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NIPOLIT-Kampfmittel (I) von Wieland Thrinns Allgemeines ...

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<strong>NIPOLIT</strong>-<strong>Kampfmittel</strong> (I)<br />

<strong>von</strong> <strong>Wieland</strong> <strong>Thrinns</strong><br />

Vorbemerkungen<br />

Der Begriff <strong>NIPOLIT</strong> dürfte jedem <strong>Kampfmittel</strong>räumer geläufig sein. Fakten zu diesem Sprengstoff wurden u.a. durch Karl Pawlas schon vor<br />

Jahren in der Waffen-Revue Nr.65 in anschaulicher Weise veröffentlicht. Vermutungen dazu können dem Internet in unterschiedlichsten Foren<br />

entnommen werden.<br />

Diese Ausarbeitung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, stellt den Versuch dar, einen Überblick über die Entwicklung und die<br />

Verwendungsmöglichkeiten <strong>von</strong> <strong>NIPOLIT</strong> zu geben ohne auf Superlative wie „sensationelle“, „einzigartig“ oder „genial“ zurückzugreifen und<br />

auch das artverwandte Nachkriegsprodukt HOLTEX mit einzubeziehen. Aus heutiger Sicht muss festgestellt werden, dass sich die, aus der Not<br />

geborene Erfindung <strong>NIPOLIT</strong> nicht durchsetzen konnte. Gleichwohl wurden <strong>NIPOLIT</strong>-<strong>Kampfmittel</strong> auf deutscher Seite im 2. Weltkrieg verwendet,<br />

was heute nicht zuletzt durch <strong>Kampfmittel</strong>funde belegt werden kann.<br />

<strong>Allgemeines</strong><br />

Spätestens ab 1942 kann die wirtschaftliche Lage im Großdeutschen Reich mit dem Begriff „Mangel“ überschrieben<br />

werden. Der Kriegsproduktion mangelte es gleichermaßen an Rohstoffen, Produktionsstätten und Arbeitskräften.<br />

Die strickte Zuteilung der verfügbaren Ressourcen, die Umwandlung <strong>von</strong> überzähligen oder unbrauchbaren<br />

Halbfertigt- und Fertigprodukten und die, auch heute wieder aktuelle Nutzung <strong>von</strong> Sekundärrohstoffen (SERO)<br />

konnte die Mangelsituation bestenfalls entkrampfen. Der (geradezu sprichwörtliche) deutsche Forschergeist war<br />

gefordert – wobei offen bleiben soll, ob Profitsucht oder die Hoffnung auf den Endsieg die entscheidende Motivation<br />

war.<br />

<strong>NIPOLIT</strong>- Eigenschaften<br />

Im Werk Reinsdorf der Westfälisch-Anhaltinischen<br />

Sprengstoff AG (WASAG) wurde unter der Federführung<br />

<strong>von</strong> Dr. <strong>von</strong> HOLT ein Hochleistungssprengstoff<br />

entwickelt, der o.a. Mangelsituation<br />

Rechnung trug.<br />

Dessen Vorzüge wurde durch Dr. <strong>von</strong> HOLT seit<br />

1942 den Wehrmachtsteilen in Vorträgen,<br />

Besichtigungen und Vorführungen dargelegt und<br />

dabei u.a. ausgeführt:<br />

<strong>NIPOLIT</strong><br />

Sprengstoffgemisch aus:<br />

POL-Pulver 50%<br />

Sprengöl 30%<br />

brisanter Sprengstoff 20%<br />

selbsttragend<br />

thermoplastisch verformbar<br />

mechanisch bearbeitbar<br />

Det-Geschw. 8200 - 8400 m/s<br />

„Die Herstellung <strong>von</strong> <strong>NIPOLIT</strong> erfolgt auf Maschinen<br />

für lösungsmittelfreie Sprengölpulver (Warmwalzen<br />

und Pressen). Die Verformung nach dem Walzen<br />

kann - soweit nötig - im Strang- und Blockpressverfahren<br />

erfolgen. Eine Nachbehandlung ist bei<br />

Sachkenntnis und der notwendigen Beachtung des<br />

Sprengstoffcharakters mit den Maschinen der<br />

Holzbearbeitung – außer Kreissäge - möglich.<br />

POL-Pulver<br />

Pulver ohne Lösungsmittel<br />

aus Nitrozellulose (NC)<br />

und Sprengöl<br />

mit Gelantoren<br />

press-, zieh- und walzbar<br />

TL-Pulver und RakTreibsatz<br />

Der besondere Vorteil des <strong>NIPOLIT</strong>s gegenüber den<br />

Sprengstoffen TNT, Pikrin-säure, Nitropenta,<br />

Hexogen und Mischungen hieraus ist:<br />

- Festigkeit wie bei Kunststoffen<br />

- Innere Elastizität u. Plastizität, daher größeres Aufnahmevermögen<br />

für plötzliche Schlagbeanspruchung<br />

- Verformbarkeit im Strangpressverfahren und Walzgang<br />

- Höchste Sprengkraft<br />

- Weitreichende Schussunempfindlichkeit<br />

- Wasserunempfindlichkeit<br />

Sprengöl<br />

flüssige Salpetersäureerster<br />

wie Nitroglycerin<br />

(Glycerintrnitrat)<br />

Nitroglykol<br />

(Aethylenglykoldinitrat)<br />

Diglykoldinitrat<br />

Dinitrochlorhydrin<br />

Tatranitrodiglycerin<br />

oder Gemische der o.a.


Anhang I<br />

Pioniersprengmittel<br />

Einheitssprengkörper <strong>NIPOLIT</strong> (Handgranate, quaderförmig <strong>NIPOLIT</strong>)<br />

Geballt Ladung <strong>NIPOLIT</strong><br />

Länge : 67 mm<br />

Breite : 37 mm<br />

Höhe : 80 mm<br />

Zündkanal : 1<br />

Masse : 200 g<br />

Bezünderung : Sprengkapselzünder<br />

Glühzünder<br />

Knickzünder<br />

Kippzünder<br />

Zugzünder<br />

Zug- und Zerschneidezünder<br />

S-Minenzünder<br />

Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />

Länge : 164 mm<br />

Breite : 76 mm<br />

Höhe : 196 mm<br />

Zündkanal : 3<br />

Masse : 3.000 g<br />

Bezünderung : Knickzünder<br />

Kippzünder<br />

Zugzünder<br />

Zug- und Zerschneidezünder<br />

S-Minenzünder<br />

Hebelzünder<br />

Druckzünder<br />

Sprengkapselzünder<br />

Glühzünder<br />

Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />

Tragegriff möglich


Haftladung <strong>NIPOLIT</strong> Ausf. A<br />

Haftladung <strong>NIPOLIT</strong> Ausf. B<br />

Haftladung <strong>NIPOLIT</strong> Ausf. C<br />

Entlastungszünder <strong>NIPOLIT</strong><br />

Länge : 110 mm<br />

Breite : 72 mm<br />

Höhe : 36 mm<br />

Zündkanal : 1<br />

Magnetpaare : 2<br />

Masse : ca. 220 g<br />

Form : Halbzylinder<br />

Bezünderung : BZ 4,5 s (Blaukopfzünder)<br />

BZ 7 s (Gelbkopfzünder)<br />

Sprengkapselzünder<br />

Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />

Länge : 110 mm<br />

Breite : 72 mm<br />

Höhe : 28 mm<br />

Zündkanal : 1<br />

Magnetpaare : 2<br />

Masse : ca. 200 g<br />

Form : abgeflachter Halbzylinder<br />

Bezünderung : BZE<br />

BZ 4,5 s (Blaukopfzünder)<br />

BZ 7 s (Gelbkopfzünder)<br />

Sprengkapselzünder<br />

Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />

Länge : 120 mm<br />

Breite : 60 mm<br />

Höhe : 30 mm<br />

Zündkanal : 1<br />

Magnetpaare : 2<br />

Masse : ca. 165 g<br />

Bezünderung : BZ 4,5 s (Blaukopfzünder)<br />

BZ 7 s (Gelbkopfzünder)<br />

Sprengkapselzünder<br />

Sprengkapsel : SKA Nr 8 (Al)<br />

Länge : 98 mm<br />

Breite : 50 mm<br />

Höhe : 28 mm<br />

Masse : ca. 135 g<br />

Auflast (min) : 450 g<br />

Sprengkapsel : Anzündhütchen (eingebaut)<br />

SKA Nr 8 (Al)


Leichter Ladungsträger (Sonder-KfZ 302)<br />

("Goliath")<br />

Länge : 150 cm<br />

Breite : 85 cm<br />

Höhe : 56 cm<br />

Masse, Gesamt- : 370 kg<br />

Masse, <strong>NIPOLIT</strong>- : 100 kg<br />

Motor : 2 Elektromotoren<br />

Fahrbereich, Straße : 1,5 km<br />

Überschreitfähigk. : 60 cm<br />

Steuerung : Funk<br />

Zusatzsteuerung : Draht<br />

Hersteller : BORGWARD<br />

: ZÜNDAPP<br />

Herstellungspreis : 3000 RM<br />

Das unwesentlich größere Nachfolgemodell<br />

Sd. Kfz 303 war mit einem 2-Zylinder-Otto-<br />

Motor ausgerüstet und konnte auf der Straße<br />

12 km zurücklegen.<br />

Über die Sprengladung des Sd. Kfz 303<br />

liegen keine weiteren Angaben vor.


Brisante Sprengstoffe<br />

mögl. Komponenten f. <strong>NIPOLIT</strong><br />

HEXOGEN (RDX)<br />

NITROPENTA (PETN)<br />

(Pentaerytrittetranitat)<br />

Die Festigkeit und gleichzeitige Elastizität des<br />

<strong>NIPOLIT</strong>s sind durch seine Gelstruktur – gegenüber<br />

dem kristallinen Gefüge anderer Sprengstoffe.<br />

bedingt. Es ist daher eine hüllenlose Verwendung<br />

und damit die Einsparung <strong>von</strong> Blech, Stahl, Holz,<br />

Kunststoff, einschließlich der hierfür benötigten<br />

Arbeitskräfte möglich.<br />

Die Brisanz und Sprengkraft <strong>von</strong> <strong>NIPOLIT</strong> ist infolge<br />

des spezifischen Gewichts und der Detonationsgeschwindigkeit<br />

dem TNT und seiner<br />

Mischungen mit Ammonsalpeter überlegen.<br />

In seiner Sprengkraft gleicht <strong>NIPOLIT</strong> dem<br />

Sprengstoffgemisch PETN/TNT (50:50).<br />

<strong>NIPOLIT</strong> bröckelt, dank seines Hartgummicharakters<br />

nach dem Pressen oder Walzen nicht ab und ist<br />

daher handhabungssicherer als andere bekannte<br />

Sprengstoffe.<br />

Die Detonationsempfindlichkeit nimmt auch in<br />

unverdämmtem Zustand nach monatelanger Unterwasserlagerung<br />

oder bei Kältelagerung (- 60° C) nicht<br />

ab.“<br />

<strong>NIPOLIT</strong>- Anwendungsmöglichkeiten<br />

Die Firma WASAG produzierte bereits 1942 ohne in<br />

die <strong>NIPOLIT</strong>-Großfertigung einzusteigen eine Anzahl<br />

<strong>von</strong> <strong>Kampfmittel</strong>n um die Anwendungsmöglichkeiten<br />

zu veranschaulichen. Bei den Vorschlägen<br />

konzentrierte man sich einerseits auf <strong>Kampfmittel</strong> bei<br />

den die Umhüllung (und damit Material und Personal)<br />

eingespart und mit den Maschinen aus der<br />

Nitrozellulosepulverfertigung hergestellt werden konnten.<br />

Geschickter Weise orientierte man sich auch an<br />

<strong>Kampfmittel</strong>-Neuentwicklungen und an ggf. kommenden<br />

Bedürfnissen außerhalb der Wehrmacht. Es<br />

wurden vorgeschlagen:<br />

- Riegelminen<br />

- Panzerminen<br />

- Hohlladungen<br />

- Rohrladungen<br />

- Sprengladungen<br />

- Zündladungen<br />

- Handgranaten<br />

- Geschossfüllungen (PzSprGr.)<br />

- Raketengefechtsköpfe (R4M)<br />

- Ladungen für Röchlinggeschosse<br />

- Torpedoköpfe (bei Al-Zusatz)<br />

- Unterwasserladungen<br />

- Detonierende Bänder, Folien und Schnüre<br />

- usw<br />

Einige Projekte wurden noch im 2. WK realisiert<br />

(siehe weiter unten) oder nach Kriegsende unter<br />

Verwendung <strong>von</strong> HOLTEX durch die Firma<br />

HISPANO SUIZA angeboten.<br />

HOLTEX<br />

Gelantiniertes Gemenge aus:<br />

Nitroglycerin, Nitrocellulose<br />

und Hexogen oder Nitropenta<br />

unter Verwendung <strong>von</strong><br />

Metallseifen als Gelantor<br />

selbsttragend<br />

thermoplastisch verformbar<br />

mechanisch bearbeitbar<br />

Det-Geschw. 7800 m/s<br />

[Die Bezeichnung des <strong>von</strong> Dr. <strong>von</strong> HOLT im WK 2 entwickelten<br />

Sprengstoffs <strong>NIPOLIT</strong> weist auf das Herstellungsverfahren<br />

(NItriertes POl-Pulver) hin. Nach Kriegsende erfolgte eine<br />

Renaissance des nahezu identischen Produktes HOLTEX unter<br />

dem Namen des identischen Erfinders (HOLTex).<br />

Wird fortgesetzt

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