Download als PDF (4 MB) - SHG - Saarland-Heilstätten GmbH
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FOCUS <strong>SHG</strong><br />
Ist das Alter überhaupt<br />
noch bezahlbar?<br />
Sieht man die demografische Entwicklung, müsste man diese<br />
Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten. Wie sollen immer<br />
weniger junge Menschen immer mehr alte Menschen finanzieren?<br />
Unsere Solidaritätsgemeinschaft ist nun mal eben so ausgelegt,<br />
dass die aktuellen Zahlungen der jetzt Erwerbstätigen<br />
<strong>als</strong> Rente an die heutigen Ruheständler ausgezahlt werden.<br />
Wenn aber immer weniger Erwerbstätige da sind, die in die<br />
Rentenkasse bezahlen, wie sollen dann immer mehr Rentner<br />
ihre Rente im vollen Umfang erhalten? Rein rechnerisch kann<br />
das doch gar nicht funktionieren. „Die Nation vergreist. Es<br />
droht der totale Kollaps der gesetzlichen Rentenversicherung<br />
in den nächsten 30 bis 50 Jahren. Bis 2030 werden knapp 35<br />
Prozent der Deutschen, <strong>als</strong>o etwa jeder dritte, über 60 Jahre alt<br />
sein. Acht Prozent der Bevölkerung werden das 80. und zwei<br />
Prozent das 90. Lebensjahr überschritten haben. Dann werde<br />
Deutschland das Industrieland mit dem weltweit größten Anteil<br />
alter Menschen sein, prophezeit die Weltbank. Gleichzeitig wird<br />
die Zahl der Erwerbstätigen dramatisch sinken. Heute kommen<br />
3,8 Erwerbstätige auf einen Rentner. 2050 müssen 1,7 Erwerbstätige<br />
einen Rentner ernähren. Wie soll das gehen? Die Politik<br />
weiß keine schlüssige Antwort.“, so im Artikel „Krieg der Generationen“<br />
von Günter Lachmann in Welt Online vom 10.8.2003.<br />
Weiterentwicklung der Pflegeversicherung zu teuer?<br />
Gleiches gilt für die Finanzierung des Gesundheitswesens. Geht<br />
man davon aus, dass die Zahl der Erkrankungen, und meist<br />
sind es ja chronische Erkrankungen, mit dem Alter zunehmen,<br />
so werden in Zukunft immer mehr Leistungen aus dem Gesundheitssystem<br />
benötigt. Auf der anderen Seite gibt es aber immer<br />
weniger jüngere Menschen, die dies mit ihren Beiträgen finanzieren.<br />
Die Diskussionen um Gesundheitsreformen, den Gesundheitsfonds,<br />
die Erhöhung des Krankenkassenbeitrags auf 15,5%<br />
lassen schon jetzt darauf schließen, dass es eng werden wird.<br />
Wenn jetzt schon beispielsweise Medikamente gegen Allergien,<br />
die ja auch zu den chronischen Krankheiten gehören, von den<br />
Krankenkassen nicht mehr bezahlt werden, wie sieht es dann in<br />
20 oder 30 Jahren aus?<br />
Sicher war die Einführung der Pflegeversicherung ein guter<br />
und wichtiger Schritt. Aber eine adäquate und konsequente<br />
Weiterentwicklung ist nicht in Sicht. So scheut sich der Gesetzgeber<br />
vor einer Neudefinition des Begriffs „pflegebedürftig“.<br />
Dies lässt sich am Beispiel eines dementen Menschen verdeutlichen.<br />
Um in eine Pflegestufe zu gelangen und damit Anspruch<br />
auf Gelder aus der Pflegeversicherung zu haben, muss<br />
ein Mensch bestimmte Handlungen in einem bestimmten<br />
Umfang nicht mehr alleine ausführen können. Ein dementer<br />
Mensch ist lange Zeit noch in der Lage, sich selbst zu waschen<br />
oder anzuziehen, allerdings oft nur unter der Bedingung, dass<br />
er dazu angehalten wird. Fehlt eine Person, die ihn dazu auffordert,<br />
werden diese Aktivitäten des täglichen Lebens, die im<br />
Katalog des Medizinischen Dienstes aufgelistet sind, nicht voll-<br />
zogen. Fakt ist <strong>als</strong>o, dass ein dementer Mensch sehr wohl Unterstützung<br />
braucht, wenn auch nicht in der Form, wie sie im<br />
Begriff der „Pflegebedürftigkeit“ definiert ist. Würde dieser<br />
Begriff an die Realität angepasst, müsste er eben auch die im<br />
Beispiel genannten Unterstützungshandlungen umfassen.<br />
Folge wären aber deutlich höhere Kosten, die aus der Pflegeversicherung<br />
finanziert werden müssten, und dies mit steigender<br />
Tendenz, da durch die immer höhere Lebenserwartung die<br />
Zahl der an Demenz erkrankten Menschen ansteigt.<br />
Bücher wie „Das Methusalem-Komplott“ von Frank Schirrmacher<br />
oder filmische Zukunftsvisionen wie „2030 – Der Aufstand<br />
der Alten“ malen kein friedvolles, harmonisches Bild<br />
unserer Gesellschaft in der Zukunft.<br />
Sollte uns die Vision einer alternden Gesellschaft wirklich<br />
beunruhigen oder malen wir die Lage unnötig schwarz?<br />
Es gibt allerdings auch andere Meinungen wie die von Phil<br />
Mullan. Phil Mullan ist u.a. Autor von „The Imaginary Time<br />
Bomb: Why an Ageing Population Is Not a Social Problem“. In<br />
seinem Artikel „Gute Preise, goldene Jahre: Die Zukunft ist<br />
bezahlbar!“, der in Auszügen hier nach zu lesen ist, geht er der<br />
Frage nach, ob sich die Gesellschaft so viele alte Menschen leisten<br />
kann. Am Beispiel von Großbritannien zeigt er: Sie kann!<br />
Denn, dass wir immer älter werden, ist eine gute Nachricht für<br />
jeden von uns. Wir leben länger, sind gesünder und erfreuen<br />
uns jedes Jahr an steigendem Wohlstand. Aber während wir<br />
noch die Vorzüge eines langen und vitalen Lebens genießen,<br />
werden wir immer ängstlicher ob der gesellschaftlichen und<br />
ökonomischen Auswirkungen dieser Entwicklung. Demographie<br />
war früher nur ein Randthema, inzwischen ist sie zu einer der<br />
Hauptsorgen in den westlichen Ländern avanciert. Der allgemeine<br />
Tenor der Debatte ist, dass uns die Vision einer alternden<br />
Gesellschaft beunruhigen sollte. Ein Leitartikel im britischen<br />
Economist brachte das jüngst kurz und knapp auf den Punkt:<br />
„Leider haben diese goldenen Jahre einen unbezahlbaren Preis.“<br />
Das Thema „Rente“ wird in den industrialisierten Ländern ohne<br />
Zweifel mit großer Sorge diskutiert. Dafür gibt es gute Gründe,<br />
die allerdings mit Demographie zumeist nichts zu tun haben.<br />
Wir sollen uns darauf einstellen, dass unsere Altersvorsorge –<br />
die staatliche wie die private – sowohl der Dauer <strong>als</strong> auch der<br />
Höhe nach nicht dem entsprechen wird, was wir bislang erwartet<br />
haben. Die demographische Entwicklung wird oft <strong>als</strong> „objek-<br />
Gesundheit im Blickpunkt Ausgabe 05 | April 2009<br />
tive Rechtfertigung“ angeführt, um uns heute schon auf diese<br />
Kürzungen vorzubereiten, sie ist aber in Wirklichkeit nicht der<br />
Grund für diese Umstellungen.<br />
Als weiteres scheinbar unlösbares Problem werden in Zusammenhang<br />
mit der Alterung der Gesellschaft die steigenden<br />
Gesundheitskosten thematisiert. Auch hier wird die Lage unnötig<br />
schwarz gemalt. Obwohl die Gesundheitskosten mit zunehmendem<br />
Alter im Durchschnitt steigen, könnte die finanzielle<br />
Belastung dadurch ausgeglichen werden, dass alle Menschen –<br />
junge und alte – insgesamt immer gesünder werden. Es ist<br />
davon auszugehen, dass wir im Laufe der nächsten 50 Jahre<br />
viel gesünder sein werden, da wir in besseren Verhältnissen<br />
leben und uns besser ernähren. Zweifellos treten Krankheiten<br />
gehäuft in den späteren Lebensjahren auf. Menschen bedürfen<br />
insbesondere in den letzten Lebensmonaten verstärkt medizinischer<br />
Betreuung. Der Anteil der medizinischen Ressourcen, der<br />
in der Periode kurz vor dem Tod gebraucht wird, steigt kontinuierlich,<br />
während die Gesundheitsausgaben für jüngere Jahrgänge<br />
laufend sinken. Es sind <strong>als</strong>o eher die Kosten des Sterbens <strong>als</strong><br />
die des Lebens, um welche die Gesundheitskostendebatte kreist.<br />
Doch es gibt Anzeichen dafür, dass die Kosten des Sterbens mit<br />
zunehmendem Alter ebenfalls abnehmen; und wie alt auch immer<br />
wir werden: wir sterben nur einmal. Folglich ist anzunehmen,<br />
dass auch dieser Kostenfaktor mit zunehmender Lebenserwartung<br />
eher zurückgeht <strong>als</strong> steigt.<br />
Was hat es mit dem Begriff „Beitragszahlerquote“ auf sich?<br />
Alle Befürchtungen, die Renten- und Gesundheitssysteme stießen<br />
künftig auf unüberwindbare Finanzierungsschranken, beziehen<br />
sich letztlich auf eine statistische Größe: die Beitragszahlerquote.<br />
Die Beitragszahlerquote ist das Zahlenverhältnis<br />
zwischen den in die Rentenkasse einzahlenden Arbeitnehmern<br />
(gewöhnlich alle Menschen zwischen 16 Jahren und dem Rentenalter)<br />
und den aus ihr finanzierten Rentnern. Für Großbritannien<br />
wird erwartet, dass diese Quote von derzeit 3,4 (3,4<br />
Beitragszahler finanzieren einen Rentenempfänger) in den<br />
nächsten 40 Jahren auf das Rekordtief von 2,4 fallen wird.<br />
Diese statistische Veränderung wird immer wieder herangezogen,<br />
um einen drohenden alterungsbedingten Bankrott der<br />
Sozi<strong>als</strong>ysteme vorherzusagen. Auf den ersten Blick scheint diese<br />
Kalkulation logisch: Wenn immer weniger Jüngere immer<br />
mehr Ältere unterstützen müssen, muss der Lebensstandard<br />
einer der beiden Gruppen oder sogar beider zugleich sinken.<br />
Das statistische Verhältnis sagt wenig darüber aus, was auf der<br />
Welt wirklich vor sich geht. Hochrechnungen auf Grundlage<br />
der Beitragszahlerquote lassen außer Acht, dass zurzeit eine<br />
große Anzahl von Menschen im „Arbeitsalter“ überhaupt nicht<br />
arbeitet. In Großbritannien sind dies ungefähr neun Millionen<br />
Menschen (in Ausbildung und Hochschule, Arbeitslose und<br />
andere, die wirtschaftlich nicht aktiv sind). In den meisten entwickelten<br />
Ländern stellt diese Gruppe ein Viertel bis ein Drittel<br />
der Menschen im „arbeitsfähigen“ Alter dar. Mithin entspricht<br />
die angenommene Beitragszahlerquote nicht der tatsächlichen.<br />
Berechnungen auf Grundlage der tatsächlichen Beitragszahlerquote<br />
sähen daher ganz anders aus. Sie würden auf dem Verhältnis<br />
zwischen arbeitenden und nicht-arbeitenden Menschen<br />
22 | 23<br />
beruhen, welches eindeutig bestimmbar ist: von den 59 Millionen<br />
in Großbritannien lebenden Menschen arbeiten 27 Millionen<br />
Menschen, d.h. das Verhältnis Beitragszahler zu Nichtzahlern<br />
liegt bei 27:32, die reale Beitragszahlerquote ist somit nicht<br />
3,4, sondern 0,84.<br />
Hohe Beschäftigungsquote kann Beitragszahlerquote<br />
durchaus stabilisieren!<br />
Der Anteil der Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung ist sehr<br />
viel wichtiger <strong>als</strong> die Geschwindigkeit des gesellschaftlichen<br />
Alterungsprozesses – ein Tatbestand, der hin und wieder von<br />
der britischen Regierung anerkannt, aber nie hervorgehoben<br />
wird. Dabei ist der Anteil der tatsächlich aktiven Bevölkerung<br />
viel eher zu beeinflussen <strong>als</strong> die Altersstruktur der Gesellschaft.<br />
Vor 40 Jahren hatten 95 Prozent der männlichen Erwachsenen<br />
im arbeitsfähigen Alter in Großbritannien einen Arbeitsplatz.<br />
Inzwischen ist der Anteil auf unter 80 Prozent gesunken. Diesen<br />
Trend innerhalb der nächsten 40 Jahre um nur zwei Drittel<br />
umzukehren, d.h. die Beschäftigungsquote wieder auf knapp 90<br />
Prozent anzuheben, würde ausreichen, um die Beitragszahlerquote<br />
im Jahr 2040 auf heutigem Niveau zu stabilisieren. Die<br />
Unbezahlbarkeitsthese wäre damit von der Bildfläche verschwunden.<br />
Anders formuliert: Wenn Großbritannien so viele<br />
Arbeitsplätze hätte wie derzeit Schweden oder Dänemark, wäre<br />
das auch genug.<br />
Das tatsächliche durchschnittliche Renteneintrittsalter liegt<br />
zurzeit in Großbritannien unter dem offiziellen Renteneintrittsalter<br />
von 65 Jahren – für Männer bei 62,5 Jahren. Untersuchungen<br />
zeigen, dass ein großer Anteil der drei Millionen<br />
Menschen zwischen 50 und 65 Jahren gerne arbeiten würde,<br />
wenn er denn dürfte. Es wäre <strong>als</strong>o kein Problem, die zur Erhöhung<br />
der Beschäftigungsrate benötigten zusätzlichen Arbeitskräfte<br />
zu beschaffen – wenn es denn die entsprechenden<br />
Arbeitsplätze gäbe.“<br />
Mullan führt weitere Argumente wie den Anstieg der Produktivität<br />
und das Sinken der Staatsausgaben an. Insgesamt spricht<br />
alles dafür, dass das Alter in Zukunft nicht nur bezahlbar sein<br />
wird, sondern von einem insgesamt höheren Lebensstandard<br />
auszugehen ist. Den kompletten Artikel von Phil Mullan finden<br />
Sie unter http://www.novo-magazin.de/71/novo7108.htm.<br />
Christina Pleyer<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Austgen Werbeagentur <strong>GmbH</strong> im Auftrag der <strong>SHG</strong><br />
Endredaktion: Angela Louis, Claudia Hamann, Christina Pleyer,<br />
Dr. Ludwig Kraut, Reinhard Austgen<br />
Gesamtherstellung u. Anzeigenverwaltung: Austgen Werbeagentur <strong>GmbH</strong>,<br />
D-66663 Merzig, Telefon: +49(0)6861/75769, Telefax: +49(0)6861/75478,<br />
E-Mail: austgen-werbeagentur@t-online.de<br />
Erscheinungsweise: vieteljährlich<br />
Fotografie: <strong>Saarland</strong>-<strong>Heilstätten</strong> <strong>GmbH</strong>, Klinikum Idar-Oberstein <strong>GmbH</strong>,<br />
ME Schneider, Austgen Werbeagentur <strong>GmbH</strong>, Archiv, Fotolia<br />
Produktion: Merziger Druckerei und Verlag <strong>GmbH</strong> & Co. KG<br />
Die Informationen in dieser Ausgabe sind sorgfältig zusammengetragen worden.<br />
Dennoch kann für den Inhalt und Irrtümer keinerlei Haftung übernommen<br />
werden. Eine Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist<br />
Christina ausgeschlossen.<br />
Pleyer