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Sonderdruck aus: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 36 (2), 115–118<br />
Testbesprechung<br />
© Hogrefe-Verlag Göttingen 2004 115<br />
Testbesprechung<br />
Rauer, W. & Schuck, K. D. (2003). FEESS 3-4. Fragebogen<br />
zur Erfassung emotionaler und sozialer Schulerfahrungen<br />
von Grundschulkindern dritter und vierter<br />
Klassen. Göttingen: Beltz.<br />
Der Fragebogen zur Erfassung emotionaler und sozialer<br />
Schulerfahrungen von Grundschulkindern dritter und<br />
vierter Klassen (FEESS 3-4) ist zusammen mit dem von den<br />
Autoren bereits angekündigtem FEESS 1-2 im Rahmen<br />
eines Begleitprojekts zum Hamburger Modell der „Integrativen<br />
Grundschule“ entwickelt worden. Das Verfahren<br />
setzt sich zum Ziel, psychologisch bedeutsame und pädagogisch<br />
relevante Bewertungen von Grundschulkindern<br />
über die schulbezogene Umwelt und ihre eigene Person im<br />
schulischen Kontext zu erfassen. Fragebögen mit einem<br />
ähnlichen Anliegen wurden bisher überwiegend für den<br />
Sekundarschulbereich vorgelegt; der FEESS ergänzt das<br />
Spektrum dieser Testverfahren für Kinder im Grundschulalter.<br />
Theoretischer Hintergrund<br />
Die Autoren nennen vier unterschiedliche Forschungstraditionen<br />
als theoretische Bezugspunkte für die Entwicklung<br />
der Skalen des FEESS: die Theorie der Selbstwirksamkeit<br />
von Bandura (1997), die Selbstbestimmungstheorie<br />
von Deci & Ryan (1993), die Schulqualitätsforschung<br />
(Fend, 1998) sowie die Integrationsforschung<br />
(vgl. Eberwein, 1997).<br />
Bandura geht davon aus, dass Selbstwirksamkeit<br />
durch zwei Komponenten bestimmt ist, nämlich Kompetenzerwartung<br />
und Ergebniserwartung. Eine Handlung<br />
wird umso wahrscheinlicher ausgeführt, je kompetenter<br />
die Person sich fühlt und je positiver sie das Ergebnis<br />
beurteilt. Die Selbstbestimmungstheorie ergänzt den Kompetenzaspekt<br />
um das Bedürfnis nach Selbstbestimmung.<br />
Eine Handlung wird also dann ausgeführt, wenn Kompetenz-<br />
und Ergebniserwartung günstig ausfallen und die<br />
Person selbst darüber entscheiden kann, ob sie die Handlung<br />
ausführen will. „Erst dann erlebt (sie) sich in vollem<br />
Ausmaß als persönlicher Verursacher (ihrer) Handlungen<br />
mit allen damit verbundenen positiven Folgen: erhöhte<br />
Anstrengungsbereitschaft (...), höhere Intensität der Bemühungen,<br />
mehr Freude bei der Handlungsausführung<br />
(...), besseres Wohlgefühl am Ort des Geschehens (...),<br />
mehr Zuversicht hinsichtlich der Ergebnisse“ (S. 39).<br />
Die Theorie der Selbstwirksamkeit bildete die Grundlage<br />
für die Auswahl der beiden Skalen Selbstkonzept der<br />
schulischen Fähigkeit (SK) sowie Soziale Integration<br />
(SI), die einen Teil des sozialen Selbstkonzepts, nämlich<br />
die Akzeptanz in der Peergroup bezeichnet. Die emotionalen<br />
und motivationalen Auswirkungen von Selbstwirksamkeit<br />
und Selbstbestimmung werden in drei weiteren<br />
Skalen erfasst: Anstrengungsbereitschaft (AB), Lernfreude<br />
(LF) und Schuleinstellung (SE).<br />
Aus der Schulqualitätsforschung wurde das Konstrukt<br />
Sozialklima (Schul- bzw. Klassenklima) übernommen,<br />
das die subjektiven Wahrnehmungen von Schülern<br />
und Schülerinnen, aber auch Lehrpersonen und Eltern<br />
über die sozialen Beziehungen in Schulen und Schulklassen,<br />
die Qualität des Unterrichts sowie kollektive Lernhaltungen<br />
beschreibt. Für den FEESS 3-4 sind vor allem drei<br />
Aspekte des Sozialklimas relevant: Die Schüler-Schüler-<br />
Beziehung wird mit der Skala Soziale Integration (SI) aus<br />
der Perspektive des befragten Kindes eingeschätzt, mit<br />
der Skala Klassenklima (KK) aus der Perspektive der<br />
Klasse als Ganzes. Die Lehrer-Schüler-Beziehung findet in<br />
der Skala Gefühl des Angenommenseins (GA) Berücksichtigung.<br />
Die Lernhaltungen als emotionale Erfahrungen des<br />
Kindes mit dem Lernen werden in den Skalen Schuleinstellung<br />
(SE) und Anstrengungsbereitschaft (AB) operationalisiert.<br />
Ein weiterer Aspekt des Sozialklimas, nämlich<br />
die Unterrichts-Merkmale, wurde nicht in den FEESS 3-4<br />
aufgenommen. Die Autoren geben dazu lediglich an, dass<br />
man „in einem weiteren Sinne (...) die Schuleinstellung<br />
(SE) als ein Maß für das Wohlgefühl der Kinder im schulischen<br />
Setting heranziehen (kann)“ (S. 41).<br />
Die Autoren nehmen auf den Begriff Integriertsein<br />
(Haeberlin et al, 1990) Bezug, der den schülerbezogenen<br />
Zustand der sozialen, emotionalen und leistungsmotivationalen<br />
Integration beschreibt. Aspekte des sozialen<br />
Intergriertseins werden im FEESS mit der Skale Soziale<br />
Integration (SI) erfasst, die emotionale Integration geht<br />
in die Skala Schuleinstellung (SE) ein, die leistungsmotivationale<br />
Integration ist im Selbstkonzept der schulischen<br />
Fähigkeit (SK) enthalten.<br />
Testaufbau und Material<br />
Der FEESS 3-4 besteht aus zwei Teilfragebögen. Der Teilfragebogen<br />
zur sozialen Integration, zum Klassenklima<br />
und zum Selbstkonzept (TF-SIKS 3-4) umfasst drei Skalen.<br />
Soziale Integraton (SI) besteht aus 11 Items und<br />
misst das Ausmaß, in dem ein Kind sich durch die Mitschüler<br />
und Mitschülerinnen angenommen fühlt und sich<br />
selbst als vollwertiges Gruppenmitglied betrachtet. Klassenklima<br />
(KK) enthält ebenfalls 11 Items und erfasst das<br />
Ausmaß, in dem die Kinder der Klasse sozial angemessen<br />
und freundschaftlich miteinander umgehen. Die Skala<br />
Selbstkonzept der Schulfähigkeit (SK) mit 15 Items überprüft,<br />
inwieweit sich ein Kind den schulischen Aufgaben<br />
gewachsen fühlt und seine schulische Kompetenz positiv<br />
bewertet.
116 Testbesprechung<br />
Der Teilfragebogen zur Schuleinstellung, Anstrengungsbereitschaft,<br />
Lernfreude und Gefühl des Angenommenseins<br />
(TF-SALGA 3-4) beinhaltet vier Skalen. Schuleinstellung<br />
(SE, 14 Items) misst das Ausmaß, in dem ein<br />
Kind sich in der Schule insgesamt wohl fühlt. Anstrengungsbereitschaft<br />
(AB, 13 Items) erfasst die Bereitschaft<br />
des Kindes, sich auf Neues einzulassen und Anforderungen<br />
in der Schule zu bewältigen, auch wenn diese besondere<br />
Bemühungen erfordern. Die Skala Lernfreude (LF)<br />
mit 13 Items erfasst die Freude des Kindes an seiner alltäglichen<br />
schulischen Arbeit. Ebenfalls 13 Items beinhaltet<br />
die Skala Gefühl des Angenommenseins (GA), die überprüft,<br />
inwieweit ein Kind sich von seinen Lehrern und<br />
Lehrerinnen angenommen, verstanden und unterstützt<br />
fühlt.<br />
Für die Auswahl der Items wurde eine Sichtung bereits<br />
publizierter deutsch- und englischsprachiger Instrumentarien<br />
für die interessierenden Dimensionen vorgenommen,<br />
brauchbare Items ausgewählt, in der Formulierung<br />
adaptiert oder neu konstruiert. Ein besonderes Problem<br />
bei der Itemkonstruktion betraf die Altersgruppe, für die<br />
der FEESS konzipiert wurde. Wie die Autoren selbst anmerken,<br />
sind Selbstdarstellungsmethoden bei Kindern der<br />
untersuchten Altersstufen einigen Risiken unterworfen.<br />
Neben dem Problem der sozialen Erwünschtheit stellt sich<br />
vor allem die Frage, ob die Kinder die meist verbalen Impulse<br />
wirklich verstehen. Bei Gruppentestungen muss<br />
berücksichtigt werden, dass nicht alle Kinder im Grundschulalter<br />
über eine ausreichende Lesefertigkeit verfügen.<br />
Fraglich bleibt auch, „ob das Erleben und Verhalten von<br />
Kindern auf einige gut abgrenzbare eindeutige Dimensionen<br />
sinnvoll reduzierbar sind, wie dieses Voraussetzung<br />
für die empirisch orientierte Persönlichkeitsforschung ist“<br />
(S. 36). Dennoch sind die Autoren überzeugt, dass es<br />
sinnvoll ist, das subjektive Erleben von Grundschulkindern<br />
durch eine strukturierte Befragung zu erheben, weil<br />
diese „selbst am kompetentesten über ihre Gefühlslage<br />
und ihre Sicht der Dinge Auskunft geben (können)“<br />
(S. 37).<br />
Die insgesamt 90 Items des FEESS 3-4 sind als kurze<br />
Statements formuliert („Ich bin froh, wenn die Schule aus<br />
ist“, „Schule macht Spaß“), die auf einer vierstufigen Skala<br />
einzuschätzen sind. Die Abstufungen „stimmt gar nicht“,<br />
„stimmt kaum“, „stimmt ziemlich“ und „stimmt genau“ sind<br />
zusätzlich mit einem grafischen Symbol versehen (z.B.<br />
großes Rechteck für „stimmt gar nicht“, kleines Oval für<br />
„stimmt ziemlich“), um den Kindern die Zuordnung zu verdeutlichen.<br />
Wie in Fragebögen üblich, ist ein Teil der<br />
Statements positiv, ein Teil negativ formuliert. Um doppelte<br />
Verneinungen bei der Beantwortung zu vermeiden, wurden<br />
Statements mit „nicht“ umformuliert (So wurde aus<br />
„Ich gehe nicht gern zur Schule“ „Ich gehe ungern zur<br />
Schule“).<br />
Der FEESS 3-4 kann ab der zweiten Hälfte des dritten<br />
Schuljahres vorgegeben werden. Die Bearbeitungszeit<br />
beträgt für jeden Teilfragebogen ca. 30 Minuten, wobei<br />
die Autoren standardmäßig eine Vorgabe an zwei Schultagen<br />
vorsehen. Am ersten Tag sollte der kürzere TF-SIKS<br />
vorgelegt werden, um die Kinder eingehend mit der Bearbeitung<br />
der Items vertraut machen zu können, am zweiten<br />
Tag der TF-SALGA. TF-SIKS und TF-SALGA liegen als<br />
zwei getrennte Fragebögen vor, dazu gibt es einen Auswertungsbogen<br />
für die Individualdaten mit grafischem<br />
Ergebnisprofil und einen Auswertungsbogen für die Klassendaten.<br />
Der FEESS 3-4 ist für Gruppen- und Einzelvorgabe<br />
geeignet. Sollten unter den Kindern der dritten<br />
Schulstufe Kinder mit geringer Lesekompetenz sein, so<br />
raten die Autoren, die Statements vorzulesen, verweisen<br />
aber auch darauf, dass die Durchführungsobjektivität darunter<br />
leiden könnte.<br />
Das Handbuch enthält genaue Anweisungen für die<br />
Durchführung sowohl bei anonymer als auch bei nicht<br />
anonymer Befragung. Die Auswertung erfolgt mittels<br />
Schablonen, mit deren Hilfe die Summenscores pro Skala<br />
ermittelt werden. Normentabellen liegen getrennt für dritte<br />
und vierte Klassen als Individual- und Klassennormen<br />
vor, wobei Prozentränge, Prozentrangbänder, T-Werte<br />
und T-Wert-Bänder verfügbar sind.<br />
Testanalyse und Normierung<br />
Im Handbuch finden sich ausführliche Angaben zur Testkonstruktion<br />
und Testanalyse, die nach klassischen Kriterien<br />
durchgeführt wurde. Die Skalenentwicklung und<br />
-erprobung erfolgte an einer Stichprobe von 10 Schulklassen,<br />
die entweder als Integrative Grundschulklasse oder<br />
als Kontrollklasse am Hamburger Schulversuch „Integrative<br />
Grundschule“ teilgenommen haben. Für die Skalenanalysen<br />
lagen Daten von 212 bis 219 Kindern vor. Die<br />
Konsistenzschätzungen für die Skalen des FEESS 3-4 reichen<br />
von .71 (Klassenklima) bis .94 (Schuleinstellung).<br />
Die Reliabilitätskoeffizienten der wesentlich größeren<br />
Eichstichprobe (n = 1095 bis 1111 für 3. Klassen; n = 1166<br />
bis 1212 für 4. Klassen) sind etwas höher ausgefallen<br />
(3. Klasse: .74 für die Skala Klassenklima bis .94 für Schuleinstellung;<br />
4. Klasse: .77 für Klassenklima und Anstrengungsbereitschaft<br />
bis .95 für Schuleinstellung).<br />
Besonders hoch liegen die Reliabilitätsschätzungen<br />
für die Klassendaten. Sie reichen in der 3. Klasse (n = 55<br />
Klassen) von .81 (Anstrengungsbereitschaft) bis .97<br />
(Schuleinstellung), in der 4. Klasse (n = 60 Klassen) von<br />
.86 (Anstrengungsbereitschaft) bis .98 (Schuleinstellung).<br />
Die Schätzung der Stabilität der Skalen erfolgte an<br />
einer kleineren Stichprobe. 10 dritte Klassen mit rund 200<br />
SchülerInnen wurden im Abstand von einem Jahr mit dem<br />
FEESS 3-4 zweimal untersucht. Auf Individualebene reichen<br />
die Retest-Reliabilitäten von .46 (Soziale Integration)<br />
bis .68 (Selbstkonzept der schulischen Fähigkeit),<br />
auf Klassenebene sind die Koeffizienten wiederum deutlich<br />
höher: .46 (Soziale Integration) bis .88 (Schuleinstellung,<br />
Lernfreude). In den vierten Klassen (n = 59 SchülerInnen)<br />
konnte die wiederholte Vorgabe nur in dem relativ<br />
kurzen Zeitraum von vier Wochen erfolgen, wobei folgende<br />
Stabilitätskoeffizienten auf Individualebene berichtet
Testbesprechung<br />
117<br />
werden: .62 (Schuleinstellung) bis .80 (Soziale Integration,<br />
Klassenklima).<br />
Die im Handbuch ausgewiesenen Itemschwierigkeiten<br />
zeigen, dass die meisten Skalen eine schiefe, rechtsgipfelige<br />
Verteilung aufweisen. Die Itemtrennschärfen liegen<br />
großteils über .30, vereinzelt wurden auch Items mit geringeren<br />
Trennschärfen beibehalten, um die Vergleichbarkeit<br />
über die Schulstufen, vor allem in Hinblick auf den in<br />
Arbeit befindlichen FEESS 1-2, zu gewährleisten.<br />
Zur Konstruktvalidität berichten die Autoren verschiedene<br />
Faktorenanalysen, die überwiegend zwei mit<br />
den theoretischen Überlegungen recht gut übereinstimmende<br />
Faktoren ergeben: Die Skalen SE, AB, LF und GA<br />
laden hoch auf dem Faktor Schul- und Lernklima, der etwa<br />
40% der Varianz erklärt, SI und KK bilden den Faktor Sozialklima<br />
mit 20 bis 30% Varianzaufklärung. Die Skala SK<br />
lädt auf beiden Faktoren in geringerer Höhe.<br />
Als Beleg für die differentielle Validität des FEESS finden<br />
sich im Handbuch eine Reihe von Regressionsanalysen<br />
mit den Prädiktoren Geschlecht, Staatsangehörigkeit,<br />
Überalterung, Klassengröße, Teilnahme als Integrationsklasse.<br />
Die aufgeklärte Varianz ist auf Individualebene<br />
allerdings sehr gering (zumeist unter 5%), nur bei Verwendung<br />
von Klassendaten erreicht sie höhere Werte. So sind<br />
etwa das Klassenklima in Integrationsklassen schlechter,<br />
die Schuleinstellung und die Lernfreude bei nicht-deutschen<br />
Kindern und bei Mädchen besser.<br />
Als Außenkriterien wurden das Relative Selbstkonzept<br />
(Helmke, 1991), die Tagesbefindlichkeit über fünf<br />
Tage, die Rechtschreib- und Mathematikleistungen mittels<br />
Tests, die Schulnoten und Schullaufbahnempfehlungen<br />
der Lehrer sowie soziometrische Daten zur Beliebtheit<br />
in der Klasse erhoben. Während die Skala SK mäßig mit<br />
dem Relativen Selbstkonzept korreliert, sind alle anderen<br />
Zusammenhänge eher gering. Eine Klassifikation der<br />
SchülerInnen nach den soziometrischen Informationen in<br />
einen „positiv integrierten Typ“ und einen „Gegentyp“<br />
zeigt allerdings signifikante Unterschiede in den Skalen<br />
SI, SK, SE und GA bei Drittklässlern sowie in SI und KK<br />
bei Viertklässlern.<br />
Regressionsanalysen der Mathematik- und Rechtschreibtestleistungen,<br />
der Schulnoten und der Schullaufbahnempfehlungen<br />
mit den FEESS-Skalen als Prädiktoren<br />
ergeben, dass bei Drittklässlern nur das Selbstkonzept<br />
(SK) substantiellen Beitrag leistet (10–17% erklärter Varianz),<br />
bei Viertklässlern haben neben dem Selbstkonzept<br />
noch Anstrengungsbereitschaft und Schuleinstellung<br />
geringe Bedeutung. Insgesamt können in den vierten<br />
Klassen mit den Skalen SK, AB und SE 11–27% der Varianz<br />
der Testleistungen, Schulnoten und Schullaufbahnempfehlungen<br />
aufgeklärt werden.<br />
Die Normierung des FEESS 3-4 erfolgte in Hamburg<br />
und Schleswig-Holstein, wobei 55 dritte Klassen (n = 1144<br />
SchülerInnen) und 60 vierte Klassen (n = 1231 SchülerInnen)<br />
an der Untersuchung teilnahmen. Die Eichstichprobe<br />
umfasst 50,9% Jungen und 49,3% Mädchen. 14,4% der<br />
SchülerInnen waren überaltert, was dem durchschnittlichen<br />
Prozentsatz für Hamburg und Schleswig-Holstein<br />
entspricht. Die Autoren geben an, dass der Anteil nichtdeutscher<br />
Kinder höher als erwartet ist (17,9%). Eine<br />
Überprüfung des Einflusses der Variablen Geschlecht,<br />
Staatsangehörigkeit und Überalterung zeigt zwar Mittelwertsunterschiede<br />
in einigen Skalen, die allerdings so gering<br />
sind, dass sie maximal 4% der Varianz aufklären, so<br />
dass keine getrennten Normen für diese Variablen vorgesehen<br />
sind.<br />
Plus/Minus<br />
Während im Sekundarschulbereich die systematische Erfassung<br />
emotionaler und motivationaler Aspekte der<br />
Schulleistung neben der Diagnose kognitiver Fähigkeiten<br />
zum Standardrepertoire gehört, wurden solche Variablen<br />
bei Grundschulkindern bisher eher unsystematisch erhoben.<br />
Mit dem FEESS 3-4 ist es den Autoren gelungen, ein<br />
reliables, valides und ökonomisches Fragebogenverfahren<br />
vorzulegen. Besonders interessant ist die von den<br />
Autoren im Handbuch bereits angekündigte Erweiterung<br />
des FEESS auf die erste und zweite Schulstufe, weil damit<br />
die Diagnose nicht kognitiver schulischer Variablen<br />
über die gesamte Grundschulzeit möglich sein wird. Bedenkt<br />
man, dass in der Grundschule die Einstellung zu<br />
schulischem Lernen, Leistungsmotivation und das Fähigkeitsselbstkonzept<br />
durch die Erfahrungen in der Klasse<br />
wesentlich beeinflusst werden, so kommt dem FEESS<br />
besondere Bedeutung für eine diagnostisch gestützte<br />
Unterrichtsplanung zu. Konsequenterweise geben die<br />
Autoren nicht nur Individualnormen an, sondern ermöglichen<br />
mit Klassennormen den LehrerInnen auch eine<br />
Einschätzung der Gesamtsituation ihrer Klassen. Eine Anwendung<br />
des FEESS 3-4 im pädagogischen Kontext<br />
wird auch dadurch erleichtert, dass das Handbuch in<br />
vorbildlicher Weise teststatistische Begriffe anschaulich<br />
erklärt.<br />
Der gewichtigste Mangel des FEESS 3-4 in der vorliegenden<br />
Fassung liegt in der unzureichenden Normierung.<br />
In der Eichstichprobe befinden sich ausschließlich SchülerInnen<br />
aus Hamburg und Schleswig-Holstein, wobei die<br />
Autoren anmerken, dass es sich um „keine echte Zufallsstichprobe“<br />
handelt, weil zwar die Klassen innerhalb der<br />
Schulen, nicht aber die Schulen zufällig ausgewählt wurden<br />
(S. 76). Darüber hinaus enthält die Stichprobe auch für<br />
die untersuchte Region einen zu hohen Anteil nicht deutscher<br />
Kinder. Bei einer Erprobung des FEESS an österreichischen<br />
SchülerInnen mit durchwegs sehr guten verbalen<br />
Fähigkeiten durch die RezensentInnen traten jedenfalls<br />
einige Verständnisprobleme auf, die wir einer regional<br />
so eingeschränkten Normierung zuschreiben.<br />
Literatur<br />
Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control.<br />
Basingstoke: Freeman.
118 Testbesprechung<br />
Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie<br />
der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik.<br />
Zeitschrift für Pädagogik, 39, 223–228.<br />
Eberwein, H. (Hrsg.). (1997). Handbuch Integrationspädagogik.<br />
Kinder mit und ohne Behinderung lernen gemeinsam<br />
(4. Aufl.). Weinheim: Beltz.<br />
Fend, H. (1998). Qualität im Bildungswesen. Schulforschung zu<br />
Systembedingungen, Schulprofilen und Lehrerleistung.<br />
Weinheim: Juventa.<br />
Haeberlin, U., Bless, G., Moser, U. & Klaghofer, R. (1990). Die<br />
Integration von Lernbehinderten. Versuche, Theorien, Forschungen,<br />
Enttäuschungen, Hoffnungen. Bern: Paul Haupt.<br />
Helmke, A. (1992). Entwicklung des Fähigkeitsselbstbildes vom<br />
Kindergarten bis zur dritten Klasse. In R. Pekrun & H. Fend<br />
(Hrsg.), Schule und Persönlichkeitsentwicklung (S. 83–99).<br />
Stuttgart: Ferdinand Enke.<br />
Ursula Kastner-Koller und Pia Deimann<br />
DOI: 10.1026/0049-8637.36.2.115