Ich will haben, was ich verdiene!« - DIE LINKE. Wiesbaden
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ABGEORDNETE IM ALLTAG<br />
Sommeranfang, 18.00 Uhr, Erfurt. Der Seminarraum in<br />
der Erfurter Fachhochschule ist gut gefüllt. Diesmal<br />
sind aber keine Studenten, sondern Frauen und Männer<br />
aus der Nachbarschaft gekommen. Sie wohnen gle<strong>ich</strong><br />
um die Ecke, in einem Karee, das bereits in den 30er Jahren<br />
erbaut wurde. Zwei-, Drei- und Vier-Zimmer-Wohnungen mit<br />
Balkon, ein weiträumiger grüner Innenhof. Insgesamt 220<br />
Wohnungen. Die stehen zum Verkauf. Sie gehören zu den<br />
11 500 Mietwohnungen, die die Bundesregierung im Paket<br />
europaweit und meistbietend an betuchte Investoren verkaufen<br />
<strong>will</strong>. Gabriela Gaffrey ängstigt diese Ankündigung.<br />
Sie lebt in dem Viertel schon so lange, wie sie alt ist. Zunächst<br />
mit den Eltern, dann in der eigenen Wohnung. Jetzt<br />
ist sie 63 Jahre, vorzeitig in Rente, alleinstehend und befürchtet,<br />
entweder rauszufliegen oder nach dem Verkauf die<br />
neue Miete n<strong>ich</strong>t mehr zahlen zu können. Die Ängste sind<br />
n<strong>ich</strong>t von der Hand zu weisen, sagt Heidrun Bluhm,<br />
bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> im Bundestag. Seit Anfang Mai<br />
ist sie Woche für Woche unterwegs und macht<br />
den Mietern Mut, s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t verkaufen zu lassen,<br />
sondern ihre Wohngeschicke selbst in die<br />
Hand zu nehmen. Mit der Genossenschaft<br />
FairWohnen. Ein Projekt, auf den Weg gebracht<br />
von den <strong>LINKE</strong>N im Parlament, eins,<br />
das aber nur mit den BewohnerInnen<br />
funktioniert. Heidrun Bluhm erklärt<br />
das Modell, spr<strong>ich</strong>t über Finanzen,<br />
Eigenanteile, Mitbestimmung, über<br />
die Chance, ein Stück soziale S<strong>ich</strong>erheit<br />
für s<strong>ich</strong> selbst organisieren<br />
zu können. Es sind immer<br />
wieder Frauen, die nachhaken und Fragen stellen. Heidrun<br />
Bluhm spr<strong>ich</strong>t deshalb auch besonders über ihre Lebenslagen.<br />
»Denn gerade Frauen geraten viel schneller in materielle<br />
Nöte: durch eine Scheidung, wenn sie arbeitslos<br />
werden; sie <strong>verdiene</strong>n ohnehin weniger Geld, bekommen im<br />
Alter häufig eine schmale Rente.<strong>«</strong><br />
In einer Wohngenossenschaft aber bestimmt kein Einzelner,<br />
sondern alle gemeinsam über Mieten, Modernisierung<br />
und Investitionen. Auch darüber, <strong>was</strong> am<br />
Jahresende von den Einnahmen übrig bleibt, ob es ausge -<br />
schüttet wird oder die Genossenschaftsmitglieder künftig<br />
weniger Nutzungsentgelte im Monat zahlen. Das Interesse,<br />
die Wohnungen n<strong>ich</strong>t fremden Fonds oder Kapitalanlegern zu<br />
überlassen, ist groß. Die Ängste, es n<strong>ich</strong>t allein zu schaffen,<br />
auch. Deshalb beschw<strong>ich</strong>tigt Heidrun Bluhm n<strong>ich</strong>t, sondern<br />
empfiehlt, die Satzung zu lesen, mindestens eine Nacht darüber<br />
zu schlafen und selbst durchzurechnen, ob das anteilige<br />
Geld für die Genossenschaftsgründung<br />
übrig ist. Thea Hubert, eine zierl<strong>ich</strong>e und mit<br />
ihren 82 Jahren die wahrscheinl<strong>ich</strong> älteste<br />
Mieterin, nimmt am Ende gle<strong>ich</strong> etl<strong>ich</strong>e Antragsformulare<br />
mit. Sie <strong>will</strong> sie im Haus verteilen,<br />
mit ihren Nachbarn reden. »Um<br />
et<strong>was</strong> Neues anzufangen<strong>«</strong>, sagt sie, »ist<br />
man nie zu alt.<strong>«</strong><br />
Paula Hansen<br />
02<br />
Wohngenossen gesucht:<br />
FairWohnen auf Tour<br />
Foto: Frank Schwarz<br />
02<br />
Heidrun Bluhm hat die<br />
Genossenschaft FairWohnen<br />
erfunden. Sie ist bau- und<br />
wohnungspolitische<br />
Sprecherin der Fraktion<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />
Mehr unter:<br />
www.tlg-fairwohnen.de