aus 1.750 t NIPOLIT erbeben sich Salpetersäure-Bedarf
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<strong>NIPOLIT</strong>- Kampfmittel (II)<br />
von Wieland Thrinns<br />
Einführungsprobleme<br />
Das es bis 1944 zu keiner Beauftragung einer<br />
Fertigung, geschweige denn zu einer Großfertigung<br />
von <strong>NIPOLIT</strong> kam, hat ihre Ursache einerseits in der<br />
katastrophalen Situation in der Kriegswirtschaft und<br />
andererseits in der Ignoranz der Entscheidungsträger<br />
in der Wehrmacht.<br />
Rohstoff-Frage<br />
Dr. von HOLT bemühte <strong>sich</strong>, wegen der vorhandenen<br />
Engpässe den Nachweis zu führen, dass<br />
der Rohstoffbedarf für die <strong>NIPOLIT</strong>-Produktion<br />
durch Ausnutzung vorhandener Ressourcen und<br />
Umarbeitung nicht mehr verwendungsfähiger<br />
Produkte gedeckt, und darüber hin<strong>aus</strong> sogar Einsparungen<br />
erzielt werden könnten. Er führte u.a.<br />
<strong>aus</strong>:<br />
„Nitrozellulose und Sprengöl bilden die<br />
Rohstoffgrundlage des rauchlosen Geschützpulvers<br />
und stellt bei dem gegenwärtigen Daseinskampf des<br />
deutschen Volkes einen Engpass dar… Reinsdorf<br />
fand (diesbezüglich für die <strong>NIPOLIT</strong>-Produktion) eine<br />
Lösung… im Einsatz der in den Munitionsanstalten<br />
der Wehrmachtsteile befindlichen Geschützpulver,<br />
für welches es bis dahin keine Verwendung mehr<br />
gab, weil die Geschütze entweder <strong>aus</strong>gefallen<br />
waren oder das Pulver durch kalorienärmeres<br />
ersetzt wurde. Die Menge dieser Pulver wird durch<br />
Beutepulver erhöht… (so) dass fast eine <strong>NIPOLIT</strong>-<br />
Jahresproduktion… ge<strong>sich</strong>ert werden kann.<br />
… das Nitropenta kann … durch folgende<br />
Maßnahmen beschafft werden:<br />
Die Zündladungen ... bestehen z.Zt. <strong>aus</strong> 90 %<br />
Nitropenta, welches mit 10 % Montanwachs<br />
phegmatisiert ist.<br />
Bei einer derzeitig benötigten<br />
Menge von 500 Monats-Tonnen<br />
Np10 für Zündladungen kommen<br />
450 t Nitropenta rein zur Verarbeitung.<br />
Bei einer Umstellung … auf<br />
<strong>NIPOLIT</strong>-Zündladungen können<br />
350 t Nitropenta freigemacht<br />
werden, da für die gleiche Menge<br />
Zündladungen... nur 100 t Nitropenta<br />
nötig sind.<br />
Gleichzeitig können hierdurch<br />
monatl. ca. 120 t Aluminium in Form der gezogenen<br />
Hülsen nebst der hierfür notwendigen<br />
Ziehkapazitäten und Arbeitskräfte eingespart<br />
werden.<br />
Das gleiche gilt monatlich für ca. 50 t Montanwachs,<br />
die bisher zur Phlegmatisierung des Nitropentas<br />
eingesetzt werden mussten…<br />
Aus den freiwerdenden 350 t Nitropenta lässt <strong>sich</strong>…<br />
(unter Einsatz von 1.050 t Abfallpulver, 210 t<br />
Nitrozellulose und 140 t Nitrodiglykol) 1750 t<br />
<strong>NIPOLIT</strong> herstellen, d.h.:<br />
<strong>aus</strong> <strong>1.750</strong> t <strong>NIPOLIT</strong> <strong>erbeben</strong> <strong>sich</strong><br />
500 t Zündladungen<br />
1.850 t PiSprengladungen<br />
<strong>1.750</strong> t Handgranaten (5 mill. Stk.)<br />
1.500 t Trinitrotoluol<br />
bei einem rohstoffmäßigen Neueinsatz von insgesamt<br />
492 t Nitrozellulose und 328 t Nitrodiglykol…“<br />
Für die Umstellung auf <strong>NIPOLIT</strong>-Handgranaten<br />
wurde von Dr. von HOLT eine ähnliche Bilanz<br />
erstellt, die die Einsparung von Stahl, Holz und<br />
Arbeitskräften verdeutlicht.<br />
<strong>Salpetersäure</strong>-<strong>Bedarf</strong><br />
500 t ZLdg Np 10<br />
- 550 t HNO 3<br />
1.850 t PiSprMun Fp 02 - 2.000 t HNO 3<br />
nach Umstellung auf <strong>NIPOLIT</strong><br />
262 t Nitrozellulose<br />
188 t Nitrodiglykol<br />
- 350 t HNO 3<br />
- 150 t HNO 3<br />
Aus Dr. von HOLTs <strong>Salpetersäure</strong>bilanz ergibt <strong>sich</strong><br />
nach der Umstellung auf <strong>NIPOLIT</strong> neben der<br />
Einsparung von Toluol und Pentaerythrit ein<br />
Überschuss von 2.050 t 100%iger <strong>Salpetersäure</strong><br />
(ständiger Engpass).<br />
Fertigungskapazität<br />
Bei einer Monatsproduktion von 500 t Zündladungen<br />
<strong>NIPOLIT</strong> und 1.850 t Pioniersprengmunition<br />
<strong>NIPOLIT</strong> wären (vorhandene)<br />
113 Vorwalzwerke<br />
38 Feinwalzwerke<br />
74 Pressen<br />
erforderlich, die allerdings in drei Schichten á 8 h<br />
<strong>aus</strong>gelastet sein würden.<br />
Arbeitskraftbedarf<br />
Für die Fertigung / die Umstellung der vorgenannten<br />
Zündladungen und Pioniersprengmittel auf <strong>NIPOLIT</strong><br />
veranschlagte Dr. von HOLT einen Arbeitskraftbedarf<br />
von<br />
1.670 Männer und<br />
910 Frauen<br />
Ignoranz des Heereswaffenamtes<br />
Obwohl Dr. von HOLT bei der Umstellung der auf<br />
500 t/Monat Zündladungen und 1.850 t/Monat<br />
Pioniersprengmittel <strong>aus</strong> <strong>NIPOLIT</strong> beachtliche<br />
Einsparungen und die Freisetzung von 25-28.00<br />
Kisten, sowie die dafür benötigte Lagerkapazität<br />
ermittelte, reagierten die Entscheidungsträger über<br />
einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren mehr als<br />
zurückhaltend.
Anhang II<br />
Handgranaten<br />
Handgranate, zylindrisch <strong>NIPOLIT</strong><br />
Ausführung A Höhe, Gesamt- : 85 mm<br />
Handgranate, zylindrisch <strong>NIPOLIT</strong><br />
Höhe, Körper- : 70 mm<br />
Durchmesser : 60 mm<br />
Masse : 200 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Geschlitzter Splittermantel möglich<br />
vier halbkreisförmige Längsnuten<br />
vier senkrechte Bohrungen<br />
Ausführung B Höhe, Gesamt- : 85 mm<br />
Höhe, Körper- : 70 mm<br />
Durchmesser : 60 mm<br />
Masse : 220 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Gewickelter Splittermantel möglich<br />
vier senkrechte Bohrungen<br />
Taschenhandgranate <strong>NIPOLIT</strong> (Detonierende Pulverscheibe [DPS])<br />
(Scheibenhandgranate)<br />
Höhe, Gesamt- : 105 mm<br />
Dicke, Körper- : 13 mm<br />
Durchmesser : 85 mm<br />
Masse : 90 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Drei miteinander verklebte Scheiben
Volkshandgranate 45<br />
Eihandgrate 39 <strong>NIPOLIT</strong> [Arbeitsbegriff]<br />
Kleine Eihandgrate <strong>NIPOLIT</strong><br />
Großee Eihandgrate <strong>NIPOLIT</strong><br />
Höhe, Gesamt- : 96 mm<br />
Höhe, Körper- : 74 mm<br />
Durchmesser : 50 mm<br />
Masse, Gesamt- : 400 g<br />
Masse, Füllung- : 35 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
12 mm starker Betonmantel<br />
Papphülse Stahlblechdeckel<br />
Höhe, Gesamt- : 98 mm<br />
Höhe, Körper- : 76 mm<br />
Durchmesser : 57 mm<br />
Masse : 220 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Glatter Körper mit einer Wulst<br />
Höhe, Gesamt- : 72 mm<br />
Höhe, Körper- : 60 mm<br />
Durchmesser : 50 mm<br />
Masse : 200 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Glatter Körper mit drei Wülsten<br />
Höhe, Gesamt- : 96 mm<br />
Höhe, Körper- : 84 mm<br />
Durchmesser : 50 mm<br />
Masse : 500 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Glatter Körper mit drei Wülsten
Stielhandgranate <strong>NIPOLIT</strong><br />
Handgrate mit Aufschlagzünder <strong>NIPOLIT</strong><br />
Länge, Gesamt- : 263 mm<br />
Höhe, Körper- : 75 mm<br />
Durchmesser : 62 mm<br />
Masse, Gesamt- : 550 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Kopf und Stiel sind miteinander verschraubt<br />
Höhe, Gesamt- : unbekannt mm<br />
Höhe, Körper- : unbekannt mm<br />
Durchmesser : unbekannt mm<br />
Masse : unbekannt g<br />
Bezünderung : Aufschlagzünder<br />
[Aufbau unbekannt}<br />
Sprengkapsel : unbekannt<br />
Handgranate, quaderförmig <strong>NIPOLIT</strong> (Einheitssprengkörper)<br />
Brandwurfgranate <strong>NIPOLIT</strong><br />
Höhe, Gesamt- : 92 mm<br />
Höhe, Körper- : 80 mm<br />
Länge : 67 mm<br />
Breite : 37 mm<br />
Masse : 200 g<br />
Bezünderung : BZE 39<br />
BZ 40<br />
BZ 4,5 s<br />
Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />
Höhe, Gesamt- : 117 mm<br />
Höhe, Körper- : 105 mm<br />
Durchmesser : 99 mm<br />
Masse, Gesamt- : 440 g<br />
Masse, Thermit : 260 g<br />
Masse, <strong>NIPOLIT</strong> : 180 g<br />
Bezünderung : BZ 4,5 s<br />
Zündladung : N<br />
zweiteiliger verklebter <strong>NIPOLIT</strong>-Körper<br />
mit Wulst und zylindrischem Ansatz
Monatliche Einsparung<br />
bei <strong>NIPOLIT</strong>-Umstellung von<br />
500 t ZLdg Np 10<br />
1.850 t PiSprMun Fp 02<br />
350 t Nitropenta<br />
1500 t Trinitrotoluol<br />
50 t Montanwachs<br />
? t Paraffin<br />
120 t Aluminium<br />
125 t Schwarzblech<br />
Um die Funktionstüchtigkeit der <strong>NIPOLIT</strong>-<br />
Zündladungen unter Beweis zu stellen wurden u.a.<br />
am 23. und 24.08.1944 in HILLERSLEBEN 250<br />
Granaten <strong>aus</strong> der leichten Feldhaubitze 18<br />
verschossen, die mit äußerst schlecht initiierbarem<br />
Sprengstoff <strong>aus</strong> TNT/Ammonsalpeter (30:70)<br />
verschossen.<br />
Alle Granaten zerlegten einwandfrei.<br />
Am 22.10.1944 wurden 250 Schuss 15 cm Granaten<br />
mit Zündladung 36 <strong>NIPOLIT</strong> verschossen.<br />
Alle Granaten zerlegten einwandfrei.<br />
Am 28.01.1945 wurden <strong>aus</strong> 500 Metern Entfernung<br />
je 50 Granaten mit <strong>NIPOLIT</strong>-Zündladung und<br />
Zünderersatzstücken (blinde Zünder) <strong>aus</strong> dem 7,5 cm<br />
Gebirgsgeschütz 36 und der 10,5 cm Gebirgshaubitze<br />
40 auf Fels verschossen.<br />
Alle Granaten zerlegten einwandfrei.<br />
Immerhin wurde vom WaPrüf (BuM) die amtliche<br />
Gerätebezeichnung „große Zündladung C/98 Nipolit“<br />
und „Zündladung 36 Nipolit“ vergeben und am<br />
29.10.1944 heißt es in den Arbeitsnachrichten des<br />
WaPrüf BUM) u.a.:<br />
„…fand eine Besprechung statt, bei der die noch<br />
<strong>aus</strong>stehenden Fragen über die Massenfertigung der<br />
Zündladungen <strong>aus</strong> <strong>NIPOLIT</strong> geklärt wurden. Durch<br />
den Fortfall der Rauchentwickler stehen nunmehr<br />
genügend Mengen an Pappe zur Verfügung um die<br />
Stückzahl der Zündladungen mit Pappumhüllung auf<br />
3 mill. Stück zu gewährleisten. Große <strong>NIPOLIT</strong>-<br />
Zündladungen C/98 sollen in Zukunft mit 12 mill.<br />
Stück anlaufen, damit ist die Herstellung von 15 mill.<br />
Stück große Zündladungen C/98 für die nächsten<br />
Monate ge<strong>sich</strong>ert.<br />
Die Zündladung 36 wird für die Massenfertigung <strong>aus</strong><br />
<strong>NIPOLIT</strong> freigegeben und baldigst anlaufen, so dass<br />
der monatliche <strong>Bedarf</strong> von 1,5 mill. Stück ge<strong>sich</strong>ert<br />
ist…“<br />
Die Erprobung von <strong>NIPOLIT</strong>-Hohlladungen verlief<br />
weniger erfolgreich.<br />
Bereits am 3.8.1942 wurde beim Flieger-Korps XI 200<br />
Handgranaten „W“ <strong>aus</strong> <strong>NIPOLIT</strong> erprobt, die mit<br />
Trichtern der 7,5 cm Infanteriegranate versehen<br />
waren.<br />
[Es liegen keine weiteren Informationen über den Aufbau der HL-<br />
HGR „W“ vor.]<br />
Eine Aktennotiz von WaPrüf (BuM) vom Februar<br />
1943 wird u.a. festgestellt:<br />
„Sprengversuche … mit HL <strong>aus</strong> <strong>NIPOLIT</strong> bis etwa<br />
Kaliber 7,5 cm haben gezeigt, dass dieser<br />
Sprengstoff …den bisher verwendeten Sprengstoffen<br />
H5 [Hexogen/Wachs 95:5] und Hexogen/TNT 60:40<br />
unterlegen ist.“<br />
Da Dr. von HOLT bei der WASA auch für die<br />
Entwicklung der 8,8 cm Munition des „Puppchen“ und<br />
des „Panzerschreck“ verantwortlich war, drängte <strong>sich</strong><br />
die Verwendung von <strong>NIPOLIT</strong>-Hohlladungen förmlich<br />
auf.<br />
Dazu nimmt der vorgenannte Aktenvermerk u.a. wie<br />
folgt Stellung:<br />
„ …hat <strong>sich</strong> ebenfalls bestätigt, dass trotz durchgeführter<br />
Versuche auf breiter Basis mit verschieden<br />
geformten und verschieden starken Hohlladungsverkleidungen<br />
[Einlagen] bei Verwendung von<br />
<strong>NIPOLIT</strong> die maximale Leistung der gegossenen<br />
Sprengladungen <strong>aus</strong> Hexogen/TNT 60:40 nicht<br />
erreicht wurden.<br />
Im Einvernehmen mit Dr. von HOLT wurde daher für<br />
diese Entwicklung … die Verwendung von <strong>NIPOLIT</strong><br />
eingestellt.“<br />
Wird fortgesetzt