Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
Programmheft - Badisches Staatstheater Karlsruhe
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3.<br />
Stefanie Schaefer & chriStina Bock
3. LieDeraBenD<br />
STEFANIE SCHAEFER & CHRISTINA BOCK<br />
robert Schumann kerner-LieDer, op. 35<br />
(1810-1856) Texte von Justinus Kerner<br />
christina Bock Mezzosopran<br />
freya Jung Klavier<br />
Sehnsucht nach der Waldgegend<br />
Frage<br />
Erstes Grün (Frühlingskur)<br />
Stille Liebe<br />
Lust der Sturmnacht<br />
Gustav Mahler Vier LieDer aUS<br />
(1860-1911) DeS knaBen WUnDerhorn<br />
Texte nach deutschen Volksweisen<br />
Stefanie Schaefer Mezzosopran<br />
John Parr Klavier<br />
Rheinlegendchen<br />
Wo die schönen Trompeten blasen<br />
Wer hat dies Liedlein erdacht?<br />
Urlicht<br />
Louis Spohr SechS DeUtSche LieDer op. 103<br />
(1784-1859) Texte verschiedener Dichter<br />
christina Bock Mezzosopran<br />
freya Jung Klavier<br />
Daniel Bollinger Klarinette<br />
- PAUSE -<br />
Sei still mein Herz<br />
Zwiegesang<br />
Sehnsucht<br />
Wiegenlied (auf drei Tönen)<br />
Das heimliche Lied<br />
Wach auf
clara Schumann ScherZo nr. 2, op. 14<br />
(1819-1896) freya Jung Klavier<br />
robert Schumann fraUenLieBe UnD -LeBen, op. 42<br />
(1810-1856) Texte von Adelbert von Chamisso<br />
Stefanie Schaefer Mezzosopran<br />
John Parr Klavier<br />
Stefanie Schaefer, christina Bock Mezzosopran<br />
freya Jung, John Parr Klavier<br />
Daniel Bollinger Klarinette<br />
2.3.13 19.30 kLeineS haUS<br />
Dauer 2 Stunden, eine Pause<br />
Seit ich ihn gesehen<br />
Er, der Herrlichste von allen<br />
Ich kann‘s nicht fassen, nicht glauben<br />
Du Ring an meinem Finger<br />
Helft mir, ihr Schwestern<br />
Süßer Freund, du blickest<br />
An meinem Herzen, an meiner Brust<br />
Nun hast du mir den ersten Schmerz getan
kLanG-<br />
Als sich das Ehepaar Schumann am 12.<br />
September 1839 das Jawort gab, war sich<br />
Clara mit Sicherheit nicht der Veränderungen<br />
bewusst, die jene Ehe mit Robert<br />
mit sich brachte. „Heute ist’s ein Vierteljahr,<br />
dass wir verheiratet sind, wohl mein<br />
glücklichstes Vierteljahr, das ich noch<br />
erlebt. Ich stehe täglich in neuer Liebe zu<br />
meinem Robert auf, und scheine ich auch<br />
manchmal trübe, fast unfreundlich, so sind<br />
es nur Sorgen, deren Ursprung doch immer<br />
die Liebe zu ihm ist.“ Vom Vater wurde ihr<br />
Talent als Pianistin früh erkannt, sodass<br />
er diese für die damalige Zeit rasante<br />
Karriere seiner Tochter mit allen Mitteln<br />
zu befördern wusste. Nicht nur die neuen<br />
Pflichten als Haus- und Ehefrau veränderten<br />
über Nacht das Leben der jungen<br />
Clara. Sie folgte ebenso Roberts Wunsch,<br />
auf eine Pianisten-Laufbahn zu verzichten,<br />
in erster Linie fühlte er sich nämlich durch<br />
ihr Klavierspiel beim Komponieren gestört.<br />
Allerdings erkannte Robert Claras Fähigkeiten<br />
als Komponistin und so entstanden<br />
2<br />
BiLDer<br />
bald nach der Vermählung ihre ersten<br />
Kompositionen. Zwar hatte ihr Vater<br />
Friedrich Wieck dafür gesorgt, dass Clara<br />
Grundkenntnisse im Komponieren erhielt,<br />
große Werke entstanden in frühen Jahren<br />
allerdings nicht. Erst der Einfluss Robert<br />
Schumanns beflügelte Claras Talent,<br />
nicht zuletzt die große Liebesbekundung<br />
im Zyklus Liebesfrühling nach Gedichten<br />
Friedrich Rückerts zeigt das Feingefühl,<br />
mit dem Clara drei Lieder beisteuerte, die<br />
sich stilistisch glanzvoll in Roberts Kompositionen<br />
einfügen.<br />
An dieser Stelle verdient jedoch ein<br />
anderes Ereignis im Hause Schumann<br />
Erwähnung, das zeigt, wie sehr Roberts<br />
häusliches Empfinden Ausdruck in der<br />
Wahl seiner Liedtexte sowie der kompositorischen<br />
Gestaltung findet: „Nach<br />
stundenlanger Sorge kam zehn Minuten<br />
vor 11 Uhr vormittag das erste Kind dieser<br />
Ehe, ein Mädchen, zur Welt, unter Blitz<br />
und Donner, da gerade ein Gewitter am<br />
Clara und Robert Schumann
Himmel stand. Die ersten Laute aber – und<br />
das Leben stand wieder hell und liebend<br />
vor uns – wir waren ganz selig vor Glück.<br />
Wie bin ich doch stolz, eine Frau zu haben,<br />
die mir außer ihrer Liebe, ihrer Kunst<br />
auch solch ein Geschenk gemacht“. In den<br />
kerner-Liedern wie auch in frauenliebe<br />
und -leben nehmen diese Eindrücke künstlerische<br />
Gestalt an. Die kerner-Lieder<br />
sind, im Gegensatz zur zyklischen Form<br />
der frauenliebe, musikalisch betrachtet<br />
eine eher lose Sammlung an Vertonungen.<br />
Clara Schumann äußerte sich darüber<br />
folgendermaßen: „Robert hat wieder 3<br />
herrliche Lieder componiert. Die Texte<br />
sind von Justinus Kerner: ‚Lust der Sturmnacht‘,<br />
‚Stirb, Lieb‘ und Freud‘!‘ und ‚Trost<br />
im Gesang‘. Er fasst die Texte so schön<br />
auf, so tief ergreift er sie, wie ich es bei<br />
keinem anderen Componisten kenne, es<br />
hat keiner das Gemüth wie Er. Ach! Robert,<br />
wenn Du manchmal wüsstest, wie Du mich<br />
beglückst – unbeschreiblich!“<br />
Der Arzt und Schriftsteller Justinus Kerner<br />
hat Zeit seines Lebens die schwäbische<br />
Heimat nie verlassen. Er wirkte im sogenannten<br />
„Schwäbischen Dichterkreis“,<br />
zu dem u. a. auch Ludwig Uhland, Gustav<br />
Schwab und Friedrich Hölderlin gehörten.<br />
Bereits zu Lebzeiten kam Kerner aufgrund<br />
seiner parapsychologischen Experimente<br />
in Verruf. Nicht zuletzt sein literarisches<br />
Werk Geschichten zweier Sonnambulen<br />
(1824) und Die Seherin von Prevorst (1829)<br />
zeugen davon. Letzteres entstand, als er<br />
Friederike Hauffe bei sich aufnahm, eine<br />
junge Frau, die seit ihrer Jugendzeit ein<br />
„Gefühl für Geister“ gehabt haben soll.<br />
Nach ihrer Vermählung fiel sie in tiefe Depression<br />
und hatte von diesem Zeitpunkt<br />
an oftmals Dämmerzustände, in denen sie<br />
mit Geistern in Verbindung trat. Friederike<br />
Hauffe allerdings als Irrsinnige abzutun,<br />
4<br />
wäre unrecht. Denn auch sie zählt zu den<br />
„starken Frauen“ des 19. Jahrhunderts.<br />
Es ist bezeugt, dass diese „Seherin“ es<br />
schaffte, die Frau des Grafen Maldeghem<br />
von einer Psychose zu heilen. Kerner<br />
schrieb hierzu: „Erkenne hier, sinniger<br />
Leser, die Macht geistiger Korrespondenz,<br />
des Gebetes und kindlichen Glaubens.“<br />
Nebst etlichen Schriften Kerners, die von<br />
Krankheitsbildern besessener Patienten<br />
handeln, entstanden u. a. jene Gedichte,<br />
die in Schumanns Vertonungen auf uns gekommen<br />
sind. Von jener Geisterhaftigkeit<br />
und Parapsychologie, die das Leben und<br />
Wirken Kerners prägten, ist hier allerdings<br />
nichts zu finden.<br />
Verglichen mit den bekannten Schumann-<br />
Zyklen Dichterliebe, Liebesfrühling oder<br />
frauenliebe und -leben wirkt die Grundstimmung<br />
der kerner-Lieder rätselhaft und<br />
die Botschaft manches Liedes erschließt<br />
sich nur langsam. In Lust der Sturmnacht<br />
wird das tosende Unwetter in Kontrast<br />
zur heimischen Geborgenheit gesetzt.<br />
Durch gegenläufige Achtelbewegungen<br />
der Klavierstimme entsteht ein unruhiger<br />
Sechzehntelteppich. Die Gesamtidee ist<br />
nicht weit von dem entfernt, was Richard<br />
Wagner in der Sturm- und Liebesszene<br />
zu Beginn der Walküre rund zwanzig<br />
Jahre später vertonen wird. Auch hier<br />
wird das Bild der „Lenzesblumen“ dem<br />
Unwetter gegenübergestellt. Der schroffe<br />
Dur-Einbruch auf „Helle“ am Ende des<br />
Liedes verhärtet die ekstatische Hin- und<br />
Hergerissenheit zwischen Seelenfrieden<br />
und Weltenchaos. erstes Grün schildert<br />
die Sehnsucht nach dem Frühling wie nach<br />
der Liebe. Es handelt sich um ein einfaches<br />
Strophenlied, dessen Singstimme in<br />
g-Moll geführt ist, während die gliedernden<br />
Zwischenspiele in kontrastierendem<br />
G-Dur erklingen. Dagegen ist Sehnsucht
nach der Waldgegend ein Gesang an die<br />
reine unberührte Natur, Schlagworte wie<br />
„Vogelsang“ und „Silberquell“ verstärken<br />
die idyllische Stimmung. Einzig die Moll-<br />
Eintrübungen, Ausdruck der Sehnsucht,<br />
schmälern dieses musikalische Landschaftsgemälde.<br />
Mahnend richten Dichter<br />
und Komponist im abschließenden „Wenn<br />
ihr’s in den Busen zwinget“ die Rede direkt<br />
an den Zuhörer. Kerner selbst malte ein<br />
Aquarell mit einer „Gegend im Welzheimer<br />
Wald“, was beweist, wie sehr der Dichter<br />
an dieser Natursymbolik interessiert war.<br />
Bei Stille Liebe ist der Titel programmatisch.<br />
Beinahe wichtiger als die Musik<br />
sind die gliedernden Pausen zwischen den<br />
Phrasen. Dadurch entsteht eine Sprachlosigkeit<br />
des Gesungenen, wie sie das<br />
Liedrepertoire nur selten kennt. Betrachtet<br />
man das Zentrum des Liedes, die zweite<br />
Strophe mit der Phrase „dass ich nur immer<br />
stumm tragen kann dich, Herzgeliebte!“,<br />
so kulminiert hier die auskomponierte<br />
Dialektik von Ausgesprochenem und Unaussprechlichem.<br />
Wie ein Hymnus wirkt<br />
die frage, ein kurzes kontemplatives Lied<br />
mit akkordischer Klavierbegleitung. Musikalische<br />
Floskeln mit ländlicher Idylle und<br />
Vogelgezwitscher haben in dieser Danksagung,<br />
die im rhetorischen „ach, was<br />
füllte noch in arger Zeit ein Herz mit Lust?“<br />
endet, keinen Raum. Auch hier kommen<br />
wieder die Naturbilder Kerners zum Vorschein,<br />
im Gegensatz zu Sehnsucht nach<br />
der Waldgegend ist dieses Lied von tiefer<br />
Dankbarkeit und religiösem Pathos erfüllt.<br />
Die volksliedhafte Gedichtsammlung Des<br />
knaben Wunderhorn entstand im Kreis<br />
der Heidelberger Romantik unter Clemens<br />
Brentano und Achim von Arnim. Dem Aufkommen<br />
eines deutschen Nationalgefühls<br />
im frühen 19. Jahrhundert haben wir nicht<br />
zuletzt Werke wie die Märchensammlung<br />
der Brüder Grimm und Carl Maria von<br />
Webers freischütz zu verdanken. Des<br />
knaben Wunderhorn entstammt derselben<br />
geistigen Strömung. Auch wenn Johann<br />
Wolfgang von Goethe die Volkstümlichkeit<br />
der Gedichtsammlung lobte, darf man nicht<br />
vergessen, dass es u. a. Dichter wie Justinus<br />
Kerner waren, die ihre eigenen Werke<br />
im volksliedhaften Stil Brentano und<br />
Armin zukommen ließen. Gustav Mahler<br />
lernte die Wunderhorn-Gedichte im Jahr<br />
1888 kennen. Er sah in der Sammlung kein<br />
vollendetes Kunstwerk, vielmehr bezeichnete<br />
er die Textvorlagen als „Felsblöcke,<br />
aus denen jeder das Seine formen dürfe“.<br />
So sind die Titel seiner Vertonungen meist<br />
verschieden von den eigentlichen Gedichten.<br />
Das rheinlegendchen heißt ursprünglich<br />
rheinischer Bundesring, ist aber<br />
ansonsten ohne textliche Eingriffe vertont<br />
worden. Den Text zu Wo die schönen<br />
trompeten blasen formte sich Mahler aus<br />
Bildchen und Unbeschreibliche freude,<br />
die allerdings einige Strophen gemeinsam<br />
haben.<br />
Bezüglich der markanten Rhythmik, die<br />
neben den Liedvertonungen auch Mahlers<br />
sinfonisches Werk prägen, äußert sich der<br />
Mahler-Spezialist Fritz Egon Pamer folgendermaßen:<br />
„In Iglau, der national umbrandeten<br />
deutschen Sprachinsel, wuchs<br />
der Knabe Mahler heran; er fand reiche<br />
musikalische Nahrung in den Volksliedern<br />
der beiden Stämme, unter denen er seine<br />
Jugend verbrachte. Seine Phantasie wurde<br />
angeregt durch die sagenumwobene<br />
Waldlandschaft und das muntere Treiben<br />
der Garnison, deren Signale symbolische<br />
Bedeutung bei ihm gewannen. Morgen-<br />
und Abendappell, Rufe und Exerziermotive<br />
setzten sich bei ihm in Klangbilder um, die<br />
sich um die Gestalt des alten deutschen<br />
5
Landsknechts verdichteten.“ So lassen<br />
sich die rhythmischen Grundstrukturen in<br />
Mahlers Liedern klar in Tanz- und Militärrhythmen<br />
unterteilen. Der Musikwissenschaftler<br />
Siegfried Mauser unterscheidet<br />
im Weiteren zwischen verschiedenen<br />
Kompositionstypen, durch die sich die<br />
einzelnen Vertonungen voneinander abheben:<br />
Gehlieder, Drehlieder sowie deren<br />
Mischform. Unter der Gruppe „Gehlieder“<br />
sind jene Werke aus Mahlers Liedœuvre<br />
gemeint, „deren hervorragendes Charakteristikum<br />
jenes des Fortbewegens ist. Sie<br />
lassen sich dabei zusätzlich nach der Art<br />
der Fortbewegung weiter unterscheiden<br />
in marschierende, wandernde, reitende<br />
sowie der besondere Typus des Trauermarsches.“<br />
Die Drehbewegung untermalt<br />
die Singstimme im Dreiertakt, meist in Anlehnung<br />
an Ländler und Walzer (rheinlegendchen,<br />
Wer hat dies Liedlein erdacht).<br />
Wo die schönen trompeten blasen ist eine<br />
Mischform dieser beiden für Mahler so<br />
charakteristischen Kompositionstypen.<br />
Man erkennt einen deutlichen „ziel- und<br />
vorwärts gerichteten Charakter“ sowie<br />
eine „auf sich selbst bezogene und in sich<br />
kreisenden Figuration.“<br />
Im rheinlegendchen ist in strahlendem<br />
A-Dur die Liebesthematik äußerst klar<br />
artikuliert. Nicht zufällig fühlt man hier<br />
an Schubert erinnert, sei es der frühlingstraum<br />
der Winterreise oder die<br />
Wassermotivik der Schönen Müllerin und<br />
der forelle. Betrachtet man dagegen den<br />
Inhalt von verlorener Liebe und vergangenen<br />
Zeiten, so entsteht eine unverkennbar<br />
ironische Grundstimmung Heine‘scher Prägung.<br />
Wo die schönen trompeten blasen<br />
beginnt mit einem fanfarenhaften Vorspiel,<br />
immer wieder ist der Text von sanften militärischen<br />
Reminiszenzen durchbrochen.<br />
Die düstere Grundtonart d-Moll verbreitet<br />
6<br />
zudem einen Schatten der Hoffnungslosigkeit.<br />
Die wörtliche Rede kippt unverzüglich<br />
in lyrisch-volksliedhafte Phrasen, die über<br />
das blockhafte Strophenschema hinweg<br />
einen Zusammenhang stiften. Auch die<br />
Schubert‘schen Dur-Moll-Kontraste rücken<br />
das Lied in die Reihe romantischer<br />
Liedtradition. In Wer hat dies Liedlein<br />
erdacht hört man die Synthese von<br />
markanter Rhythmik und volksliedhafter<br />
Melodielinie heraus, wie sie in den frühen<br />
Orchesterwerken, den sogenannten<br />
Wunderhorn-Sinfonien verwendet werden.<br />
Die erzählende Rahmenhandlung<br />
umfasst das eigentliche „Liedlein“, das<br />
sich nicht in seiner musikalischen Textur<br />
abhebt, sondern vielmehr durch eine kürzere<br />
geschlossene Strophenform, die sich<br />
in einem spannungsreichen Crescendo<br />
entfaltet. Auch die arkadische Tonart F-<br />
Dur unterstreicht diese Naturstimmung.<br />
Die Ausweglosigkeit des menschlichen<br />
Daseins in Urlicht veranlasste den Komponisten<br />
zur Vertonung in Des-Dur, einer der<br />
tiefsten Tonarten des Quintenzirkels. Nicht<br />
zuletzt Wagner hat mancher tannhäuser-<br />
Szene durch Des-Dur tiefste Verzweiflung<br />
und Hilflosigkeit verliehen.<br />
Neben Felix Mendelssohn-Bartholdy, Carl<br />
Maria von Weber und Ludwig van Beethoven<br />
war Louis Spohr seinerzeit einer<br />
der erfolgreichsten Komponisten im Deutschen<br />
Reich. Neben zehn Opern und vier<br />
Oratorien bildet die Gattung Lied einen<br />
vergleichsweise kleinen Teil seines Werkes.<br />
Das Liedschaffen Spohrs beschränkt<br />
sich, ähnlich wie bei Robert Schumann,<br />
auf eine intensive Schaffensphase. In<br />
der Zeit von 1836 bis 1839 schuf er rund<br />
vierzig Lieder und Duette. Allerdings war<br />
Spohrs Kompositionsstil nicht frei von<br />
scharfer Kritik. In der Zeitschrift „The<br />
Musical World“ war zu lesen: „Dass es<br />
Gustav Mahler
Spohr an Erfindung oder an der Kraft, neue<br />
Phrasen, Modulationen und harmonische<br />
Fortschreitungen zu kreieren, fehlt, steht<br />
außer Frage. Sonst würde er sich nicht so<br />
häufig und offensichtlich selbst wiederholen.<br />
Seine Phrasen, Modulationen und<br />
Fortschreitungen in dem vorliegenden<br />
Werke finden sich in vielen seiner Kompositionen,<br />
die der Öffentlichkeit bereits bekannt<br />
sind. Doch sind sie so schön, so zart<br />
und köstlich, dass wir uns ihrem Einfluss<br />
gerne hingeben.“<br />
Worin liegt also der Reiz und die Köstlichkeit<br />
in Spohrs Vokalmusik? Zweifellos ist<br />
es in erster Linie der Hang zum Experimentellen,<br />
nicht zuletzt genießen seine Sechs<br />
Deutschen Lieder op. 103 mit Klavier und<br />
Klarinette der bloßen Klangfarbe wegen<br />
eine Sonderstellung. Es handelt sich um<br />
eine lose Aneinanderreihung von Gedichten<br />
verschiedener Autoren, die musikalische<br />
Umsetzung spannt den sinnstiftenden<br />
Bogen über die sechs Lieder. Über die<br />
Entstehung der Sechs Deutschen Lieder<br />
äußerte sich Spohr in seinen Memoiren:<br />
„Kurze Zeit nachher bekam ich einen<br />
Brief von Hermstedt, worin er im Auftrag<br />
der Fürstin von Sondershausen mich aufforderte,<br />
Lieder für eine Sopranstimme<br />
mit Clavier- und Clarinett-Begleitung für<br />
dieselbe zu schreiben. Da mir diese Arbeit<br />
sehr zusagte, so componirte ich im Verlauf<br />
einiger Wochen sechs Lieder dieser<br />
Gattung […], die ich der Fürstin auf ihren<br />
ausdrücklichen Wunsch dedicirte, worauf<br />
ich einen kostbaren Ring von ihr zum Geschenk<br />
erhielt.“ Der Klarinettenpart war<br />
ursprünglich dem Klarinettisten Johann Simon<br />
Hermstedt auf den Leib geschrieben,<br />
dem Spohr zudem drei Klarinettenkonzerte<br />
komponierte.<br />
8<br />
Spohrs Lieder sind großenteils strophisch<br />
vertont. Sei still mein herz besticht durch<br />
eine einfache Melodik in der Singstimme.<br />
Der Klarinettenpart ist höchst virtuos, die<br />
Intervallsprünge erstrecken sich teilweise<br />
über drei Oktaven. Charakteristisch ist vor<br />
allem der Wechsel vom As-Dur des Vorspiels<br />
zum F-Dur der Gesangsabschnitte.<br />
In Zwiegesang übernimmt die Klarinette<br />
den klangmalerischen Part eines Naturschauspiels.<br />
Das Vogelgezwitscher ist<br />
Sinnbild der Frühlingstimmung, in welcher<br />
sich der besungene „Zwiegesang“ eindrucksvoll<br />
aus dem Wechselspiel von Klarinette<br />
und Gesang entwickelt. Sehnsucht<br />
ist der Ausdruck des sich in die Ferne Träumens,<br />
der Klarinettenpart beschränkt sich<br />
großenteils auf gebrochene Akkord-Figurationen.<br />
Vielleicht kann man die flirrenden<br />
Einwürfe als musikalische Metapher der<br />
Moral dieses Gedichts betrachten: „und so<br />
flüchtig die Zeit“. Eine wunderbare Komposition<br />
ist das Wiegenlied (auf drei tönen).<br />
In sanft wiegenden Sechzehntelbewegungen<br />
bildet das Klavier einen weichen Teppich,<br />
auf dem die Singstimme ihre Melodie<br />
auf den drei Tönen d-c-h entfalten kann.<br />
Hier führt die Klarinette die Melodielinie<br />
am Ende des Gesangsteils weiter und erreicht<br />
durch ein Ritardando und fallende<br />
Intervalle einen schwebenden Ausklang.<br />
Die ersten Zeilen von Das heimliche Lied<br />
sind durch lange Solo-Einschübe der Klarinette<br />
durchbrochen, was die Gesangslinie<br />
zum Innehalten bringt. Hier ist, ähnlich wie<br />
in Schumanns Stille Liebe, das Schweigen<br />
und Verstummen in Musik gesetzt,<br />
allerdings nicht durch Pausen, sondern<br />
durch den instrumental reflektierenden<br />
Charakter der Klarinettenkantilene. Das<br />
letzte Lied Wach auf ist als einziges eine<br />
Durchkomposition, hat also kein strophenweises<br />
Wiederholungsschema. Das Lied
erinnert inhaltlich stark an Robert Schumanns<br />
erstes Grün. Auch hier wird das<br />
Liebeserwachen in traditioneller Metaphorik<br />
mit Bildern des Frühlings gleichgesetzt.<br />
Im ersten Teil wird die Natur mit all ihren<br />
Geräuschen, fließenden Bächen und rauschenden<br />
Wäldern geschildert, während<br />
der zweite Teil mit stetiger Wiederholung<br />
der Phrase „Ach schon so lange ist Liebe<br />
wach“ die Ursache jener Frühlingsgefühle<br />
umkreist.<br />
Nach dem ersten Ehejahr hatte Clara es<br />
geschafft, in kleinem Rahmen weiterhin<br />
ihrer Konzerttätigkeit nachzugehen. Ein<br />
bejubeltes Konzert gab sie gemeinsam mit<br />
Franz Liszt, in welchem beide die Variationssammlung<br />
hexameron mit Beiträgen<br />
u. a. von Chopin und Czerny vortrugen.<br />
Robert Schumanns Sinfonie d-Moll sowie<br />
ouverture, Scherzo und finale op. 52<br />
stießen dagegen auf wenig Verständnis.<br />
Wenn Clara Schumann auch auf eine Weltkarriere<br />
als Pianistin verzichtete, war ihre<br />
Ehe mit Robert wirklich eine künstlerische<br />
Resignation?<br />
Das Scherzo nr. 2, op 14 in c-Moll gibt<br />
darauf Antwort. Janina Klassen spricht<br />
von einem „Sturm und Regen“-Motiv,<br />
das mit dem ruhigen Trio-Teil in As-Dur<br />
kontrastiert. Der Begriff „Scherzo“ hatte<br />
seit Beethoven einen festen Platz in der<br />
Gattung Sinfonie. Hier waren es vor allem<br />
eine markante Rhythmik und die Gegensätzlichkeit<br />
zum getragenen Trio-Teil, die<br />
das Charakteristikum dieser A-B-A-Form<br />
ausmachten. Aber wie viel Scherzo steckt<br />
in Clara Schumanns Opus 14? Sieht man<br />
von Beibehaltung der Form ab, so verblüffen<br />
vor allem die rasant-virtuos vorbeirauschenden<br />
Klanglinien. Gebrochene<br />
Akkordketten und tragende Harmonien<br />
sind Hauptbestandteil des Werkes. Einzelne<br />
Abschnitte sind klar gegliedert und<br />
anhand des Trios offenbart sich außerdem<br />
die symmetrische Konzeption en miniature.<br />
Auch wenn Janina Klassen mit „Sturm<br />
und Regen“ den assoziativen Anknüpfungspunkt<br />
findet, so ist die Komposition<br />
keineswegs programmatisch. Es ist nicht<br />
das Werk eines mit Stoff und Form ringenden<br />
Komponisten, sondern das Werk einer<br />
gefeierten Klaviervirtuosin. Nicht zuletzt<br />
erinnert die Struktur stark an das rund<br />
zehn Jahre früher entstandene Scherzo<br />
nr. 1 von Frédéric Chopin.<br />
Eine Frau, die sich aus Liebe zu einem<br />
Mann völlig aufgibt und sich selbst als<br />
„nied‘re Magd“ bezeichnet, mag uns heutzutage<br />
seltsam vorkommen. Die Rezeption<br />
der Werke Adelbert von Chamissos gibt<br />
dieser Vermutung recht: Seine Gedichte<br />
sind großenteils nur noch in Kennerkreisen<br />
bekannt, überlebt haben sie vor allem<br />
in den Vertonungen Robert Schumanns.<br />
„Das Volk singt meine Lieder, man singt<br />
sie in den Salons, die Componisten reißen<br />
sich danach, die Jungen deklamiren sie in<br />
den Schulen, mein Portrait erscheint nach<br />
Goethe, Tieck und Schlegel, als das vierte<br />
in der Reihe der gleichzeitigen deutschen<br />
Dichter, und schöne junge Damen drücken<br />
mir fromm die Hand!“ So äußerte sich der<br />
Dichter selbst in einem Brief aus dem Jahr<br />
1832, der Blütezeit seines Ruhms. Doch<br />
wer war dieser heute den meisten nur<br />
noch dem Namen nach bekannte Dichter?<br />
Adelbert von Chamisso gelangte in jungen<br />
Jahren als Page in die Dienste von Königin<br />
Friederike Luise von Preußen, die ihm den<br />
Besuch des Französischen Gymnasiums in<br />
Berlin ermöglichte. Die Gedanken der Aufklärung<br />
und des Humanismus hinterließen<br />
in seinem Werk tiefe Spuren. Insbesondere<br />
das Interesse am Menschlichen prägt das<br />
dichterische Werk. Während seines Studi-<br />
9
ums der Anatomie, Zoologie, Mineralogie<br />
und Botanik ließ die schriftstellerische<br />
Tätigkeit entsprechend nach, erst mit<br />
dem großen Erfolg von Peter Schlemihls<br />
wundersamer Geschichte kehrte er in den<br />
Kreis der Literaten zurück. 1819 heiratete<br />
er die 19 Jahre jüngere Antonie Piaste. Vor<br />
allem aufgrund einiger Expeditionen u. a.<br />
nach Russland und Südamerika genoss<br />
er in Deutschland hohes Ansehen als Botaniker,<br />
weshalb ihm im selben Jahr die<br />
Ehrendoktorwürde der Berliner Universität<br />
verliehen wurde. Seine Gedichtsammlung<br />
frauenliebe und -leben wird oft in Bezug<br />
zum berühmtesten Werk des weitgereisten<br />
Botanikers gesetzt, Peter Schlemihls<br />
wundersame Geschichte. Während hier<br />
die männliche Sicht literarische Gestalt<br />
annimmt, so ist es in frauenliebe und<br />
-leben (1831) die weibliche Perspektive in<br />
lyrischer Form. Die Liebe zwischen Mina<br />
und Peter spiegelt sich in den Gedichten<br />
der Frauenliebe wider. Der Mann wird als<br />
heldenhaft geschildert, sie bekennt sich<br />
seiner Liebe für nicht wert. Das Ideal der<br />
bedingungslosen Hingabe an den Ehemann<br />
bekommt nach und nach Risse, vielmehr<br />
überdauert am Ende das Charakterbild einer<br />
starken, vom Leben gezeichneten Frau.<br />
Auch wenn Robert Schumanns Vertonung<br />
die bekannteste ist, Komponisten wie<br />
Franz Kugler und Johann Karl Gottfried<br />
Loewe komponierten ebenfalls Chamissos<br />
frauenliebe und -leben.<br />
Die Vertonung des Zyklus entstand in<br />
jener Zeit, als Schumann die gerichtliche<br />
Erlaubnis bekam, Clara Wieck gegen den<br />
Willen ihres Vaters zu heiraten. Dass<br />
Clara die Verlobung zu einem anderen<br />
Mann aufgelöst hatte, um Robert zu<br />
heiraten, erscheint auf den ersten Blick<br />
als Emanzipationsakt, allerdings war sie<br />
nach dem Bruch mit dem Vater völlig auf<br />
10<br />
Roberts Unterstützung angewiesen. Das<br />
überrascht insbesondere, wenn man in<br />
Betracht zieht, dass Clara Schumann zur<br />
Zeit ihrer Vermählung bei weitem keine<br />
Unbekannte mehr war, als Pianistin wurde<br />
sie sogar mit Franz Liszt gleichgesetzt. Unter<br />
diesen Umständen verwundert es umso<br />
mehr, dass sie sich als Mensch wie auch<br />
als Künstlerin dem Schaffen ihres Mannes<br />
bedingungslos unterordnete.<br />
Einerseits suggeriert Chamissos Textvorlage<br />
weibliche Charakterstärke und<br />
Selbstbewusstsein, Schumann dagegen<br />
versuchte als Komponist auf musikalischer<br />
Ebene Sanftmütigkeit und Unbeugsamkeit<br />
zu vermitteln. Zu den kurz zuvor entstandenen<br />
Eichendorff-Vertonungen äußerte<br />
sich Schumann seiner Frau gegenüber<br />
folgendermaßen: „Der Eichendorff’sche<br />
Zyklus ist wohl mein aller Romantischstes<br />
und es steht viel von Dir darin, Du meine<br />
liebe teure Braut“.<br />
Die Frau des frauenliebe-Zyklus durchläuft<br />
eine klar erkennbare Entwicklung:<br />
von der Verliebten zur Verlobten, von der<br />
Verheirateten zur Mutter und von der Mutter<br />
zur Witwe.<br />
Schumanns Kompositionsstil bezaubert<br />
durch schlichte Klarheit und Stärke des<br />
Ausdrucks. Insbesondere der Anfang des<br />
Zyklus‘ ist dafür beispielhaft, denn Schumann<br />
exponiert hier das, was er im letzten<br />
Lied auflöst. Ohne großes Vorspiel beginnt<br />
das erste Lied Seit ich ihn gesehen. Die<br />
Einheit von Singstimme und Klavier im<br />
akkordischen Satz vermittelt den Eindruck<br />
des Choralhaften, was allerdings durch<br />
eine traumwandlerisch-wankende Rhythmik<br />
ins Phantastische getaucht wird. Der<br />
schwebende Charakter entsteht vor allem<br />
durch den von der Singstimme erst mit<br />
dem Schlusston erreichten Grundton b.<br />
Trügerisch wirkt an zwei Stellen der um ei-<br />
Adelbert von Chamisso
nen Halbton (h) verfehlte Grundton bei den<br />
Phrasen „seh‘ ich ihn allein“, „schwebt<br />
sein Bild mir vor“, „nicht begehr‘ ich mehr“<br />
sowie „weinen still im Kämmerlein“. Doch<br />
sobald die Singstimme ihren Zielton erreicht<br />
hat, verfehlt die Klavierbegleitung<br />
den B-Dur-Akkord um einen halben Ton (fis<br />
statt f).<br />
In klaren Achtelakkorden rauscht er, der<br />
herrlichste von allen vorüber. In der Art<br />
einer Reprise werden die ersten Worte bekräftigend<br />
am Ende wieder aufgenommen.<br />
Zu Beginn erklingt das charakteristische<br />
Dreiklang-Motiv in der frommen Tonart<br />
Es-Dur, am Ende in der reinen Tonart C-<br />
Dur. Als Synthese dieser beiden Tonarten<br />
entpuppt sich das c-moll in ich kann’s<br />
nicht fassen, nicht glauben, einem Lied,<br />
das eher von Harmonik als von differenzierter<br />
Rhythmik geprägt ist. Die Melodie<br />
besteht aus Tonwiederholungen, heiteren<br />
Quart-, Quint- und Sextsprüngen „O lass<br />
im Träume mich sterben“ sowie pathetisch-chromatischen<br />
Passagen „es hat ein<br />
Traum mich berückt“. Auffällig ist jedoch,<br />
dass Schumann im Mittelteil ab den Worten<br />
„Mir war’s er habe gesprochen“ in der<br />
geschlossenen Liedform einen überraschend<br />
dramatischen Eingriff vornimmt: Er<br />
komponiert in einem freien rezitativischen<br />
Deklamationsrhythmus.<br />
Du ring an meinem finger ist eine innige<br />
Romanze, es erstreckt sich eine periodisch<br />
gegliederte Melodie auf den gebrochenen<br />
Akkorden des Klaviers. Bei den Worten<br />
„Ich will ihm dienen“ ertönen die Achtelrepetitionen<br />
von er, der herrlichste von<br />
allen ein weiteres Mal, gehen aber rasch<br />
wieder in der Weihestimmung des A-Teils<br />
unter. Ein plastisches Hochzeitsgemälde<br />
schuf Schumann in helft mir, Schwestern,<br />
freundlich mich schmücken. Eine reine<br />
12<br />
Tonalität ohne Eintrübung durchzieht den<br />
Großteil des Liedes, in dem sich die Braut<br />
für die Hochzeit schmückt. Eine Eintrübung<br />
mit hörbaren Tief-Alterationen auf<br />
die Worte „Aber euch Schwestern grüß‘<br />
ich mich Wehmut“ erzeugt einen melancholischen<br />
Abschiedsschmerz, bevor das<br />
Lied abrupt in einem heiteren Hochzeitsmarsch<br />
ausklingt. Ebenso ergreifend ist<br />
die Klangsprache, die der Komponist für<br />
die letzten Gedanken vor der Hochzeitsnacht<br />
fand. Die Braut sieht sich in Süßer<br />
freund bereits als baldige Mutter, während<br />
sich zu den Worten „dass ich fest<br />
und fester nur dich drücken mag“ in einem<br />
nahezu Wagner‘schen Liebesrausch die<br />
Klavierbegleitung teils verdichtet, teils<br />
wieder entspannt, um mit innig-farbigen<br />
Harmonien im Nachspiel auszuklingen.<br />
In verklärter Ekstase hört man im letzten<br />
Takt noch einmal fragmentarisch und isoliert<br />
den Ausruf „dein Bildnis“.<br />
an meinem herzen, an meiner Brust ist<br />
das Charakterbild einer starken Frau, die<br />
glücklich ihr Kind im Arm hält. Die strahlende<br />
Heldentonart D-Dur bestärkt diesen<br />
Habitus. Zum ersten Mal steht nicht mehr<br />
der Mann im Mittelpunkt ihres Glückes.<br />
Insbesondere die Worte „nur eine Mutter<br />
weiß allein, was lieben heißt und glücklich<br />
sein“ zeugen davon. Beim Erklingen<br />
des letzten Liedes im Zyklus fühlt man<br />
sich stark an Schuberts Leiermann erinnert.<br />
Auch in hier hast du mir den ersten<br />
Schmerz getan verschwindet die Melodik<br />
in trister Deklamation. Der Gesang dieses<br />
äußerst kurzen Liedes endet bereits nach<br />
21 Takten. Das Nachspiel gleicht einem<br />
„Lied ohne Worte“, das in wehmütiger<br />
Rückbesinnung die Melodik des Zyklusbeginns<br />
Seit ich ihn gesehen wieder aufgreift.<br />
Leichtigkeit und Schwärmerei sind<br />
verschwunden und jene reine Harmonik,
die dem ersten Lied fehlte, wirkt nun in ihrer<br />
Einlösung wie die langsame Erkenntnis<br />
einer unbarmherzigen Realität.<br />
Wie stark persönliches Empfinden und<br />
künstlerischer Ausdruck einander nahestanden,<br />
zeigt Claras Tagebucheintrag an<br />
Roberts Todestag, dem 29.7.1856: „[…]<br />
sein Kopf war schön als Leiche, die Stirn<br />
so schön klar, sanft gewölbt. Ich stand an<br />
der Leiche des heißgeliebten Mannes, und<br />
war ruhig; all mein Empfinden ging auf in<br />
Dank zu Gott, dass er endlich befreit. […]<br />
Ich sah ihn heute zuletzt, einige Blumen<br />
legte ich ihm noch aufs Haupt, meine<br />
Liebe hat er mit sich genommen.“ Nach<br />
seinem Tod widmete sich Clara Schumann<br />
dem Werk ihres Mannes. Sie betreute die<br />
erste Gesamtausgabe der Werke Robert<br />
Schumanns und war bis ins hohe Alter als<br />
Pianistin tätig. Zudem lehrte sie an einem<br />
Frankfurter Konservatorium; einige ihrer<br />
Schülerinnen wie Adelina de Lara, Fanny<br />
Davies und Ilona Eibenschütz gehörten<br />
zu den erfolgreichsten Pianistinnen des<br />
frühen 20. Jahrhunderts. Noch heute dienen<br />
diese frühen Schellack-Einspielungen<br />
manchem Klaviervirtuosen als Wegweiser<br />
für die Interpretation des Repertoires der<br />
Romantik.<br />
Wie iM Wachen traUMe<br />
SchWeBt Sein BiLD Mir Vor,<br />
taUcht aUS tiefSteM DUnkeL,<br />
heLLer nUr eMPor.<br />
13
oBert SchUMann (1810-1856)<br />
kerner-LieDer<br />
TExTE VON JUSTINUS KERNER (1786-1862)<br />
Sehnsucht nach der Waldgegend<br />
Wär‘ ich nie aus euch gegangen,<br />
Wälder, hehr und wunderbar!<br />
Hieltet liebend mich umfangen<br />
Doch so lange, lange Jahr‘.<br />
Wo in euren Dämmerungen<br />
Vogelsang und Silberquell,<br />
Ist auch manches Lied entsprungen<br />
Meinem Busen, frisch und hell.<br />
Euer Wogen, euer Halle,<br />
Euer Säuseln nimmer müd‘,<br />
Eure Melodien alle<br />
Weckten in der Brust das Lied.<br />
Hier in diesen weiten Triften<br />
Ist mir alles öd‘ und stumm,<br />
Und ich schau‘ in blauen Lüften<br />
Mich nach Wolkenbildern um.<br />
In den Busen eingezwinget,<br />
Regt sich selten nur das Lied;<br />
Wie der Vogel halb nur singet,<br />
Den von Baum und Blatt man schied.<br />
14<br />
frage<br />
Wärst du nicht, heil‘ger Abendschein!<br />
Wärst du nicht, sternerhellte Nacht!<br />
Du Blütenschmuck! Du üpp‘ger Hain!<br />
Und du, Gebirg‘, voll ernster Pracht!<br />
Du Vogelsang aus Himmeln hoch!<br />
Du Lied aus voller Menschenbrust!<br />
Wärst du nicht, ach, was füllte noch<br />
In arger Zeit ein Herz mit Lust?<br />
erstes Grün (frühlingskur)<br />
Du junges Grün, du frisches Gras!<br />
Wie manches Herz durch dich genas,<br />
Das von des Winters Schnee erkrankt,<br />
O wie mein Herz nach dir verlangt!<br />
Schon brichst du aus der Erde Nacht,<br />
Wie dir mein Aug‘ entgegen lacht!<br />
Hier in des Waldes stillem Grund<br />
Drück‘ ich dich, Grün, an Herz und Mund.<br />
Wie treibt‘s mich von den Menschen fort!<br />
Mein Leid, das hebt kein Menschenwort,<br />
Nur junges Grün ans Herz gelegt,<br />
Macht, dass mein Herze stiller schlägt.
Stille Liebe<br />
Könnt‘ ich dich in Liedern preisen,<br />
Säng‘ ich dir das längste Lied.<br />
Ja, ich würd‘ in allen Weisen<br />
Dich zu singen nimmer müd‘!<br />
Doch was immer mich betrübte,<br />
Ist, dass ich nur immer stumm<br />
Tragen kann dich, Herzgeliebte,<br />
In des Busens Heiligtum.<br />
Und dass du, was laut ich sage,<br />
Oder preis‘ in Sangeslust,<br />
Meinest, dass ich tiefer trage<br />
Als dich, Herz, in warmer Brust.<br />
Dieser Schmerz hat mich bezwungen,<br />
Dass ich sang dies kleine Lied,<br />
Doch von bitter‘m Leid durchdrungen,<br />
Dass noch keins auf dich geriet.<br />
Lust der Sturmnacht<br />
Wenn durch Berg und Tale draußen<br />
Regen schauert, Stürme brausen,<br />
Schild und Fenster hell erklirren,<br />
Und in Nacht die Wandrer irren,<br />
Ruht es sich so süß hier innen,<br />
Aufgelöst in sel‘ges Minnen;<br />
All der gold‘ne Himmelsschimmer<br />
Flieht herein ins stille Zimmer:<br />
Reiches Leben, hab Erbarmen!<br />
Halt mich fest in linden Armen!<br />
Lenzesblumen auf wärts dringen,<br />
Wölklein zieh‘n und Vöglein singen.<br />
Ende nie, du Sturmnacht, wilde!<br />
Klirrt, ihr Fenster, schwankt, ihr Schilde,<br />
Bäumt euch, Wälder, braus, o Welle,<br />
Mich umfängt des Himmels Helle!<br />
15
GUStaV MahLer (1860-1911)<br />
Vier LieDer aUS DeS knaBen WUnDerhorn<br />
TExTE NACH DEUTSCHEN VOLKSWEISEN<br />
rheinlegendchen<br />
Bald gras‘ ich am Neckar, bald gras‘ ich am Rhein;<br />
Bald hab‘ ich ein Schätzel, bald bin ich allein!<br />
Was hilft mir das Grasen, wenn d‘ Sichel nicht schneid‘t!<br />
Was hilft mir ein Schätzel, wenn‘s bei mir nicht bleibt.<br />
So soll ich denn grasen am Neckar, am Rhein,<br />
So werf‘ ich mein goldenes Ringlein hinein.<br />
Es fließet im Neckar und fließet im Rhein,<br />
Soll schwimmen hinunter ins Meer tief hinein.<br />
Und schwimmt es, das Ringlein, so frisst es ein Fisch!<br />
Das Fischlein tät kommen auf‘s König sein Tisch!<br />
Der König tät fragen, wem‘s Ringlein sollt sein?<br />
Da tät mein Schatz sagen: das Ringlein g‘hört mein.<br />
Mein Schätzlein tät springen bergauf und bergein,<br />
Tät mir wied‘rum bringen das Goldringlein mein!<br />
Kannst grasen am Neckar, kannst grasen am Rhein,<br />
Wirf du mir nur immer dein Ringlein hinein!<br />
16
Wo die schönen trompeten blasen<br />
Wer ist denn draußen und wer klopfet an,<br />
Der mich so leise, so leise wecken kann?<br />
Das ist der Herzallerliebste dein,<br />
Steh auf und lass mich zu dir ein!<br />
Was soll ich hier nun länger steh‘n?<br />
Ich seh‘ die Morgenröt‘ aufgeh‘n,<br />
Die Morgenröt, zwei helle Stern,<br />
Bei meinem Schatz, da wär ich gern,<br />
bei meiner Herzallerliebsten.<br />
Das Mädchen stand auf und ließ ihn ein;<br />
Sie heißt ihn auch willkommen sein.<br />
Willkommen, lieber Knabe mein,<br />
So lang hast du gestanden!<br />
Sie reicht ihm auch die schneeweiße Hand.<br />
Von ferne sang die Nachtigall<br />
Das Mädchen fing zu weinen an.<br />
Ach weine nicht, du Liebste mein,<br />
Auf‘s Jahr sollst du mein eigen sein.<br />
Mein Eigen sollst du werden gewiss,<br />
Wie‘s keine sonst auf Erden ist.<br />
O Lieb‘ auf grüner Erden.<br />
Ich zieh in Krieg auf grüner Heid,<br />
Die grüne Heide, die ist so weit.<br />
Allwo dort die schönen Trompeten blasen,<br />
Da ist mein Haus, von grünem Rasen.<br />
18
Wer hat dies Liedlein erdacht?<br />
Dort oben am Berg in dem hohen Haus,<br />
Da guckt ein fein‘s lieb‘s Mädel heraus,<br />
Es ist nicht dort daheime,<br />
Es ist des Wirts sein Töchterlein,<br />
Es wohnt auf grüner Heide.<br />
„Mein Herze ist wund,<br />
Komm Schätzel mach‘s gesund!<br />
Dein schwarzbraune Äuglein,<br />
Die haben mich verwund‘t!<br />
Dein rosiger Mund<br />
Macht Herzen gesund.<br />
Macht Jugend verständig,<br />
Macht Tote lebendig,<br />
Macht Kranke gesund.“<br />
Wer hat denn das schöne Liedlein erdacht?<br />
Es haben‘s drei Gäns‘ übers Wasser gebracht,<br />
Zwei graue und eine weiße;<br />
Und wer das Liedlein nicht singen kann,<br />
Dem wollen sie es pfeifen.<br />
Urlicht<br />
O Röschen rot,<br />
Der Mensch liegt in größter Not,<br />
Der Mensch liegt in größter Pein,<br />
Je lieber möcht‘ ich im Himmel sein.<br />
Da kam ich auf einem breiten Weg,<br />
Da kam ein Engelein und wollt‘ mich abweisen.<br />
Ach nein, ich ließ mich nicht abweisen!<br />
Ich bin von Gott und will wieder zu Gott,<br />
Der liebe Gott wird mir ein Lichtchen geben,<br />
Wird leuchten mir bis [in]1 das ewig selig‘ Leben!<br />
19
LoUiS SPohr (1784-1859)<br />
SechS DeUtSche LieDer<br />
Sei still mein herz<br />
Text von Karl Friedrich Freiherr von Schweitzer (1797-1847)<br />
Ich wahrte die Hoffnung tief in der Brust,<br />
Die sich ihr vertrauend erschlossen,<br />
Mir strahlten die Augen voll Lebenslust,<br />
Wenn mich ihre Zauber umflossen,<br />
Wenn ich ihrer schmeichelnden Stimme gelauscht,<br />
Im Wettersturm ist ihr Echo verrauscht,<br />
Sei still mein Herz, und denke nicht dran,<br />
Das ist nun die Wahrheit, das And‘re war Wahn.<br />
Die Erde lag vor mir im Frühlingstraum,<br />
Den Licht und Wärme durchglühte,<br />
Und wonnetrunken durchwallt ich den Raum,<br />
Der Brust entsprosste die Blüte,<br />
Der Liebe Lenz war in mir erwacht,<br />
Mich durchrieselt Frost, in der Seele ist Nacht.<br />
Sei still mein Herz, und denke nicht dran,<br />
Das ist nun die Wahrheit, das And‘re war Wahn.<br />
Ich baute von Blumen und Sonnenglanz<br />
Eine Brücke mir durch das Leben,<br />
Auf der ich wandelnd im Lorbeerkranz<br />
Mich geweiht dem hochedelsten Streben,<br />
Der Menschen Dank war mein schönster Lohn,<br />
Laut auf lacht die Menge mit frechem Hohn,<br />
Sei still mein Herz, und denke nicht dran,<br />
Das ist nun die Wahrheit, das And‘re war Wahn.<br />
20
Zwiegesang<br />
Text von Robert Reinick (1805-1852)<br />
Im Fliederbusch ein Vöglein saß<br />
In der stillen, schönen Maiennacht,<br />
Darunter ein Mägdlein im hohen Gras<br />
In der stillen, schönen Maiennacht.<br />
Sang Mägdlein, hielt das Vöglein Ruh‘,<br />
Sang Vöglein, hört‘ das Mägdlein zu,<br />
Und weithin klang der Zwiegesang<br />
Das mondbeglänzte Thal entlang.<br />
Was sang das Vöglein im Gezweig<br />
Durch die stille, schöne Maiennacht?<br />
Was sang doch wohl das Mägdlein gleich<br />
Durch die stille, schöne Maiennacht?<br />
Von Frühlingssonne das Vögelein,<br />
Von Liebeswonne das Mägdelein.<br />
Wie der Gesang zum Herzen drang,<br />
Vergess‘ ich nimmer mein Lebelang!<br />
Sehnsucht<br />
Text von Emanuel von Geibel (1815-1884)<br />
Ich blick‘ in mein Herz und ich blick‘ in die<br />
[Welt,<br />
Bis vom schwimmenden Auge die Träne<br />
[mir fällt,<br />
Wohl leuchtet die Ferne mit goldenem<br />
[Licht,<br />
Doch hält mich der Nord, ich erreiche sie<br />
[nicht.<br />
O die Schranken so eng, und die Welt so<br />
[weit,<br />
Und so flüchtig die Zeit!<br />
Ich weiß ein Land, wo aus sonnigem Grün,<br />
Um versunkene Tempel die Trauben glüh‘n,<br />
Wo die purpurne Woge das Ufer<br />
[beschäumt,<br />
Und von kommenden Sängern der Lorbeer<br />
[träumt.<br />
Fern lockt es und winkt dem verlangenden<br />
[Sinn,<br />
Und ich kann nicht hin!<br />
O hätt‘ ich Flügel, durch‘s Blau der Luft<br />
Wie wollt‘ ich baden im Sonnenduft!<br />
Doch umsonst! Und Stunde auf Stunde<br />
[entflieht.<br />
Vertraure die Jugend, begrabe das Lied!<br />
O die Schranken so eng, und die Welt so<br />
[weit,<br />
Und so flüchtig die Zeit!<br />
Wiegenlied (auf drei tönen)<br />
Text von August Heinrich Hoffmann von<br />
Fallersleben (1798-1874)<br />
Alles still in süßer Ruh,<br />
Drum mein Kind, so schlaf auch du.<br />
Draußen säuselt nur der Wind,<br />
Su, su, su, schlaf ein mein Kind!<br />
Schließ du deine Äugelein,<br />
Lass sie wie zwei Knospen sein.<br />
Morgen wenn die Sonn‘ erglüht,<br />
Sind sie wie die Blum‘ erblüht.<br />
Und die Blümlein schau ich an,<br />
Und die Äuglein küss‘ ich dann,<br />
Und der Mutter Herz vergisst,<br />
Dass es draußen Frühling ist.<br />
21
Das heimliche Lied<br />
Text von Ernst Koch (1808-1858)<br />
Es gibt geheime Schmerzen,<br />
Sie klaget nie der Mund,<br />
Getragen tief im Herzen<br />
Sind sie der Welt nicht kund.<br />
Es gibt ein heimlich Sehnen,<br />
Das scheuet stets das Licht,<br />
Es gibt verborgne Tränen,<br />
Der Fremde sieht sie nicht.<br />
Es gibt ein still Versinken<br />
In eine innre Welt,<br />
Wo Friedensauen winken,<br />
Von Sternenglanz erhellt,<br />
Wo auf gefall‘nen Schranken<br />
Die Seele Himmel baut,<br />
Und jubelnd den Gedanken<br />
Den Lippen anvertraut.<br />
Es gibt ein still Vergehen<br />
In stummen, öden Schmerz,<br />
Und Niemand darf es sehen,<br />
Das schwergepresste Herz.<br />
Es sagt nicht was ihm fehlet,<br />
Und wenn‘s im Grame bricht,<br />
Verblutend und zerquälet,<br />
Der Fremde sieht sie nicht.<br />
Es gibt einen sanften Schlummer,<br />
Wo süßer Frieden weilt,<br />
Wo stille Ruh‘ den Kummer<br />
Der müden Seele heilt.<br />
Doch gibt‘s ein schöner Hoffen,<br />
Das Welten überfliegt,<br />
Da wo am Herzen offen<br />
Das Herz voll Liebe liegt.<br />
22<br />
Wach auf!<br />
Text von Rudolf Kulemann (1811-1899)<br />
Was stehst du bange<br />
Und sinnest nach?<br />
Ach! schon so lange<br />
Ist Liebe wach.<br />
Hörst du das Klingen<br />
Allüberall?<br />
Die Vöglein singen<br />
Mit süßem Schall.<br />
Aus Starrem sprießet<br />
Baumblättlein weich,<br />
Das Leben fließet<br />
Um Ast und Zweig.<br />
Das Tröpflein schlüpfet<br />
Aus Waldesschacht,<br />
Das Bächlein hüpfet<br />
Mit Wallungsmacht.<br />
Der Himmel neiget<br />
In‘s Wellenklar,<br />
Die Bläue zeiget<br />
Sich wunderbar.<br />
Ein heit‘res Schwingen<br />
Zu Form und Klang,<br />
Ein ew‘ges Fügen<br />
Im ew‘gen Drang!<br />
Was stehst du bange<br />
Und sinnest nach?<br />
Ach! schon so lange<br />
Ist Liebe wach.<br />
Louis Spohr
oBert SchUMann (1810-1856)<br />
fraUenLieBe UnD -LeBen<br />
TExTE VON ADELBERT VON CHAMISSO (1781-1838)<br />
Seit ich ihn gesehen<br />
Seit ich ihn gesehen,<br />
Glaub‘ ich blind zu sein;<br />
Wo ich hin nur blicke,<br />
Seh‘ ich ihn allein;<br />
Wie im wachen Traume<br />
Schwebt sein Bild mir vor,<br />
Taucht aus tiefstem Dunkel,<br />
Heller nur empor.<br />
Sonst ist licht- und farblos<br />
Alles um mich her,<br />
Nach der Schwestern Spiele<br />
Nicht begehr‘ ich mehr,<br />
Möchte lieber weinen,<br />
Still im Kämmerlein;<br />
Seit ich ihn gesehen,<br />
Glaub‘ ich blind zu sein.<br />
er, der herrlichste von allen<br />
Er, der Herrlichste von allen,<br />
Wie so milde, wie so gut!<br />
Holde Lippen, klares Auge,<br />
Heller Sinn und fester Mut.<br />
So wie dort in blauer Tiefe,<br />
Hell und herrlich, jener Stern,<br />
Also er an meinem Himmel,<br />
Hell und herrlich, hehr und fern.<br />
Wandle, wandle deine Bahnen,<br />
Nur betrachten deinen Schein,<br />
Nur in Demut ihn betrachten,<br />
Selig nur und traurig sein!<br />
24<br />
Höre nicht mein stilles Beten,<br />
Deinem Glücke nur geweiht;<br />
Darfst mich nied‘re Magd nicht kennen,<br />
Hoher Stern der Herrlichkeit!<br />
Nur die Würdigste von allen<br />
Darf beglücken deine Wahl,<br />
Und ich will die Hohe segnen,<br />
Viele tausendmal.<br />
Will mich freuen dann und weinen,<br />
Selig, selig bin ich dann;<br />
Sollte mir das Herz auch brechen,<br />
Brich, o Herz, was liegt daran?<br />
ich kann‘s nicht fassen, nicht glauben<br />
Ich kann‘s nicht fassen, nicht glauben,<br />
Es hat ein Traum mich berückt;<br />
Wie hätt er doch unter allen<br />
Mich Arme erhöht und beglückt?<br />
Mir war‘s, er habe gesprochen:<br />
„Ich bin auf ewig dein!“<br />
Mir war‘s - ich träume noch immer,<br />
Es kann ja nimmer so sein.<br />
O lass im Traume mich sterben,<br />
Gewieget an seiner Brust,<br />
Den seligen Tod mich schlürfen<br />
In Tränen unendlicher Lust.
Du ring an meinem finger<br />
Du Ring an meinem Finger,<br />
Mein goldenes Ringelein,<br />
Ich drücke dich fromm an die Lippen,<br />
Dich fromm an das Herze mein.<br />
Ich hatt‘ ihn ausgeträumet,<br />
Der Kindheit friedlich schönen Traum,<br />
Ich fand allein mich, verloren<br />
Im öden, unendlichen Raum.<br />
Du Ring an meinem Finger<br />
Da hast du mich erst belehrt,<br />
Hast meinem Blick erschlossen<br />
Des Lebens unendlichen, tiefen Wert.<br />
Ich will ihm dienen, ihm leben,<br />
Ihm angehören ganz,<br />
Hin selber mich geben und finden<br />
Verklärt mich in seinem Glanz.<br />
Du Ring an meinem Finger,<br />
Mein goldenes Ringelein,<br />
Ich drücke dich fromm an die Lippen<br />
Dich fromm an das Herze mein.<br />
helft mir, ihr Schwestern<br />
Helft mir, ihr Schwestern,<br />
Freundlich mich schmücken,<br />
Dient der Glücklichen heute mir,<br />
Windet geschäftig<br />
Mir um die Stirne<br />
Noch der blühenden Myrte Zier.<br />
Als ich befriedigt,<br />
Freudigen Herzens,<br />
Sonst dem Geliebten im Arme lag,<br />
Immer noch rief er,<br />
Sehnsucht im Herzen,<br />
Ungeduldig den heutigen Tag.<br />
Helft mir, ihr Schwestern,<br />
Helft mir verscheuchen<br />
Eine törichte Bangigkeit,<br />
Dass ich mit klarem<br />
Aug ihn empfange,<br />
Ihn, die Quelle der Freudigkeit.<br />
Bist, mein Geliebter,<br />
Du mir erschienen,<br />
Giebst du mir Sonne deinen Schein?<br />
Lass mich in Andacht,<br />
Lass mich in Demut,<br />
Lass mich verneigen dem Herren mein.<br />
Streuet ihm, Schwestern,<br />
Streuet ihm Blumen,<br />
Bringet ihm knospende Rosen dar,<br />
Aber euch, Schwestern,<br />
Grüß ich mit Wehmut<br />
Freudig scheidend aus eurer Schar.<br />
Süßer freund, du blickest<br />
Süßer Freund, du blickest<br />
Mich verwundert an,<br />
Kannst es nicht begreifen,<br />
Wie ich weinen kann;<br />
Lass der feuchten Perlen<br />
Ungewohnte Zier<br />
Freudig hell erzittern<br />
In dem Auge mir.<br />
Wie so bang mein Busen,<br />
Wie so wonnevoll!<br />
Wüsst‘ ich nur mit Worten,<br />
Wie ich‘s sagen soll;<br />
Komm und birg dein Antlitz<br />
Hier an meiner Brust,<br />
Will in‘s Ohr dir flüstern<br />
Alle meine Lust.<br />
25
Weißt du nun die Tränen,<br />
Die ich weinen kann?<br />
Sollst du nicht sie sehen,<br />
Du geliebter Mann?<br />
Bleib‘ an meinem Herzen,<br />
Fühle dessen Schlag,<br />
Dass ich fest und fester<br />
Nur dich drücken mag.<br />
Hier an meinem Bette<br />
Hat die Wiege Raum,<br />
Wo sie still verberge<br />
Meinen holden Traum;<br />
Kommen wird der Morgen,<br />
Wo der Traum erwacht,<br />
Und daraus dein Bildnis<br />
Mir entgegen lacht.<br />
an meinem herzen, an meiner Brust<br />
An meinem Herzen, an meiner Brust,<br />
Du meine Wonne, du meine Lust!<br />
Das Glück ist die Liebe, die Lieb‘ ist das Glück,<br />
Ich hab es gesagt und nehm‘s nicht zurück.<br />
Hab überschwänglich mich geschätzt<br />
Bin überglücklich aber jetzt.<br />
Nur die da säugt, nur die da liebt<br />
Das Kind, dem sie die Nahrung gibt;<br />
Nur eine Mutter weiß allein<br />
Was lieben heißt und glücklich sein.<br />
O, wie bedaur‘ ich doch den Mann,<br />
Der Mutterglück nicht fühlen kann!<br />
Du lieber, lieber Engel, du!<br />
Du schauest mich an und lächelst dazu,<br />
An meinem Herzen, an meiner Brust,<br />
Du meine Wonne, du meine Lust!<br />
26<br />
nun hast du mir den ersten Schmerz getan<br />
Nun hast du mir den ersten Schmerz<br />
[getan,<br />
Der aber traf.<br />
Du schläfst, du harter, unbarmherz‘ger<br />
[Mann,<br />
Den Todesschlaf.<br />
Es blicket die Verlass‘ne vor sich hin,<br />
Die Welt ist leer.<br />
Geliebet hab ich und gelebt, ich bin<br />
Nicht lebend mehr.<br />
Ich zieh mich in mein Inn‘res still zurück,<br />
Der Schleier fällt,<br />
Da hab ich dich und mein verlor‘nes Glück,<br />
Du meine Welt!<br />
Clara Schumann
Stefanie Schaefer Mezzosopran<br />
Die Mezzosopranistin wurde in Frankfurt<br />
am Main geboren, wo sie auch Gesang<br />
studierte. Gastspiele führten sie u. a. ans<br />
<strong>Staatstheater</strong> Stuttgart, ans Nationaltheater<br />
Mannheim, ans Mecklenburgische <strong>Staatstheater</strong><br />
Schwerin und nach Osna-brück, zu<br />
den Schwetzinger Festspielen und an die<br />
Oper Frankfurt. Von 2002 bis 2007 war sie<br />
Ensemblemitglied am Opernhaus Wuppertal.<br />
Im Januar 2011 gastierte sie als Idamante<br />
in idomeneo am Theater Erfurt. Ab<br />
Juni 2011 gastierte Stefanie Schaefer als<br />
Warwara in katja kabanova am STAATS-<br />
THEATER KARLSRUHE, wo sie seit der<br />
Spielzeit 2011/12 festes Ensemblemitglied<br />
ist. Sie war hier bereits Ascagne in Die<br />
trojaner, Maddalena in rigoletto, Boulotte<br />
in ritter Blaubart sowie Hänsel in hänsel<br />
und Gretel zu hören. In der Spielzeit 2012/13<br />
singt sie u. a. Wilhelmine Kuhbrot in Der<br />
Vetter aus Dingsda, Täuschung in Der Sieg<br />
von Zeit und Wahrheit sowie Cherubino in<br />
Die hochzeit des figaro.<br />
28<br />
chriStina Bock Mezzosopran<br />
Schon während ihres Studiums war die<br />
Mezzosopranistin u. a. als Dryade in ariadne<br />
auf naxos sowie als Dritte Dame in Die<br />
Zauberflöte im Theater Altenburg-Gera<br />
zu erleben. 2009 war sie Preisträgerin des<br />
Internationalen Gesangswettbewerbs der<br />
Kammeroper Schloss Rheinsberg. 2011<br />
gewann sie den 3. Preis beim 7. internationalen<br />
Hilde Zadek Wettbewerb in Wien<br />
und einen Sonderpreis für zeitgenössische<br />
Musik des Arnold Schönberg Centers<br />
Wien. Seit dem Wintersemester 2010/11<br />
studiert Christina Bock an der Hochschule<br />
für Musik <strong>Karlsruhe</strong> und war ab der Spielzeit<br />
2011/12 Mitglied des Opernstudios.<br />
Christina Bock war in <strong>Karlsruhe</strong> u. a. als<br />
Mutter Beate in der Kinderoper robin<br />
hood zu erleben und singt in der Spielzeit<br />
2012/13 u. a. Hannchen in Der Vetter aus<br />
Dingsda und Abiah in der Jugendoper Border.<br />
Ab der Spielzeit 2013/14 geht sie als<br />
festes Mitglied ins Opernensemble.
freYa JUnG Klavier<br />
Freya Jung, 1987 in Bad Schwalbach/<br />
Taunus geboren, errang schon früh erste<br />
Preise beim Bundeswettbewerb „Jugend<br />
musiziert“ in den Kategorien Kammermusik<br />
und Liedbegleitung. Dazu kamen Auszeichnungen<br />
von der Carl-Hempel-Stiftung und<br />
die Verleihung des Ulrich-Drosihn-Preises.<br />
Im Herbst 2005 begann sie das Klavierstudium<br />
bei der Pianistin Prof. Ragna Schirmer<br />
an der Hochschule für Musik und Darstellende<br />
Kunst Mannheim. 2012 wirkte sie<br />
beim Operettenprojekt Die fledermaus des<br />
AOIDE Ensembles beim „Kultursommer am<br />
Kanal“ mit. 2008-2011 war Freya Jung Pianistin<br />
im Klaviertrio „trio toninton“, bevor<br />
sie 2010 ein Studium in der Fachrichtung<br />
Liedgestaltung bei Prof. Karl-Peter Kammerlander<br />
in Weimar begann. Seit April<br />
2012 studiert sie im Masterstudiengang<br />
Liedgestaltung bei Prof. Hartmut Höll an der<br />
Hochschule für Musik <strong>Karlsruhe</strong>.<br />
John Parr Klavier<br />
John Parr studierte an der Manchester<br />
University und am Royal Northern College<br />
of Music bei Sulamita Aronovsky. Er gastierte<br />
als Repetitor u. a. am Royal Opera<br />
House Covent Garden und arbeitete für die<br />
Scottish Opera in Glasgow. Zudem war er<br />
„Head of Music Staff“ an der San Francisco<br />
Opera. Ein wichtiger Teil seiner Aufgaben<br />
war die Arbeit mit den weltberühmten<br />
Adler Fellow- und Merola-Programmen<br />
für junge Sänger. Von 2002 bis 2005 war<br />
er musikalischer Assistent bei den Bayreuther<br />
Festspielen. Als Liedbegleiter trat<br />
er in Deutschland und den USA auf. Seit<br />
der Spielzeit 2011/12 ist er am STAATS-<br />
THEATER KARLSRUHE als Casting Direktor<br />
und Assistent des Generalmusik-direktors<br />
engagiert. Außerdem ist er künstlerischer<br />
Leiter der Liederabend-Reihe am<br />
STAATSTHEATER.<br />
29
DanieL BoLLinGer Klarinette<br />
Sein Studium absolvierte Daniel Bollinger<br />
bei Prof. Ralph Manno in Köln. Bereits früh<br />
verzeichnete er große Erfolge. So gewann<br />
er u. a. drei Mal den Bundeswettbewerb<br />
„Jugend Musiziert“. Außerdem war er<br />
Stipendiat der Jürgen Ponto-Stiftung, der<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung und der Werner<br />
Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung sowie<br />
der Deutschen Stiftung Musikleben. Als<br />
Solist und kammermusikalisch war er u. a.<br />
mit dem „BOVIARTrio“ zu erleben. Daniel<br />
Bollinger hat einen Lehrauftrag an der<br />
Musikhochschule <strong>Karlsruhe</strong>. Seit 2002<br />
ist er Solo-Klarinettist der BADISCHEN<br />
STAATSKAPELLE, wo er regelmäßig in<br />
Sinfoniekonzerten sowie bei den Nachtklängen<br />
in der INSEL zu erleben ist.<br />
30
LieDeraBenDe<br />
12/13<br />
1. LieDeraBenD –<br />
katharine tier &<br />
anDreW finDen<br />
Liederzyklen<br />
katharine tier Mezzosopran<br />
andrew finden Bariton<br />
John Parr Klavier<br />
Benjamin Britten a charm of Lullabies<br />
Ralph Vaughan Williams Songs of travel<br />
Anno Schreier Drei Lieder nach Gedichten<br />
von Walt Whitman URAUFFÜHRUNG<br />
Gustav Mahler kindertotenlieder<br />
27.10.12 kLeineS haUS<br />
2. LieDeraBenD –<br />
WinterreiSe<br />
renatUS MeSZar<br />
renatus Meszar Bass<br />
John Parr Klavier<br />
Franz Schubert Winterreise<br />
10.12.12 kLeineS haUS<br />
3. LieDeraBenD –<br />
Stefanie Schaefer<br />
& chriStina Bock<br />
„Starke frauen“<br />
Robert Schumann frauenliebe und -leben<br />
& kerner-Lieder<br />
Gustav Mahler Wunderhorn-Lieder<br />
Louis Spohr Sechs Deutsche Lieder<br />
Clara Schumann Scherzo nr. 2<br />
2.3.13 kLeineS haUS<br />
4. LieDeraBenD –<br />
John treLeaVen<br />
Prüfungen und Liebe<br />
John treleaven Tenor<br />
John Parr Klavier<br />
Benjamin Britten the holy Sonnets<br />
of John Donne<br />
Richard Strauss, Edward Elgar,<br />
Ralph Vaughan Williams & Roger Quilter<br />
Liebeslieder<br />
13.4.13 kLeineS haUS<br />
5. LieDeraBenD –<br />
SeBaStian kohLhePP<br />
„Leise zieht durch mein Gemüt ...“<br />
Sebastian kohlhepp Tenor<br />
John Parr Klavier<br />
Felix Mendelssohn-Bartholdy<br />
heine-Lieder<br />
Robert Schumann Liederkreis<br />
26.5.13 kLeineS haUS<br />
31
BiLDnachWeiSe<br />
UMSchLaG Lutz Edelhoff<br />
S. 3 © gmg-bw<br />
S. 7 © blogerma<br />
S. 17 © Universitätsbibliothek<br />
Heidelberg<br />
S. 23 Johann August Nahl:<br />
Louis Spohr<br />
S. 26 Alfred Slocombe:<br />
Altersporträt von Clara<br />
Schumann, Aquatinta,<br />
um 1880<br />
S. 28 Jochen Klenk<br />
S. 29 privat,<br />
Jochen Klenk<br />
S. 30 privat<br />
teXtnachWeiSe<br />
Der abgedruckte Text ist ein Originalbeitrag<br />
für dieses Heft von Daniel Rilling.<br />
Sollten wir Rechteinhaber übersehen<br />
haben, bitten wir um Nachricht.<br />
32<br />
iMPreSSUM<br />
heraUSGeBer<br />
STAATSTHEATER KARLSRUHE<br />
GeneraLintenDant<br />
Peter Spuhler<br />
VerWaLtUnGSDirektor<br />
Michael Obermeier<br />
chefDraMatUrG<br />
Bernd Feuchtner<br />
oPernDirektor<br />
Joscha Schaback<br />
reDaktion<br />
Daniel Rilling<br />
konZePt<br />
DOUBLE STANDARDS BERLIN<br />
www.doublestandards.net<br />
GeStaLtUnG<br />
Kristina Pernesch<br />
DrUck<br />
medialogik GmbH, <strong>Karlsruhe</strong><br />
STAATSTHEATER KARLSRUHE 2012/13<br />
Programm Nr. 102<br />
www.staatstheater.karlsruhe.de
LieDeraBenDaBonnent<br />
WerDen!<br />
In dieser Spielzeit können Sie einige unserer<br />
Ensemblemitglieder in fünf Liederabenden<br />
erleben. Sichern Sie sich bereits jetzt ein<br />
Liederabend-abonnement für die kommende<br />
Saison.<br />
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aBonneMentBÜro<br />
t 0721 3557 323<br />
f 0721 3557 346<br />
e-Mail abonnementbuero@staatstheater.<br />
karlsruhe.de
könnt‘ ich Dich in LieDern PreiSen,<br />
SanG‘ ich Dir DaS LanGSte LieD.<br />
Ja, ich WÜrD‘ in aLLen WeiSen<br />
Dich ZU SinGen niMMer MUD‘!