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Die Conti-Schaeffler-Saga: Alles wird gut - Reifenpresse.de

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mehr als sieben Millionen Euro sofort ausbezahlt,<br />

inzwischen <strong>wird</strong> er pensionsberechtigt<br />

sein und 60 Prozent <strong>de</strong>s letzten<br />

Jahreseinkommens beziehen, Jahr für Jahr<br />

bis zum letzten Atemzug. Während ein Arbeiter<br />

sich auf Sperrung seines Arbeitslosengel<strong>de</strong>s<br />

einstellen muss bei einem solchen<br />

Verfahren, erhält ein Vorstand Millionen,<br />

einfach nur dafür, künftig keinen Finger<br />

mehr fürs Unternehmen krumm zu machen.<br />

Manfred Wennemer, ein Opfer?<br />

Opfer Nummer zwei: Wennemer-<br />

Nachfolger Dr. Karl-Thomas Neumann. Er<br />

versuchte auf <strong>de</strong>r Jahreshauptversammlung<br />

2009 Tempo aufzunehmen und<br />

<strong>Schaeffler</strong> mit Ultimaten in Zugzwang zu<br />

bringen. Warum? <strong>Conti</strong>nental sah eine echte<br />

Chance, sich aus <strong>de</strong>r <strong>Schaeffler</strong>schen<br />

Umklammerung doch noch lösen zu können.<br />

Man wähnte <strong>de</strong>n nach Lage <strong>de</strong>r Dinge<br />

völlig überschul<strong>de</strong>ten Großaktionär bewegungsunfähig<br />

an straffer Leine <strong>de</strong>r Banken.<br />

<strong>Schaeffler</strong>? Großaktionär? Na und? <strong>Alles</strong><br />

auf Pump. Wie man weiß, wur<strong>de</strong> Neumann<br />

Opfer von Aufsichtsräten, die ihn anstachelten,<br />

um ihn im entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Moment<br />

doch im Stich zu lassen. Doch Karl-Thomas<br />

Neumann hatte auch seinen Zahltag. Mit 7,4<br />

Millionen Euro im Gepäck ging er von Bord<br />

und heuerte wie<strong>de</strong>r bei Volkswagen an,<br />

führt <strong>de</strong>ssen Aktivitäten auf <strong>de</strong>m chinesischen<br />

Markt und hat Chancen, irgendwann<br />

VW-Chef Winterkorn zu beerben. Karl-Thomas<br />

Neumann, ein Opfer?<br />

Opfer Nummer drei: Finanzchef Dr.<br />

Alan Hippe. Er lan<strong>de</strong>t über eine Zwischenstation<br />

bei ThyssenKrupp ab März 2011 als<br />

Finanzchef bei Hoffmann-La Roche, Jahresgehalt<br />

vier Millionen Euro. Alan Hippe,<br />

ein Opfer?<br />

Ansonsten sind viele Spitzenmanager<br />

sowieso relativ schmerzfrei. Es ist für sie einerseits<br />

ein lachhaftes Anerbieten, auf hier<br />

beschriebene Zahlungen, die ihnen sowohl<br />

nach Recht und Gesetz als auch nach <strong>de</strong>m<br />

Selbstverständnis zustehen, verzichten zu<br />

sollen, an<strong>de</strong>rerseits wür<strong>de</strong>n sie es als bo<strong>de</strong>nlose<br />

Unverschämtheit ansehen, wenn<br />

ein Arbeiter Lohnfortzahlung dafür verlangen<br />

wür<strong>de</strong>, dass er aus Verärgerung einfach<br />

so „in <strong>de</strong>n Sack gehauen hat“. Das steht<br />

solch treulosen Gesellen ja wohl nicht zu.<br />

Ist das alles nicht nur logisch o<strong>de</strong>r ist es ein<br />

Beweis dafür, dass sich die Welt wenigstens<br />

partiell in ein Irrenhaus verwan<strong>de</strong>lt hat?<br />

Dass einflussreiche Persönlichkeiten es mit<br />

sich selbst und ihresgleichen nicht schlecht<br />

meinen, ist okay. Überraschend ist gelegentlich<br />

<strong>de</strong>r Begründungsreichtum wie<br />

zwei Beispiele aus <strong>de</strong>r Gummibranche zeigen.<br />

Zur Verabschiedung in <strong>de</strong>n Ruhestand<br />

bekam Goodyear-Chef Gibara noch schnell<br />

eine knappe halbe Million Dollar Extrazahlung<br />

„für nicht genommenen Urlaub“. Eine<br />

Bonuszahlung wäre vor <strong>de</strong>m Hintergrund<br />

eines Rekordverlustes kaum zu begrün<strong>de</strong>n<br />

gewesen. Der vormalige <strong>Conti</strong>Tech-Chef<br />

Gerhard Lerch war schon drei Jahrzehnte<br />

als Führungskraft in <strong>de</strong>n <strong>Die</strong>nsten <strong>de</strong>r <strong>Conti</strong>nental<br />

gewesen, bis er 2005 in <strong>de</strong>n Konzernvorstand<br />

berufen wur<strong>de</strong>. Dass ihm damit<br />

eine Pension aus <strong>de</strong>m Topf Leiten<strong>de</strong>r<br />

Angestellter zusteht, ist eine Selbstverständlichkeit.<br />

Einzelheiten über Vorstandspensionen<br />

waren in früheren Geschäftsbe-<br />

Größe allein be<strong>de</strong>utet nichts. <strong>Die</strong> sehr<br />

erfolgreiche Reifenfirma Pirelli steuert mit<br />

einem Umsatz von rund vier Milliar<strong>de</strong>n Euro<br />

zweistelligen EBIT-Margen entgegen,<br />

während die dreimal größere Goodyear seit<br />

ebenfalls schon mehreren Jahren um eine<br />

schwarze Null o<strong>de</strong>r sogar nur um<br />

Reduzierung früherer Verluste kämpft<br />

richten nachzulesen; <strong>de</strong>r Name Lerch fehlte<br />

dabei. Steuerrechtliche Grün<strong>de</strong>, dies ist<br />

reine Spekulation, könnten <strong>de</strong>r Gewährung<br />

einer üppigen Vorstandspension, wie sie<br />

bei <strong>de</strong>r <strong>Conti</strong> üblich ist, im Weg gestan<strong>de</strong>n<br />

haben wegen <strong>de</strong>r vorhersehbaren nur noch<br />

kurzen Laufzeit von drei Jahren. Der im<br />

Jahr 2010 vorgelegte Geschäftsbericht<br />

2009 informiert nun darüber, dass <strong>de</strong>m 66jährigen<br />

Pensionär eine Karenzentschädigung<br />

für die Dauer eines (vermutlich zweijährigen)<br />

Wettbewerbsverbots gewährt <strong>wird</strong><br />

und für das Kalen<strong>de</strong>rjahr 2009 schon mal<br />

687.000 Euro bezahlt wor<strong>de</strong>n sind und somit<br />

vermutlich die nächsten 687.000 Euro<br />

für 2010 folgen. Das ist sehr scha<strong>de</strong> für<br />

Herrn Lerch, stand er doch bei seinen Leuten<br />

in sehr hohem Ansehen, während es ihn<br />

nun so aussehen lässt, als sei <strong>de</strong>r <strong>Conti</strong>-<br />

Tech-Chef, <strong>de</strong>r immer Loyalität einfor<strong>de</strong>rte<br />

und immer Loyalität bekam, nur mit Geld<br />

davon abzuhalten gewesen, <strong>de</strong>r eigenen<br />

Mannschaft als Pensionär zum Dank dann<br />

doch noch in <strong>de</strong>n Garten zu …, schon klar,<br />

MARKT + MARKETING<br />

Neue Reifenzeitung 2/2011<br />

nicht wahr? Schwamm drüber, nur keine<br />

Neid<strong>de</strong>batte. <strong>Alles</strong> nur Peanuts.<br />

Den Gipfel aller Begründungen kann je<strong>de</strong>nfalls<br />

ein Branchenfrem<strong>de</strong>r, Dr. Thomas<br />

Mid<strong>de</strong>lhoff, für sich reklamieren. Der „Ständige<br />

Ausschuss“ <strong>de</strong>s Arcandor-Aufsichtsrates<br />

machte ihn um 2,3 Millionen Euro reicher.<br />

Ein Bonus habe ihm zwar nach <strong>de</strong>n<br />

vereinbarten Kriterien, orientiert an Bilanzkennzahlen<br />

wie EBITDA und Cashflow nicht<br />

zugestan<strong>de</strong>n und auch <strong>de</strong>r „Zielerreichungsgrad“<br />

lag zumin<strong>de</strong>st beim Cashflow<br />

<strong>de</strong>utlich unter <strong>de</strong>n Erwartungen. Deswegen<br />

wich man auf „Son<strong>de</strong>rboni“ aus, mit <strong>de</strong>nen<br />

Mid<strong>de</strong>lhoffs „mutige Entscheidungen“ sowie<br />

sein „strategischer Weitblick“ gewürdigt<br />

wur<strong>de</strong>n. Sechs Monate später war <strong>de</strong>r Konzern<br />

pleite.<br />

Es gibt aber auch wirkliche Opfer. So<br />

verloren bei<strong>de</strong> Unter-<br />

nehmenssprecherihre Jobs bei <strong>Schaeffler</strong><br />

und <strong>Conti</strong>nental und,<br />

soweit bekannt, hat einer<br />

von ihnen immer<br />

noch nicht wie<strong>de</strong>r Anschluss<br />

gefun<strong>de</strong>n.<br />

Nicht zu vergessen<br />

auch die vielen<br />

tausend Belegschaftsmitglie<strong>de</strong>r,<br />

die ihren<br />

Job verloren, weil die<br />

bis zum Hals im Morast versunkenen Unternehmen<br />

<strong>Schaeffler</strong> und <strong>Conti</strong>nental mit<br />

Radikalkuren vorgehen mussten. Nach Umfragen<br />

<strong>de</strong>r Frankfurter Allgemeinen Zeitung<br />

zählten zu Beginn <strong>de</strong>s Jahres 2010 sowohl<br />

<strong>Conti</strong>nental als auch vor allem <strong>Schaeffler</strong> zu<br />

<strong>de</strong>n „Top Ten <strong>de</strong>r Stellenstreicher“. Übrigens<br />

konnte selbst Bosch auf Entlassungen<br />

nicht völlig verzichten, doch die Zahl<br />

<strong>de</strong>r Entlassungen entsprach nicht mal<br />

einem Zehntel <strong>de</strong>ssen, was bei <strong>Conti</strong>-<br />

<strong>Schaeffler</strong> offenbar unabdingbar war.<br />

Es kann nur besser wer<strong>de</strong>n. <strong>Alles</strong> <strong>wird</strong><br />

<strong>gut</strong>. Hoffentlich!<br />

klaus.had<strong>de</strong>nbrock@reifenpresse.<strong>de</strong><br />

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