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ausgeklügelte und stark beeinflussende Rede Sinons, sondern darüber hinaus auch die<br />
dem römischen Leser mögliche Assoziation mit dem ebenso wortgewandten, angeblich<br />
vom eigenen Volk verstoßenen, unerkannt bleibenden Odysseus und dessen<br />
vorgetäuschter Loyalität gegenüber Palamedes 24 in der Tragödie des Philoktet bei<br />
Aischylos, Sophokles und Euripides legitimieren die Fehlentscheidung der Trojaner für<br />
den römischen Leser geradezu. 25 Vergil erreicht mit der Person des Sinon bei seinem<br />
Leser eine Potenzierung des griechischen Feindbildes, einerseits durch die Assoziation<br />
mit Odysseus und durch die rückblickende, die Wirkung der Rede ‚anti-griechisch’<br />
kommentierende Erzählhaltung des Aeneas, andererseits, und damit zusammenhängend,<br />
durch die den Missbrauch der Rhetorik darstellenden Rede.<br />
Nun kann man sich bei der Wirkung der Rede des Sinon auf den modernen Leser<br />
sicherlich streiten. Dass der römische Leser für die vergilische Darstellung empfänglich<br />
war, ist einleuchtend, da sie dem augusteischen Weltbild entsprach, das sozusagen nach<br />
einer Excusatio der trojanischen Niederlage verlangte. Grossardts Perspektive<br />
beispielsweise, dass die Rede nicht nur die Täuschung der Trojaner darstelle, sondern<br />
vielmehr „Prüfstein [von Sinons] Talent zur Manipulation des Gegenspielers“ sei und<br />
Sinon den „Spaß“ an der „Dummheit“ der Trojaner auskoste 26 , öffnet neue Wege in der<br />
Interpretation der vergilischen Troja-Sage. Dennoch sollte der Blick des modernen<br />
Lesers nicht zu von dem geschichtlichen Kontext, in dem das Epos geschrieben wurde,<br />
von der Intertextualität und der Absicht des Autors abschweifen. Die Leichtfertigkeit bei<br />
Grossardts Sichtweise liegt in der Missachtung der Tatsache, dass Vergil die Rede, zwar<br />
am Vorbild des Odysseus im Philoktet, aber dennoch für Sinon völlig neu erfunden hat<br />
und durch die Einführung dieser Rede im augusteischen Nationalepos gerade das<br />
Mitgefühl, ja die Moral der Trojaner, und eben nicht deren „Dummheit“ hervorzuheben<br />
beabsichtigt. Für Grossardts Ansatz spricht, dass er eben nicht einer zeitgenössischen<br />
historischen Lektüre verhaftet bleibt.<br />
2.2 Die Interpretation der Sinon-Rede<br />
Vergil räumt der Figur des Sinon die erste lange Rede in der Aeneis ein, mit 109 (II, 69-<br />
72 + 77-104 + 108-144 + 154-194) Versen, außer der Rahmenrede des Aeneas, die<br />
24<br />
…,wodurch Sinon auf eine Ebene mit dem besonders gefährlich und listenreich geltenden Odysseus gestellt<br />
wird,…<br />
25<br />
Vgl. dazu Erdmann 95-96; für eine ausführliche Darstellung der <strong>Anna</strong>hme des Vorbildcharakters der<br />
euripideischen Tragödie für die Aeneis in diesem Zusammenhang vgl. Friedrich 160 f.<br />
26<br />
Vgl. dazu Grossardt 360 f.<br />
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