Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
genial durchdachte Intrige präsentiert, der man geradezu unterliegen muss. 19 Das<br />
erreicht Vergil durch die Lügenrede Sinons, die in ihrer Darstellung dem römischen<br />
Leser bzw. der karthagischen Königin die verderbliche Entscheidung der Trojaner, das<br />
hölzerne Pferd in die Stadt zu ziehen, plausibel macht. Die Rede ist nämlich stark<br />
beeinflussend und emotional und nutzt geradezu das Mitgefühl, die Gutgläubigkeit und<br />
Demut, ja die so oft in diesem Werk gepriesene pietas der Trojaner aus. „Trojanische<br />
pietas gegen griechische Heimtücke – hier wird dieser Topos der Aeneis in voller<br />
Schärfe dargestellt.“ 20 Die Rede kann somit gewissermaßen als Rechtfertigung des<br />
verlorenen Krieges von Aeneas vor Dido bzw. von Vergil vor seiner Leserschaft<br />
interpretiert werden. So sagt Aeneas abschließend, nachdem er Dido die Lügenrede<br />
vorgetragen hat:<br />
„Talibus insidiis periurique arte Sinonis<br />
credita res, captique dolis lacrimisque coactis<br />
quos neque Tydides nec Larisaeus Achilles,<br />
non anni domuere decem, non mille carinae.” (195-198)<br />
Redekunst, bzw. heimtückische Lügen und vorgetäuschte Tränen, nicht Waffengewalt,<br />
habe Troja zu Fall gebracht. 21<br />
Die Troja-Sage wird bei Vergil nicht nur aus römischer Sicht geschildert, sondern es<br />
werden Episoden neu kombiniert und, wie die Rede des Sinon, neu erfunden. 22 Von<br />
besonderem Interesse ist hierbei die Intention Vergils, bei seinen Lesern eine bestimmte<br />
Reaktion auf Redner und Rede hervorzurufen. Aufschlussreich für die vergilische Troja-<br />
Fassung ist hierbei, dass im Verlauf der früheren Versionen, an dessen Anfang die<br />
Odyssee steht, das hölzerne Pferd an Größe und die Person Sinons an Bedeutung, also<br />
das Thema der griechischen List an sich immer mehr an Bedeutung gewinnt. Dies lässt<br />
auf ein wachsendes Bedürfnis, das Verhalten der Trojaner besser zu begründen,<br />
schließen. 23 Bei Vergil erreicht die Episode ihren Höhepunkt, denn Sinon muss mit<br />
seiner Trugrede die Trojaner motivieren, die Stadtmauern einzureißen und das riesige<br />
Pferd in die Stadt zu ziehen. So erreicht Vergil, dass in seinem Epos die Rede des Sinon<br />
als eigentliche List der Griechen, die den Fall Trojas herbeigeführt hat, dargestellt ist,<br />
oder zumindest die Rede als notwendige Bedingung für die Ausführung der List<br />
aufgefasst wird. Nicht nur die trügerisch ehrlich wirkende, doch bei genauem Lesen<br />
19 Vgl. dazu Erdmann 25.<br />
20 Erdmann 25.<br />
21 Vgl. dazu Erdmann 26.<br />
22 Vgl. dazu Erdmann 90.<br />
23 Vgl. dazu Manuwald 183 ff.<br />
8