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Zur Terminologie in der Sprachkontakt- forschung ... - Carsten Sinner

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<strong>Carsten</strong> S<strong>in</strong>ner<br />

erklärbar. In e<strong>in</strong>em Artikel, <strong>in</strong> dem sich Wesch erneut mit <strong>der</strong> sprachlichen<br />

Situation <strong>in</strong> Katalonien befaßt, heißt es: "In e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelsprache ist e<strong>in</strong> primärer<br />

Dialekt genauso alt wie die zur überregionalen Geme<strong>in</strong>sprache gewordene<br />

Varietät (o<strong>der</strong> älter). E<strong>in</strong> sekundärer Dialekt ist das Ergebnis e<strong>in</strong>er<br />

geographischen Verlagerung e<strong>in</strong>es primären Dialektes. Die sogenannten<br />

tertiären Dialekte konstituieren sich durch den Kontakt <strong>der</strong> überregionalen<br />

Norm und [sic] e<strong>in</strong>em 'bodenständigen' Dialekt <strong>der</strong>selben o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />

Sprache und s<strong>in</strong>d das Ergebnis von <strong>Sprachkontakt</strong> und Interferenz" (Wesch<br />

1994:167, Hervorhebungen von mir). Abgesehen von <strong>der</strong> sehr freien Auffassung<br />

von sekundärem Dialekt – geographische Verlagerung e<strong>in</strong>es primären Dialektes<br />

impliziert nicht zwangsläufig die Herausbildung e<strong>in</strong>es regionalen Standards –<br />

erstaunt die Erläuterung des Coseriuschen Term<strong>in</strong>us tertiärer Dialekt, dessen<br />

Darstellung durch Wesch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>ster Weise bei Coseriu, auf den er sich beruft,<br />

angelegt ist: Coseriu spricht nicht von Herausbildung e<strong>in</strong>es tertiären Dialekts<br />

durch <strong>Sprachkontakt</strong> und Interferenz bzw. durch Kontakt <strong>der</strong> überregionalen<br />

Norm (Standard) mit "bodenständigen" Dialekten o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Sprache.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs zieht es Wesch – an<strong>der</strong>s als noch 1992 – vor, "den Term<strong>in</strong>us 'tertiärer<br />

Dialekt' nicht zu verwenden, damit nicht auf e<strong>in</strong>e Ebene gestellt wird, was nicht<br />

auf e<strong>in</strong>e Ebene gehört" (Wesch 1995: 167-168) und spricht stattdessen von<br />

"Interlektkont<strong>in</strong>uum". Er zieht damit die Konsequenz aus <strong>der</strong> Erkenntnis, daß<br />

"sprachliche Interferenz, die zu solchen [tertiären] Varietäten führt, [...] ke<strong>in</strong><br />

re<strong>in</strong> diachronisch erfaßbares Faktum, son<strong>der</strong>n synchronisch wirksam und<br />

dementsprechend synchronisch zu beschreiben [ist]" (Wesch 1994: 167).<br />

Allerd<strong>in</strong>gs sieht er damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> sprachlichen Interferenz klar den treibenden<br />

Motor bei <strong>der</strong> Herausbildung solcher Varietäten. Die Varietäten des Katalanischen<br />

und des <strong>in</strong> Katalonien gesprochenen Kastilischen lägen auf e<strong>in</strong>em<br />

Kont<strong>in</strong>uum zwischen zwei Polen ("das normative Spanisch bzw. Kastilisch des<br />

Nordens <strong>der</strong> Iberischen Halb<strong>in</strong>sel und das normative Ostkatalanisch des<br />

Großraums Barcelona"). Den durch den <strong>Sprachkontakt</strong> zustandegekommenen<br />

Varietäten fehle die syntopische Homogenität, die die primären und sekundären<br />

Varietäten aufweisen, und zwischen den Endpunkten des Kont<strong>in</strong>uums sei "jedes<br />

Mischungsverhältnis möglich" (Wesch 1994: 167, Hervorhebung im Orig<strong>in</strong>al). 42<br />

Problematisch ist bei diesem Modell – neben <strong>der</strong> fragwürdigen Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>es jeden Mischungsverhältnisses – allerd<strong>in</strong>gs v.a. die Tatsache, daß e<strong>in</strong><br />

42) Auch im H<strong>in</strong>blick auf die Verwendung des Term<strong>in</strong>us Kont<strong>in</strong>uum lassen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur zur<br />

Kontakt- bzw. Varietätenl<strong>in</strong>guistik sehr eigenwillige Interpretationen f<strong>in</strong>den. Wichtig ist<br />

unbed<strong>in</strong>gt die Unterscheidung von Kompetenzkont<strong>in</strong>uum (proficiency cont<strong>in</strong>uum, vgl. Silva-<br />

Corvalán 1996) und <strong>der</strong> Auffassung von Kont<strong>in</strong>uum im S<strong>in</strong>ne jeglichen möglichen Mischungsverhältnisses<br />

<strong>der</strong> Sprachen an sich ("catañol", Mischsprache usw.), wodurch <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck<br />

erweckt wird, es existiere e<strong>in</strong>e Mischsprache, die sich zu jeweils 50% aus zwei <strong>in</strong> Kontakt<br />

bef<strong>in</strong>dlichen Sprachen, die dann die Extreme des Kont<strong>in</strong>uums bilden, konstituiere. <strong>Zur</strong> Kritik an<br />

<strong>der</strong> Projizierung e<strong>in</strong>er solchen Mischsprache vgl. die Debatte um die als unhaltbar kritisierte<br />

Me<strong>in</strong>ung diverser Autoren, <strong>in</strong> Barcelona werde e<strong>in</strong>e hybride Mischsprache wie "catañol"<br />

(Moya/Lago 1977: 192) o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Art von Kreolisch (López del Castillo 1984: 55) gesprochen.<br />

Wichtig ist sicherlich auch darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß e<strong>in</strong>ige Autoren davon ausgehen, daß "it is <strong>in</strong><br />

pr<strong>in</strong>ciple possible for an <strong>in</strong>dividual to move or be mov<strong>in</strong>g towards (hence 'dynamic' level) one or<br />

the other end of the cont<strong>in</strong>uum at any given stage of his life" (Silva-Corvalán 1996: 11).<br />

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