Testbesprechung - Testzentrale
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Sonderdruck aus: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 38 (4), 196–199<br />
196 <strong>Testbesprechung</strong><br />
© Hogrefe Verlag Göttingen 2006<br />
Jacobs, C. & Petermann, F. (2005). RZD 2-6. Rechenfertigkeiten-<br />
und Zahlenverarbeitungs-Diagnostikum für<br />
die 2. bis 6. Klasse. Göttingen: Hogrefe.<br />
.<br />
Der Rechenstörung als umschriebener Teilleistungsstörung<br />
schulischer Fertigkeiten wird in den letzten Jahren in<br />
Psychologie und Pädagogik vermehrte Aufmerksamkeit<br />
geschenkt, wie man z.B. an der Veröffentlichung einer Reihe<br />
neuer Tests und der Neunormierung bewährter Verfahren<br />
sehen kann. Zur Identifikation von rechenschwachen<br />
Kindern haben sich neben schulleistungsbezogenen Rechentests,<br />
die sich ausschließlich am Curriculum der jeweiligen<br />
Klassenstufe orientieren, in den letzten Jahren<br />
auch Verfahren etabliert, die der gezielten Erfassung von<br />
Kindern mit Rechenstörungen dienen, insbesondere im<br />
unteren Teilleistungsbereich differenzieren und neben<br />
den schulisch vermittelten Rechenfertigkeiten auch numerische<br />
Basiskompetenzen überprüfen. Mit dem RZD 2-6<br />
steht jetzt ein weiterer sog. Dyskalkulietest zur Verfügung,<br />
der im Gegensatz zur Gruppenadministration herkömmlicher<br />
Rechentests als Individualtest konzipiert und normiert<br />
ist.<br />
Theoretischer Hintergrund<br />
In die Entwicklung des RZD 2-6 fließen verschiedene<br />
Modellvorstellungen ein. Das Buch „Diagnostik von Rechenstörungen“<br />
von Jacobs und Petermann (2005), das im<br />
Testkoffer enthalten ist, liefert dazu eine Einführung. Aus<br />
der Entwicklungspsychologie ist bekannt, dass sich numerische<br />
Basiskompetenzen schon ab der Geburt auch<br />
ohne gezielte Förderung bis zur Einschulung entwickeln.<br />
Im weiteren Verlauf gewinnen dann die sekundären, schulisch<br />
vermittelten Rechentechniken zunehmend an Bedeutung,<br />
die sich an den jeweiligen Curricula orientieren. Unter<br />
neuropsychologischer Perspektive werden Arbeitsgedächtnis,<br />
exekutive Funktionen sowie prozedurales<br />
und deklaratives Wissen als Einflussfaktoren diskutiert.<br />
Außerdem kommt der Transkodierung zwischen verschiedenen<br />
Repräsentationssystemen während eines Rechenvorgangs<br />
wesentliche Bedeutung zu (Dehaene, 1992), z.B.<br />
wenn dem gehörten Zahlwort eine im Dezimalsystem geschriebene<br />
Zahl oder die richtige Lokalisierung auf einem<br />
vorgestellten Zahlenstrahl zugeordnet werden soll. Der<br />
RZD 2-6 greift diese Modellvorstellungen auf und orientiert<br />
sich außerdem an den Diagnoseleitlinien für Rechenstörungen<br />
der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und<br />
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (2003).<br />
<strong>Testbesprechung</strong><br />
Testaufbau, Material und Durchführung<br />
Der Testkoffer enthält die Durchführungsanleitung (54<br />
Seiten), den o.g. Band von Jacobs und Petermann (2005),<br />
4 Stimulusblocks in Spiralheftung, einen Abakus, 10 Protokollbogen<br />
und je 10 Profilbogen der Teststufen 2/3 und<br />
4/5. Der RZD 2-6 kann in den Klassenstufen 2 bis 6 immer<br />
nur während bestimmter Zeitfenster eines Schuljahres angewendet<br />
werden, z.B. die Teststufe 2 von der vorletzten<br />
Woche des zweiten bis zur 24. Woche des dritten Schuljahres.<br />
Die Durchführungszeit wird im Manual je nach<br />
Teststufe mit durchschnittlich 29 bis 44 Minuten angegeben,<br />
ein Wert, der nach eigenen Erfahrungen insbesondere<br />
bei Kindern mit langsamem Rechentempo auch überschritten<br />
werden kann.<br />
Der RZD 2-6 besteht aus 12 Untertests, von denen<br />
sich einige aus mehreren Teilbereichen zusammensetzen,<br />
sodass insgesamt 18 Aufgabenarten zur Anwendung<br />
kommen. Bewertet wird jeweils die Zahl der richtigen Lösungen.<br />
Bei den Untertests 7a–d, 8, 9 und 12 wird außerdem<br />
die Bearbeitungszeit der korrekt gelösten Aufgaben<br />
erfasst und dreistufig kodiert, sodass ein Kennwert für die<br />
Rechengeschwindigkeit ermittelt werden kann.<br />
(1a, b) Zahlen transkodieren: Mit dem Lesen (visuelle<br />
Darbietung) bzw. Aufschreiben (verbale Darbietung)<br />
von Zahlen wird die Transkodierung der arabischen Ziffernfolge<br />
in die verbale Syntax und umgekehrt überprüft.<br />
(2a, b) Abzählen: In einer Punktreihe soll von einem<br />
farblich hervorgehobenen Punkt, der mit einer Zahl versehen<br />
ist, bis zu einem anderen ebenfalls farblich hervorgehobenen<br />
Punkt vorwärts oder rückwärts weitergezählt<br />
werden. Mit dieser Aufgabe werden grundlegende Abzählfertigkeiten<br />
überprüft.<br />
(3) Positionen auf dem Zahlenstrahl: Das Kind soll<br />
auf unterschiedlich gestalteten Zahlenstrahlen diejenige<br />
Markierung finden, die einer bestimmten Zahl entspricht.<br />
Diese Aufgabe wird dem analogen Zahlenverständnis zugeordnet.<br />
(4) Mengenschätzen: Das Kind soll schätzen, wie viele<br />
Objekte es auf einer kurzzeitig dargebotenen Abbildung<br />
gesehen hat, was ebenfalls als Überprüfung des analogen<br />
Zahlenverständnisses angesehen wird.<br />
(5) Kontextbezogene Mengenbewertung: Das Kind<br />
soll beurteilen, ob eine Mengenangabe in einem bestimmten<br />
Kontext als „viel“ oder „wenig“ zu beurteilen ist (z.B.<br />
„Wenn du 15 Nudeln auf deinem Teller hast, ist das viel<br />
oder wenig?“). Auch hierbei handelt es sich um eine Aufgabe<br />
zum analogen Zahlenverständnis.<br />
(6a, b) Größenvergleiche von Zahlen: Zwei Zahlen,<br />
die verbal oder visuell dargeboten werden, sollen hin-
sichtlich ihrer Größe miteinander verglichen werden. Dazu<br />
muss das Kind die Bedeutung der Stellen im arabischen<br />
Zahlsystem kennen.<br />
(7a-d) Kopfrechnen: Aufgaben zu den vier Grundrechenarten<br />
werden in schriftlicher Form vorgelegt, wobei<br />
Divisionsaufgaben erst ab Teststufe 3 angeboten werden.<br />
Je nach Leistungsstand der Schüler handelt es sich hier<br />
um eine rechnerische Anforderung oder um einen Abruf<br />
der Lösung aus dem Langzeitgedächtnis.<br />
(8) Schriftliches Rechnen (nur Teststufen 4 & 5): Aufgaben<br />
aller vier Grundrechenarten sollen schriftlich gelöst<br />
werden. Bei dieser Aufgabe soll der Einsatz konzeptuellen<br />
(deklarativen) und prozeduralen Wissens geprüft werden.<br />
(9) Flexibles Anwenden: Zur Prüfung des flexiblen<br />
Einsatzes von Regelwissen werden Aufgaben vorgelegt,<br />
bei denen bei bekannter Lösung entweder der Operator<br />
oder eine der Zahlen fehlt (z.B. „25 _ 13 = 38“ oder<br />
„17 - __ = 6“). Die Autoren postulieren hier ebenfalls die<br />
Aktivierung von Wissenssystemen, wobei diese sich entweder<br />
als explizites Regelwissen oder als intuitives Vorgehen<br />
aktualisieren können.<br />
(10) Regelverständnis: Dem Kind werden jeweils zwei<br />
Rechenaufgaben visuell präsentiert. Nur bei der ersten<br />
Aufgabe ist das Ergebnis bereits angegeben. Das Kind<br />
soll jeweils entscheiden, ob die Kenntnis der ersten Aufgabe<br />
bei der Lösung der unfertigen Aufgabe hilft. Das<br />
Ergebnis selbst muss nicht genannt werden. Erwartet wird<br />
dabei ein intuitives Regelverständnis, z.B. dass 6 + 6 dasselbe<br />
bedeutet wie 2 × 6.<br />
(11) Zählrahmen: Anhand eines Abakus, bei dem drei<br />
Reihen mit jeweils 9 Perlen Einer, Zehner und Hunderter<br />
repräsentieren, soll das Kind vom Untersucher eingestellte<br />
Zahlen benennen, selbst Zahlen einstellen oder Fragen<br />
beantworten, die sich auf die eingestellten Zahlen beziehen,<br />
z. B. „Wenn du zu dieser [der eingestellten] Zahl noch<br />
16 hinzurechnest, wo ändert sich dann was, bei den Einern,<br />
den Zehnern und/oder den Hundertern?“. Auch bei<br />
diesem Aufgabentyp wird eine Transkodierungsleistung<br />
verlangt. Gleichzeitig muss der Aufbau des Dezimalsystems<br />
verstanden worden sein.<br />
(12) Textaufgaben: Der Testleiter liest Textaufgaben<br />
vor, die die Anwendung der vier Grundrechenarten verlangen<br />
(bei den Teststufen 2 und 3 ohne Division). Die<br />
Aufgaben müssen zunächst auf der semantischen Ebene<br />
verstanden und dann in eine mathematische Struktur überführt<br />
werden, wobei wiederum prozedurales und konzeptionelles<br />
Wissen verlangt werden.<br />
Das Material ist optisch klar gestaltet. Das Aufschlagen<br />
der Stimulusblocks ist stellenweise etwas mühsam. Es<br />
gibt lernstufenadaptierte Testeinstiege und -ausstiege sowie<br />
eindeutige Abbruchkriterien. Teilweise kommen Umkehrregeln<br />
zur Anwendung, falls Einstiegsitems der höheren<br />
Teststufen nicht gelöst werden, wobei die dann bearbeiteten<br />
einfacheren Aufgaben nicht in die Berechnung<br />
der Speedkomponente eingehen. Die Ergebnisse werden<br />
<strong>Testbesprechung</strong><br />
197<br />
zunächst in einem umfangreichen, aber weitgehend übersichtlichen<br />
Protokollbogen notiert und von dort auf einen<br />
Profilbogen übertragen. Der Profilbogen ermöglicht eine<br />
grafische Darstellung des Leistungsprofils, wobei ein sogenannter<br />
kritischer Bereich (Prozentrangband um den<br />
Prozentrang 10 oder niedriger) farblich hervorgehoben ist.<br />
Die Durchführungsrichtlinien sind weitgehend eindeutig.<br />
Ergonomisch ungünstig sind bei Untertest 10 das Fehlen<br />
der Itemnummerierung im Stimulusblock und die fehlende<br />
Aufgabenbeschreibung im Protokollbogen. Insbesondere<br />
die Aufgaben mit Zeitmessung erfordern besondere Vertrautheit<br />
mit der Durchführung, weil die gleichzeitige Berücksichtigung<br />
der Testein- und -ausstiege, die Zeitmessung<br />
sowie das Eintragen und Ankreuzen der jeweils richtigen<br />
Bewertungskategorie nur dem routinierten Testleiter<br />
durchgehend fehlerfrei gelingen werden. Bei Untertest 7<br />
soll die Stimulusvorlage nach Nennen der richtigen<br />
Lösung abgedeckt werden, eine nicht begründete, dafür<br />
aber umständliche Prozedur. Insgesamt kann man sich<br />
dennoch die korrekte Testdurchführung unproblematisch<br />
aneignen. Eine Parallelform liegt nicht vor.<br />
Die Diagnose einer Rechenstörung auf Basis des RZD<br />
2-6 erfolgt durch Anwendung eines einfachen Diskrepanzmodells:<br />
„Erreicht ein Kind im RZD 2-6 bei der Gesamtpower<br />
und/oder bei der Gesamtspeed einen Prozentrang von<br />
10 und besteht eine ausreichende Diskrepanz zur Intelligenzleistung,<br />
ist also von einer Rechenstörung auszugehen“<br />
(Manual, S. 27). Als ausreichende Diskrepanz wird<br />
wieder unter Bezug auf die DGKJP-Richtlinien (2003) eine<br />
Differenz von 12 T-Wertpunkten oder 1,5 Standardabweichungen<br />
(entsprechend 15 T-Wertpunkten; die Inkonsistenz<br />
wird nicht erklärt) angesehen. Abweichend von den<br />
Richtlinien wird von den Autoren die Diagnose einer Rechenstörung<br />
auch dann vorgeschlagen, wenn nur die Rechengeschwindigkeit<br />
beeinträchtigt ist. Auf die Notwendigkeit,<br />
Faktoren wie Aufmerksamkeit oder Motivation bei<br />
der Beurteilung zu berücksichtigen, wird hingewiesen.<br />
Das Manual enthält auch einige wenige Hinweise zur inhaltlichen<br />
Interpretation bestimmter Ergebnismuster.<br />
Testanalyse und Normierung<br />
Auf Grund der weitgehend klaren Instruktionen und der<br />
standardisierten Aufgabenadministration ist eine hinreichend<br />
objektive Testdurchführung möglich. Ungenauigkeiten<br />
dürften allenfalls bei der Ermittlung der Lösungszeit<br />
auftreten. Die Interpretationsobjektivität ist durch den<br />
Bezug auf Normwerte ebenfalls gesichert.<br />
Als Reliabilitätmaß wird für jede Teststufe die interne<br />
Konsistenz (Cronbachs ; berechnet über alle Testitems)<br />
der Gesamtwerte getrennt nach Power- und Speedkomponente<br />
angegeben. Die Werte liegen mit .89 bis .95 im oberen<br />
Bereich. Unklar bleibt, wie die Berechnung bei der<br />
Speedkomponente erfolgt ist, bei der je nach Lösungsgüte<br />
eine ganz unterschiedliche Anzahl von Items pro Kind<br />
in den Gesamtwert eingeht. Angaben zur Retestreliabilität,<br />
zur Reliabilität der Untertests und zur Profilreliabilität fehlen.
198 <strong>Testbesprechung</strong><br />
Die inhaltliche Validität der Aufgaben ist durchweg<br />
gegeben. Die Powerkomponente weist signifikante Rangkorrelationen<br />
(r tc –.38 bis –.53) mit einem Elternurteil (einfache<br />
schulnotenanaloge Skala) und den Schulnoten im<br />
Fach Mathematik (r tc zwischen –.16 und –.60; signifikant<br />
mit Ausnahme von Teststufe 4) auf (N zwischen 43 und<br />
119). Daten zu klinischen Stichproben werden nicht berichtet.<br />
Folglich fehlen auch Angaben zu Sensitivität und<br />
Spezifität (vgl. von Suchodoletz, 2005) des Verfahrens hinsichtlich<br />
der Diagnose von Rechenstörungen. Auf eine<br />
Kreuzvalidierung mit anderen Rechentests wurde verzichtet.<br />
Leider fehlen auch Angaben zum Zusammenhang mit<br />
Intelligenzmaßen. Faktorenanalysen für die einzelnen<br />
Teststufen sollen einen Hauptfaktor ergeben haben, nähere<br />
Angaben zu den damit verbundenen teststatistischen<br />
Prozeduren fehlen im Manual jedoch vollständig.<br />
Der Test enthält ausschließlich sehr leichte bis mittelschwere<br />
Items, die Trennschärfen werden summarisch als<br />
eher niedrig beschrieben.<br />
Die Normierungsstichprobe besteht aus 497 Schülern<br />
aus Bremen und Niedersachsen (90–154 Schüler je Teststufe).<br />
Bei der Auswahl der Schulen sei auf eine Mischung<br />
hinsichtlich des sozialen Umfeldes und die Berücksichtigung<br />
von Stadt- und Landbevölkerung geachtet worden.<br />
Der Anteil ausländischer Schüler entspricht etwa dem<br />
Bundesdurchschnitt. Die Verteilung der Schulleistungen<br />
in der Normstichprobe wird nicht berichtet. Angaben zur<br />
Rekrutierungsprozedur sowie zur Auswahl, Schulung und<br />
Qualitätskontrolle der Testleiter fehlen.<br />
Normen werden als Prozentränge und Prozentrangbänder<br />
(68%-Konfidenzintervalle) getrennt nach Power- und<br />
Speedkomponente für Gesamtwert und Untertests bereitgestellt.<br />
Zur statistischen Beurteilung von Wiederholungsmessungen<br />
werden kritische Differenzen für die Gesamtwerte<br />
(Power und Speed) angegeben.<br />
Plus/Minus<br />
Mit dem RZD 2-6 liegt ein Test zur Diagnostik von Rechenstörungen<br />
vor, der als Individualtest auf die diagnostischen<br />
Leitlinien der DGKJP (2003) abgestimmt ist und<br />
der sowohl numerische Basisfähigkeiten als auch schulisch<br />
vermittelte Rechenfertigkeiten erfasst.<br />
Bei der Bewertung des Verfahrens ist zum einen die<br />
Qualität des RZD 2-6 als Instrument zur quantitativen Erfassung<br />
mathematischer Fertigkeiten zu beurteilen, zum<br />
anderen stellt sich die Frage, welchen Stellenwert das Verfahren<br />
bei der klinischen Diagnostik und Therapieplanung<br />
von Rechenstörungen haben kann.<br />
Bei deutlichen inhaltlichen Überschneidungen mit der<br />
kürzlich in Revision und jetzt auch mit deutschen Normen<br />
erschienenen „Neuropsychologischen Testbatterie für<br />
Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern ZAREKI-<br />
R“ (von Aster, Weinhold Zulauf & Horn, 2006; erste Veröffentlichung<br />
von Aster, 2001) kann der RZD 2-6 als Rechentest<br />
weitgehend überzeugen. Das Testmaterial ist<br />
überwiegend benutzerfreundlich und für die Probanden<br />
ansprechend gestaltet, die Durchführung für den Anwen-<br />
der weitgehend unproblematisch. Der RZD kann auf<br />
Grund seiner guten Differenzierung im unteren Leistungsbereich<br />
auch bei leistungsschwachen Kindern problemlos<br />
eingesetzt werden. Im oberen Leistungsbereich wird sein<br />
Einsatz auch von den Testautoren nicht empfohlen. Augenschein-<br />
und inhaltliche Validität der Subtests sind gegeben.<br />
Die im Manual leider viel zu knapp berichteten<br />
Testgütekriterien deuten auf die Brauchbarkeit des Verfahrens<br />
hin. Der RZD 2-6 bietet im Gegensatz zu anderen<br />
Rechentests auch die Möglichkeit, die Rechengeschwindigkeit<br />
normiert zu erfassen, wobei wir für eine ausschließlich<br />
an der Rechengeschwindigkeit orientierte Dyskalkuliediagnose<br />
zusätzliche theoretische und empirische Argumente<br />
für erforderlich halten.<br />
Von Nachteil für die Anwendung des Tests im diagnostischen<br />
Alltag ist die Einschränkung der Anwendung<br />
jeweils auf die erste Hälfte jedes Schuljahres. Da der RZD<br />
2-6 erst ab Ende des 2. Schuljahres eingesetzt werden<br />
kann, muss man für die Erfassung von Rechenproblemen<br />
in den ersten beiden Schuljahren auch weiterhin auf andere<br />
Verfahren zurückgreifen. Die Normierung als Einzeltest<br />
kommt den Bedürfnissen der Praxis in klinischen Institutionen<br />
entgegen, in denen Kinder ja fast durchgehend in<br />
Einzeluntersuchungen beurteilt werden.<br />
Im Hinblick auf die Diagnostik von Rechenstörungen<br />
überrascht insbesondere die Diskrepanz zwischen einem<br />
theoretischen Hintergrund, der die Bedeutung mathematischer<br />
Basiskompetenzen betont und sich in der Vielfalt<br />
und Differenziertheit der Untertests widerspiegelt, und der<br />
Reduktion des diagnostischen Entscheidungsprozesses<br />
auf ein einfaches Diskrepanzmodell, bei dem unterdurchschnittliche<br />
Rechenleistungen (Gesamttestwert) und Intelligenz<br />
in Beziehung gesetzt werden. Dies ist angesichts<br />
der erheblichen und gut begründeten inhaltlichen und<br />
methodischen Kritik an Diskrepanzdefinitionen von Lernstörungen<br />
(z.B. Sternberg & Grigorenko, 2002; Dombrowski,<br />
Kamphaus & Reynolds, 2004), die in den USA<br />
bereits in bildungspolitische Entscheidungen eingeflossen<br />
ist, bedauerlich. Darüber hinaus werden selbst Anhänger<br />
eines Diskrepanzmodells Daten zur Reliabilität<br />
und Valididät der Diagnosestellung ebenso vermissen<br />
wie Daten zum Zusammenhang zwischen RZD 2-6 und<br />
– möglichst verschiedenen – Intelligenzmaßen. Bisher<br />
bleibt auch die Frage, wie aus dem RZD 2-6 spezifische<br />
Therapie- und Förderansätze abgeleitet werden können,<br />
offen.<br />
Trotz dieser Einschränkungen wird der Testanwender<br />
von der Möglichkeit, auch leistungsschwache Kinder bei<br />
der Bearbeitung grundlegender mathematischer Anforderungen<br />
eingehend zu untersuchen und zu beobachten,<br />
profitieren. Die mit dem RZD 2-6 gewonnenen Daten können<br />
sicherlich auch als Grundlage für differenzierte Diagnose-<br />
und Interpretationsprozesse dienen.<br />
Literatur<br />
Aster, M. v. (2001). ZAREKI – Neuropsychologische Testbatterie<br />
für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern. Lisse:<br />
Swets & Zeitlinger.
Aster, M. v., Weinhold Zulauf, M. & Horn, R. (2006). ZARE-<br />
KI-R – Neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung<br />
und Rechnen bei Kindern. Frankfurt: Harcourt Test<br />
Services.<br />
Dehaene, S. (1992). Varieties of numerical abilities. Cognition,<br />
44, 1–42.<br />
Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und<br />
Psychotherapie (2003). Leitlinien zur Diagnostik und Therapie<br />
von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und<br />
Jugendalter (2., überarb. Aufl.). Köln: Deutscher Ärzte Verlag.<br />
Dombrowski, S. C., Kamphaus, R. W. & Reynolds, C. R.<br />
(2004). After the demise of the discrepancy. Proposed learning<br />
disability diagnostic criteria. Professional Psychology:<br />
Research and Practice, 35, 364–372.<br />
<strong>Testbesprechung</strong><br />
199<br />
Jacobs, C. & Petermann, F. (2005). Diagnostik von Rechenstörungen.<br />
Göttingen: Hogrefe.<br />
Sternberg, R. J. & Grigorenko, E. (2002). Difference scores in the<br />
identification of children with learning disabilities: It’s time<br />
to use a different method. Journal of School Psychology, 40,<br />
65–84.<br />
Suchodoletz, W. v. (2005). Chancen und Risiken von Früherkennung.<br />
In W. von Suchodoletz (Hrsg.), Früherkennung von<br />
Entwicklungsstörungen (S. 1–21). Göttingen: Hogrefe.<br />
Dieter Irblich und Gerolf Renner<br />
DOI: 10.1026/0049-8637.38.4.196