Beschluss Jaromir Czernin - Kunstrestitution.at
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T<strong>at</strong>elemente des Erwerbers („… um zu entziehen …“) zu bestimmen scheint, während der<br />
Wortlaut des § 2 Abs. 1 Drittes Rückstellungsgesetz eine Entziehung durch die objektive<br />
Lage des Veräußerers („… wenn … politischer Verfolgung unterworfen …“) definiert.<br />
III.<br />
Der Beir<strong>at</strong> prüft daher zuerst, ob <strong>Jaromir</strong> <strong>Czernin</strong> im Sinne der Rechtsprechung der<br />
Rückstellungskommissionen zum Kreis der verfolgten Personen im Sinne des § 2 Abs. 1<br />
Drittes Rückstellungsgesetz zählte, sodass zu vermuten wäre, dass die Veräußerung als<br />
Entziehung zu bewerten ist.<br />
Nach der Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen zählen zu diesem Kreis vor<br />
allem Personen, welche von den NS-Machthabern als Juden verfolgt wurden. Es liegt kein<br />
Hinweis vor, dass <strong>Jaromir</strong> <strong>Czernin</strong> selbst unter diesem Gesichtspunkt verfolgt wurde, noch,<br />
dass er einer anderen system<strong>at</strong>isch verfolgten NS-Opfergruppe angehörte.<br />
Zum Kreis der verfolgten Personen sind allerdings auch die Ehepartner von Personen, die<br />
als Juden verfolgt wurden, zu zählen. Anlässlich der Volkszählung von 1939 wurde in der<br />
sogenannten „Ergänzungskarte“ für Alix <strong>Czernin</strong> ein jüdischer Großelternteil ausgewiesen,<br />
womit offensichtlich ihr Großv<strong>at</strong>er Eduard Oppenheim gemeint war. Im Sinne der NS-<br />
Terminologie galt damit Alix <strong>Czernin</strong> als „Mischling 2. Grades“.<br />
Nach der Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen sind jedoch „Mischlinge<br />
2. Grades“ nicht dem Kreis der verfolgten Personen im Sinne des § 2 Abs. 1 Drittes<br />
Rückstellungsgesetz zuzuzählen. Nach dem Stand der zeitgeschichtlichen Forschung waren<br />
„Mischlinge 2. Grades“ auch t<strong>at</strong>sächlich keiner system<strong>at</strong>ischen Verfolgung oder<br />
Diskriminierung unterworfen, die jener von Menschen, die als „Volljuden“ oder „Mischlinge 1.<br />
Grades“ eingestuft waren, vergleichbar wäre. Der Beir<strong>at</strong> sieht daher auch keinen Anlass, die<br />
Vermutung, dass von diesen Personen abgeschlossene Rechtsgeschäfte als Entziehungen<br />
zu bewerten sind, über die Rechtsprechung der Rückstellungskommissionen zu erweitern.<br />
Zudem geht es nicht um die Rechtsgeschäfte von Alix <strong>Czernin</strong>, sondern von ihrem Ehemann<br />
<strong>Jaromir</strong> <strong>Czernin</strong>.<br />
Ergänzend ist hierzu festzuhalten, dass Alix <strong>Czernin</strong> offensichtlich auch t<strong>at</strong>sächlich nicht als<br />
Jüdin oder „Mischling 1. Grades“, sondern entsprechend der „Ergänzungskarte“ als<br />
„Mischling 2. Grades“ eingestuft wurde, weil sie andernfalls nicht <strong>Jaromir</strong> <strong>Czernin</strong> am 7. Mai<br />
1938 und erneut am 27. November 1944 heir<strong>at</strong>en hätte können. Auch brachte <strong>Jaromir</strong><br />
<strong>Czernin</strong> im Scheidungsverfahren von 1943 zur Abstammung von Alix <strong>Czernin</strong> nur einen<br />
St<strong>at</strong>us als „Mischling 2. Grades“ vor. Überdies wurde ihr das Sorgerecht für das gemeinsame<br />
Kind nach der Scheidung übertragen, was – wäre sie t<strong>at</strong>sächlich verfolgt gewesen – nicht<br />
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