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Wer war Heinrich Magnus - Stadt Wunstorf

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... der Seminarlehrer, Ehrenbürger der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>, Gründer der Präparandenanstalt,<br />

diverser Schulen und ...<br />

legte in <strong>Wunstorf</strong> Grundsteine für eine bis in die heutige Zeit nachwirkende vielschichtige<br />

gesellschaftliche Entwicklung dieser <strong>Stadt</strong>.<br />

Die <strong>Wunstorf</strong>er Geschichte von 1875 bis 1911wurde aktiv von <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> geprägt.<br />

All das, woran dieser Mann beteiligt <strong>war</strong>, kann Heute nur Ansatzweise beurteilt werden.<br />

Eines steht fest, man kommt einfach nicht um diesen Mann herum.<br />

Seine Aktivitäten haben <strong>Wunstorf</strong> nachhaltig verändert und sind zur Selbstverständlichkeit<br />

geworden.<br />

Heute stellt sich kaum jemand die Frage:<br />

”<strong>Wer</strong> hat sich für diese Selbstverständlichkeiten engagiert?”<br />

Es ist nicht nur das Schwimmen lernen im <strong>Wunstorf</strong>er Freibad, der Arbeiterverein,<br />

Qualifizierung der Handwerker, der Vorläufer des Jahnplatz - das erste Sportzentrum<br />

<strong>Wunstorf</strong>s -, die Freiwillige Feuerwehr, “Frau Hölty”, der Arbeiterpark vor dem Freibad oder<br />

<strong>Stadt</strong>park wie er 1897 genannt wurde, der Bürgerpark, die Scharnhorst Schule,<br />

die Volksbank <strong>Wunstorf</strong>, das E-<strong>Wer</strong>k u.v.m.<br />

Versetzen Sie sich in den Film “Die Feuerzangenbowle” mit Heinz Rühmann und<br />

“Säätzen sä sich!”. Denken Sie an den Rektor dieser “Schole” und es wird Ihnen<br />

so ergehen wie Herrn Fesche, Frau Dr. Wübbeke-Pflüger und mir mit der Frage:<br />

“<strong>Wer</strong> <strong>war</strong> <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> ... “.<br />

Oder wie Lehrer “Bömmel” sagte: “Watt isse ne Dampfmaschin ...”<br />

<strong>Wunstorf</strong> im August 2008<br />

Berndt Günther<br />

Sie werden in dieser Auflage neben den handschriftlich verfassten amtlichen<br />

Schreiben und Anweisungen, die direkte Übersetzung finden.


Unter den Männern der Heimatstadt, die sich in den Jahrzehnten vor und<br />

nach der Jahrhundertwende für das Allgemeinwohl einsetzten, verdient<br />

Seminarlehrer K. H. L. <strong>Magnus</strong> besonders genannt zu werden.<br />

Die <strong>Stadt</strong> ernannte ihn 1911 kurz vor seinem Tode in Anerkennung seiner<br />

vielen Beweise echten Bürgertums zum Ehrenbürger.<br />

Als 27jähriger wurde er 1875 an das neuerrichtete <strong>Wunstorf</strong>er Lehrerseminar<br />

berufen.<br />

Am 7. Oktober 1876 heiratete er. 1877 gründete er in <strong>Wunstorf</strong> eine Präparandenanstalt.<br />

1893 rief er nach dem Muster des Arbeitervereins in Hannover den<br />

<strong>Wunstorf</strong>er Arbeiterverein ins Leben. Er brachte dazu ein persönliches Opfer<br />

von 1000 Mark.<br />

Schon 1893 hatte <strong>Magnus</strong> eine Handelsschule eröffnet.<br />

1894 wirkte er mit bei der Gründung der Freiwilligen Feuerwehr.<br />

Er ent<strong>war</strong>f ihre Satzungen und stellte eine Brandkarte von <strong>Wunstorf</strong> auf.<br />

Oft hielt er volkswirtschaftliche Vorträge.<br />

Von 1894 bis 1900 <strong>war</strong> er Bürgervorsteher. In dieser Zeit konnte er sich<br />

ganz besonders für die fortschrittliche Entwicklung in der <strong>Stadt</strong> einsetzen.<br />

Zum Segen der Handwerker erstrebte er die Gründung eines Kreditvereins,<br />

der dann seit 1898 unter seinem Vorsitz stand und aus dem sich die Volksbank<br />

entwickelte.<br />

Von ihm kam die Anregung, ein Kriegerdenkmal zu errichten, und er ruhte nicht,<br />

bis die Kostenfrage 10.000 Mark <strong>war</strong>en zu beschaffen geregelt <strong>war</strong> und das<br />

Denkmal vor der <strong>Stadt</strong>kirche stand.<br />

Auf Veranlassung des Magistrats wurde von ihm ein Gutachten für die Einrichtung<br />

einer höheren Mädchenschule angefertigt.<br />

Als er am 22. August 1903 vor einer größeren Hörerschaft für die Einrichtung einer<br />

solchen Schule sprach, wurde einstimmig beschlossen, diese Anstalt,<br />

aus der sich später die Scharnhorstschule entwickelte, einzurichten.<br />

<strong>Magnus</strong> <strong>war</strong> der erste, der in <strong>Wunstorf</strong> sehenswerte Altertümer sammelte<br />

und sie in einer „Heimathalle" allen Einwohnern zur Besichtigung freigab.<br />

Diese Schätze schenkte er nach seinem Tode der <strong>Stadt</strong>.<br />

Mit seinen Seminaristen schuf er bei der städtischen Turnhalle den „Bürgerpark".<br />

Auch der „Arbeiterpark" zwischen den Sportplätzen wurde zusammen mit einem<br />

Badeplatz an der Süd-Aue von ihm angelegt.<br />

Als die <strong>Wunstorf</strong>er am 8. September 1911 dem Seminar-Lehrer <strong>Magnus</strong><br />

das letzte Geleit gaben, erlebte die <strong>Stadt</strong> einen Leichenzug, wie sie ihn vorher<br />

noch nie gesehen hatte.<br />

Nachmals wurde eine Straße im Süden der <strong>Stadt</strong> nach dem Verstorbenen benannt.<br />

Quelle: “Geschichte der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>” von <strong>Heinrich</strong> Ohlendorf 1957 (Seite 160-161)


Quelle des Bildes: “Deutsche Kulturbilder” Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld von 1936


Neben der <strong>Stadt</strong>schule erhielt <strong>Wunstorf</strong> im Jahre 1874 eine weitere der Bildung dienende<br />

Einrichtung, das bereits erwähnte Lehrerseminar. In einem vom Gastwirt Holste gemieteten<br />

Zimmer an der Küsterstraße der nachmaligen „Präparande" nahm es am 31. Januar 1874<br />

seinen Anfang; zweiunddreißig junge Leute, welche Michaelis 1873 auf den Seminaren zu<br />

Hannover und Lüneburg keine Aufnahme mehr hatten finden können, <strong>war</strong>en seine ersten<br />

Schüler. Als Lehrer fungierten zunächst die beiden von Alfeld nach <strong>Wunstorf</strong> versetzten<br />

Seminarlehrer Knoke und Springer, Knoke, damals Professor der Theologie in Göttingen,<br />

wurde einige Zeit darauf Seminardirektor, während Springer an ein anderes Seminar versetzt<br />

wurde. Ihn ersetzte Seminarlehrer Vollmer aus Alfeld.<br />

Im Herbst erfolgte die Versetzung der Schüler in die zweite Klasse der Anstalt, während sich<br />

eine dritte durch neunundzwanzig Neuaufnahmen bildete. Michaelis 1875 <strong>war</strong>en durch den<br />

Eintritt von weiteren vierundzwanzig Schülern die vorgesehenen drei Klassen bereits besetzt-<br />

bis dahin wohnten alte Schüler in Privatquartieren der Bürgerschaft; wegen Raummangels<br />

<strong>war</strong> dies jedoch weiterhin nur schwer möglich, so das sich die Schulleitung veranlasst sah,<br />

einige Räume der kurz zuvor freigewordenen Artilleriekaserne vor dem Südtore zu mieten<br />

und hier unter Aufsicht eines Lehrers ein Internat mit 30 Gliedern einzurichten,<br />

Mit der wachsenden Schülerzahl ergänzte sie der Lehrkörper; Michaelis 1874 traten Rektor<br />

Tiedge und Organist Peters, ein Jahr später Seminarlehrer <strong>Magnus</strong> in das Kollegium ein.<br />

Die Einrichtung einer Übungsschule erwies sie als notwendig und erfolgte Ostern 1875.<br />

Sie <strong>war</strong> dreiklassig. Inzwischen <strong>war</strong> der Bau des neuen Seminargebäudes fertiggestellt und<br />

konnte im Oktober 1876 bezogen werden (Abb.).<br />

Die Einweihung des an der Hindenburgstraße gelegenen Neubaus der jetzigen Hölty Aula<br />

fand durch eine große Feier statt, zu der man im Festzuge geschlossen hinmarschierte.<br />

Die Teilnahme der Bevölkerung an diesem Ereignis <strong>war</strong> groß; dies begreift sich, denn die <strong>Stadt</strong><br />

erfuhr durch das Seminar einen gewissen kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung.


Schon bald erwiesen sich in dem Neubau infolge der wachsenden Schülerzahl Umbauten<br />

als notwendig; so entstand durch Umbau des Musiksaals ein Zeichensaal.<br />

1895 konnte die Einrichtung eines Hörsaals für Physik vorgenommen werden.<br />

Die Bibliothek erfreute sich regen Zuspruchs und umfasste bereits 1899 über zweitausend-<br />

unddreihundert <strong>Wer</strong>ke. Im gleichen Jahre beging das Seminar die Feier seines fünfundzwanzig<br />

jährigen Bestehens, aus welchem Anlass der damalige Direktor Schulrat O. Rößler eine kleine<br />

Festschrift herausgab.<br />

Unter den Lehrern des Seminars verdient besondere Erwähnung der um das Wohl der <strong>Stadt</strong><br />

sehr verdiente <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong>. Der 1848 geborene Lehrersohn aus dem Nienburgschen<br />

<strong>war</strong> nicht nur ein hervorragender SchuImann, sondern auch ein guter Organisator.<br />

So eröffnete er 1877 mit vierzig Schülern eine private Vorbereitungsanstalt für das Seminar,<br />

die nach zwei Jahren zur staatlich anerkannten Präparandenanstalt erhoben und seit 1888<br />

dreiklassig geführt wurde. Sie erhielt ihren ständigen Sitz im inzwischen angekauften<br />

Holsteschen Haus an der Küsterstraße. Die Schüler wohnten privat bei Bürgerfamilien.<br />

Die Präparandenanstalt befand sich in der heutigen Küsterstraße. Heute befindet sich an dieser Stelle ein Supermarkt.<br />

<strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> muss ein sehr umtriebiger Mensch mit vielen Visionen und Weitblick gewesen sein.<br />

Auf der anderen Seite, wird er auch als ein nicht einfacher Zeitgenosse geschildert.


Bergfest eines Präparandenjahrgangs neben der Kegelbahn des Arbeitervereins


In den ersten 30 Jahren ihres Bestehens wurde die Präparandenanstalt von 1271 Schülern<br />

besucht, die nach Abschluss zum weitaus größten Teil in das hiesige Seminar eintraten.<br />

Neben der Gründung der Präparandenanstalt und der Publikation zahlreicher Unterrichtsbücher<br />

stellte <strong>Magnus</strong> seine Kraft auch in den Dienst des städtischen Gemeinwesens.<br />

Neben der Aufhellung der geschichtlichen Entwicklung der <strong>Stadt</strong> lag ihm auch die Errichtung<br />

moderner städtischer Anlagen wie etwa des Elektrizitätswerkes, des Bürgerparks,<br />

der Mittelschule am Herzen. Viele wertvolle Anregungen gingen von ihm aus.<br />

Die <strong>Stadt</strong> ernannte ihn zum Ehrenbürger. Eine Straße ist nach ihm benannt.<br />

Im Jahre 1922 wurde das Seminar wie alle preußischen Seminare aufgehoben und in eine<br />

staatliche Oberrealschule in Aufbauform umgewandelt, die einige Zeit später den Namen<br />

„Höltyschule" erhielt.<br />

Die Aufhebung erfolgte, weil die Ausbildung des Volksschullehrers in Zukunft nach anderen<br />

Gesichtspunkten auf Akademien für Lehrerbildung, den heutigen „pädagogischen Hochschulen"<br />

erfolgte.


Mit der Umwandlung wollte man nicht nur das Gebäude nutzen, sondern einem damals<br />

weitverbreiteten Erziehungsgrundsatz Wirkungsmöglichkeit verschaffen: dem. Grundsatz<br />

nämlich, dass der Schüler vor Übertritt in eine höhere Schule so lange wie möglich im Umkreis<br />

seiner heimatlichen Volksschule verbleiben und also die Möglichkeit haben sollte, erst mit dem<br />

achten Schuljahr dann freilich in konzentrierterer Form in die höhere Schule hineinzuwachsen.<br />

Dazu <strong>war</strong>en die bis dahin bestehenden, mit dem vierten bzw., fünften Schuljahre beginnenden<br />

höheren die sog. grundständigen Schulen ungeeignet; es <strong>war</strong> nötig, eine neue Form neben<br />

ihnen zu entwickeln. Ein Beispiel derselben ist die Höltyschule, die im Jahre 1922 einklassig<br />

begann; der bisherige Seminardirektor Dr. Plath wurde erster Direktor der neuen Anstalt.<br />

Die ersten Lehrer, die kamen, <strong>war</strong>en die Studienräte Hinze und Dolle; es folgten bald danach<br />

die Herren Boedtger und Sagatz. Ziel der ersten Entwicklungsjahre <strong>war</strong> der Aufbau einer<br />

sechsklassigen also aus Mittel- und Oberstufe bestehenden Anstalt, und z<strong>war</strong> für beide<br />

Geschlechter.<br />

Die Leiter der Anstalt nach dem Ausscheiden von Dr. Plath <strong>war</strong>en die Oberstudiendirektoren<br />

Günther (der bis 1931 sein Amt wahrnahm), Unterhorst (1931-1933), Scherwatzky (19331937),<br />

Hugo (19371945), Bohnsack (1946 bis 1949), Reichwaage (1950-1953) und Dr. Albers<br />

(seit 1954. Weitere statistische Angaben aus den Anfangsjahren der Anstalt lassen sich leider<br />

nicht machen, da ein beträchtlicher Teil des Aktenbestandes im Verfolge der Einquartierungen<br />

nach dem zweiten Weltkriege der Vernichtung anheimfiel. Im Jahre 1953 <strong>war</strong> die Schule mit<br />

vierzehn Klassen auf eine Schülerzahl von 370 angewachsen, 1955 <strong>war</strong>en es 450 und 1956<br />

sogar 490 Schüler. Freilich muss zur weiteren Erläuterung dieser Zunahme die Tatsache<br />

erwähnt werden, dass im Jahre 1946 das bisherige System der Aufbauschule insofern<br />

erweitert wurde, als eine siebente Klasse vor die achte geschaltet wurde und so bereits<br />

einen früheren Beginn ermöglichte.


Der Arbeiterverein wurde von <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> 1893 gegründet.<br />

Dieser Verein wird als Vorläufer der heutigen Volkshochschule bezeichnet.<br />

Auf den folgenden Seiten zeigt die von <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> verfasste Satzung die Ausrichtung<br />

des Arbeitervereins.<br />

<strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> stellte 1000 Mark aus der eigenen “Tasche” als Startkapital des Arbeitervereins<br />

zur Verfügung.<br />

Das entsprach mehr als dem Jahreseinkommen eines Arbeiters dieser Zeit.<br />

Die Hauptaufgabe des Arbeitervereins wird auf den folgenden Seiten in seiner Satzung<br />

erklärt.<br />

Der Arbeiterverein wurde zu einer festen Einrichtung der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>.<br />

In der Zeit nach ca. 1918 ging der Arbeiterverein mit dem Verein für Fortbildung von 1846 e. V.<br />

eine Verbindung ein. Er nannte sich” Verein für Volksbildung und Volksgesundheit e. V.”,<br />

wurde jedoch in <strong>Wunstorf</strong> weiterhin Arbeiterverein genannt.<br />

Es ist denkbar, dass die Philosophie, die <strong>Magnus</strong> mit der Gründung dieses Vereins verfolgte<br />

bis 1933 weitergeführt wurde.<br />

Der Verein erweiterte ständig die Badestelle an der Südaue und plante 1912 eine Badehalle,<br />

die 1914 eingeweiht wurde.<br />

Er setzte sich bereits Ende der 1920er Jahre für den Bau eines modernen Freibades ein, dass<br />

er zusammen mit <strong>Wunstorf</strong>er Vereinen bauen und finanzieren wollte.<br />

Dieses <strong>war</strong> nicht möglich, also verkaufte der Arbeiterverein 1932 sein Gelände im Bereich des<br />

heutigen Jahnplatzes an die <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>, um den Bau des Freibades unter Federführung<br />

der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong> zu ermöglichen. Das Freibad wurde am 25. Juni 1933 eingeweiht.<br />

<strong>Wunstorf</strong>er Zeitung vom 14. Juli 1912


Dem wohllöblichen Magistrate<br />

35<br />

Darf ich in Anlage 2 Exemplare der Statuten<br />

des hiesigen “Arbeiter-Vereins” zur Genehmigung<br />

ganz gehorsamst überreichen.<br />

35 Anstatt grammatisch richtig: “in der Anlage.”<br />

<strong>Wunstorf</strong>, den 14. Februar 1893<br />

Stempel: Magistrat<br />

<strong>Wunstorf</strong> (Hannover)<br />

praes. 15/II.1893<br />

J.No. 359<br />

K. H. L. <strong>Magnus</strong><br />

Vorsitzender des Arbeiter-<br />

Vereins zu <strong>Wunstorf</strong>


Entwurf eines Antwortschreibens des <strong>Wunstorf</strong>er Rates an den<br />

Seminarlehrer <strong>Magnus</strong> betr. den Entwurf der Statuten<br />

des Arbeitervereins (21.Februar 1893)<br />

J.N. 359<br />

36<br />

Ab 21.2.93<br />

37 38<br />

1 M. Do. 21/II. As.<br />

1. An Ein Exemplar der<br />

39<br />

den Vorsitzenden des Vorstandes uns gefl. Schreiben<br />

des Arbeiter-Vereins vom 14. Februar d. Js.<br />

hieselbst übersandten Statuten<br />

des Arbeitervereins hieselbst<br />

mit unserer Genehmigung<br />

versehen hierneben<br />

zurück.<br />

Von etwaigen Aenderungen<br />

der Statuten<br />

wollen Sie uns<br />

gefl. stets Kenntnis geben.<br />

40<br />

D. M.<br />

2. Unter die Statuten<br />

ist zu setzen:<br />

“Zu den vorstehenden Statuten<br />

ertheilen wir hiermit unsere<br />

Genehmigung.”<br />

41<br />

(L. S.) W. D. 21. II. 93<br />

42<br />

3. ad acta<br />

36 Nr. Des Geschäftstagesbuches der <strong>Stadt</strong>, mit Absendevermerk.<br />

37 (Abkürzung) 1Manuskript(oder: 1 mal ausfertigen)<br />

38 Abkürzung): “Donnerstag, 21.2” - AS= Handzeichen des ausfertigenden Referenten.<br />

39 Die übliche Form einer Angabe für ein Antwortschreiben: Der zuständige Referent formuliert das Konzept für<br />

den Text Unter 1) erscheint der Adressat des Schreibens und der Text der Antwort, unter 2) ggf. Nötige<br />

weitere Anweisungen, wie der Text zu beantworten ist (z. B. ob ein Antrag genehmigt wird) sowie für die<br />

Ausfertigung die Zahl der auszufertigen Exemplare), schließlich 3) die Anweisung für die weitere Ablage<br />

des ausgelieferten Schreibens.<br />

40 = Der Magistrat<br />

41 (lateinisch) = Locus Sigilli (Ort des Siegels): Hier steht bei der Ausfertigung na den Adressaten das<br />

beglaubigte Siegel (heute: Der Stempel des ausfertigenden Amtes)-.<br />

42 (lateinisch) = zu den Akten.


Emblem des Arbeitervereins<br />

Quelle: Zeitungsartikel vom 23. Juni 1914


A. Name und Zweck des Vereins<br />

§ 1.<br />

Der Verein führt den<br />

Namen “Arbeiter-Verein zu Wuns-<br />

torf und hat seinen Sitz in der<br />

<strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>.<br />

§ 2.<br />

Zweck des Vereins ist:<br />

a) die sittliche Haltung seiner Mit-<br />

glieder durch ernstes Streben<br />

und durch gemütliche und gei-<br />

stig anegende Geselligkeit zu heben.<br />

b) den Leistungsstand seiner Mit-<br />

glieder durch Gewährung eines<br />

gleichmäßigen Unterrichts in den<br />

Wissenschaften und Fertigkeiten,<br />

welche besonders dem Handwerk und<br />

Gewerbe dienen, sowie durch Erricht-<br />

ung einer Bibliothek, durch Auslegen<br />

von Zeitschriften, Halten von Vorträgen,<br />

Besichtigungen gewerblicher Anlagen<br />

usw. Zu erweitern und überhaupt die<br />

Interessen des Arbeiterstandes<br />

unter Ausschluß politischer Bestreb-<br />

ungen nach Kräften zu fördern.


B. Aufnahme Austritt, Ausschließ-<br />

§3.<br />

ung und Beitragsleistung<br />

der Mitglieder<br />

Jedermann ohne Unterschied des<br />

Berufs und der Beschäftigung welcher<br />

das 17. Lebensjahr zurückgelegt hat<br />

und unbescholten ist, kann in den<br />

Verein gegen Entrichtung eines<br />

Eintrittgeldes eintreten. Dieses<br />

beträgt für nicht selbständige Arbeiter<br />

je 50 Pf., für alle übrigen Eintreten-<br />

den je 1 Mk-<br />

Befreit von dem Eintrittsgelde<br />

sind diejenigen welche nachweisbar<br />

einem Verein gleicher Tendenz an-<br />

gehört haben.<br />

Die Anmeldung zum Beitritt<br />

erfolgt bei dem Vorstande unter vor-<br />

läufiger Entrichtung des Eintritt-<br />

geldes und wird durch achttägigen<br />

Aushang an der Vereinstafel den<br />

Mitgliedern bekannt gemacht. Liegt<br />

ein Bedenken gegen die Aufnahme<br />

nicht vor, so erfolgt dieselbe seitens<br />

des Vorstandes durch Benachrichtigung<br />

und Aushändigung eines Exemplars<br />

dieser Statuten.<br />

Durch die Aufnahme ist das Mitglied<br />

zur Beachtung der Statuten verpflichtet.


§ 4.<br />

Zu Ehrenmitgliedern können Per-<br />

sonen ernannt werden, diesich um den<br />

Verein besonders verdient gemacht haben.<br />

Vorschläge zu diesem Zweck sind an<br />

den Vorstand zu richten.<br />

Ein Wohlthäter des Vereins kann<br />

durch einstimmige Wahl seitens des<br />

Vorstandes zum Ehrenmitgliede er-<br />

nannt werden; anderenfalls entschei-<br />

det die Generalversammlung durch<br />

Stimmenmehrheit. Die erfolgte Wahl<br />

zum Ehrenmitgliede ist durch ein-<br />

wöchentlichen Aushang an der Ver-<br />

einstafel zur Kenntnis der Vereins-<br />

mitglieder zu bringen.<br />

§ 5.<br />

<strong>Wer</strong> aus dem Verein auszu-<br />

treten beabsichtigt, hat dieses dem<br />

Vorstande schriftlich anzuzeigen. Für<br />

den Monat, in welchen die Anzeige<br />

erfolgt, ist der Austretende noch zur<br />

Entrichtung des Monatsbeitrages ver-<br />

pflichtet.<br />

§ 6.<br />

Die Ausschließung eines Mitgliedes<br />

erfolgt durch schriftliche Mitteilung<br />

eines Beschlusses seitens des Vor-<br />

standes:


a) wenn das betreffende Mitglied<br />

zu Zuchthaus, bzw. Zu einer mit<br />

Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte<br />

verbundenen Gefängnisstrafe ver-<br />

urteilt wird, oder länger als drei<br />

Monate nach erfolgter Mahnung<br />

mit Zahlung des Monatsbeitrags<br />

im Rückstande bleibt,<br />

b) wenn Thatsachen festgestellt sind,<br />

welche, ohne dass einer der unter<br />

a gedachten Fälle vorliegt, ein<br />

Mitglied als unehrenhaft oder ver-<br />

ächtlich erscheinen lassen.<br />

§ 7.<br />

Verstöße gegen die statuarischen<br />

Bestimmungen können eine mündliche<br />

oder schriftliche Rüge von seiten des Vor-<br />

standes nach sich ziehen, gegen welche<br />

dem Betroffenen jedoch eine Berufung<br />

vor der Generalversammlung offen steht.<br />

§ 8.<br />

Jedes Mitglied ist verpflichtet, den<br />

monatlichen Beitrag von 30 Pf. im vor-<br />

aus zu entrichten. Mitgliedern, welche<br />

über 1 Monat krank sind, kann auf<br />

schriftlich ausgesprochenen Wunsch<br />

der Beitrag für die Dauer der Krank-<br />

heit erlassen werden.<br />

Mitglieder, welche 25 Jahre ununterbrochen


dem Verein angehört haben, sind<br />

auf Antrag beim Vorstande von dem<br />

Beitrage befreit.<br />

C. Verwaltung<br />

§ 9.<br />

Zur Leitung der Geschäfte wählt<br />

die Generalversammlung jährlich<br />

einen Vorstand, bestehend aus:<br />

a) einen Präsidenten<br />

b) eine Vice-Präsidenten,<br />

c) einen Schriftführer,<br />

d) dessen Stellvertreter,<br />

e) einen Kassierer,<br />

f) dessen Stellvertreter,<br />

g) einen Bibliothekar.<br />

Die Vorstandmitglieder müssen voll-<br />

jährig sein. Kein Vorstandsmitglied<br />

kann vorbehaltlich der Bestimmung<br />

im § 14 ein anderes Vereinsamt bekleiden.<br />

§ 10.<br />

Der Vorstand bildet die höchste<br />

leitende und vollziehende Behörde des<br />

Vereins. Er hat zu sorgen und zu wahren,<br />

dass die Thätigkeit und das Leben des<br />

Vereins seinem Zweck entspreche. Er<br />

ist verantwortlich für die Aufrechter-<br />

haltung der Statuten.


Der Vorstand hat insbesondere<br />

folgende selbständige Befugnisse:<br />

1) die Anstellung und Entlassung der Lehrer<br />

2) die Genehmigung des Stundenplans und<br />

der sonstigen für den Unterricht zu<br />

erlassenen Vorschriften.<br />

3) die Beschaffung von Unterrichtsgegen-<br />

ständen, sofern der Betrag im Be-<br />

willigungsfall 20 M(ark) nicht über-<br />

steigt.<br />

4) die Beschaffung von Lehrmaterial,<br />

(Zeitungen und Büchern)<br />

5) die Verpachtung der Garderobe,<br />

6) die Veranstaltung von Vorträgen.<br />

Dem Vortragenden können die<br />

Barauslagen bis zu einer Höhe von<br />

15 M(ark) seitens des Vorstandes er-<br />

stattet werden,<br />

7) die Veranstaltung von Besichtigun-<br />

gen gewerblicher Anlagen.<br />

Alle übrigen Beschlüsse und An-<br />

ordnungen des Vorstandes, welche<br />

die Statuten denselben nicht aus-<br />

drücklich übertragen, unterliegen<br />

der Genehmigung der Generalver-<br />

sammlung, jedoch bedarf es einer<br />

Nachweisung dieser Genehmigung für<br />

Beschlüsse in Rechtsgeschäften den Be-<br />

hörden bzw. Privaten gegenüber nicht.<br />

Vorstandsbeschlüsse, welche der<br />

Genehmigung der Generalversammlung


Nicht unterliegen, sind in der näch-<br />

sten Generalversammlung zur Ver-<br />

lesung zu bringen.<br />

§ 11.<br />

Der Vorstand vertritt den Verein<br />

nach außen, insbesondere auch in<br />

solchen Geschäften, für welche die<br />

Gesetze eine Spezialvollmacht erfordert<br />

und z<strong>war</strong> mit Befugnis der Substitution<br />

Zur Legitimation der Vorstands-<br />

mitglieder nach außen dient ein Attest des<br />

hiesigen Magistrats, welchem zu diesem<br />

43<br />

Behufe die jedesmaligen Wahlverhand-<br />

lungen vorzulegen sind.<br />

§ 12.<br />

Die Sitzungen des Vorstandes, welche<br />

in der Regel nicht öffentlich sind, finden<br />

mindestens jeden Monat an einem vom<br />

Vorstande zu bestimmenden Tage statt<br />

oder in außerordentlichen Fällen auf<br />

schriftliche Berufung durch den Prüf...<br />

ten unter Angabe der Tagesordnung.<br />

Der Vorstand ist beschlußfähig, wenn<br />

4 Mitglieder anwesend sind.<br />

Die Vorstandsbeschlüsse werden nach<br />

Stimmenmehrheit, bei Strimmengleich-<br />

heit unter der den Ausschlag gebenden<br />

Stimme des Vorsitzenden, gefaßt<br />

43<br />

(alter Ausdruck) = zu diesem Zweck.


und sind zu Protokoll zu nehmen.<br />

Letzteres ist vom Vorsitzenden und<br />

dem Schriftführer zu unterzeichen.<br />

44<br />

Inbetreff der Handhabung seiner<br />

Geschäfte kann der Vorstand eine<br />

Geschäftsordnung erlassen. Für seine<br />

Handlungen ist der Vorstand dem<br />

Verein in jeder Beziehung verant-<br />

wortlich.<br />

§ 13.<br />

Die zum Vermögensbestande des<br />

Vereins gehörigen Geldsummen sind,<br />

sobald sie 20 M übersteigen, in der<br />

<strong>Wunstorf</strong>er Sparkasse zinslich zu be-<br />

legen. Nur auf schriftliche Ermäch-<br />

tigung seitens der beiden Vereins-<br />

präsidenten darf der Kassierer<br />

aus seiner Kasse Vereinsvermögen<br />

erheben.<br />

§ 14.<br />

Zur Verwaltung einzelner Ge-<br />

schäftszweige, wie für die Haus<br />

45<br />

verwaltung, die litterarische An-<br />

gelegenheiten, Vergnügungen u. s. w.<br />

können besondere Commissionen er-<br />

richtet werden, deren Rechte und<br />

Pflichten durch die Generalversamm-<br />

lung zu bestimmen sind.<br />

44<br />

(Rechtschreibfehler:) richtig wäre “In Betreff” oder<br />

“Hinsichtlich.”<br />

45<br />

zeitgnössisch übliche Rechtschreibung.


Der Vorstand ist befugt, in diese<br />

Kommissionen eines seiner Mitglieder<br />

mit besonderer und beschließender<br />

Stimme zu entsenden.<br />

§ 15.<br />

Zur Revision der Rechnungen und<br />

des Inventars wird von der General-<br />

versammlung eine aus 3 großjährigen<br />

Vereinmitgliedern bestehende Revisions-<br />

kommission gewählt. Die Kommission<br />

wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden<br />

und einen Schriftführer. Die Rechnungs-<br />

46<br />

kommission muß etwaige Erinnerungen<br />

innerhalb von 4 Wochen nach Einhändigung<br />

der Jahresrechnung beim Vorstand<br />

schriftlich erheben.<br />

§ 16.<br />

Alljährlich findet im Monat Mai<br />

eine Generalversammlung statt, in welcher<br />

die Wahl des Vorstandes und der<br />

Rechnungsrevisoren, sowie die Rechnungs-<br />

ablage stattfindet.<br />

§ 17.<br />

Scheiden im Lauf des Amtsjahres<br />

Mitglieder des Vorstandes oder der Re-<br />

visionskommission aus, so erfolgt die<br />

Ergänzungswahl durch die nächste auf<br />

den Fall des Ausscheidens folgende Gene-<br />

ralversammlung.<br />

46 hier im Sinne von “Beanstandungen” (der ordnungs-<br />

gemäßen Rechnungs- und Geschäftsführung).


§ 18.<br />

Sämtliche Ämter des Vereins sind<br />

Ehrenämter. Alle aus ihrem Vereinsamte<br />

ausscheidenden Mitglieder sind wieder<br />

wählbar.<br />

Jedes Vereinsmitglied ist zur Annahme<br />

der Wahl verpflichtet und eine Ablehnung<br />

nur zulässig bei der ersten Wiederwahl.<br />

48<br />

Alle Beamtenwahlen erfolgen durch<br />

Stimmzettel. Bei Stimmengleichheit ent-<br />

scheidet das Los.<br />

D. Bestimmung über Unterricht<br />

§ 19.<br />

und Wohlfahrtseinrichtungen<br />

Jedes Mitglied ist zur Benutzung<br />

sämtlicher Unterrichtsstunden berechtigt.<br />

Den von den Teilnehmern an dem<br />

Unterricht zu leistenden Beitrag sowie<br />

die Zahl der Schüler, welche mindestens<br />

vorhanden sein muß, wenn die Einricht-<br />

ung eines Unterrichtszweiges erfolgen<br />

soll, bestimmt der Vorstand.<br />

§ 20.<br />

Der Verein behält sich vor, für<br />

seine Mitglieder in Fällen der Not,<br />

der Krankheit und der Invalidität<br />

so weit möglich Sorge zu tragen, seine<br />

ausgezeichenete (!) Schüler durch<br />

Prämierung<br />

48 Das heißt hier: Wahl der Funktionsträger im Verein


zu belohnen.<br />

49<br />

Die erforderlichen Einrichtungen<br />

trifft der Vorstand.<br />

E. Generalversammlung<br />

§ 21.<br />

Zum Geschäftskreise der General-<br />

versammlung gehört:<br />

1) Ernennung der Ehrenmitglieder,<br />

falls dieserhalb im Vorstande keine<br />

Einstimmigkeit herrscht,<br />

2) Wahl des Vorstandes,<br />

3) Wahl der Revisionskommission,<br />

4) Erhöhung und Verminderung<br />

der Monatsbeiträge,<br />

5) Feststellung des Unterrichts-<br />

beitrages,<br />

6) Bildung von Kommissionen<br />

für bestimmte Zwecke,<br />

7) Anordnung von Wohlfahrts-<br />

einrichtungen,<br />

8) Feststellung des nächstjährigen<br />

Etats,<br />

9) Entlastung des Rechnungsführers,<br />

10) Erlaß einer Geschäftsordnung für<br />

die Generalversammlungen,<br />

11) Abänderung der Statuten,<br />

12) Anordnungen für den Fall der<br />

Auflösung,<br />

13) Genehmigung der Vorstandsbeschlüsse,<br />

insofern eine solche nach § 7 erforder-<br />

lich ist<br />

49 Hier im Sinne von: “Vorkehrungen, erforderlichen Maßnahmen.”


§ 22.<br />

Der Vorstand stellt die Tages-<br />

ordnung für die General-Versammlung<br />

fest und beruft dieselbe ein. Die Berufung<br />

erfolgt, so oft dieses der Vorstand nach<br />

Lage der Geschäfte erforderlich erach-<br />

tet, außerdem und z<strong>war</strong> binnen<br />

längstens 14 Tagen, wenn minde-<br />

stens 15 Mitglieder beim Vorstand<br />

einen Antrag auf Berufung stellen.<br />

Die Berufung wird veröffentlicht<br />

durch ein einmaliges Inserat in<br />

der <strong>Wunstorf</strong>er Zeitung mindestens<br />

48 Stunden vor der Versammlung.<br />

§ 23.<br />

Die Beschlüsse werden mit abso-<br />

luter Stimmenmehrheit gefaßt.<br />

Die Wahl jedes Vorstands-<br />

mitgliedes und beziehungsweise Ver-<br />

treters desselben erfolgt in einem<br />

besonderen Wahllokale. Wird die<br />

absolute Stimmenmehrheit beim<br />

ersten Wahlgang nicht erreicht, so<br />

treten diejenigen beiden Personen,<br />

welche die meisten Stimmen erhalten<br />

haben, in die engere Wahl. Ist die<br />

Entscheidung zwischen 2 oder mehreren<br />

Personen zu treffen, welche die gleiche<br />

Stimmenzahl auf sich vereinigt haben,<br />

so entscheidet das vom Vorsitzenden zu<br />

ziehende Los.


Über die Verhandlung ist ein<br />

Protokoll aufzunehmen und vom<br />

Vorsitzenden und dem Schriftführer<br />

zu unterzeichnen.<br />

Der Präsident des Vereins, be-<br />

ziehungsweisee dessen Stellvertreter<br />

ist zugleich Vorsitzender in der<br />

Generalversammlung.<br />

§ 24.<br />

Anträge auf Abänderung der Sta-<br />

tuten bedürfen einer zweimaligen<br />

Beratung und Beschlußfassung. Der-<br />

gleichen Anträge dürfen, falls sie ab-<br />

gelehnt worden sind, vor Ablauf ei-<br />

nes Jahres nicht wieder einge-<br />

bracht werden.<br />

§ 25.<br />

Der Verein kann sich nicht auf-<br />

lösen, solange 1/4 der Mitglieder<br />

für das Fortbestehen desselben stimmt.<br />

Die Verteilung des Vermögens<br />

unter die Vereinsmitglieder ist jedoch<br />

unzulässig.<br />

<strong>Wunstorf</strong>, den 10. Februar 1893<br />

Der Vorstand des Arbeiter-Ver-<br />

eins zu <strong>Wunstorf</strong><br />

K. H. L. <strong>Magnus</strong> W. Goltermann<br />

Hr. Günther L. Assmann Bodensiek<br />

W. Grages H. Wilke


Zu den vorstehenden Statuten ertheilen<br />

wir hiermit unsere Genehmigung.<br />

<strong>Wunstorf</strong>, den 21. Februar 1893<br />

Der Magistrat<br />

(Siegelstempel, Unterschrift: “Siegel der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>”) (Unterschrift)


An<br />

den wohllöblichen Magistrat<br />

25<br />

hieselbst<br />

Wohllöblichen Magistrate erlaube ich mir,<br />

Nachstehendendes ehrerbietigst zu unterbreiten.<br />

Schon im vorigen Jahre wurde mir seitens Mit-<br />

26<br />

glieder des hiesigen Arbeitervereins und der<br />

<strong>Wunstorf</strong>, den 23. Juni 1897<br />

27<br />

Lehrer und Schüler hiesiger Präparandenanstalt der<br />

Wunsch ausgesprochen, ich möge einen geeigneten<br />

Platz zur Leibespflege durch turnerische Spiele,<br />

durch Baden usw. zur Verfügung stellen. Diesem<br />

dringlichen Wunsche glaube ich umsomehr entgegen-<br />

kommen zu müssen, als seitens der Staatsbehörde<br />

und insonderheit der mir vorgesetzten Behörde<br />

Anregungen und Aufforderungen gleicher Tendenz<br />

an mich gerichtet sind, und als ich selbst in<br />

der Pflege der Leibesübungen und des Spiels,<br />

das leider aus natürliche Gründen aus unserem<br />

Volksleben mehr und mehr zu verschwinden droht,<br />

25<br />

(Am Rand von anderer Hand:) “4.. Zur morgigen Magistrats Sitzung!” [Paraphe] 25.6.”)<br />

26<br />

Gemeint: “Seitens einiger Mitglieder ...”<br />

27<br />

Gemeint: “des Seminars für Lehramtsanwärter” [im heutigen Hölty-Gymnasium]


Ein ausgezeichnetes Mittel erblicke, dem alles<br />

zersetzenden Pessimismus und der um sich<br />

greifenden Blasiertheit und sonstigen ange-<br />

kränkelten Gemütsstimmungen wirksam ent-<br />

gegen zu treten. Nach längeren Suchen und<br />

Prüfen ist , nach Anhörung des Rates erfahrener<br />

und ernstgestimmter Einwohner <strong>Wunstorf</strong>s meine<br />

Wahl auf die etwa 4 Morgen große an der Südaue<br />

belegene Wiese des Herrn von Lenthe = Berlin<br />

gefallen.<br />

Um den Verkehr auf dem von mir auf 15 Jahre<br />

gepachteten Grundstück lediglich auf die Mitglieder<br />

des Arbeitervereins und der Präparanden-Anstalt zu<br />

beschränken, ist das Grundstück von mir durch Eisen-<br />

draht eingefriedigt; der Eingang soll mit einem<br />

Thorwege versehen und Unbefugten das Betreten<br />

des Platzes durch eine Warntafel untersagt<br />

werden.<br />

Um das Interesse des wohllöblichen Magistrats für<br />

meine gemeinnützige Arbeit zu gewinnen, dessen<br />

ich mich in dankbarer Weise bei jedem zum Wohle<br />

unserer Bevölkerung unternommenen <strong>Wer</strong>k<br />

28<br />

bisher zu erfreuen hatte, erlaube ich mir, beifolgende<br />

Zeichnungen, einen Situationsplan und Detailzeich-<br />

nungen, ergebenst vorzulegen. Nach dem<br />

Situationsplane bietet der “<strong>Stadt</strong>park”, wie der<br />

28 (alter Ausdruck) .= Anliegende


Volksmund das Grundstück bereits getauft hat, einen<br />

großen Spiel- und Turnplatz zur Ausübung der<br />

Turnerei und turnerischer Spiele unter Leitung von<br />

Lehrern. Ob es möglich sein wird, dem hiesigen<br />

Radfahrer-Club, wie derselbe wünscht, eine passende<br />

Rennbahn zu gewähren, ist noch fraglich. - Die<br />

großen Unannehmlichkeiten, welche der bisherige<br />

29<br />

Badeplatz der Präparanden mir bereitet hat, erheischen<br />

eine Verlegung desselben. Eine genaue Untersuchung<br />

des Bettes der Südaue, soweit dieselbe den <strong>Stadt</strong>park<br />

begrenzt, ergab, dass dieselbe an bezeichneter Stelle<br />

auf 28 m Länge einen geeigneten Badeplatz bietet,<br />

auf welchem die mittlere Wassertiefe zwischen 1,10 m<br />

und 1,40 m schwankt. Der Grund ist fest. Durch die hohen<br />

Ufer der Aue ist den Passanten auf dem bezeichneten<br />

Fußwege, die übrigens nur die Rückseite des Badehauses<br />

30<br />

und der 1,80 m hohen Bretterplanke gewähren, bei<br />

größerer Entfernung der Anblick der Badenden<br />

31<br />

völlig entzogen. Dem <strong>Stadt</strong>park gegenüber liegt<br />

am rechten Aueufer eine dem Herrn Senator du Ménil<br />

32<br />

gehörige Wiese. Der in größerer Entfernung über<br />

dieses Grundstück führende Privatweg gehört dem<br />

Kgl. Seminare und darf, wie ich nachträglich vernommen<br />

habe, von Herrn Senator du Ménil benutzt werden. Ganz<br />

abgesehen davon, dass die Seminarbadeanstalt<br />

am rechten Ufer der Aue und die bisherigen Bade-<br />

plätze an der Nordaue die Badenden den Blicken der<br />

29 (Rand): “!”<br />

30 (Rand): “2 m!”<br />

31 (Rand): “?”<br />

32 (Rand): “voller Gartenwerke!”


Passanten viel weniger entzieht, darf ich doch<br />

hervorheben, dass die Badenden durch die hohen<br />

Aueufer während des Badens auch den auf dem<br />

Seminarwege wandernden verdeckt sind. Sollte<br />

wohllöblicher Magistrat es für nötig halten,<br />

so bin ich bereit, am rechten Aueufer eine gering<br />

hohe Stützwand zu errichten. Ich bemerke noch,<br />

33<br />

dass das Baden der Präparanden unter Aufsicht<br />

gestellt wird, welche den Aufenthalt der Badenden<br />

außerhalb der Schutzvorrichtungen verhindert wird,<br />

und dass die Lage des Platzes eine tägliche Kontrolle<br />

meinerseits ermöglicht, sogar von der Präparanden-<br />

Anstalt aus.<br />

Im Westen des <strong>Stadt</strong>parks sollen Gartenanlagen<br />

mit einem Pavillon und einer Sommerkegelbahn<br />

34<br />

für die Mitglieder des Arbeitervereins , welche letztere<br />

durch den Vereinswirt, Herrn Cornehls, auszuführen<br />

ist, einnehmen. Die projektierten Anlagen ver-<br />

sprechen eine Zierde unserer <strong>Stadt</strong> zu werden.<br />

Nach dieser Darlegung, die durch dienstliche Arbeiten und<br />

eine notwendige Reise, leider verzögert ist, darf ich<br />

wohllöblichen Magistrat um geneigte Genehmigung<br />

der beschriebenen Badeanlage und der sonstigen baulichen<br />

Einrichtungen bitten, und bin davon überzeugt, dass<br />

wohllöblicher Magistrat sich dabei von dem Interesse für<br />

die hiesige Präparandenanstalt, als auch für einen Teil<br />

unserer Handwerker und Arbeiter wird leiten lassen. Gern<br />

bin ich bereit, der Aufforderung des löblichen Magistrats<br />

zur Besichtigung des fraglichen Grundstücks nachzukommen.<br />

Ergebenst <strong>Magnus</strong>, Seminarlehrer.<br />

33 Unter dem Wort “Präparanden” Unterstreichung von fremder Hand. Dazu am Rand: “Nein! Bleiche!<br />

Nach den Seiten offen! Wasserverunreinigung für Bleiche! Und nur Präparanden?”.<br />

34 Unter den Wörtern “Sommerkegelbahn für die Mitglieder des Arbeitervereins” Unterstreichung von fremder<br />

Hand, Rand: “nein Bleiche! Nach den Seiten offen! Wasserverunreinigung f. Bleiche oder nur Präparanden?.


Antwortschreiben des <strong>Wunstorf</strong>er Rates an<br />

den Seminarlehrer <strong>Magnus</strong> (Konzept, 3. 7. 1897)<br />

50 51<br />

I.2012/97 Ab 8. 7. 1897 K.<br />

1. An Herrn Kgl. Sem. Lehrer<br />

52<br />

<strong>Magnus</strong> hier<br />

W. 19./7,<br />

Nach 4 Wochen wieder<br />

vorlegen. V. May.<br />

M.<br />

Nach weiteren 4 Wochen.<br />

W. 1/10 97 D. W.<br />

Am 1. April 1898<br />

Am 15. Mai<br />

vorlegen<br />

M. 1/4..<br />

Auf die Eingabe vom 23. V. Mn. ertheil-<br />

en wir die Genehmigung zur Errichtung<br />

einer (bzw. zwei) Badebude(n) an der<br />

Südaue auf dem von Lentheschen Grund-<br />

stücke, sowie einer Kegelbahn daselbst<br />

nach Maßgabe der hierfür eingereich-<br />

ten Pläne und Zeichnungen, die Ge-<br />

nehmigung wird jedoch nur unter<br />

folgenden Bedingungen ertheilt:<br />

1. Der gesamte 28 m lange Badeplatz<br />

ist von allen Seiten mit einer 2 m<br />

hohen geschlossenen Einfriedung der-<br />

art zu versehen, dass ein Einblick in<br />

den Badeplatz nicht möglich ist. Zu<br />

diesem Zwecke sind auch Schirme von<br />

53 54<br />

mindestens der gleichen Höhe der<br />

Einfriedung quer über die Wasserfläche zu spannen.<br />

2. Muß ein Abort geschaffen werden,<br />

welcher innerhalb der Einfriedung<br />

des Badeplatzes und dessen bedeckte<br />

Grube einige Meter vom Wasser ent-<br />

fernt liegt.<br />

3. Es ist streng darauf zu achten, dass unbe-<br />

56<br />

kleidete Personen nicht außerhalb der<br />

Einfriedung des Badeplatzes umher<br />

laufen oder schwimmen, und dass zur<br />

Befriedigung von Bedürfnissen der zu<br />

schaffende Abort benutzt wird.<br />

Bezüglich der zu errichtenden<br />

Kegelbahn wird bemerkt dass ein Kegelunterneh-


Wir behalten uns<br />

jedoch vor für den Fall, dass sich nach<br />

irgend einer Richtung hin Unzu-<br />

länglichkeiten ergeben, diese Ge-<br />

nehmigung wieder zurückzu-<br />

nehmen. In solchem Falle würden<br />

die Badebuden auf diesseitiges Ver-<br />

langen nöthigenfalls, wenn eine<br />

anderweitige Beseitigung der Übel-<br />

stände nicht möglich sein sollte, alsbald<br />

entfernt werden.<br />

Am 10. Junius<br />

wieder vorlegen.<br />

H. Ger. Diener Brenning<br />

zum Bericht, ob die Bade-<br />

Anstalt bereits eröffnet<br />

ist und die verlangten Bedin-<br />

gungen erfüllt sind<br />

M. 13/6<br />

Die Badeanstalt ist eröffnet<br />

und ist den aufgegebenen Be-<br />

dingungen nach errichtet.<br />

W. 18/6 98 Brenning<br />

4.5.99 Polizei<br />

men in derselben nicht betrieben werden<br />

darf eine solche würde einer besonderen<br />

57<br />

Concession bedürfen.<br />

Nach 14 Tagen<br />

Nach 6 Wochen<br />

wieder vorlegen<br />

M. 18/6.<br />

Nach 4 Wochen<br />

wieder vorlegen<br />

M 5/8.<br />

Am 1. Mai 1899! M.<br />

1 May M[agnus].<br />

50<br />

Journal-Nummer. Unter diesem Aktenzeichen ist das<br />

Schreiben im Geschäftstagebuch der <strong>Stadt</strong>verwaltung abgelegt.<br />

51<br />

Vermerk von fremder Hand: “Ab” = Abgesandt<br />

(Vollzug der Absendung an den Adressaten; “K.” =<br />

Namenskürzel des Absendenden).<br />

52<br />

= Adressat der Antwort<br />

53<br />

Anstelle der gestrichenen Vorgabe: “1,50 m.”<br />

54<br />

(Danach von gleicher Hand in den Text eingefügt):<br />

“der Befriedigung,”<br />

55<br />

(Anstelle des vorherigen gestrichenen Wortlautes):<br />

“bedeckbare.”<br />

56<br />

(Danach gestrichen): “sich.”


No: I2964<br />

1. An Herrn Seminarlehrer<br />

<strong>Magnus</strong><br />

hier<br />

1.<br />

2. H. <strong>Stadt</strong>diener Schrader<br />

zum Bericht, ob die Badebude<br />

noch steht bzw. schon wieder<br />

aufgerichtet worden ist<br />

M 1/5<br />

Die Badebude steht noch<br />

Dieselbe ist nicht abge-<br />

brochen worden.<br />

<strong>Wunstorf</strong>, den 4. Mai 1899<br />

Schrader<br />

<strong>Stadt</strong>diener<br />

Nach 6 Wochen<br />

M. 5./5.<br />

Wunst. 15.6.1899<br />

Bei dem Herannahen der<br />

Badesaison weisen wir be-<br />

züglich der Badeanstalt in<br />

dem sogen. Bürgerpark<br />

auf unsere diesbezügliches Schrei-<br />

ben vom 3. Juli 1897 nochmals<br />

ausdrücklich hin.<br />

2. Nach 6 Wochen.


Details aus dem Bauantrag vom 23. Juni 1897<br />

Lageplan des projektierten Seminar-Badeplatzes<br />

von 1876 - 1878


Bild einer Sommerkegelbahn aus den Jahren zwischen 1850 - 1900.<br />

In früheren Jahrhunderten wurde das Kegelspiel an jeder beliebigen Stelle gespielt.<br />

Die einfachen Bahnen hatten eine erhöhte Mittelbohle, auf der die Kugel entlang lief.<br />

Die besseren Bahnen bestanden aus einem Parket ähnlichen Bohlenbelag.<br />

Quelle: “Deutsche Kulturbilder von 1936”


Dieser Nachruf auf <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> zeigt, dass einiges in den <strong>Wunstorf</strong>er Standardwerken<br />

“geringfügig” verzerrt dargestellt oder mit einem Querverweis wegen des übermächtigen<br />

Umfanges seines Wirkens bedacht wurde.<br />

<strong>Magnus</strong> hat zu seiner Zeit in <strong>Wunstorf</strong> vieles in Gang gesetzt, von dem wir Heute profitieren<br />

und nicht gewusst haben wem wir dieses verdanken.<br />

Die nachfolgenden Anekdoten sollten nicht zu 100% als wahr bewertet werden!


Auszug aus: ”Der ”Der Pokal”<br />

(Anekdoten von <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong>)<br />

Derjenige Lehrer am alten Seminar, der am weitesten über <strong>Wunstorf</strong> hinaus<br />

bekannt geworden ist, <strong>war</strong> <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong>.<br />

In der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong> ganz allgemein „der dicke <strong>Magnus</strong>“ genannt,<br />

während er bei seinen „Semmeltürken“ (Seminaristen) und den Schülern<br />

seiner eigenen Lehranstalt, der Präparande („Präpusen“), „Töffel“ nach dem<br />

von ihm am liebsten gebrauchten Kosenamen oder „Pesu“ hieß.<br />

Ein von <strong>Magnus</strong> verfaßtes Lehrbuch „Der praktische Lehrer“ wurde<br />

von seinen Schülern auch „Der praktische Töffel“ genannt.<br />

Hans Bumann hat <strong>Magnus</strong> neben den vielen Kapiteln in seinem „Panoptikum“<br />

sogar eine eigene Biographie gewidmet, in der er diese eigenartige Persönlichkeit<br />

so in sch<strong>war</strong>z-weiß gezeichnet hat, wie es ihr zukam.<br />

Es ist nicht meine Aufgabe, jenes Bild, das nicht in allen Punkten stimmt<br />

und dem getrost noch einige sch<strong>war</strong>ze Striche mehr hätten hinzu gesetzt werden<br />

können, von mir aus zu verändern, denn bei allem Negativen, das über <strong>Magnus</strong><br />

zu sagen wäre, muß ihm doch zugestanden werden, daß er ein Mensch gewesen ist,<br />

der weit über dem Durchschnitt stand, und daß er Beachtliches geleistet hat,<br />

so daß schließlich die ihm verliehene Ehrenbürgerschaft in unserer <strong>Stadt</strong> verdient<br />

gewesen sein mag.<br />

Ich kann <strong>Magnus</strong> in diesem Buche kein eigenes Kapitel widmen, es würde den Rahmen<br />

des Abschnitts „<strong>Wunstorf</strong>er Schulmeister“ sprengen, auch möchte ich das,<br />

was Bumann gesagt hat, nicht noch einmal wiederholen.<br />

So sind es nur einige kleine Streiflichter, die hier gesetzt werden können.<br />

Wenn ich schon beim „dicken Deter“ gesagt habe, daß er der Feder eines Gulbranssaon<br />

würdig gewesen wäre, so trifft das auch auf <strong>Magnus</strong> zu.<br />

An Körperumfang übertraf er den städtischen Ordnungshüter noch bedeutend und alles,<br />

was unterhalb seines Bauches sich befand, <strong>war</strong> außerhalb seines Blickfeldes.<br />

Sein zweigeteilter grauer Vollbart enthielt immer die Reste seines Mittagessens<br />

und wer sich ihm nähern mußte, stellte sich gern so auf, daß er nicht ..unter Wind“ stand,<br />

denn der säuerliche Kneipen- und Zigarrengeruch, der von ihm ausging,<br />

konnte einen schwachen Menschen mit empfindlicher Nase umwerfen.<br />

Auch seine bedenklich sich spannende Weste ließ Rückschlüsse auf die Mahlzeiten zu<br />

und <strong>war</strong> außerdem immer von Kreide, die er beim Vorbeigehen an der Tafel<br />

im Schulraum abgewischt hatte, weißlich, und blank.<br />

Er selbst <strong>war</strong> sich dieser Tatsache wohl bewußt, nahm das aber nicht tragisch.<br />

Als die Liedertafel einmal im November ihr Stiftefest-Eisbein-Essen abhielt,<br />

zeichnete Liedervater Richnow an eine Tafel einen Halbkreis,<br />

schüttete eine Tasse Bouillon daran und sagte: „Was ist das?“<br />

In diesem Augenblick steckte <strong>Magnus</strong>, der zu spät gekommen <strong>war</strong>,<br />

seinen Kopf durch die Tür des Ratskellersaales, sah dort das Fragment an der Tafel<br />

und sagte mit Lachen: „Sieh da, <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong>!“<br />

Neben seiner Lehrtätigkeit hatte <strong>Magnus</strong> viele Steckenpferde.<br />

Er ritt sie, wenn er nicht beim Biere saß. Das heißt, vielleicht ritt er sie gerade dort.<br />

Eines davon <strong>war</strong> sein Museum, das „Pesuanum“. Wir haben schon weiter vorn davon<br />

gesprochen. Wie schon gesagt <strong>war</strong> nicht alles, was er dafür gesammelt hat,<br />

des Aufhebens wert und seine „Präpusen“ haben ihn auch mehrfach angeschummelt.


Das Heimatmuseum und der Bürgerpark<br />

Ich erinnere mich noch gern daran, wie einer meiner Freunde ihm den Rest eines Bierseidels,<br />

wie ihn zu jener Zeit die Freiwillige Feuerwehr ihren Mitgliedern zu schenken pflegte,<br />

wenn Silberhochzeiten oder ähnliche Feste ein Angebinde zu geben verlangten,<br />

( mein Vater besaß auch ein solches Gemäß aus Steingut, auf dem ein löschender<br />

Feuerwehrmann zu sehen <strong>war</strong> und der Spruch „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“ )<br />

überbrachte, und z<strong>war</strong> in so schmutzigem Zustande, als wäre die Scherbe eben<br />

erst ausgegraben worden.<br />

Natürlich <strong>war</strong> sie das, aber nur aus dem Müllhaufen.<br />

<strong>Magnus</strong> merkte den Schwindel zuerst gar nicht, denn seine Augen <strong>war</strong>en von nächtlicher<br />

Kneipe so verschwiemelt, daß er nicht sah, was auf dem Krug zu lesen stand.<br />

Bis er den Kneifer aus der von Bleistiften strotzenden Westentasche hervorgeangelt hatte,<br />

<strong>war</strong> der Überbringer schon längst über alle Berge und <strong>Magnus</strong> hatte auch schon wieder<br />

vergessen, wer ihn da angeschmiert hatte.<br />

1<br />

Im Winter 1908 begann er, den Bürgerpark anzulegen.<br />

Dieser <strong>war</strong> bis dahin eine wüste Insel zwischen den beiden Wasserläufen<br />

der Mühlen- und der Kolkaue gewesen.<br />

Dichtes Weidengestrüpp bedeckte den Sumpfboden.<br />

Mitten drin standen viele hohe Pappeln, die vom Norden gesehen,<br />

der <strong>Stadt</strong> ihr charakteristisches Aussehen gaben.<br />

Die Präpusen hatten gerade „eisfrei“, als <strong>Magnus</strong> sie von den<br />

Allernwiesen und von der „Fehre“ zur „freiwilligen“ Arbeit holen ließ.<br />

Alle Mann mußten in die Häuser am Nordwall und in der Wasserzucht<br />

gehen und sich dort Geräte ausleihen, Hacken, Schaufeln, Spaten,<br />

Schiebkarren und anderes mehr.<br />

Und dann ging es einige Tage lang bei knarrendem Frost ans <strong>Wer</strong>k<br />

Ich selbst habe damals die Schaufel mit geschwungen und manchen<br />

weißen Ziegelstein in den Hauptweg mit hinein geschleppt.<br />

Jedes Mal, wenn ich durch den Park gehe, freue ich mich,<br />

wenn Ich da und dort einen jener Steine aus der Kohlenasche<br />

hervorgucken sehe und grüße ihn herzlich mit einem „Weißt du noch?“<br />

Übrigens sollen die Besitzer der Geräte lange darauf ge<strong>war</strong>tet haben,<br />

bis sie diese wieder zurück erhielten.<br />

Schließlich <strong>war</strong> seiner hohen vorgesetzten Behörde doch manches<br />

über den fortgesetzten Lebenswandel <strong>Heinrich</strong> <strong>Magnus</strong> zu Ohren<br />

gekommen und so mußte er unter einem gewissen Druck seine<br />

eigene Schule abgeben, die dann in städtischen Besitz überging,<br />

bis sie mit der Schließung des Seminars schließlich ihre Pforten<br />

zumachte.<br />

Er selbst hat den Übergabeakt nicht lange überlebt.<br />

Wenige Jahre darauf wurde er auf „Küsters Kampe“<br />

zur ewigen Ruhe getragen.<br />

Aber im Gedächtnis aller alten <strong>Wunstorf</strong>er lebt er weiter<br />

in der Gloriole eines außergewöhnlichen Mitbürgers.<br />

1 Dieses Datum wurde von Theo Oppermann nicht korrekt wiedergegeben!<br />

Der Bürgerpark wurde am 14. Mai 1905 feierlich eröffnet!


<strong>Magnus</strong>, die Steinhuder Meerbahn und die Radrennen in <strong>Wunstorf</strong><br />

Die neue Zeit begann tatsächlich damit, daß die Steinhuder Meer-Bahn kam.<br />

Mit ihr eroberte sich der Moloch Verkehr, wenn auch zunächst noch<br />

schüchtern und bescheiden, unsere <strong>Stadt</strong>.<br />

Z<strong>war</strong> fuhr die Bahn, als die Strecke nach mehreren Jahren Bauzeit um 1900<br />

herum fertig <strong>war</strong>, wenn's hoch kam, ganze 25 km in der Stunde.<br />

Und das mitten durch die <strong>Stadt</strong>! Aber sie dampfte, schnaufte und<br />

brachte den Sommer über Tausende von Fremden mit, die das<br />

eben erst für die Allgemeinheit entdeckte Steinhuder Meer sehen wollten.<br />

Ich sehe heute noch in Gedanken neben der „Zucke" (Pumpe)<br />

unter dem runden, heute noch stehenden Hainbuchenbaum<br />

am Eingänge der „Anstalt" (Landeskrankenhaus) die Berge von Schwellen liegen,<br />

sowie sich, gewiss nach abermals fünfzig Jahren die heutigen Kinder <strong>Wunstorf</strong> s<br />

der Kanalisations-Sandberge erinnern werden.<br />

Wie gesagt: die Strecke lief vom Bahnhof aus durch die <strong>Stadt</strong>.<br />

Die dritte Lindenreihe an der Bahnhofstraße musste als erstes „dran glauben".<br />

Das Bähnle „brauste" bimmelnd . durch, die Südstraße,<br />

wo wir Siebenjährigen uns ein Vergnügen daraus machten,<br />

die Weichen umzustellen oder die Schienen voller „Käserlinge" (Kieselsteine)<br />

zu packen, damit der dem Zuge vorauseilende „Ritzenschieber" der „Malörbahn",<br />

... Dann hielt sie, nachdem sie mit großartigem Schwung die bildschöne S-Kurve<br />

an der <strong>Stadt</strong>kirche wo damals noch nicht das Rathaus stand,<br />

sondern noch der Laden des Drogisten Behrens - durcheilt hatte,<br />

mit heftigem Ruck, der sich von der kleinen sch<strong>war</strong>zen Lokomotive<br />

bis zum letzten Wagen fortsetzte, vor dem ältesten Gasthause <strong>Wunstorf</strong>s,<br />

dem Ratskeller, an.<br />

Herr Alten, der Hotelier, ein sehr honoriger Mann, sowie sein „Friedrich“ (Hausdiener)<br />

der spätere Gastwirt Wilhelm Wesemann - traten heraus, um den einzigen Fahrgast,<br />

der hier schon den Zug verließ, während meist eine Menge anderer Passagiere zustiegen,<br />

zu begrüßen, nämlich den Seminarlehrer <strong>Magnus</strong> - den „dicken“ <strong>Magnus</strong>.<br />

Dieser stand dann erst eine Weile da, ehe er sich überlegt hatte, wohin er sich wenden solle:<br />

ob er den Ratskeller zur Morgensprache der Handwerker - sprich: Frühschoppen! - ansteuern,<br />

oder ob er zu Konrad Steinwede unter den Linden (den die <strong>Wunstorf</strong>er den Russen nannten,<br />

well er von Russland nach hier gekommen <strong>war</strong>), gehen, oder ob er zu seinem Freunde<br />

Cornehls im Hotel Hannover (heute Wöltje) seine Schritte lenken sollte.<br />

Seine Frau durfte natürlich nicht wissen, dass er schon wieder zu Biere gegangen <strong>war</strong>,<br />

deshalb hatte er seinen gewichtigen Korpus zu Fuß zum Bahnhof gewuchtet,<br />

um von dort aus mit der Meerbahn heimlich still und leise an seiner Wohnung im Seminar<br />

vorbei wieder in die <strong>Stadt</strong> zurückzufahren.<br />

In diesen Jahren begann auch der Siegeslauf des Fahrrades.<br />

Der Gastwirt Wilhelm Jahns in der Langen Straße <strong>war</strong> der erste <strong>Wunstorf</strong>er,<br />

der ein „Veloziped" (wir Jungens sagten: Flitzepee) sein Eigen nannte.


Der „Arbeiterverein“ -, eine Art Vorläufer der heutigen Volkshochschule,<br />

gründete eine Radfahrerabteilung und baute für diese eine Radrennbahn.<br />

Große Mittel hatte er dafür nicht zur Verfügung, denn es gab noch keinen<br />

Fußhalltoto und die Behörden <strong>war</strong>en in Bezug auf Gelder,<br />

die für den Sport ausgegeben werden sollten, noch recht schwerhörig.<br />

So mussten daher die Mitglieder neben ihren Beiträgen und den<br />

Spenden aus Ihrem eigenen Portemonnaie auch noch ihre Muskelkraft<br />

für dieses <strong>Wer</strong>k dransetzen. Die Rennbahn <strong>war</strong> allerdings noch nicht aus Asphalt,<br />

sondern aus Lehm.<br />

Aber sie <strong>war</strong> nicht schlecht. Sie hatte nur einen Fehler: wenn die Rennfahrer,<br />

die natürlich alle Amateure <strong>war</strong>en, in der überhöhten südlichen Kurve zu sehr<br />

ins Pedal traten, dann konnte es ihnen passieren, dass sie sich plötzlich<br />

im kühlen Nass der Südaue, die den Platz begrenzte, wiederfanden.<br />

Auf diesem Platze, auf dem später der Jahnplatz angelegt wurde,<br />

befand sich außerdem noch das Übungsgelände der Feuerwehr mit<br />

einer Kletterwand für die Spritzenmeister.<br />

Die großen Zweiradmatadoren bei den Rennen, die damals mindestens ebenso<br />

viele Zuschauer anlockten wie heute ein Ortsderby zwischen den beiden<br />

heimischen Fußballvereinen, <strong>war</strong>en: der Maurermeister <strong>Heinrich</strong> Bade,<br />

der Fotograf P. Ahrend, der Dachdeckermeister August Presuhn,<br />

der Kaufmann Julius Jörns und der Zeitungsverleger Hermann Oppermann<br />

Henry Jahns, aus dem Hause „Ecken-Jahns", Lange Straße 33 (heute Haus Erfurt).<br />

Dieser hatte den hannoverschen Rennfahrern manches abgesehen und konkurrierte<br />

zuweilen erfolgreich mit dem bekannten Fahrer Willi Ahrend aus Hannover und dem<br />

späteren Weltmeister Robl.<br />

Er hatte bloß die dumme Angewohnheit, sieh zu oft umzusehen, und dann <strong>war</strong> es<br />

meist um ihn geschehen.<br />

Entweder: er sauste in die Aue oder die Hannoveraner zogen gerade in einem<br />

solchen Augenblicke an ihm vorbei.<br />

Diese Rennen <strong>war</strong>en immer große Ereignisse im sommerlichen Einerlei<br />

der Sonntage.<br />

Der Jahnplatz im Jahre 1924 mit der Radrennbahn im Hintergrund


Betreut wurde die Rennbahn von Louis Emme (bitte das „s" hinten aussprechen!)<br />

Dieser pflegte auch den „Arbeiterpark" und hatte ferner<br />

die gleich dahinter gelegene Badeanstalt alles Schöpfungen und Eigentum<br />

des Arbeitervereins unter seiner Fuchtel.<br />

Als Bademeister schrieb Emme auf die Preistafel:<br />

„Kinder des Vereins! kosten die Hälfte".<br />

Oder:<br />

„Wenn ich die Flagge hitzen tue, denn bin ich da!"<br />

Und dann erst durften wir in die Aue mit ihrer tiefen Kuhle hinein.<br />

Den Jungen, die er an die „Longe" nahm, um ihnen die ersten Grundregeln<br />

für das Schwimmen beizubringen, pflegte er zu sagen:<br />

„Mit die Arme geht's schon, bloß mit die Beine noch nich!"<br />

Die spaßige Art des Unterrichts veranlagte manchen Jungen,<br />

der vielleicht besser als der Bademeister schwimmen konnte,<br />

immer wieder einen Kursus bei Emme zu absolvieren.<br />

Im Arbeiterpark legte Emme seine, wie er sagte, „naturigen" Bänke aus Birkenholz an,<br />

die sich recht schön ausnahmen, aber den Fehler hatten, dass man auf den Ästen<br />

recht unbequem saß.<br />

Die Liebespärchen, die abends den Park aufsuchten,<br />

sollen die Äste allerdings kaum gestört haben.<br />

Louis Emme mit Badegästen. Er <strong>war</strong> von ca. 1897/98 bis 1933 hier unter anderem auch<br />

als Bademeister tätig. (Weiteres auf den nächsten Seiten)<br />

Im Hintergrund ist die 1897 beantragte Badestelle in der Süd-Aue zu sehen.


Auch in <strong>Wunstorf</strong> wurden regelmäßig Radrennen gefahren. (Bild vom 26.9.1897)<br />

Speziell nach dem der Spiel- und Turnplatz der Präparanden Anstalt bzw.<br />

des Arbeitervereins (heute Jahnplatz) entstanden <strong>war</strong>.


Quellen:<br />

Unterlagen des <strong>Wunstorf</strong>er <strong>Stadt</strong>archivs:<br />

Die <strong>Wunstorf</strong>er Zeitung aus den Jahren 1901 und 1912<br />

Hannoversches Schulblatt (September 1911)<br />

Leine-Zeitung vom 2. Oktober 1902<br />

Badeanstalten in <strong>Wunstorf</strong><br />

Vereine: “Der Arbeiterverein”<br />

Bücher der <strong>Wunstorf</strong>er <strong>Stadt</strong>geschichte:<br />

Neues <strong>Wunstorf</strong>er Panoptikum “Der Pokal” von Theo Oppermann<br />

“Geschichte der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong>” herausgegeben von Wilhelm Hartmann<br />

“Das <strong>Wunstorf</strong> Buch” herausgegeben vom Heimatverein <strong>Wunstorf</strong><br />

Quelle der Bilder:<br />

“Deutsche Kulturbilder” Cigaretten-Bilderdienst Altona-Bahrenfeld von 1936<br />

Private <strong>Wunstorf</strong>er Postkarten aus den Jahren 1920 - 1938<br />

“Spuren der Vergangenheit” <strong>Wunstorf</strong>er Chronik in Bildern Teil 1 vom Heimatverein <strong>Wunstorf</strong><br />

“Ein Blick zurück” <strong>Wunstorf</strong>er Chronik in Bildern Teil 2 vom Heimatverein <strong>Wunstorf</strong><br />

Kartenmaterial des Heimatverein <strong>Wunstorf</strong>

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