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Christsein und Gemeinde heute - Perspektiven - Christsein und ...

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Eine H<strong>und</strong>efrisörin für den Herrn???<br />

Sie gefiel mir sofort. Wortgewandt <strong>und</strong> charmant saß sie neben<br />

mir. Bestens gekleidet <strong>und</strong> mit allen Wassern der Etikette <strong>und</strong> Allgemeinbildung<br />

gewaschen. Für das Gespräch am Tisch war sie eine<br />

echte Bereicherung. Die Diskussion nach einem Referat bei diesem<br />

Frühstückstreffen für Frauen drehte sich um Sinn <strong>und</strong> Zweck der Lebensplanung,<br />

wie man Ziele steckt <strong>und</strong> erreicht. Sie hatte viel beizutragen.<br />

Ihr Lebenshunger war deutlich. Hier war eine junge Frau, die<br />

es zu etwas gebracht hatte, weder depressiv noch psychisch labil war<br />

– <strong>und</strong> offenes Interesse am Glauben <strong>und</strong> der Bibel zeigte. So jemanden<br />

könnte jede <strong>Gemeinde</strong> gebrauchen!<br />

Gerade wurde die Gesprächszeit an den Tischen durch die Moderatorin<br />

unterbrochen, die Möglichkeit für fortführende Gesprächskreise<br />

wurde angeboten. In Gedanken malte ich mir sie schon nach einer<br />

Entscheidung für ein Leben mit Jesus in führender Position einer <strong>Gemeinde</strong>leitung<br />

aus oder als administrative Leiterin eines Missionswerks<br />

oder mit sonst einer wichtigen Aufgabe. Während ich ihr eine<br />

der Antwortkarten auf ihre Bitte hin reichte, fragte ich noch beiläufig:<br />

»Was machen sie denn beruflich?« Die Antwort kam prompt: »Ich bin<br />

H<strong>und</strong>efrisörin. Mein Salon ist in der Innenstadt.«<br />

Gibt es hirnloseres, als H<strong>und</strong>e zu frisieren?<br />

Das sich bereits in meinem Rachenraum aufbäumende schallende<br />

Gelächter erstickte ich notdürftig hinter den Zähnen, als mir siedend<br />

heiß einfiel, dass dieser geniale Scherz womöglich gar keiner wahr.<br />

Ich nannte das vorsichtig einen »ungewöhnlichen Beruf« <strong>und</strong> war sicher,<br />

mich verhört zu haben. Was um alles in der Welt soll eine <strong>Gemeinde</strong><br />

mit einer H<strong>und</strong>efrisörin anfangen??? Fragte es in meinem<br />

Kopf: Wie will man über gepuderten Pudellocken <strong>und</strong> gebürsteten<br />

Spanielschwänzen einem Menschen den Glauben nahebringen???<br />

Ich konnte mir kaum einen hirnloseren Lebensinhalt als das Frisieren<br />

von H<strong>und</strong>en vorstellen. Vermutlich hat ein Astronaut mehr Gelegenheit<br />

über den Glauben zu reden, auch wenn er berufsbedingt nicht<br />

gerade auf viele Menschen im Weltall trifft. Lehrer, Köche, Automechaniker,<br />

Juristen <strong>und</strong> Banker: jeden seriösen Beruf kann man in der<br />

<strong>Gemeinde</strong>arbeit gebrauchen <strong>und</strong> kreativ einsetzen – aber ausgerechnet<br />

H<strong>und</strong>efrisör …<br />

»Ich wollte immer etwas ganz anderes machen, aber meine Mutter<br />

Alltags-<strong>Perspektiven</strong><br />

hat mir ihren Salon einfach vermacht, als sie sich zur Ruhe setzte. Er<br />

ist eine Goldgrube! Ich verdiene viel, ohne mich kaputt zu machen –<br />

da lohnt sich das Umschwenken von liebgewordenen Vorstellungen<br />

<strong>und</strong> anderen Ideen«, erklärte sie mir mit gewinnendem Lächeln. Mein<br />

Erstaunen war ihr peinlicherweise nicht verborgen geblieben. Ich war<br />

dann ganz froh, als das offizielle Ende nahte <strong>und</strong> wir uns fre<strong>und</strong>lich<br />

voneinander verabschiedeten. Irgendwie war ich enttäuscht <strong>und</strong> wusste<br />

selbst nicht genau, warum. Es war ein prima Treffen, eine klasse<br />

Gesprächsr<strong>und</strong>e am Tisch, eine gelungene Veranstaltung. Und es war<br />

einfach genial, sie kennengelernt zu haben – wieso nagte da also<br />

Enttäuschung an der gerade noch begeisterten Laune?<br />

Wer ist es wert, gerettet zu werden?<br />

Während wir die Infozettel auf den Tischen einsammelten <strong>und</strong> ich<br />

mit anderen die Kugelschreiber in die Schachteln sortierte, durchzuckte<br />

es mich: Sortieren – das ist das Problem! Offensichtlich teile ich<br />

Menschen genauso in die Kategorien »brauchbar« oder »unbrauchbar«<br />

ein, wie ich es mit Socken (stopfen oder Restmüll), Keksen (lekker<br />

oder Seite aus Rezeptbuch reißen) <strong>und</strong> anderen Gegenständen<br />

mache. In Gruppen, wie »total sympathisch« oder »möglichst nach<br />

fre<strong>und</strong>licher Begrüßung Gespräch beenden« teilt man den Gegenüber<br />

fast automatisch ein. Mit einigen Damen <strong>und</strong> Herren kann man<br />

mehr, mit anderen weniger gut. Ich bin auch nur ein Mensch mit Fehlern<br />

<strong>und</strong> Vorlieben. Dabei könnte ich es jetzt getrost belassen.<br />

Dass ich Menschen aber auch noch danach einteile, ob sie es wert<br />

sind, von Jesus gerettet zu werden oder nicht – das geht dann wohl<br />

doch zu weit.<br />

»Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um sie zu verurteilen,<br />

sondern um sie durch ihn zu retten.« (Johannes 3,17). Wir sind<br />

ihm das Kreuz wert gewesen, unabhängig von Bildung <strong>und</strong> Einkommen.<br />

Das Problem der Vorurteile hat Jesus offensichtlich nicht gehabt!<br />

Vorurteile sind bekanntlich völlig subjektiv <strong>und</strong> teilweise an den Haaren<br />

herbeigezogen. Wenn ich mir das so recht überlege, ist deshalb<br />

ein Frisör – ob für H<strong>und</strong>e oder Menschen – in der <strong>Gemeinde</strong> genau<br />

das Richtige!<br />

<strong>Perspektiven</strong> 08/09 23

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