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Jewish Sounds - Kulturradio

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Abteilung: Kirche und Religion Redaktion: Anne Winter<br />

Sendereihe: Gott und die Welt Autor/-in: Anja von Cysewski<br />

Sendedatum: 16.09.2012 Sendezeit: 9.04-9.30 Uhr/kulturradio<br />

Prod.: 10.09.2012 9.15-17.00 Uhr/T9<br />

_____________________________________________________________________________<br />

Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt; eine Verwertung ohne Genehmigung des Autors ist nicht gestattet.<br />

Insbesondere darf das Manuskript weder ganz noch teilweise abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt wer-<br />

den. Eine Verbreitung im Rundfunk oder Fernsehen bedarf der Zustimmung des RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg).<br />

_____________________________________________________________________________<br />

GOTT UND DIE WELT<br />

<strong>Jewish</strong> <strong>Sounds</strong> – Jüdische Musiker in Berlin<br />

Sprecherin: Uta-Maria Torp<br />

Regie: Ralph Schäfer


1. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

Berlin, das ist meine neue Heimat auf jeden Fall, also wenn ich außerhalb von Berlin<br />

spiele, dann denke ich an Berlin als meine Stadt<br />

2. O-Ton Maya Saban:<br />

Ich bin in Berlin geboren, aufgewachsen und lebe hier eigentlich schon immer. Für mich<br />

gab es nicht woanders hinzugehen, mir ging es gut hier.<br />

3. O-Ton Yoni „Ben Salomo“:<br />

Ich würde sagen ich bin ein israelischer Berliner. Meine israelischen Roots, mein<br />

israelisches Temperament und meine jüdische Identität haben sich sehr schön bewahrt.<br />

4. O-Ton Ofri Brin:<br />

Ich habe ein Lied geschrieben auf Berlin, und das ist so „Schiffe schwimmen im Sand“,<br />

wegen der Gebäude, die sind wie große Schiffe aber es gibt auch so viel Sand. Es gibt<br />

so viele Leute in Berlin, aber man fühlt es nicht, es ist nicht so eng und busy wie andere<br />

Städte.<br />

5. O-Ton Daniel Kahn:<br />

Es ist eine offene Stadt, eine Freundin von mir in New Orleans hat mir gesagt, dass es<br />

eine Akkordeon-Stadt ist: Man kann es immer weiter aufziehen und neue Ecken<br />

entdecken, es gibt tausend verschiedene Berlins und ich liebe die meisten.<br />

Titelsprecherin:<br />

<strong>Jewish</strong> <strong>Sounds</strong> – Jüdische Musiker in Berlin<br />

Eine Sendung von Anja von Cysewski<br />

1. Atmo Theater<br />

Sprecherin:<br />

Das Ballhaus Naunynstraße, ein kleines Theater im Berliner Bezirk Kreuzberg. Auf der<br />

Bühne eine Waldszene mit Bäumen und Moos. Einige Gestalten kauern am Boden.<br />

Erhöht am Rande sitzt der Erzähler des Stückes: Daniel Kahn, Mitte dreißig, schmales<br />

Gesicht, dunkler Bart, Hut und Anzug.<br />

2. Atmo Theater:<br />

(Daniel) Und während sie schlafen, erzähle ich euch die Geschichte von Adam<br />

Spielman<br />

(Daniel mit Megafon) Akt 2 – Ein Jude so einsam wie Detroit<br />

(Daniel fängt an zu singen)<br />

All you drunken shiksa sweethearts with your bloodshot eyes of blue,<br />

All you border-crossing feyglekh who've been quarantined for flu,<br />

All You self-aborted patriots whose residence is through,<br />

You needn’t be ferloiren you don’t have to be blue....<br />

Sprecherin:<br />

Daniel Kahn ist in einer jüdischen Familie in Detroit aufgewachsen und lebt seit sechs<br />

2


Jahren in Berlin. Für das Theaterstück „Warten auf Adam Spielman“ hat er die Lieder<br />

geschrieben.<br />

2. Atmo Theater ff.:<br />

(Daniel singt)<br />

Your blood might come from Turkey or Detroit or Timbuktu;<br />

Your language could be Farsi, Sanskrit, German, or Zulu;<br />

Come on, we've got some wandering to do!<br />

So bring out your Jew, bring out your Jew. You may have a Jew inside of you.<br />

A Jew. A Jew. A secret little Jew. A secret Jew is buried inside you.<br />

(Zögerliches Lachen im Publikum)<br />

Sprecherin:<br />

„Bring out your Jew – Lass den Juden in dir heraus“ – das ist der Refrain des Songs. In<br />

das Lachen des Publikums, das an diesem Abend vor allem aus jungen Leuten besteht,<br />

mischt sich ein Hauch von Befremden. Eine Reaktion, die Daniel Kahn kennt – und<br />

beabsichtigt:<br />

6. O-Ton Daniel Kahn:<br />

Ein Schüler hat mich gefragt: Was meinen Sie mit „wir haben alle einen Juden in uns?“<br />

Ich sagte: Das war einfach lyrische Provokation. Aber dann habe ich ein bisschen<br />

erzählt: Jude als der Andere, als der Ausgegrenzte, Jude als der Migrant, der Fremde,<br />

das ist auch vollgeladen mit Klischees und total problematisch, da spielt Ironie eine<br />

Rolle, ich nehme das nicht total ernst. Aber ich sage das auch in dem Lied: Der Jude ist<br />

keine Abstraktion, manche Menschen sind echte Juden, und das bedeutet auch was,<br />

das ist nicht nur abstrakt...<br />

Sprecherin:<br />

Für Daniel Kahn selbst ist Jüdischsein vor allem eine Frage der Identität und Kultur. Er<br />

gehört zu einer Strömung, die das Judentum säkular und humanistisch auslegt. Als<br />

Musiker bringt er seine Zuhörer dazu, eigene Vorstellungen und Erwartungen zu<br />

überdenken. Das macht er auf der Theaterbühne, aber auch mit seiner Band The<br />

Painted Bird. Vier Alben sind bereits in Berlin entstanden.<br />

7. O-Ton Daniel Kahn:<br />

Ich schreibe Texte und ich übersetze Lieder, die mir etwas sagen. Aus dem Deutschen,<br />

aus Jiddisch, aus Griechisch, Französisch. Ins Jiddisch, ins Englisch, ins Deutsche. Ich<br />

versuche ein Modell aus der Musik zu machen für ein flüssiges Verständnis von<br />

Identität, von Kultur, von Ländern, Völkern.<br />

Sprecherin:<br />

Daniel Kahn mischt aus Überzeugung: Sprachen, Musikstile, Themen und Traditionen.<br />

Vielfalt ist für ihn so etwas wie ein Lebenskonzept. Vielleicht wohnt er auch deshalb<br />

3


dort, wo Berlin besonders lebhaft und bunt ist: mitten im multikulturell geprägten<br />

Neukölln. Von Kahns Fenster aus sieht man auf die Karl-Marx-Straße, eine der<br />

Haupteinkaufsstraßen Neuköllns. Auf dem Klavier in seinem Zimmer stapeln sich<br />

Noten: Klassik, Blues, Folk und viele alte Sammlungen mit traditionellen jiddischen<br />

Liedern. Ein Fundus, aus dem der Musiker schöpft:<br />

Musik Daniel Kahn//Berlin Meydele: jiddische Strophe<br />

8.O-Ton Daniel Kahn:<br />

Es ist ein altes jiddisches Lied über Berlin, das Mädel ist aus Berlin und sie geht nach<br />

Wien und dann verliert er sie.<br />

Musik Daniel Kahn//Berlin Meydele:<br />

Sprecherin:<br />

Für sein neues Album hat Daniel Kahn das traditionelle jiddische Lied neu interpretiert<br />

und teilweise ins Englische übersetzt. „Verfremdungsklezmer“ nennt er seine Methode<br />

selbst, inspiriert von Bertolt Brecht:<br />

9. O-Ton Daniel Kahn:<br />

Ich liebe seine Lyrik, ich liebe seine Arbeit, sein Werk. Und was ich von ihm genommen<br />

habe, einfach diese Idee, dass man kann fordern, dass ein Zuhörer ein zweites Mal<br />

zuhört, sich etwas alt wie neu anhört.<br />

Sprecherin:<br />

International, aber auch in Berlin, hat sich Daniel Kahn mit seinen Liedern längst einen<br />

Namen gemacht und ist bestens vernetzt.<br />

10. O-Ton Daniel Kahn:<br />

Es ist schön hier, weil ich nicht nur eine Musik machen muss. Es ist so offen jetzt, mit<br />

Musik und Genres, vorgestern war ich mit Freunden mit denen habe ich gespielt in<br />

einer Kneipe alte Blueslieder aus New Orleans und Saint Louis, Blue Grass und<br />

Countrylieder und dann spiele ich mit Rotfront Russendisko.<br />

Sprecherin:<br />

Rotfront – das ist die Band um den aus der Ukraine stammenden Musiker Yuriy Gurzhy.<br />

Er kennt die Berliner Musikszene seit langem und beobachtet, dass in der Stadt ein<br />

neues Netzwerk von jüdischen Musikern entstanden ist.<br />

11. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

Es gibt eine ganze Menge jüdische Künstler in Berlin in der letzten Zeit, das sind<br />

Musiker, die sich mit ganz unterschiedlichen Musikformen beschäftigten. Zum Teil sind<br />

die Leute befreundet, auf menschlicher Ebene kann man von einer Bande sprechen.<br />

4


Ganz viele davon sind Neuberliner, das ist etwas, was verbindet, du bist am Anfang<br />

eher allein und einsam, die Musiker sind eine große Familie und alle kennen alle,<br />

deswegen findet man zueinander, das ist ein ganz natürlicher Prozess eigentlich.<br />

Sprecherin:<br />

Ein Treffpunkt vieler jüdischer Musiker ist das Kaffee Burger in Berlin-Mitte. Daniel Kahn<br />

organisiert in diesem Club eine Konzertreihe mit Klezmermusik. Und für Yuriy Gurzhy<br />

ist das Kaffee Burger sowieso eine Art zweite Heimat. Hier hat er mit Vladimir Kaminer<br />

die mittlerweile legendäre Partyreihe „Russendisko“ gegründet und hier bereitet er sich<br />

auch mit seiner Band auf die nächsten Auftritte vor.<br />

4. Atmo Probe Rotfront:<br />

(Instrumente, Einspielen, Stimmgewirr)<br />

(Yuriy) Hier sind wir im Keller vom Kaffee Burger, in unserem Proberaum, im<br />

Proberaum von Emigrantski Raggamuffin Kollektiv Rotfront. Wir proben für unsere<br />

nächsten Konzerte, die immer am Wochenende stattfinden, bis morgen werden wir<br />

hoffentlich unsere Songs nicht mehr vergessen.<br />

12. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

Wir singen eigentlich über Emigrantenleben, meistens, das sind unsere Erfahrungen,<br />

das ist das, was wir durchgemacht haben, das ist das, was uns bewegt, das definiert<br />

auch unseren Sound. Die Leute in meiner Band, die kommen aus Ungarn, Ukraine,<br />

USA, Australien, Kanada und jeder hat soundtechnisch ein Stück Heimat mitgebracht.<br />

Musik Rotfront//Emigrantski Raggamuffin:<br />

Sprecherin:<br />

Yuriy Gurzhy ist Mitte der 90er Jahren mit seiner Familie aus der Ukraine nach Potsdam<br />

gekommen und kurze Zeit später nach Berlin gezogen. Er hat viele unterschiedliche<br />

Wurzeln:<br />

13. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

In dem Sinne, dass meine Mutter jüdisch ist, mein Vater hatte russische, ukrainische<br />

und griechische Vorfahren, ich bin in der Ukraine aufgewachsen, mit Russisch als<br />

Muttersprache, also das ist eine ziemlich wilde Mischung und es ist schwer zu sagen,<br />

wer ich wirklich bin, und ich habe mich natürlich auch sehr, sehr lange damit beschäftigt<br />

Sprecherin:<br />

Nach der Halacha, den jüdischen Religionsvorschriften, ist Jude, wer eine jüdische<br />

Mutter hat. Allerdings konnten Juden in der ehemaligen Sowjetunion ihre Religion nicht<br />

offen praktizieren. Auch in Berlin geht Yuriy Gurzhy nicht in die Synagoge - dennoch<br />

fühlt sich der Musiker dem Judentum eng verbunden.<br />

5


14. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

In meinem Fall ist es etwas, was in meinem Herzen stattfindet und nicht unbedingt nach<br />

draußen sehbar ist. Auf jeden Fall ist es ein sehr großer Teil von mir. Und, ja, ich bin<br />

nicht religiös, ich spreche weder Jiddisch noch Hebräisch, aber es ist ein Teil von mir<br />

und es definiert mich. Punkt.<br />

Sprecherin:<br />

Das Interesse an den Songs jüdischer Musiker verdankt er seinem Großvater, einem<br />

musikbegeisterten Zahnarzt.<br />

15. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

Mein Großvater hatte eine Sammlung, er hatte Kassetten, die bei ihm so in der<br />

„jüdischen Schublade“ lagen, und manche Sachen fand ich richtig cool, als Kind noch.<br />

Ich wusste nicht genau, was das ist, was jüdisch bedeutet. Da ständig die Sachen von<br />

Barry Sisters liefen, sind sie mir ziemlich stark in Erinnerung geblieben. Und dann viel<br />

später für mich als Juden und als Musiker lag es mir nahe, dieses Thema zu entdecken,<br />

zu erforschen.<br />

Sprecherin:<br />

Yuriy Gurzhy nahm Kontakt zu jüdischen Künstlern aus aller Welt auf und brachte eine<br />

CD mit dem Namen „Shtetl Superstars“ heraus. Für seine Band Rotfront schrieb er<br />

„Klezmerton“, ein Lied zum Thema Klezmer, und als DJ legt er in Clubs die Musik<br />

jüdischer Künstler auf. Auch eine Musikwissenschaftlerin hat er befragt, um<br />

herauszufinden, was jüdische Musik ist.<br />

16. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

Rein musikologisch gesagt ist jüdische Musik die, die jüdische Erfahrung widerspiegelt.<br />

Und dann könnte es eigentlich alles sein, es könnte Reggae mit hebräischen Texten<br />

sein oder jiddischer Heavy Metal.<br />

Sprecherin:<br />

Doch wo genau sich das Jüdische in der Musik verorten lässt, weiß er immer noch<br />

nicht.<br />

17. O-Ton Yuriy Gurzhy:<br />

Ich bin ziemlich da angekommen, wo ich angefangen hatte. Die Frage konnte ich nicht<br />

beantworten, weil es keine definitive Antwort gibt. Es gibt keine eine Antwort. Also<br />

Musik an sich lässt sich schwer klassifizieren. Ich mache keine Musik für eine<br />

Schublade, genauso geht es meinen Kollegen, wir machen einfach, was aus dem<br />

Herzen kommt und wenn man das jetzt als „jüdische“ oder „neue deutsche“ Musik –<br />

weil in Berlin gemacht – oder „russisch-ungarische“ Musik bezeichnet, ich finde es<br />

letztendlich egal.<br />

Musik Ofrin // Time for a Decision:<br />

6


18. O-Ton Ofri Brin:<br />

Mein Name ist Ofri, ich bin eine israelische Künstlerin, ich wohne in Berlin seit sieben<br />

Jahren und ich mache Musik.<br />

Musik Ofrin //Time for a Decision:<br />

I’d like to be the first when it’s time for a decision<br />

Between the ones you love and the one your’re gonna live with<br />

But love don’t come easy<br />

Love don’t come easy<br />

Sprecherin:<br />

Ofri Brin – zierlich, lange, rote Locken, heller Teint und blaue Augen. Die 30-Jährige ist<br />

eine der vielen jüdischen Künstler aus Israel, die Berlin in den letzten Jahren zu ihrer<br />

Heimat gemacht haben.<br />

19. O-Ton Ofri Brin:<br />

Mein Großvater kam aus Leipzig, so ich glaube, ich habe schon ein bisschen deutsches<br />

Kulturblut in meinen Venen. Kulturell ich habe etwas gemeinsam mit den Deutschen.<br />

Musik Ofrin//Time or a Decision<br />

Love don’t come easy<br />

Sprecherin:<br />

Aufgewachsen ist Ofri Brin in einem kleinen Dorf auf den Golanhöhen. Mit 14 begann<br />

sie zu singen, mit 17 ging sie nach New York und trat dort in den Clubs des Greenwich<br />

Village auf. In der israelischen Armee sang sie für die Truppen, bevor sie ihrem Freund<br />

nach Berlin folgte – und blieb. Heute lebt sie in einer Altbauwohnung in einem ruhigen<br />

Teil des beliebten Viertels Prenzlauer Berg. Die Stadt bietet ihr den Freiraum, sich<br />

künstlerisch auszudrücken und weiterzuentwickeln<br />

20. O-Ton Ofri Brin:<br />

Berlin, das ist wie eine Insel. Ich fühle mich hier zu Hause, ich habe immer gesagt, ich<br />

gebe der Musik das steering wheel, ich folge der Musik. Und ich mag eigentlich die Luft<br />

und den Platz, die ich hier habe, für mich und meine Musik und meine Kreationen.<br />

Sprecherin:<br />

In Israel könnte sie von ihrer Musik nicht leben, es gibt nicht genügend Gelegenheiten,<br />

aufzutreten, sagt sie. In Deutschland dagegen war Ofri Brin mit ihrer Band schon<br />

überall. Und eben immer wieder in den vielen Clubs der deutschen Hauptstadt. Auch<br />

wenn die Musik, die sie macht, mit traditionellem Klezmer überhaupt nichts zu tun hat,<br />

sieht sie sich als jüdische Künstlerin.<br />

7


21. O-Ton Ofri Brin:<br />

Ich bin mehr minimalistisch, ich mag, wenn Sachen nicht so spezifisch sind. Wie meine<br />

Musik. Ich mache nicht nur Western Pop, ich versuche jetzt, dass ich ein bisschen<br />

Mediterranean beats haben und auch Nordic instruments und dann afrikanisch,<br />

bulgarisch. Ich glaube, das ist interessant, und ich glaube, ich habe noch immer ein<br />

bisschen „jüdische scales“ – ich nutze das klar.<br />

Musik Ofri Brin // The Bringer:<br />

Sprecherin:<br />

Ihre Musik hat sich in Berlin verändert, ist universaler und weiter geworden. Ofri Brin<br />

bezieht verschiedene Traditionen und Künste ein. Das aktuelle Projekt „The Bringer“ ist<br />

eine Performance mit selbst gefertigten Masken und einer ausgefeilten Choreographie.<br />

Musik Ofri Brin//The Bringer:<br />

Sprecherin:<br />

Auch ihr Blick auf ihre Identität ist heute ein anderer, in Berlin ist ihr viel bewusster<br />

geworden, dass sie Jüdin ist.<br />

22. O-Ton Ofri Brin:<br />

Das war nicht so stark in Israel, jüdisch zu sein, aber hier das bringt eine andere<br />

reflection über das Thema, weil du bist plötzlich jüdisch, nicht nur Israeli ... Manchmal<br />

wenn ich treffe jüdische Leute, die nicht aus Israel kommen, ich fühle manchmal, dass<br />

da ein stärkerer Kontakt zu diesen Leuten als mit Israelis, irgendwie es ist tiefer, weil es<br />

geht so zurück in die Vergangenheit.<br />

Sprecherin:<br />

Sehnsucht nach ihrer Heimat bekommt Ofri Brin vor allem, wenn die jüdischen<br />

Feiertage näher rücken.<br />

23. O-Ton Ofri Brin<br />

Es gibt so viele Feste in der jüdischen Kultur und manchmal ich sitze zu Hause und bin<br />

total allein und ooh --- ich würde so gerne mit meiner Familie sein und Lieder singen,<br />

aber im letzten Jahr habe ich mehr israelische Leute kennengelernt und wir haben für<br />

die letzten beiden großen Feste was zusammen gemacht und das war total super. Für<br />

ein paar Leute, sie fragen immer „warum Deutschland? Ist es nicht schwer, hier zu<br />

leben, wegen der Geschichte?“ Aber ich sage immer: Nein, es ist eigentlich sehr<br />

einfach.<br />

24. O-Ton Gad Baruch:<br />

Artists in Israel they just can’t make a living, it’s a very hard place to live …... people<br />

don’t work so hard here basically and they are not stressed about anything.<br />

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Voiceover-Sprecher:<br />

In Israel ist das Leben gerade für Künstler sehr schwer, ich spreche noch nicht mal über<br />

Krieg, sondern über den ganz normalen Alltag, das Überleben. Berlin ist das genaue<br />

Gegenteil von Israel: Es ist einfach nur entspannt hier. Alle sind entspannt. Die Leute<br />

arbeiten nicht zu viel und sie lassen sich vor allem von nichts stressen.<br />

5. Atmo Garten: (Leichter Wind und Vogelgezwitscher)<br />

Sprecherin:<br />

Gad Baruch wohnt seit drei Jahren in Berlin. Zufrieden blickt der Musikproduzent aus<br />

dem Fenster seiner kleinen Wohnung ins Grüne. Umgeben von Schrebergärten zeigt<br />

sich die Stadt hier zwischen Neukölln und Treptow ungewohnt beschaulich. Für den<br />

israelischen Künstler der ideale Ort, um Musik zu schreiben und zu produzieren. In<br />

wenigen Tagen hat er mit seiner Band Jewdyssee einen Auftritt. Heute findet die Probe<br />

statt.<br />

6. Atmo Tür: (Tür geht auf)<br />

Sprecherin:<br />

Die beiden anderen Bandmitglieder sind ins Zimmer gekommen.<br />

25. O-Ton Maya Saban:<br />

Hi, ich bin Maya Saban, die Sängerin von Jewdyssee.<br />

26. O-Ton Yoni „Ben Salomo“:<br />

Hallo, ich bin Ben Salomon, der Rapper von Jewdyssee.<br />

27. O-Ton Maya Saban:<br />

Jewdyssee ist vor zwei Jahren entstanden, aus so einer Spaßlaune heraus, ja, wir<br />

kannten die Songs, die jiddischen alten Traditionals, aus unserer Kindheit und haben<br />

uns gesagt: Müssen wir die Songs in ein neues Gewand verpacken und nach draußen<br />

tragen. Yoni – Ben Salomo – ich kenne ihn schon, seit er drei Jahre alt ist, das heißt er<br />

war immer im unmittelbaren Umfeld von Jewdyssee und dann habe ich Gadi getroffen<br />

und wir haben das Album zu Ende gebracht, den Endschliff.<br />

7. Atmo Probe Jewdyssee:<br />

Vogelzwitschern<br />

(Gad) „So here are they“<br />

(Maya) Was wollen wir proben, los, auf, let’s rehearse<br />

(Joni) Bei Tschribim habe ich da Rap?<br />

(Beat geht los)<br />

Musik oder Atmo Jewdyssee //Chiribim: Maya singt live<br />

9


Sprecherin:<br />

Maya Saban ist in Berlin geboren und aufgewachsen. Zwei Soloalben mit<br />

deutschsprachigem Pop hat die 33-Jährige bei einem großen Label herausgebracht. Mit<br />

dem unabhängigen Projekt Jewdyssee zeigt sie eine andere Seite von sich. Bei dieser<br />

musikalischen Odyssee greift sie auf Melodien und Texte zurück, die sie schon als<br />

kleines Mädchen auf den Lippen hatte.<br />

28. O-Ton Maya Saban:<br />

In meinem Fall bin ich mit jüdischer Musik aufgewachsen, das geht nicht jedem so, der<br />

jüdisch aufgewachsen ist oder jüdischen Glaubens ist. Ich habe mit sieben Jahren<br />

angefangen zu singen und war in einem Tanzensemble, wo wir diese alten jiddischen<br />

Klassiker – Bei mir bist du sheyn, Hava Nagila – schon gesungen haben<br />

29. O-Ton Gad Baruch:<br />

Jewdyssee is a project that is trying to find its own <strong>Jewish</strong> musical roots …… make that<br />

fresh and bring it to a young audience.<br />

Voiceover Sprecher:<br />

Mit dem Projekt Jewdyssee suchen wir nach unseren Wurzeln und spüren der Musik in<br />

der jüdischen Tradition nach. Und dann überlegen wir, wie wir damit umgehen, wie wir<br />

es frisch machen und für ein junges Publikum aufbereiten.<br />

Sprecherin:<br />

Gerade ist das erste Album von Jewdyssee erschienen. Es heißt 5773 – das ist das<br />

Jahr, das nach dem jüdischen Kalender mit dem Neujahrsfest Rosch Haschana am<br />

Abend des 16. September 2012 beginnt.<br />

Musik Jewdyssee//Beltz:<br />

(Maya singt)<br />

Beltz, mein Schtetele Beltz,<br />

Mein Heimele, wu ich hob meine kindersche yorn verbracht.<br />

Beltz, mein Schtetele Beltz<br />

30. O-Ton Yoni „Ben Salomo“:<br />

„Egal ob Beltz, Berlin oder Rehovot, im ata margisch babait, fühlt dein Herz sich wohl.“<br />

Ich sage eigentlich „Egal ob Beltz, Berlin oder meine Heimatstadt in Israel, Rehovot,<br />

wenn dein Herz sich Zuhause fühlt, dann fühlt der Mensch sich auch wohl.“ Ich verbinde<br />

zum Beispiel die Sprachen miteinander, indem ich einen Satz auf Deutsch beginne und<br />

auf Hebräisch beende und der Reim auf Hebräisch reimt sich auf den Reim in Deutsch<br />

und das ist lustig, mit den beiden Sprachen rumzupuzzeln, das passt zu Jewdyssee,<br />

(Ben Salomo rappt)<br />

Egal ob Beltz, Berlin oder Rehovot<br />

Im ata margisch babait,<br />

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Fühlt dein Herz sich wohl.<br />

Sprecherin:<br />

In dem jiddischen Klassiker „Mein Schtetele Beltz“ geht es um Heimat und Verortung.<br />

Maya Saban und ihre Bandkollegen gehören zu einer neuen Generation jüdischer<br />

Musiker in Deutschland, die ihr Judentum nicht verstecken, sondern ganz<br />

selbstverständlich damit umgehen. Die mit Themen, Traditionen, Genres und Sprachen<br />

spielen und das Neben- und Miteinander als Bereicherung begreifen. Vielleicht fällt das<br />

in einer Stadt wie Berlin besonders leicht. In einer Stadt, in der es fast normal ist, einer<br />

Minderheit anzugehören.<br />

8.a Atmo Theater 3:<br />

Sprecherin:<br />

Zurück im Theater in der Naunynstraße.<br />

8.b Atmo Theater 3: (Daniel Kahn singt die Melodie vom Anfang)<br />

O you postmigrantisch Kreuzberg Naunynstraße you<br />

Sprecherin:<br />

Daniel Kahn hat seine Erzähler-Empore verlassen und steht auf der Bühne, umgeben<br />

von den Schauspielern. „Warten auf Adam Spielman“, letzter Akt.<br />

8.c Atmo Theater 3: (Daniel singt)<br />

I just wrote this fucking thing where every sentence rhymes with Jew (Publikum lacht)<br />

So bring out your Jew<br />

Bring out your Jew<br />

You may have a Jew inside you<br />

A Jew, a jew, a secret Jew is buried inside you<br />

(Publikum singt teilweise mit)<br />

Titelsprecherin:<br />

<strong>Jewish</strong> <strong>Sounds</strong> – Jüdische Musiker in Berlin.<br />

Sie hörten eine Sendung von Anja von Cysewski.<br />

Es sprach: Uta-Maria Torp<br />

Ton: Kaspar Wollheim<br />

Redaktion: Anne Winter<br />

Regie: Ralph Schäfer<br />

Das Manuskript der Sendung können Sie telefonisch bei unserer Service-Redaktion<br />

bestellen, aus Berlin oder Potsdam unter 97993-2171. Oder per email: religion@rbb-<br />

11


online.de. Und zum Nachhören oder Lesen finden Sie die Sendung auch im Internet<br />

unter kulturradio.de<br />

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