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Sabine Böttcher - Zentrum für Sozialforschung Halle e.V.

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<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong> (Hrsg.)<br />

zsh-HERBSTTAGUNG<br />

zur<br />

Fachkräftesicherung in turbulenten Zeiten<br />

-<br />

Tagungsband 1<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 09-4


Die Verantwortung <strong>für</strong> den Inhalt liegt bei den Autor/innen.<br />

<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e. V. an der Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

Emil-Abderhalden-Str. 6<br />

06108 <strong>Halle</strong><br />

Telefon: 0345 / 552 66 00<br />

Fax: 0345 / 552 66 01<br />

E-Mail: info@zsh.uni-halle.de<br />

Internet: http://www.zsh-online.de<br />

Druck: Druckerei der Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

Satz: Siegfried Makarskyj<br />

ISSN 1617-299X<br />

Alle Rechte vorbehalten


Inhaltsverzeichnis<br />

3<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

Grußwort zur Herbsttagung<br />

Thomas Pleye ..........................................................................................................................................5<br />

Bausteine im Projekt Zukunft<br />

Michael Thomas.......................................................................................................................................9<br />

Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt<br />

Sylvia Kühnel .........................................................................................................................................11<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong> .....................................................................................................................................17<br />

Bürgerarbeit in Bayern<br />

Undine Schreiber ...................................................................................................................................29<br />

Lokale Zusammenschlüsse als Krisenmanagement<br />

- der Nachwuchskräftepool am Chemiestandort Leuna<br />

Bettina Wiener .......................................................................................................................................35<br />

Kooperatives Personalmanagement<br />

– regionale Fachkräftesicherung und -entwicklung in Arbeitgeberzusammenschlüssen<br />

Thomas Hartmann ....................................................................................................................................55<br />

Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Leo Baumfeld, Michael Fischer .............................................................................................................63<br />

Autorenverzeichnis ................................................................................................................. 79<br />

Programm der Tagung ............................................................................................................81<br />

Teilnehmerliste der Tagung...................................................................................................... 83<br />

Bisher veröffentlichte „Forschungsberichte aus dem zsh“ (2009 – 2001)........................................ 85


Grußwort zur Herbsttagung des zsh am 05. November 2009<br />

5<br />

Grußwort<br />

Staatssekretär Thomas Pleye<br />

Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt<br />

Fachkräftesicherung in turbulenten Zeiten<br />

Schon aus der Tagesordnung der heutigen Konferenz kann man erkennen, dass das<br />

zsh seit vielen Jahren Themen bearbeitet, die von erheblicher Relevanz <strong>für</strong> die Lan-<br />

despolitik sind. Ich nenne hier nur die Schlagworte „Ausbildung von Jugendlichen“,<br />

„Qualifizierung von Beschäftigten“ und nicht zuletzt auch das Thema „Bürgerarbeit“.<br />

Das zsh hat dabei die Entwicklung im Land und auch die politischen Ansätze der<br />

Landesregierung im Bereich der Aus- und Weiterbildung immer konstruktiv kritisch<br />

begleitet und leistet damit seit Jahren einen wichtigen Beitrag zur Fortentwicklung<br />

der politischen Instrumente.<br />

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass das zsh in Per-<br />

son von Professor Lutz schon sehr früh auf das Problem der „demografischen Lücke“<br />

hingewiesen und damit bei Politik und Verwaltung in Sachsen-Anhalt den Blick <strong>für</strong><br />

demografisch bedingte Probleme der Fachkräftesicherung geschärft hat. Damit ha-<br />

ben Sie einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass das Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft<br />

und Arbeit rechtzeitig strategische Ansätze entwickeln konnte, mit denen Unterneh-<br />

men bei der Sicherung ihres Fachkräftebedarfes unterstützt werden können.<br />

Ich freue mich daher sehr, dass ich heute zu Beginn Ihrer Veranstaltung ein kurzes<br />

Grußwort an Sie richten darf und möchte diese Gelegenheit nutzen, Ihnen noch ein-<br />

mal einen ganz kurzen Überblick über unsere Strategie zur Fachkräftesicherung und<br />

Fachkräfteentwicklung in Unternehmen zu geben.<br />

Die Fachkräftestrategie des Ministeriums <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit ruht insgesamt auf<br />

drei Säulen:<br />

1. Säule der Fachkräftestrategie: Betriebliche Ausbildung stärken<br />

Wesentlicher Ausgangspunkt ist dabei die Eigenverantwortung der Wirtschaft <strong>für</strong> die<br />

Sicherung des eigenen Fachkräftenachwuchses durch betriebliche Erstausbildung.<br />

Die Landesregierung unterstützt die Wirtschaft bei dieser Aufgabe zum einen durch<br />

Maßnahmen im Vorfeld der Ausbildung. Hier geht es insbesondere darum, dass Ju-<br />

gendliche die allgemeinbildenden Schulen ausbildungsreif verlassen und bei der Be-


Thomas Pleye<br />

rufswahl durch flächendeckende Angebote zur Berufsorientierung unterstützt wer-<br />

den. Ein wichtiges Beispiel da<strong>für</strong> ist unser landesweites, gemeinsam mit den Arbeits-<br />

agenturen durchgeführtes Berufsorientierungsprogramm BRAFO <strong>für</strong> alle Schülerin-<br />

nen und Schüler an Sekundarschulen und Förderschulen.<br />

Auf der anderen Seite unterstützen wir in bestimmten Fällen aber auch Betriebe di-<br />

rekt bei der betrieblichen Erstausbildung von Jugendlichen. Hier geht es insbesonde-<br />

re um unser Förderinstrumentarium zur Unterstützung der Verbundausbildung und<br />

der Förderung von Zusatzqualifikationen, mit dem wir auch Betrieben, die z.B. auf-<br />

grund einer weitgehenden Spezialisierung eine Vollausbildung in bestimmten Beru-<br />

fen nur im Verbund mit anderen Betreiben oder mit Bildungsträgern sicherstellen<br />

können, die Ausbildung von eigenem Fachkräftenachwuchs ermöglichen.<br />

Da das Angebot betrieblicher Ausbildungsplätze trotz aller Anstrengungen der Wirt-<br />

schaft in den letzten Jahren noch nicht ausreichte, um allen Lehrstellensuchenden<br />

einen Ausbildungsplatz anbieten zu können, hat die Landesregierung in den vergan-<br />

genen Jahre zusätzlich dazu noch außerbetriebliche (APO und LEP) und schulische<br />

Ausbildungsplätze bereitgestellt. Diese Programme werden in Zukunft nicht mehr in<br />

der bisherigen Form erforderlich sein. Wir denken allerdings darüber nach, wie wir<br />

die positiven Erfahrungen, die wir mit den genannten Programmen in den letzten<br />

Jahren gesammelt haben, zukünftig nutzen können, um Betriebe auch zur verstärk-<br />

ten betrieblichen Ausbildung von leistungsschwächeren Jugendlichen zu motivieren.<br />

2. Säule der Fachkräftestrategie: Qualifizierung von Beschäftigten <strong>für</strong> und in<br />

Unternehmen unterstützen<br />

Kernpunkt unserer Aktivitäten ist hier unser Programm zur Qualifizierung von Be-<br />

schäftigten. Inhaltlich geht es dabei darum, die Wettbewerbsfähigkeit der Unterneh-<br />

men im Land durch Weiterbildung der Beschäftigten zu verbessern. Konkret werden<br />

Unternehmen bei der Finanzierung von notwendigen Anpassungsqualifizierungen<br />

von Beschäftigten an veränderte betriebliche Bedarfe unterstützt. Wir wollen damit<br />

auch Unternehmen zur Durchführung betrieblicher Qualifizierungsvorhaben und zur<br />

Entwicklung und Umsetzung betrieblicher Konzepte zur Organisations- und Perso-<br />

nalentwicklung ermutigen und sie dabei unterstützen.<br />

Da viele kleine und mittelständische Unternehmen mit dieser Aufgabe überfordert<br />

sind, setzen wir seit Jahren erhebliche Mittel des Landes und des ESF <strong>für</strong> spezielle<br />

6


7<br />

Grußwort<br />

Einzelprojekte ein, die Führungskräfte in Unternehmen durch entsprechende Coa-<br />

ching-, Beratungs- und Weiterbildungsangebote bei der Personal- und Organisa<br />

tionsentwicklung zu unterstützen. Auch das zsh hat hier in den letzten Jahren seine<br />

wissenschaftlichen Kompetenzen eingebracht, zum Beispiel um die Weiterbildungs-<br />

bereitschaft und die Kompetenzentwicklung von Unternehmen im Bereich der Land-<br />

wirtschaft zu unterstützen, und ich freue mich, dass wir an dieser Stelle auch weiter<br />

zusammenarbeiten.<br />

Strategisch ist uns im Zusammenhang mit der Weiterbildung von Beschäftigten noch<br />

besonders wichtig, dass sich auch die Hochschulen des Landes zukünftig noch stär-<br />

ker in diesem Bereich engagieren. Wir glauben, dass es notwendig ist, den Know-<br />

How-Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft durch Verstärkung der wissen-<br />

schaftlichen Weiterbildung zu verbessern und haben dazu an allen Hochschulen des<br />

Landes sogenannte Transferzentren eingerichtet, die den Kontakt zwischen Unter-<br />

nehmen und Hochschulen unterstützen sollen. Auf Grundlage solcher Kontakte kön-<br />

nen die Hochschulen Angebote der wissenschaftlichen Weiterbildung entwickeln, die<br />

dem tatsächlichen Bedarf der Unternehmen entsprechen und daher auch von diesen<br />

angenommen werden.<br />

3. Säule der Fachkräftestrategie: Zusätzliche Fachkräftepotentiale erschließen<br />

Auf die dritte Säule unserer Fachkräftestrategie möchte ich nur noch ganz kurz ein-<br />

gehen. Hier tragen wir durch verschiedene Ansätze dazu bei, den Kontakt und die<br />

Kommunikation zwischen fachkräftesuchenden Unternehmen in Sachsen-Anhalt und<br />

gut ausgebildeten Fachkräften, die hier im Land eine berufliche Perspektive suchen,<br />

zu verbessern.<br />

Beispielhaft möchte an dieser Stelle nur auf das Projekt PFIFF hinweisen. Dieses<br />

zielt auf die Sicherung von Fachkräften <strong>für</strong> Sachsen-Anhalts Unternehmen. Ange-<br />

sprochen werden bundesweit potenzielle Fachkräfte, die sich in einer beruflichen<br />

Aus- und Weiterbildung oder in einer Hoch- und Fachschulausbildung befinden, so-<br />

wie gut ausgebildete Arbeitnehmer in anderen Bundesländern, die gern in ihre Hei-<br />

matregion Sachsen-Anhalt zurückkehren würden. PFIFF ist auch ein Informations-<br />

und Vermittlungsportal <strong>für</strong> gut ausgebildete Fachkräfte, die Arbeit suchen, und <strong>für</strong><br />

Unternehmen, die dringend Fachkräfte benötigen. PFIFF unterstützt die Fachkräfte<br />

und die Unternehmen durch Informationen. Allerdings ist PFIFF keine Arbeitsvermitt-


Thomas Pleye<br />

lung. Das heißt, die Bewerber/innen und die Unternehmen müssen selbst aktiv wer-<br />

den (z.B. durch Bewerbungen oder durch gezielte Ansprache geeigneter Bewerber<br />

durch Unternehmen).<br />

Eine ähnliche Funktion übernehmen die Transfercenter <strong>für</strong> junge Absolventen der<br />

Hochschulen. Diese sollen frühzeitig, schon während des Studiums, Kontakte zwi-<br />

schen zukünftigen Studienabsolventen und Unternehmen der Region herstellen und<br />

befördern. Damit wollen wir erreichen, dass mehr Absolventen als bisher berufliche<br />

Chancen in sachsen-anhaltischen Unternehmen erkennen und ergreifen und da-<br />

durch die Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte verhindert werden kann.<br />

Damit komme ich zum Schluss meiner Ausführungen.<br />

Ich hoffe, in meinen Ausführungen wurde deutlich, dass wir der beruflichen Aus- und<br />

Weiterbildung in den Unternehmen des Landes eine zentrale Bedeutung <strong>für</strong> die zu-<br />

künftige Fachkräftesicherung zumessen – auch und gerade in den „turbulenten Zei-<br />

ten“, die Sie im Titel Ihrer Veranstaltung ansprechen. Wir sind froh, dass die Wirt-<br />

schaftskrise bisher noch nicht dramatisch auf den Arbeitsmarkt und die Aus- und<br />

Weiterbildungsbereitschaft der Unternehmen in Sachsen-Anhalt durchgeschlagen<br />

hat und ich habe daher Anlass zur Hoffnung, dass sich die Unternehmen auch zu-<br />

künftig nicht von dem richtigen Weg der Fachkräftesicherung durch kontinuierliche<br />

Aus- und Weiterbildung abbringen lassen werden.<br />

Ich denke, Sie werden sich im weiteren Verlauf der Veranstaltung - insbesondere im<br />

zweiten Teil - mit dieser Frage auch wissenschaftlich auseinandersetzen. Da<strong>für</strong> wün-<br />

sche ich Ihnen viel Erfolg, gute Gespräche und eine in jeder Hinsicht interessante,<br />

angenehme und erfreuliche Herbsttagung.<br />

8


Bausteine im Projekt Zukunft<br />

9<br />

Bausteine im Projekt Zukunft<br />

Michael Thomas<br />

Innovationsverbund Ostdeutschlandforschung<br />

Die Herbsttagung 2009 des <strong>Zentrum</strong>s <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e.V., die vom Bun-<br />

desministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung und dem Innovationsverbund Ostdeutsch-<br />

landforschung unterstützt wurde, reiht sich ein in eine Reihe von Aktivitäten,<br />

Workshops und Tagungen des Netzwerks Ostdeutschlandforschung. Gerade in<br />

jüngster Zeit ist dieser Verbund, zu dem das zsh von Anfang an als aktiver Mitstreiter<br />

gehört, nicht nur mit Forschungs-, Begleit- und Gestaltungsprojekten in die Regionen<br />

gegangen; sondern vor allem die komplexen lokalen und regionalen Handlungs- oder<br />

Steuerungsbedingungen sind direkt in den Fokus geraten: Bei der Frage, ob und wie<br />

man Umbauprozesse erfassen und gestalten kann, wie man – um an das Tagungs-<br />

thema anzuknüpfen – in turbulenten Zeiten entsprechend agieren kann, rücken loka-<br />

le Zusammenhänge und die Vielfalt lokaler Akteure in den Mittelpunkt. Das geschieht<br />

hier durch die Herbsttagung mit einem gewichtigen thematischen Zuschnitt.<br />

Die sogenannte Umbruchsthese, also die Annahme, dass wir es sowohl in Ost- und<br />

Westdeutschland als auch global mit tiefen Umbrüchen eines längst in die Krise ge-<br />

ratenen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells zu tun haben, war bzw. ist sozusagen<br />

paradigmatische Setzung <strong>für</strong> den Innovationsverbund. Neue Ostdeutschlandfor-<br />

schung heißt dann eben nicht nur und vorrangig den Spuren von Aufholprozessen in<br />

Ostdeutschland gegenüber Westdeutschland bzw. westdeutschen Regionen zu fol-<br />

gen, sondern hier wie dort Umbruchsdynamiken zu erfassen und nach Ansatzmög-<br />

lichkeiten <strong>für</strong> Gestaltung zu suchen. Worauf haben wir uns einzustellen, wenn – wie<br />

Burkart Lutz, Nestor des zsh und noch immer aktiver Mitstreiter im Verbund, schon<br />

vor Jahren betonte – „der Traum von der immerwährenden Prosperität“ zerplatzt ist?<br />

Diese Frage ist, das zeigen Wissenschaft und Politik, nicht leicht zu beantworten.<br />

Einige Anregungen und Vorschläge hat der Innovationsverbund bereits vorgelegt<br />

(www.ostdeutschlandforschung.net), viele Projekte laufen noch. Die gerade <strong>für</strong> Ost-<br />

deutschland zentrale Frage der Fachkräftesicherung gehört in den Kompetenzbe-<br />

reich vom zsh und hat hier schon zu vielen originellen Einschätzungen und Überle-<br />

gungen geführt. Erst vor einigen Monaten war die „verlorene Generation“ Thema ei-<br />

ner großen und kontroversen Debatte. Bürgerarbeit und Arbeitgeberzusammen-


Michael Thomas<br />

schlüsse als zwei zentrale Schwerpunkte dieser Tagung haben Eingang gefunden in<br />

eine umfassende Initiative und Buchpublikation über kreative Projekte in Ostdeutsch-<br />

land. Mit demografischen Herausforderungen als auch mit der Finanz- und Wirt-<br />

schaftskrise gewinnt diese Frage nochmals an Brisanz. Gerade hierin spiegeln sich<br />

bisher nicht bewältige Umbruchsherausforderungen und zeigen sich Grenzen bloßer<br />

Reparaturansätze, die weder Menschen in Beschäftigung noch Unternehmen die<br />

benötigten Fachkräfte bringen. Bei allen Erfolgen in einzelnen Branchen und Berei-<br />

chen, bei erstaunlicher Krisenfestigkeit vieler ostdeutscher Unternehmen – es zeich-<br />

net sich überdeutlich eine neue Falle von anhaltender Arbeitslosigkeit und Fachkräf-<br />

teknappheit ab, die regionaler Expertise und Intervention bedarf.<br />

Das Netzwerk Ostdeutschlandforschung wurde im Frühjahr 2005 gegründet, der In-<br />

novationsverbund – als Zusammenschluss der Netzwerkinstitute mit dem <strong>Zentrum</strong><br />

Technologie und Gesellschaft an der TU Berlin – einige Monate später. Die Zusam-<br />

menarbeit erfolgt mit Universitäten, wissenschaftlichen Einrichtungen und regionalen<br />

Institutionen weit über den Verbund hinaus. Mit einem Projekt zu Social Capital in<br />

europäischen Regionen hat der Verbund eine vergleichende europäische Perspekti-<br />

ve eingenommen, zudem wird hier die direkte Kooperation zwischen Wissenschaften<br />

und Kunst (Theater) praktiziert. In verschiedenen Projekten und strategisch-<br />

konzeptionellen Ausarbeitungen wird der Versuch verfolgt, Ostdeutschland zu einem<br />

Vorreiter werden zu lassen bei der Wende zu einem ressourcensparenden Entwick-<br />

lungspfad. Mit einem solchen demokratischen, solidarischen und eben an Ressour-<br />

ceneffizienz ausgerichteten Entwicklungspfad wären vor allem die Umbruchsheraus-<br />

forderungen zu bewältigen. Formen der Selbstorganisation, nach denen hier auf der<br />

Tagung gesucht wird, sowie neue Inhalte und Formen von Ausbildung und Qualifizie-<br />

rung stellen dabei wichtige Voraussetzungen dar. Insofern sollte die Tagung, das<br />

gehört zu „turbulenten Zeiten“, nicht nur Bilanz und Abschluss sein, sondern Bau-<br />

stein in einer umfassenden, komplexen Suche nach Zukunft.<br />

10


Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt<br />

Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt<br />

11<br />

Sylvia Kühnel<br />

Projektleiterin, Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen<br />

Warum wurde das Konzept „Bürgerarbeit“ entwickelt?<br />

Bis zum Ende des Jahres 2008 haben die Arbeitslosenzahlen in Deutschland eine<br />

sehr erfreuliche Entwicklung genommen. Dennoch blieb eine hohe Zahl von lang-<br />

zeitarbeitslosen Personen weiterhin ohne Beschäftigung – in Sachsen-Anhalt waren<br />

es rund 40% des gesamten Arbeitslosenbestandes. Die Ursachen hier<strong>für</strong> sind man-<br />

nigfaltig. Zum einen liegen sie bei den veränderten Anforderungen an die Qualifika<br />

tion der Beschäftigten, zum anderen aber auch an der mit der Dauer der Arbeitslo-<br />

sigkeit wachsenden Resignation und der damit sinkenden Motivation.<br />

Die Folgen der Langzeitarbeitslosigkeit sind gravierend und betreffen in besonderem<br />

Maße auch künftige Generationen. Kinder erleben in vielen Familien nicht mehr die<br />

Berufstätigkeit als Sinn stiftenden Lebensinhalt. Mit den bekannten Instrumenten der<br />

Arbeitsmarktpolitik lässt sich dieses Phänomen nicht nachhaltig genug bekämpfen.<br />

Aus diesem Grund werden mit dem Konzept „Bürgerarbeit“ seit dem Jahr 2006 neue<br />

Wege erprobt. Das Konzept vereint erstmalig Elemente des „Workfare“ mit der Idee<br />

eines „Sozialen Arbeitsmarktes“.<br />

Was ist „Bürgerarbeit“?<br />

Die Grundidee der „Bürgerarbeit“ besteht in der konsequenten Aktivierung des ge-<br />

samten Arbeitslosenbestandes bei gleichzeitigem Angebot von gemeinnütziger, so-<br />

zialversicherungspflichtiger Beschäftigung <strong>für</strong> diejenigen Menschen, die selbst bei<br />

guter konjunktureller Lage aufgrund multipler Vermittlungshemmnisse auch mittelfris-<br />

tig keine Chance am Ersten Arbeitsmarkt haben.<br />

Nach einem vierstufigen, kaskadierten System wird jedem Arbeitslosen ein auf seine<br />

individuelle Situation zugeschnittenes Angebot unterbreitet, das die Arbeitslosigkeit<br />

in absehbarer Frist beendet.<br />

Zunächst werden in einer ersten Stufe alle Arbeitslosen zu einem Beratungsge-<br />

spräch in die Agentur <strong>für</strong> Arbeit bzw. zum Grundsicherungsträger eingeladen. Ziel<br />

des Gespräches ist die Feststellung der aktuellen Bedarfe und Ressourcen des Kun-<br />

den im Rahmen eines Profilings. Ist die Nähe zum Arbeitsmarkt erkannt, können wei-


Sylvia Kühnel<br />

tere Schritte in Richtung der individuellen Integration unternommen werden. Diese<br />

werden gemeinsam mit dem Kunden besprochen und in der Eingliederungsvereinba-<br />

rung festgehalten.<br />

Die Aktivitäten der zweiten Stufe sind ein direktes Ergebnis des Profilings und<br />

betreffen marktnahe Kunden. Sofern passende Angebote auf dem Ersten Arbeits-<br />

markt vorhanden sind, werden die entsprechenden Aktivitäten sofort ausgelöst, Er-<br />

folge konsequent nachgehalten und Misserfolge gemeinsam analysiert. Eigene Be-<br />

mühungen um einen Arbeitsplatz werden eingefordert und unterstützt, wenn erforder-<br />

lich, auch durch Beschäftigung begleitende Instrumente der aktiven Arbeitsmarkt-<br />

politik.<br />

Sofern das Ergebnis des Profilings einen Bedarf zur Erweiterung der Kenntnisse und<br />

Fertigkeiten aufzeigt, kommen im Rahmen der dritten Stufe geeignete Maßnahmen<br />

und Instrumente zum Einsatz, z.B. eine Weiterbildung. Das Angebot dient dem<br />

Zweck der gezielten Verbesserung der individuellen Vermittlungschancen. Um einen<br />

größtmöglichen Eingliederungserfolg nach der Weiterbildung zu erzielen, ist die Be-<br />

rücksichtigung der Bedarfe regionaler Arbeitgeber unerlässlich.<br />

All denjenigen Arbeitslosen, die durch die Stufen 1 bis 3 nicht in den Ersten Arbeits-<br />

markt eingegliedert werden konnten bzw. deren Integration auf Grund multipler Prob-<br />

lemlagen von vornherein auch mittelfristig nicht wahrscheinlich erscheint, wird in der<br />

vierten Stufe ein Angebot <strong>für</strong> eine zusätzliche, gemeinnützige Beschäftigungsmög-<br />

lichkeit, die „Bürgerarbeit“ im engeren Sinne, unterbreitet. Der Einsatz orientiert sich<br />

so weit als möglich an den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen des Einzelnen.<br />

Ausgewählt werden ausschließlich sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten in ge-<br />

meinnützigen Bereichen wie z.B. in Vereinen, Kirchen oder in der Seniorenbetreu-<br />

ung. Das sind Arbeiten, die ohne „Bürgerarbeit“ nicht erledigt würden.<br />

Um eine Substitution bestehender Arbeitsplätze und die Beschränkung der örtlichen<br />

Wirtschaft, etwa durch eine Reduzierung des Auftragsvolumens, zu verhindern, ist es<br />

wichtig, alle regionalen Arbeitsmarktakteure zu vernetzen und an der Entscheidung<br />

über die Einrichtung von gemeinnützigen Beschäftigungsplätzen zu beteiligen.<br />

Es wird ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis – mit Ausnahme<br />

der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung – begründet. Die wöchentliche Arbeitszeit<br />

beträgt 30 Stunden und lässt damit Raum <strong>für</strong> eigene weitere Aktivitäten zur Arbeit-<br />

12


Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt<br />

suche, ggf. auch <strong>für</strong> eine tätigkeitsbezogene Qualifizierung, denn „Bürgerarbeit“ ist<br />

keine „Einbahnstraße“. Die persönlichen Fortschritte werden von den Vermittlungs-<br />

fachkräften regelmäßig analysiert und Möglichkeiten der Unterstützung <strong>für</strong> eine nun<br />

näher ins Blickfeld gerückte Integration in den Ersten Arbeitsmarkt geprüft.<br />

Wo und wie wurde das Konzept „Bürgerarbeit“ bisher erprobt?<br />

Das Konzept „Bürgerarbeit“ wird seit November 2006 in Bad Schmiedeberg (Land-<br />

kreis Wittenberg) erprobt. Ab Februar 2007 folgte Barleben (Bördekreis), ab Juli 2007<br />

die Orte Gerbstedt und Kelbra im Landkreis Mansfeld-Südharz sowie Hecklingen im<br />

Salzlandkreis. Darüber hinaus wurde die „Bürgerarbeit“ von Juli 2007 bis zum Som-<br />

mer 2009 auch in Schmölln (Kreis Altenburger Land) erprobt. Weitere Modelltests<br />

wurden ab 2008 in drei bayerischen Standorten mit vergleichsweise hoher Arbeitslo-<br />

sigkeit durchgeführt.<br />

Im ersten Förderzeitraum wurde die vierte Stufe im rechtlichen Rahmen der §§ 260<br />

ff. SGB III ausgestaltet; seit dem zweiten Förderjahr wird der Beschäftigungszu-<br />

schuss (§ 16e SGB II) <strong>für</strong> den Rechtskreis SGB II genutzt.<br />

Das Land Sachsen-Anhalt beteiligt sich seit dem Projektstart an der Finanzierung;<br />

aktuell werden 25% des Arbeitgeberbruttolohns sowie die entstehenden Sachkosten<br />

übernommen. Der Freistaat Thüringen hatte ebenfalls Anteil an der Finanzierung des<br />

Modelltests in Schmölln und begleitet auch weiterhin die Förderung der erhalten ge-<br />

bliebenen zusätzlichen Arbeitsplätze.<br />

Welche Ergebnisse und Erfahrungen resultieren aus der bisherigen Modeller-<br />

probung?<br />

Innerhalb der Stufen 1 und 2 haben sich an allen Modellstandorten mehr als 20 Pro-<br />

zent der Arbeitslosen binnen weniger Wochen in reguläre Beschäftigung abgemel-<br />

det, selbst in Regionen mit sehr schwieriger Arbeitsmarktsituation wie Sangerhau-<br />

sen. Ursächlich hier<strong>für</strong> war zum Teil auch die Einengung der Zeiträume <strong>für</strong> Tätigkei-<br />

ten in der Schattenwirtschaft.<br />

An allen Modellstandorten wurde die Arbeitslosigkeit um mehr als 50 Prozent ge-<br />

senkt.<br />

13


Sylvia Kühnel<br />

Abbildung 1<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Sep 06<br />

Nov 06<br />

Entwicklung der Arbeitslosigkeit in bespielhaften Modellstandorten der<br />

"Bürgerarbeit"<br />

Jan 07<br />

Mrz 07<br />

Mai 07<br />

Jul 07<br />

Sep 07<br />

Nov 07<br />

Jan 08<br />

Mrz 08<br />

Mai 08<br />

Jul 08<br />

Sep 08<br />

Nov 08<br />

Jan 09<br />

Mrz 09<br />

Bad Schmiedebg Gerbstedt Kelbra<br />

14<br />

Mai 09<br />

Jul 09<br />

Sep 09<br />

Mit der Teilnahme am Erwerbsleben verbessert sich auch die soziale und gesell-<br />

schaftliche Teilhabe. Dadurch gewinnen die Betreffenden neues Selbstwertgefühl<br />

und Motivation <strong>für</strong> die weitere Stellensuche. Dass der Eingliederungserfolg kein Ein-<br />

zelfall ist, zeigen die bisherigen Erfahrungen an allen Modellstandorten – im Schnitt<br />

haben etwa zehn Prozent der ehemals Chancenlosen zwischenzeitlich eine Tätigkeit<br />

auf dem Ersten Arbeitsmarkt aufgenommen, weitere fünf bis zehn Prozent haben mit<br />

einer Qualifizierung auf den neu erworbenen Kenntnissen und Fertigkeiten aufge-<br />

setzt.<br />

Die Analyse einer Grundgesamtheit von (ehemals) Arbeitslosen in Bad Schmiede-<br />

berg über einen Zeitraum von November 2006 bis zur Gegenwart ergab eine bestän-<br />

dige Einsparung von 35 - 38 Prozent der zum Projektstart gezahlten passiven Leis-<br />

tungen (Arbeitslosengeld II – Regelleistung und Leistungen <strong>für</strong> Unterkunft und Hei-<br />

zung).


Das Modellprojekt „Bürgerarbeit“ in Sachsen-Anhalt<br />

Gesamtfiskalisch funktioniert das Konzept annähernd kostendeckend, wie auch die<br />

Evaluation durch das <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> belegt.<br />

Wie ist der aktuelle Stand <strong>für</strong> eine weitere Umsetzung des Konzeptes in der<br />

Praxis?<br />

Im Abschlussbericht der Studie „Umsetzung des Workfare – Ansatzes im BMWi-<br />

Modell <strong>für</strong> eine Existenz sichernde Beschäftigung“ vom Mai 2008, erstellt vom Institut<br />

zur Zukunft der Arbeit (IZA), wurden das Konzept und die bisherige Erprobung sehr<br />

positiv bewertet und angeregt, „Bürgerarbeit“ im Rahmen eines kontrollierten Expe-<br />

riments mit zeitlicher Begrenzung in einer oder mehreren Großstädten einzuführen.<br />

Das Projekt fand Eingang in den Koalitionsvertrag innerhalb der Kapitel „Aktive Ar-<br />

beitsmarktpolitik“ und „Effizienzsteigerung bei den Arbeitsmarktinstrumenten“. Hier-<br />

nach wird die Koalition die Voraussetzungen da<strong>für</strong> schaffen, dass neue Lösungsan-<br />

sätze wie die „Bürgerarbeit“ ab Beginn der Arbeitslosigkeit erprobt werden können.<br />

Der Sorge vieler Menschen vor Abstieg und Überforderung soll begegnet werden,<br />

indem marktgerechte Arbeitsplätze gefördert werden statt Arbeitslosigkeit zu finan-<br />

zieren.<br />

15


Sylvia Kühnel<br />

16


Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

Finanzierung von Arbeit statt Arbeitslosigkeit -<br />

17<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

Ein Projekt zur Integration von Langzeitarbeitslosen seit November 2006<br />

<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e.V.<br />

Inhaltlich schließt sich dieser Beitrag an das Referat von Frau Kühnel von der Regio-<br />

naldirektion Sachsen-Anhalt Thüringen an und wird die dort schon aufgezeigten<br />

Grundlagen und Voraussetzungen des Projektes Bürgerarbeit nicht noch einmal be-<br />

leuchten. In diesem Artikel sollen einige andere Aspekte des Modellversuches „Bür-<br />

gerarbeit in Bad Schmiedeberg“ präsentiert werden. Das <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> Sozialfor-<br />

schung <strong>Halle</strong> hat dieses Projekt von Beginn an wissenschaftlich begleitet und evalu-<br />

iert. Die Evaluationsphase verlief von November 2006 bis Frühjahr 2008. Trotz Ab-<br />

schluss der Evaluation im Frühjahr 2008 wurde das Projekt weiterhin beobachtet und<br />

die Befragungsreihe fortgesetzt.<br />

Was will Bürgerarbeit?<br />

„Arbeitslose Menschen, die selbst bei guter Konjunkturlage<br />

keine Chancen am ersten Arbeitsmarkt haben,<br />

sollen im gemeinnützigen Bereich sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden.“<br />

So heißt es im „Qualitätssiegel Bürgerarbeit“ des Magdeburger Kreises (2006).<br />

Die Ursachen dieser zumeist langfristigen Chancenlosigkeit am ersten Arbeitsmarkt<br />

sind vielfältig und nicht immer im persönlichen Umfeld der Betroffenen zu suchen.<br />

Einige wären zum Beispiel ein höheres Alter, ein nicht mehr passender Beruf, feh-<br />

lende öffentliche und private Mobilität, Wohneigentum und eine sichere Beschäfti-<br />

gung des Partners, wodurch die Bereitschaft, die zumeist lebenslang gewohnte Re-<br />

gion zu verlassen, zusätzlich gesenkt wird.<br />

Die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen, die Bürgerarbeit bietet, müssen:<br />

• zusätzlich<br />

• marktfern und<br />

• sinnvoll <strong>für</strong> die Region oder die Kommune sein.<br />

Aber dazu später mehr.


<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

Zuerst soll die Region Bad Schmiedeberg, die hier im Mittelpunkt steht, kurz näher<br />

vorgestellt werden.<br />

Bad Schmiedeberg<br />

Bad Schmiedeberg ist ein kleines Städtchen mit 4200 Einwohnern. Es liegt im Her-<br />

zen des Naturparkes Dübener Heide im Osten Sachsen-Anhalts. Seit 1878 ist Bad<br />

Schmiedeberg Kurort und kennzeichnet sich durch eine landschaftlich-reizvolle, aber<br />

industriefreie Umgebung.<br />

Zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit<br />

Vor Projektbeginn, im September 2006, lag die Arbeitslosenquote bei knapp 16 Pro-<br />

zent. Durch Bürgerarbeit sank die Arbeitslosenquote auf sechs Prozent und blieb bis<br />

zum Beginn diesen Jahres auf diesem Niveau.<br />

Sowohl durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, aber vermutlich auch aufgrund<br />

personeller Umstellungen im Projekt Bürgerarbeit stieg die Arbeitslosigkeit auf etwa<br />

acht Prozent im Frühjahr 2009. Infolge formal-rechtlicher Regelungen gab es <strong>für</strong> Per-<br />

sonen aus dem SGB-III-Bereich keine Möglichkeit mehr, in Bürgerarbeit zu verblei-<br />

ben. Zwar wurden allen Betroffenen andere Maßnahmen angeboten, aber einige<br />

konnten oder wollten diese nicht in Anspruch nehmen.<br />

1. Das Projekt Bürgerarbeit, seine Akteure und Prozesse<br />

Die Akteure<br />

Die Hauptakteure, die sich <strong>für</strong> das Projekt „Bürgerarbeit“ an einen gemeinsamen<br />

Tisch setzten, waren:<br />

• das Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt,<br />

• die gemeinsame Arbeitsgruppe „Bürgerarbeit“ der Agentur <strong>für</strong> Arbeit und der<br />

ARGE Wittenberg,<br />

• die Stadt Bad Schmiedeberg als Kommune, in der das Projekt durchgeführt<br />

werden sollte,<br />

• die als Arbeitgeber fungierenden ausgewählten Trägergesellschaften, mit de-<br />

nen die Agentur <strong>für</strong> Arbeit und die ARGE Wittenberg schon langjährig in ande-<br />

ren arbeitsmarktpolitischen Projekten gut zusammenarbeitete,<br />

18


19<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

• die sogenannten „Einsatzstellen“, also die Arbeitsplätze der Bürgerarbeiter,<br />

die durch die zwei Träger und die Stadt Bad Schmiedeberg aquiriert wurden<br />

sowie<br />

• Vertreter der lokalen Wirtschaft.<br />

Übersicht 1: Akteure<br />

regionale Agentur regionale ARGE<br />

Gemeinsame Arbeitsgruppe<br />

„Bürgerarbeit“<br />

Lokale Wirtschaft<br />

Medien<br />

Von außen wurde das Projekt, vor allem im ersten Jahr, sehr genau von der Bevölke-<br />

rung der Stadt und des Landkreises und den Medien beobachtet.<br />

Schließlich dürfen als unmittelbare HAUPTAKTEURE <strong>für</strong> den Erfolg des Projektes<br />

natürlich die Bürgerarbeiterinnen und Bürgerarbeiter selbst nicht vergessen werden.<br />

Zwischen den Akteuren des Projektes Bürgerarbeit bestanden und bestehen große<br />

Abhängigkeiten. Die Rahmenbedingungen des Projektes waren durch die gesetzli-<br />

chen, zumeist arbeitsmarktpolitischen Bestimmungen vorgegeben, innerhalb dieses<br />

Rahmens waren aber alle Akteure mehr oder weniger gleichberechtigt. Um erfolg-<br />

reich zu sein, mussten und müssen sie miteinander reden, einander zuhören und<br />

aufeinander zugehen – sie verhandeln und handeln miteinander. Diese Aushand-<br />

lungsprozesse sollen im Folgenden – sowohl in ihrer zeitlichen als auch in ihrer in-<br />

haltlichen Ebene – etwas ausführlicher beschrieben werden.<br />

Die Aushandlungsprozesse<br />

Bürgerarbeit<br />

„Arbeitgeber“<br />

Träger 1<br />

Die Hauptaufgaben des Projektes liegen dabei schon in den Händen der Agentur<br />

<strong>für</strong> Arbeit und der ARGE, sind aber von ihnen allein weder durch Anweisung noch<br />

durch Kontrolle und Sanktionierung lösbar.<br />

Land Sachsen-Anhalt<br />

Träger 2<br />

Kommune<br />

Stadt Bad Schmiedeberg<br />

„Einsatzstellen“<br />

Bevölkerung<br />

Bürgerarbeiter/innen


<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

Die sonst deutlich hierarchisch voneinander getrennt agierenden Akteure sind in Pro-<br />

jekten wie Bürgerarbeit zu offenen, weitestgehend hierachiefreien Aushandlungspro-<br />

zessen gezwungen, da der Erfolg nur durch freiwilliges Engagement, Kooperation<br />

und Einsatz aller am Prozess Beteiligten erreicht werden kann. Trotzdem müssen<br />

bestimmte Weisungsrechte beachtet werden, wie die Prüfung der angebotenen Bür-<br />

gerarbeitsstellen und die Kontrolle der Einhaltung der Tätigkeitsbereiche.<br />

Im Projektverlauf waren verschiedene Aushandlungsprozesse, die terminlich nicht<br />

immer getrennt voneinander verliefen, notwendig.<br />

Nachdem die Projektidee „geboren“ war, gab es zuerst eine Reihe von Gesprächs-<br />

runden ( 1) zur Organisation und Finanzierung von Bürgerarbeit zwischen dem<br />

Land Sachsen-Anhalt und der regionalen Agentur <strong>für</strong> Arbeit und der entsprechenden<br />

ARGE.<br />

In diese Gespräche wurden dann ( 2) die ausgewählte Kommune, die Stadt Bad<br />

Schmiedeberg und zwei Trägergesellschaften, die als Arbeitgeber fungieren sollten,<br />

einbezogen. In mehreren Runden wurden die Projektidee und deren potentielle Um-<br />

setzung vorgestellt, diskutiert und die Organisations- und Umsetzungsstrukturen<br />

ausgehandelt. Zu diesem Zeitpunkt wurden mögliche Einsatzfelder noch nicht kon-<br />

kret benannt und eingegrenzt.<br />

In der nachfolgenden Phase ( 3) suchten die als Arbeitgeber fungierenden Träger-<br />

gesellschaften und die Stadt Bad Schmiedeberg in Absprache mit der Arbeitsgruppe<br />

der Agentur und ARGE nach potentiellen Einsatzstellen <strong>für</strong> die Bürgerarbeiter/innen.<br />

Seitens der Träger und der Kommune wurden diese potentiellen Einsatzstellen über<br />

die Projektidee und deren Organisation informiert ( 2).<br />

Auch zwischen den Trägern fanden Aushandlungsprozesse über die potentiellen<br />

Einsatzstellen statt. ( 3).<br />

Die Träger und die Kommune „übergaben“ an die Arbeitsgruppe der ARGE eine<br />

Übersicht über potentielle Einsatzstellen <strong>für</strong> die Bürgerarbeiter. Diese Arbeitsberei-<br />

che wurden diskutiert, auf die entsprechenden Kriterien wie Zusätzlichkeit, Martkfer-<br />

ne und Sinnhaftigkeit hin bewertet und entweder in den möglichen Einsatzkatalog<br />

aufgenommen oder gestrichen. Dieser Prozess ( 4) erfolgte nicht am Schreibtisch,<br />

sondern in Diskussion mit dem Land, mit Vertretern der lokalen Wirtschaft und mit<br />

den als Arbeitgeber fungierenden Trägern und der Kommune.<br />

20


21<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

In den darauffolgenden Gesprächsrunden wurden die ausgewählten Einsatzstellen<br />

von der Arbeitsgruppe der Agentur und ARGE über das Projekt und seine Struktur<br />

detailliert informiert, die Auswahl der Einsatzstellen und die Anforderungen an die<br />

erlaubten Tätigkeiten vorgestellt ( 5).<br />

Sowohl mit den Trägern als auch mit den ausgewählten Einsatzstellen wurden die<br />

notwendigen Kontrollmechanismen zur Sicherstellung der Marktferne der Tätigkeiten<br />

diskutiert ( 6). Diese Kontrollfunktion übernahm in der ersten Projektphase eine<br />

Projektmanagementgruppe aus drei ausgewählten Bürgerarbeitern, welche als Ver-<br />

bindung zwischen der Agentur/ARGE auf der einen Seite und den Trägern, ihren<br />

Einsatzstellen und den Bürgerarbeitern vor Ort auf der anderen Seite fungieren soll-<br />

te. Diese Projektmanagementgruppe diente sowohl der Aquirierung neuer Einsatz-<br />

stellen und der Kontrolle der Einhaltung der Tätigkeitsbereiche als auch als An-<br />

sprechpartner <strong>für</strong> alle Belange der Bürgerarbeiter/innen. Gleichzeitig führten aber<br />

sowohl die Arbeitsgruppe „Bürgerarbeit“ der Agentur/ARGE als auch die Träger und<br />

die Kommune selbstständig Kontrollen der Einsatzstellen durch.<br />

Übersicht 2: Akteure<br />

regionale Agentur regionale ARGE<br />

Gemeinsame Arbeitsgruppe<br />

„Bürgerarbeit“<br />

3. Mögliche<br />

Einsatzfelder<br />

4. Marktferne<br />

d. Einsatzfelder<br />

Lokale Wirtschaft<br />

PM<br />

„Arbeitgeber“<br />

Träger 1 Träger 2<br />

3<br />

Diese Aushandlungsprozesse stellen an alle Beteiligten hohe Anforderungen be-<br />

züglich der Offenheit, der Flexibilität und des Engagements.<br />

4<br />

1. Organisation, Finanzierung<br />

6. Kontrolle, Ansprechpartner<br />

2. Projektidee und Organisation<br />

5. Projektidee, Anforderungen, Struktur<br />

4.<br />

3<br />

Land Sachsen-Anhalt<br />

Kommune<br />

Stadt Bad Schmiedeberg<br />

6.<br />

3<br />

6.<br />

„Einsatzstellen“


<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

Aushandlungsprozesse und ihre Anforderungen<br />

Als wichtigste Anforderungen an alle Beteiligten kristallisierten sich in der Evaluation<br />

des Projektes vor allem sieben Punkte heraus:<br />

(1) Eine transparente Zielformulierung und Zielorientierung scheint in diesen<br />

Prozessen von besonderer Bedeutung zu sein. Allen Akteuren muss zu jedem Zeit-<br />

punkt des Projektes verständlich sein, WELCHES Ziel WIE erreicht werden soll. Die<br />

Orientierung auf dieses Ziel muss immer wie neu erfolgen und gegebenenfalls ver-<br />

änderten Strukturen angepasst werden.<br />

Eine wichtige Voraussetzung sind dabei (2) Projektarbeit- und Teamfähigkeit. Alle<br />

Beteiligten müssen zusammenarbeiten, Ideen einbringen, einander zuhören, Kom-<br />

promisse eingehen und aufeinander Rücksicht nehmen.<br />

Dabei verlangen diese Prozesse von den Akteuren (3) Offenheit, Flexibilität und<br />

Kreativität. Die Bereitschaft zur Offenheit ist insbesondere gefordert in der Kontrolle<br />

der Tätigkeitsbereiche, Flexibilität bei der Überwindung nicht vorhersehbarer Schwie-<br />

rigkeiten und Kreativität bei der Suche nach neuen Wegen, um Langzeitarbeitslose<br />

einer Region vor allem sozial besser integrieren zu können.<br />

Dazu ist ein (4) hohes Engagement aller Beteiligten und (5) die Bereitschaft zur<br />

Übernahme von Verantwortung notwendig.<br />

Allen Beteiligten wurde dabei ein hohes Maß an (6) Verhandlungs- und Kompro-<br />

missbereitschaft abverlangt. Niemand in diesem Projekt besaß ein alleiniges Wei-<br />

sungsrecht, sondern war immer auf die Unterstützung und Mitarbeit der anderen Ak-<br />

teure mit angewiesen. Für den Erfolg der Aushandlungsprozesse war dabei insbe-<br />

sondere eine (7) positive Feedback-Verarbeitung notwendig, um die Vorstellungen<br />

aller Akteure aufzunehmen und ihren Erwartungen weitestgehend gerecht werden zu<br />

können.<br />

Wie konnten diese hohen Anforderungen erfolgreich umgesetzt werden? Eine wichti-<br />

ge Rolle spielt dabei die Hierarchie der Akteure in diesem Projekt.<br />

22


Hierarchie der Akteure<br />

23<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

Die zentrale, von oben nach unten verlaufende Hierarchie mit einem weisungsbe-<br />

rechtigten Organ, wie sie in vielen Projekten üblich ist, konnte aufgrund der besonde-<br />

ren Anforderungen des Projektes und der damit verbundenen immer wiederkehren-<br />

den lokalen Aushandlungsprozesse nicht greifen.<br />

Sowohl die in festen hierarchischen Strukturen anweisenden Organe (Agentur <strong>für</strong><br />

Arbeit, ARGE) als auch die in solchen Strukturen untergeordneten, ausführenden<br />

Organe (Träger, Einsatzstellen) mussten zum Erfolg dieses Projektes Verhandlungs-<br />

bereitschaft zeigen und Verantwortung übernehmen und besaßen die Freiheit, Ent-<br />

scheidungen zu treffen. Alle saßen, weitestgehend gleichberechtigt, an einem runden<br />

Tisch. Ein Hauptergebnis der Evaluation war: Eine zentrale Steuerung hätte das Pro-<br />

jekt „Bürgerarbeit“ von vornherein zum Scheitern verurteilt.<br />

Einen der wichtigsten Inhalte dieser Aushandlungsprozesse bildeten die Tätigkeits-<br />

bereiche der Bürgerarbeiter/innen.<br />

Tätigkeitsbereiche der Bürgerarbeiter/innen<br />

Nicht nur die Anforderungen an die Akteure in den Aushandlungsprozessen, sondern<br />

auch die Anforderungen an die Tätigkeitsbereiche der Bürgerarbeiter/innen sind<br />

enorm hoch.<br />

Die Forderungen nach Marktferne der Tätigkeiten bei gleichzeitigem Anspruch an<br />

Sinnhaftigkeit und Zusätzlichkeit sowie (regionalem) Nutzen der Tätigkeiten ver-<br />

langen immer wiederkehrende Aushandlungsprozesse. Diese sind abhängig von den<br />

lokalen und regionalen Entwicklungen und gerade deshalb nicht von oben steuerbar<br />

und nur begrenzt zu beeinflussen.<br />

Die Einschätzung, ob eine Tätigkeit marktfern oder marktnah ist, ist vor allem von der<br />

Strukturstärke und der regionalen Entwicklung abhängig. Marktferne Tätigkeiten in<br />

strukturschwachen, finanziell armen Regionen können durchaus in strukturstarken,<br />

finanziell gut gestellten Regionen zu den marktnahen Tätigkeiten gehören. Vor allem<br />

deshalb ist es notwendig, in regelmäßigen Abständen die Entwicklungskraft der Re-<br />

gion neu zu bestimmen, die Tätigkeitsbereiche zu überprüfen und insbesondere bei<br />

Veränderungen in der regionalen Entwicklung über die Tätigkeitsbereiche neu zu<br />

diskutieren, zu verhandeln und zu entscheiden.


<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

2. Das Projekt Bürgerarbeit und die Bürgerarbeiter/innen<br />

Im Folgenden sollen ausgewählte Ergebnisse der Evaluation zu den Bürgerarbei-<br />

ter/innen im Mittelpunkt stehen.<br />

Die Evaluationsphase lief, wie anfangs schon kurz angeführt, von November 2006<br />

bis zum Frühjahr 2008. In dieser Zeit gab es mehrere Gesprächsrunden mit Vertre-<br />

tern des Landes Sachsen-Anhalt, der Agentur <strong>für</strong> Arbeit und der ARGE. Allen vor Ort<br />

beteiligten Akteure – die Kommune, die Träger, die Einsatzstellen und die Bürgerar-<br />

beiter – wurden zweimal in qualitativen Interviews befragt.<br />

Die ersten Bürgerarbeiter/innen begannen mit ihrer Tätigkeit im Dezember 2006. Die<br />

erste Befragung aller Bürgerarbeiter fand im März/April 2007 und die Zweite im No-<br />

vember 2007 statt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich sowohl Langzeitarbeitslose<br />

aus dem SGB-II und dem SGB-III-Bereich in Bürgerarbeit.<br />

Ab Januar 2009 entfiel die Berechtigung <strong>für</strong> Bürgerarbeit <strong>für</strong> Personen aus dem<br />

SGB-III-Bereich. Auch aus diesem Grund, aber vor allem aus Neugier, wie es im Pro-<br />

jekt weiterging, befragten wir außerhalb der Evaluation im Juni 2009 knapp die Hälfte<br />

aller noch im Projekt beteiligten Bürgerarbeiter/innen und Einsatzstellen sowie die<br />

beiden Träger, die Kommune, die zuständige ARGE und die Regionaldirektion Sach-<br />

sen-Anhalt Thüringen ein drittes Mal.<br />

Bürgerarbeiter/innen und ihre Motive <strong>für</strong> Bürgerarbeit<br />

In der Erstbefragung der Evaluation im März/April 2007 fragten wir nach den Motiven<br />

<strong>für</strong> die Aufnahme von Bürgerarbeit.<br />

84 Prozent der Bürgerarbeiter/innen gaben an, „endlich wieder Arbeit zu haben“<br />

sei <strong>für</strong> sie das Hauptmotiv gewesen. 64 Prozent fühlten sich wieder gebraucht und<br />

58 Prozent fanden, das Bürgerarbeit wichtig ist, in dem Sinne, dass Leistungen <strong>für</strong><br />

die Region und die Kommune, die allen zu Gute kommen, erbracht werden. Erst an<br />

vierter Stelle wurde die „finanzielle Verbesserung“ genannt, die allerdings nur auf<br />

die Bürgerarbeiter/innen zutraf, die zum SGB-III-Bereich gehören, also vor Bürgerar-<br />

beit keine Leistungen bezogen, vor allem deshalb, weil das Einkommen des Partners<br />

über der Leistungsgrenze lag.<br />

Keine Wahl gehabt zu haben, Bürgerarbeit also annehmen zu müssen, gaben zu<br />

diesem Zeitpunkt elf Prozent der Befragten an.<br />

24


Die Anforderungen und Belastungen durch Bürgerarbeit<br />

25<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

Zu allen drei Befragungszeitpunkten wurden die Bürgerarbeiter/innen um eine Ein-<br />

schätzung der Belastungen und Anforderungen, die sich aus ihrer Tätigkeit ergeben,<br />

gebeten. Alle Belastungen und Anforderungen wurden als niedrig (2) bis eher niedrig<br />

(3) eingeschätzt.<br />

Übersicht 3: Anforderungen und Belastungen (1 = sehr niedrig, 6 = sehr hoch)<br />

Arbeitsorganisatorische<br />

Belastungen<br />

Körperliche<br />

Anforderungen<br />

Gesundheitliche<br />

Belastungen<br />

2,00<br />

2,06<br />

2,06<br />

2,59<br />

2,37<br />

2,58<br />

2,33<br />

2,95<br />

3,32<br />

März/April 2007 November 2007 Juni 2009<br />

1 2 3 4 5 6<br />

Die geringste Rolle spielten dabei die arbeitsorganisatorischen Belastungen, also<br />

diejenigen, die sich vor allem aus Arbeitsort, Arbeitszeit und Arbeitsweg ergeben.<br />

Sichtbar wird, dass im Verlauf von der ersten zur zweiten Befragung, also von März<br />

zu November 2007, sowohl die körperlichen Anforderungen als auch die gesund-<br />

heitlichen Belastungen als zunehmend empfunden wurden. Dies erstaunt nicht.<br />

In der ersten Phase, der Einarbeitungsphase (Dezember 2006 – März 2007) muss-<br />

ten sich die Bürgerarbeiter/innen neuen Tätigkeiten stellen, sich einarbeiten und sich<br />

mit neuen Anforderungen auseinandersetzen. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie in<br />

ihren Einsatzstellen sehr eng betreut und begleitet.<br />

Im Verlauf des Projektes, praktisch nach Ende der Einarbeitungsphase im März/April<br />

2007 wurde von ihnen zunehmend selbstständigeres Arbeiten erwartet, was <strong>für</strong> nicht<br />

wenige von Ihnen eine nicht unbedingt neue, aber doch lange nicht erfahrene Anfor-<br />

derung darstellte. Gleichzeitig brachten sich viele von ihnen stärker in ihre Tätigkeit<br />

ein, füllten ihre Aufgaben kreativer aus und mit zunehmenden Selbstbewusstsein<br />

übernahmen sie auch mehr Tätigkeiten ohne ständige Kontrolle und Anleitung.<br />

Der Rückgang der empfundenen körperlichen Anforderungen im Zeitraum von No-<br />

vember 2007 zu Juni 2009 lässt sich vor allem mit der abgeschlossenen Gewöhnung


<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

an die anstehenden Arbeiten erklären. Die Bürgerarbeiter/innen sind sozial integriert,<br />

kennen ihre Aufgaben genau und erfüllen diese weitestgehend ohne direkte Anlei-<br />

tung.<br />

Bei den gesundheitlichen Belastungen spielen neben den Anforderungen der Tätig-<br />

keiten auch die Unsicherheit über die Weiterführung des Projektes eine nicht zu ver-<br />

nachlässigende Rolle. Viele Bürgerarbeiter/innen zeigten sich im November 2007<br />

stark verunsichert bezüglich ihrer zukünftigen Tätigkeit, da zu diesem Zeitpunkt noch<br />

nicht feststand, ob das Projekt ab Januar 2009 weitergeführt wird oder nicht.<br />

Im Juni 2009 war diese Verunsicherung noch nicht so stark zu spüren, aber ange-<br />

sprochen wurde die Frage zur Weiterführung des Projektes von fast allen Bürgerar-<br />

beiter/innen. Auch die Einsatzstellen betonten zu beiden Befragungszeitpunkten,<br />

dass diese Unsicherheit mit zunehmender Nähe des Jahresende immer stärker bei<br />

den Bürgerarbeiter/innen zu spüren sei und auch die Einsatzstellen stark beschäftigt.<br />

Vielleicht könnte hier durch eine stärkere Einbeziehung der Kommune und der Trä-<br />

ger in die Bemühungen um die Weiterführung von Bürgerarbeit etwas Unsicherheit<br />

genommen werden.<br />

Nach der Frage zu den Anforderungen und Belastungen interessierte natürlich auch<br />

die Zufriedenheit der Bürgerarbeiter/innen.<br />

Die Zufriedenheit der Bürgerarbeiter/innen<br />

Insgesamt zeigt sich in fast allen Bereichen eine erstaunlich hohe Zufriedenheit der<br />

Bürgerarbeiter/innen.<br />

Die höchste Zufriedenheit zeigte sich – in der folgenden Übersicht nicht mit abgebil-<br />

det - bei der Partnerschaft mit 8,47 Punkten im Juni 2009. An zweiter Stelle, kurz da-<br />

hinter und deutlich vor den anderen Bereichen, liegt die Zufriedenheit mit der Arbeit.<br />

Die Ursache <strong>für</strong> die leichte Abnahme der Zufriedenheit in diesem Bereich von No-<br />

vember 2007 zu Juni 2009 sehen wir vor allem in den notwendigen Umsetzungen<br />

von Bürgerarbeiter/innen in andere Einsatzstellen zu Beginn des Jahres durch den<br />

Wegfall der Bürgerarbeiter/innen aus dem SGB-III-Bereich.<br />

26


27<br />

Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg<br />

Übersicht 4: Zufriedenheit (0 = niedrigste … 10 = höchste Zufriedenheit)<br />

Arbeit<br />

Leben allgemein*<br />

Haushaltseinkommen<br />

Individualeinkommen<br />

5,92<br />

5,56<br />

5,56<br />

5,48<br />

5,82<br />

5,81<br />

7,69<br />

7,72<br />

8,41<br />

8,72<br />

8,63<br />

Juni 2009**<br />

November 2007<br />

März/April 2007<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Die Zufriedenheit mit den erzielten Einkommen (sowohl Haushalts- als auch Indivi-<br />

dualeinkommen) ist deutlich geringer. Die Abnahme der Zufriedenheit bei den Indivi-<br />

dualeinkommen lässt sich auch durch den Wegfall der Personen aus dem Rechts-<br />

kreis SGB III erklären, da <strong>für</strong> diese ja das Einkommen aus Bürgerarbeit ein echtes<br />

zusätzliches Einkommen darstellte, <strong>für</strong> Personen aus dem Rechtskreis SGB II das<br />

Einkommen aber nur geringfügig über dem früheren Arbeitslosengeld liegt.<br />

Deutlich sichtbar wird, dass die Arbeit an sich einen höheren zufriedenheitstiftenden<br />

Wert darstellt als das Einkommen. Dies zeigte sich auch in der Auswertung der Fra-<br />

ge nach dem Nutzen, also danach, was Bürgerarbeit den Bürgerarbeiter/innen gibt<br />

Der Nutzen <strong>für</strong> die Bürgerarbeiter/innen und die Einsatzstellen<br />

An erster Stelle wurden von allen Bürgerarbeiter/innen selbstwertsteigernde Faktoren<br />

wie „ich fühle mich gebraucht“, „ich werde anerkannt“, „ich gehöre wieder dazu“ ge-<br />

nannt. Diese Selbstwertsteigerung, die damit verbundene soziale Integration und<br />

Anerkennung sind von besonders hohem Wert – vor allem <strong>für</strong> diejenigen, die in Bür-<br />

gerarbeit beschäftigt sind, aber auch <strong>für</strong> die Region und damit letztlich natürlich auch<br />

<strong>für</strong> die Gesamtgesellschaft eines Landes. Selbstwert, soziale Integration und Zufrie-<br />

denheit sind eng miteinander verbundene Faktoren, die das Lebensklima, die soziale<br />

Atmosphäre eines regionalen Raumes nachhaltig bestimmen.<br />

Der Erhalt und die Erhöhung ihres Humankapitals durch den Abruf von altem und<br />

dem Aufbau von neuem Wissen, das Sammeln von Arbeitserfahrungen und durch


<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

die tägliche Auseinandersetzung mit gestellten Aufgaben und Anforderungen bildet<br />

einen weiteren Nutzen <strong>für</strong> die Bürgerarbeiter/innen, den sie während ihrer Arbeitslo-<br />

sigkeit nicht erfahren haben.<br />

Für einige Bürgerarbeiter/innen ergab sich eine deutliche Verbesserung ihrer Ar-<br />

beitsmarktposition und sie schafften den Übergang in den ersten Arbeitsmarkt.<br />

Bisher sind offenbar alle Bürgerarbeiter/innen, die während der Projektphase einen<br />

Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt fanden, noch immer dort beschäftigt.<br />

Doch nicht nur die Bürgerarbeiter/innen, sondern auch die Einsatzstellen und damit<br />

insbesondere die Region Bad Schmiedeberg konnten einen nicht zu vernachlässi-<br />

genden Nutzen <strong>für</strong> sich erreichen: Neben der mit dem Einsatz der Bürgerarbei-<br />

ter/innen verbundenen Arbeits- und Zeitentlastung <strong>für</strong> Beschäftigte und/oder Ver-<br />

einsmitglieder konnten einige Einsatzstellen ihr Leistungsangebot aufrechterhalten<br />

und/oder erweitern. Andere Einsatzstellen erprobten <strong>für</strong> sich neue Beschäftigungs-<br />

formen und alle Einsatzstellen gewannen neue Erfahrungen und vor allem Sicher-<br />

heiten bei der Integration geförderter Beschäftigter in den Arbeitsalltag. Insgesamt<br />

stellten die Einsatzstellen deutlich unter Beweis, dass sie als verlässlicher Partner<br />

<strong>für</strong> die Stadt, die Agentur und ARGE sowie Träger bereit sind, Investitionen in Sozi-<br />

alkapital zu leisten und soziale Verantwortung <strong>für</strong> die Menschen, insbesondere <strong>für</strong><br />

die Langzeitarbeitslosen ihrer Regionen zu übernehmen.<br />

28


Bürgerarbeit in Bayern<br />

29<br />

Bürgerarbeit in Bayern<br />

Ein innovatives Konzept zur Senkung von Arbeitslosigkeit im Freistaat Bayern<br />

Undine Schreiber<br />

Projektleiterin, Regionaldirektion Bayern<br />

Das Projekt „Bürgerarbeit“ hat sich in bisher zehn Modellstandorten in Sachsen-<br />

Anhalt, Thüringen und Bayern als erfolgreiches und anerkanntes Konzept zur nach-<br />

haltigen Reduzierung von Arbeitslosigkeit bewährt. In allen Modellregionen ging die<br />

Arbeitslosigkeit nachweisbar dauerhaft zurück. Aufbauend auf der Konzeption aus<br />

Sachsen-Anhalt konnte das Projekt durch die konsequente Weiterentwicklung und<br />

Anpassung des Konzepts an regionale Gegebenheiten mit ebenso guten Ergebnis-<br />

sen in den drei bayerischen Städten mit vergleichsweise hoher Arbeitslosenzahl -<br />

Weiden, Hof und Coburg - umgesetzt werden. Denn: Es sollte Arbeit statt Arbeitslo-<br />

sigkeit finanziert werden.<br />

Die Grundidee der Bürgerarbeit besteht in der konsequenten Aktivierung des gesam-<br />

ten Arbeitslosenbestandes unabhängig von dessen Rechtskreiszugehörigkeit.<br />

Gleichzeitig wird denjenigen Menschen eine zusätzliche sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung angeboten, die trotz guter konjunktureller Lage auch mittelfristig keine<br />

Chance am Ersten Arbeitsmarkt haben werden. Die Devise lautet: Jeder erhält ein<br />

Angebot und zwar eines, das auf seine individuelle Situation zugeschnitten ist.<br />

Über ein vierstufig kaskadiertes System wird jedem Arbeitslosen so ein Angebot un-<br />

terbreitet. Dazu werden in einer ersten Stufe alle Arbeitslosen zu einem Beratungs-<br />

gespräch in die Agentur <strong>für</strong> Arbeit bzw. zum Grundsicherungsträger eingeladen. Ziel<br />

des Gesprächs ist die Feststellung der aktuellen Bedarfe und Ressourcen des Kun-<br />

den. Ist die Nähe zum Arbeitsmarkt bestimmt, können weitere Schritte in Richtung<br />

der individuellen Integration unternommen werden. In einer zweiten Stufe werden die<br />

marktnahen Kunden durch eine individuelle intensive Beratung so rasch wie möglich<br />

vermittelt. Sofern ein Bedarf <strong>für</strong> eine Erweiterung der Kenntnisse und Fertigkeiten<br />

deutlich wurde, kommen im Rahmen der dritten Stufe geeignete Maßnahmen und<br />

Instrumente, zum Beispiel Weiterbildungsangebote, zum Einsatz, die mit den regio-<br />

nalen Arbeitgebern abgestimmt sein sollten. Erst wenn geförderte und eigene Aktivi-<br />

täten nicht zum Ziel führten, wird im Rahmen der vierten Stufe die „Bürgerarbeit“ als<br />

zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsalternative offeriert.


Undine Schreiber<br />

Der Einsatz in der „Bürgerarbeit“ orientiert sich an den Fähigkeiten und Kenntnissen<br />

des Einzelnen. Die Beschäftigungsfelder werden nach strengsten Maßstäben ausge-<br />

sucht, so dass „Bürgerarbeit“ keine regulären Beschäftigungsverhältnisse substituiert<br />

und die regionale Wirtschaft auch anderweitig nicht beeinträchtigt. Dabei haben die<br />

bisherigen Erfahrungen gezeigt, dass es möglich ist, eine ausreichende Zahl von<br />

Stellen zu akquirieren, um den Arbeitslosen, die derzeit keine Chance auf dem Ers-<br />

ten Arbeitsmarkt haben, eine sinnvolle Tätigkeit zu ermöglichen.<br />

Die zielgerichtete Gesprächsführung mit dem Kunden und das Engagement hinsicht-<br />

lich einer konsequenten Beratung sind erfolgsentscheidend. Hier<strong>für</strong> ist es vorteilhaft,<br />

dass die Integrationsfachkräfte Grundkenntnisse des Personalrechts besitzen, um<br />

insbesondere auch in Bezug auf Arbeitszeugnisse und deren Wirkungen beraten zu<br />

können. Unter der sorgfältigen Berücksichtigung der persönlichen Situation des Ein-<br />

zelnen wird durch stringente Nutzung des operativen Programms der Arbeitsagentur<br />

bzw. des Grundsicherungsträgers das Ziel der schnellstmöglichen Integration in den<br />

Ersten Arbeitsmarkt verfolgt.<br />

Es ist wichtig, beim Kunden zur Veränderungsmotivation anzuregen. Der Kunde soll-<br />

te die derzeit bestehende Situation seiner Arbeitslosigkeit als seinen Job verstehen.<br />

Er muss diese Situation also so gut beherrschen lernen, wie er in seinem zukünftigen<br />

Job arbeiten möchte. Die Veränderung muss als Chance aufgefasst werden.<br />

Quelle: Vera Birkenbihl<br />

30


31<br />

Bürgerarbeit in Bayern<br />

Die „Arbeit am Bürger“ ist ein komplexes Konstrukt und kann demnach kein Projekt<br />

der Arbeitsverwaltung allein sein. Unmittelbar Beteiligter sollte deshalb die Kommune<br />

oder der Landkreis mit einem eigenen Projektverantwortlichen sein, der die Kommu-<br />

ne bzw. den Landkreis in den regelmäßig tagenden Lenkungsausschüssen zur Ab-<br />

stimmung verschiedenster Maßnahmen und Aktionen vertritt. Teilnehmer dieses<br />

Gremiums sind jeweils die Projektverantwortlichen der Arbeitsagentur, des Grundsi-<br />

cherungsträgers, der Kommune sowie der Regionaldirektion Bayern. Der Turnus soll-<br />

te im Einvernehmen festgelegt und nicht zu weit gefasst sein, um gegebenfalls noch<br />

rechtzeitig Steuerungsmaßnahmen ergreifen zu können.<br />

Die Kommune bzw. der Landkreis kann einen direkten Beitrag zum Projekt und damit<br />

auch zu dessen Erfolg beisteuern. Vor allem können sie unterstützend wirken durch:<br />

• die Erstellung einer aktuellen Sozialraumanalyse, um Schwerpunkte der Stadt<br />

zu erarbeiten,<br />

• die Schaffung von Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur,<br />

• die Optimierung der sozialintegrativen Leistungen insbesondere die Einrichtung<br />

einer flexiblen Kinderbetreuung und kurze Wartezeiten <strong>für</strong> einen Termin bei der<br />

Schuldner- und Suchtberatung,<br />

• die Optimierung der Zusammenarbeit der Jugend-/Erziehungshilfe mit den An-<br />

geboten der Arbeitsverwaltung – zum Beispiel durch eine Kopplung von Ju-<br />

gendhilfeplan und Eingliederungsvereinbarung,<br />

• eine Erweiterung der Schulsozialarbeit und der Analysen an der ersten Schwel-<br />

le des Überganges von der Schule in den Beruf,<br />

• die Einrichtung niederschwelliger Maßnahmen und Streetwork sowie<br />

• die Einrichtung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten.<br />

Um tatsächlich zu gewährleisten, dass durch die zusätzlichen Beschäftigungsplätze<br />

keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden, bietet es sich an, einen Beirat unter<br />

unmittelbarer Beteiligung der Kammern und Gewerkschaften einzurichten. Als güns-<br />

tig stellte sich die Einrichtung eines Arbeitskreises innovativer Unternehmer heraus.<br />

Über diesen wurden im „Stille-Post-Verfahren“ die regionalen Unternehmer besser<br />

über das Projekt, dessen Inhalte und wie sie das Vorhaben unterstützen können in-<br />

formiert, als dies in verschiedenen Zusammenkünften und Medienberichten möglich<br />

war. So ist es auch nicht verwunderlich, dass einige Unternehmer erklärten, selbst<br />

einen Beitrag <strong>für</strong> das Projekt leisten zu wollen und einen Bürgerarbeiter einstellten.


Undine Schreiber<br />

War zu Beginn noch Skepsis vorhanden, stellte sich nach relativ kurzer Zeit Zufrie-<br />

denheit ein. Die Bürgerarbeiter waren fleißig und hilfsbereit und die fest eingestellten<br />

Fachkräfte konnten intensiver ihren ureigentlichen Aufgaben nachgehen. Bei einigen<br />

Unternehmern besteht so nun die Überlegung, diesen Bürgerarbeitern trotz ihrer<br />

zwar verringerten, aber noch bestehenden Einschränkungen einen festen Arbeitsver-<br />

trag anzubieten und weitere Bürgerarbeiter einzustellen.<br />

Verschiedene Beispiele aus den Modellstandorten haben gezeigt, dass Bürgerarbeit<br />

keine Einbahnstraße oder Endstation ist. Die Erwerbsfähigkeiten und Qualifikationen<br />

bleiben erhalten, können (wieder) aufgebaut oder erweitert werden. Über die Bürger-<br />

arbeit werden die gesundheitlichen und sozialen Folgekosten einer Erwerbslosigkeit<br />

gemindert und die sozialen Beziehungen der ehemals arbeitslosen Menschen stabili-<br />

siert. Über diese positiven – finanziell nicht eindeutig quantifizierbaren – Nebeneffek-<br />

te der Beschäftigung in Bürgerarbeit erhöhen sich nicht nur das Selbstwertgefühl und<br />

die persönliche Motivation. Der ehemals Arbeitslose erhält sich durch diese aner-<br />

kannte Arbeit seine Würde und fasst Mut, sich mit Unterstützung der Integrations-<br />

fachkraft wieder <strong>für</strong> dem Ersten Arbeitsmarkt zu bewerben. Durch die geänderte<br />

Ausstrahlung werden die Reaktionen darauf weniger ablehnend sein, und selbst Ab-<br />

sagen können besser verarbeitet werden.<br />

Die Nutzung des gesamten regionalen Netzwerkes und dessen Erweiterung ist dem-<br />

nach der entscheidende Baustein <strong>für</strong> den Projekterfolg. Konsequent werden alle Be-<br />

teiligten eingebunden und Schnittstellen optimiert. Da<strong>für</strong> ist es notwendig, dass alle<br />

Akteure an einem Strang ziehen, in die gleiche Richtung mit möglichst ähnlicher<br />

Kraftanstrengung.<br />

Alle Beteiligten:<br />

• Kunden und Mitarbeiter,<br />

• direkte Kooperationspartner wie Kommune oder Landkreis, aber auch:<br />

o das Bundesamt <strong>für</strong> Migration und Flüchtlinge (Sprachkurse),<br />

o das Bayerische Staatsministerium <strong>für</strong> Arbeit und Sozialordnung, Familie und<br />

Frauen (insbesondere ESF-Maßnahmen und AMF-Projekte),<br />

• die Regierung (Investitionsförderungen),<br />

• Bildungsträger (enge Abstimmung mit Arbeitgeber, damit nicht am Markt vorbei<br />

qualifiziert wird),<br />

32


• Arbeitgeber,<br />

33<br />

Bürgerarbeit in Bayern<br />

• Gewerkschaften und Kammern (auch erforderliche Gremien wie ARGE-Beirat,<br />

Verwaltungsausschuss, Personalrat etc.),<br />

• ServiceCenter (z.B. Terminierungen und Outbound-Aktionen),<br />

• Wohlfahrtsverbände und Vereine (z.B. niederschwellige Maßnahmen und zu-<br />

sätzliche Beschäftigungsalternativen)<br />

• sowie die Öffentlichkeit (= Bewusstseinssteigerung in der Region)<br />

arbeiten ganz gemäß dem Motto „Wer alleine arbeitet, addiert, wer zusammen arbei-<br />

tet, multipliziert!“ gemeinsam. Grundvoraussetzung ist dazu selbstverständlich, die<br />

regionale Wirtschaftslage und das soziale Umfeld des Projektgebiets umfassend zu<br />

kennen, um aktiv – und nicht reaktiv – auf die Projektpartner zugehen zu können.<br />

Wichtig ist, dass alle Arbeitsmarktpartner eng zusammen arbeiten. Durch das Projekt<br />

und die dadurch aufgebauten Netzwerke entsteht ein „Wir-Gefühl“ aller Beteiligten.<br />

Menschen nach langer Arbeitslosigkeit Hoffnung zu geben und sie mit einem unter-<br />

schriebenen Arbeitsvertrag zu verabschieden, ist größte Bestätigung jedes einzelnen<br />

Mitarbeiters.


34<br />

Kommune/Landkreis<br />

Maßnahmen zur Verbesserung der<br />

Infrastruktur,<br />

z.B. Aufbau des Tourismus<br />

Maßnahmen zur Optimierung der<br />

Nutzung sozialintegrativer Leistungen<br />

Einrichtung niedrigschwelliger Maßnahmen<br />

z.B. Jugendprojekte im<br />

Rahmen von Arbeitsgelegenheiten<br />

Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze<br />

im Rahmen von<br />

§ 16e SGB II, Arbeitsgelegenheiten in<br />

Entgeltvariante und § 421 h SGB III<br />

Bürgerarbeit in Bayern – Einbindung aller Beteiligten<br />

Agentur <strong>für</strong> Arbeit,<br />

Arbeitsgemeinschaft Beteiligte Dritte<br />

Stufe 1<br />

Aktivierung der Bewerber<br />

Stufe 2<br />

Intensivierung der Vermittlungsaktivitäten<br />

Stufe 3<br />

Einsatz geeigneter Maßnahmen und Instrumente<br />

Stufe 4<br />

Akquise zusätzlicher<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

Servicecenter<br />

Arbeitgeber;<br />

Gewerkschaften/Kammern<br />

AM-Gespräche<br />

Außendienste zum AG<br />

Abstimmung mit örtlichem AM<br />

Bildungsträger<br />

Einrichtung neuer Qualifizierungsmaßnahmen<br />

Qualitätssteigerung vorhandener<br />

Maßnahmen<br />

öffentliche Träger/Arbeitgeber<br />

Arbeitsgelegenheiten (SGB II; in<br />

Mehraufwands- oder Entgeltvariante)<br />

§ 16e SGB II<br />

ABM und § 421h SGB III<br />

Förderung<br />

Gewinnung zusätzlicher Fördermittel:<br />

Bund: § 16e SGB II, Arbeitsgelegenheiten in Entgeltvariante, BAMF (Einrichtung zusätzlicher Sprachkurse)<br />

EU/ Land Bayern/ Regierung: ESF, AMF, EFRE<br />

Wohlfahrtsverbände/Kirchliche Einrichtungen<br />

Undine Schreiber


Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

Lokale Zusammenschlüsse als Krisenmanagement -<br />

der Nachwuchskräftepool am Chemiestandort Leuna<br />

35<br />

Bettina Wiener<br />

<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e.V.<br />

Mit der sich verstärkenden Rezession zum Jahreswechsel 2008/2009 und der sich<br />

daraus ergebenden rückläufigen Geschäftsentwicklung und unsicheren Auftragslage<br />

vieler Unternehmen kam es auch zu einer Abnahme der Berufsausbildungsaktivität<br />

am Chemiestandort Leuna. Es wurde zum Frühjahr 2009 berichtet, dass die Krisen-<br />

erfahrung in vielen Unternehmen sowohl die Ausbildungsbereitschaft als auch das<br />

Übernahmeverhalten nach Berufsausbildungsabschluss stark beeinträchtigt hat.<br />

Zeitgleich gingen dieselben Unternehmen davon aus, dass bei einer Neubelebung<br />

der Wirtschaft in der nächsten Zeit die Fachkräftesicherung in ihren Betrieben deut-<br />

lich schwieriger wird. Ihnen war bewusst, dass sie die jungen Facharbeiter, in deren<br />

Ausbildung sie viel Geld und Zeit investiert haben, eigentlich am Standort halten und<br />

ihnen Zukunftsperspektiven bieten müssten, statt sich von ihnen nach Ausbildung-<br />

sende zu trennen. Sie sahen aber keine Lösung <strong>für</strong> dieses Dilemma.<br />

In eben jener Situation hat sich, initiiert durch die TVS Personalservice GmbH am<br />

Chemiestandort Leuna, ein Konsortium von sechs Zeitarbeitsunternehmen gefunden,<br />

das <strong>für</strong> Nachwuchskräfte eine Brücke zwischen Ausbildung und Beschäftigung baut.<br />

Der eingeschlagene Lösungsweg beruht auf einer Idee, die 2003 in einer ähnlichen<br />

Notlage zur Fachkräftesicherung entwickelt wurde. Die TVS Personalservice GmbH<br />

gründet nun im Mai 2009 mit Unterstützung anderer Zeitarbeitsfirmen und den neuen<br />

Anforderungen entsprechend angepasst zum zweiten Mal einen so genannten<br />

Nachwuchskräftepool am Chemiestandort Leuna.<br />

In dem nachfolgenden Text geht es um Kooperationsmodelle zur Beschäftigungssi-<br />

cherung. Dabei soll auf fünf Punkte eingegangen werden. Als erstes wird der Frage<br />

nachgegangen, ob wir aus ostdeutschen Krisenerfahrungen lernen können (1). Im<br />

Weiteren wird der Nachwuchskräftepool von der Idee bis zur realen Umsetzung (2)<br />

als ein Kooperationsmodell zur Beschäftigungssicherung (3) vorgestellt. Daran an-<br />

schließend wird das Für und Wider von Poollösungen (4) diskutiert. Und zum<br />

Schluss folgt ein Plädoyer <strong>für</strong> Lokale Zusammenschlüsse als Krisenmanagement (5).


Bettina Wiener<br />

1. Können wir aus ostdeutschen Krisenerfahrungen lernen?<br />

Einer der beiden diesjährigen Nobelpreise <strong>für</strong> Wirtschaft wurde an Elinor Ostrom<br />

(Professorin <strong>für</strong> Politikwissenschaft an der Indiana University Bloomington) vergeben,<br />

<strong>für</strong> ihre wissenschaftliche Arbeit zu der Frage, wie man gemeinsame Ressourcen<br />

vernünftig und nachhaltig bewirtschaftet. Diese Vergabe ist ein beredtes Beispiel <strong>für</strong><br />

den Zeitgeist der Diskussionen um lokale Governance.<br />

In Ostroms Forschungserkenntnissen sind weder der Markt noch die Kollektivierung<br />

Garanten da<strong>für</strong>, dass mit kollektiven Ressourcen sinnvoll umgegangen wird. Ihr<br />

deutscher Kollege Hegselmann von der Universität Bayreuth (Inhaber des Lehrstuhls<br />

Philosophie) sagt dazu: "Es ist manchmal der Markt, der hilft. Manchmal die Kollekti-<br />

vierung und manchmal eben eine lokale Lösung. Patentrezepte funktionieren nicht -<br />

die Vorort-Bedingungen bestimmen, welche Lösung die richtige ist.“ (idw 2009)<br />

So ist an unterschiedlichen Stellen und in verschiedenen Kontexten zu beobachten,<br />

dass in lokalen und regionalen Initiativen neuartige Formen der im öffentlichen Inte-<br />

resse liegenden Leistungen entstehen. Es ist zu erwarten, dass die Zahl und Vielfalt<br />

dieser neuen Formen der Leistungserbringung deutlich zunehmen wird – nicht zuletzt<br />

im Zusammenhang mit den offenkundigen Funktionsproblemen wichtiger Teile der<br />

Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und dem hieraus resultierenden, rasch wachsenden<br />

Reform- und Innovationsdruck. Hier erfordern neue Herausforderungen neue Wege.<br />

Das Zustandekommen und Funktionieren dieser öffentlichen Leistungen setzt in er-<br />

heblichem Maß das Zusammenwirken verschiedener koordinierter Initiativen, Ver-<br />

handlungen und Vereinbarungen voraus. An der Konzeption und an der Erbringung<br />

der Leistung, gegebenenfalls auch an der Ergebniskontrolle, sind Akteure verschie-<br />

dener Art und unterschiedlicher rechtlicher Stellung aktiv beteiligt. Dies können Be-<br />

hörden ebenso wie Verbände und Vereine, aber auch Einrichtungen sein, die auf<br />

anderen Feldern üblicherweise privatwirtschaftlich handeln.<br />

Wichtige Voraussetzung zum Gelingen solcher Initiativen ist, dass sich die an der<br />

Leistungserbringung beteiligten Akteure bereits kennen. Erfahrungen in der Zusam-<br />

menarbeit zwischen den Unternehmen und enge informelle Beziehungen der Partner<br />

sind somit sehr förderlich. (Becker u. a. 2007) Das heißt, räumliche, soziale und öko-<br />

nomische Nähe sowie ausreichendes Vertrauen zwischen den Akteuren ist ein un-<br />

bedingtes Erfordernis. Der Start solcher Initiativen erfordert von einem nennenswer-<br />

36


37<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

ten Teil der beteiligten Akteure besondere Leistungen, und mit ihrer Initiierung kön-<br />

nen sich erhebliche PR-Bemühungen verbinden (Baumfeld 2007, S.3).<br />

Aktivitäten der hier interessierenden Art tragen zumeist Kampagnencharakter und<br />

sind in aller Regel zeitlich befristet. Der Nachwuchskräftepool ist beispielsweise ein<br />

Weg zur Lösung des temporären Konfliktes zwischen dem aktuellen Überangebot an<br />

hochmotivierten jungen Fachkräften, die den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt<br />

nicht oder nur sehr mühselig bewältigen und dem morgigen Bedarf an qualifizierten<br />

und erfahrenen Fachkräften, der aufgrund des Geburtenrückganges schwer zu be-<br />

wältigen sein wird (Wiener 2005).<br />

Erfahrungen bei der Erbringung dieser öffentlichen Leistungen wurden in den letzten<br />

Jahren bereits vermehrt in den neuen Bundesländern gesammelt, in denen sich die<br />

Problemlagen häuften, so dass Veränderungen und Eigeninitiativen besonders gebo-<br />

ten erschienen. Diese Aktivitäten entstanden und entstehen vor allem dort, wo Logi-<br />

ken und Strukturen bereits brüchig geworden sind oder doch zumindest Störungen<br />

und funktionale Defizite erkennen lassen. Aus den Erfahrungen, die gerade die ost-<br />

deutsche Gesellschaft in den Umbruchszeiten gesammelt hat, lässt sich das eine<br />

oder andere in Zeiten der Krise sinnvoll übertragen. Der Nachwuchskräftepool ist ein<br />

Beispiel da<strong>für</strong>.<br />

2. Vom Modell zur Wirklichkeit<br />

Der Einsatz von flexiblen Beschäftigungsmodellen wie dem Nachwuchskräftepool<br />

war zum Zeitpunkt seiner Erstgründung im Jahr 2003 personalwirtschaftlich noch<br />

relatives Neuland. Erste Beispiele <strong>für</strong> zwischenbetriebliche Poolmodelle fanden sich<br />

damals <strong>für</strong> Deutschland beispielsweise bei einer Tochterfirma der Bayer AG („Jobac-<br />

tive“), bei Randstad Deutschland („Arbeitskräftepool Metall“) oder bei der Bankpower<br />

GmbH, die den Pool „Secretary and Assistant Management“ im Rahmen der Arbeit-<br />

nehmerüberlassung koordinierte. (Stalitza, Tscheulin 2002) Außerdem gab es erste<br />

Bemühungen in Deutschland, sogenannte „Groupements d´Employeurs“, zu Deutsch<br />

„Arbeitgeberzusammenschlüsse“, (tamen 2003) ins Leben zu rufen.<br />

Das explizite Ziel im Nachwuchskräftepool war und ist es, kleinen und mittelständi-<br />

schen Unternehmen bei der Überwindung von strukturellen Strategiedefiziten zu hel-<br />

fen. Diese bestehen darin, dass Unternehmen einen zukünftigen Fachkräftebedarf<br />

bereits benennen können, aber aus einer strukturellen Notlage heraus sich nicht im<br />

Stande sehen, rechtzeitig da<strong>für</strong> Vorsorge zu leisten.


Bettina Wiener<br />

In diese Situation gerieten Ende der neunziger Jahre viele Unternehmen in den neu-<br />

en Bundesländern, als abzusehen war, dass etwa ein Viertel aller Beschäftigten in<br />

den nächsten zehn Jahren in Rente gehen wird, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu<br />

dem die extrem geburtenschwachen Jahrgänge der Anfang neunziger Jahre in das<br />

Berufsausbildungssystem eintreten. Damit war ein Nachwuchskräftemangel durch<br />

die sogenannte demografische Falle 1 vorprogrammiert, auf den es zu reagieren<br />

galt.<br />

Die demografischen Turbulenzen mit zunehmenden Abwanderungstendenzen junger<br />

Ostdeutscher machten es dringend notwendig, nach Unterstützungsstrukturen zu<br />

suchen und einen Brückenschlag von der Ausbildungsplatzlücke in den neunziger<br />

Jahren zu der Fachkräftelücke zehn Jahre später zu finden. Anfang 2000 wurde in<br />

einem vom BMBF finanzierten Projekt mit dem Namen GENIUS ein solches Brü-<br />

ckenmodell entwickelt.<br />

Ursprünglich war vorgesehen, dass mehrere Firmen am Chemiestandort Leuna ge-<br />

meinsam einen Nachwuchskräftepool zur Absicherung zusätzlichen Fachkräftebe-<br />

darfes ins Leben rufen und organisieren. Die Kooperationsversuche der einzelnen<br />

Firmen gestalteten sich jedoch schwierig, da die Mutterfirmen der am Standort an-<br />

sässigen Tochterunternehmen in fast allen Fällen ihren Sitz im Ausland hatten und<br />

somit sehr unterschiedliche Interessenlagen verfolgten.<br />

Allerdings standen die Personalleiter wie auch die Betriebsräte am Chemiestandort<br />

Leuna von Anfang an aufgeschlossen und problembewusst dem Thema gegenüber,<br />

so dass sehr rasch nach alternativen Wegen der Zusammenarbeit in einem Pool ge-<br />

sucht wurde.<br />

Als sehr nützlich erwiesen sich zwei Netzwerke, die seit der Wendezeit am Chemie-<br />

standort aktiv sind. Es handelt sich dabei um einen sogenannten Personalleitertreff<br />

und einen Betriebsrätekreis. Beide Netzwerke treffen sich unabhängig voneinander<br />

in relativ regelmäßigen Abständen und besprechen personalwirtschaftliche und be-<br />

1 Mit der Umstrukturierung der Unternehmen im ostdeutschen Transformationsprozess haben sich<br />

sehr altershomogene Belegschaftsstrukturen herausgebildet, bei denen sich die Mitarbeiterzahlen<br />

besonders auf die älteren Jahrgänge zwischen 40 und 50 konzentrierten. Da über viele Jahre<br />

hinweg keinerlei Ersatzbedarf in den Unternehmen bestand (denn nach der umfangreichen Umsetzung<br />

der Vorruhestandsregelungen Anfang der 90er Jahre verließ kaum noch jemand aus Altersgründen<br />

die Unternehmen), konnten auch keine jungen Fachkräfte eingestellt werden. Ab ca.<br />

2010, wenn die damals 40- bis 50-jährigen Beschäftigten in großen Quanten in die Rente eintreten,<br />

wird es in den neuen Bundesländern zu einem massiven Fachkräftebedarf kommen und zwar<br />

genau zu dem Zeitpunkt, zu dem die geburtenschwachen Jahrgänge der frühen neunziger Jahre<br />

in die Berufsausbildung eintreten und sich am Arbeitsmarkt bewerben. (Lutz u. a. 1999)<br />

38


39<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

schäftigungsrelevante Fragen, die sie firmenübergreifend diskutieren. In diesen<br />

Gremien hatte das Projekt die Möglichkeit, das Thema der demografischen Falle und<br />

als Lösungsansatz den Nachwuchskräftepool vorzustellen.<br />

Wichtig war außerdem, dass es am Chemiestandort eine Zeitarbeitsfirma gab, die<br />

Leunaer TVS Personalservice GmbH, die das Vertrauen vieler Firmen bereits genoss<br />

und mit diesen schon verschiedentlich zusammenarbeitete. Die TVS Personalservice<br />

GmbH sprang ein, als kein Unternehmerverbund <strong>für</strong> die jugendlichen Nachwuchs-<br />

kräfte zusammenkam und gründete eine eigene Betriebsstätte, in der das Modell des<br />

Nachwuchskräftepools in modifizierter Form umgesetzt werden konnte. Dort wurden<br />

über Bedarf ausgebildete junge Fachkräfte eingestellt und bis zu dem Zeitpunkt be-<br />

schäftigt, zu dem sie von einem der Entleihunternehmen am Chemiestandort auf-<br />

grund eines steigenden Arbeitskräftebedarfs (meist durch Arbeitskräfteabgang in<br />

Rente) gebraucht wurden. Die Unternehmen wussten, dass sie die gut ausgebildeten<br />

jungen Fachkräfte nach dem zunehmenden Abgang ihrer Beschäftigten in Rente<br />

dringend benötigen würden, und die TVS Personalservice GmbH schlug die Brücke.<br />

3. Der Nachwuchskräftepool als ein Beschäftigungsmodell<br />

Die Jugendlichen wurden aus dem Nachwuchskräftepool an Unternehmen des Che-<br />

miestandortes, zum Beispiel bei Ausfällen der Stammbelegschaft durch Krankheit,<br />

Urlaub, Weiterbildung und Mutterschutz oder <strong>für</strong> zusätzliche Aufträge verliehen.<br />

Durch den Arbeitseinsatz erhielten die Betriebe Gelegenheit, die jungen Fachkräfte<br />

kennenzulernen und schrittweise an die zukünftigen Aufgaben heranzuführen.<br />

In dem Pool konnten über drei Jahre konstant 20 bis 25 Jugendliche 2 beschäftigt<br />

werden. In auftragsarmen Zeiten sollten die Jugendlichen berufsgerecht und be-<br />

triebsgemäß weitergebildet werden. Dazu kam es allerdings aufgrund der relativ<br />

starken Arbeitsnachfrage recht selten. Die meisten Jugendlichen wurden nach spä-<br />

testens ein bis zwei Jahren endgültig von einem der Unternehmen in eine unbefriste-<br />

te Vollzeitstelle übernommen.<br />

Die Jugendlichen, die nicht in einem der kooperierenden Unternehmen untergekom-<br />

men waren, erhielten von der TVS Personalservice GmbH ein Beschäftigungsange-<br />

2 Insgesamt konnten damals durch den Nachwuchskräftepool 60 gut ausgebildete junge Fachkräfte in<br />

Chemieberufen <strong>für</strong> den Standort erhalten werden. Wenn man bedenkt, dass die Ausbildung einer<br />

Chemielaborant/-in zu dieser Zeit beispielsweise ca. 17.600 EUR kostete (Walden 2003), wird<br />

deutlich, welcher Abfluss von Bildungsinvestitionen in andere Regionen zu dieser Zeit passierte.


Bettina Wiener<br />

bot, um dort ihre berufliche Zukunft am Chemiestandort Leuna aufbauen zu können.<br />

Somit wurden allen Jungfacharbeitern von Anfang an Langfristperspektiven zur Be-<br />

schäftigung in der Region aufgezeigt.<br />

Da der Pool sehr großen Wert auf eine gute Qualität seiner Nachwuchskräfte legte,<br />

war der Anreiz zu einer längerfristigen Arbeitsperspektive genauso wichtig wie die<br />

tarifliche Entlohnung, bei der man sich an den Haustarifvertrag der InfraLeuna GmbH<br />

am Standort anlehnte.<br />

Die Umsetzung des Nachwuchskräftepools vollzieht sich in vier Arbeitsschritten, die<br />

hier noch einmal beispielhaft nachgezeichnet werden:<br />

(1) Bedarfsanalyse,<br />

(2) Aufklärungsarbeit und Verständigung über die Interessen der potentiellen<br />

Partner,<br />

(3) Klärung rechtlicher Fragestellungen <strong>für</strong> Unternehmen, Träger und Arbeit-<br />

nehmer,<br />

(4) Trägerkonstitution.<br />

(1) Da sich der Nachwuchskräftepool auf den Personalbedarf mehrerer Unternehmen<br />

stützt, ist neben Vertrauen und Initiative eine präzise Bedarfsanalyse eine wesentli-<br />

che Voraussetzung <strong>für</strong> das Gelingen des Kooperationsvorhabens. Auf der Grundlage<br />

einer Bestandsaufnahme und Bedarfsuntersuchung kann damit die Notwendigkeit<br />

des Vorhabens begründet und dessen Dimension besser quantifiziert werden. Das<br />

ermöglicht eine präzisere Umsetzung des Vorhabens, was gleichzeitig die Chancen<br />

der Bereitschaft vieler Unternehmen erhöht, sich in einem solchen Projekt zu enga-<br />

gieren. Anhand einer Personalbedarfsanalyse (die sich in dem beschriebenen Bei-<br />

spiel auf die vorhersehbaren Austritte von Beschäftigten aus Altersgründen in den<br />

nächsten fünf bis zehn Jahren stützte) wird die Zahl der notwendigen Poolarbeits-<br />

kräfte in den erforderlichen Berufen <strong>für</strong> die Region und Branche ermittelt.<br />

Diese Informationen sind wichtig, um zum einen den Einsatz der Jugendlichen in den<br />

Unternehmen reibungslos organisieren, zum anderen den Nachwuchskräften mög-<br />

lichst zeitnah Übernahmechancen in eines der Unternehmen aufzeigen zu können<br />

und dadurch die Attraktivität des Pools zu erhöhen. Entscheidend ist bei der Pla-<br />

nung, Verbindlichkeiten <strong>für</strong> alle Beteiligten (die Entleihunternehmen, die Verleihfirma<br />

und die Leiharbeitskräfte) herzustellen.<br />

40


41<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

(2) Um die potentiellen Verbündeten <strong>für</strong> das Kooperationsziel zu gewinnen, ist Auf-<br />

klärungsarbeit und Verständigung über die Interessen der einzelnen Partner<br />

notwendig. Mit den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern der potentiell beteiligten<br />

Unternehmen muss die Umsetzung des geplanten Vorhabens diskutiert werden.<br />

Da es sich beim Nachwuchskräftepool nicht nur um die Sicherung einzelunternehme-<br />

rischer Interessen handelt, sondern der Pool auch ein Instrument gegen die massive<br />

Abwanderung gut qualifizierter Fachkräfte der betroffenen Regionen ist, erfüllt er<br />

auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aus diesem Grund wurden zur Unter-<br />

stützung das Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung in der Konzeptionsphase<br />

des Nachwuchskräftepools sowie die Bundesanstalt <strong>für</strong> Arbeit und das Wirtschafts-<br />

und Arbeitsministerium in Sachsen-Anhalt in der Umsetzungsphase mit einbezogen.<br />

(3) Bei der Erarbeitung eines rechtlichen Rahmens <strong>für</strong> den Beschäftigungspool ergibt<br />

sich eine Vielzahl von Anforderungen, die in Einklang gebracht werden müssen, da<br />

drei Interessengruppen mit unterschiedlichen Erwartungen an die Umsetzung der<br />

Poolidee herantreten. Aus Unternehmensperspektive ist es wichtig, die jungen Ar-<br />

beitnehmer nach den betrieblichen Erfordernissen einzusetzen und im Bedarfsfall<br />

zeitnah aus dem Pool entleihen zu können. Übernahmeverpflichtungen gegenüber<br />

den Jungfacharbeitern werden in der Regel dann erst sehr kurzfristig eingegangen.<br />

Aus der Trägerperspektive ist die Frage des Zugriffs auf die Arbeitnehmer aus dem<br />

Beschäftigtenpool regelungsbedürftig – insbesondere die Ausgestaltung von „Entleih-<br />

rechten“ und „Entleihverpflichtungen“. Entscheidend sind natürlich auch die Fragen<br />

zur Finanzierung des Pools. So sollten im genannten Beispiel die Nachwuchskräfte<br />

in Nichtbeschäftigungszeiten unter anderem mit Mitteln der Arbeitsverwaltung wei-<br />

terqualifiziert werden. In der Arbeitnehmerperspektive werden die Interessen der<br />

beteiligten Nachwuchskräfte berührt, wenn es um die Entlohnung, die Einbindung in<br />

betriebliche Mitbestimmungsstrukturen und die Ausgestaltung der Arbeitsverträge<br />

geht. Da die Beschäftigung im Pool letztlich auf die Begründung eines Anschlussar-<br />

beitsverhältnisses abzielt, wäre es zweckmäßig, wenn die Arbeitnehmer relativ<br />

schnell in ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis wechseln können.<br />

Unter diesen Voraussetzungen wird folgende Grundkonzeption <strong>für</strong> eine Poollösung<br />

empfohlen:<br />

Es wird ein juristisch selbstständiger Träger konstituiert, der mit einer definierten An-<br />

zahl von Nachwuchskräften, die sich aus der vorhergehenden Bedarfsanalyse ergibt,


Bettina Wiener<br />

Arbeitsverträge schließt. Die Poolzugehörigkeit der Beschäftigten wird optimalerwei-<br />

se <strong>für</strong> einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Jahre (möglichst nicht länger) geplant.<br />

Die Leitung liegt grundsätzlich beim Träger, der Coachingfunktionen wahrnimmt und<br />

in Nichtbeschäftigungszeiten Fortbildungen <strong>für</strong> die Nachwuchskräfte anbietet oder<br />

vermittelt. Die Nachwuchskräfte werden von den beteiligten Unternehmen kontinuier-<br />

lich – über mehrere Wochen oder Monate – eingesetzt. An die Poolzugehörigkeit<br />

sollte sich ein Arbeitsverhältnis in den Übernahmeunternehmen anschließen, das<br />

den Arbeits- und Vertragsbedingungen der bereits im Unternehmen Beschäftigten<br />

entspricht.<br />

Wichtig ist zudem, dass sich die Umsetzung in den rechtlichen Rahmen einfügt, den<br />

das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und andere arbeitsrechtliche Vorschriften bil-<br />

den (vgl. dazu Pauli, H. 2002).<br />

(4) Eine erfolgversprechende Trägerkonstitution kann nach folgenden Regeln auf-<br />

gebaut werden: Für die Umsetzung muss ein geeigneter Koordinator gefunden wer-<br />

den, der die Zusammenarbeit organisiert, moderiert und gegebenenfalls als Mediator<br />

fungiert. Es ist günstig, wenn der Koordinator nicht aus einem der kooperierenden<br />

Unternehmen kommt, damit er bei Konflikten leichter vermitteln kann und nicht unter<br />

den Verdacht der Vorteilsnahme steht. Der Koordinator muss sich in der Region aus-<br />

kennen, guten Kontakt zu den Unternehmen pflegen und deren Vertrauen besitzen<br />

bzw. zügig aufbauen können.<br />

Schwerpunkte der Arbeit des Koordinators sind die Akquisition von Unternehmen<br />

und deren genaue Bedarfsermittlung, die Erarbeitung eines Rahmenvertrages mit<br />

den interessierten Unternehmen, die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur, die<br />

Rekrutierung geeigneter junger Facharbeiter, die Organisation von Bildungs- und<br />

Trainingsmaßnahmen in Zusammenarbeit mit einem geeigneten Bildungsträger am<br />

Standort, operative Tätigkeiten – wie die Koordination der Einsatzzeiten in den Un-<br />

ternehmen, die Entwicklung von Bildungsplänen <strong>für</strong> die einzelnen Teilnehmer u.a. –<br />

sowie die buchhalterische Abwicklung.<br />

42


4. Das Für und Wider von Poollösungen<br />

4.1 Erfahrungen der Unternehmen<br />

43<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

Mit der Nutzung eines Beschäftigungspools ergeben sich zweifellos Vorteile <strong>für</strong> die<br />

Fachkräftesicherung von Unternehmen. Es müssen jedoch auch die verschiedenen<br />

Probleme im Blick behalten werden, um mögliche Wege zum Abbau dieser Barrieren<br />

zu finden.<br />

Zu den Vorteilen von Poollösungen zählt vor allem, dass befristete betriebliche Ein-<br />

sätze mit individueller Beschäftigungskontinuität verbunden werden können. So ist es<br />

möglich, betriebliche Flexibilitätserfordernisse und das Bedürfnis der Arbeitnehmer<br />

nach Erwerbssicherheit und beruflicher Perspektive in Einklang zu bringen.<br />

Um jedoch zu verhindern, dass der Einsatz von Arbeitskräften der Beschäftigungs-<br />

verbünde zu Lasten von Stammarbeitskräften erfolgt, ist es wichtig, tarifliche Stan-<br />

dards einzuhalten. Wie verschiedene Projekte gezeigt haben, bieten solche Konzep-<br />

te die Möglichkeit, die sozialverträgliche Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung<br />

mit arbeitsmarktpolitischen Erfordernissen zu kombinieren. Es wird möglich, tarifver-<br />

tragliche Regulierungen und eine betriebliche Interessenvertretung zu installieren,<br />

insbesondere wenn die Gewerkschaften in die Gründung solcher Pools involviert<br />

sind und Mindeststandards und Anforderungen – zum Beispiel Verhinderung der<br />

Lohndiskriminierung von Poolarbeitskräften – formuliert werden (vgl. Europäisches<br />

Ressourcenzentrum der Arbeitgeberzusammenschlüsse 2008 / Vanselow und Wein-<br />

kopf 2009).<br />

Auch Kooperationserfahrungen sind von Vorteil. Eine recht weit verbreitete Form der<br />

unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ist seit Jahren die Verbundausbil-<br />

dung, die gerade <strong>für</strong> kleinere Unternehmen die Berufsausbildung ermöglicht. Ähnlich<br />

wie bei der Verbundausbildung können Unternehmen auch bei Beschäftigungszu-<br />

sammenschlüssen Kapazitäten bündeln. So kann auf Flexibilisierungsanforderungen<br />

betrieblicher Funktionen und Abläufe besser reagiert werden.<br />

Außerdem bietet der Einsatz der Poolarbeitskräfte die Möglichkeit gezielter Perso-<br />

nalauswahl. Die Unternehmen sind angehalten, die Fachkräfte möglichst intensiv<br />

einzusetzen, damit von ihnen (wie in unserem Beispiel von den Jungfacharbeitern)<br />

das in der Ausbildung oder im Berufsleben Erlernte angewendet und trainiert werden<br />

kann. Somit gehen die in die Berufsausbildung eingesetzten Investitionen nicht verlo-


Bettina Wiener<br />

ren. Die Unternehmen haben durch den häufigen Einsatz die Chance, ihre potentiel-<br />

len Mitarbeiter im Arbeitsprozess kennenzulernen und zu prüfen. Zudem können<br />

spezifische Qualifikationsdefizite bei den Poolbeschäftigten in Nichterwerbszeiträu-<br />

men beseitigt werden.<br />

Nach wie vor gibt es ein großes Weiterbildungsdefizit gerade in kleineren Unterneh-<br />

men. Mit dem Einsatz von Poolarbeitskräften könnten Freistellungsphasen <strong>für</strong> not-<br />

wendige Qualifizierungsmaßnahmen der Stammbelegschaft kompensiert werden.<br />

Das ermöglicht gerade klein- und mittelständischen Unternehmen, das Qualifikati-<br />

onsniveau der Beschäftigten zu sichern und bietet die Gelegenheit zur gezielten Per-<br />

sonalentwicklung. Zudem werden mit den Poolarbeitskräften auch andere Ausfallzei-<br />

ten – bedingt durch Urlaub, Krankheit, Wehr- und Zivildienst oder Mutterschutz – ab-<br />

gedeckt.<br />

Poollösungen bieten zugleich eine gute Gelegenheit <strong>für</strong> die kontinuierliche Ablösung<br />

der älteren Mitarbeiter durch jüngere. Der bedarfsgerechte Einsatz der jungen Fach-<br />

kräfte gibt dem Unternehmen die Möglichkeit, das Erfahrungswissen der älteren Mit-<br />

arbeiter rechtzeitig auf die Nachwuchskräfte zu übertragen, denn klassische Tan-<br />

demlösungen, bei denen über einen definierten Zeitraum zwei Mitarbeiter parallel<br />

arbeiten, sind <strong>für</strong> die meisten kleineren Unternehmen ein viel zu teures Unterfangen.<br />

Durch den Arbeitseinsatz in den Betrieben kann der Nachwuchskräftepool eine ra-<br />

sche Dequalifizierung der jungen Fachkräfte verhindern und den Unternehmen ge-<br />

hen die vorher in die Berufsausbildung investierten Ressourcen nicht wieder verlo-<br />

ren. Wenn in den nächsten Jahren eine große Zahl an Beschäftigten die Unterneh-<br />

men aus Altersgründen verlässt, stehen junge Facharbeiter aus dem Nachwuchs-<br />

kräftepool mit spezifischem, betriebsinternem Wissen bereit.<br />

Zusammengefasst ergeben sich aus Unternehmenssicht folgende Argumente <strong>für</strong> ei-<br />

ne Poollösung:<br />

• Bündelung von Kapazitäten,<br />

• Möglichkeit zur gezielten Personalauswahl,<br />

• Verringerung von Qualifikationsdefiziten bei den Nachwuchskräften sowie bei<br />

den Mitarbeitern der Stammbelegschaft,<br />

• Kompensierung der Qualifizierungszeiten <strong>für</strong> die Stammbelegschaft,<br />

• Abdeckung anderer Ausfallzeiten,<br />

44


45<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

• kontinuierliche Übertragung des Erfahrungswissens der älteren Fachkräfte an<br />

die jüngeren,<br />

• Erhalt der in der Berufsausbildung getätigten Investitionen und<br />

• Vorbereitung der Nachwuchskräfte auf zukünftige Aufgaben durch die Vermitt-<br />

lung des betriebsinternen Wissens.<br />

Handelt es sich um Unternehmensverbünde, müssen folgende Fragen und mögliche<br />

Probleme von vornherein berücksichtigt werden. Besonders entscheidend <strong>für</strong> den<br />

Erfolg ist ein Mindestmaß an Vertrauen, um die Gefahr zu minimieren, dass sich die<br />

Partner gegenseitig übervorteilen. Die Gleichverteilung von Kosten und Nutzen, die<br />

eindeutige Abgrenzung der Kooperationsbereiche sowie ein offener Informationsfluss<br />

sind entscheidende Bedingungen <strong>für</strong> den Aufbau und den Bestand dieser Kooperati-<br />

onsbeziehungen. Es ist günstig, wenn Sanktionsmöglichkeiten bestehen und bei Vor-<br />

teilsnahme auch genutzt werden. Auch sollten bestimmte gemeinsame Verhaltens-<br />

regeln entwickelt werden, an denen sich die Partner orientieren. (Stöbe 1992)<br />

Wenn, wie im Falle des Nachwuchskräftepools am Chemiestandort Leuna, die Ko-<br />

operation zwischen den Unternehmen nicht zustande kommt, kann eine vertrauens-<br />

volle Institution mit der Koordinierung betraut werden.<br />

Folgende Themen sind <strong>für</strong> die Unternehmen von besonderem Interesse:<br />

• die Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes auf den Nachwuchs-<br />

kräftepool,<br />

• die Regelung von verbindlichen Rechten und Pflichten der beteiligten Unter-<br />

nehmen,<br />

• eine empfohlene Rechtsform <strong>für</strong> die Kooperation,<br />

• die Übernahme der Coachingfunktion,<br />

• der Umgang mit den Be<strong>für</strong>chtungen des Know-how-Abflusses,<br />

• die Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung bei gleichzeitig auftre-<br />

tenden Spitzenzeiten in mehreren Unternehmen,<br />

• die Organisation von Weiterbildungen in Leerlaufzeiten und<br />

• die arbeitsrechtliche Gestaltung der Verträge mit den Nachwuchskräften.<br />

Die Erfüllung solcher Anforderungen und die Beantwortung dieser Fragen gehört zur<br />

täglichen Arbeit von Zeitarbeitsfirmen, so dass sich in dem hier dargestellten Beispiel<br />

des Nachwuchskräftepools die Kooperation mit der TVS Personalservice GmbH am


Bettina Wiener<br />

Chemiestandort Leuna anbot. Zudem wurde bereits erwähnt, dass hinter dieser Form<br />

der Beschäftigungsbündelung neben betrieblichen auch gesamtgesellschaftliche In-<br />

teressen stehen, nämlich die Vermeidung weiterer Abwanderungen der gut qualifi-<br />

zierten Jungerwachsenen. Aus diesem Grund erhielt der Pool auch öffentliche Unter-<br />

stützung. So erfolgte die Finanzierung des Nachwuchskräftepools durch Kofinanzie-<br />

rung des Landes Sachsen-Anhalt und mit Unterstützung von EU-Mitteln zur Einrich-<br />

tung einer Koordinierungsstelle. Bei der Arbeitsagentur nutzte man Wiedereingliede-<br />

rungszuschüsse und Finanzierungen <strong>für</strong> Weiterbildungen. Die Betriebe bezahlten<br />

eine Leasinggebühr <strong>für</strong> den Einsatz der Nachwuchskräfte in ihrem Unternehmen.<br />

4.2 Erfahrungen der Jugendlichen<br />

Nicht nur <strong>für</strong> die Unternehmen, sondern auch <strong>für</strong> die Jugendlichen, die nach ihrer<br />

Ausbildung keine Übernahmechancen hatten, sind einige Vorteile unübersehbar:<br />

Die Nachwuchskräfte werden durch den Pool sofort in den Arbeitsprozess integriert.<br />

Sie stehen in einem festen Arbeitsverhältnis, eingebettet in arbeitsrechtliche Siche-<br />

rungen, und haben die Aussicht auf Beschäftigung in einem der am Pool beteiligten<br />

Unternehmen in den nächsten Jahren.<br />

Im Unterschied zu anderen Zeitarbeitsfirmen mit ähnlichen Beschäftigungsformen<br />

setzte diese Poollösung auf den flexiblen Einsatz in den Chemieunternehmen vor Ort<br />

oder in der nahen Umgebung, so dass die Jugendlichen auch von akzeptablen Ent-<br />

fernungen zu den einzelnen Unternehmen ausgehen konnten.<br />

Der Einsatz in verschiedenen Unternehmen verhindert nicht nur die Entwertung des<br />

Humankapitals, er erhöht auch die Chance, neue bzw. höhere berufsadäquate sowie<br />

von den Betrieben nachgefragte Qualifikationen zu erwerben. Zudem kann der Ein-<br />

satz in unterschiedlichen Unternehmen interessante, projektbezogene und abwechs-<br />

lungsreiche Tätigkeiten bieten. Ein Jugendlicher beurteilt im Nachhinein diese Erfah-<br />

rung als besonders wertvoll: „Je mehr man rumkommt, umso mehr Erfahrungen<br />

sammelt man. … also ich würde besser ein Praktikum mehr als eins weniger ma-<br />

chen. Einfach um sich auch einen größeren Erfahrungsschatz aufzubauen.“ [Teil-<br />

nehmer-INT 3]<br />

In den Unternehmen wurden Kontakte zu anderen Mitarbeitern geknüpft und die so-<br />

zialen Kompetenzen im betrieblichen Alltag erlernt und erweitert. Die Einbindung der<br />

Jugendlichen aus dem Nachwuchskräftepool gelang dabei in allen befragten Beispie-<br />

46


47<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

len reibungslos. Von Anfang an waren sie in das Kollektiv integriert und wurden in<br />

Betriebsversammlungen einbezogen oder zu gemeinsamen Betriebsfesten eingela-<br />

den.<br />

Bei Bedarf wurden die Jugendlichen durch überbetriebliche Weiterbildungen oder in<br />

Praktika und Trainingsprogrammen geschult, um den geforderten fachlichen Ansprü-<br />

chen der Entleihfirmen zu genügen.<br />

Die Argumente <strong>für</strong> eine Poollösung aus Sicht der Nachwuchskräfte lassen sich wie<br />

folgt zusammenfassen:<br />

• festes Arbeitsverhältnis mit arbeitsrechtlichen Sicherungen;<br />

• sofortige Integration in den Arbeitsprozess;<br />

• Aussicht auf Beschäftigung in einem der beteiligten Unternehmen;<br />

• sehr akzeptable Entfernung zum Beschäftigungsort;<br />

• Erwerb weiterer fachlicher Qualifikationen;<br />

• Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und<br />

• Erweiterung sozialer Kompetenzen.<br />

Bei den jungen Fachkräften kann man bei allen Vorteilen nicht selbstverständlich von<br />

uneingeschränkter Akzeptanz ausgehen. So interessierten besonders folgende<br />

Themen:<br />

• der Pool als Chance oder Stigma,<br />

• Überforderung durch flexiblen Arbeitseinsatz,<br />

• Möglichkeiten der Karriereplanung und<br />

• arbeitsvertragliche Regelungen sowie<br />

• Chancen der Übernahme.<br />

Die Jugendlichen haben fast durchweg dargestellt, dass sie sich von Anfang an als<br />

vollwertiges Mitglied in der betrieblichen Gemeinschaft gesehen haben. Das war<br />

möglich, weil sie von betrieblicher Seite gut eingearbeitet wurden und weil sie vom<br />

Nachwuchskräftepool eine intensive Betreuung über die gesamte Laufzeit der Pool-<br />

beschäftigung erfuhren, so dass bei anstehenden Fragen und Problemen sofort Klä-<br />

rung möglich war. Einziges Problem war die teilweise recht lange Wartezeit bis zur<br />

endgültigen Übernahme und die Unsicherheit bis dahin. Hier wäre mehr Transparenz<br />

über das geplante Vorhaben wünschenswert gewesen!


Bettina Wiener<br />

5. Ein Plädoyer <strong>für</strong> lokale Zusammenschlüsse als Krisenmanagement<br />

Der Nachwuchskräftepool, den es von 2003 bis 2005 am Chemiestandort Leuna gab,<br />

war ein Weg zur Lösung des temporären Konfliktes zwischen dem Überangebot an<br />

hoch motivierten jungen Fachkräften, die den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt<br />

nicht bewältigten, und dem zu erwartenden Bedarf an qualifizierten und erfahrenen<br />

Fachkräften in Folge der demografischen Entwicklungen.<br />

Jetzt, vier Jahre später, steht die Region aufgrund der wirtschaftlichen Krise vor dem<br />

wiederkehrenden Problem, dass junge Menschen, die vermutlich in Kürze gebraucht<br />

werden, trotz erfolgreich abgeschlossener Berufsausbildung momentan keine Mög-<br />

lichkeit des Einstiegs in das Berufsleben erhalten. Dabei „steht die demografische<br />

Falle weiterhin zur Debatte“, sagt Herr Thate, der Geschäftsführer von TVS Perso-<br />

nalservice GmbH, „und in der Krisenzeit ist das besonders schwierig“ (Dettke/Thate<br />

2009).<br />

Initiiert durch ein Personalleitertreffen am Chemiestandort Leuna setzten sich der<br />

Personalleiter der InfraLeuna und der Geschäftsführer der TVS Personalservice<br />

GmbH zusammen, um nach einer Lösung <strong>für</strong> die Problemlage zu suchen. Dabei er-<br />

innerten sie sich an den vor einigen Jahren betriebenen Nachwuchskräftepool und<br />

überlegten, wie sie aus eigener Kraft zügig in modifizierter Form und der aktuellen<br />

Situation angepasst, einen neuen Nachwuchskräftepool ins Leben rufen könnten.<br />

Diesen gibt es nun seit Mai 2009, gegründet von sechs Zeitarbeitsfirmen 3 der Regio-<br />

nen Zeitz, Leuna, Merseburg und <strong>Halle</strong> zusammen mit der Agentur <strong>für</strong> Arbeit in Mer-<br />

seburg, der InfraLeuna GmbH und der Bildungsakademie Leuna GmbH & Co KG.<br />

„Wir wollen junge Fachkräfte im mitteldeutschen Raum halten, ihnen eine Chance<br />

geben und das Durchschnittsalter in den Betrieben senken.“ (Dettke/Thate 2009)<br />

Als branchenübergreifendes Pool-Management im Sinne von Mesaros u. a. (2009, S.<br />

39/40) steigt der Koordinierungsaufwand zwischen den beteiligten unternehmensin-<br />

ternen und – externen Partnern. Der neue Nachwuchskräftepool arbeitet nach fol-<br />

gendem Verfahren:<br />

3 An dem Nachwuchskräftepool sind folgende Zeitarbeitsfirmen der genannten Regionen beteiligt:<br />

• Private Arbeitsvermittlung und Personalleasing GmbH, Niederlassung Zeitz<br />

• Pluss Personal Leasing und System Service GmbH, Niederlassung Leuna<br />

• TVS Personalservice GmbH Leuna<br />

• CTR Engineering GmbH Merseburg<br />

• Imo Bildungs- und Vermittlungsgesellschaft <strong>Halle</strong><br />

• OPPM Office Professional Personalmanagement GmbH Merseburg<br />

48


49<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

Die Agentur <strong>für</strong> Arbeit hat den Überblick, welche Ausbildungsabsolventen nicht über-<br />

nommen werden, klärt diese gezielt in Informationsveranstaltungen über den neuen<br />

Nachwuchskräftepool auf und vermittelt Vorstellungsgespräche bei potentiellen neu-<br />

en Arbeitgebern. Die Vorstellungsgespräche <strong>für</strong> den Burgenlandkreis laufen bei der<br />

Privaten Arbeitsvermittlung und Personalleasing GmbH mit Sitz in Zeitz. TVS Perso-<br />

nalservice GmbH Leuna organisiert die Treffen <strong>für</strong> die Region Merseburg-Querfurt.<br />

Wenn die Jungfacharbeiter nach dem Gespräch Interesse bekunden, werden sie in<br />

eine Beschäftigtendatenbank aufgenommen, in der die Bewerberprofile <strong>für</strong> alle sechs<br />

Zeitarbeitsfirmen zentral erfasst werden. Diese Datenbank wird von der OPPM Office<br />

Professional Personalmanagement GmbH Merseburg verwaltet. Auf diese Daten-<br />

bank können alle sechs Vermittlerfirmen zugreifen und so ermitteln, welche Arbeits-<br />

kräfte verfügbar oder zurzeit beschäftigt sind. Fehlen Qualifizierungen, die ein Kunde<br />

von den Zeitarbeitsfirmen fordert, wird die Bildungsakademie Leuna gebeten, ent-<br />

sprechende Nachqualifizierungen zu organisieren. Die Kosten hier<strong>für</strong> übernimmt die<br />

Agentur <strong>für</strong> Arbeit. Zudem werden Eingliederungszuschüsse der Agentur genutzt, um<br />

die Jugendlichen in die Unternehmen zu bringen. „Das sind Aspekte, von denen<br />

auch unsere Kunden profitieren, denen wir die Fachkräfte vermitteln. Sie bekommen<br />

gut ausgebildete Leute und die Einarbeitungsphase im Betrieb wird erleichtert.“<br />

(Dettke/Thate 2009)<br />

Zurzeit werden vorrangig Facharbeiter in den Arbeitsfeldern Chemie und Industrie-<br />

mechanik gesucht, deutlich schwieriger macht sich die Vermittlung von kaufmänni-<br />

schen und IT-Berufen. Werden die Jugendlichen vermittelt, erhalten sie einen Zeitar-<br />

beitsvertrag nach den tariflichen Regelungen der Zeitarbeit aus einem der sechs<br />

Vermittlerunternehmen.<br />

Das Projekt läuft in Eigeninitiative der Akteure in der Region und ohne Förderung von<br />

Land oder Bund. Auffällig ist bei dieser Initiative, dass sehr viele Akteure eng Hand in<br />

Hand miteinander arbeiten. Das ist möglich, weil es zwischen diesen Einrichtungen –<br />

trotz aller Konkurrenz - ein über Jahre aufgebautes enges Vertrauensverhältnis gibt<br />

und sie gemeinsam eine Idee verfolgen, die der allgemeinen Stärkung der Region<br />

und damit auch wieder ihnen selbst dient.<br />

Anders als bei dem ersten Nachwuchskräftepool werden diesmal die Jugendlichen<br />

nicht erst aufgenommen, wenn Arbeitsbedarf in einer der Firmen am Standort be-<br />

steht, sondern sie melden sich arbeitsuchend und werden intensiv von den Zeitar-


Bettina Wiener<br />

beitsfirmen betreut. Während in dem ersten Nachwuchskräftepool noch nach beson-<br />

ders gut qualifizierten Arbeitslosen geschaut wurde, geht es heute darum, die Ar-<br />

beitslosen eventuell durch Bildungsmaßnahmen fit zu machen und im Arbeitsprozess<br />

fit zu halten. Das erhöht die Chancen, in Arbeit zu kommen.<br />

„Die Zeitarbeitsfirmen wissen als Erste, wo und wann es Bedarf von Arbeitskräften<br />

gibt“ [Org-INT 4], denn bei ihnen werden sie ganz konkret nachgefragt. In enger Zu-<br />

sammenarbeit mit den Unternehmen geschieht die Bedarfsanalyse vorausschauend<br />

und kontinuierlich. Herr Thate berichtet, dass Berufseinsteiger aus der Zeitarbeit gute<br />

Chancen haben, von den Firmen übernommen zu werden: „Meist sind sie bei uns ein<br />

halbes oder ein Jahr beschäftigt und bekommen dann einen Vertrag bei dem jeweili-<br />

gen Unternehmen“ (Dettke/Thate 2009).<br />

Die Krise hat bewirkt, dass die Jugendarbeitslosigkeit wieder angestiegen ist: Mit<br />

dieser Initiative versucht man Jugendliche von der Abwanderung abzuhalten. Mög-<br />

lich wird dieses Projekt, weil man sich zusammensetzt, partnerschaftlich an einer<br />

Gesamtidee arbeitet, <strong>für</strong> diese Aufgabe das Konkurrenzverhalten ablegt, und weil<br />

eine Agentur <strong>für</strong> Arbeit mit im Boot sitzt, die sehr flexibel und bedarfsorientiert han-<br />

delt und entscheidet. Herr Thate schätzt ein: „Das Projekt ist nicht kostenlastig <strong>für</strong><br />

öffentliche Mittel, sondern eine Initiative der Zeitarbeitsfirmen und gedacht als „Job-<br />

motor <strong>für</strong> die Wirtschaft“ (Dettke/Thate 2009).<br />

6. Zusammenfassung<br />

Zurzeit befinden wir uns in einer schwierigen Situation, die man mit Stichworten wie<br />

Wirtschaftskrise, hohe Arbeitslosigkeit und massiver Einsatz der Kurzarbeit sowie<br />

demografische Veränderungen hin zu einer älter werdenden Gesellschaft umreißen<br />

kann. Daran gebunden sind große Herausforderungen, nicht zuletzt die Schließung<br />

der <strong>für</strong> die Zukunft prognostizierten Fachkräftelücke. Während <strong>für</strong> den Einzelnen also<br />

die Sicherung seines Arbeitsplatzes im Vordergrund steht, wird <strong>für</strong> Unternehmen die<br />

Sicherung benötigter Fachkräfte eine zunehmende Herausforderung.<br />

Unter diesen Bedingungen lassen sich an den Rändern bisher gut funktionierender<br />

Regelungssysteme nicht selten neuartige Formen der Selbstorganisation im lokalen<br />

und regionalen Kontext beobachten. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Integrati-<br />

on von Personen, denen dauerhafte Exklusion von Arbeitsmarkt und Beschäftigung<br />

droht. Es zeigt sich aber auch bei unterschiedlichen Konzepten und Kooperationslö-<br />

50


51<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

sungen <strong>für</strong> kleine und mittelständische Unternehmen zur Sicherung ihres qualifizier-<br />

ten Personals.<br />

Anhand des hier vorgestellten Nachwuchskräftepools kann über Erfahrungen bei ei-<br />

nem sinnbildlichen Brückenschlag von der Arbeitsplatzlücke vor wenigen Jahren zu<br />

der heutigen Fachkräftelücke berichtet werden. Es wurden sehr gut ausgebildete Ju-<br />

gendliche, die in der Zeit zwischen 2003 und 2005 am Chemiestandort Leuna nicht<br />

von den Unternehmen übernommen werden konnten, beruflich integriert. Mit einer<br />

tariflich abgesicherten Beschäftigung wurden sie abwechselnd an mehrere Unter-<br />

nehmen verliehen und bei Bedarf weiterqualifiziert, bis der Zeitpunkt der Übernahme<br />

durch einen der Entleiher gelang. So konnte <strong>für</strong> fast 60 Ausbildungsabsolventen am<br />

Standort Leuna die Abwanderung dieser gut qualifizierten Jugendlichen verhindert<br />

werden. Der Pool wurde in dem Moment aufgelöst, in dem die Übernahme von Aus-<br />

bildungsabsolventen in den Chemieunternehmen wieder anstieg.<br />

Die Erfahrungen aus dem damaligen Projekt konnten jetzt von den Unternehmern<br />

am Chemiestandort Leuna wieder aufgegriffen werden, als aufgrund der wirtschaftli-<br />

chen Krise seit dem Ende des letzten Jahres die betrieblichen Übernahmen nach<br />

Beendigung der Berufsausbildung erneut massiv zurückgingen. Zum zweiten Mal<br />

droht eine massive Abwanderung von gut ausgebildeten Jugendlichen, die jedoch<br />

aufgrund der demografischen Entwicklung in Kürze dringend in den Unternehmen<br />

am Chemiestandort Leuna gebraucht werden. Man erinnert sich an die Erfahrungen<br />

von vor wenigen Jahren und gründet erneut einen Nachwuchskräftepool.<br />

Während das erste Vorhaben noch als Modell mit Bundesmitteln entwickelt wurde und später<br />

durch Landes- und ESF-Unterstützung eine dreijährige aktive Phase durchlief, ist die<br />

heutige Initiative der Erfahrung einzelner Akteure aus der ersten Phase zu verdan-<br />

ken, die diese Idee neu aufgegriffen und modifiziert haben. Durch Eigeninitiative ver-<br />

sucht man im Zusammenschluss mehrerer Zeitarbeitsfirmen, Unternehmen, Berufs-<br />

bildungseinrichtungen und der Agentur <strong>für</strong> Arbeit, Fachkräfte <strong>für</strong> die Zukunft in der<br />

Region zu halten. Die wirtschaftliche Lage macht Mut: von den 40 Jugendlichen, die<br />

seit Mai in einer der sechs Zeitarbeitsfirmen Beschäftigung fanden, wurden bereits<br />

zwölf von einem Unternehmen in der Region übernommen.<br />

Der Vortrag basiert auf einem Beitrag von Bettina Wiener, der im Sommer 2009 <strong>für</strong><br />

die Zeitschrift <strong>für</strong> Regionalwirtschaft der NordLB verfasst wurde. (Wiener 2009)


Bettina Wiener<br />

Literatur<br />

Baumfeld, L. (2007): Managementinstrumente <strong>für</strong> Leader-Regionen. Ländlicher Raum.<br />

Online-Fachzeitschrift des Österreichischen Bundesministeriums <strong>für</strong> Land- und Forst-<br />

wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft , S.3<br />

Becker, T.; Dammer, I.; Howaldt, J.; Killich, S.; Loose, A. (2007): Netzwerkmanagement: Mit<br />

Kooperation zum Unternehmenserfolg. Berlin<br />

Dettke, C.; Thate, W. (2009): Junge Fachkräfte in der Region halten. Sechs Zeitarbeitsfirmen<br />

arbeiten gemeinsam am Nachwuchskräftepool. Leuna Echo 07/09<br />

Europäisches Ressourcenzentrum der Arbeitgeberzusammenschlüsse (2008): Antwort auf<br />

die acht gemeinsamen Grundsätze <strong>für</strong> den Flexicurity-Ansatz der Europäischen<br />

Kommission. Erklärung auf der Europäischen Zusammenkunft der Arbeitgeberzu-<br />

sammenschlüsse beim Ausschuss der Regionen. Brüssel, den 22.2.08.<br />

http://arbeitgeberzusammenschluesse.de/wp-<br />

content/uploads/2008/03/flexicurite_dt.pdf am 14.08.2009<br />

idw (2009): Von der Nobelpreisträgerin gelernt. Informationsdienst Wissenschaft 13.10.2009,<br />

http://idw-online.de/pages/de/news338677<br />

Lutz, B.; Ketzmerick, T.; Wiener, B. (1999): Ausschlussrisiken und Grenzen herkömmlicher<br />

Arbeitsmarktpolitik - Lektionen aus der ostdeutschen Entwicklung seit 1990/91. In:<br />

Wiedemann, E. u. a. (Hrsg.): Die arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Heraus-<br />

forderung in Ostdeutschland. (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung;<br />

BeitrAB 223) Nürnberg: Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, S. 267-287<br />

Mesaros, L.; Vanselow, A.; Weinkopf, C. (2009): Fachkräftemangel in KMU – Ausmaß, Ursa-<br />

chen und Gegenstrategien. Expertise im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung,<br />

November 2009<br />

Pauli, H. (2002): Expertise zur Bildung eines betrieblichen Nachwuchskräftepools am Che-<br />

miestandort Leuna. In: Meier, Heike; Pauli, Hanns; Wiener, Bettina: Der Nachwuchs-<br />

kräftepool als Sprungbrett in Beschäftigung. Forschungsberichte aus dem zsh 02-1<br />

Stalitza, U.; Tscheulin, J. (2002): Employability und Flexibilität gemeinsam erreichen.<br />

In: Personalwirtschaft, H. 2<br />

Stöbe, S. (1992): Kooperation in der lokalen Arbeitsmarktpolitik. Entstehungsbedingungen<br />

und Erfolgsfaktoren. Opladen<br />

tamen (2003): Blick-Wechsel auf das Management des regionalen Arbeitsvermögens.<br />

Begleitung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern. Dokumentation der Ta-<br />

gung in Annecy am 21. und 22. November 2002. tamen, Berlin.<br />

http://www.tamen.de/images/downloads/actes%20annecy_kurz-dt.pdf am 14.08.2009<br />

Vanselow, A.; Weinkopf, C. (2009): Zeitarbeit in europäischen Ländern - Lehren <strong>für</strong> Deutsch-<br />

land? Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung. Arbeitspapier 182<br />

52


53<br />

Lokale Zusammenschlüsse - Nachwuchskräftepool<br />

Walden, Günter (2003): Kosten-Nutzen-Relationen in der betrieblichen Berufsausbildung.<br />

Vortrag auf der BiBB-Fachtagung „Zukunft der Berufsausbildung in Deutschland –<br />

Empirische Untersuchungen und Schlussfolgerungen“ am 4. und 5. November 2003<br />

in Bonn. http://www.bibb.de/dokumente/pdf/FT_Walden.pdf<br />

Wiener, Bettina (2009): Der Nachwuchskräftepool als personalstrategisches Instrument in<br />

Zeiten der Krise. In: RegioPol. Die Krise. Zeitschrift <strong>für</strong> Regionalwirtschaft der<br />

NordLB. Heft zwei/2009. S. 103-113<br />

Wiener, B. (2005): Der Nachwuchskräftepool als Brückenschlag von der Arbeitsplatz- zur<br />

Fachkräftelücke. In: Bermann, B.; Pietrzyk, U. (Hrsg.): Zwischen Arbeitsmarkflexibili-<br />

sierung und Fachkräftemangel. Innovative Konzepte <strong>für</strong> KMU. Dresden: saxOprint<br />

GmbH, S. 95-102


Bettina Wiener<br />

54


Kooperatives Personalmanagement - Arbeitgeberzusammenschlüsse<br />

Kooperatives Personalmanagement – regionale Fachkräftesiche-<br />

rung und -entwicklung in Arbeitgeberzusammenschlüssen<br />

Fachkräftesicherung und lokale Governance<br />

55<br />

Thomas Hartmann<br />

tamen Entwicklungsbüro Arbeit und Umwelt GmbH<br />

Die lokale bzw. regionale Wirtschaft ist geprägt von Kleinst-, Kleinunternehmen und<br />

mittleren Unternehmen, die – in viel höherem Maße als Großunternehmen – von den<br />

Qualitäten ihres Standortes abhängig sind. Andererseits bestimmen sie aber auch<br />

maßgeblich die Qualitäten der Standorte mit.<br />

Diese Abhängigkeiten der kleineren Unternehmen, die von der regionalen Infrastruk-<br />

tur über die Kundenbeziehungen, die Zuliefer- und Abnehmerketten bis zu den Rek-<br />

rutierungsmöglichkeiten <strong>für</strong> Fachkräfte und deren Bildungs- und Kompetenzentwick-<br />

lungsmöglichkeiten reichen, bringen es mit sich, dass die kleineren Unternehmen in<br />

Bezug auf ihre Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten einerseits abhängig sind<br />

von Entscheidungen anderer, aber auch andererseits davon, wie sehr sie sich mit<br />

ihren Interessen und Möglichkeiten als Entwicklungsakteure einbringen können.<br />

Das Konzept der „lokalen Governance“ eignet sich da<strong>für</strong>, solche Beziehungen zwi-<br />

schen wirtschaftlichen und anderen regionalen Akteuren in den Blick zu nehmen, zu<br />

analysieren und hinsichtlich ihrer Regelungsfähigkeit auch im Sinne der Unterstüt-<br />

zung von lokaler Wirtschaft zu gestalten. Ein bedeutsames gemeinsames Ziel ist da-<br />

bei, die Attraktivität einer Region als Arbeits- und Wohnort zu erhöhen.<br />

Bei einem sich verschärfenden Wettbewerb um Fachkräfte aufgrund eines zuneh-<br />

menden Fachkräftemangels, dessen Ursachen und dramatische Entwicklung insbe-<br />

sondere durch das zsh analysiert und beschrieben wurden, spielt das Sichern und<br />

Binden von Arbeitskräften gerade <strong>für</strong> die Überlebens- und Entwicklungsfähigkeit der<br />

kleineren Unternehmen eine zentrale Rolle. Dabei ist der Unternehmensstandort eine<br />

der entscheidensten Einflussgrößen <strong>für</strong> den Erfolg bei der Gewinnung und Bindung<br />

qualifizierter Fachkräfte.<br />

Fachkräfte fragen nicht nur nach ihrem „Job“, ihrem Einkommen und ihrer Arbeitssi-<br />

tuation, sondern auch – und immer mehr – nach den <strong>für</strong> sie erreichbaren Gesund-<br />

heitseinrichtungen, den Betreuungs- und Bildungseinrichtungen <strong>für</strong> ihre Kinder, nach<br />

den Weiterbildungsmöglichkeiten <strong>für</strong> sie selbst und ihre Lebenspartner, nach den


Thomas Hartmann<br />

kulturellen Einrichtungen, nach den Gelegenheiten <strong>für</strong> sportliche Betätigung, nach<br />

anderen Möglichkeiten, die Freizeit angenehm zu verbringen sowie nach den sozia-<br />

len Treffpunkten in der Umgebung. Um diese Einrichtungen herum bilden sich sozia-<br />

le Beziehungen, Organisationen und Netze, in die sich die lokalen Unternehmen ak-<br />

tiv einbringen können.<br />

Besonders kleine und mittlere Unternehmen finden neue Mitarbeiter/-innen mit Hilfe<br />

der sozialen Netzwerke, in die sie eingebunden sind: Durch die Familienbeziehungen<br />

und Bekanntschaften der Unternehmer/-innen und ihrer Angestellten sowie durch<br />

das weitere soziale Umfeld: Vereine, Initiativen und Netzwerke, die sich um Kultur,<br />

Sport und Freizeit bilden. Daher kommen die neuen Arbeitskräfte meistens aus der<br />

Region. Aber auch bei der Anwerbung „von außen“, bei der Bindung und im Kampf<br />

gegen Abwanderung spielen „weiche“ Standortfaktoren, neben der Attraktivität des<br />

Betriebes als Arbeitgeber, eine entscheidende Rolle.<br />

Unter diesen Gesichtspunkten ist <strong>für</strong> KMU die Frage entscheidend, ob und in wel-<br />

chen Formen sie in der Region auf die Entwicklung der „weichen“ Standortfaktoren<br />

Einfluss nehmen können.<br />

Den Vorteilen der regionalen Einbindung <strong>für</strong> die Fachkräftesicherung stehen jedoch<br />

auch Nachteile der kleineren Unternehmen im Wettbewerb um Personal gegenüber.<br />

Zu den Nachteilen gehören neben den großen externen Abhängigkeiten insbesonde-<br />

re die geringen Ressourcen und Kompetenzen <strong>für</strong> eine strategische Personalpolitik,<br />

die aufgrund der Größe begrenzten Möglichkeiten der internen und funktionalen Fle-<br />

xibilisierung sowie der oftmals geringe Planungshorizont.<br />

Eine herausragende Möglichkeit, solche Nachteile zu kompensieren, besteht in der<br />

Schaffung und Nutzung von Synergien durch Kooperationen zwischen Arbeitgebern.<br />

Im Personalbereich gibt es dazu ein in Frankreich seit den 80er Jahren etabliertes<br />

Modell, die „groupements d´employeurs“, zu deutsch „Arbeitgeberzusammen-<br />

schlüsse“.<br />

Was ist ein Arbeitgeberzusammenschluss?<br />

Ein Arbeitgeberzusammenschluss ist eine Organisation, die von mehreren Unter-<br />

nehmen gegründet und getragen wird, in der Arbeitskräfte angestellt sind, die flexibel<br />

in den Mitgliedsunternehmen arbeiten. So können die Betriebe Arbeitskräfte binden<br />

und sichern, <strong>für</strong> die sie allein das Beschäftigungsrisiko nicht tragen können oder wol-<br />

56


Kooperatives Personalmanagement - Arbeitgeberzusammenschlüsse<br />

len. Bei einem Arbeitgeberzusammenschluss handelt es sich nicht um einen Perso-<br />

nalpool, auf den die Betriebe bei Bedarf zurückgreifen, sondern der Arbeitgeberzu-<br />

sammenschluss kombiniert Teilbedarfe der einzelnen Betriebe in der Regel zu Voll-<br />

zeitarbeitsplätzen. Eine Arbeitskraft wird erst dann eingestellt, wenn der kombinierte<br />

Bedarf einen Arbeitsplatz begründet, denn die Betriebe übernehmen gemeinsam das<br />

Beschäftigungsrisiko und sie garantieren die Auslastung. Damit gewinnen sie die<br />

Möglichkeit, Mitarbeiter/-innen zu halten, die sie als Einzelunternehmen nicht sichern<br />

könnten. Mitarbeiter/-innen im Arbeitgeberzusammenschluss sind somit „geteilte“<br />

Mitarbeiter/-innen der Mitgliedsbetriebe.<br />

Der Arbeitgeberzusammenschluss, in Frankreich meist ein Verein, in Deutschland in<br />

der Regel eine Unternehmens-Genossenschaft, ermöglicht es den Mitgliedsunter-<br />

nehmen, sich das Beschäftigungsrisiko <strong>für</strong> die gemeinsamen Arbeitnehmer/-innen zu<br />

teilen bzw. es gemeinsam zu tragen. Es handelt sich also nicht um Zeitarbeit, bei der<br />

ein Betrieb das Beschäftigungsrisiko auf einen externen Dienstleister auslagert, son-<br />

dern um den Aufbau und die Sicherung einer „zweiten Kernbelegschaft“, aufgebaut<br />

auf den kontinuierlichen „Teilbedarfen“ von mehreren Betrieben. Die sichere Bindung<br />

der Beschäftigten des Arbeitgeberzusammenschlusses an die Einsatzbetriebe bildet<br />

auch die Grundlage <strong>für</strong> eine strategische Personalentwicklung, <strong>für</strong> Weiterbildung und<br />

Kompetenzentwicklung im Sinne der beteiligten Betriebe und der Beschäftigten<br />

selbst.<br />

Bei kleinen Zusammenschlüssen koordiniert ein Mitgliedsbetrieb den Personalein-<br />

satz, größere Arbeitgeberzusammenschlüsse – ab etwa 30 Mitgliedsbetrieben und<br />

entsprechend vielen Beschäftigten (es gibt Zusammenschlüsse mit mehr als hundert<br />

Mitgliedsbetrieben und weit mehr als hundert Beschäftigten) haben ein eigenes Ma-<br />

nagement, das nicht nur die Organisation der flexiblen Arbeit koordiniert, sondern die<br />

Mitgliedsbetriebe auch bei einem strategisch ausgerichteten Personalmanagement<br />

unterstützt. Das kann die Unterstützung bei der Organisation von Weiterbildung und<br />

Kompetenzentwicklung der Beschäftigten sein, aber auch Bereiche wie Personalre-<br />

krutierung, Einarbeitung, Nachwuchssicherung und Ausbildung. Das Management<br />

finanziert sich über einen Aufschlag auf den Lohn der gemeinsamen Beschäftigten<br />

des Zusammenschlusses.<br />

57


Thomas Hartmann<br />

Betriebliche Bedarfe als Ausgangspunkte <strong>für</strong> den Aufbau von Arbeitgeberzu-<br />

sammenschlüssen<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Gründung eines Arbeitgeberzusammenschlusses sind kontinuierli-<br />

che „Teilarbeitsbedarfe“ von Unternehmen. Diese werden zu attraktiven Arbeits-<br />

plätzen, in der Regel unbefristete Vollzeitstellen, kombiniert, auf deren Grundlage<br />

dann die Personalauswahl und Einstellung erfolgt. Im Folgenden sollen einige Bei-<br />

spiele solcher Teilbedarfe skizziert werden.<br />

Saisonale Schwankungen des Arbeitsanfalls sind der offensichtlichste Bedarf, der<br />

zum Beispiel in der Baubranche und der Landwirtschaft, der Lebensmittelverarbei-<br />

tung und dem Hotel- und Gaststättengewerbe die häufigsten Probleme verursacht.<br />

Saisonale Arbeit ist jedoch gut planbar und lässt sich deshalb auch gut kombinieren,<br />

vorausgesetzt, es lassen sich Arbeitsbereiche finden, deren saisonale Spitzen kom-<br />

plementär sind. Die Kombination saisonaler Arbeiten zwischen unterschiedlichen Be-<br />

trieben ist häufig die Basis zur Gründung von Arbeitgeberzusammenschlüssen. Die<br />

Teilung einer Arbeitskraft erfolgt hier zwischen wenigen Unternehmen und die Dauer<br />

des Arbeitseinsatzes in einem Unternehmen erstreckt sich meist über Wochen oder<br />

Monate.<br />

Es gibt aber auch Tätigkeiten mit einem Rhythmus, der in einem kurzen Zeitraum,<br />

zum Beispiel in Tagen oder Wochen, variiert. Dies ist besonders bei bestimmten Ar-<br />

beiten im Handel der Fall, wo Teilzeitarbeit weit verbreitet ist, oder auch bei Ange-<br />

stellten von Wach- und Reinigungsdiensten. Die Nachfrage der Unternehmen<br />

schwankt hier in der Regel in einem Tages- oder auch Wochenrhythmus.<br />

Immer stärker rückt jedoch ein neuer Bedarf in den Vordergrund, das „Teilen von<br />

Spezialisten“ zwischen mehreren Unternehmen. Das kann sehr unterschiedliche Be-<br />

rufe und Qualifikationsniveaus betreffen: qualifizierte Arbeiter, Angestellte, Techniker<br />

oder leitendes Personal zum Beispiel in Bereichen wie Qualitätsmanagement, Spezi-<br />

altechniken, Betreuung von Daten- und EDV-Netzwerken oder Buchhaltung. Die<br />

Nachfragen kommen von den kleinen und mittleren Betrieben, die da<strong>für</strong> keinen Voll-<br />

zeit-Arbeitsvertrag vergeben können, sei es aus Kostengründen oder aus Gründen<br />

eines zu geringen Arbeitsanfalls. Die Unternehmen können diesen Bedarf nicht oder<br />

nur schlecht unter Einsatz der üblichen Flexibilisierungsinstrumente (Überstunden,<br />

Minijobs, Teilzeit, Zeitarbeit etc.) decken, denn das hat direkte Konsequenzen <strong>für</strong><br />

Kosten, Qualität, Fristen oder Kundenbetreuung. Wird dieser Bedarf an Spezialisten<br />

58


Kooperatives Personalmanagement - Arbeitgeberzusammenschlüsse<br />

jedoch nicht gedeckt, so begrenzt das oft die Entwicklung des Unternehmens oder<br />

die Realisierung eines Auftrags oder eines Projekts. Das Teilen von „Spezialisten“<br />

ermöglicht nicht nur die Sicherung, Bindung und Entwicklung solcher Arbeitskräfte,<br />

sondern gerade auch den kleineren Unternehmen einen effektiveren Arbeitseinsatz,<br />

da solche Fachkräfte entsprechend ihrer Kompetenzen durch den Einsatz in mehre-<br />

ren Betrieben eingesetzt und ausgelastet werden können.<br />

Ein weiterer Bedarf ergibt sich aus schwer vorhersehbaren Fluktuationen, zum Bei-<br />

spiel Auftragsschwankungen, die nicht gleichmäßig über die Saison verteilt sind. Es<br />

ist sehr schwierig, einen Arbeitgeberzusammenschluss über Gelegenheitsarbeiten in<br />

Gang zu bringen, die per Definition kaum planbar und daher risikoreich sind. Es ist<br />

eher so, dass die bereits bestehenden Arbeitgeberzusammenschlüsse mit Gelegen-<br />

heitsarbeiten Unterbrechungen bei anderen Einsätzen füllen. In der Regel ist gerade<br />

<strong>für</strong> diese Formen der Flexibilität die Größe des Zusammenschlusses entscheidend;<br />

je mehr Betriebe beteiligt sind und je mehr Beschäftigte der Arbeitgeberzusammen-<br />

schluss hat, desto größer sind seine Flexibilitätspotentiale. Solche Bedarfe können<br />

also nur über schon gut entwickelte Zusammenschlüsse abgedeckt werden.<br />

Arbeitgeberzusammenschlüsse – ein innovatives Modell der Flexicurity<br />

Im Vordergrund des europaweiten Diskurses zur Flexicurity steht das Arbeitgeber-<br />

Arbeitnehmer-Verhältnis, wie es in Großunternehmen und Konzernen vorherrscht.<br />

Dabei wird unterstellt, dass die Arbeitgeber vorwiegend an Flexibilität interessiert<br />

sind, während die Arbeitnehmer die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes im Auge haben,<br />

also ihre Security. Diese Interessenlagen stehen prinzipiell im Widerspruch zueinan-<br />

der. Die derzeit diskutierten Flexicurity-Ansätze beziehen sich auf diese Gegensätz-<br />

lichkeit. Dementsprechend ausgerichtet sind die Konzepte und Instrumente auf inter-<br />

ne (z.B. Arbeitsorganisation, Lernen- und Kompetenzentwicklung) und externe For-<br />

men (z.B. Auslagerung des Beschäftigungsrisikos und Absicherung der Freigesetz-<br />

ten über soziale Versicherungsleistungen sowie effektive Vermittlung) der Flexibilisie-<br />

rung und Absicherung.<br />

Wird das Interessenverhältnis in kleinen und mittleren Unternehmen betrachtet, ins-<br />

besondere in kleineren und Kleinst-Unternehmen, so lautet die Kernthese, dass eine<br />

weitgehende Identität der Interessen zwischen „Arbeitgebern“ und „Arbeitnehmern“<br />

existiert.<br />

59


Thomas Hartmann<br />

Die Arbeitgeber sind auf ihre Belegschaften, damit auch auf die Bereitstellung von<br />

sicheren und attraktiven Arbeitsplätzen angewiesen; denn ohne sie können sie ihre<br />

Unternehmen - zumal unter den schwieriger gewordenen Bedingungen der Globali-<br />

sierung – nicht am Leben halten. Das Interesse der Arbeitnehmer steht dazu nicht in<br />

einem diametralen Widerspruch: Die Arbeitnehmer wissen, dass ihre Arbeitsplätze<br />

nur sicher sind, wenn das Unternehmen „sicher“ ist. Sie sind also ebenso wie der<br />

Unternehmer an der Sicherung des Unternehmens interessiert.<br />

Die Aspekte Sicherheit und Flexibilität beziehen sich hier mit gleicher Gewichtung<br />

sowohl auf die Arbeitgeber- als auch auf die Arbeitnehmerseite. Sie bedingen sich<br />

aber auch wechselseitig, denn zunehmende Flexibilität kann die Sicherheiten erhö-<br />

hen und eine bestimmte Sicherheit des Unternehmens wie auch der Arbeitsplätze<br />

bietet erst die Grundlage <strong>für</strong> Flexibilität:<br />

Arbeitgeberzusammenschlüsse als ein Modell der Flexicurity, das sich auf die Ver-<br />

hältnisse in kleineren Unternehmen richtet, organisieren Kooperationen zwischen<br />

den Betrieben, um die Verbindung von Flexibilität und Sicherheit zu verbessern. Über<br />

kooperatives Personalmanagement erhöhen die Unternehmen sowohl die Sicherheit<br />

in Bezug auf langfristig verfügbare Fachkräfte als auch ihre Flexibilität im Bereich der<br />

Arbeitsorganisation. Für die Beschäftigten ergeben sich durch die kollektive Absiche-<br />

rung durch mehrere Betriebe ebenfalls höhere Sicherheit, mehr Perspektive, Ent-<br />

wicklungsmöglichkeiten und Attraktivität, es entstehen auf ihrer Seite aber auch Mög-<br />

lichkeiten der Flexibilität im Bereich des Erhalts der Beschäftigungsfähigkeit sowie<br />

bei der Vereinbarung von Arbeit, Familie und Freizeit.<br />

Arbeitgeberzusammenschlüsse stellen neben, besser zwischen internen und exter-<br />

nen Formen der Flexibilisierung einen „dritten Weg“ dar, da sie über zwischenbe-<br />

triebliche Kooperation die Möglichkeiten der Flexibilisierung der Arbeitsorganisation<br />

und Personalenwicklung des Einzelunternehmens erhöhen.<br />

Innovative Funktionen von Arbeitgeberzusammenschlüssen in der regionalen<br />

Entwicklung<br />

Die begrenzten zeitlichen und finanziellen Ressourcen kleinerer Unternehmen führen<br />

meist zu einer Begrenzung ihres Engagements in der regionalen Entwicklung, deren<br />

Ausgestaltung, wie schon beschrieben, gleichzeitig aber eine wichtige Basis der Ent-<br />

wicklungsfähigkeit des regional gebundenen Unternehmens darstellt. Arbeitgeberzu-<br />

sammenschlüsse verstehen sich auch als Akteure des Managements des regionalen<br />

60


Kooperatives Personalmanagement - Arbeitgeberzusammenschlüsse<br />

Arbeitsvermögens. Sie richten ihren überbetrieblichen Blick auch auf die regionale<br />

Fachkräftesituation und engagieren sich als Unternehmensverbund in der Verbesse-<br />

rung der Fachkräfteentwicklung. Die französischen Beispiele zeigen, dass Arbeitge-<br />

berzusammenschlüsse bzw. ihre regionalen Dachorganisationen, die sogenannten<br />

regionalen Ressourcenzentren der Arbeitgeberzusammenschlüsse, wichtige Foren<br />

bilden, in denen es zu einem Austausch verschiedener regionaler Akteure kommt<br />

und von denen Aktivitäten ausgehen. In den Vorständen der Arbeitgeberzusammen-<br />

schlüsse und der Ressourcenzentren sitzen nicht nur Vertreter der Unternehmen,<br />

sondern auch Vertreter der Sozialpartner, Kammern und Verbände sowie weitere<br />

regionale Akteure.<br />

Eine wichtige Funktion erfüllen Arbeitgeberzusammenschlüsse in Frankreich auch<br />

bei der Weiterentwicklung des sozialen Dialogs auf regionaler Ebene, einer vierten<br />

Ebene – neben der betrieblichen, der branchenbezogenen und der nationalen. Zu-<br />

nächst sind die Arbeitgeberzusammenschlüsse mit ihren Managements Intermediäre<br />

zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerebene. Sie spielen eine bedeutende<br />

Rolle in der Kommunikation und Mediation zwischen Arbeitgebern der kleineren Un-<br />

ternehmen und ihren Beschäftigten, aber auch zwischen der Unternehmens- und der<br />

regionalen Ebene. Weiterhin bieten gerade die größerem Arbeitgeberzusammen-<br />

schlüsse grundsätzlich die Möglichkeit, eine Kultur der organisierten Interessenver-<br />

tretung einzuführen, die in der Regel in den kleineren Unternehmen wenig ausge-<br />

prägt ist. So bilden sich in den größeren Zusammenschlüssen Betriebsräte, die es in<br />

den kleinen Mitgliedsunternehmen nicht gibt.<br />

Arbeitgeberzusammenschlüsse tragen dazu bei, die Verhältnisse in den kleineren<br />

Unternehmen explizit zu machen und damit auch bewusst gestaltbar. Das kann ein<br />

Zugang <strong>für</strong> die Gewerkschaften in die Sphäre der kleineren Unternehmen bedeuten,<br />

allerdings ist damit auch eine Weiterentwicklung von gewerkschaftlichen Funktionen<br />

Voraussetzung. So könnte durch eine organisierte Interessenvertretung in Arbeitge-<br />

berzusammenschlüssen ein Beitrag zur Verbesserung der Kultur der Mitbestimmung<br />

und der Partizipation in der Sphäre der kleineren Unternehmen geleistet werden.<br />

Aber auch insgesamt ermöglichen die Arbeitgeberzusammenschlüsse durch ihr stra-<br />

tegisches Handeln und durch ihre regionale Präsenz den kleineren Unternehmen,<br />

sich an der Entwicklung ihres regionalen Umfeldes aktiver und effektiver zu beteili-<br />

gen.<br />

61


Thomas Hartmann<br />

Das Modell wurde inzwischen erfolgreich nach Deutschland transferiert. Es existieren<br />

inzwischen fünf Arbeitgeberzusammenschlüsse, drei in Brandenburg und je einer in<br />

Thüringen und Nordrhein-Westfalen. Weiterhin gibt es auch in anderen Bundeslän-<br />

dern Initiativen zum Aufbau von Arbeitgeberzusammenschlüssen (siehe dazu:<br />

www.arbeitgeberzusammenschluesse.de).<br />

62


Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Allgemeine Einführung (Michael Fischer)<br />

63<br />

Leo Baumfeld und Michael Fischer<br />

ÖAR Regionalberatung GmbH Wien<br />

Unter dem Begriff „Governance“ hat sich in den letzten Jahren eine Form der Steue-<br />

rung von Systemen herausgebildet, die weder durch reine Marktmechanismen noch<br />

durch rein hierarchische Strukturen miteinander verbunden sind. Die Commission on<br />

Global Governance (1995) beschreibt Governance als<br />

"die Gesamtheit der zahlreichen Wege, auf denen Individuen sowie öffentli-<br />

che und private Institutionen ihre gemeinsamen Angelegenheiten regeln.<br />

Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess, durch den kontroverse<br />

oder unterschiedliche Interessen ausgeglichen werden und kooperatives Han-<br />

deln initiiert werden kann. Der Begriff umfasst sowohl formelle Institutionen<br />

und mit Durchsetzungsmacht versehene Herrschaftssysteme als auch infor-<br />

melle Regelungen, die von Menschen und Institutionen vereinbart oder als<br />

im eigenen Interesse angesehen werden."<br />

Diese Definition beinhaltet sehr viele Ansatzpunkte, um diese Form der (Selbst-)<br />

Steuerung komplexer Systeme genauer zu beschreiben.<br />

Den Auslöser <strong>für</strong> die Zusammenarbeit staatlich-öffentlicher, marktwirtschaftlich orien-<br />

tierter und zivilgesellschaftlicher AkteurInnen bildet zumeist ein gemeinsames Anlie-<br />

gen bzw. Problem:<br />

• dessen Lösung nicht in der Hand eines einzelnen Akteurs liegt und/oder<br />

• das nicht mit herkömmlichen Instrumenten staatlicher oder marktwirtschaftli-<br />

cher Steuerung behoben werden kann.<br />

Es sind also häufig „funktionale“ Ausgangspunkte, die eine Zusammenarbeit ansto-<br />

ßen (Fürst 2004: 49). Als Beispiele solcher Themen, die hierunter fallen, können In-<br />

tegration, Nachhaltigkeit, Arbeitsmarktpolitik und Umweltschutz sowie generell regio-<br />

nale Entwicklung genannt werden.<br />

Um dies etwas transparenter zu machen, soll <strong>für</strong> letztgenanntes Anwendungsfeld der<br />

regionalen Entwicklung das Beispiel Leader näher betrachtet werden:


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

Unter Leader (frz. Liaison entre actions de développement de l'économie rurale, dt.<br />

Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft) versteht<br />

man eine Methodik, die im Rahmen der ländlichen Entwicklung zur Anwendung<br />

kommt. AkteurInnen aus der kommunalen Verwaltung, der Wirtschaft und Zivilgesell-<br />

schaft entwickeln auf einem geografisch begrenzten Gebiet (zumeist unterhalb von<br />

NUTS 3-Flächeneinheiten 4 ) in moderierten Prozessen gemeinsame Ziele, die aus<br />

regionalen Problemlagen und der Analyse zukünftiger Entwicklungschancen resultie-<br />

ren. Im Anschluss wird eine Strategie formuliert, wie diese Ziele unter Einsatz von<br />

projektförmigen Maßnahmen erreicht werden können.<br />

Grundsätzlich basiert die Mitarbeit in solchen Netzwerken auf Freiwilligkeit. Dies imp-<br />

liziert, dass den Mitgliedern jederzeit eine „Exit-Option“ offen steht. Zeichnet sich also<br />

<strong>für</strong> die TeilnehmerInnen und ihre „Herkunftssysteme“ (Verwaltungen, Unternehmen,<br />

etc.) kein oder zu wenig Nutzen ab, wird sich die Teilnahmebereitschaft – die ja mit<br />

persönlichem Ressourcenaufwand verbunden ist – rasch verringern. Dies führt zu<br />

einer weiteren Diagnose: Governance ist nicht gänzlich unabhängig von Staat und<br />

Markt – es wirkt quasi in deren Schatten.<br />

Der Markt wirkt in der Form hinein, dass Nutzen produziert werden muss. Wesentlich<br />

ist aber, dass der „Schatten des Marktes“ nicht zu kurz ist, das heißt, dass dem ge-<br />

meinsamen Arbeiten der TeilnehmerInnen genügend Zeit gegeben ist, diesen Nutzen<br />

zu produzieren. „Tit for Tat“ mit einer kurzfristigen Perspektive wird sich in Governan-<br />

ce Strukturen aufgrund der teilweise komplexen Problemlagen selten realisieren las-<br />

sen. Die Notwendigkeit von Win-Win-Situationen wurde auch bereits in der Evaluati-<br />

on des deutschen Programms „Regionen Aktiv“ deutlich. Böcher und Tränker diag-<br />

nostizieren, dass Akteure nur dann zur Kooperation mit anderen bereit sind, wenn <strong>für</strong><br />

sie Gewinne entstehen, die ohne die Kooperation nicht zu realisieren gewesen wären<br />

(2008: 114).<br />

Neben dem „Schatten des Marktes“ wirkt auch der „Schatten des Staates“ in Gover-<br />

nance Settings hinein. So findet man in diesen Settings oftmals hierarchische Eingrif-<br />

fe, die die Bereitschaft zur Einhaltung der (noch zu diskutierenden) Selbstrege-<br />

lungsmechanismen sicherstellen. Sie verringern einerseits zu starkes „opportunisti-<br />

4 NUTS (frz.: Nomenclature des unités territoriales statistiques - „Systematik der Gebietseinheiten<br />

<strong>für</strong> die Statistik“) bezeichnet eine europäische Klassifizierungsform von Raumeinheiten. NUTS 0 –<br />

Nationalstaaten, NUTS 1 – Größere Regionen/Landesteile, NUTS 2 – Mittlere Regionen/Landschaften,<br />

NUTS 3 – Kleinere Regionen/Großstädte.<br />

64


Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

sches Verhalten“ und können andererseits Transaktionskosten der am Governance<br />

Prozess Beteiligten kompensieren, wenn der <strong>für</strong> eine Teilnahme notwendige Nutzen<br />

nicht entsprechend vermittelt werden kann (Börzel 2007).<br />

Staat und Markt bilden also wichtige Rahmenbedingungen und auch Voraussetzun-<br />

gen <strong>für</strong> Governance Arrangements.<br />

Welche weiteren Voraussetzungen lassen sich <strong>für</strong> gelingende Governance ableiten?<br />

1. ein attraktives gemeinsames Anliegen (Gemeinsam stärker sein oder eine<br />

größere Gefahr vermeiden.)<br />

2. Beteiligung der relevanten Schlüssel-AkteurInnen<br />

3. Bereitschaft zu partnerschaftlichen Beziehungsangeboten und garantierter<br />

gleichberechtigter Zugang zu den Entscheidungsarenen<br />

4. Vertrauen und starkes Sozialkapital im Netzwerk<br />

5. Bindungsbereitschaft <strong>für</strong> einen längerfristigen (mehr als ein Jahr und weniger<br />

als maximal 7 Jahre) Zeithorizont<br />

6. stabile „Herkunftssysteme“<br />

7. Verständigung auf ein gemeinsames Lern- und Beobachtungssystem (Monito-<br />

ring)<br />

8. ein wirksames Management des Governance-Prozesses („Governancement“)<br />

Um das letztgenannte Erfolgskriterium des Managements erfolgreich zu realisieren,<br />

bedarf es eines geeigneten Instrumentariums.<br />

Der folgende Beitrag von Leo Baumfeld wird explizit die Selbst- und Kontextsteue-<br />

rung und das Monitoring erläutern.<br />

65


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

Das Modell der Selbst- und Kontextsteuerung in komplexen Systemen<br />

(Leo Baumfeld)<br />

Die Kontextsteuerung<br />

Als Kontext kann all das bezeichnet werden, dem bedingungsgebende Bedeutung<br />

zugeschrieben wird. Der Kontext selbst ist etwas zusammen- (=Kon) -geflochtenes,<br />

-gewebtes (=Textur). Dieses Etwas wiederum kann unterschiedlicher Natur sein. Hier<br />

will ich die Unterscheidung zwischen Kontexten, die eine/n AkteurIn besitzen und<br />

jenen, die keine/n haben, nochmals ausdifferenzieren in drei Typen. Dazu sind einige<br />

Kontexte beispielhaft angeführt.<br />

Übersicht 1: Kontexte …<br />

mit keinem Akteur mit Akteursbündel mit eindeutigem Akteur<br />

Das Wetter<br />

Die Geschichte<br />

Das Klima (tropisch, mediterran,<br />

arktisch, usw.)<br />

usw.<br />

Die Branche<br />

Das Netzwerk<br />

Die Stakeholder<br />

Das Klima (-wandel)<br />

Die Kultur<br />

Die Technologiestärke<br />

einer Region<br />

Das Ausbildungsniveau in<br />

einer Region<br />

Lebenswelten/Milieus<br />

usw.<br />

Diese Kontexte werden mehr oder weniger bewusst<br />

beim Steuerungshandeln mitgedacht. Für die Gestaltung der<br />

66<br />

Gesetzliche Regelungen<br />

Finanzierungsbedingungen<br />

Kernfunktion<br />

Vision<br />

Prozessregelungen<br />

Beziehungsangebote und<br />

Beziehungskontexte<br />

usw.<br />

Steuerung in Organisationen oder Unternehmen ist vor allem jener Kontext von be-<br />

sonderer Bedeutung, der eine/n eindeutige/n AkteurIn hat. Dieser kann wieder unter-<br />

schieden werden in jene kontextgebenden Bedingungen,<br />

• die ein sich selbst steuerndes System sich selbst gibt (z.B. Leitbild),<br />

• die zwischen dem/der selbststeuernden AkteurIn und der/dem KontextgeberIn<br />

ausverhandelt werden (z.B. Finanzierungsregelungen) und<br />

• die von einer/m KontextnehmerIn entgegen genommen werden (müssen, z.B.<br />

Umweltschutzauflagen).


Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Jene Kontexte, die sowohl selbst gesetzt als auch von KontextgeberInnen gesetzt<br />

werden können, unterscheide ich in folgende:<br />

Gegenwart<br />

Beziehungs-Kontexte<br />

Vertrauen/Respekt<br />

Verlässlichkeit<br />

Vorbild von Kontextgebern<br />

Regel-Kontexte<br />

Ordnung des Systems<br />

Regeln <strong>für</strong> Prozesse aller<br />

Art<br />

+ Kernprozesse<br />

+ Finanzierung<br />

+ Karriere<br />

Beziehungsorientiert<br />

Sachorientiert<br />

Sinn-Kontexte im engeren Sinn (denn alles was als funktional betrachtet wird, wird<br />

meist auch als sinnvoll bezeichnet) verstehe ich hier als in die Zukunft gerichtete<br />

sinngebende Bedeutungen <strong>für</strong> ein System. Das können Visionen, Leitbilder, eine Phi-<br />

losophie oder Ähnliches sein, die dann durch imagebildende Maßnahmen und Cor-<br />

porate Identity usw. kommuniziert werden, damit dieser Sinn von anderen erkannt<br />

67<br />

Sinn-Kontexte<br />

Werte, Prinzipien<br />

Vision<br />

Philosophie<br />

Leitbild<br />

Rahmen-Kontexte<br />

Kernfunktion<br />

Mission Statement<br />

Strategie<br />

Partnerschaften<br />

Wirkung auf das Commitment der AkteurInnen<br />

im sich selbst steuernden sozialen System<br />

Zu-<br />

kunft


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

und durch deren Kommunikation vom sinngebenden System wiedererkannt werden<br />

kann. Diese Kontexte ermöglichen eine ganz persönliche Identifikation der Personen,<br />

die damit auch eine persönliche Bindung zu diesem Sinn eingehen. Ist diese Bindung<br />

nicht vorhanden, wird auf diesem Kontext entweder verzichtet oder er ist nicht abge-<br />

stimmt.<br />

Rahmen-Kontexte sind Kontexte, die bereits stärker als der Sinn auf eine bestimmte<br />

Sache (Zwecksetzung) fokussiert sind und so den Rahmen abgrenzen, in dem ein<br />

System sich bewegen will. Dieser Rahmen kann durch den grundlegenden Zweck<br />

(Kernfunktion, Mission Statement), strategische Festlegungen, Partnerschaften u.ä.<br />

hergestellt, intensiviert und vereinbart werden.<br />

Regel-Kontexte können durch die innere Verfassung der Organisation (Ordnung)<br />

hergestellt werden, beispielsweise, ob ein System sich eine demokratische Verfas-<br />

sung, eine kapitalorientierte Rechtsbasis oder gemeinschaftlich orientierte Regeln<br />

gibt, ist bedingungsgebend <strong>für</strong> alle weiteren Regeln innerhalb des Ordnungssystems.<br />

Weiterhin sind diese Regelungen selbst wieder verhaltenssteuernd, wie zum Beispiel<br />

Finanzierungsregeln <strong>für</strong> Projekte, Regeln <strong>für</strong> den Karriereweg in der Organisation,<br />

Zeitsysteme und anderes mehr. Auch „freiwillige Vereinbarungen“ zwischen den Tei-<br />

len der Organisation sind kontextgebend <strong>für</strong> alle weiteren Verhaltensschritte zum<br />

vereinbarten Regelwerk.<br />

Beziehungs-Kontexte sind Verhaltensangebote, die sich chronifiziert haben oder<br />

die als symbolische Botschaften wahrgenommen werden. Von besonderer Bedeu-<br />

tung sind hier jene, die KontextgeberInnen ihren „KontextnehmerInnen“ anbieten.<br />

Werden KontextnehmerInnen stark kontrolliert, kann davon ausgegangen werden,<br />

dass das Beziehungsangebot von Misstrauen getragen ist. Werden von Kontextge-<br />

berInnen ihre eigenen Regeln nicht eingehalten, bedeutet dies, dass sie insgesamt<br />

nicht wichtig sind und sie sind damit auch eine Einladung <strong>für</strong> die KontextnehmerIn-<br />

nen, die Regeln nicht wichtig zu nehmen. Werden Regelverletzungen nicht beobach-<br />

tet und gespiegelt, bedeutet dies, dass ihnen keine Zuverlässigkeit beigemessen<br />

werden müssen.<br />

In komplexen Steuerungs-Situationen ist Vertrauen und Respekt ein angemessenes<br />

Beziehungsangebot zur Reduktion von Komplexität der Steuerung selbst.<br />

68


Selbststeuerung<br />

Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Zur Selbststeuerung möchte ich hier zwei Zugänge wählen.<br />

(1) Selbststeuerung als Realität sozialer Systeme<br />

Damit ist gemeint, dass soziale Systeme, die eine Identität durch Zwecksetzung, Zie-<br />

le, Aufgaben und Grenzen haben oder <strong>für</strong> sich beanspruchen, sich ihre eigenen<br />

Handlungslogiken erfinden. Von außen können diese Handlungslogiken nicht direkt<br />

verändert werden. Man kann sie irritieren, man kann ihnen neue Unterscheidungen<br />

anbieten und man kann ihnen Kontexte offerieren, die vom jeweiligen sozialen Sys-<br />

tem dann nach ihrer eigenen Logik (und Vermögen) reflektiert werden. Das ist ähn-<br />

lich wie die Beziehung zwischen Ross und ReiterIn. Auch ein/e ReiterIn interveniert<br />

nicht direkt im Ross, indem er/sie es operiert, um Nervenzellen zu beeinflussen, da-<br />

mit es eine bestimmte Richtung oder Geschwindigkeit einnimmt. Sein/Ihr Steue-<br />

rungsinstrument endet an der Außenhaut des Rosses. Er/Sie kann dem Ross natür-<br />

lich auch mit Belohnungsritualen beeindrucken o.a. Niemals aber greift er/sie direkt<br />

in den Körper des Rosses ein. Bei sozialen Systemen gibt es auch diese Haut, auch<br />

wenn sie nicht so eindeutig sichtbar ist wie bei einem Ross, aber das System selbst<br />

kennt die Grenze und man verständigt sich mitunter durch Augenzwinkern unterein-<br />

ander, wenn ein/e Vorgesetzte/r in das System eindringt und aus der Sicht des sozia-<br />

len Systems Sinnloses will, weil es nach Ansicht der Innensicht sowieso anders funk-<br />

tioniert.<br />

Aus dieser Perspektive kann ein/e AußenakteurIn gar nicht entscheiden, ob sich das<br />

System selbst steuert, es tut es einfach und es tut dies nach den gegebenen Kontex-<br />

te mehr oder weniger kontextadäquat. Alles was an Widerstand erlebt wird, ist meist<br />

ein Hinweis darauf, dass das Prinzip der Selbststeuerung nicht respektiert wurde.<br />

Selbststeuerung meint somit, dass sich die einzelnen Teile einer Organisation wie<br />

Führungssysteme, operative Leistungssysteme, innere Dienstleister u.a. nach ihren<br />

eigenen Logiken steuern, die als teil-autonome PartnerInnen mit den jeweils anderen<br />

kommunizieren. Dies anzuerkennen heißt: es wird erst gar nicht versucht direkt IN<br />

diese Systeme Einfluss zu nehmen, sondern es wird dieses Selbststeuerungsprinzip<br />

respektiert und jedes System, welches Einfluss nehmen will, ist angehalten, die<br />

Handlungslogiken des anderen zu verstehen, um kreative Wege zu finden, dieses zu<br />

beeindrucken bzw. zu beeinflussen.<br />

69


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

(2) Die Nutzung der Selbststeuerung zur bewussten Inszenierung der Kopplung<br />

zweier Systeme<br />

Wer sich der Selbststeuerung bewusst ist, wird anders mit Systemen kommunizieren,<br />

die er/sie beeinflussen möchte. Die bewusste Inszenierung der Kopplung zweier oder<br />

mehrerer Systeme bedeutet dann einen sozialen Raum zu inszenieren, um<br />

• die Ziele und Teilziele zu reflektieren,<br />

• Planungs- und Kontrollprozesse gemeinsam zu gestalten,<br />

• die relevanten Entscheidungen zu treffen (ohne Entscheidungen keine Zukunfts-<br />

fähigkeit),<br />

• die Regeln <strong>für</strong> die eigene Arbeitsfähigkeit (Ziele, Entscheiden, Umsetzen) festzu-<br />

legen,<br />

• das Tauschverhältnis, das EinzelakteurInnen mit dem selbstgesteuerten sozialen<br />

System eingehen, festzulegen (geglückter Tausch = Motivation),<br />

• eigene Misserfolge zu bewältigen<br />

bzw. alles, was weiter oben als selbstbeeinflussbare Kontexte (siehe Matrix) be-<br />

schrieben wurde, selbst zu gestalten.<br />

Nun können wir davon ausgehen, dass Organisationen oder Unternehmen ausdiffe-<br />

renziert sind in viele Teileinheiten, die aus der Sicht des Ganzen einen Zusammen-<br />

halt brauchen. Wie kann nun dieser Zusammenhalt hergestellt werden, wenn sich<br />

soziale Systeme und eben auch ihre ausdifferenzierten Teilsysteme selbst steuern<br />

und ein direktes Eingreifen nicht möglich ist? Es werden Kontexte zur Verfügung ge-<br />

stellt. Dabei hängt es wiederum von der Reflexionskapazität des sozialen Systems<br />

ab, wie differenziert es Kontexte als relevant wahrnimmt. Ein Teilsystem, etwa eine<br />

Abteilung eines Unternehmens, wird jene Kontexte von kontextgebenden AkteurIn-<br />

nen, insbesondere der Vorgesetztensysteme nicht ignorieren können. Tut es das,<br />

werden mitunter die Bedingungen der Lebensfähigkeit entzogen und im Normalfall<br />

weiß ein soziales System, wann diese Bedingungen auf dem Spiel stehen. Daher<br />

kann in aller Regel erwartet werden, dass es von KontextnehmerInnen „Verhand-<br />

lungsbereitschaft“ gibt, um Kontexte auszuhandeln. Ein/e KontextgeberIn, der/die um<br />

die Selbststeuerung sozialer Systeme weiß, wird KontextnehmerInnen auch einla-<br />

den, bei der Ausformulierung der Kontexte mitzugestalten. Somit sind wir bei der<br />

Kopplung angelangt.<br />

70


Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Welche Art von Verfahren kennen die Kontextgeber und Kontextnehmer, um diese<br />

Kopplung halbwegs erfolgreich zu meistern? Auch hier kann davon ausgegangen<br />

werden, dass diese Kopplung mehr oder weniger bewusst und mehr oder weniger<br />

intensiv geregelt ist.<br />

Dazu möchte ich hier ein Modell der Kopplung vorstellen, welches implizit immer ge-<br />

schieht - das Monitoring.<br />

Ein bewusstes Monitoring gibt jedem System die Selbststeuerungsmöglichkeit und<br />

macht diese Selbststeuerung gleichzeitig transparenter <strong>für</strong> externe BeobachterInnen<br />

wie Führungskräfte oder interne PartnerInnen. Für die Führungskräfte ist es auch<br />

das Instrument, mittels dem dann Ziel- oder Wirkungsvereinbarungen mit den jewei-<br />

ligen Systemen vereinbart werden können. Das Ergebnis dieser Vereinbarungen ist<br />

der gemeinsam hergestellte Sinn (in Ausnahmefällen auch vorgegebene Sinn) und<br />

ist somit ein kontextsteuerndes Intrument <strong>für</strong> die jeweiligen Teilsysteme.<br />

Übersicht 2: Monitoring<br />

Steuert den/die<br />

KontextnehmerIn<br />

durch das Kontextangebot<br />

mit.<br />

KontextgeberIn<br />

(selbstgesteuert)<br />

Monitoring<br />

KontextnehmerIn<br />

An dieser Stelle sei angemerkt, dass hier das Verhältnis zwischen KontextgeberIn<br />

und KontextnehmerIn nicht automatisch ein hierarchisches ist. Es ist anwendbar so-<br />

wohl <strong>für</strong> hierarchische Beziehungen als auch <strong>für</strong> laterale Beziehungen. Damit ist im-<br />

plizit ausgesagt, dass dort, wo es in einem hierarchischen Beziehungskontext ange-<br />

wendet wird, es auch gegenseitige Abhängigkeit gibt. Selbst wenn die totale Kontrol-<br />

le die Kopplung dominieren würde, würde einer/m KontrollorIn über kurz oder lang<br />

durch die Anstrengungen, die das Kontrollieren verursacht, bewusst werden, in wel-<br />

71<br />

Steuert den/die<br />

KontextgeberIn und<br />

damit dem von<br />

ihm/ihr gestaltbaren<br />

Kontext mit.


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

chem Ausmaß er/sie von den Kontrollierten abhängig ist, das heißt von dieser/n<br />

selbst kontrolliert wird.<br />

Das Monitoring<br />

Die Kernoperation des Monitorings ist die Beobachtung. Wie weiter oben schon an-<br />

gedeutet, kann man davon ausgehen, dass sich KontextgeberIn und Kontextnehme-<br />

rIn ständig beobachten, was noch nicht heißt, dass sie sich diese Beobachtungen<br />

auch mitteilen. Wenn es kein Mitteilungsverfahren gibt, wird diese Beobachtung häu-<br />

fig in symbolischer Form kommuniziert. Wenn nun diese Beobachtung ohnehin ge-<br />

schieht, dann macht es Sinn diese transparent und geregelt und in einem Klima des<br />

Respekts zu inszenieren.<br />

Was bedeutet Monitoring? Monitoring ist ein regelmäßiges „Draufschauen“ auf be-<br />

stimmte Aspekte (Indikatoren, Teilziele), nach denen beurteilt werden soll, ob die<br />

gesteckten Ziele erreicht werden.<br />

Die Beobachtung innerhalb eines Monitorings basiert auf ausgewählten Aspekten,<br />

also Indikatoren, <strong>für</strong> die dann auch Messgrößen oder zumindest Anforderungen fest-<br />

gelegt werden. Diese Festlegung ist wichtig, damit überhaupt Beobachtungen ge-<br />

macht werden können. Beobachtungen basieren auf der Wahrnehmung von Diffe-<br />

renzen. Die Rahmenbedingung, die da<strong>für</strong> sorgt, dass Unterschiede feststellbar sind,<br />

ist das Monitoringsystem. Jedoch muss ich hier vor zwei Fallen warnen, in die häufig<br />

getappt wird, wenn Monitoringsysteme eingeführt werden:<br />

• Falle: Fremdsteuerung<br />

Meist werden Monitoringsysteme, wenn sie nicht <strong>für</strong> die Forschung von biolo-<br />

gischen oder Naturphänomenen, sondern als Beobachtungssystem zwischen<br />

sozialen Systemen verwendet werden, als Mittel der Fremdsteuerung instal-<br />

liert. Damit basieren sie auf der Illusion, man könne direkt in soziale Systeme<br />

hineinsteuern. Dadurch wird langfristig das Problem verstärkt, das man eigent-<br />

lich vermeiden wollte. Die sich selbst steuernden Systeme werden alles tun,<br />

um die Messbarkeit von Indikatoren und deren Ergebnis so zu beeinflussen,<br />

dass Differenzen eben nicht beobachtbar werden, weil dies womöglich Sank-<br />

tionen nach sich zieht. Es braucht dann kunstvolle Deutung der Beobach-<br />

tungsergebnisse, damit sie wieder halbwegs der erwünschten Funktion ent-<br />

sprechen. Jedoch ist diese Deutungskommunikation meist von Misstrauen<br />

72


Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

und taktischer Kommunikation begleitet. Daher empfehle ich, das Monitoring<br />

vor allem <strong>für</strong> die Selbststeuerung anzuwenden. Teile davon werden allerdings<br />

zwischen der/m KontextgeberIn und der/m KontextnehmerIn kontraktiert.<br />

• Falle: Blick durch ein Rohr<br />

Wenn Indikatoren festgelegt werden, dann werden über das Verfahren in der<br />

Regel auch nur diese Indikatoren beobachtbar gemacht. In komplexen Situati-<br />

onen, wo man getrost davon ausgehen muss, dass ohnehin nur jeweils Teile<br />

von einem imaginierten Ganzen beobachtbar sind, ist das eine erhebliche<br />

Einschränkung der Beobachtung selbst. Der fokussierte Blick ist wichtig <strong>für</strong> die<br />

vereinbarten Ziele oder erwünschten Wirkungen, der gestreute Blick ist wich-<br />

tig, um nicht intendierte Wirkungen wahrnehmen zu können. Wer auf den ge-<br />

streuten Blick verzichtet, verzichtet auf Innovation, denn die Ergebnisse des<br />

gestreuten Blicks können als modifizierte oder neue, bessere Indikatoren in<br />

den fokussierten Blick einmünden.<br />

Ich empfehle hier als Monitoringsystem die Balanced Scorecard (BCS) anzuwenden.<br />

Wobei ich diese auf zwei Beine stelle:<br />

• Der fokussierten Blick<br />

Mit dem fokussierten Blick werden die Indikatoren bzw. Ziele und deren<br />

Messgrößen festgelegt, die dann in vereinbarten Intervallen beobachtet wer-<br />

den.<br />

• Der gestreuten Blick<br />

Mit dem gestreuten Blick werden Kommunikationsverfahren festgelegt, die<br />

den gestreuten Blick, das heißt alles was der Selektion des fokussierten Blicks<br />

zum Opfer fällt, beobachtbar zu machen, wobei auch hier durchaus gröbere<br />

Selektionen Sinn machen. Dieses Verfahren nenne ich Scanning.<br />

Im folgenden Schaubild sind die Perspektiven von Indikatoren oder Teilzielbereichen<br />

dargestellt, nach denen sinnvoll beobachtet werden kann. Diese vier Perspektiven<br />

sind an die „Balanced Scorecard“ angelehnt, welche von Kaplan/Norton entwickelt<br />

wurde. Seit einigen Jahren wird sie nicht mehr nur im Profitbereich angewendet, sie<br />

hat Einzug im Nonprofitbereich und der Verwaltung gefunden. Diese Adaption der<br />

Balanced Scorecard ist vor allem <strong>für</strong> Systeme geeignet, die ihren Erfolg nicht über<br />

die Erlöse ihrer Leistungen erzielen, sondern öffentliche oder Sponsoring Mittel ein-<br />

setzen, um bestimmte Wirkungen zu erzielen.<br />

73


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

Übersicht 3: Monitoring als Selbststeuerungsprozess<br />

Ressourcen<br />

Der fokussierte Blick<br />

mittels Indikatoren<br />

k<br />

u<br />

r<br />

z<br />

Ergebnisse &<br />

Wirkungen<br />

aussen<br />

Strategie<br />

Ziele<br />

innen<br />

Umsetzungsprozesse<br />

Monitoring als Selbststeuerungsprozess<br />

la<br />

n<br />

g<br />

Lernen &<br />

Entwicklung<br />

Entwicklung<br />

Entwicklung<br />

74<br />

Ressourcen<br />

Der gestreute Blick<br />

Mittels Scanning<br />

k<br />

u<br />

r<br />

z<br />

Ergebnisse &<br />

Wirkungen<br />

aussen<br />

Strategie<br />

Ziele<br />

innen<br />

Umsetzungsprozesse<br />

la<br />

n<br />

g<br />

Lernen &<br />

Entwicklung<br />

Dieses System wird häufig angewendet, wenn von der Outputorientierung zur Wir-<br />

kungsorientierung umgestellt werden soll. Der Output, das sind die Leistungen eines<br />

Systems, greift oft zu kurz, um dem Erfolg Nachhaltigkeit zu verleihen. Wesentlich<br />

sind die Wirkungen eines Tuns, die allerdings nur zeitverzögert beobachtbar sind.<br />

Was können Indikatoren <strong>für</strong> den fokussierten Blick sein?<br />

Wirkungen<br />

Durch welche Wirkungen wollen wir Nutzen stiften und <strong>für</strong> unser „Kunden“ attraktiv<br />

sein?<br />

Umsetzungsprozesse<br />

Bei welchen Prozessen müssen wir Hervorragendes leisten?<br />

Lernen & Entwickeln<br />

Wie können wir flexibel sein und uns ständig lernend weiter entwickeln?<br />

Ressourcen<br />

Wie können wir durch geringsten Ressourceneinsatz die größte Wirkung erzielen?


Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

Zu diesen Fragen können nun Ziele formuliert werden, die dann beobachtet werden.<br />

Das kann beispielhaft so aussehen:<br />

Übersicht 4: Zielformulierung<br />

Ziel Kennzahlen<br />

Wir wollen unsereBedeutung<br />

in der<br />

Öffentlichkeit<br />

erhöhen.<br />

Drei Artikel in<br />

der Regionalzeitung<br />

Zwei Einladungen<br />

im Halbjahr<br />

von anderen<br />

Sinnorganisationen <br />

Beobachtungsintervall<br />

Diese können<br />

monatlich, quartalsweise<br />

oder<br />

halbjährlich<br />

sein.<br />

75<br />

Datenquelle Maßnahmen<br />

Wo sehen wir<br />

nach, dass die<br />

Kennzahl beobachtbar<br />

ist:<br />

In diesem Fall in<br />

den Regionalzeitungen,<br />

…<br />

Hier werden die<br />

Maßnahmen<br />

aufgelistet, die<br />

dazu führen<br />

werden, dass<br />

wir von den Medien<br />

und anderenSinnorganisationenwahrgenommen<br />

werden.<br />

Damit <strong>für</strong> den fokussierten Blick ein ausgewogenes und plausibles Set an Indikatoren<br />

ermittelt werden kann, empfehle ich die Erstellung einer Strategie-Map, die zur<br />

Selbststeuerung dienen soll und von denen Teile als kontextsteuernde Vereinbarun-<br />

gen genutzt werden.<br />

Das Modell der BSC <strong>für</strong> ressourcenbasierte Organisationen ist am Beispiel der<br />

„BSC-Regio“ beschrieben.<br />

Die Steuerungs-Map<br />

Der Prozess des Monitorings ist in einem Kreislauf eingebettet. Zunächst werden die<br />

strategischen Ziele definiert. Den selbststeuernden AkteurInnen empfehle ich, zu die-<br />

sem Zeitpunkt auch die Messgrößen zu den Zielen nach den vier Perspektiven fest-<br />

zulegen.<br />

So dann beginnen die Umsetzungsprozesse (oder werden fortgesetzt). Weiterhin<br />

werden im Rahmen des Messgrößen-Monitorings die Ergebnisse und Wirkungen mit<br />

den Messgrößen verglichen, die Abweichungen reflektiert und Steuerungsmaßnah-<br />

men gesetzt. Natürlich kann auch das Ziel neu definiert werden, wenn sich heraus-<br />

stellt, dass es unrealistisch war.<br />

Dieser Vergleich findet zu den festgelegten Intervallzeiträumen statt.


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

Übersicht 5: Steuerungsmap<br />

Akteur<br />

Ziele<br />

Umsetzungsprozesse<br />

Rückkoppelung<br />

Steuerung<br />

Rückkoppelung<br />

Reflexion<br />

Funktionalität<br />

Gesamtsystem<br />

76<br />

Ergebnisse<br />

&<br />

Wirkungen<br />

Messgrößen<br />

Monitoring<br />

Anschließend werden die Scanningmonitoringprozesse zu den festgelegten Zeiträu-<br />

men durchgeführt, die zusätzliche Informationen zur Steuerung bieten. Gebenenfalls<br />

können dadurch noch bessere Messgrößen ermittelt werden.<br />

Das Monitoring liefert auch Erkenntnisse über die Funktionalität des Gesamtsystems.<br />

Da die Ergebnisse nie exakt vorausgedacht, sondern nur erwünscht werden können<br />

und eine Offenheit <strong>für</strong> Überraschungen nützlich ist, ist es auch erforderlich immer<br />

wieder zu überprüfen, ob das Steuerungssystem selbst, damit meine ich im Kern die<br />

Kopplung zwischen dem Kontextgeber und dem Kontextnehmer, funktional ist.<br />

Scanningergebnisse


Literatur<br />

Selbststeuerung in Regionen – Local und Regional Governance<br />

BAECKER Dirk, Postheroisches Management, 1994, Merve Verlag<br />

BÖCHER, Michael, TRÄNKER, Sebastian: Erfolgsfaktoren integrierter ländlicher Entwick-<br />

lung. In: Böcher et al. (Hrsg.): Regional Governance und integrierte ländliche Ent-<br />

wicklung: Ergebnisse der Begleitforschung zum Modell- und Demonstrationsvorha-<br />

ben "Regionen Aktiv", Wiesbaden: VS Verlag, 2008: 109-149<br />

BÖRZEL Tanja: Regieren ohne den Schatten der Hierarchie. Ein modernisierungstheoreti-<br />

scher Fehlschluss? 2008. Online unter:<br />

http://www.politikwissenschaft.tu-<br />

darmstadt.de/fileadmin/pg/Sektionstagung_IB/IB_Sektionstagung_Boerzel.pdf<br />

FÜRST, Dietrich: Regional Governance. In: Benz, Arthur (Hrsg): Governance. Regieren in<br />

komplexen Regelsystemen. Wiesbaden: VS Verlag 2004, 45-64<br />

KAPLAN Robert S./NORTON David P., 2004, Strategy Map, Schäffer/Pöschel Verlag<br />

Stuttgart<br />

The Commission on Global Governance, Our Global Neighbourhood, Oxford: Oxford Univer-<br />

sity Press, 1995, p. 4.<br />

WILLKE Helmut, 2001, Systemtheorie III-Steuerungstheorie, 3. Auflage, Lucius & Lucius<br />

(UTB)<br />

WILLKE Helmut, 2006, Global Governance, transcript<br />

WILLKE Helmut, Supervision des Staates, 1997, Suhrkamp Verlag<br />

77


Leo Baumfeld, Michael Fischer<br />

78


Autorenverzeichnis<br />

79<br />

Autorenverzeichnis<br />

Leo Baumfeld<br />

Seit 1984 in der Regionalberatung tätig und seit 2001 Gesellschafter der ÖAR-<br />

Regionalberatung GmbH. Die Schwerpunkte seiner Beratungstätigkeit liegen in der Beratung<br />

von Unternehmen und Organisationen im intermediären Kontext, sowie Beratung von Netzwerken<br />

und Clustern. Er entwickelt mit und <strong>für</strong> Kunden neue soziale Steuerungssysteme,<br />

innovative soziale Inszenierungen und Managementinstrumente. Weitere Informationen zur<br />

Person und Institution auch unter: http://www.oear.at/cv-baumfeld.html<br />

<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong><br />

geboren 1969, Diplom-Soziologin, Studium der Soziologie an der Martin-Luther-Universität<br />

<strong>Halle</strong>-Wittenberg von 1988-1995.<br />

Seit 1996 als Mitglied in der Forschungsgemeinschaft <strong>für</strong> Konflikt- und <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

e.V. an verschiedenen Projekten der Jugend- und Drogenforschung sowie an Untersuchungen<br />

zur Lage von sogenannten Risikogruppen auf dem Arbeitsmarkt beteiligt.<br />

Seit 2000 wissenschaftliche Mitarbeiterin am <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> und hier vor<br />

allem in den Forschungsschwerpunkten Biographieforschung (Übergange am Arbeitsmarkt),<br />

Arbeitsmarkt (insbesondere Bürgerarbeit) sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie tätig.<br />

Mitevaluatorin des Modellprojektes „Bürgerarbeit in Bad Schmiedeberg“.<br />

Weitere Informationen zur Person und Institution auch unter: http://www.zsh-online.de<br />

Mag. Michael Fischer<br />

Soziologe<br />

Berater in der ÖAR Regionalberatung GmbH und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen<br />

Institut <strong>für</strong> Erwachsenenbildung. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte liegen<br />

im Bereich (endogene) Regionalentwicklung, Lernende Regionen, regionalisierte Bildungsentwicklung<br />

und Regional Governance.<br />

Weitere Details zur Person finden Sie unter: http://www.oear.at/cv-fischer.html.<br />

Dr. rer. nat. Thomas Hartmann<br />

geboren 1956, Diplom-Biologe<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der FU und TU Berlin, Forschungsschwerpunkt „Neuronale<br />

Grundlagen des Lernens”, Lehrgangsleiter im Weiterbildungszentrum Arbeits-, Umwelt- und<br />

Naturschutz des bfw; Projektleiter und wissenschaftlicher Begleiter des Projektes „Lernen im<br />

sozialen Umfeld” bei der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung.<br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt Universität zu Berlin im Projekt „Personal-<br />

und Organisationsentwicklungskonzepte zur Förderung der Innovationsfähigkeit von beruflichen<br />

Weiterbildungseinrichtungen“.<br />

Ab 2002 Geschäftsführer der tamen. GmbH. Arbeitsschwerpunkte: Personal- und Organisationsentwicklung,<br />

KMU-Netzwerke und Kooperationen, Unterstützung von Lernen in Entwicklungsprozessen.<br />

Weitere Informationen zur Person und Institution auch unter: http://www.tamen.de<br />

Sylvia Kühnel<br />

geboren 1958, Diplomingenieurökonom, 1982-1991 Tätigkeit in den Burger Bekleidungswerken,<br />

Werk <strong>Halle</strong> (seit 1986 Produktionsstättenleiterin), seit 16.09.1991 beim Landesarbeitsamt<br />

Sachsen-Anhalt-Thüringen (heißt seit 2004 Regionaldirektion) in verschiedenen<br />

Aufgabenbereichen, seit Mai 2007 Regionalberaterin im Geschäftsbereich SGB II. Parallel<br />

seit Mai 2006 mit der Projektleitung "Bürgerarbeit" betraut.


Autorenverzeichnis<br />

Undine Schreiber<br />

Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit, Regionaldirektion Bayern, Weiden<br />

Projektleitung "Job-Perspektive/Bürgerarbeit"<br />

Bettina Wiener<br />

geboreb 1961, Diplom-Soziologin, arbeitete seit Beendigung ihres Studiums 1991 an der<br />

Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg und später freiberuflich in verschiedenen Projekten<br />

zum ostdeutschen Transformationsprozess sowie von 1995 bis 1999 im Auftrag der Landesregierung<br />

an der Organisation, Betreuung und Aktivierung des Netzwerkes zu den Arbeitsmarktdaten<br />

Sachsen-Anhalt.<br />

Seit 1997 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im zsh. Seit 2002 ist Bettina Wiener als Geschäftsführerin<br />

am zsh tätig. Schwerpunkte ihrer Forschungsarbeit waren bzw. sind Arbeitsmarkt<br />

und berufliche Bildung sowie Personal- und Organisationsentwicklung vor allem in<br />

kleinen und mittleren Unternehmen. Einen Teil ihrer Arbeit konzentriert sie seit längerem auf<br />

die Fachkräfteentwicklung besonders in der Chemie und in der Landwirtschaft.<br />

Weitere Informationen zur Person und Institution auch unter: http://www.zsh-online.de<br />

80


Programm der Tagung<br />

Herbsttagung<br />

Fachkräftesicherung in turbulenten Zeiten<br />

5. November 2009, 10.00 – 17.00 Uhr<br />

Händelhalle in <strong>Halle</strong>/Saale<br />

10.00 – 10.30 Uhr Ankommen bei Kaffee und einer kleinen Stärkung<br />

81<br />

Programm der Tagung<br />

10.30 – 10.45 Uhr Grußwort<br />

Herr Pleye, Staatssekretär im Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und<br />

Arbeit Sachsen-Anhalt<br />

Dr. Uwe Bentrup,<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung<br />

Schwerpunkt I: local governance<br />

10.45 – 11.30 Uhr Bürgerarbeit<br />

Sylvia Kühnel, Regionaldirektion Sachsen-Anhalt Thüringen<br />

<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong>, <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e. V.<br />

Job Perspektive Plus<br />

Undine Schreiber, Regionaldirektion Bayern<br />

11.30 – 12.15 Uhr Nachwuchskräftepool<br />

Bettina Wiener, <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e. V.<br />

Arbeitgeberzusammenschlüsse<br />

Dr. Thomas Hartmann, tamen<br />

12.15 – 12.45 Uhr Selbststeuerung in Regionen – local governance<br />

Michael Fischer, ÖAR Regionalberatung GmbH<br />

12.45 – 14.00 Uhr Mittagspause und zwanglose Gespräche<br />

Schwerpunkt II: Qualifizierungspotentiale<br />

14.00 – 14.45 Uhr Ausbildungsbereitschaft von Betrieben<br />

Ingo Wiekert, <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e. V.<br />

Prof. Dr. Michael Behr, Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

14.45 – 15.30 Uhr Weiterbildungsbereitschaft von Betrieben<br />

PD Dr. Holle Grünert, <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e. V.<br />

<strong>Sabine</strong> Löser, LASA Brandenburg<br />

15.30 – 16.00 Uhr Qualifizieren <strong>für</strong> die Zukunft<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Burkart Lutz, <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong><br />

<strong>Halle</strong> e. V.<br />

16.00 – 17.00 Uhr Kultureller Abschluss und Ausklang<br />

Moderation der Veranstaltung: Susanne Winge, <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> e. V.


Teilnehmerliste der Tagung<br />

Name Organisation<br />

Carsten Bauers Berufsförderungswerk Leipzig<br />

Katharina Beck Mitteldeutscher Rundfunk<br />

83<br />

Teilnehmer der Tagung<br />

Wolfgang Beck Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-<br />

Anhalt<br />

Prof. Dr. Michael Behr Friedrich-Schiller-Universität Jena<br />

Dana Bernikas Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft<br />

Dörte Biermann Strukturförderungsgesellschaft Wittenberg mbH<br />

Bettina Bochenski Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e. V.<br />

<strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong> <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Frau Bratzke<br />

Dieter Brückner Verein <strong>für</strong> Bildungsinnovationen e. V.<br />

Christina Buchwald <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Mirka Burkert Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg, SFB 580<br />

Herbert Buscher Institut <strong>für</strong> Wirtschaftsforschung <strong>Halle</strong><br />

Stefan Chlebowski Verein <strong>für</strong> Bildungsinnovationen e. V.<br />

Jana Csongar Qualifizierungsförderungswerk Chemie GmbH<br />

Sten Cudrig <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Michael Fischer ÖAR Regionalberatung GmbH<br />

Amadeus Flößner Bildungsträger A.M. Gastro Coaching<br />

Karla Franz Bildungs-Werkstatt Chemnitz gGmbH<br />

PD Dr. Holle Grünert <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Katrin Harm Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg, SFB 580<br />

Lars Hartenstein Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Dr. Thomas Hartmann tamen GmbH<br />

Heike Heldt Stadt Bitterfeld-Wolfen<br />

Prof. Dr. Ingrid Hölzler<br />

Marko Huber Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit Sachsen-Anhalt–Thüringen<br />

Anemone Jäger Volkssolidarität Plauen/Oelsnitz e. V.<br />

Ute Kämmer Jugend- und Schulplattform e. V.<br />

Frau Kapper-Leibe IG Metall <strong>Halle</strong><br />

Ingelore Kapust InfraLeuna GmbH<br />

Michael Kleber DGB-Region Dessau<br />

Reiner Kleinfeld Teutloff Bitterfeld<br />

Antje Knuth Senatsverwaltung <strong>für</strong> Integration, Arbeit und Soziales Berlin<br />

Verena Kriessler CURA Unternehmensgruppe<br />

Andreas Krüger CURA Unternehmensgruppe<br />

Sylvia Kühnel Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit Sachsen-Anhalt–Thüringen<br />

Annegret Künzel Fraktion DIE LINKE. im Bundestag<br />

Katrin Liebscher Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft<br />

<strong>Sabine</strong> Löser LASA Brandenburg GmbH<br />

Prof. Dr. Burkart Lutz <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong>


Teilnehmer der Tagung<br />

Corinna Malik BMVBS<br />

Andrea Marks Stadtverwaltung Bitterfeld-Wolfen<br />

Jörg Marquardt Piening GmbH<br />

Dr. Birgit Mühlenberg Ministerium der Finanzen Sachsen-Anhalt<br />

Herr Müller Sekundarschule Bad Schmiedeberg<br />

Udo Nistripke Handwerkskammer <strong>Halle</strong><br />

David Nowaczyk Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Sachsen-Anahlt e. V.<br />

Bernhard Ott ETZ Projektmanagement GmbH Weißenfels<br />

Dr. Peer Pasternack Institut <strong>für</strong> Hochschulforschung Wittenberg<br />

Dr. Petra Pietzsch ZAW Leipzig GmbH<br />

Thomas Pleye Staatssekretär Ministerium <strong>für</strong> Wirtschaft und Arbeit des<br />

Landes Sachsen-Anhalt<br />

Herr Powalla <strong>Zentrum</strong> Technik und Gesellschaft Berlin<br />

Sylvia Purz Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg, Institut <strong>für</strong> Sozio-<br />

logie<br />

Ulrich Reymann Institut <strong>für</strong> Marktwirtschaft Magdeburg<br />

Olaf Richardt Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld e. V.<br />

Kerstin Richter<br />

Frank Röder QualifizierungsCentrum der Wirtschaft GmbH Eisenhütten-<br />

stadt<br />

Prof. Dr Reinhold Sackmann Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg, Institut <strong>für</strong> Sozio-<br />

logie<br />

Dr. Martina Scherer Agentur <strong>für</strong> Arbeit Wittenberg<br />

Anja Schika Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />

Günter Schmidt VHS-Bildungswerk in Thüringen GmbH<br />

Udo Schmode Bildungsvereinigung Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt e.V.<br />

Angela Schreck Landesverwaltungsamt<br />

Undine Schreiber Regionaldirektion Bayern<br />

<strong>Sabine</strong> Schwarz Volkssolidarität Plauen/Oelsnitz e. V.<br />

Dr. Simone Simon Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit Sachsen-Anhalt–Thüringen<br />

<strong>Sabine</strong> Thiele Bildungsakademie Verkehr Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Dr. Michael Thomas BISS e. V.<br />

Dr.-Ing. Michael Uhlmann ATB Arbeit, Technik und Bildung GmbH<br />

Dorothea Walther Netzwerk Ostdeutschlandforschung<br />

Dorit Wehling BiG - Bildungszentrum in Greifswald gGmbH<br />

Ingo Wiekert <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Bettina Wiener <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Susan Willhardt Kooperationsstelle MLU-DGB<br />

Susanne Winge <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />

Gabi Witschorke Entwicklungsgesellschaft Energiepark Lausitz GmbH (EEpL)<br />

Klaus Zimmermann DGB Sachsen-Anhalt<br />

84


Bisher veröffentlichte Forschungsberichte aus dem zsh<br />

Bisher veröffentlichte „Forschungsberichte aus dem zsh“ (2009 – 2001)<br />

<strong>Böttcher</strong>, <strong>Sabine</strong>: zsh-Herbsttagung zur Fachkräftesicherung in turbulenten Zeiten – Tagungsband<br />

I. Forschungsberichte aus dem zsh 09-4<br />

Grünert, Holle; <strong>Böttcher</strong>, <strong>Sabine</strong>: Bedarf an neuem Wissen in der mitteldeutschen Kunststoffindustrie.Forschungsberichte<br />

aus dem zsh 09-3<br />

Winge, Susanne; Wiener, Bettina: Fachkräftesicherung in der Landwirtschaft Sachsen-<br />

Anhalts Eine große Herausforderung <strong>für</strong> die Zukunft.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 09-2<br />

Winge, Susanne; Wiener, Bettina: Lernen in kleinen und mittleren Unternehmen.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 09-1<br />

Christine Steiner, Friedrich Hauss, <strong>Sabine</strong> <strong>Böttcher</strong>, Burkart Lutz: Evaluation des Projektes<br />

Bürgerarbeit im 1. Flächenversuch in der Stadt Bad Schmiedeberg<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 08-1<br />

Grünert, Holle; Lutz, Burkart; Wiekert, Ingo (2007): Betriebliche Ausbildung und Arbeitsmarktlage<br />

- eine vergleichende Untersuchung in Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Niedersachsen.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 07-5<br />

Lutz, Burkart (2007): Wohlfahrtskapitalismus und die Ausbreitung und Verfestigung interner<br />

Arbeitsmärkte nach dem Zweiten Weltkrieg. (Preprint)<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 07-4<br />

Meier, Heike; Wiener, Bettina; Winge, Susanne (2007): Regionaler Qualifizierungspool landwirtschaftlicher<br />

Unternehmen. Forschungsberichte aus dem zsh 07-3<br />

Ketzmerick, Thomas; Meier, Heike; Wiener, Bettina (2007): Brandenburg und seine Jugend -<br />

Integrationspfade Brandenburger Jugendlicher in Beschäftigung.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 07-2<br />

Ketzmerick, Thomas; Meier, Heike; Wiener, Bettina (2007): Brandenburg und seine Jugend -<br />

Regionale Mobilität. Forschungsberichte aus dem zsh 07-1<br />

Steiner, Christine (2006): Integrationspfade von ostdeutschen Ausbildungsabsolventen in<br />

Beschäftigung. Forschungsberichte aus dem zsh 06-6<br />

Grünert, Holle; Lutz, Burkart; Wiekert, Ingo (2006): Zukunftsperspektiven der Berufsausbildung<br />

in den neuen Ländern und die Rolle der Bildungsträger.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 06-5<br />

Wiener, Bettina; Winge, Susanne (2006): Planen mit Weitblick. Herausforderungen <strong>für</strong> kleine<br />

Unternehmen. Forschungsberichte aus dem zsh 06-4<br />

Buchwald, Christina (2006): Das Telefoninterview - Instrument der Zukunft?<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 06-3<br />

Buchwald, Christina (2006): Studie zur Bildungslandschaft in Aschersleben. Eine Untersuchung<br />

zur Integration einer weiterführenden Schule in freier Trägerschaft in die Bildungslandschaft<br />

der Stadt Aschersleben. Forschungsberichte aus dem zsh 06-2<br />

85


Bisher veröffentlichte Forschungsberichte aus dem zsh<br />

Wiener, Bettina; Meier, Heike (2006): Maßnahmen <strong>für</strong> ostdeutsche Jugendliche und Jungerwachsene<br />

an der zweiten Schwelle. Inventarisierung und Ermittlung von Erfolgsfaktoren.<br />

Abschlussbericht. Forschungsberichte aus dem zsh 06-1<br />

<strong>Böttcher</strong>, <strong>Sabine</strong> (2005): Eignung des Mikrozensus-Panels <strong>für</strong> Analysen des Übergangs von<br />

der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand. Forschungsberichte aus dem zsh 05-3<br />

Lutz, Burkart; Wiener, Bettina (Red.) (2005): Ladenburger Diskurs. Personalmanagement<br />

und Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelständischen Unternehmen.<br />

Forschungsberichte aus zsh 05-2<br />

Winge, Susanne (Hg.) (2005): Kompetenzentwicklung in Unternehmen. Ergebnisse einer<br />

Betriebsbefragung. Forschungsberichte aus dem zsh 05-1<br />

Meier, Heike (Hg.) (2004): Kompetenzentwicklung in deutschen Unternehmen. Formen, Voraussetzungen<br />

und Veränderungsdynamik. Dokumentation zur Fachtagung am 23. Juni<br />

2004 in <strong>Halle</strong>. Forschungsberichte aus dem zsh 04-3<br />

Wiener, Bettina; unter Mitarbeit von Richter, Thomas; Teichert, Holger (2004): Abschätzung<br />

des Bedarfs landwirtschaftlicher Fachkräfte unter Berücksichtigung der demographischen<br />

Entwicklung (Schwerpunkt neue Bundesländer). Forschungsberichte aus dem zsh 04-2<br />

Steiner, Christine; <strong>Böttcher</strong>, <strong>Sabine</strong>; Prein, Gerald; Terpe, Sylvia (2004): Land unter. Ostdeutsche<br />

Jugendliche auf dem Weg ins Beschäftigungssystem.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 04-1<br />

Lutz, Burkart; Meier, Heike; Wiener, Bettina (2003): Personalstrukturerhebung in der Landwirtschaft<br />

2002. Forschungsberichte aus dem zsh 03-1<br />

Grünert, Holle; Steiner, Christine (2002): Geförderte Berufsausbildung in Ostdeutschland –<br />

Materialien aus der Forschung. Forschungsberichte aus dem zsh 02-4<br />

Grünert, Holle; Lutz, Burkart; Wiekert, Ingo (2002): Betriebliche Erstausbildung in Sachsen-<br />

Anhalt. Forschungsberichte aus dem zsh 02-3<br />

Lutz, Burkart; Meier, Heike; Wiener, Bettina (Red.) (2002): Neue Aufgaben an der Schnittstelle<br />

von Ingenieur- und Sozialwissenschaften – Dokumentation eines Dialogs.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 02-2<br />

Meier, Heike; Pauli, Hanns; Wiener, Bettina (2002): Der Nachwuchskräftepool als Sprungbrett<br />

in Beschäftigung. Forschungsberichte aus dem zsh 02-1<br />

Meier, Heike; Weiß, Antje; Wiener, Bettina (Red.) (2002): Generationenaustausch in industriellen<br />

Unternehmensstrukturen - Dokumentation zum Forschungs-Praxis-Kolloqium.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 02-5<br />

<strong>Böttcher</strong>, <strong>Sabine</strong>; Meier, Heike; Wiener, Bettina (2001): Alters- und Qualifikationsstruktur in<br />

der ostdeutschen Industrie am Beispiel der Chemie.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 01-3<br />

Lutz, Burkart (2001): Im Osten ist die zweite Schwelle hoch.<br />

Forschungsberichte aus dem zsh 01-2<br />

Ketzmerick, Thomas (2001): Ostdeutsche Frauen mir instabilen Erwerbsverläufen am Beispiel<br />

Sachsen-Anhalt. Forschungsberichte aus dem zsh 01-1<br />

86

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