />
wertschöpfung <strong>Berlin</strong>s trägt, nahm um 5,2 Prozentpunkte auf 79,9 Prozent zu. In <strong>Wien</strong> ist<br />
hingegen die Bedeutungszunahme des Dienstleistungssektors an der Bruttowertschöp-<br />
fung weniger stark ausgeprägt. Hier nahm der Anteil zwischen 1995 und 2005 nur um<br />
3,1 Prozentpunkte auf 80 Prozent zu. 4<br />
c) Entwicklung des Dienstleistungssektors = Erfolgsfaktor für <strong>Metropolregionen</strong><br />
Ein hoher Anteil an Dienstleistungen in der Wirtschaftsstruktur einer Großstadt bzw. Met-<br />
ropolregion sowie deren positive Entwicklung können mit als Erfolgsfaktor für die Innova-<br />
tions- und Wettbewerbsfähigkeit gewertet werden. Sie sind darüberhinaus entscheidend<br />
für die Zunahme bzw. Stabilität der Erwerbstätigenzahlen in einer Region. Dies trifft für<br />
<strong>Wien</strong>, <strong>London</strong>, aber auch in gewissem Maße für <strong>Berlin</strong> zu. So wuchs <strong>im</strong> Tertiären Sektor<br />
<strong>Berlin</strong>s zwischen 1995 und 2005 die Zahl der Beschäftigten um 10 Prozent an, wohinge-<br />
gen sie in den übrigen Sektoren, gerade <strong>im</strong> Sekundären Sektor, abnahm. Die Bilanz der<br />
Gesamtbeschäftigtenentwicklung fällt so zwar für <strong>Berlin</strong> insgesamt negativ aus (-3,1 Pro-<br />
zent), wurde aber durch die positive Entwicklung des Dienstleistungssektors abgemildert.<br />
In <strong>Wien</strong> war die Zunahme an Beschäftigung <strong>im</strong> Dienstleistungsbereich mit knapp 18 Pro-<br />
zent ausgeprägter als in <strong>Berlin</strong>. Die Gesamtbeschäftigtenzahl entwickelte sich positiv,<br />
wenn auch mit einem Plus von 7,1 Prozent weniger stark. Auch hier kann dies auf den<br />
starken Stellenabbau <strong>im</strong> Sekundären Sektor zurückgeführt werden. In <strong>London</strong> entwickel-<br />
ten sich die Beschäftigtenzahlen <strong>im</strong> Dienstleistungssektor ähnlich wie in <strong>Wien</strong>. Die Zu-<br />
nahme der Beschäftigung <strong>im</strong> Dienstleistungssektor zwischen 1995 und 2005 betrug 17,3<br />
Prozent. Zieht man die anderen Wirtschaftszweige hinzu, ergibt sich für <strong>London</strong> insge-<br />
samt ein Beschäftigtenwachstum von 14,4 Prozent.<br />
4 Für <strong>London</strong> sind leider keine vergleichbaren Zahlen in der vorliegenden Studie ausgewiesen.<br />
2
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Generell zeigt sich mit Blick auf die Wirtschaftstruktur in den 27 Mitgliedsstaaten der EU ein<br />
deutlicher Trend hin zur Tertiarisierung der Wirtschaft. Besonders erfolgreich in Bezug auf<br />
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit zeigen sich dabei die Städte, in denen der<br />
Tertiarisierungsprozess besonders weit vorangeschritten ist und die eine starke Ausrichtung<br />
auf wissensintensive Dienstleistungssegmente (wie z. B. <strong>im</strong> Verkehrs-, Kommunikations-,<br />
Banken-, Versicherungs-, Forschungs-, Bildungs- und Mediensektor) mit hochwertigen Ar-<br />
beitsplätzen aufweisen und über gute Verknüpfungen zur High-Tech-Branchen verfügen.<br />
3
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
3 Blick über den Tellerrand 1: <strong>Wien</strong><br />
3.1 Strukturwandel und Arbeitsmarktentwicklung in <strong>Wien</strong> 5<br />
<strong>Wien</strong> war <strong>im</strong> letzten Jahrzehnt durch eine unterdurchschnittliche Arbeitsmarktentwicklung<br />
geprägt. Die Ursachen hierfür dürften mit dem massiven Strukturwandel zusammenhängen.<br />
Zwischen 1995 und 2007 ging die Zahl der Beschäftigten <strong>im</strong> sekundären Sektor um 32,7<br />
Prozent zurück. Gründe hierfür waren:<br />
a) Produktivitätszuwachs und damit einhergehender Stellenabbau<br />
b) Verlagerung von Unternehmen in das <strong>Wien</strong>er Umland<br />
c) Outsourcing von ehemals in Industrieunternehmen integrierte Dienstleistungsberei-<br />
che und -aufgaben<br />
Vor allem in industriellen Wirtschaftsbereichen, die lohnkosten- sowie kapitalintensiv sind,<br />
schrumpften die Beschäftigtenzahlen. Technologie- und wissensintensive Wirtschaftsberei-<br />
che blieben von der Beschäftigtenzahl her relativ konstant, wodurch diese in den letzten Jah-<br />
ren eine <strong>im</strong>mer höhere Bedeutung für die Wirtschaft erhielten.<br />
Im tertiären Sektor verlief die Entwicklung in eine ähnliche Richtung. Wissens- und technolo-<br />
gieintensive Beschäftigungsbereiche nahmen an Bedeutung zu. Allerdings spielen auch wei-<br />
terhin Dienstleistungsbereiche mit niedrigen Qualifikationsanforderungen, die der regionalen<br />
Versorgung dienen, eine bedeutende Rolle.<br />
Die Unternehmensstruktur zeigt sich in <strong>Wien</strong> als sehr dynamisch, wenn auch nicht durchweg<br />
positiv. So wurden zwischen 1996 und 2006 in <strong>Wien</strong> anteilsmäßig die zweitmeisten Unter-<br />
nehmen Österreichs gegründet. Allerdings überlebten nur 58 Prozent dieser Neugründungen<br />
die ersten sieben Geschäftsjahre. In Österreich insgesamt lag die Quote mit 63 Prozent fünf<br />
Prozentpunkte höher. Für den Arbeitsmarkt ergibt sich hieraus ein hoher Umschlag, der die<br />
steigende Arbeitslosenquote mit bedingt. Auffallend ist der Zuwachs an Langzeitarbeitslosig-<br />
keit, die zwischen 2001 und 2006 um 57,6 Prozent anstieg.<br />
Neben dem Strukturwandel kam es <strong>im</strong> letzten Jahrzehnt aber auch zu Änderungen der am<br />
Standort verfolgten Personalstrategie, die durch eine zunehmende Dynamisierung geprägt<br />
war. So werden in <strong>Wien</strong> jährlich über 60 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse neu aufge-<br />
nommen und gleichzeitig eine ähnlich hohe Zahl beendet. Hinzu kommt, dass so genannte<br />
atypische Beschäftigungsverhältnisse und formen in den Jahren zwischen 2003 und 2007<br />
um knapp zehn Prozent zugenommen haben.<br />
5 Vgl. hierzu auch das Papier von Bauer/ Bock-Schappelwein/ Huber 2009<br />
4
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Allgemein zeigen sich eine schlechte Entwicklung der Beschäftigungsquote, speziell für Älte-<br />
re, sowie ein <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong> mit anderen Stadtregionen schlechter Bildungsstand der Bevölke-<br />
rung.<br />
Im <strong>Vergleich</strong> zur Ostregion Österreichs und den Nachbarregionen der neuen EU-<br />
Mitgliedsstaaten ist <strong>Wien</strong> jedoch die Region mit der höchsten Wertschöpfung je Einwohner/-<br />
in. Darüber hinaus weist die Stadt <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong> mit ihren Nachbarregionen die höchste Quote<br />
<strong>im</strong> Bereich Forschung und Entwicklung auf und hat die am stärksten technologieorientierte<br />
Wirtschaftsstruktur. Hierdurch ist <strong>Wien</strong> international wie regional wettbewerbsfähig.<br />
3.2 <strong>Wien</strong>er Leitbild<br />
<strong>Wien</strong> hat in den Jahren 2000 und 2004 Strategiepapiere 6 vorgelegt, in denen dargelegt ist,<br />
wie <strong>Wien</strong> in seiner neuen geopolitischen Lage <strong>im</strong> Zentrum Mittel- und Osteuropas wettbe-<br />
werbsfähig gemacht werden kann und soll. Die beiden Papiere stellen quasi das Leitbild der<br />
Stadt <strong>Wien</strong> dar. Der Strategieplan 2004 baut auf dem ersten <strong>Wien</strong>er Strategieplan sowie auf<br />
Recherchen über Strategiepläne anderer europäischer Städte (beispielsweise Barcelona<br />
oder <strong>London</strong>) 7 , die etwa zeitgleich entstanden sind, auf. Daher basiert der neue Strategie-<br />
plan auf einigen Grundannahmen seines Vorgänger-Planes, gleichzeitig gibt es allerdings<br />
auch einige inhaltliche Neuerungen und Akzentverschiebungen <strong>im</strong> Hinblick auf die zukünftige<br />
strategische Ausrichtung der Stadt <strong>Wien</strong>. Akzentverschiebungen zeigen sich beispielsweise<br />
in Bezug auf Themen wie Verwaltungsmodernisierung, Nachhaltigkeit, Diversitätspolitik, Eu-<br />
ropapolitik und regionale Entwicklung, die <strong>im</strong> zweiten Strategiepapier wesentlich stärker ver-<br />
ankert sind und wie folgt begründet werden.<br />
Nach den Veränderungen der geopolitischen Lage am Beginn der 90er Jahre für die Stadt<br />
<strong>Wien</strong> waren ab Mitte der 90er Jahre neuerliche Änderungen der Rahmenbedingungen er-<br />
kennbar, die deutliche Auswirkungen auf die Entwicklung der Städte, auch auf <strong>Wien</strong>, hatten.<br />
Es waren dies die sprunghafte Entwicklung neuer Technologien, insbesondere <strong>im</strong> Telekom-<br />
munikationsbereich, geänderte Anforderungen an die Verkehrs- und Standortpolitik durch die<br />
bevorstehende Erweiterung der Europäischen Union sowie die Veränderung der Lebensstile<br />
und Arbeitswelt (Klotz 2005: 85).<br />
Die wirtschaftspolitische Strategie ist darauf ausgerichtet, <strong>Wien</strong> als Wirtschaftsmetropole <strong>im</strong><br />
südöstlichen Zentraleuropa (Stichwort: Drehscheibe zwischen Ost und West) zu positionie-<br />
ren und sich mit seinem Entwicklungsniveau unter den Top 10 Regionen der EU zu halten.<br />
6<br />
Strategiepapier 2000 Qualität verpflichtet Innovationen für <strong>Wien</strong>; Strategiepapier 2004 Strategieplan<br />
für ein erweitertes Europa.<br />
7<br />
Vgl. Bauer, Dr. Werner T./ Berger, Mag. Theresia/ Höferl, Dr. Andreas/ Huber, Mag Michael David<br />
(2006): Zukunft der Städte Europas. Zukunftsprogramme großer europäischer Städte und ihre Relevanz<br />
für <strong>Wien</strong>. <strong>Wien</strong>.<br />
5
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Im <strong>Vergleich</strong> zum angrenzenden osteuropäischen Raum sieht sich <strong>Wien</strong> selbst aufgrund<br />
des hohen Anteils an Dienstleistungen und dem gegebenen Stand an Infrastruktur als<br />
Hochkostenstandort (vgl. Strategieplan 2004: 49). Deshalb müsse die Wirtschaftsstrategie<br />
auf eine erhöhte Qualität sowohl bei Produkten und Dienstleistungen als auch bei den Hu-<br />
manressourcen und <strong>im</strong> F&E-Bereich sowie auf den Ausbau der Exporte ausgerichtet sein<br />
(ebd.). Hierbei kann und will <strong>Wien</strong> nicht die Konzentration auf Leitsektoren forcieren, denn<br />
<strong>im</strong> Unterschied zu einigen anderen europäischen Großstädten ist die <strong>Wien</strong>er Wirtschafts-<br />
struktur nicht von eindeutigen Leitsektoren best<strong>im</strong>mt. [ ] Pr<strong>im</strong>är ergibt sich aus der<br />
Diversität und Kleinteiligkeit der <strong>Wien</strong>er Wirtschaft in Kombination mit der einzigartigen<br />
geopolitischen Lage die Sinnhaftigkeit einer funktionalen Spezialisierung als Drehscheibe<br />
zwischen Ost und West innerhalb eines breiten Sektorenbündels (ebd. 50). Trotzdem wird<br />
ergänzend auf eine Spezialisierung in jenen Teilbereichen nicht verzichtet (Clusterstrate-<br />
gien), in denen sich <strong>Wien</strong> aufgrund lokaler und regionaler Stärken Vorteile auf internatio-<br />
naler Ebene ausrechnet.<br />
Daneben gilt der Entwicklung des Faktors Lebensqualität ein hoher Stellenwert. Ziel ist es<br />
eine hohe Qualität der Daseinsvorsorge zu erhalten und auszubauen. Dabei möchte <strong>Wien</strong><br />
als Qualitätsstandort allen Bürgerinnen und Bürgern gleichberechtigten Zugang zu wichtigen<br />
Dienstleistungen und Einrichtungen, Versorgungssicherheit gewährleisten u. a. durch den<br />
Erhalt und Ausbau folgender Dienstleistungsbereiche: Energie, Wasser, Abwasser, Müllent-<br />
sorgung, Bildung, Kultur, medizinische und soziale Leistungen sowie öffentlicher Verkehr.<br />
3.3 Arbeitsmarktpolitik<br />
Vorrausschauende Arbeitsmarktpolitik ist ein Aspekt, der in den Strategiepapieren <strong>Wien</strong>s<br />
als wichtiger Wirtschafts- und Entwicklungsfaktor für den Standort verankert ist. Diese zeich-<br />
net sich für <strong>Wien</strong> dadurch aus, dass sie mit der Entwicklung der Wissensgesellschaft abge-<br />
st<strong>im</strong>mt ist/ wird. Beschäftigungszuwächse erwartet <strong>Wien</strong> zukünftig vor allem bei den Markt-<br />
dienstleistern sowie <strong>im</strong> Bereich der neuen Technologien. Durch den Strukturwandel wer-<br />
den Verbesserungen in der Wirtschaftsstruktur und weitere Produktivitätsgewinne erwartet.<br />
Allerdings zeigt sich ein Miss-Match zwischen nachgefragten und angebotenen Qualifizie-<br />
rungen mit den Folgen hoher Langzeitarbeitslosigkeit, hoher Arbeitslosigkeit Älterer, aber<br />
auch Jüngerer sowie einer Zunahme instabiler Beschäftigungsverhältnisse. Ein Arbeits-<br />
marktpolitisches Mittel zur Bekämpfung der vorhandenen Probleme stellt der <strong>Wien</strong>er Arbeit-<br />
nehmerInnen Förderfonds (WAFF) dar. Im Zuge von WAFF werden repräsentative Befra-<br />
gungen zum Bedarf an Arbeitskräften und Qualifikationen erhoben. In Kooperation mit dem<br />
Arbeitsmarktservice wird eine Vielzahl von Maßnahmen zur Arbeitsintegration durchgeführt.<br />
Die aktiven Maßnahmen zielen dabei auf eine Steigerung der Anpassungsfähigkeit der Ar-<br />
beitskräfte durch Qualifizierung, Verhinderung der Arbeitslosigkeit durch rechtzeige Umschu-<br />
lungsmaßnahmen und Steigerung der Erwerbschancen durch zielgruppenspezifische Ver-<br />
mittlungs- und Empowerment-Aktivitäten (Arbeitsstiftungen, gemeinnützige Arbeitskräfte-<br />
überlassung wie Flexwork, direkte Vermittlungsaktivitäten). Berufliche Mobilität wird durch<br />
6
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
eine Internet-Datenbank für Ausbildungsmöglichkeiten, Beratung bis hin zur finanziellen Un-<br />
terstützung von Aus- und Weiterbildung gefördert. WAFF führt darüber hinaus auch Initiati-<br />
ven mit den Schwerpunkten regionale Entwicklung und Standortförderung durch (Personal-<br />
entwicklung, Abwicklung von EU-Programmen, territoriale Beschäftigungspakete).<br />
Desweiteren gibt es <strong>im</strong> Zuge von WAFF und auch darüber hinaus noch weitere Maßnahmen,<br />
durch die die Arbeitsmarktpolitik gefördert werden soll. Ein <strong>im</strong> Kontext der Pflegenden<br />
Dienstleistungen spannendes Projekt stellt dabei EQUAL Der Dritte Sektor in <strong>Wien</strong> dar.<br />
Unter dem Dritten Sektor werden alle Bereiche verstanden, die zu den Non-Profit-<br />
Organisationen zählen: u. a. Wohlfahrtsverbände, Alten- und Pflegehe<strong>im</strong>e, Jugendzentren,<br />
Sport- und Hobbyvereine oder auch Initiativen und Projekte. Aufgrund seiner Innovationsdy-<br />
namik weist der Dritte Sektor ein kaum erforschtes und brachliegendes Beschäftigungspo-<br />
tenzial auf. Normalarbeitsverhältnisse stehen einer großen Zahl atypischer Beschäftigungs-<br />
verhältnisse gegenüber. Um die Qualität der Arbeitsverhältnisse zu verbessern und die Zahl<br />
der Arbeitsverhältnisse zu erhöhen, sind eine Reihe von Forschungs- und Entwicklungsar-<br />
beiten notwendig. Ziel ist eine umfassende Dokumentation und Analyse des Dritten Sektors<br />
vorzunehmen und darauf aufbauend Unterstützungskonzepte zu dessen umfassender Wei-<br />
terentwicklung zu konzipieren.<br />
3.4 <strong>Wien</strong>er Wirtschaftspolitik 8<br />
In 2001 wurde der <strong>Wien</strong>er Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) gegründet, der<br />
zur Aufgabe hat, für <strong>Wien</strong> relevante Wirtschaftscluster zu etablieren und diese zu fördern.<br />
Ebenso werden durch den Fonds Förderschwerpunkte auf die Bereiche Wissenschaft, inter-<br />
nationale Excellenz in der Forschung und die Förderung des Bereichs Forschung und Ent-<br />
wicklung der Unternehmen gelegt. Auf der Basis von Studien, die vom WWTF initiiert wurden<br />
sowie intensivem Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wurden seit 2000<br />
einzelne Wirtschaftscluster etabliert. Die Cluster werden durch Calls, die vom WWTF ausge-<br />
schrieben werden, entwickelt. Das Zentrum für Innovations- und Technologieförderung (ZIT),<br />
gegründet in 2004, betreut die Umsetzung der geförderten Forschungsprojekte und ist Bin-<br />
deglied zwischen Unternehmen und Forschungsaktivitäten. Die in <strong>Wien</strong> initiierten For-<br />
schungsaktivitäten sind:<br />
a.) Life Science<br />
Es gibt 93 Forschungsgruppen in der Vienna Region, die <strong>im</strong> Cluster Life Science tätig<br />
sind. Die Ausstattung mit Venture Capital stellt ein Problem dar: Die zwei existierenden<br />
Fonds sind von ihrer finanziellen Ausstattung unzureichend 9 . 75 Prozent der geförderten<br />
8 Vgl. hierzu auch DIW 2009: Anhang 3.<br />
9 Vgl. Evaluationsstudie zum Cluster Life Science; durchgeführt durch Technopolis und Frauenhofer<br />
ISI <strong>im</strong> Jahr 2006<br />
7
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Biotechnologieunternehmen sind der roten Biotechnologie (z. B. Onkologie, Immunolo-<br />
gie und Entzündungsreakionen, Infektiologie, Neurobiologie) zuzurechnen.<br />
b.) Automotive<br />
Das Automotive Cluster gehört mit dem Life Science Cluster zu den ältesten Wirtschafts-<br />
schwerpunkten in <strong>Wien</strong>. Der Automotive Cluster Vienna Region (Abkürzung: ACVR; Ko-<br />
operation zwischen <strong>Wien</strong>, dem Burgenland und Niederösterreich) ist ein virtuelles Netz-<br />
werk zum Austausch innovativer Unternehmen in der Automobilindustrie (www.acvr.at).<br />
Ziel des ACVR ist es, Regionen und Betriebe über inhaltliche Themen miteinander zu<br />
vernetzen. In der Region sind vor allem Querschnittstechnologien vorhanden. Neben der<br />
klassischen Automobilzulieferindustrie gibt es Elektronik- und Telematik-Betriebe, For-<br />
schungs-, Entwicklungs- und Bildungseinrichtungen sowie diverse unternehmensnahe<br />
Dienstleister. Der AVCR reicht über Österreichs Grenzen nach Tschechien, in die Slowa-<br />
kei und nach Ungarn hinein.<br />
c.) Creative Industries<br />
Das Cluster Creative Industries wird von der Stadt <strong>Wien</strong> gezielt gefördert und durch die<br />
Serviceagentur inhaltlich und organisatorisch unterstützt. 2003 gab es in den Creative<br />
Industries 107.000 Arbeitsplätze, davon 93.000 sozialversicherungspflichtige. Das krea-<br />
tive Potenzial, festgelegt aufgrund der Anzahl an vorhandenen Unternehmen, liegt in<br />
<strong>Wien</strong> mit 15 Prozent sechs Prozentpunkte über dem in Österreich insgesamt. Hierauf<br />
wird von Seiten der Wirtschaftsförderung aufgebaut. Der Bereich weist zudem eine hohe<br />
Dynamik auf und trägt damit zur Verringerung der Arbeitsmarktproblematik bei. Das Clus-<br />
ter bildet so für die <strong>Wien</strong>er Wirtschaft einen wichtigen Unternehmens- und Jobinkubator.<br />
Zugleich ist er durch große Heterogenität betrieblicher Wachstumsprozesse und Turbu-<br />
lenzen auf dem Arbeitsmarkt geprägt. Zwar entstehen <strong>im</strong>mer wieder neue Arbeitsplätze,<br />
aber nur 75 Prozent der Unternehmen überleben das erste Geschäftsjahr. Nach drei Jah-<br />
ren sind sogar nur 42 von vormals 100 geschaffenen Arbeitplätzen übrig.<br />
Zudem zeigt sich wie in <strong>Berlin</strong> auch eine hohe Heterogenität der Branche. Sie besteht<br />
zum einen aus den Bereichen Software-Mult<strong>im</strong>edia-Internet, Werbung, Museen und Bib-<br />
liotheken, die alle eine positive Dynamik aufweisen. Zum anderen setzt sich der Bereich<br />
aus den Wirtschaftssegmenten Grafik-Mode-Design sowie dem audiovisuellen Bereich<br />
zusammen. Diese waren und sind von der Krise der <strong>Wien</strong>er Bekleidungsindustrie bzw.<br />
dem Beschäftigungsabbau <strong>im</strong> Bereich Rundfunk- und Fernsehgeräteproduktion stark be-<br />
troffen.<br />
d.) Informations- und Kommunikationstechnologie<br />
Das Cluster befindet sich seit 2008 in der Aufbauphase.<br />
8
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
3.5 Weiterbildungsaktivitäten<br />
Anhand des EU-Strukturindikators Lebenslanges Lernen 10 wird die Weiterbildungsbeteili-<br />
gung der Bevölkerung in den Alterskohorten zwischen 25 und 64 Jahre EU-weit gemessen.<br />
Erklärtes Ziel der EU ist es, dass EU-weit bis 2010 durchschnittlich 12,5 Prozent der betrach-<br />
teten Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahre lernaktiv, d. h. regelmäßig mit Aus- und Wei-<br />
terbildung beschäftigt ist (vgl. Lassnigg/ Vogtenhuber 2008: 25 f.).<br />
In Österreich liegt die Lernbeteiligung bereits leicht über der anvisierten Zielgröße: 2007 wa-<br />
ren 12,8 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahre weiterbildungsaktiv. Der Anteil<br />
der Frauen in Weiterbildung war dabei mit 14 Prozent höher, als der der Männer mit durch-<br />
schnittlich 11,6 Prozent. Die Weiterbildungsbeteiligung in Österreich liegt über der in<br />
Deutschland (Durschnitt 2007: ca. 8 Prozent), aber auch deutlich unter der in England (Dur-<br />
schnitt 2006: über 25 Prozent) (vgl. ebd.).<br />
Trotz dieser positiven Weiterbildungstendenz in Österreich, scheinen Defizite <strong>im</strong> Bereich der<br />
von Unternehmensseite angebotenen Weiterbildungsaktivitäten zu bestehen, wie die Aus-<br />
wertungen für <strong>Wien</strong> zeigen. Die Weiterbildungsdynamik <strong>Wien</strong>er Unternehmen ist, trotz feh-<br />
lender Fachkräfte und festgestellter Qualifikationsmängel, unter den Beschäftigten gering. Im<br />
Zeitraum zwischen 2005 und 2007 förderten nicht einmal die Hälfte der <strong>Wien</strong>er Unternehmen<br />
Weiterbildungen ihrer Beschäftigten. Die Weiterbildungsaktivität ist vor allem abhängig von<br />
der Unternehmensgröße, der Bestandsdauer des Unternehmens, der Innovations- und In-<br />
vestitionstätigkeit sowie der Einstellungsaktivitäten. Trainingsmaßnahmen werden zudem<br />
eher für spezifische Qualifikationen angeboten und nicht für Engpassfaktoren (vgl. Bauer/<br />
Bock-Schappelwein/ Huber 2009: 5).<br />
Zudem zeigt sich, n<strong>im</strong>mt man eine Auswertung der österreichischen Mikrozensusdaten der<br />
Jahre 2005 bis 2007 vor, dass die Weiterbildungsbeteiligung in Österreich genau wie in<br />
Deutschland stark von der beruflichen Stellung abhängig ist. So nehmen Beschäftigte in<br />
hochqualifizierten und führenden Tätigkeiten, die sich beruflich weiterbilden, mit 15 Prozent<br />
am stärksten an Weiterbildung teil. Von den Personen in Hilfs- sowie angelernten Tätigkeiten<br />
nehmen hingegen nur drei Prozent an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen teil (vgl.<br />
Lassnigg/ Vogtenhuber 2008: 39).<br />
Hinzu kommen deutliche Unterschiede in der Weiterbildungsbeteiligung nach Wirtschaftsbe-<br />
reichen. Innerhalb des Dienstleistungssektors finden sich dabei sowohl die Branchen mit den<br />
niedrigsten (Gaststättenwesen sowie Private Haushalte: zwei Prozent Weiterbildungsbeteili-<br />
gung) als auch höchsten Weiterbildungsbeteiligungsraten (Unterrichtswesen: 20 Prozent;<br />
Gesundheits- und Sozialwesen: 14 Prozent; Kredit und Versicherungswesen: 13 Prozent)<br />
(vgl. ebd. 40). Allerdings ist anzumerken: Während in der Mehrheit der Branchen des produ-<br />
10<br />
Der EU-Strukturindikator Lebenslanges Lernen misst den Anteil der 25 bis 64-jährigen Bevölkerung,<br />
die in den letzten vier Wochen vor der Befragung an einer formalen (Erst-)Ausbildung oder an<br />
einer nicht formalen beruflichen bzw. privaten Weiterbildung teilgenommen haben und setzen diesen<br />
Anteil mit der Gesamtzahl der Bevölkerung dieser Altersgruppe in Beziehung. Anvisiertes Ziel ist es,<br />
dass bis 2010 <strong>im</strong> EU-Durchschnitt 12,5 Prozent der Erwachsenen dieser Altersgruppe lernaktiv sind.<br />
9
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
zierenden Gewerbes die Weiterbildungsbeteiligung zwischen 1999 und 2005 gestiegen ist,<br />
sank sie in vielen Bereichen des Dienstleistungssektors, so etwa <strong>im</strong> Einzel- und Großhandel<br />
und <strong>im</strong> Beherbergungs- und Gaststättenwesen (vgl. Lassnigg/ Vogtenhuber 2008: 52 f.).<br />
10
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
3.6 Leitfragen <strong>Wien</strong><br />
Dienstleistungen allgemein<br />
Wie und wodurch definiert sich <strong>Wien</strong> als Dienstleistungsmetropole? Bitte skizzieren<br />
sie dies kurz.<br />
In welchen Dienstleistungsbereichen werden spezielle Wachstumschancen gesehen?<br />
• Wirtschaftlich?<br />
• Beschäftigungspolitisch?<br />
Was sind aktuelle Trends und Entwicklungsstrategien für den Dienstleistungssektor in<br />
<strong>Wien</strong>?<br />
In Deutschland werden viele Dienstleistungsberufe als Berufe <strong>im</strong> Schatten bezeichnet.<br />
Leitbild<br />
• Welches Ansehen haben Dienstleistungen (speziell personennahe/ pflegende/<br />
einfache Dienstleistungen) in <strong>Wien</strong>?<br />
• Gibt es spezielle Maßnahmen um den Ruf best<strong>im</strong>mter Dienstleistungsberufe<br />
(speziell Pflegende Dienstleistungen) zu verbessern (z. B. Verbesserung<br />
der Arbeitsbedingungen/ Entlohnung, Imagekampagnen etc.)<br />
Die Förderung der Wirtschaft (entlang der Clusterstrategie) hat <strong>im</strong> Leitbild <strong>Wien</strong>s hohe<br />
Priorität.<br />
Lebensqualität<br />
• Wie würden sie den Einfluss des Dienstleistungssektors auf die Wirtschaftskraft<br />
<strong>Wien</strong>s beschreiben?<br />
• Welche Rolle spielt der Dienstleistungssektor in der betriebenen Clusterpolitik?<br />
• Welchen Stellenwert haben medizinische Dienstleistungen (Pflege, medizinische<br />
Versorgung, Handel mit medizinischen Produkten etc.) innerhalb des<br />
Clusters Life Science?<br />
Dienstleistungen tragen einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherung von Lebensqualität.<br />
11
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
• Welche Dienstleistungsbereiche sind in <strong>Wien</strong> für die Sicherung von Lebensqualität<br />
besonders wichtig?<br />
• Gibt es spezielle Förderungsstrategien für diese Bereiche? (speziell auch Pflegende<br />
Dienstleistungen?)<br />
• Welchen Stellenwert hat die Tourismuswirtschaft für die Metropole? Wodurch<br />
zeigt er sich?<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
Das Humankapital der Beschäftigten wird in Europa vielfach als höchstes Gut bezeichnet.<br />
Wie äußert sich dies in <strong>Wien</strong> politisch?<br />
• Welchen Stellenwert hat Aus- und Weiterbildung <strong>im</strong> Dienstleistungssektor<br />
(speziell in den Pflegenden Dienstleistungen) in <strong>Wien</strong>? (exemplarische Beispiele/<br />
Initiativen)<br />
• Wie haben sich Bildungsanbieter hierauf eingestellt?<br />
• Was sind zukünftige An- und Herausforderungen für Bildungsdienstleister?<br />
• Welche Strategien werden konkret angewandt, um Geringqualifizierte stärker<br />
an Aus- und Weiterbildung zu beteiligen?<br />
• Gibt es in <strong>Wien</strong> spezielle Maßnahmen, um einem (zukünftigen) Fachkräftemangel<br />
<strong>im</strong> Bereich der Pflegenden Dienstleistungen entgegenzuwirken?<br />
Forschung und Entwicklung<br />
Forschung und Entwicklung haben einen hohen Einfluss auf Qualität und Innovationsfähigkeit<br />
von Produkten und Dienstleistungen.<br />
• Gibt es in <strong>Wien</strong>/ Österreich Forschungsansätze für den Dienstleistungssektor?<br />
(speziell pflegende Dienstleistungen/ personennahe Dienstleistungen)<br />
• Gibt es spezielle Forschungsschwerpunkte zu den Entwicklungschancen und<br />
Entwicklungspotenzialen des personenzentrierten Teil der Gesundheitswirtschaft<br />
(der pflegenden Dienstleistungen)?<br />
12
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
4 Blick über den Tellerrand 2: <strong>London</strong><br />
4.1 Strukturwandel und Arbeitsmarktentwicklung in <strong>London</strong><br />
<strong>London</strong> ist wirtschaftlich ein Global Player, gerade aufgrund der starken Ausprägung des<br />
Finanz- und Investmentsektors sowie der wissensintensiven unternehmensnahen Dienstleis-<br />
tungen. Dies hat auch Einfluss auf die Beschäftigten- und Bevölkerungsstruktur der Stadt:<br />
Sie ist vermehrt geprägt durch junge, gut ausgebildete Arbeitnehmer/-innen aus dem gesam-<br />
ten europäischen Raum, die aufgrund der guten Arbeitsmöglichkeiten in die Stadt strömen.<br />
Die hinzuströmenden jungen high-skilled workers ersetzen überproportional ältere Einwoh-<br />
ner/-innen, Beschäftigte als auch solche <strong>im</strong> Rentenalter, sowie junge Familien, die vor allem<br />
aufgrund der übermäßig gestiegenen Lebenshaltungskosten in den suburbanen Großraum<br />
um <strong>London</strong> ziehen. Gleichzeitig zeigt sich <strong>London</strong> <strong>im</strong>mer stärker als Stadt der Gegensätze:<br />
Einer großen Zahl junger, gut verdienender und hochqualifizierter Einwohner steht eine hohe<br />
Zahl Arbeitsloser (2003: 16 Prozent) gegenüber. Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen<br />
(inkl. Nicht Erwerbstätiger, die aber nicht als arbeitslos gelten) zwischen 1995 und 2008,<br />
unterschieden nach Männern und Frauen, kann den beiden folgenden Grafiken entnommen<br />
werden. In 2008 lag die Beschäftigungsquote der männlichen Bewohner <strong>London</strong>s bei rund<br />
78 Prozent, die der Frauen hingegen nur bei etwas mehr als 64 Prozent. Diese Zahlen liegen<br />
deutlich unter dem <strong>im</strong> England gemessenen Durschnitt sowohl für Männer als auch Frau-<br />
en. 11 Die geringe Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt wird maßgeblich auf das Fehlen<br />
ausreichend vorhandener Teilzeitjobs sowie Betreuungsmöglichkeiten zurückgeführt.<br />
11 Die folgenden Grafiken sind entnommen aus: Greater <strong>London</strong> Authority (2009): Economic Evidence<br />
Base October 2009 version, <strong>London</strong>. S. 99ff.<br />
13
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Die Gründe hierfür werden auf mehre Faktoren zurückgeführt. Problematisch wird die große<br />
Anzahl an Personen ohne berufliche Qualifikation (645.000 <strong>London</strong>er/innen <strong>im</strong> arbeitsfähi-<br />
gen Alter) gesehen, für die es in der Stadt kein ausreichendes Arbeitsplatzangebot gibt. So<br />
kommen auf ein Jobangebot, das keine beruflichen Qualifikationen voraussetzt, drei potenti-<br />
elle Bewerber/-innen. Englandweit liegt der Durchschnitt bei 1 zu 2,3. Als weiterer Faktor<br />
wird das unterdurchschnittliche Auftreten von Jobs in durchschnittlichen Einkommens- und<br />
14
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Qualifikationsbereichen genannt. Dies führe dazu, dass auch Beschäftigte mit höheren Ab-<br />
schlüssen, sich auf Jobs mit niedrigen Qualifikationen bewerben müssen und die Konkurrenz<br />
um diese Jobs hierdurch steigt. Als dritter Faktor wird der höhere Anteil solcher Bevölke-<br />
rungsgruppen aufgeführt, die generell von Arbeitslosigkeit stärker betroffen sind, wie z. B.<br />
alleinstehende Eltern, ethnische (afrikanische/ asiatische) Minderheiten (vgl. Greater <strong>London</strong><br />
Authority 2009: 99ff.).<br />
Die Einkommensschere ist darüber hinaus in <strong>London</strong> besonders stark ausgeprägt: die 20<br />
Prozent Einkommensstärksten verdienen sieben Mal soviel wie die untersten 20 Prozent.<br />
Das ist mehr als <strong>im</strong> englandweiten Durchschnitt, wo der Unterschied zwischen diesen beiden<br />
Einkommensgruppen nur fünf Mal höher liegt.<br />
Darüber hinaus hat sich die Beschäftigungsstruktur in den letzten Jahrzehnten deutlich ver-<br />
ändert. Der Anteil der Beschäftigten <strong>im</strong> produzierenden Gewerbe sank von 23 Prozent <strong>im</strong><br />
Jahr 1971 auf gerade mal fünf Prozent <strong>im</strong> Jahr 2007. Der Dienstleistungssektor legte demzu-<br />
folge deutlich an Bedeutung zu: Bereits 2003 wurden 85 Prozent der Bruttowertschöpfung<br />
<strong>London</strong>s in diesem Sektor erwirtschaftet, in dem mehr als 90 Prozent aller Beschäftigten<br />
arbeiteten. Der wirtschaftliche Output der Stadt lag <strong>im</strong> Jahr 2007 bei 251 Mrd. Pfund. Die<br />
Wirtschaftsleistung liegt damit mehr als dre<strong>im</strong>al so hoch wie die <strong>Berlin</strong>s und übersteigt die<br />
gesamtwirtschaftliche Leistung ganz Österreichs (vgl. Mayor of <strong>London</strong> 2009: 21). Geprägt<br />
wurde das Wachstum an Wertschöpfung und Beschäftigung vor allem durch den Wirtschafts-<br />
und Finanzbereich. Zudem stieg <strong>London</strong>s Bedeutung für die Kultur- und Kreativwirtschaft<br />
sowie als Stadt des Tourismus weiter an. Personennahe Dienstleistungen und Handel sind<br />
trotz allem die maßgeblichen Beschäftigungsquellen der Stadt: Rund die Hälfte der 4,68<br />
Mio. Beschäftigten <strong>London</strong>s sind in Bereichen tätig, die zum Gesundheits- und Sozialwesen,<br />
dem Bereich Erziehung und Unterricht, dem Handel oder dem Kultur- und Tourismusbereich<br />
zählen (vgl. ebd.). Diesen Bereichen wird ein weiterhin gutes Wachstumspotenzial voraus-<br />
gesagt, unter der Prämisse, dass in den nächsten 20 Jahren die Zahl der Einwohner/-innen<br />
<strong>London</strong>s noch einmal um prognostizierte 1,3 Mio. steigt (in 2008 lebten rund 7,6 Mio. Men-<br />
schen in <strong>London</strong>). Das Gesundheits- und Sozialwesen stellt dabei den Sektor mit den meis-<br />
ten Beschäftigten dar. Zweitstärkster Beschäftigungssektor ist der Bereich Handel gefolgt<br />
von Dienstleistungen rund um den Bereich Finanzen. Zusammen machen sie mehr als ein<br />
Fünftel aller Beschäftigten <strong>London</strong>s aus.<br />
15
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Table 1: Employees in <strong>London</strong> by sector 2007<br />
Sector No of jobs % in Inner<br />
16<br />
<strong>London</strong><br />
Health and social work 386,000 50 50<br />
Retail excluding motor vehicles 367,000 46 54<br />
Financial intermediation 326,000 86 14<br />
Transport, storage and communication 303,000 44 56<br />
Education 302,000 47 53<br />
Hotels and restaurants 291,000 64 36<br />
Other community, social and personal service<br />
ctiveties<br />
Public administration and defence; compulsory social<br />
security<br />
291,000 64 36<br />
225,000 60 40<br />
Other business services not elsewhere in table 206,000 62 38<br />
Manufacturing 183,000 46 54<br />
Labour recruitment and provision of personnel 162,000 61 39<br />
Wholesale 157,000 41 59<br />
Construction 122,000 34 66<br />
Computer and related activities 113,000 64 36<br />
Industrial cleaning 108,000 55 45<br />
Business and management consultancy activities 97,000 77 23<br />
Real estate activities 95,000 66 34<br />
Legal activities 94,000 86 14<br />
% in Outer<br />
<strong>London</strong>
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Accounting and related activities 66,000 78 22<br />
Architectural, engineering and related activities 64,000 74 26<br />
Sale and repair of motor vehicles, and related<br />
ctiveties<br />
17<br />
41,000 23 77<br />
Advertising 35,000 81 19<br />
Renting of machinery and equipment 17,000 32 68<br />
Research and development 14,000 64 36<br />
Agriculture, fishing, mining and utilities 13,000 60 40<br />
Total 4,079,000 58 42<br />
Source data: ABI 2007. Notes: data above cover employees only. In 2007 there were in addition 608,000 self-<br />
employed people (Labour Force Survey). Sector figures may not sum up to total due to rounding. Inner <strong>London</strong> is<br />
defined here as the boroughs of Camden, Greenwich, Hackney, Hammersmith and Fulham, Islington, Kensington<br />
and Chelsea, Lambeth, Lewisham, Southwark, Tower Hamlets, Wandsworth, Westminster and the City of Lon-<br />
don. Outer <strong>London</strong> is defined as all other <strong>London</strong> boroughs.<br />
Die positive Entwicklung der Beschäftigung wurde durch eine Zunahme an Flexibilisierung<br />
und Outsourcing begleitet, die maßgeblich zur Verringerung fester Beschäftigungsverhältnis-<br />
se und zur Erhöhung der Zahl der selbständig Tätigen führten (vgl. Thom/Convery 2003:<br />
9ff.). Dies führt mit zu einem <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong> zum englandweiten Durchschnitt überpropor-<br />
tionalen Anteil an Einwohner/-innen, die von Einkommensarmut betroffen sind.
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
4.2 <strong>London</strong>er Leitbild<br />
In <strong>London</strong> wechselte die Regierung in 2008: der seit 2000 regierende Labour-Party-Politiker<br />
Livingston wurde durch Boris Johnson von den Conservatives abgelöst. Ein aktueller Strate-<br />
gieplan der neuen Regierung wurde vor kurzem veröffentlicht und zur öffentlichen Debatte<br />
freigegeben. Änderungen in Bezug auf konkrete politische Handlungsfelder scheinen sich<br />
durch den Regierungswechsel nicht zu ergeben. Gerade in Bezug auf Weiterbildung scheint<br />
die Politik fortgesetzt zu werden. In Bezug auf den Dienstleistungssektor sind folgende Punk-<br />
te des Strategieplans der neuen Regierung von besonderem Interesse:<br />
1.) Stärkere Förderung von Innovationen (gerade in KMU) und hybriden Wertschöp-<br />
fungsketten über Branchengrenzen hinweg sowie stärkere Verknüpfung zwischen<br />
Wirtschaft und Wissenschaft<br />
2.) Verbesserung der Gesundheitsversorgung bzw. Verbesserung des Zugangs zum<br />
Gesundheitssystem für benachteiligte Personengruppen<br />
3.) Verbesserung des Bildungsangebots und der Bildungschancen sowohl <strong>im</strong> Schul- als<br />
auch Erwachsenenbildungsbereich<br />
4.) Stärkerer Abgleich des Qualifizierungsangebots mit Markterfordernissen<br />
5.) Ausbau des Sport-, Kultur- und Freizeitangebots<br />
6.) Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen auch in Bezug auf Wirtschaftskr<strong>im</strong>inalität<br />
18
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
7.) Forcierung von Forschung, Entwicklung sowie Nutzung umweltschonender Energie-<br />
quellen<br />
4.3 Arbeitsmarktpolitik<br />
Siehe hierzu die Ausführungen unter Weiterbildung.<br />
4.4 <strong>London</strong>er Wirtschaftspolitik<br />
<strong>London</strong> scheint in Punkto Standortattraktivität keine Probleme zu haben, muss sich für be-<br />
st<strong>im</strong>mte Wirtschaftsbereiche so wie etwa <strong>Wien</strong> oder <strong>Berlin</strong> nicht (noch) als attraktiver<br />
Standort etablieren. Deshalb drehte sich <strong>im</strong> Gegensatz zu <strong>Wien</strong> und <strong>Berlin</strong>, in denen Clus-<br />
terstrategien die Wirtschaftspolitik best<strong>im</strong>men die Wirtschaftspolitik in <strong>London</strong> in den letz-<br />
ten Jahren eher um konkrete geografische Ansiedlungsstrategien. Es wurde versucht Un-<br />
ternehmenszuwächse geografisch günstig in den sechs Wirtschaftsarealen 12 , in die <strong>London</strong><br />
unterschieden wird, anzusiedeln. Zum einen will die Stadt damit dem zunehmenden Platz-<br />
mangel entgegenwirken, andererseits wichtige Beschäftigungs<strong>im</strong>pulse in best<strong>im</strong>mten Regi-<br />
onen der Stadt geben, wo (aufgrund des Wegbrechens der industriellen Beschäftigungssek-<br />
toren) eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht 13 .<br />
4.5 Mindestlohn<br />
In Großbritannien gibt es seit 1999 einen nationalen Mindestlohn. Er gilt für alle Wirtschafts-<br />
bereiche bzw. Branchen und ist einheitlich geregelt. Es gibt drei Mindestlohnstufen, die sich<br />
nach dem Alter staffeln. Nach der aktuellen Erhöhung der Mindestlöhne zum 01. Oktober<br />
2009 sieht die Staffelung wie folgt aus: Der Mindestlohn für Arbeitnehmer/-innen <strong>im</strong> Alter von<br />
mindestens 22 Jahren ist von £ 5,73 auf £ 5,80 (rund 6,70 ) pro Stunde gestiegen. 18-21-<br />
Jährige erhalten nun mindestens £ 4,83 (ca. 5,50 ). 16- und 17-Jährige erhalten einen<br />
Stundenlohn von mindestens £ 3,57 (ca. 4,30 ). 14<br />
Als Problematisch gestaltet sich allerdings die Durchsetzung des Nationalen Mindestlohns,<br />
da dieser nicht verpflichtend ist. Vor allem in nicht gewerkschaftlich organisierten Unterneh-<br />
men wird die Zahlung der Mindestlöhne nicht eingehalten. Trotzdem profitieren rund eine<br />
12<br />
In dem Papier werden als <strong>London</strong>er Areale benannt: Central/ Northern/ Eastern/ South-Eastern/<br />
South-Western und Western <strong>London</strong><br />
13<br />
Vgl. hierzu Mayor of <strong>London</strong> (2005): 17 ff.<br />
14<br />
Allerdings ist auch das „ accomodation offset“ um fünf Pence auf £ 4,51 pro Tag angehoben worden. Das<br />
„ accomodation offset“ ist der Betrag, den ein Arbeitgeber vom Mindestlohn abziehen kann, wenn er dem/der<br />
Arbeitnehmer/in die Unterkunft stellt (vgl. hierzu Vereinigung der Handelskammern Niedersachsen: Außenwirtschaftsnews<br />
6/09).<br />
19
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Mio. gewerkschaftstariflich nicht abgedeckte Arbeitnehmer/-innen in Großbritannien von der<br />
Einführung des Mindestlohns bzw. dessen regelmäßiger Erhöhung. Auch zeigte sich, dass<br />
die z. T. prognostizierten Jobverluste aufgrund der Einführung des Mindestlohns nicht einge-<br />
treten sind: Entgegen der Prognose des Bunds der britischen Wirtschaft (Pendant zum BDI),<br />
der mehr als zwei Mio. Jobverlusten sowie steigende Inflation und Zinsen vorhersagte, konn-<br />
te bis zum Einsetzen der internationalen Wirtschaftskrise die Inflation in Großbritannien ver-<br />
ringert und ein Beschäftigungswachstum von zwei Prozent verzeichnet werden, der vor allem<br />
aus Beschäftigtenzuwächsen in den Niedriglohnsektoren wie Einzelhandel, Friseurhand-<br />
werk, Pflege und Kinderbetreuung hervorgingen (vgl. hierzu ver.di 2009: 7).<br />
Nach einer aktuellen Untersuchung der <strong>London</strong> School of Economics haben die britischen<br />
Unternehmen in dreifacher Weise auf die Einführung des Mindestlohns reagiert: Zum einen<br />
kam es in vielen Branchen zu einer spürbaren Erhöhung der Produktivität, womit bereits ein<br />
Teil der zusätzlichen Kosten kompensiert werden konnte. Darüber hinaus kam es in einigen<br />
Sektoren zu moderaten Preisanstiegen. Schließlich gingen in einigen Bereichen auch die<br />
Gewinne zurück, ohne dass dies jedoch zu Beschäftigungsverlusten geführt hat. Durch die<br />
Förderung der privaten Konsumnachfrage hat der Mindestlohn <strong>im</strong> Gegenteil die Beschäfti-<br />
gungsentwicklung positiv beeinflusst (vgl. www.boeckler-boxen.de/2924.htm).<br />
4.6 Weiterbildung<br />
In <strong>London</strong> wurde 2006 ein Ausschuss ins Leben gerufen, der die Strategie des marktorien-<br />
tierten Qualifikationsausbaus verfolgt: der <strong>London</strong> Skills Employment Board (LSEB). Ziel<br />
des Ausschusses ist es, das Qualifikationsniveau von <strong>London</strong>ern <strong>im</strong> erwerbsfähigen Alter<br />
(19 Jahre) entlang bestehender Qualifikations- und Fachkräftebedarfe der Stadt zu verbes-<br />
sern und so erfolgreich gegen die hohe Arbeitslosigkeit vorzugehen. Der Ausschuss steht<br />
unter Leitung der Arbeitgeberseite. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Bedürfnis-<br />
se des Markts anhand der eingeführten/ umgesetzten Qualifizierungsmaßnahmen wirklich<br />
erfüllt werden.<br />
Die Mehrheit der Vorstandsmitglieder halten hierzu Schlüsselpositionen innerhalb der großen<br />
Organisationen, die mit dem Thema Beschäftigung und berufliche Qualifizierung betraut<br />
sind.<br />
Der Ausschuss setzt darüber hinaus fest, wie der <strong>London</strong>er Erwachsenenbildungs-Etat des<br />
<strong>London</strong> Learning & Skills Councils (LSC) verteilt wird. Dieser beträgt allein für 2009/10 635<br />
Mio. Pfund. Zusätzlich berät und beeinflusst der LSEB die Ausgaben bzw. die Prioritätenset-<br />
zung anderer Schlüsselagenturen (wie z. B. Arbeitsvermittlungen, <strong>London</strong> Development<br />
Agency (LDA)).<br />
Die unten stehende Grafik verdeutlicht noch einmal die Problematik, die gerade Geringquali-<br />
fizierte auf dem <strong>London</strong>er Arbeitsmarkt haben (Grafik 7.10): Knapp 55 Prozent von ihnen<br />
waren <strong>im</strong> Jahr 2007 ohne Job. Hochqualifizierte waren hingegen nur zu rund zwölf Prozent<br />
von Arbeitslosigkeit betroffen.<br />
20
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Quelle: Greater <strong>London</strong> Authority (2009): 104.<br />
Wie auch in <strong>Berlin</strong> zeigt sich außerdem eine besonders niedrige Beteiligung gering qualifi-<br />
zierter Beschäftigter an beruflicher Weiterbildung (siehe untenstehende Grafik): Sie<br />
schwankte zwischen 1996 und 2006 zwischen acht Prozent (1999 und 2004) und 13 Prozent<br />
(2001) und lag <strong>im</strong> Jahr 2005 bei etwa zehn Prozent.<br />
21
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
Quelle: <strong>London</strong> Skills and Employment Board (2008): 60.<br />
22
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
4.7 Leitfragen <strong>London</strong><br />
Dienstleistungen allgemein<br />
Wie und wodurch definiert sich <strong>London</strong> als Dienstleistungsmetropole? Beschreiben/<br />
skizzieren sie dies kurz.<br />
In welchen Dienstleistungsbereichen werden spezielle Wachstumschancen gesehen?<br />
• Wirtschaftlich?<br />
• Beschäftigungspolitisch?<br />
Welches Ansehen haben Dienstleistungen (speziell personennahe/ pflegende/ einfache<br />
Dienstleistungen)?<br />
Leitbild<br />
Die Förderung der Wirtschaft hat <strong>im</strong> Leitbild <strong>London</strong>s hohe Priorität.<br />
Lebensqualität<br />
• Wie würden sie den Einfluss des Dienstleistungssektors auf die Wirtschaftskraft<br />
<strong>London</strong>s beschreiben?<br />
• Was sind aktuelle Trends und politische Entwicklungsstrategien für den<br />
Dienstleistungssektor in <strong>London</strong>? (Frage Doro Zinke: Veränderung durch Regierungswechsel?)<br />
Dienstleistungen tragen einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherung von Lebensqualität.<br />
• Welche Dienstleistungsbereiche sind in <strong>London</strong> für die Sicherung von Lebensqualität<br />
besonders wichtig? (gerade für junge hochqualifizierte Frauen?)<br />
• Gibt es spezielle Förderungsstrategien für diese Bereiche? (speziell auch Pflegende<br />
Dienstleistungen?)<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
Das Humankapital der Beschäftigten wird in Europa vielfach als höchstes Gut bezeichnet.<br />
Wie äußert sich dies in <strong>London</strong> politisch?<br />
• Welchen Stellenwert hat Aus- und Weiterbildung <strong>im</strong> Dienstleistungssektor in<br />
<strong>London</strong>?<br />
• Wie wird Weiterbildung (betrieblich) organisiert?<br />
23
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
• Welchen (zukünftigen) Anforderungen muss sich das Weiterbildungssystem/<br />
die Bildungsdienstleister in <strong>London</strong> stellen?<br />
• Welche Strategien werden konkret angewandt, um Geringqualifizierte stärker<br />
an Aus- und Weiterbildung zu beteiligen?<br />
Forschung und Entwicklung<br />
Forschung und Entwicklung haben einen hohen Einfluss auf Qualität und Innovationsfähigkeit<br />
von Produkten und Dienstleistungen.<br />
Mindestlohn<br />
• Gibt es in <strong>London</strong>/ England Forschungsansätze für den Dienstleistungssektor?<br />
(speziell pflegende Dienstleistungen/ personennahe Dienstleistungen)<br />
• Was sind Strategien um Innovations- und Leistungsfähigkeit <strong>im</strong> Dienstleistungssektor<br />
zu sichern?<br />
Welchen Einfluss hatte die Einführung des Mindestlohns?<br />
• Wirtschaftlich: Auf-/ Abbau von Arbeitsplätzen?<br />
• Qualität der Arbeit?<br />
• Qualität von Dienstleistungen?<br />
24
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
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Hamedinger, Alexander/ Dangschat, Jens. S/ Frey, Oliver & Breitfuss, Andrea (Hrsg.) (2007):<br />
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Klotz, Arnold/ Frey, Otto (Hrsg.) (2005): Verständigungsversuche zum Wandel der Stadtplanung.<br />
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Lassnigg, Lorenz/ Vogthenhuber, Stefan/ Kirchtag, Rafael (2008): Lebenslanges Lernen in<br />
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<strong>Wien</strong>. <strong>Wien</strong>.<br />
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MA 18 (Magistrat der Stadt <strong>Wien</strong>) (2004): Strategieplan <strong>Wien</strong> <strong>im</strong> erweiterten Europa. <strong>Wien</strong>.<br />
MA 18 (Magistrat der Stadt <strong>Wien</strong>) (2000): Strategieplan für <strong>Wien</strong>. Qualität verpflichtet Innovationen<br />
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MA 27 (Magistrat der Stadt <strong>Wien</strong>) (2005): Die wirtschaftliche Bedeutung von Kultur und<br />
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25
<strong>Metropolregionen</strong> <strong>im</strong> <strong>Vergleich</strong>: <strong>Berlin</strong> <strong>London</strong> - <strong>Wien</strong><br />
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26