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38 Kultur<br />
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Vor dem Krieg<br />
Zuallererst möchte ich anmerken, dass<br />
ich kein gebürtiger Deutscher bin, habe<br />
aber von Anfang an eine Beziehung zu<br />
Deutschland gehabt, so merkwürdig das<br />
auch klingen mag. Ich heiße Johannes<br />
Bruno, eigentlich laut Personalausweis<br />
Giovanni Paolo Bruno, und wurde am<br />
29.03.1933 im Zentrum von Rom geboren.<br />
Kurz davor hatten die Nationalsozialisten<br />
in Deutschland die Macht übernommen.<br />
In Italien herrschten bereits seit 14 Jahren<br />
Benito Mussolini und die Faschisten.<br />
Der Faschismus war eine Diktatur mit<br />
menschlichem Gesicht. Es gab zwar nur<br />
die faschistische Partei, keine freie Meinungsäußerung,<br />
keine freie Presse, aber<br />
auch keine Lager. In dieser Zeit machte<br />
Italien auf mehreren Gebieten beachtliche<br />
Fortschritte. Außenpolitisch war Mussolini<br />
ein erklärter Gegner des Kommunismus<br />
und wollte das altrömische Reich<br />
neu aufleben lassen auf Kosten der<br />
Nachbarländer Frankreich, Kroatien, Griechenland,<br />
Albanien und schließlich Äthiopien<br />
in Ostafrika. König Viktor-Emanuel<br />
III. war König von Italien und Albanien<br />
und Kaiser von Äthiopien.<br />
In diesem gesellschaftlichen Umfeld<br />
wuchs ich mit zwölf Geschwistern heran,<br />
sechs Brüder und sechs Schwestern.<br />
Meine Mutter war Hausfrau, mein Vater<br />
Polizeibeamter. Da ich hellblonde Haare<br />
hatte, sagten sie scherzhaft zu mir: Du<br />
bist kein Italiener, du bist ein Deutscher!<br />
Leider starb mein Vater als ich drei Jahre<br />
jung war und ließ mich als Halbwaisen<br />
zurück. Als meine älteren Geschwister<br />
heirateten und das Mutterhaus verließen,<br />
Ein Zeitzeuge erzählt<br />
bezogen sie eigene Wohnungen in Rom<br />
und außerhalb. Eine Schwester und ein<br />
Bruder von mir gingen ins Kloster. Im Haus<br />
meiner Mutter blieben eine ältere und eine<br />
jüngere Schwester und ich. Wir spielten<br />
miteinander zuhause und in den Resten<br />
des nahen Palatin, stritten miteinander, um<br />
uns dann wieder zu versöhnen.<br />
Im Krieg<br />
Als ich 1939 in die erste Klasse der Volksschule<br />
nahe beim Trevi-Brunnen ging, hatte<br />
sich Mussolini am 22.05. mit dem deutschen<br />
Diktator Adolf Hitler militärisch verbunden.<br />
Dieser entfesselte am 01.09. den<br />
Zweiten Weltkrieg. Mussolini führte Italien<br />
erst am 10.06.1940 in den Krieg, da er<br />
wusste, dass sein Land darauf völlig unvorbereitet<br />
war: es fehlten moderne Gewehre,<br />
Panzer, Flugzeuge, und die Munition reichte<br />
nur für 60 Kriegstage. Aber er meinte, nach<br />
der Niederlage Frankreichs würde bald auch<br />
Großbritanien das gleiche Geschick treffen,<br />
und der Friede sei ohnehin in greifbarer<br />
Nähe. Da täuschte er sich gewaltig.<br />
Im Laufe des Krieges verlor ich zwei Brüder,<br />
der eine als Flieger, der andere als U-Boot-<br />
Fahrer. Aus diesem Grund besuchte uns<br />
eines Tages es war der Tag der Befana<br />
am 06.01. ein hoher Parteifunktionär und<br />
schenkte mir eine wunderschöne Spieleisenbahn.<br />
Meine Freude war riesig. Im Alltag<br />
des kleinen Mannes herrschten jedoch das<br />
Anstehen, Hamsterfahrten, der Schwarzmarkt,<br />
den sich nur die Bonzen der Partei<br />
und die besser gestellten Menschen leisten<br />
konnten, und der Hunger.<br />
In dieser Zeit pflegte mich meine Mutter zu<br />
einer Volksküche zu schicken, die in einem<br />
von Nonnen geleiteten Kindergarten eingerichtet<br />
wurde nur wenige Meter von unserer<br />
Wohnung entfernt um die Suppe für