PDF-Dokument - Zentrum für Sozialforschung Halle e.V.
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Susanne Winge (Hg.)<br />
Kompetenzentwicklung in Unternehmen<br />
- Ergebnisse einer Betriebsbefragung -<br />
Forschungsberichte aus dem zsh 05-1
Das Projekt „Kompetenzentwicklung in deutschen Unternehmen. Formen,<br />
Voraussetzungen und Veränderungsdynamik“ wurde gefördert vom<br />
Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung.<br />
Förderkennzeichen: LK 700.01<br />
Die Verantwortung <strong>für</strong> den Inhalt liegt bei den Autor/innen.<br />
<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e. V. an der Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-<br />
Wittenberg<br />
Emil-Abderhalden-Str. 6<br />
06108 <strong>Halle</strong><br />
Telefon: 0345 / 5526600<br />
Fax: 0345 / 5526601<br />
E-Mail: info@zsh.uni-halle.de<br />
Internet: http://www.soziologie.uni-halle.de/zsh/de<br />
Druck: Druckerei der Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg<br />
ISSN 1617-299X<br />
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort ..................................................................................................................................7<br />
Das Wichtigste in Kürze .........................................................................................................8<br />
A Weiterbildung und Kompetenzentwicklung im Überblick .....................................................8<br />
B Typen und Profile betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung.......................10<br />
C Innovationen, Weiterbildung und Kompetenzentwicklung .................................................11<br />
D Neueinstellungen und Einarbeitung von Mitarbeitern........................................................14<br />
E Zusammenfassung und erste Schlussfolgerungen <strong>für</strong> Praxis und Politik ..........................16<br />
Einleitung .............................................................................................................................19<br />
1 Gegenstand, Ziel und Anlage der Untersuchung ..............................................................19<br />
1.1 Kompetenzentwicklung als neue Herausforderung <strong>für</strong> die Forschung.................19<br />
1.2 Forschungsstand zum Zeitpunkt der Antragstellung und offene Fragen .............20<br />
1.3 Die notwendige gleichzeitige Erfassung von Input- und Output-Faktoren ...........22<br />
1.4 Eine dreistufige Untersuchungsanlage ...............................................................23<br />
2 Die Aufbereitung und Auswertung des IAB-Betriebspanels...............................................24<br />
2.1 Das Betriebspanel und die Untersuchung von Kompetenzentwicklung...............24<br />
2.2 Bildung von Betriebstypen als wichtiger Arbeitsschritt der Sekundäranalyse ......25<br />
2.3 Eine Typologie des Weiterbildungsverhaltens von Betrieben..............................26<br />
2.4 Die Entscheidung <strong>für</strong> eine – vereinfachte – Definition der Stichprobenstruktur ...27<br />
3 Betriebsbefragung („Breitenerhebung“) mit rechnergestützten Telefoninterviews .............28<br />
3.1 Definition der Bruttostichprobe und Adressenbeschaffung..................................28<br />
3.2 Adressenkontrolle und Beschaffung der Telefonnummern..................................30<br />
3.3 Die Struktur des Fragebogens............................................................................30<br />
3.4 Vorbereitung und Durchführung der Befragung ..................................................34<br />
4 Brutto- und Netto-Stichprobe – Wie repräsentativ sind die Befragungsergebnisse? .........36<br />
5 Status und Struktur des Berichtes, beteiligte Wissenschaftler...........................................39<br />
5.1 Die Berichtsstruktur ............................................................................................39<br />
5.2 Zum Status dieses Berichts ................................................................................40<br />
5.3 Beteiligte Wissenschaftler...................................................................................41<br />
Literatur................................................................................................................................42<br />
1
Teil A<br />
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Untersuchungsfeld und Stichprobe. Ergebnisse der Sekundäranalyse des IAB-<br />
Betriebspanels .....................................................................................................................44<br />
1 Weiterbildungstypen .........................................................................................................45<br />
2 Betriebstrukturelle Merkmale ............................................................................................47<br />
3 Indikatoren <strong>für</strong> Kompetenzentwicklung .............................................................................48<br />
2<br />
3.1 Personalprobleme und Weiterbildungsverhalten.................................................48<br />
3.2 Innovationen im Betrieb und Weiterbildungsverhalten ........................................50<br />
3.3 Investitionen und Weiterbildungsverhalten..........................................................54<br />
3.4 Beschäftigtenstruktur (Qualifiziertenanteil) und Weiterbildungsaktivitäten...........55<br />
3.5 Beschäftigungsentwicklung, Personalaustausch und Weiterbildungs-<br />
aktivitäten......................................................................................................................56<br />
4 Zwischenergebnis: Fazit und Konsequenzen....................................................................58<br />
5 Die Definition der Stichprobenstruktur ..............................................................................60<br />
5.1 Clusteranalysen zum Weiterbildungstyp .............................................................60<br />
5.2 Graphische Repräsentation verschiedener Clusterlösungen...............................61<br />
5.3 Konsequenzen der Clusterlösungen...................................................................63<br />
Teil B<br />
Burkart Lutz<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ...........................................................................65<br />
Vorbemerkungen: Drei analytische Fragen ..........................................................................65<br />
I Zur Lage der befragten Betriebe.......................................................................................67<br />
1 Fragen, Antworten und Indikatoren...................................................................................67<br />
1.1 Erfolge und Schwierigkeiten der Betriebe ...........................................................68<br />
1.2 Geschäftsvolumen und Ertragslage....................................................................69<br />
1.3 Wettbewerbsposition ..........................................................................................70<br />
2 Wirtschaftliche Lage und Strukturmerkmale......................................................................71<br />
2.1 Einflüsse einzelner Strukturmerkmale auf die wirtschaftliche Lage .....................72<br />
2.2 Kumulative Effekte der Strukturmerkmale...........................................................73<br />
3 Die Wettbewerbsposition und ihre Entwicklung.................................................................75<br />
3.1 Betriebsgröße.....................................................................................................75<br />
3.2 Sektorzugehörigkeit............................................................................................76<br />
3.3 West- und ostdeutsche Betriebe.........................................................................77<br />
3.4 Die Kombination sektoraler und regionaler Einflüsse – das Beispiel des produ-<br />
zierenden Gewerbes .....................................................................................................78
II Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen im Überblick ......................................80<br />
1 Der Hintergrund: Verbreitete Personalprobleme ...............................................................80<br />
2 Formelle Weiterbildung und informelles Lernen................................................................82<br />
2.1 Formelle, organisierte Weiterbildung ..................................................................82<br />
2.2. Informelles, arbeitsnahes Lernen........................................................................84<br />
3 Zur Kombination von formeller Weiterbildung und informellem Lernen .............................88<br />
3.1 Zwei methodische Bemerkungen........................................................................88<br />
3.2 Die Kombination von interner und externer Weiterbildung ..................................89<br />
3.3 Die Kombination von formeller Weiterbildung und informellem Lernen ...............90<br />
4 Erste Bilanz: Ein insgesamt positives „Weiterbildungsklima“ bei großer Bedeutung von<br />
arbeitsplatznahem Lernen ................................................................................................93<br />
4.1 Verbreitete Förderung der Teilnahme von Mitarbeitern an Weiterbildung ...........94<br />
4.2 Erheblicher Bedeutungsgewinn von Weiterbildung und informellem Lernen.......95<br />
4.3 Großes Gewicht von Eigeninitiative der Mitarbeiter und arbeitsintegriertem<br />
Lernen...........................................................................................................................96<br />
III Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ........................................99<br />
1 Clusterbildung und typologische Analyse..........................................................................99<br />
1.1 Der Bedarf an Komplexitätsreduktion .................................................................99<br />
1.2 Zum gewählten Verfahren der Clusterbildung...................................................101<br />
2 Sieben Typen im Überblick.............................................................................................103<br />
2.1 Die typenbildenden Merkmale ..........................................................................103<br />
2.2 Erste Befunde...................................................................................................105<br />
2.3 Fragen und Hypothesen ...................................................................................106<br />
3 Typenspezifische betriebliche Strukturmerkmale ............................................................107<br />
3.1 Die Strukturmerkmale im Überblick...................................................................107<br />
3.2 Die Sektoren im Ost-West-Vergleich ................................................................108<br />
3.3 Zum kombinierten Einfluss von Größe und Sektorzugehörigkeit.......................110<br />
3.4 Differenzierung nach Wirtschaftsbereichen.......................................................112<br />
4 Der Zusammenhang von Typenzugehörigkeit und wirtschaftlicher Lage der Betriebe ....115<br />
4.1 Die wirtschaftliche Lage der Betriebe zum Zeitpunkt der Befragung .................115<br />
4.2 Der Einfluss der Entwicklung in den letzten Jahren ..........................................117<br />
5 Arbeitsanforderungen und Personalprobleme der Betriebstypen ....................................120<br />
5.1 Betriebliche Personalprobleme und Typenzugehörigkeit ..................................121<br />
5.2 Arbeitsanforderungen in den Typen der Kompetenzentwicklung ......................123<br />
6 Zwischenbilanz: Zum relativen Einfluss von Bedarf und Ressourcen..............................127<br />
IV Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung...................................................130<br />
3
1 Erträge und Grenzen eindimensionaler Betrachtung.......................................................130<br />
4<br />
1.1 Die Rangreihe der Typen nach ihrem Niveau der Kompetenzentwicklung........130<br />
1.2 Deutliche Zusammenhänge mit betrieblichen Einflussgrößen… .......................131<br />
1.3 … jedoch deutliche Grenzen des „Niveaueffektes“ ...........................................132<br />
2 Außen- und Binnenorientierung von Weiterbildung und informellem Lernen als zweite<br />
Ordnungsdimension........................................................................................................134<br />
2.1 Die Bündelung von ähnlichen Lernformen ........................................................134<br />
2.2 Außen- und Binnenorientierung, Wissensakquisition und Wissensdiffusion<br />
– zwei Profile von Kompetenzentwicklung...................................................................137<br />
2.3 Ein zweidimensionales Ordnungsmuster ..........................................................139<br />
2.4 Das weitere Vorgehen: Zwei Schritte vergleichender Analyse ..........................142<br />
3 Drei analytische Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung..........................143<br />
4 Zur Binnenstruktur der drei Profile ..................................................................................149<br />
4.1 Das Profil ausgeglichener Orientierung ............................................................149<br />
4.2 Das Profil vorrangiger Binnenorientierung und Wissensdiffusion ......................153<br />
4.3 Das Profil vorrangiger Außenorientierung und Wissensakquisition ...................156<br />
5 Zusammenfassung und erste Schlussfolgerungen .........................................................159<br />
5.1 Das Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung als zentrale<br />
Ordnungsdimension? ..................................................................................................159<br />
5.2 Binnenorientierung, Außenorientierung und ausgeglichene Orientierung<br />
- Drei Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung.......................................161<br />
5.3 Der Ertrag eines erweiterten Ordnungsschemas: Hohe Kontextabhängigkeit<br />
von betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung .......................................163<br />
5.4 Erste Konsequenzen <strong>für</strong> Politik und Praxis .......................................................165<br />
Teil C<br />
Susanne Winge<br />
Kompetenzentwicklung und betriebliche Innovationen .......................................................167<br />
Vorbemerkungen................................................................................................................167<br />
I Innovationen in den Betrieben ........................................................................................169<br />
1 Überblick über das Innovationsgeschehen in den Jahren 2000 bis 2002........................169<br />
1.1 Einfluss der Strukturvariablen ...........................................................................170<br />
1.2 Umfang betrieblicher Innovationsaktivitäten......................................................172<br />
1.3 Kombination von Umfang und Art von Innovationsaktivitäten............................173<br />
2 Die Bedeutung von Innovationen....................................................................................175<br />
2.1 Rangreihe der wichtigsten Innovation ...............................................................175<br />
2.2 Einfluss der Strukturmerkmale............................................................................177
3 Berichtsstrukturierende Schlussfolgerungen...................................................................179<br />
II Innovation als Einzelereignis ..........................................................................................181<br />
1 Die besonderen Anforderungen organisatorischer Innovationen.....................................181<br />
1.1 Veränderungen der Arbeitsanforderungen als Herausforderung <strong>für</strong> die<br />
Mitarbeiter...................................................................................................................181<br />
1.2 Fachkompetenzen und Organisationskompetenzen: Die Kopplung zweier<br />
Problemlagen..............................................................................................................185<br />
2 Herausforderung Innovation: Wie unterstützen Betriebe ihre Mitarbeiter? ......................188<br />
2.1 Insgesamt hohe Unterstützungsbereitschaft der Betriebe ................................188<br />
2.2 ... bei gleichzeitig hohem Interesse an Aufwandsminimierung ..........................190<br />
2.3 Unterschiedliche Wissensbedarfe erfordern unterschiedliche Lernarrange-<br />
ments. Eine Zwischenbilanz........................................................................................193<br />
3 Herausforderung Innovation: Wie erfolgreich sind die Betriebe?.....................................194<br />
3.1 Wichtigstes Ziel und deutlichster Erfolg: Qualitätsverbesserungen ...................194<br />
3.2 Der Zusammenhang von betrieblichen Unterstützungsleistungen und dem<br />
Erfolg der Innovation ...................................................................................................196<br />
3.3 Der Faktor Zeit bei Innovationsprozessen.........................................................197<br />
4 Fazit ...............................................................................................................................198<br />
III Innovation als Teil der betrieblichen Strategie.................................................................200<br />
1 Fünf Typen betrieblicher Innovationen............................................................................201<br />
1.1 Clusteranalyse als Methode..............................................................................201<br />
1.2 Fünf Typen von Innovationen ...........................................................................202<br />
1.3 Strukturmerkmale der einzelnen Cluster...........................................................205<br />
1.4 Keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Clusterzugehörigkeit und<br />
Strukturmerkmalen. Ein Zwischenfazit. .......................................................................210<br />
2 Die wirtschaftliche Lage der Betriebe..............................................................................210<br />
2.1 Einschätzung der Entwicklung der letzten drei Jahre........................................211<br />
2.2 Erfolge und Schwierigkeiten: Der besonders erfolgreiche Cluster technische<br />
Innovationen ...............................................................................................................212<br />
2.3 Position im Wettbewerb ....................................................................................214<br />
2.4 Mehr Verbesserungserfolge <strong>für</strong> die innovationsvielseitigen Betriebe ................216<br />
3 Personalprobleme und Arbeitsanforderungen als betriebliche Kontextfaktoren...............218<br />
3.1 Die Rolle von Personalproblemen ....................................................................218<br />
3.2 Lernen <strong>für</strong> und in Arbeitsprozesse(n)................................................................220<br />
4 Betriebliche Weiterbildung, Kompetenzentwicklung und Innovationsstrategien...............221<br />
4.1 Starke Nutzung verschiedener Arten formaler Weiterbildung............................221<br />
4.2 Formen des Lernens ........................................................................................222<br />
5
6<br />
4.3 Die Extrempositionen der Cluster Reorganisation und Computer. Eine<br />
Zwischenbilanz ...........................................................................................................225<br />
4.4 Bedeutungszunahme verschiedener Formen von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung ...............................................................................................226<br />
5 Innovation als Teil der betrieblichen Strategie.................................................................228<br />
6 Schlussfolgerungen und Ausblick...................................................................................230<br />
Teil D<br />
Silvio Buchheim<br />
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern .............................................................232<br />
1 Einleitend........................................................................................................................232<br />
2 Wie wurde der neue Mitarbeiter gesucht und gefunden? ................................................233<br />
2.1 Suchformen ......................................................................................................233<br />
2.2 Der Einfluss von Betriebsgröße und regionaler Lage auf das (erfolgreiche)<br />
Suchverhalten? ...........................................................................................................235<br />
2.3 Mit der Neueinstellung verbundene Erwartungen der Betriebe .........................236<br />
3 Als „besonders wichtig“ bezeichnete Eigenschaften neuer Mitarbeiter............................238<br />
3.1 Besonders wichtige Eigenschaften nach Mitarbeitergruppen............................238<br />
3.2 Besonders wichtige Eigenschaften nach Betriebsgröße ...................................239<br />
3.3 Besonders wichtige Eigenschaften nach Sektor ...............................................240<br />
4 Kompetenzdefizite und Einarbeitung neuer Mitarbeiter...................................................243<br />
4.1 Fehlende Kenntnisse und Kompetenzdefizite bei neu eingestellten<br />
Mitarbeitern.................................................................................................................243<br />
4.2 Gab es eine Einarbeitung des neuen Mitarbeiters? ..........................................245<br />
4.3 Lernformen und Unterstützungsmaßnahmen bei der Einarbeitung ...................248<br />
4.4 Dauer der Einarbeitung.....................................................................................250<br />
4.5 Effektivität von Einarbeitungsmaßnahmen........................................................251<br />
5 Zusammenfassung .........................................................................................................253<br />
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis...................................................................................255
Vorwort<br />
In der zweiten Hälfte des Jahres 2002 befragte das <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> e.V.<br />
(zsh) mit Förderung durch das BMBF mit Mitteln aus dem ESF und in Zusammenarbeit mit<br />
dem IAB in Nürnberg und dem SOFI in Göttingen eine große Zahl kleiner und mittelgroßer<br />
ost- und westdeutscher Betriebe zu ihren Praktiken und Maßnahmen der Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung. Diese „Breitenerhebung“ erfolgte als rechnergestützte Telefonum-<br />
frage, in dem seit einigen Jahren vom zsh betriebenen CATI-Labor der Martin-Luther-Univer-<br />
sität <strong>Halle</strong>-Wittenberg.<br />
Aus einer - nach Größenklassen und regionaler Lage geschichteten - Zufallsstichprobe von<br />
7.268 Betrieben mit weniger als 999 Beschäftigten, die zum Befragungszeitpunkt existierten<br />
und telefonisch erreichbar waren, haben sich insgesamt 1.826 Betriebe, davon 1.788 mit<br />
einem auswertbaren Interview, an der Befragung beteiligt.<br />
Die detaillierten Ergebnisse sind im folgenden Forschungsbericht in vier Teilen dargestellt, in<br />
denen angesichts knapper Zeit und der Komplexität von Material und Gegenstand über-<br />
wiegend deskriptiv und nur begrenzt im strengen Sinne analytisch argumentiert werden<br />
konnte.<br />
Im <strong>Zentrum</strong> von Teil A stehen Befunde aus den in enger Zusammenarbeit mit dem IAB<br />
durchgeführten statistischen Analysen von Daten des IAB-Betriebspanels. Zweck dieser<br />
Analysen war es, die Schwerpunkte der im Vorhaben geplanten eigenen Befragung zu be-<br />
stimmen und den Kreis der in die Befragung einzubeziehenden Betriebe festzulegen.<br />
Teil B berichtet über die Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung der<br />
Betriebe bzw. wichtiger Gruppen von Betrieben. Hierbei wird insbesondere versucht, den<br />
Zusammenhang herauszuarbeiten, der zwischen diesen Aktivitäten auf der einen Seite,<br />
Strukturmerkmalen der Betriebe, ihren personalwirtschaftlichen Problemen und Praktiken,<br />
sowie ihrer wirtschaftlichen Lage auf der anderen Seite bestehen.<br />
Teil C basiert auf einer größeren Zahl von Fragen zu den wichtigsten betrieblichen<br />
Veränderungen im Sinne technischer wie auch organisatorischer Innovationen, zu den Kom-<br />
petenzdefiziten, die hierbei auftraten bzw. sichtbar wurden, und zu Maßnahmen, mit denen<br />
die Betriebe bestrebt sind diese Defizite zu überwinden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf<br />
dem Zusammenhang zwischen Innovationsverhalten und Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung.<br />
In Teil D wird über die Antworten auf eine Serie von Fragen berichtet, die nur den –<br />
allerdings sehr zahlreichen – Betrieben gestellt wurden, die angaben, „in den letzten 12<br />
Monaten“ neue Mitarbeiter eingestellt zu haben. Diese Betriebe wurden gefragt, welche<br />
Qualifikationen und Kompetenzen sie von den Eingestellten erwarteten, welche Defizite bei<br />
der Einstellung sichtbar wurden und was sie zu deren Überwindung unternommen haben.<br />
Der eilige Leser findet auf den folgenden Seiten zunächst einen Überblick über die wich-<br />
tigsten Befunde der Teile B, C und D.<br />
7
Das Wichtigste in Kürze<br />
A Weiterbildung und Kompetenzentwicklung im Überblick<br />
Sowohl formelle, organisierte Weiterbildung wie Kompetenzentwicklung durch infor-<br />
melles Lernen haben auch in kleinen Betrieben eine beträchtliche und deutlich wach-<br />
sende Bedeutung – überwiegend ganz unabhängig davon, welchen Branchen diese<br />
Betriebe angehören (siehe Kapitel II, Teil B).<br />
Mit ganz wenigen Ausnahmen berichteten alle interviewten Betriebe über Teilnahme an<br />
formeller Weiterbildung (betriebsinterner oder externer Art) und/oder über die Nutzung infor-<br />
meller Lernformen zur Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern.<br />
Unter realistischen Annahmen über die Ursachen der Nichtteilnahme an der Befragung ist<br />
dieser Befund ohne Zweifel <strong>für</strong> einen großen Teil der deutschen Betriebe mit weniger als<br />
1000 Beschäftigten repräsentativ.<br />
Sehr viele der befragten Betriebe berichten über erhebliche, „<strong>für</strong> sie bedeutsame“ Personal-<br />
probleme; hierbei stehen vor allem Personalprobleme im Vordergrund, deren Lösung ver-<br />
stärkte Anstrengungen zur Qualifizierung der Beschäftigten (oder bestimmter Gruppen von<br />
Beschäftigten) voraussetzt oder wenigstens nahe legt.<br />
Weitaus am häufigsten (von 70 Prozent der befragten Betriebe) wird die Schwierigkeit als <strong>für</strong><br />
den Betrieb bedeutsam genannt, Fachkräfte vom Arbeitsmarkt zu rekrutieren, gefolgt (mit 41<br />
Prozent) von Problemen bei der Suche nach Führungskräften auf dem Arbeitsmarkt.<br />
Grosse und zunehmende Bedeutung besitzen nach Aussagen der befragten Betriebe<br />
vor allem zwei Arten von Lernen und Lerngelegenheiten:<br />
• betriebsinterne Seminare, Kurse und andere Formen innerbetrieblicher organi-<br />
8<br />
sierter Weiterbildung;<br />
• informelle Lernformen, insbesondere soweit sie arbeitsprozessnah und arbeits-<br />
organisatorisch gestützt sind.<br />
Auf die Frage, welche „Formen des Lernens bzw. der Weiterbildung … in den letzten drei<br />
Jahren wesentlich an Bedeutung gewonnen“ hatten, werden am häufigsten genannt: Com-<br />
putergestütztes Lernen (57 Prozent aller befragten Betriebe), betriebsinterne Veranstal-<br />
tungen organisierter Weiterbildung (54 Prozent), Qualitätszirkel und ähnliches (54 Prozent),<br />
Gruppen- oder Teamarbeit (53 Prozent) sowie Information oder Unterweisung durch<br />
Vorgesetzte oder Experten (51 Prozent).<br />
Eher traditionelle Lernformen wie Lesen von Fachliteratur oder Besuch von Vorträgen,<br />
Messen und Ausstellungen spielen mit 38 Prozent und 33 Prozent eine wesentlich geringere<br />
Rolle.
Das Wichtigste in Kürze<br />
Die Intensität, mit der sich die Betriebe in der Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung ihrer Mitarbeiter oder zumindest bestimmter Mitarbeitergruppen engagieren,<br />
wird zwar durch die betrieblichen Bedingungskonstellationen beeinflusst, jedoch kei-<br />
neswegs stark geprägt.<br />
Beim Ost-West-Vergleich zeigen sich nur wenig Differenzen. Das Niveau von formeller Wei-<br />
terbildung und Kompetenzentwicklung steigt mit der Betriebsgröße, allerdings deutlich<br />
schwächer als die bisherige Forschung erwarten lässt. Hingegen bestehen erhebliche Unter-<br />
schiede in den betrieblichen Aktivitäten zwischen wichtigen Wirtschaftsbereichen.<br />
Bei der Teilnahme der wichtigsten Mitarbeitergruppen an den verschiedenen Formen<br />
organisierter Weiterbildung und informellen Lernens zeigen sich große Unterschiede<br />
mit einem in der Literatur vielfach beschriebenen, sehr eindeutigen Hierarchieeffekt.<br />
Hochqualifizierte und Fachangestellte nehmen weitaus häufiger an organisierter Weiterbil-<br />
dung teil als Facharbeiter und vor allem als An- und Ungelernte. Ähnliche Ungleichheitsstruk-<br />
turen gibt es auch bei einigen Formen informellen Lernens.<br />
Die Ungleichheit der Teilnahme ist deutlich größer bei externer als bei betriebsinterner<br />
Weiterbildung und bei eher „bildungsaffinen“ Formen wie Besuch von Veranstaltungen und<br />
Messen oder Lesen von Fachliteratur. Sie ist weitaus am geringsten bei den arbeitsprozess-<br />
nahen, durch die Arbeitsorganisation gestützten Formen informellen Lernens.<br />
Es gibt deutliche Anzeichen <strong>für</strong> eine Tendenz zum Abbau der herkömmlichen Un-<br />
gleichheitsstrukturen: Bei einem Teil der Lernformen mit stark wachsender Bedeutung<br />
ist der Hierarchieeffekt wenig ausgeprägt. Einige der besonders stark hierarchisierten<br />
Lernformen haben nach Aussage der Betriebe weniger als andere an Bedeutung ge-<br />
wonnen.<br />
Charakteristische Beispiel <strong>für</strong> das eine sind interne Weiterbildung, sowie Gruppenarbeit und<br />
Qualitätszirkel als Formen informellen Lernens; hier berichtet jeweils eine deutliche Mehrheit<br />
der befragten Betriebe von wesentlichem Bedeutungsgewinn. Charakteristische Beispiele <strong>für</strong><br />
das andere sind der Besuch von Vorträgen, Messen u. Ä. sowie das Lesen von Fachliteratur.<br />
Die Ergebnisse der Befragung rechtfertigen es, von einem insgesamt positiven Weiter-<br />
bildungsklima in sehr vielen Betrieben zu sprechen.<br />
Praktisch alle befragten Betriebe fördern und unterstützen in der einen oder anderen Form<br />
die Teilnahme von Mitarbeitern an Weiterbildung.<br />
Den Befragten wurden mehrere Aussagen zu Weiterbildung und Kompetenzentwicklung vor-<br />
gelesen. Bei der Antwort, dass diese Aussagen <strong>für</strong> ihren Betrieb „völlig zutreffen“, ergab sich<br />
folgende aufsteigende Rangreihe:<br />
• „Angebote formalisierter Weiterbildung, wie z.B. Kurse und Seminare, spielen eine große<br />
Rolle“ mit 34 Prozent;<br />
• „Wir bemühen uns, soviel Lernen wie möglich in die Arbeit zu integrieren“ mit 62 Prozent;<br />
9
• „Wir erwarten von unseren Mitarbeitern ein hohes Maß an Eigeninitiative und Selbststu-<br />
10<br />
dium in der Weiterbildung“ mit 63 Prozent.<br />
Ein erstes Fazit<br />
Offenkundig gibt es eine weit verbreitete Tendenz, Kompetenzdefizite und Kompetenzent-<br />
wicklung von wichtigen Mitarbeitergruppen mehr als bisher ernst zu nehmen und als<br />
wichtiges Feld betrieblichen Handelns zu betrachten. Die meisten Betriebe sind bereit, Be-<br />
strebungen der Mitarbeiter, sich neues Wissen anzueignen und ihre Kompetenz zu erhöhen,<br />
mit verschiedenen Instrumenten zu unterstützen und zu fördern. Zugleich ist eine starke<br />
Mehrheit der befragten Betriebe davon überzeugt, dass Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung erhebliche Eigeninitiative und Eigenleistungen der Mitarbeiter erfordern.<br />
B Typen und Profile betrieblicher Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung<br />
Auch in kleinen und mittleren Betrieben ist eine große Vielfalt an Formen organisierter<br />
Weiterbildung und informellen Lernens und an Kombination des einen und des an-<br />
deren zu beobachten. Es wäre grundsätzlich falsch, von der Idee einer übergreifenden<br />
best-practice betrieblicher Kompetenzentwicklung auszugehen und <strong>für</strong> alle Betriebe<br />
einen einheitlichen optimalen Entwicklungspfad zu suchen und zu proklamieren.<br />
Eine statistische Analyse des Befragungsmaterials (mit einem Cluster-Verfahren nach<br />
Ward) lässt vielmehr eine Reihe von Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompe-<br />
tenzentwicklung zu Tage treten, die sich sehr deutlich und in mehrfacher Hinsicht<br />
voneinander unterscheiden (siehe Kapitel III, Teil B).<br />
In einigen Typen setzen die ihnen zugehörigen Betriebe vor allem auf organisierte Weiter-<br />
bildung. In anderen Typen sind Betriebe zusammengefasst, <strong>für</strong> die offenkundig vor allem<br />
Formen informellen Lernens wichtig und angemessen sind. Manche Typen definieren sich<br />
durch hohe Bedeutung ganz bestimmter Lernformen, die anderswo keine Rolle spielen.<br />
Auf der Ebene dieser Typologie treten Wirkung und Rolle mancher Einflussfaktoren wesent-<br />
lich klarer hervor als bei der bloßen Betrachtung der gesamten Befragungsstichprobe.<br />
Etwas verkürzt kann man sagen, dass mehr Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zu<br />
erwarten sind, wenn der Anteil größerer Betriebe über dem Durchschnitt liegt, wenn die<br />
Betriebsbelegschaft mehr hoch qualifizierte Angestellte enthält und wenn einem Typus nur<br />
wenig Betriebe aus dem verarbeitenden Gewerbe angehören.<br />
Vergleicht man die Typen miteinander, so sprechen die Indizien deutlich da<strong>für</strong>, dass<br />
Art und Intensität betrieblicher Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung vor allem „bedarfsbezogen“ sind, wenngleich es eine gute Ressourcenverfüg-<br />
barkeit den Betrieben nicht selten sichtbar leichter macht, ihren Bedarf zu decken.<br />
Ein wichtige Rolle kommt hierbei offenkundig den Arbeitsanforderungen an die Beschäftigten<br />
zu: Sind diese hoch bzw. werden sie von den Betrieben als hoch eingestuft, so ist in aller
Das Wichtigste in Kürze<br />
Regel auch mit einem überdurchschnittlichen Niveau an Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung zu rechnen.<br />
Im Überblick über die Typologie betrieblicher Weiterbildung und informellen Lernens<br />
kristallisiert sich ein zweidimensionales Ordnungsschema heraus (siehe Kapitel IV,<br />
Teil B):<br />
Die eine Dimension entspricht dem Niveau betrieblicher Aktivitäten, also die Häufig-<br />
keit der Teilnahme von Mitarbeitern von organisierter Weiterbildung und die Häufigkeit<br />
der Nutzung verschiedener Formen informellen Lernens.<br />
Hier zeigt sich eine eindeutige Rangfolge der Typen.<br />
In der anderen Dimension lassen sich klare Profile erkennen, in denen sich unter-<br />
schiedliche Orientierungen und Funktionalitäten von Lernen ausdrücken.<br />
Die Betriebstypen lassen sich auf dieser Dimension eindeutig drei Profilen zuordnen, denen<br />
jeweils zwischen einem knappen Viertel und der knappen Hälfte aller befragten Betriebe an-<br />
gehören.<br />
Die Betriebe des einen Profils („vorrangige Binnenorientierung“) setzen vor allem auf infor-<br />
melles Lernen und interne Weiterbildung. Hier steht die breite Diffusion von Wissen im Be-<br />
trieb im Vordergrund.<br />
Die Betriebe des zweiten Profils („vorrangige Außenorientierung“) setzen mehr auf organi-<br />
siertes Lernen, vor allem in betriebsexternen Veranstaltungen und nutzen deutlich weniger<br />
arbeitsprozessnahe Formen informellen Lernens. Hier steht Akquisition neuen Wissens von<br />
außen im Vordergrund.<br />
Beim dritten Profil („ausgeglichene Orientierung“) halten sich Binnen- und Außenorientierung<br />
in etwa die Waage, entweder weil insgesamt sehr viel oder weil insgesamt sehr wenig <strong>für</strong><br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung getan wird. Zu diesem Profil gehören folgerichtig<br />
die beiden Typen mit dem höchsten und dem niedrigsten Niveau.<br />
Als Fazit lässt sich festhalten:<br />
Ganz offenkundig ist das betriebliche Geschehen der Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung in den befragten kleinen und mittleren Betrieben wesentlich stärker, als bisher in der<br />
Forschung wahrgenommen, betriebsbezogen, betriebsgebunden und kontextabhängig. Des-<br />
halb kann ein und die gleiche Maßnahme, je nach den konkreten betrieblichen Verhältnissen<br />
und den personalen Wirkungsvoraussetzungen des jeweiligen Mitarbeiters, ganz<br />
unterschiedliche Effekte haben.<br />
C Innovationen, Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Das Innovationsgeschehen in den kleinen und mittleren Betrieben der Befragungsstichprobe<br />
ist durch hohe Intensität gekennzeichnet (siehe Kapitel I, Teil C).<br />
11
In fast allen befragten Betrieben kam es in den drei Jahren vor der Befragung zu einer oder<br />
mehreren Innovationen technischer oder organisatorischer Art. In den Betrieben ist eine<br />
große Vielfalt der Veränderungsaktivitäten und der Kombination verschiedener Verände-<br />
rungsarten zu beobachten.<br />
Die Zahl der Innovationen je Betrieb steigt stark mit wachsender Betriebsgröße, doch gibt es<br />
auch eine beträchtliche Gruppe von kleinen Betrieben mit hoher Innovationsintensität.<br />
Betriebe aus den beiden Wirtschaftsbereichen Verkehr, Handel und Gastgewerbe sowie<br />
Kredit- und Versicherungswesen berichten über deutlich weniger Innovationen als der Rest<br />
der Stichprobe.<br />
Betrachtet man die verschiedenen Innovationsarten, so zeigt sich eine klare Rang-<br />
ordnung der Häufigkeit ihres Auftretens.<br />
Am häufigsten werden die Erneuerung bzw. Verbesserung der Computerausstattung oder<br />
die Nutzung des Internets genannt, gefolgt von der Einführung neuer Produkte oder Dienst-<br />
leistungen. Die Einführung neuer Arbeitsformen, die Zusammenlegung von Abteilungen und<br />
Bereichen, Veränderungen durch Fusion, Übernahme oder Outsourcing sowie die Einfüh-<br />
rung neuer Materialien sind deutlich seltener.<br />
Tabelle 1: Innovationen in den Jahren 2000 bis 2002 (in Prozent aller Betriebe mit<br />
Innovationen, N = 1686)<br />
Arten von Innovationen Prozent<br />
Computerausstattung erneuert/verbessert/Internet 72,5<br />
Neue Produkte/Dienstleistungen eingeführt 63,4<br />
Technische Ausrüstung verbessert 56,2<br />
Neue Arbeitsformen eingeführt 21,5<br />
Abteilungen/Bereiche zusammengelegt 17,0<br />
Fusion/ Übernahme/ Outsourcing 13,8<br />
Neue Materialien eingeführt 13,1<br />
Sonstiges 10,5<br />
Zwischen technologischen Innovationen – vor allem: Verbesserung oder Erneuerung<br />
der Computerausstattung sowie Verbesserung der technischen Ausrüstung, aber<br />
auch die Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen – auf der einen Seite und<br />
organisatorischen Veränderungen – wie die Zusammenlegung von Abteilungen bzw.<br />
Bereichen, Einführung neuer Arbeitsformen sowie Fusionen, Übernahmen und<br />
ähnliches – bestehen erhebliche Unterschiede:<br />
• Technologische Innovationen sind wesentlich häufiger als organisatorische Verände-<br />
12<br />
rungen.
Das Wichtigste in Kürze<br />
• Organisatorische Innovationen treten vornehmlich in Verbindungen mit anderen Inno-<br />
vationen auf, was bei technologischen Innovationen wesentlich seltener ist.<br />
• Organisatorische Innovationen, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsformen sowie<br />
die Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen, stellen die Betriebe vor deutlich<br />
größere Herausforderungen als technologische Veränderungen. Es kommt häufiger zu<br />
Veränderungen der Arbeitsanforderungen und zur Nennung von Kompetenzdefiziten<br />
(siehe Kapitel II, Teil C).<br />
• Bei der Bewältigung von Kompetenzdefiziten setzen die Betriebe im Fall von technolo-<br />
gischen Innovationen eher auf Beschaffung neuen Wissens von außen, das anschlie-<br />
ßend intern weitergegeben wird. Die Bewältigung der mit organisatorischen Innovationen<br />
verbundenen Kompetenzdefizite erfolgt vorrangig intern. Hier spielen betriebseigene Ex-<br />
perten sowie Umsetzungen von Mitarbeitern eine wichtige Rolle.<br />
Die Vielfalt von Art, Zahl und Kombination verschiedener Innovationsarten gab Anlass<br />
zur Bildung einer Typologie mit Hilfe einer Clusteranalyse nach Ward. Als Ergebnis<br />
entstanden fünf Typen mit deutlich unterschiedlichem Innovationsgeschehen (siehe<br />
Kapitel III, Teil C).<br />
Zwei der fünf gebildeten Typen, „Reorganisation“ und „technische Innovationen“, zeichnen<br />
sich durch eine beträchtliche Zahl und sehr vielfältige Arten von Innovationen aus. Diesen<br />
beiden Typen gehören 45 Prozent aller befragten Betriebe an, die in die Clusterung<br />
einbezogen werden konnten. Den Gegenpol dazu bilden drei Typen – „neue Produkte“,<br />
„Computer“ sowie „unspezifisch“ – mit lediglich einzelnen Veränderungsaktivitäten, unter<br />
denen nur selten organisatorische Innovationen sind. Zu ihnen gehören 55 Prozent aller in<br />
die Clusteranalyse einbezogenen Betriebe.<br />
Abbildung 1: Fünf Innovationstypen<br />
Innovationsintensität Innovationstypus<br />
Hohe Innovationsintensität<br />
Geringe Innovationsintensität<br />
Damit lässt sich die Mehrzahl der Betriebe zwei Gruppen zuordnen:<br />
Reorganisation<br />
technische Innovationen<br />
unspezifisch<br />
neue Produkte<br />
Computer<br />
• innovationsaktive Betriebe mit einer Vielzahl und Vielfalt von Innovationen;<br />
• wenig innovationsaktive Betriebe mit lediglich einzelnen, eher technisch geprägten Inno-<br />
vationen.<br />
Formale Weiterbildung wird von allen Betrieben etwa gleich häufig genutzt. Informelle<br />
Lernformen hingegen deutlich häufiger von Betrieben mit vielseitigen Innovations-<br />
aktivitäten als von wenig innovationsaktiven Betrieben.<br />
13
Die Teilnahme von Mitarbeitern an formaler Weiterbildung berichten zwischen 72 Prozent<br />
und 86 Prozent der Betrieben aller Typen.<br />
In den Betrieben der beiden innovationsaktiven Typen werden die meisten Arten informellen<br />
Lernens deutlich häufiger genutzt als in den Betrieben der restlichen drei Typen. Dies gilt vor<br />
allem <strong>für</strong> Lernformen die arbeitsprozessnah und durch die Arbeitsorganisation gestützt sind.<br />
Hier betragen die Differenzen mehrfach mehr als 20 Prozentpunkte.<br />
Auch zwischen den beiden innovationsaktiven Typen zeigen sich deutliche Unter-<br />
schiede. Der Typus „Reorganisation“ setzt verstärkt auf arbeitsintegriertes Lernen,<br />
während beim Typus „technische Innovationen“ selbstgesteuertes Lernen überwiegt.<br />
Im Typus „Reorganisation“ werden als wichtige Formen informellen Lernens vor allem Grup-<br />
penarbeit, Qualitätszirkel und Patenschaften genannt, hingegen beim Typus „technische<br />
Innovationen“ vor allem Besuch von Vorträgen und Messen sowie Lernen am Computer.<br />
D Neueinstellungen und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Bei den Wegen, die zur Suche neuer Mitarbeiter beschritten werden, zeigt sich bei den<br />
Betrieben, die in den letzten 12 Monaten eingestellt haben, eine Mischung eher for-<br />
malisierter und eher informeller Vorgehensweisen (siehe Teil D).<br />
Insgesamt besteht eine deutliche Rangreihe: An der Spitze stehen Stellenanzeigen (36<br />
Prozent), gefolgt von drei Arten eher informeller Suche (Person war dem Betrieb bekannt,<br />
Rückgriff auf Initiativbewerbungen, Empfehlungen) die jeweils von etwa einem Viertel der<br />
Betriebe genannt werden. Eine Nutzung der Arbeitsagentur oder eines privaten Arbeits-<br />
vermittlers berichten nur 16 Prozent bzw. 4 Prozent.<br />
Formalisierte und kostenintensive Suchstrategien werden mit steigender Unterneh-<br />
mensgröße verstärkt genutzt. Zugleich greifen vornehmlich Betriebe des Dienstleis-<br />
tungssektors auf diese Methoden zurück. Personenbezogene und informelle Such-<br />
methoden dienen häufiger Kleinbetrieben des produzierenden Gewerbes als Instru-<br />
ment zur Suche geeigneter Mitarbeiter.<br />
Von Neueinstellungen erwarten die Betriebe zusätzlich zu Fachkenntnissen und Er-<br />
fahrungen in der Tätigkeit auch Verhaltenskompetenzen wie Teamfähigkeit (68 Pro-<br />
zent aller Betriebe), Lernbereitschaft (62 Prozent) und Selbstständigkeit (60 Prozent).<br />
Die Gewichtung der gewünschten Eigenschaften verändert sich mit Betriebsgröße und Mit-<br />
arbeitergruppe. Auch die Sektorzugehörigkeit des Betriebes beeinflusst die Erwartungen an<br />
die Fähigkeiten des neuen Mitarbeiters. In Kleinbetrieben des produzierenden Gewerbes<br />
steht Berufserfahrung bei neu eingestellten Facharbeitern mit 66 Prozent an erster Stelle,<br />
während Teamfähigkeit nur in 46 Prozent aller Fälle genannt wird. Im Dienstleistungssektor<br />
wird hingegen auch von Facharbeitern in hohem Maße (69 Prozent) Teamfähigkeit verlangt.<br />
14
Das Wichtigste in Kürze<br />
Abbildung 2: Besonders wichtige Eigenschaften nach Branche (Angaben in Prozent,<br />
N=1141, Mehrfachantworten möglich)<br />
80,0<br />
70,0<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
29,7<br />
In zwei Dritteln der befragten Betriebe mit Neueinstellungen (65 Prozent) findet eine<br />
Einarbeitung neuer Mitarbeiter am Arbeitsplatz statt, die über eine kurze Einweisung<br />
hinausgeht.<br />
41,0<br />
Konfliktfähigkeit und<br />
Durchsetzungsvermögen<br />
Die Häufigkeit von Einarbeitung steigt mit der Betriebsgröße, vor allem im produzierenden<br />
Gewerbe. Hier findet Einarbeitung nur in 63 Prozent der Kleinbetriebe, jedoch in 81 Prozent<br />
der größeren Betriebe statt.<br />
59,1<br />
In der Minderheit der Betriebe, in denen eine Einarbeitung nicht stattfand, wird von<br />
Neueinstellungen ein hohes Maß an Erfahrungen und branchenüblichen Fachkennt-<br />
nissen erwartet. Hier soll der neue Mitarbeiter weitaus häufiger als in anderen Unter-<br />
nehmen das Qualifikationsprofil der Belegschaft verbessern. Hingegen spielen in<br />
Betrieben mit Einarbeitung Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Bereitschaft zum<br />
Neulernen eine größere Rolle.<br />
71,8<br />
Dies zeigt sich sehr deutlich bei Facharbeitern in den Kleinbetrieben des produzierenden<br />
Gewerbes. Hier wird besonders selten (40 Prozent) über Einarbeitung von Facharbeitern be-<br />
richtet. Offenbar gehen viele Kleinbetriebe des produzierenden Gewerbes davon aus, dass<br />
Facharbeiter durch ihre Ausbildung ausreichend auf die zu übernehmenden Tätigkeiten vor-<br />
bereitet sind und sich fehlendes Wissen sehr schnell selbst aneignen können.<br />
Die Dauer der Einarbeitung ist abhängig von der hierarchischen und beruflichen<br />
Stellung des neu Eingestellten.<br />
33,3<br />
Kurze Einarbeitungsphasen bis zu 5 Wochen sind der Regelfall bei an- und ungelernten<br />
Arbeitnehmern. Führungskräfte und Hochqualifizierte werden hingegen – wenn eine Einar-<br />
beitung überhaupt stattfindet – mehrheitlich 4 Monate und länger eingearbeitet. Bei diesen<br />
Arbeitskräften wird Einstellung offenbar als eine Investition betrachtet, deren Rentabilität<br />
sichergestellt werden soll. Dem entspricht, dass Mitarbeiter mit einer längeren<br />
27,7<br />
Teamfähigkeit körperliche<br />
Leistungsfähigkeit<br />
35,2<br />
17,0<br />
57,4<br />
45,5<br />
technische Fähigkeiten Erfahrungen in der<br />
Tätigkeit<br />
produzierendes Gewerbe Dienstleister<br />
15
Einarbeitungszeit auch besonders häufig auf dem kostenintensiven Suchweg von Stellenan-<br />
zeigen gefunden wurden.<br />
E Zusammenfassung und erste Schlussfolgerungen <strong>für</strong><br />
Praxis und Politik<br />
Ein wesentlicher Ertrag der Befragung und der Analyse ihrer Ergebnisse ist die<br />
Erkenntnis, dass die Anlässe und Möglichkeiten zu, ebenso wie die Anforderungen an<br />
organisiertes und informelles Lernen, sehr eng in den Kontext betrieblicher Strukturen<br />
und betrieblicher Strategie integriert sind. Ganz offenkundig ist das betriebliche Ge-<br />
schehen der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung wesentlich stärker, als dies<br />
bisher meist gesehen wird, betriebsbezogen, betriebsgebunden und kontextabhängig.<br />
Bei organisiertem Lernen, vor allem jedoch bei den Arten informellen Lernens, die eng mit<br />
der Arbeitsorganisation und den aus ihr resultierenden Anforderungen an Kompetenz und<br />
Lerngelegenheiten verbunden sind, handelt es sich um Formen betrieblichen Handelns und<br />
betrieblicher Struktur, die sehr hohe Vielfalt aufweisen und in sehr unterschiedlicher Art und<br />
Weise in die strategischen Perspektiven der Betriebe eingebunden sind. Dies hat zumindest<br />
drei Implikationen:<br />
Die Wahrscheinlichkeit da<strong>für</strong>, dass ein bestimmtes generelles Niveau von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung erreicht wird und dass bestimmte Formen organisierten oder aber in-<br />
formellen Lernens stattfinden, ist stark von den jeweiligen betrieblichen Bedingungen und der<br />
aktuellen Lage des Betriebes abhängig.<br />
Ein und die gleiche Maßnahme kann, je nach den konkreten betrieblichen Verhältnissen und<br />
den personalen Wirkungsvoraussetzungen des jeweiligen Mitarbeiters, ganz unterschied-<br />
liche Effekte haben.<br />
Veränderungen und Entwicklungen in Form und Intensität der betrieblichen Aktivitäten zur<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern können sehr verschiedene Ur-<br />
sachen haben. Ihre Bewertung im Hinblick auf ihre Effekte <strong>für</strong> die Beschäftigten und die<br />
Humanressourcen des Betriebes, kann nur mit großer Vorsicht und nicht nur an Hand ein-<br />
facher, vielseitig verwendbarer Kriterien der Wünschbarkeit bzw. des Erfolges geschehen.<br />
Aus den Ergebnissen der Befragung lassen sich vier Konsequenzen <strong>für</strong> Praxis und<br />
Politik ziehen:<br />
(1) Offenkundig herrschte zum Zeitpunkt der Befragung in großen Teilen der deutsch-<br />
en Wirtschaft, trotz der eher unfreundlichen konjunkturellen Lage und Perspektive<br />
eine <strong>für</strong> Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ausgesprochen positive Stim-<br />
mung.<br />
Eine solche Stimmung ist gerade in kleinen und mittleren Betrieben, in denen ganz über-<br />
wiegend kein professionelles Personalmanagement und nur wenige dauerhafte betriebliche<br />
Strukturen der Aus- und Weiterbildung existieren, von hoher Bedeutung <strong>für</strong> den Grad und die<br />
16
Das Wichtigste in Kürze<br />
zu erwartende Dauerhaftigkeit entsprechender Aktivitäten. Sie bedarf, will man langfristige<br />
Effekte und ausreichende Effizienz sichern, aus dem betrieblichen Umfeld der Anregung, der<br />
Pflege und der Unterstützung – durch Hilfe beim betriebsübergreifenden Erfahrungsaus-<br />
tausch, durch Bereitstellung von Arbeits- und Lehrmaterialien, die auch im Arbeitsalltag<br />
problemlos – zwischendurch oder wenn akut Bedarf an neuem Wissen entsteht – nutzbar ist,<br />
durch sichtbare Vorbilder und Ähnliches.<br />
(2) In Betrieben der Größenordnung, wie sie vom zsh zu ihren Aktivitäten der Weiter-<br />
bildung und der Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter befragt wurden, sind offen-<br />
kundig sowohl der zu deckende Bedarf, wie die Anlässe und Formen der Manifestation<br />
dieses Bedarfs, wie die zu seiner Deckung mobilisierbaren Ressourcen stark durch<br />
den jeweiligen betrieblichen Kontext und das betriebliche Innovationsgeschehen ge-<br />
prägt.<br />
Deshalb kann es keinen allgemeingültigen „Masterplan“ von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung geben, der überall einsetzbar wäre, der sich überall im Wesentlichen gleich-<br />
artiger Instrumente bedienen könnte und dessen Effekte sich an einfach handhabbaren,<br />
verlässlichen Kriterien messen ließen.<br />
(3) Auch die Instrumente und Formen, mit denen insbesondere kleine Betriebe dabei<br />
unterstützt werden sollen ihren Bedarf an Weiterbildung und vor allem an informellem<br />
Lernen ihrer Mitarbeiter frühzeitig wahrzunehmen und rechtzeitig zu decken, müssen<br />
weitgehend kontextbezogen, von Anfang an auf die jeweiligen betrieblichen Ver-<br />
hältnisse abgestimmt oder doch zumindest schnell in den jeweiligen betrieblichen<br />
Kontext integrierbar sein.<br />
Entsprechend hohe Anforderungen werden an die Aktualität und Qualität der Handrei-<br />
chungen und Vorbilder gestellt, die auch kleinen Betrieben und ihren Leitern ohne längeres<br />
Suchen verfügbar sind. Häufig wird sich hierbei ein etablierter, zwischenbetrieblicher Erfah-<br />
rungsaustausch als sehr hilfsreich erweisen.<br />
(4) Mit einer stark kontextbezogenen Förderung und Unterstützung von Aktivitäten der<br />
organisierten Weiterbildung und der Kompetenzentwicklung durch informelles Lernen<br />
verbinden sich auch beträchtliche Risiken <strong>für</strong> Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die in<br />
mehr als einer Hinsicht der erwünschten und zu erwartenden Effektivität spiegel-<br />
bildlich sein dürften.<br />
Risiken gelten zum einen <strong>für</strong> die Beschäftigten. Ein nennenswerter Teil der Vorteile, die sich<br />
gerade bei kleinen Betrieben ohne professionelles Personalmanagement und Bildungswesen<br />
mit sehr arbeitsprozessnahen Formen organisierter Weiterbildung und/oder informellen<br />
Lernens verbinden können, beruht nicht zuletzt darauf, dass es – auch bei erheblichen Lern-<br />
effekten - möglich ist, die entstehenden Kosten und Unsicherheiten in erheblichem Umfang<br />
als Eigenleistung der Beschäftigten auszuweisen und auf diese zu verlagern. Völlig offen<br />
bleibt die Frage, wie einige Jahre später oder in einem anderen Betrieb der hierdurch ge-<br />
stiegene berufliche Wert zur Geltung gebracht werden kann und ob nicht gerade die Be-<br />
schäftigten, denen bedeutende Lerngelegenheiten geboten wurden, hierdurch in eine Falle<br />
hoher Betriebsgebundenheit geraten.<br />
17
Komplementäre Risiken gelten jedoch auch <strong>für</strong> die Betriebe: Je besser es ihnen gelingt,<br />
durch gezielte Förderung von betriebsinterner Weiterbildung und arbeitsnahen Formen infor-<br />
mellen Lernens auf kostengünstige Weise das Kompetenzniveau aller oder vieler Beschäf-<br />
tigter nachhaltig zu erhöhen, den Wert des in diesen Beschäftigten inkorporierten Human-<br />
kapitels zu steigern und sich damit wesentliche Vorteile an Flexibilität, Kundennähe oder<br />
Innovationskraft zu sichern, desto schwieriger wird es, größere Marktturbulenzen durch Aus-<br />
tausch – Einstellungen und Entlassungen – mit dem externen Arbeitsmarkt abzufangen,<br />
desto mehr ist der Betrieb bei Weggang von Mitarbeitern der Gefahr unerwünschten Know-<br />
How-Abflusses ausgesetzt, desto mehr stellen sich auch kleinen Betrieben die charakteris-<br />
tischen Probleme interner Arbeitsmärkte, obwohl ihnen ein Großteil der Ressourcen fehlt, die<br />
große Betriebe zur Lösung dieser Probleme einsetzen können.<br />
Wege zur Kontrolle solcher Risiken zu explorieren und damit die Kosten und Un-<br />
sicherheiten erfolgreichen Lernens in der Arbeit deutlich zu reduzieren, scheinen im<br />
Hinblick auf die sehr wichtige Aktivierung, gerade kleiner Betriebe, eine Aufgabe<br />
hoher Dringlichkeit zu sein.<br />
18
Einleitung<br />
1 Gegenstand, Ziel und Anlage der Untersuchung<br />
Im Sommer 2001 beantragte das <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> (zsh), gemeinsam mit<br />
dem Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI), Göttingen, und dem Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt-<br />
und Berufsforschung (IAB), Nürnberg, ein als Bestandsaufnahme angelegtes Forschungs-<br />
vorhaben zum Thema „Kompetenzentwicklung in deutschen Unternehmen – Formen, Vor-<br />
aussetzungen und Veränderungsdynamik“. Im Herbst 2001 wurde die beantragte Zuwen-<br />
dung vom BMBF bewilligt und die Projektarbeit konnte begonnen werden.<br />
1.1 Kompetenzentwicklung als neue Herausforderung <strong>für</strong> die Forschung<br />
Sinn und Dringlichkeit der beantragten Untersuchung wurden im damaligen Antrag mit zwei<br />
Sachverhalten begründet, über die in der jüngeren Literatur weitgehende Einigkeit herrschte:<br />
(1) Wissensintensive und innovative Produkte und Dienstleistungen sind offenkundig von<br />
erheblicher Bedeutung <strong>für</strong> die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen und <strong>für</strong> die<br />
Sicherung des gegenwärtigen Wohlstandsniveaus in Deutschland. Gerade Volkswirtschaften<br />
wie die deutsche, die ohne große Rohstoffvorkommen und geostrategische Vorteile aus-<br />
kommen müssen, sind darauf angewiesen, eine hohe Wertschöpfung über die ständige Ver-<br />
besserung von bestehenden sowie die schnelle Entwicklung von neuen Produkten und<br />
Dienstleistungen zu erwirtschaften (so etwa: Wittke 1995, Lehner;Baethge;Kühl;Stille 1998,<br />
McKeown 1999, Buss;Wittke 2000). Deshalb hängt die Wettbewerbs- und Innovationsfähig-<br />
keit der deutschen Unternehmen in hohem Maße von den Qualifikationen und Kompetenzen<br />
der Mitarbeiter und ihrer kontinuierlichen Anpassung und Weiterentwicklung ab (so Baethge;<br />
Baethge-Kinsky 1998, Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung 1998).<br />
(2) War früher die Überzeugung weit verbreitet, dass die benötigten oder erwünschten Mit-<br />
arbeiterpotentiale ausschließlich, oder doch zumindest vorrangig, durch Prozesse externer<br />
Rekrutierung („Einkauf von Experten“) und durch organisierte Aus- und Weiterbildung ent-<br />
stehen, sich erneuern und entfalten, so haben neuere Studien die Skepsis gegenüber dieser<br />
Personalentwicklungsstrategie wachsen lassen. Extern rekrutierte Experten haben oftmals<br />
beträchtliche Eingewöhnungsprobleme (Kalkowski;Mickler;Manske 1995). Mit der Expansion<br />
von institutioneller Weiterbildung in den 70er und 80er Jahren zerschlugen sich langsam<br />
aber sicher auch die Hoffnungen der Unternehmen, mit den Formen traditioneller Weiter-<br />
bildung ein griffiges personalwirtschaftliches Instrument, zur Bewältigung des strukturellen<br />
Wandels in der Wirtschaft, zur Verfügung zu haben (Staudt;Kriegesmann 1999). Immer mehr<br />
setzte sich deshalb in neuerer Zeit die Erkenntnis durch, dass die Erschließung brach-<br />
liegender Wissensressourcen und Handlungspotentiale von Mitarbeitern und deren Weiter-<br />
entwicklung von einer Vielzahl mehr oder weniger spezifischer, häufig informeller und in den<br />
19
Arbeitsalltag eingebetteter Prozesse und Abläufe abhängt, <strong>für</strong> die zunehmend – zusammen-<br />
fassend – der Begriff "Kompetenzentwicklung" verwendet wird.<br />
Kompetenzentwicklung bezeichnet in diesem Verständnis also zum einen alle, durch neue<br />
Formen der Arbeitsorganisation (wie Reduzierung der Arbeitsteilung, Gruppenarbeit oder<br />
Intensivierung von Zusammenarbeit verschiedener Beschäftigtengruppen) und personalwirt-<br />
schaftliche Unterstützungsmaßnahmen, induzierten Formen des kollektiven Austauschs von<br />
Wissen und seiner kooperativen Nutzung im Arbeitsprozess (Baethge-Kinsky;Hartwig 2000).<br />
Kompetenzentwicklung bezeichnet zum anderen, die in Auseinandersetzung mit neuen oder<br />
modifizierten Arbeitsaufgaben, entstehenden Formen und erfolgreichen Strategien des<br />
individuellen arbeitsintegrierten bzw. arbeitsbezogenen Lernens, die sich auf Wissensbe-<br />
schaffung und Wissensaneignung, auf die Strukturierung von Problemen und auf deren ex-<br />
perimentelle Lösung, wie auch auf die Aneignung neuer Verhaltensweisen und Kommuni-<br />
kationsstile im Umgang mit anderen beziehen (Dehnbostel;Nowak 1999; Faust;Holm 2001).<br />
1.2 Forschungsstand zum Zeitpunkt der Antragstellung und offene<br />
Fragen<br />
Die Forschung zur Kompetenzentwicklung in dieser neuen Perspektive war zumindest zum<br />
Zeitpunkt der Antragstellung schmal und jungen Datums. Zwar gab es 2000/2001, nicht zu-<br />
letzt aufgrund der vom BMBF getragenen Forschungsprogramme von BIBB und ABWF zu<br />
Prozessen organisationalen Lernens und betrieblicher Kompetenzentwicklung, eine ganze<br />
Reihe von Erfahrungsberichten und wissenschaftlichen Einzelergebnissen zu bestimmten<br />
Aspekten. Gleichwohl gelte, so der Antrag des Jahres 2001, <strong>für</strong> den Großteil der bislang vor-<br />
liegenden Ergebnisse, dass:<br />
• ihre Verallgemeinerungsfähigkeit ungesichert ist,<br />
• sie nur begrenzt die Veränderungsdynamik abbilden und<br />
• sie allenfalls locker in eine systematische Perspektive eingekoppelt werden, in der das<br />
20<br />
Verhältnis formalisierter Weiterbildung und wenig formalisierten bzw. informellen Lernens<br />
thematisiert und beides zueinander in Beziehung gesetzt wird.<br />
Auch erschien es nach wie vor schwierig, die unterschiedlichen Lehr- und Lernformen sau-<br />
ber nach dem Grad ihrer Intentionalität und dem Grad der Formalisierung zu trennen (Faust;<br />
Holm 2001).<br />
Zwar lagen zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ernst zu nehmende Hinweise vor, in<br />
welchen organisationalen Kontexten sich Kompetenzentwicklung vollzieht, doch fehlten,<br />
nicht zuletzt, weil bisher ausschließlich die organisierte Aus- und Weiterbildung Gegenstand<br />
von umfassenden, zeitnahen und detaillierten Berichtssystemen (Berufsbildungsbericht, Be-<br />
richtssystem Weiterbildung) war, nach wie vor einigermaßen repräsentative und verlässliche<br />
Grundlagen <strong>für</strong> Aussagen über vergangene, aktuelle und zu erwartende Trends der Kom-<br />
petenzentwicklung und über deren jeweilige Voraussetzungen, Formen, Typen und Effekte.<br />
Deshalb mussten zentrale Fragen offen bleiben:
Einleitung<br />
Welche Beziehungen bestehen zwischen Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit einerseits<br />
und verschiedenen Typen von Kompetenzentwicklung andererseits? Setzen besonders wett-<br />
bewerbsstarke und innovative Betriebe in hohem Maße auf bestimmte Formen (z.B. Projekt-<br />
organisation der Arbeit) bzw. bestimmte Kombinationen von Lehr-/Lernarrangements in der<br />
Arbeit?<br />
Welchen Einfluss haben in diesem Zusammenspiel zentrale Unternehmensmerkmale wie<br />
Branchenzugehörigkeit und Produktart (z.B. standardisiertes Massenprodukt oder kom-<br />
plexes, kundenspezifisches Produkt- bzw. Dienstleistungsangebot), Größe (Kleinstbetrieb,<br />
Großbetrieb) und Eigentumsstruktur (Eigentümerunternehmen, Kapitalgesellschaft)? Lassen<br />
sich entlang der Ausprägung dieser Merkmale Optionen <strong>für</strong> bestimmte Formen bzw. Kombi-<br />
nationen von Kompetenzentwicklung entdecken?<br />
Wie stehen Formen von formalisierter Aus- und Weiterbildung und von Kompetenzent-<br />
wicklung innerhalb der Arbeit zueinander? Werden sie komplementär und je nach Anlässen<br />
bzw. Problemstellungen eingesetzt? Oder existieren sie weitgehend unabhängig vonein-<br />
ander?<br />
Welchen Einfluss haben Unternehmensstrukturen und Unternehmenskulturen auf die Kom-<br />
petenzentwicklung der Fach- und Führungskräfte einerseits, auf die Wettbewerbs- und Inno-<br />
vationsfähigkeit andererseits? Sind Unternehmen mit einer vertikal und horizontal tief ge-<br />
gliederten und straff geführten Organisation wettbewerbs- und innovationsstärker als dezen-<br />
tralisierte Unternehmen mit flachen Hierarchien, die über kommunizierte Visionen/Leitbilder<br />
den Mitarbeitern nur die allgemeine Richtung vorgeben, in der diese sich mit ihren indivi-<br />
duellen arbeitsbezogenen Handlungen bewegen sollen? Und lassen sich – quasi spiegel-<br />
bildlich dazu – andere Schwerpunkte in der Kompetenzentwicklung von Fach- und Führungs-<br />
kräften erkennen (z.B. stärkere Akzentuierung berufsfachlicher versus sozial-kommunikativer<br />
Dimension)?<br />
Mit welcher Entwicklungsdynamik der Kompetenzentwicklung ist in welchen Unternehmen<br />
bzw. Unternehmenstypen zu rechnen? Lassen sich im Zeitverlauf deutliche Unterschiede in<br />
der Intensität und Struktur von Lehr-/Lernarrangements einerseits und der Wettbewerbs-<br />
bzw. Innovationsstärke von Unternehmen andererseits erkennen?<br />
Welche Varianten von Formen der Kompetenzentwicklung sind anzutreffen und in welcher<br />
Beziehung steht ihr Erfolg jeweils zu wichtigen Unternehmensmerkmalen?<br />
Und schließlich: Was kann Politik tun, um die Kompetenzentwicklung in – insbesondere<br />
kleineren – Unternehmen zu unterstützen?<br />
Die beantragte Untersuchung sollte eine erste, schrittweise ausbaufähige Grundlage <strong>für</strong> die<br />
Beantwortung von Fragen dieser Art bereitstellen.<br />
21
1.3 Die notwendige gleichzeitige Erfassung von Input- und Output-<br />
Faktoren<br />
Die Erfüllung dieser Aufgabe setzt voraus, dass es gelingt, das neue Verständnis von<br />
Kompetenz und Kompetenzentwicklung und ihren Bezug zu formalisierter Weiterbildung<br />
auch methodisch umzusetzen. Dies bedeutet insbesondere die Notwendigkeit, Input und<br />
Output von Kompetenzentwicklung gleichzeitig zu erfassen und so weit möglich zu messen.<br />
In der herkömmlichen, gewissermaßen „hydraulischen“ Vorstellung von Qualifikationsent-<br />
wicklung durch Weiterbildung schien es vielfach auszureichen, auf die schwierige Erfassung<br />
und Bewertung von Effekten der Weiterbildung zu verzichten und sich mit einer Messung des<br />
Inputs in Form von organisierten Weiterbildungsveranstaltungen und in Form des hier<strong>für</strong> vom<br />
Unternehmen getätigten, mehr oder minder routinemäßig erfassten, Aufwandes zu begnü-<br />
gen. Hier<strong>für</strong> ließen sich auch ohne Mühe eindeutige Indikatoren (Aufwand in Prozent der<br />
Lohnsumme, Zahl der pro Mitarbeiter und Jahr in Weiterbildung verbrachten Stunden oder<br />
Tage und Ähnliches) definieren und erheben. Über die Qualität und Effekte von Weiterbil-<br />
dung wusste man freilich damit noch wenig.<br />
In der neuen, durch den Kompetenzbegriff eröffneten Perspektive war diese Ausblendung<br />
von Effekten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung nicht mehr zulässig. Je mehr<br />
man gemäß dieser Perspektive auch das mehr oder minder informelle, nicht oder allenfalls<br />
partiell vom Unternehmen intendierte und organisierte, weitgehend selbstgesteuerte Lernen<br />
am Arbeitsplatz und im alltäglichen Arbeitsprozess ins <strong>Zentrum</strong> der Überlegungen rückt,<br />
umso weniger macht der Rekurs auf direkte Inputgrößen und die bloße Erhebung von<br />
eindeutig diesem Input zurechenbarem betrieblichen Aufwand Sinn. Die Anlage der Unter-<br />
suchung war deshalb nicht zuletzt von der Absicht bestimmt, Lösungen <strong>für</strong> diese neuartigen<br />
Probleme der Erfassung und soweit möglich auch der Messung von Effekten der Kompe-<br />
tenzentwicklung zu erarbeiten und praktisch zu erproben.<br />
Im <strong>Zentrum</strong> der Untersuchung standen damit drei Sachverhalte:<br />
(1) Betriebsstrukturelle und betriebspolitische Bedingungen, Voraussetzungen und<br />
Strategien <strong>für</strong> Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Hierbei ging es vor allem um die Organisation von Arbeit; das Unternehmen und seine<br />
Stellung im Wertschöpfungsprozess; die Anforderungen an spezifisches und fachübergrei-<br />
fendes Wissen, Formen und Instrumente von Personalwirtschaft und Personalentwicklung,<br />
einschließlich organisierter Weiterbildung sowie formelle und – soweit beobachtbar und<br />
erfassbar – informelle Karrieremuster.<br />
(2) Resultate der betrieblichen Entwicklung von Kompetenz der Fach- und Führungs-<br />
kräfte<br />
Zu klären war insbesondere, ob – und wie – es möglich ist, die Auswirkungen von Kom-<br />
petenzentwicklungsstrategien auf die Situation der Unternehmen und ihrer Beschäftigten zu<br />
erfassen und gegebenenfalls zu analysieren. Hierbei ging es insbesondere um Aus-<br />
wirkungen auf die Innovativität des Unternehmens, auf Produktivitätsentwicklung und<br />
22
Einleitung<br />
Marktposition, auf Einkommensentwicklung und Beschäftigungssicherheit. Da ein<br />
nennenswerter Teil derartiger Sachverhalte und Zusammenhänge nicht direkt zu beobachten<br />
und in einem standardisierten Interview abzufragen ist, war es unvermeidlich, mit<br />
Näherungsgrößen zu arbeiten, mit denen die betreffenden Sachverhalte einigermaßen ver-<br />
lässlich abgebildet werden können.<br />
(3) Die Beziehungen zwischen Input- und Output-Faktoren<br />
Zentrales – und sehr ehrgeiziges – Ziel der Untersuchung war es, Hinweise auf Wechsel-<br />
wirkungen zwischen Input- und Output-Faktoren von Kompetenzentwicklung zu gewinnen<br />
und die Beziehungen zwischen ihnen zu analysieren. Hierbei ging es zum einen darum,<br />
einen einigermaßen verlässlichen Überblick über Formen und Effekte von Kompetenzent-<br />
wicklung in der Breite der deutschen Wirtschaft und unter ausdrücklicher Berücksichtigung<br />
der kleinen und mittleren Unternehmen zu gewinnen. Hierbei ging es zum anderen in einer<br />
dynamischen Perspektive darum, aktuelle oder auch emergente Veränderungs- und Ent-<br />
wicklungstendenzen zu erfassen.<br />
1.4 Eine dreistufige Untersuchungsanlage<br />
Angesichts der Komplexität der offenen Fragen, angesichts der durch sie definierten Ziel-<br />
setzung der Untersuchung und angesichts der methodischen Schwierigkeiten, erforderte die<br />
Ausarbeitung der Untersuchungsanlage besondere Aufmerksamkeit. Zugleich waren die<br />
drei, an der Vorbereitung des Vorhabens und der Antragstellung, beteiligten Institute in <strong>Halle</strong>,<br />
Göttingen und Nürnberg bestrebt, sicherzustellen, dass bei der Konzeption und Durch-<br />
führung der Untersuchung ihre je spezifischen Stärken, Kompetenzen und Forschungs-<br />
potentiale optimal genutzt werden konnten.<br />
Ergebnis dieser Überlegungen war ein Vorgehen in drei teilweise aufeinander aufbauenden<br />
und konsekutiv zu bearbeitenden, teilweise parallel laufenden und simultan bearbeitbaren<br />
Stufen, die jeweils als ein in sich abgeschlossenes Arbeitspaket definiert waren. Entspre-<br />
chend den Schwerpunkten ihrer Kompetenz und ihren vorrangigen wissenschaftlichen Inte-<br />
ressen waren die drei Institute unterschiedlich intensiv an diesen drei Arbeitspaketen be-<br />
teiligt, <strong>für</strong> die jeweils eines der Institute Federführung und operative Verantwortung über-<br />
nahm.<br />
Arbeitspaket I, das mit Vorhabensbeginn angegangen und sehr zügig bearbeitet wurde,<br />
bestand in einer gezielten Aufbereitung und Auswertung des IAB-Betriebspanels mit den<br />
Erhebungswellen 1997, 1998 und 1999, in denen Fragen zum Weiterbildungsverhalten der<br />
Betriebe gestellt wurden.<br />
Für dieses Arbeitspaket hatte das zsh in enger Zusammenarbeit mit dem IAB Federführung<br />
und operative Verantwortung übernommen.<br />
Aufgaben und Vorgehen in diesem Arbeitspaket sind unter 2 dargestellt.<br />
23
Im <strong>Zentrum</strong> von Arbeitspaket II standen die Vorbereitung, Durchführung, Aufbereitung und<br />
Auswertung einer „Breitenerhebung“ in Form einer rechnergestützten Telefonbefragung einer<br />
großen Zahl von west- und ostdeutschen Betrieben mit weniger als 1000 Beschäftigten.<br />
Dieses Arbeitspaket wurde in inhaltlicher Abstimmung mit den beiden anderen Instituten vom<br />
<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> übernommen, das im Auftrag der Martin-Luther-Univer-<br />
sität ein leistungsfähiges CATI-Labor betreibt.<br />
Mit diesem Arbeitspaket wurde unmittelbar im Anschluss an Arbeitspaket I begonnen. Die<br />
Befragung fand im Spätherbst/Frühwinter 2002 statt. Datenbereinigung, Datenauswertungen<br />
und Berichtserstellung nahmen die gesamte Restlaufzeit des Vorhabens in Anspruch.<br />
Die Abschnitte 3 und 4 berichten über die wichtigsten Schritte dieses Arbeitspaketes und die<br />
Generalisierbarkeit der hierbei gewonnenen Befunde.<br />
In Arbeitspaket III wurde parallel zu Arbeitspaket II eine Serie von Betriebsfallstudien durch-<br />
geführt.<br />
Auf dieses Arbeitspaket konzentrierte sich – in Abstimmung mit den beiden anderen Insti-<br />
tuten – der Beitrag des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen.<br />
Diese arbeitsteilige Aufgabenstellung schlägt sich auch in der Berichtsstruktur nieder:<br />
Gegenstand des hiermit vom <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> vorgelegten Forschungs-<br />
berichtes sind die Ergebnisse der beiden Arbeitspakete I und II. Über Vorgehensweise und<br />
Befunde der Fallstudien in Arbeitspaket III wird in einer eigenständigen Veröffentlichung des<br />
Soziologischen Forschungsinstituts berichtet 1 .<br />
2 Die Aufbereitung und Auswertung des IAB-Betriebspanels<br />
2.1 Das Betriebspanel und die Untersuchung von Kompetenzentwicklung<br />
Das Betriebspanel des IAB enthält neben einem Standardsatz jährlich wiederholter Fragen<br />
auch Fragen zu wechselnden Themenschwerpunkten. Die <strong>für</strong> die vorgeschlagene Unter-<br />
suchung vor allem relevanten Themen Weiterbildung und Innovation sind Befragungs-<br />
schwerpunkte des Jahres 2001. Im wesentlichen gleiche Fragen wurden auch in den Jahren<br />
1993 (nur alte Bundesländer) und 1998 (alte und neue Bundesländer) gestellt.<br />
1 Baethge, Martin, Baethge-Kinsky, Volker; Holm, Ruth; Tullius, Knut: Dynamische Zeiten - langsamer Wandel.<br />
Betriebliche Kompetenzentwicklung in den Kernsektoren der deutschen Wirtschaft. Göttingen, 2005.<br />
24
Einleitung<br />
Die hiermit gewonnenen Daten über „Inputfaktoren“ betrieblicher Weiterbildung sind von<br />
erheblichem Interesse <strong>für</strong> eine Untersuchung, die sich ausdrücklich und aus Gründen, die<br />
eben dargestellt wurden, an einem weit gefassten Begriff von Kompetenzentwicklung<br />
orientiert, der also auch arbeitsintegrierte Formen informellen Lernens einbezieht, da im<br />
IAB-Betriebspanel sowohl formalisierte als auch arbeitsintegrierte Formen der Weiterbildung<br />
erfragt werden.<br />
Allerdings werden aufgrund der Frageabfolge und der Filterführung des Betriebspanels diese<br />
Fragen nur jenen Betrieben gestellt, die betriebliche Weiterbildung finanziell oder durch<br />
Freistellung "fördern". Unternehmen, die sich auf arbeitsintegrierte Formen der Kompetenz-<br />
entwicklung beschränken, ohne sie explizit zu "fördern", erhalten keine Gelegenheit, dies<br />
zum Ausdruck zu bringen. Diese Unternehmen erscheinen als "Nicht-Weiterbildner", sind<br />
aber, genau genommen, lediglich "Nicht-Förderer" von Weiterbildung.<br />
Immerhin werden die Gründe <strong>für</strong> "Nicht-Weiterbildung" im benannten Sinne abgefragt und<br />
konnten in der Sekundärauswertung berücksichtigt werden.<br />
Neben den Antworten auf die unmittelbar auf Weiterbildung gerichteten Fragen liefert das<br />
Betriebspanel auch regelmäßig Informationen, die zur Beurteilung von Output-Faktoren von<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung nutzbar sind. Hier liegt der Schwerpunkt des<br />
Betriebspanels auf Innovationsaktivitäten. Die Antworten auf die Frage nach den wichtigsten<br />
Innovationen lassen sich zu einer Guttmann-Variable integrieren. Weitere Outputvariablen<br />
waren die Personalprobleme des Unternehmens, die Beschäftigungsentwicklung und die<br />
Investitionen.<br />
2.2 Bildung von Betriebstypen als wichtiger Arbeitsschritt der<br />
Sekundäranalyse<br />
Die Aufbereitung und Sekundäranalyse der Antworten auf die Fragen zur Weiterbildung und<br />
der jährlich erhobenen Daten zur Betriebsstruktur sollten einem doppelten Zweck dienen:<br />
Zum einen ging es darum, als Ausgangspunkt und Hintergrund der eigenen Erhebungen in<br />
den Arbeitspaketen II und III einen ersten Überblick über Weiterbildungsaktivitäten und Wei-<br />
terbildungsverhalten der Betriebe zu gewinnen.<br />
Zum anderen ging es darum, in Vorbereitung der Breitenerhebung und der Definition ihrer<br />
Stichprobe, die Gruppen von Betrieben zu identifizieren und nach wichtigen Merkmalen zu<br />
beschreiben, in denen Kompetenzentwicklung, gerade auch jenseits formaler Weiterbildung,<br />
vermutlich eine wichtige Rolle spielt.<br />
Wesentliches Ziel der Auswertungen war es deshalb, Betriebstypen zu identifizieren, die sich<br />
dann jeweils durch eine spezifische Kombination wichtiger Indikatoren zu vermutlichen Input-<br />
und Output-Faktoren von Kompetenzentwicklung charakterisieren lassen. Solche „markanten<br />
Kombinationen“ wären z.B. sehr innovative Unternehmen, die entweder sehr große oder<br />
aber sehr geringe Weiterbildungsaktivitäten aufweisen.<br />
25
Zur Typenbildung bot sich ein Vorgehen an, das von ersten, noch vorläufigen Vermutungen<br />
ausgeht und anhand von Auswertungen im Querschnitt und im Längsschnitt schrittweise die<br />
Typen präzisiert. Angestrebt wurde hierbei einerseits die Bildung einer begrenzten, über-<br />
sichtlichen Anzahl von Typen und andererseits die Abdeckung eines breiten Spektrums an<br />
Unternehmen aus Industrie und Dienstleistungen.<br />
Nachdem eine integrierte Datei <strong>für</strong> die interessierenden Panelwellen bis einschließlich Welle<br />
1999 erstellt war, konnte unverzüglich mit der Typenbildung begonnen werden.<br />
2.3 Eine Typologie des Weiterbildungsverhaltens von Betrieben<br />
Zu einer ersten Typologie von Weiterbildungsverhalten wurden zwei Fragen aus dem IAB-<br />
Betriebspanel des Jahres 1997 herangezogen:<br />
• zum einen die Frage nach Formen der vom Unternehmen geförderten Weiterbildung,<br />
• zum anderen die Frage nach den Gründen <strong>für</strong> die Nicht-Förderung von Weiterbildung.<br />
Anzumerken ist allerdings, dass die Frage nach den vom Unternehmen geförderten Formen<br />
von Weiterbildung wegen der Filterführung des Fragebogens faktisch nur von Unternehmen<br />
beantwortet werden konnte, die Weiterbildung tatsächlich gefördert haben, wenngleich unter<br />
den Antwortvorgaben des Interviewleitfadens auch arbeitsintegrierte Formen von Weiterbil-<br />
dung berücksichtigt werden, die nicht notwendigerweise an eine Förderung durch das Unter-<br />
nehmen gebunden sind.<br />
Die Typen wurden aus jeweils hoch korrelierten Items der beiden Fragen nach Formen der<br />
Weiterbildung und Gründen der Nicht-Förderung von Weiterbildung durch eine sogenannte<br />
„Oder-Verknüpfung“ gebildet, d.h. ein Betrieb brauchte nur eines der Items angegeben zu<br />
haben, um dem entsprechenden Typ zugeordnet zu werden.<br />
Im Ergebnis entstanden fünf Typen.<br />
Typ 1: Weiterbildung durch formale Kurse und arbeitsintegriertes Lernen<br />
Die Unternehmen dieses Typs gaben an, neben formalisierten Kursen auch Job Rotation,<br />
selbstgesteuertes Lernen oder Qualitätszirkel in ihrem Betrieb durchzuführen. Diesem Typ<br />
sind 8,5 Prozent der einem Typus zuzuordnenden Unternehmen zuzurechnen. Diese sind<br />
vor allem unter größeren Betrieben anzutreffen.<br />
Typ 2: Weiterbildung ausschließlich durch formale Kurse<br />
Die Unternehmen dieses Typs gaben keine arbeitsintegrierten Formen von Weiterbildung an,<br />
sondern beschränkten sich nach eigener Aussage auf formalisierte Kurse. 31,9 Prozent der<br />
Betriebe waren diesem Typ zuzuordnen. Es handelt sich hierbei vor allem um sehr kleine<br />
Betriebe.<br />
26
Typ 3: Keine Weiterbildung aufgrund fehlender Ressourcen<br />
Einleitung<br />
Die Unternehmen dieses Typs förderten keine Weiterbildung und gaben als Grund an, dass<br />
sie weder Zeit noch Geld <strong>für</strong> Weiterbildung hätten. Die Gruppe repräsentiert 14,7 Prozent der<br />
Betriebe. Betriebe diesen Typs sind praktisch ausschließlich sehr kleine Betriebe (bis 20 Be-<br />
schäftigte).<br />
Typ 4: Keine Weiterbildung aufgrund fehlenden Bedarfs<br />
Die Unternehmen dieses Typs förderten keine Weiterbildung und gaben als Grund an, dass<br />
die Qualifikation der Mitarbeiter ausreicht. Diese Gruppe, die immerhin ein Viertel aller<br />
Betriebe ausmacht (24,7 Prozent), ist ebenfalls fast nur unter sehr kleinen Betrieben anzu-<br />
treffen.<br />
Typ 5: Keine Weiterbildung aus sonstigen Gründen<br />
Zu dieser Gruppe wurden alle Unternehmen gezählt, die andere Gründe <strong>für</strong> die Nicht-<br />
Förderung von Weiterbildung angegeben hatten als Betriebe der Typen 3 und 4. Gründe<br />
waren: Betrieb fördert grundsätzlich keine Weiterbildung; in dem entsprechenden Halbjahr<br />
(auf das sich die Befragung bezog) waren keine Maßnahmen vorgesehen; Qualifikationsde-<br />
fizite wurden durch Neueinstellungen gedeckt; Mitarbeiter hatten kein Interesse.<br />
Geplant war, anhand dieses Typologieentwurfs die Teilstichproben <strong>für</strong> die „Breitenerhebung“<br />
zu bestimmen und durch Merkmale zu beschreiben, die sich in der Beschäftigtenstatistik der<br />
Bundesanstalt <strong>für</strong> Arbeit auffinden lassen.<br />
Zwei komplementäre Argumente sprachen da<strong>für</strong>, hierbei einen besonderen Schwerpunkt auf<br />
Typ 3 („keine Weiterbildung aufgrund fehlender Ressourcen“) zu legen: Bei diesen Betrieben<br />
besteht zum einen im Unterschied zu den Betrieben der Typen 4 und 5 offenkundig ein<br />
Bedarf an Kompetenzentwicklung. Zum anderen können sie diesen Bedarf an Kompetenz-<br />
entwicklung jedoch wegen fehlender Ressourcen nicht mit herkömmlichen Methoden, insbe-<br />
sondere durch Förderung formalisierter Weiterbildung, decken. Demzufolge war die Ver-<br />
mutung berechtigt, dass gerade in diesen Betrieben neue Formen der Kompetenzentwick-<br />
lung jenseits formalisierter Weiterbildung praktiziert werden.<br />
2.4 Die Entscheidung <strong>für</strong> eine – vereinfachte – Definition der<br />
Stichprobenstruktur<br />
Um eine tragfähige Grundlage <strong>für</strong> Stichprobendefinition und Stichprobenziehung zu gewin-<br />
nen, bot es sich an, mit Hilfe von Clusteranalysen Konstellationen von betrieblichen Merk-<br />
malen zu identifizieren, die möglichst große Ähnlichkeit ihres Weiterbildungsverhaltens<br />
aufweisen. Als Merkmale bzw. Merkmalskombinationen kamen insbesondere in Frage: Wirt-<br />
schaftszweig und Betriebsgröße, Betriebsgröße und Produktinnovation sowie Betriebsgröße<br />
und Qualifikationsstruktur.<br />
Nach einer Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation wurden mit Hilfe des Ward-<br />
Verfahrens jeweils <strong>für</strong> Westdeutschland, Ostdeutschland und Gesamtdeutschland mehrere<br />
27
Clusterungen durchgeführt, wobei im allgemeinen bereits mit einer geringen Zahl von Clus-<br />
tern angemessene Lösungen erreicht wurden.<br />
Angesichts der Ergebnisse dieser Clusterungen (die in Teil A ausführlicher dargestellt sind)<br />
schien es allerdings nicht mehr angebracht, wie ursprünglich beabsichtigt, die Befragungs-<br />
stichprobe aus Teilstichproben zusammenzusetzen, die mit den bereits gebildeten Weiter-<br />
bildungstypen weitgehend strukturidentisch („geklont“) sind, womit allerdings auch die Mög-<br />
lichkeit entfiel, Betriebe, die bestimmten Typen, insbesondere Typ 3, zugehören, entspre-<br />
chend ihrer Bedeutung <strong>für</strong> die Untersuchungsfrage überproportional zu berücksichtigen.<br />
Vielmehr lag ein vereinfachtes Verfahren der Stichprobenbildung nahe, das sich an vier Prin-<br />
zipien orientierte:<br />
(1) Die Betriebsgröße wird als wesentliches Merkmal ausgewählt. Da oberhalb bestimmter<br />
Grenzen offenbar der überwiegende Teil der Betriebe formalisierte Weiterbildung in irgend-<br />
einer Form betreibt, soll vermieden werden, dass bei einer Befragung deren Aktivitäten alles<br />
andere überlagern. Da auch sehr kleine Betriebe <strong>für</strong> die Untersuchungsfragestellung nicht<br />
allzu ergiebig zu sein scheinen, empfahl es sich, die Betriebsgrößenklassen oben und unten<br />
abzuschneiden und die Untersuchung auf einen klar definierten Größenbereich im Bereich<br />
der KMU und kleineren Großbetriebe zu beschränken.<br />
(2) Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich deutlich. Um eine hinreichende Anzahl ost-<br />
deutscher Betriebe im Sample vertreten zu haben, sollte hier die Ziehungswahrscheinlichkeit<br />
erhöht werden.<br />
(3) Bestimmte Wirtschaftszweige, die das Betriebspanel erfasst, sind aus verschiedenen<br />
Gründen nur von sehr reduziertem Interesse und sollten bei der Festlegung des Untersu-<br />
chungsfeldes ausgeklammert werden.<br />
(4) Innerhalb des so abgegrenzten Feldes kann eine Schichtung nach Größenklassen sinn-<br />
voll sein, um – insbesondere bei den größeren Betrieben – eine ausreichende Fallzahl<br />
sicherzustellen.<br />
Demzufolge wurde auch zwischen den beteiligten Instituten eine Arbeitsteilung abgespro-<br />
chen, bei der sich die Breitenerhebung im Schwerpunkt auf kleine und mittlere Unternehmen<br />
richtet, während die Fallstudien vertiefter den Bereich der Großbetriebe erfassen.<br />
3 Betriebsbefragung („Breitenerhebung“) mit rechnergestützten<br />
Telefoninterviews<br />
3.1 Definition der Bruttostichprobe und Adressenbeschaffung<br />
Gemäß den eben genannten Prinzipien wurde die Bruttostichprobe, also die Zusammen-<br />
setzung der benötigten Adressen, wie folgt definiert:<br />
28
Einleitung<br />
• Im Interesse einer hohen, auch <strong>für</strong> komplexere statistische Analysen ausreichenden Zahl<br />
von befragten Betrieben und unter Berücksichtigung der zu erwartenden Ausfälle wurde<br />
<strong>für</strong> die Bruttostichprobe eine Größenordnung von 10.000 festgelegt.<br />
• Die Stichprobe umfasst als hauptsächliches Untersuchungsfeld selbstständige Betriebe<br />
mit 20 bis 999 sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten.<br />
• Betriebe aus den Wirtschaftszweigen „Erziehung und Unterricht“, „Interessenver-<br />
tretungen, Verbände, kirchliche und andere religiöse Vereinigungen“, „private Haushalte“<br />
und „öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung“ werden nicht befragt.<br />
• Innerhalb des Untersuchungsfeldes werden bei der Adressenbeschaffung ostdeutsche<br />
Betriebe im Verhältnis 1 : 2 gegenüber westdeutschen Betrieben unterrepräsentiert.<br />
• Bei der Auswahl der zu befragenden Betriebe wurden größenklassenspezifische, mit<br />
wachsender Betriebsgröße stark zunehmende Auswahlquoten festgelegt, um ausrei-<br />
chende Fallzahlen auch bei Betrieben mittlerer Größe sicherzustellen. Die Ergebnisse<br />
sind in Tabelle 1 dargestellt. 2<br />
• Zusätzlich wurden in den stark kleinbetrieblich strukturierten Wirtschaftszweigen: „Handel<br />
und Reparatur“,„Gaststätten, Beherbergungsbetriebe“, „Gesundheits-, Veterinär- und<br />
Sozialwesen“, „Datenverarbeitung und Datenbanken“, „Rechts-, Steuer- und Unterneh-<br />
mensberatung, Werbung und Marktforschung“ sowie „Vermietung beweglicher Sachen,<br />
sonstige Dienstleistungen“ in der Größenklasse „5 bis 9 sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigte“ noch jeweils 108 Betriebsadressen und in der Größenklasse „10 bis 19<br />
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte“ jeweils 54 Betriebsadressen in den alten und<br />
den neuen Bundesländern durch Zufallsauswahl gezogen.<br />
Die Lieferung der Adressen übernahm gemäß dem in § 75 SGB X festgelegten Verfahren<br />
und nach Genehmigung durch das Bundesministerium <strong>für</strong> Arbeit und Sozialordnung die<br />
Bundesanstalt <strong>für</strong> Arbeit aus der von ihr geführten Betriebnummerndatei.<br />
Tabelle 1: Bruttostichprobe I – nach Betriebsgröße und regionaler Lage<br />
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte<br />
5-49 50-99 100-199 200-499 500-999 Gesamt<br />
Alte Bundesländer 2181 1377 1319 1141 430 6448<br />
Neue Bundesländer 1625 772 612 430 110 3549<br />
Gesamt 3806 2149 1931 1571 540 9997<br />
2 Es versteht sich von selbst, dass diese größenklassenspezifischen Gewichtungen vor der Auswertung der<br />
Befragungsergebnisse durch entsprechende Koeffizienten wieder rückgängig gemacht wurden.<br />
29
3.2 Adressenkontrolle und Beschaffung der Telefonnummern<br />
Bevor die knapp 10.000 von der Bundesanstalt gelieferten Postanschriften der Bruttostich-<br />
probe I <strong>für</strong> die Vorbereitung und Durchführung der Interviews genutzt werden konnten,<br />
mussten die entsprechenden Telefonnummern ermittelt werden.<br />
Die Telefonnummernrecherche war keineswegs in allen Fällen erfolgreich. Der wichtigste<br />
Ausfallgrund lag in fehlerhaften bzw. (z.B. wegen Konkurs) nicht mehr zutreffenden Adres-<br />
sen, denen keine Telefonnummer zugeordnet werden konnte. Doch waren auch nicht wenige<br />
der ermittelten Telefonnummern nicht <strong>für</strong> die Befragung nutzbar. Bei mehreren Hundert<br />
Fällen war der Telefonanschluss nicht mehr in Betrieb. Weiterhin musste eine nennenswerte<br />
Zahl von Adressen ausgesondert werden, weil das entsprechende Unternehmen nicht zum<br />
Untersuchungsfeld gehört. Schließlich war eine beträchtliche Zahl von Betrieben bei Kontroll-<br />
anrufen unter der ermittelten Telefonnummer nicht erreichbar, insbesondere, da die Nummer<br />
ständig besetzt war. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Ergebnisse dieser vorbe-<br />
reitenden Arbeiten.<br />
Tabelle 2: Ausschöpfung der Adressendatei und Ausfallgründe<br />
30<br />
Anzahl Prozent<br />
Bruttostichprobe I 9.997 100,0<br />
keine Telefonnummer ermittelbar 1.279 12,8<br />
keine Anschluss unter der Nummer 394 3,9<br />
nicht zur Zielgruppe gehörig 160 1,6<br />
nicht erreicht/AB/Fax/besetzt 868 8,9<br />
Bruttostichprobe II 7.296 72,8<br />
Damit verblieb eine Bruttostichprobe II von insgesamt 7.296 Betrieben, die als Interview-<br />
partner effektiv in Frage kamen.<br />
Es ist evident, dass unter den Ausfällen kleine und kleinste Betriebe deutlich häufiger ver-<br />
treten waren als mittlere oder größere Unternehmen. So betrugen die Ausfälle wegen der<br />
Unmöglichkeit, unter der abgegebenen Adresse eine Telefonnummer zu ermitteln, 14,7 Pro-<br />
zent der Bruttostichprobe I bei allen Betrieben mit weniger als 50 Beschäftigten, hingegen<br />
nur zwischen 11,3 Prozent und 12,1 Prozent bei allen Betrieben mit mehr als 50 sozialver-<br />
sicherungspflichtigen Beschäftigten.<br />
3.3 Die Struktur des Fragebogens<br />
Die Befragung wurde als rechnergestützte Telefon-Befragung realisiert. Gerade bei großen<br />
Breitenerhebungen hat sich die Telefonbefragung als zuverlässiges Instrument erwiesen.<br />
Vorteile 3 des computer assisted telephone interview (cati) liegen insbesondere in der Mög-<br />
lichkeit der komplexen Filterführung, wodurch eine differenzierte, auf den Befragten<br />
3 siehe auch Fuchs M. (1994): Umfrageforschung mit Telefon und Computer. Einführung in die computergestützte<br />
telefonische Befragung. Weinheim, S. 45ff.
Einleitung<br />
eingehende Interviewführung möglich wird. Zudem können Antworten vorangegangener<br />
Fragen in die Formulierung nachfolgender Fragen eingebaut werden.<br />
Eine telefonische Befragung bringt aber auch spezielle Anforderungen an den Fragebogen<br />
mit sich. So wurden möglichst geschlossene Fragen verwendet, da die Aufnahme offener<br />
Antworten sehr fehleranfällig und zeitaufwendig ist und da außerdem eine gewisse Reduk-<br />
tion des Informationsgehalts durch den Interviewer fast unvermeidlich ist. Die Antwortmög-<br />
lichkeiten wurden der Gesprächssituation durch überschaubare Vorgaben und Vermeidung<br />
zu großer Skalen angepasst. Aufgrund der unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten<br />
der Begriffe Kompetenz und Kompetenzentwicklung wurde auf deren Verwendung im Frage-<br />
bogen möglichst verzichtet.<br />
Die gewählte Methode, die Thematik und der Gegenstand der Befragung sowie die<br />
Tatsache, dass großer Wert darauf gelegt wurde, das Interview mit einer kompetenten und<br />
verantwortlichen Person (soweit irgend möglich entweder Geschäftsführer oder Personal-<br />
leiter) zu führen, zwangen zu großer Sorgfalt beim Aufbau und bei der Formulierung des<br />
Fragebogens. Der Fragebogen selbst gliedert sich in vier Blöcke, die in Abbildung 1 detail-<br />
lierter dargestellt sind.<br />
Bei der Strukturierung und Ausformulierung des Fragebogens waren mehrere Überlegungen<br />
und Prinzipien leitend:<br />
Sicherstellung der Gesprächsorientierung im Fragebogen<br />
Da die angestrebte Zeitdauer eines Interviews zwischen 45 und 60 Minuten lag, war es<br />
wichtig, das Interesse des Befragten am Befragungsthema <strong>für</strong> die gesamte Interviewdauer<br />
aufrecht zu erhalten, um Abbrüche zu vermeiden. Zudem sollten die Fragen und Antwort-<br />
kategorien nicht zu kompliziert formuliert werden. Die Frageformulierung, die Reihenfolge der<br />
Fragen und die vorgesehenen Antwortmöglichkeiten sollten dem Erfahrungshorizont und<br />
dem Assoziationsvermögen der Befragten angepasst werden. Auch die Erläuterung von<br />
Fragestellungen und die Verwendung offener Antwortkategorien und einfacher Skalen sollten<br />
das Interview <strong>für</strong> den Gesprächspartner interessant, aber nicht zu kompliziert gestalten.<br />
Vorrang <strong>für</strong> das Abfragen konkreter Ereignisse statt Unternehmensphilosophien<br />
Da sich Kompetenzen kontextbezogen entwickeln, wurde die Befragung auf konkrete Er-<br />
eignisse ausgerichtet, bei denen vorhandene oder fehlende Kompetenzen der Mitarbeiter <strong>für</strong><br />
den Betrieb relevant werden. Dies kann der Fall sein, wenn Kompetenzdefizite sichtbar<br />
werden, Kompetenzen verbessert bzw. neu aufgebaut werden sollen oder Betriebe die<br />
Kompetenzen ihrer Mitarbeiter diagnostizieren müssen. Bei allgemeinen Fragen nach Ab-<br />
sichten und generellem Vorgehen besteht hingegen die Gefahr, dass nur Ansichten im Sinne<br />
der Unternehmensphilosophie mitgeteilt werden. Konkrete Ereignisse dagegen ergeben<br />
konkrete Probleme und Lösungen.<br />
31
In der Befragung wurde nach dem wichtigsten Ereignis der vergangenen drei Jahre <strong>für</strong> den<br />
Betrieb gefragt. Die Wahl des Zeitrahmens 4 und die Betonung der Wichtigkeit <strong>für</strong> das Unter-<br />
nehmen sollten genaue und zuverlässige Antworten möglich machen, Erinnerungslücken<br />
gering halten und dem Befragten eine konkrete Antwort ermöglichen. Mit dem Konzept der<br />
Wichtigkeit eines Ereignisses wurde eine größere Spannbreite von ganz unproblematisch<br />
verlaufenen oder <strong>für</strong> den Betrieb sehr folgenreichen Ereignissen abgedeckt.<br />
Als zur Analyse von Kompetenzentwicklung geeignete Art von Ereignissen wurden Produkt-<br />
und Verfahrensinnovationen, Reorganisationen und Neueinstellungen ausgewählt.<br />
Produkt- bzw. Verfahrensinnovationen können in zweierlei Hinsicht ein Indikator <strong>für</strong> Kom-<br />
petenzentwicklung sein: Einerseits können Mitarbeiterkompetenzen zu Innovationen führen.<br />
Andererseits erfordert die Einführung von Innovationen oftmals eine Weiterentwicklung<br />
bestehender Kompetenzen. Reorganisationen setzen vielfach voraus, dass Betriebe<br />
bestehende Mitarbeiterkompetenzen diagnostizieren und Potentiale erkennen. Sie verbinden<br />
sich demzufolge oftmals mit Bemühungen zu einer optimierten Nutzung der Kompetenzen<br />
der Mitarbeiter. Neueinstellungen können als Anforderung an den Aufbau von Kompetenzen<br />
betrachtet werden, beginnend mit der Ermittlung von Arbeitsanforderungen über die Ein-<br />
schätzung der Bewerber bis zur Einarbeitung der neu eingestellten Person.<br />
Die Fragen zu Innovationen und Reorganisationen beziehen sich auf die Art des Ereignisses,<br />
die Einbeziehung verschiedener Akteure, die Veränderung von Arbeitsanforderungen sowie<br />
aufgetretene Schwierigkeiten und deren Bewältigung. Bei Neueinstellungen stehen die Such-<br />
wege, Beurteilungsmethoden, Auswahlkriterien und die Organisation der Einarbeitung im<br />
Mittelpunkt. In der Befragung wurden konkrete Angaben zur Innovation bzw. Reorganisation<br />
und zur letzten Neueinstellung bewusst als offene Frage 5 gestaltet, um konkrete Informa-<br />
tionen zu erhalten.<br />
Fokus auf konkrete Mitarbeitergruppen legen<br />
Die Aktivitäten des Betriebes wurden in aller Regel nicht <strong>für</strong> den Betrieb allgemein, sondern<br />
nach Beschäftigungsgruppen differenziert abgefragt. Dieses Vorgehen führte zu konkreteren<br />
Aussagen, könnte jedoch auch die Dauer und den Aufwand des Interviews spürbar erhöhen.<br />
Bei Fragen zur wichtigsten Veränderung wurde deshalb der Fokus auf eine ausgewählte<br />
Mitarbeitergruppe gelegt.<br />
4 Die Spanne von drei Jahren sollte sicherstellen, dass möglichst viele Betriebe ein wichtiges Ereignis anführen<br />
können. Ein oder zwei Jahre erschienen hier<strong>für</strong> zu knapp.<br />
5 Vgl. zur Möglichkeit offener Fragen: Buchwald C. (2002): Das CATI-System. In: Sahner H. (Hrg): Zur<br />
Leistungsfähigkeit telefonischer Befragungen. Das Methodenprojekt des SFB 580 – zwischen Methodenentwicklung<br />
und Dienstleistung. Mitteilungen aus dem SFB 580. H.4, S. 39.<br />
32
Abbildung 1: Aufbau des Fragebogens<br />
Inhalte<br />
• Ermittlung vorhandener Mitarbeitergruppen<br />
Block 1: Weiterbildung im Betrieb<br />
• Ermittlung von Neueinstellungen in den Mitarbeitergruppen<br />
• Neue Anforderungen an die Arbeitskräfte<br />
• Arbeitsorganisation<br />
• Organisation von Weiterbildung<br />
• Veränderungen im Betrieb<br />
Keine Veränderungen =<br />
Block 2 wird nicht abgefragt<br />
Inhalte<br />
Einleitung<br />
Bezogen auf alle<br />
relevanten<br />
Mitarbeitergruppen<br />
Block 2: Kompetenzentwicklung anhand einer konkreten Veränderung<br />
• Benennen dieser Veränderung (Reorganisation oder Innovation)<br />
• Ursachen<br />
• Probleme<br />
• Bewältigung<br />
• Bewertung einzelner Maßnahmen<br />
Keine Neueinstellungen =<br />
Block 3 wird nicht abgefragt<br />
Inhalte<br />
• Anlass<br />
• Suchwege<br />
• Einarbeitung<br />
Bezogen auf die<br />
ausgewählte<br />
Mitarbeitergruppe<br />
Block 3: Kompetenzentwicklung anhand der letzten Neueinstellung<br />
• Bewertung einzelner Maßnahmen<br />
Inhalte<br />
• Art des Betriebes, Rechtsform<br />
• Geschäfts- und Investitionsvolumen<br />
• Wettbewerbsfaktoren<br />
• Beschäftigungsstruktur<br />
Block 4: Angaben zum Betrieb<br />
Bezogen auf die<br />
ausgewählte<br />
Mitarbeitergruppe<br />
33
Organisationsstrukturen detailliert erheben<br />
Da Kompetenzentwicklung häufig in informellen Lernprozessen abläuft, erschien es sehr<br />
wichtig, Arbeits- und Organisationsformen sowie Weiterbildungsformen zu ermitteln. Die<br />
entsprechenden Fragen beziehen sich auf die Existenz lernförderlicher Arbeitsformen, die<br />
Anzahl der Hierarchieebenen und Organisationseinheiten, auf formelle und informelle<br />
Weiterbildung, Arbeitsplatzanforderungen, Personalprobleme sowie Rekrutierungs- und Auf-<br />
stiegsstrategien.<br />
Erfassung von Unternehmensmerkmalen<br />
Die Unternehmensmerkmale sollten den Nutzen von Kompetenzentwicklung hinterfragen.<br />
Die Fragen richten sich auf die Art des Betriebes, Geschäfts- und Investitionsvolumen,<br />
Wettbewerbsfaktoren sowie die Beschäftigungsentwicklung. Um in späteren Auswertungs-<br />
verfahren den Zusammenhang zu den Daten des IAB-Betriebspanels herstellen zu können,<br />
wurden bei einigen Fragen zu den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der<br />
Betriebe (Geschäftsvolumen, Investitionen, Art des Betriebes und Rechtsform) soweit wie<br />
möglich die Formulierungen an die des Betriebspanels angelehnt.<br />
3.4 Vorbereitung und Durchführung der Befragung<br />
Vor Beginn der Befragung erhielten alle Firmen ein Anschreiben, in dem sie über die Inhalte<br />
der Befragung informiert und um ihre Teilnahme gebeten wurden.<br />
Die Versendung der Ankündigungsbriefe geschah in zwei Wellen, am 29. Juli und am 26.<br />
August, um nicht zuviel Zeit zwischen dem Eingang des Schreibens und dem ersten<br />
Kontaktanruf verstreichen zu lassen. Allerdings ist zu be<strong>für</strong>chten, dass doch zumindest bei<br />
einem Teil der Betriebe, die in der zweiten Welle angeschrieben wurden, der telefonische<br />
Erstkontakt reichlich spät erfolgte. Vermutlich wäre ein Versand in drei Wellen zweckmäßiger<br />
gewesen.<br />
Der eigentlichen Interviewphase ging eine intensive mehrstündige Schulung der Interviewer<br />
voraus, in deren Verlauf die Interviewer mit dem Ziel der Untersuchung, mit zu erwartenden<br />
Problemen und Möglichkeiten ihrer Bewältigung und mit dem Fragebogen vertraut gemacht<br />
wurden. Insgesamt fanden vier Schulungen statt, wobei ab der zweiten Schulung auch be-<br />
reits im Vorhaben tätige Interviewer über ihre Erfahrungen und typische Rückfragen be-<br />
richteten und auf besonders problemhaltige Fragen hinwiesen. Weiterhin wurde großer Wert<br />
darauf gelegt, dass jeder Interviewer vor seinem ersten Interview den ganzen Fragenbogen<br />
an seinem Interviewplatz durchging. Zusätzlich erhielt jeder Interviewer eine Mappe mit einer<br />
schriftlichen Fassung des Fragebogens, einer Kopie des Anschreibens, Definitionen zu im<br />
Interview verwendeten Begriffen und Antworten auf besonders häufig zu erwartende Rück-<br />
fragen.<br />
Die Interviews dauerten im Durchschnitt 42 Minuten; bei rund 60 Prozent der Interviews lag<br />
die Dauer zwischen 33 und 53 Minuten. Das längste Interview beanspruchte 128 Minuten,<br />
das kürzeste vollständige Interview lediglich 14 Minuten.<br />
34
Abbildung 2: Ankündigungsbrief<br />
An die Firma XXX<br />
z. Hd. der Geschäftsführung <strong>Halle</strong>, den….<br />
Befragung zur Kompetenzentwicklung in Unternehmen: Voraussetzungen und Formen<br />
hier: Vereinbarung eines Interviewtermins<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Einleitung<br />
über den Unternehmenserfolg entscheiden häufig die Kompetenzen der Mitarbeiter. In welchen unter-<br />
schiedlichen Formen in Betrieben die Kompetenzen der Mitarbeiter genutzt werden, unter welchen<br />
Voraussetzungen sie in Betrieben entstehen und welche künftigen Trends sich schon heute<br />
abzeichnen, ist aber – gerade aus Unternehmensperspektive – zu wenig bekannt. Das Bundes-<br />
ministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung (BMBF) hat deshalb das <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong><br />
e.V. an der Martin-Luther-Universität <strong>Halle</strong>-Wittenberg mit einer Unternehmensbefragung beauftragt.<br />
Zu den nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Firmen zählt auch Ihr Betrieb.<br />
In den nächsten Tagen wird Sie ein Mitarbeiter des <strong>Zentrum</strong>s anrufen, um Ihre Zustimmung zu einem<br />
Interview einzuholen und einen passenden Termin zu vereinbaren. Selbstverständlich ist die Teil-<br />
nahme freiwillig.<br />
Der Fragebogen ist so aufgebaut, dass die Fragen von einem Mitglied der Geschäftsführung, dem<br />
Personalleiter oder einem seiner Mitarbeiter ohne Vorbereitung beantwortet werden können. Hilfreich<br />
<strong>für</strong> das Telefoninterview wäre es auch, wenn eine Aufgliederung der Belegschaft nach Qualifikation<br />
und Geschlecht vorbereitet ist.<br />
Wegen der Wichtigkeit des Themas bitten wir Sie dringlich, uns mit Ihren Erfahrungen und Ihrem<br />
Sachverstand zu helfen. In der Hoffnung, dass Sie es möglich machen, dass Ihr Unternehmen sich an<br />
der Befragung beteiligt, verbleiben wir mit freundlichen Grüßen<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Burkart Lutz Dr. Martin Brussig<br />
Forschungsdirektor des zsh Projektleiter<br />
P.S. Entsprechend den geltenden gesetzlichen und wissenschaftsethischen Regeln werden alle<br />
Angaben, die Sie uns machen, ausschließlich anonym verwendet. Wie wir dies sicherstellen, können<br />
Sie dem beiliegenden Informationsblatt zum Datenschutz entnehmen.<br />
Nicht zuletzt wegen der erheblichen Schwierigkeiten, die es bereitete, einen Termin mit<br />
einem wirklich kompetenten Vertreter des Betriebes zu vereinbaren, dauerte die Interview-<br />
phase – von Anfang August bis Mitte Dezember – 21 Wochen.<br />
35
4 Brutto- und Netto-Stichprobe – Wie repräsentativ sind<br />
die Befragungsergebnisse?<br />
Aus den 7.296 Adressen der Bruttostichprobe II konnten insgesamt 1.826 Interviews reali-<br />
siert werden. 5.187 Unternehmen verweigerten die Teilnahme am Interview. Weitere 251<br />
Betriebe hatten zwar grundsätzlich ihre Bereitschaft zum Interview erklärt, konnten dann<br />
aber nicht mehr befragt werden, da die Feldarbeit wegen der unmittelbar bevorstehenden<br />
Festtage Mitte Dezember beendet werden musste.<br />
Damit wurde eine Ausschöpfungsquote von 25,0 Prozent der Bruttostichprobe II erreicht, ein<br />
Wert, der bei Betriebsbefragungen häufig verfehlt und nur selten überschritten wird. Die<br />
Antwortquoten von Unternehmensbefragungen variieren bekanntlich sehr stark; 6 wichtige<br />
Einflussgrößen sind insbesondere die <strong>für</strong> die Betriebe mehr oder weniger bedeutsame<br />
Thematik, das Erhebungsinstrument, wobei schriftliche Befragungen die weitaus niedrigste<br />
Ausschöpfungsquote erreichen, sowie die Dauer des Interviews und der Umfang des Fra-<br />
genkataloges.<br />
Zu berücksichtigen ist, dass im Zuge der Datenbereinigung noch weitere 38 Betriebe aus<br />
dem Datensatz der Nettostichprobe eliminiert werden mussten, unter anderem, weil sich an-<br />
hand der Interviewergebnisse zeigte, dass sie nicht zur Stichprobe gehörten.<br />
Die bereinigte Nettostichprobe umfasste also 1.788 realisierte Interviews.<br />
Damit stellt sich die Frage, wie repräsentativ die bereinigte Nettostichprobe ist: Kann<br />
ausgeschlossen werden, dass durch die Ausfälle – vor allem wegen unzutreffender Adres-<br />
sen, weil der Betrieb nicht mehr existierte oder weil das Interview verweigert wurde – deut-<br />
liche Veränderungen in der Zusammensetzung der Stichproben bewirkt wurden? Müssen<br />
nicht selektive Effekte von Verweigerung in dem Sinne be<strong>für</strong>chtet werden, dass Betriebe<br />
ohne nennenswerte Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung sehr viel<br />
häufiger kein Interesse an einem Interview zu dieser Thematik hatten? Ist es statistisch zu-<br />
lässig, die Ergebnisse der Befragung nach Umgewichtung zum Ausgleich der größenbe-<br />
dingten Schichtung auf die Gesamtheit der Betriebe hochzurechnen, die der Definition der<br />
Bruttostichprobe entsprechen?<br />
Es gibt recht gute Gründe <strong>für</strong> die Annahme, dass diese Fragen Alles in Allem deutlich positiv<br />
zu beantworten sind. Diese Gründe ergeben sich vor allem aus einem Vergleich der oben<br />
definierten drei Stichproben: Bruttostichprobe I mit 8.688 Betrieben, <strong>für</strong> die Telefonnummern<br />
ermittelt werden konnten, Bruttostichprobe II mit 7.268 Betrieben, die zum Befragungs-<br />
6 So erreichte eine schriftliche Unternehmensbefragung zum Shared-Service-Ansatz im Personalbereich 2002<br />
einen Rücklauf von 4 Prozent. Wißkirchen, F. (2002): Shared Service Center im Personalbereich. In: HR<br />
Services, H. 6, S. 37-40.<br />
Bei der Erstbefragung des IAB-Betriebspanel wurde eine Rücklaufquote von 66 Prozent erzielt. In: Das IAB-<br />
Betriebspanel – Testphase im Jahr 1992. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Sonderdruck,<br />
S. 399-422.<br />
Eine telefonische Unternehmensbefragung zur betrieblichen Erstausbildung erreichte eine als sehr hoch zu<br />
betrachtende Ausschöpfungsquote von 43 Prozent. Grünert, H.; Lutz, B.; Wiekert, I. (2002): Betriebliche<br />
Erstausbildung in Sachsen-Anhalt. Forschungsberichte aus dem zsh 02-3.<br />
36
Einleitung<br />
zeitpunkt noch tatsächlich existierten und um ein Interview gebeten werden konnten, und<br />
Nettostichprobe mit 1.826 interviewten Betrieben. Für diese drei Stichproben können sowohl<br />
die Größenstruktur nach 7 Betriebsgrößenklassen (Tabelle 3) wie ihre Verteilung auf 14<br />
Wirtschaftszweige (Tabelle 4) und auf alte und neue Bundesländer geprüft werden.<br />
Sicherlich sind beim Vergleich zwischen den beiden Bruttostichproben sowie zwischen<br />
Bruttostichprobe II und der Nettostichprobe leichte Verschiebungen in den Anteilen der<br />
Größenklassen unübersehbar: Die Ausfälle sind am größten bei der kleinsten Betriebs-<br />
größenklasse, deren Anteil an der Nettostichprobe deutlich niedriger liegt als ihr Anteil an der<br />
Bruttostichprobe II, was wahrscheinlich sowohl auf höhere Mortalität sehr kleiner Betriebe<br />
wie auf deren geringere Bereitschaft zu einem Interview zurückzuführen ist. Hingegen steigt<br />
vor allem bei der Gegenüberstellung von Bruttostichprobe II, also aller Betriebe, deren Tele-<br />
fonnummer ermittelt werden konnte, und der Nettostichprobe aller realisierten Interviews der<br />
Anteil der größeren Betriebe deutlich an, wo es offenkundig besser gelang, einen kompe-<br />
tenten Interviewpartner zu gewinnen. Der Anteil der Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten<br />
beträgt in der Bruttostichprobe II lediglich 21,6 Prozent, in der Nettostichprobe hingegen 25,1<br />
Prozent.<br />
Doch sind diese Verschiebungen alles in allem nicht bedeutend, zumal der Anteil der<br />
mittleren und größeren Betriebe aus Gründen, die bereits genannt wurden, in der stark nach<br />
Größenklassen geschichteten Bruttostichprobe wesentlich höher liegt als in den<br />
Auswertungstabellen, in denen die beabsichtigten Schichtungseffekte durch Umgewichtung<br />
wieder rückgängig gemacht wurden.<br />
Tabelle 3: Brutto- und Nettostichproben nach Größenklassen<br />
Größenklasse<br />
Stichproben<br />
Brutto I Brutto II Netto<br />
(Beschäftigte) Prozent Prozent Prozent<br />
5 – 9 8,3 7,9 7,0<br />
10 – 19 4,0 3,9 4,4<br />
20 – 49 25,0 24,6 23,5<br />
50 – 99 21,7 21,8 18,8<br />
100 – 199 19,6 20,2 21,4<br />
200 – 499 15,9 16,1 18,7<br />
500 – 999 5,5 5,5 6,4<br />
Gesamt 100 100 100<br />
Nicht sehr viel anders ist das Bild, wenn man in Tabelle 4 die Verteilung der Stichproben auf<br />
vierzehn Wirtschaftszweige betrachtet.<br />
Während bei der Mehrzahl der Wirtschaftszweige die Anteile an den beiden Brutto- und an<br />
der Nettostichprobe kaum variieren, sind bei einigen Wirtschaftszweigen nicht unerhebliche<br />
Unterschiede zwischen den Anteilswerten in der Bruttostichprobe II (alle noch existierenden<br />
Betriebe mit zutreffender Telefonnummer) und in der Nettostichprobe zu verzeichnen. Diese<br />
37
Unterschiede müssen vor allem als Ausdruck eines branchenspezifisch positiven oder<br />
negativen Teilnahmeverhaltens an der Befragung gewertet werden.<br />
Deutlich stärker als die gesamte Stichprobe haben sich an der Befragung vor allem Betriebe<br />
aus den drei Dienstleistungsbranchen Kredit- und Versicherungswesen, Gesundheits- und<br />
Sozialdienste sowie DV und sonstige Dienste beteiligt. Diese Wirtschaftsbereiche stellten<br />
31,8 Prozent der beiden Bruttostichproben, hingegen 40,1 Prozent der Nettostichprobe.<br />
Deutlich schwächer ist hingegen die Beteiligung der Betriebe in den beiden Wirtschafts-<br />
zweigen des Baugewerbes sowie des Handels (einschließlich Reparatur). Sie stellen nur<br />
19,0 Prozent aller befragten Betriebe, während ihr Anteil an den Bruttostichproben bei rund<br />
26 Prozent lag.<br />
Diese positiven oder negativen Abweichungen vom Gesamtbild der Stichprobe müssen bei<br />
Überlegungen zur Repräsentativität der Befragungsergebnisse berücksichtigt werden, zumal<br />
Kredit- und Versicherungswesen sowie Gesundheits- und Sozialdienste, wie sich in den<br />
folgenden Kapiteln noch zeigen wird, ein recht hohes Niveau an Aktivitäten der Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung aufweisen, während dieses Niveau in Betrieben der<br />
Bauwirtschaft und des Handels eher unter dem Durchschnitt liegt.<br />
Tabelle 4: Brutto- und Nettostichproben nach Wirtschaftszweigen<br />
38<br />
Stichproben<br />
Brutto I Brutto II Netto<br />
Wirtschaftszweige Prozent Prozent Prozent<br />
Landwirtschaft 1,6 1,5 2,2<br />
Bergbau, Energie 1,3 1,1 1,5<br />
Nahrung, Genuss 3,3 3,5 3,1<br />
Textil, Bekleidung 4,8 5,0 5,0<br />
Chemische Industrie 6,4 6,7 6,4<br />
Metallindustrie 12,2 12,9 12,2<br />
Baugewerbe 8,1 7,9 6,0<br />
Handel und Reparatur 18,1 18,0 13,0<br />
Verkehr, Nachrichten 4,8 4,3 4,0<br />
Kredit, Versicherung 3,8 3,7 4,8<br />
Gastgewerbe 5,1 4,8 3,7<br />
Gesundheit + Soziales 13,3 13,5 19,0<br />
Entsorgung 2,6 2,6 3.0<br />
DV, sonstige Dienste 14,7 14,6 16,3<br />
Gesamt 100 100 100<br />
Doch ist es wenig wahrscheinlich, dass hierdurch größere Verzerrungen der Ergebnisse<br />
verursacht werden, die deutlich über gewisse Nuancen und Akzentverschiebungen hinaus-<br />
gehen.
Einleitung<br />
Hinzu kommt, dass sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Teil dieses scheinbaren Branchen-<br />
effektes bei der Teilnahme an der Befragung aus Unterschieden zwischen West und Ost<br />
erklärt. Die Teilnahmequote lag in den – wie oben gezeigt in der Stichprobendefinition<br />
bewusst überquotierten – ostdeutschen Betrieben mit 29,3 Prozent deutlich höher als in den<br />
alten Bundesländern, in denen sich insgesamt nur 23,0 Prozent aller Betriebe der Brutto-<br />
stichprobe II an der Befragung beteiligten, ohne dass sich dies allerdings in systematisch<br />
anderen Antwortverteilungen niederschlagen würde.<br />
Alles in Allem ist es also wenig wahrscheinlich, dass sich die befragten Betriebe in ihrem<br />
Weiterbildungsverhalten und in den Formen der Kompetenzentwicklung systematisch und<br />
gravierend von der Mehrzahl der angesprochenen Betriebe unterscheiden würden, die nicht<br />
zu einem Interview bereit waren. Auch die Tatsache, dass kaum Betriebe befragt wurden, die<br />
über keine Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter<br />
berichten, darf nicht in diesem Sinne interpretiert werden. Vielmehr weisen auch die<br />
Ergebnisse aus dem IAB-Betriebspanel, trotz Unterschieden im Detail, in die gleiche<br />
Richtung. Denkbar ist allenfalls, dass es bei sehr kleinen und kleinen Betrieben zu einer<br />
gewissen Überrepräsentanz von Betrieben mit größerer Weiterbildungsaktivität kommt. Dies<br />
würde jedoch an der Grundtendenz der in den folgenden Teilen dargestellten Ergebnisse nur<br />
wenig ändern.<br />
5 Status und Struktur des Berichtes, beteiligte Wissenschaftler<br />
5.1 Die Berichtsstruktur<br />
Der hiermit vorgelegte Bericht, der die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung darstellt,<br />
gliedert sich in vier Teile ungleicher Länge, in denen jeweils ein in sich abgeschlossenes<br />
Segment der Befragungsergebnisse präsentiert und zumindest in Ansätzen kommentiert und<br />
analysiert wird, und <strong>für</strong> die jeweils ein oder zwei Autoren verantwortlich sind.<br />
In Teil A stellen Thomas Ketzmerick und Ingo Wiekert, die sich <strong>für</strong> eine begrenzte Zeit dem<br />
Vorhaben assoziierten, Ergebnisse der Sekundäranalyse des IAB-Betriebspanels dar, die –<br />
als Arbeitspaket I – dazu diente, den aktuellen Kenntnisstand zur betrieblichen Weiterbildung<br />
aufzuarbeiten und eine solide Grundlage <strong>für</strong> die Definition der Stichprobe der Breiten-<br />
erhebung zu schaffen. Diese Analysen und ihre Umsetzung in die Stichprobendefinition<br />
verdanken vieles der methodischen Kompetenz von Gerald Prein, der sich beratend und<br />
unterstützend am Projekt beteiligte.<br />
In dem umfangsreichsten Teil B hat sich Burkart Lutz die Aufgabe gestellt, in insgesamt vier<br />
Kapiteln die Antworten auf die Fragen aufzubereiten und auszuwerten, die sich auf Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung des Betriebes insgesamt und ohne Bezug zu einem<br />
konkreten Anlass richten. Während die beiden ersten Kapitel dieses Teils eindeutig<br />
deskriptiven Charakter tragen, wird in den beiden weiteren Kapiteln anhand einer aus<br />
Clusteranalysen gewonnenen Typologie betrieblicher Weiterbildung und informellen Lernens<br />
39
und mit Hilfe mehrerer Hypothesen eine erste analytische Aufbereitung des Datenmaterials<br />
versucht.<br />
In Teil C stellt Susanne Winge ein Bündel von Antworten vor, in denen sich Innovationen<br />
und Veränderungsprozesse der Betriebe, der hiermit gegebenenfalls verbundene Kompe-<br />
tenzbedarf und betriebliche Maßnahmen zu dessen Deckung abbilden. Auch dieser Teil ist<br />
zwar vorrangig deskriptiv angelegt, nutzt jedoch, wie Teil B, eine typologische Analyse des<br />
Innovationsgeschehens in den befragten Betrieben, die sich gleichfalls auf eine Clusterung<br />
der befragten Betriebe stützt.<br />
Als weiteres Ereignis, an dem sich betriebliche Problemlagen und betriebliches Handeln<br />
konkret erfassen und darstellen lassen, hatte der Fragebogen Neueinstellungen vorgesehen.<br />
In Teil D berichtet Silvio Buchheim über die Antworten auf die entsprechenden Fragen – zur<br />
Suche nach einem neuen Mitarbeiter, zu Erwartungen und Anforderungen an seine Eigen-<br />
schaften und Kompetenzen und zur Einarbeitung der Neuen, soweit diese über eine bloße<br />
Einweisung am neuen Arbeitsplatz hinausgeht.<br />
5.2 Zum Status dieses Berichts<br />
Die Kapitel der vier Berichtsteile wollen und sollen in erster Linie soziographischen Charakter<br />
tragen. Diese überwiegend deskriptive Anlage des Berichts ergibt sich aus seiner<br />
vorrangigen Aufgabe, ein sehr komplexes und zumindest in wichtigen Teilen innovatives Da-<br />
tenmaterial zu sichern, zu dokumentieren und <strong>für</strong> vertiefte Analysen durch die Autoren oder<br />
auch durch andere Wissenschaftler bereitzustellen.<br />
Damit sind, wie eben gesagt, erste stärker analytische Arbeitsschritte, vor allem in den Teilen<br />
B und C keineswegs ausgeschlossen. Doch bleibt noch einiges zu tun, wenn man den<br />
potentiellen Erkenntnisertrag der Daten und Befunde einigermaßen ausschöpfen will, wes-<br />
halb <strong>für</strong> die jetzt vorgelegte Ergebnisdarstellung bewusst die weniger anspruchsvolle Form<br />
eines Forschungsberichtes statt eines Buches gewählt wurde.<br />
Zwei Aufgaben erscheinen in dieser Perspektive besonders wichtig und dringlich:<br />
Die eine Aufgabe besteht in der Zusammenführung und gemeinsamen Analyse der beiden<br />
vom <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> <strong>Halle</strong> und von SOFI Göttingen zu verantwortenden<br />
Teiluntersuchungen. Mit dieser Aufgabe konnte, aus Gründen die hier nicht zur Debatte<br />
stehen, noch vor Abschluss der Förderung nicht mehr ernsthaft begonnen werden. So<br />
müssen die stark formalisierten Ergebnisse der Breitenerhebung des <strong>Zentrum</strong>s <strong>für</strong> Sozial-<br />
forschung und die sehr viel stärker ins Detail betrieblicher Strukturen und Politiken eindrin-<br />
genden Fallstudien der Göttinger Kollegen bis auf weiteres weitgehend unverbunden neben-<br />
einander stehen bleiben.<br />
Die andere Aufgabe ist analytisch-konzeptioneller Art. Ein beträchtlicher Teil dessen, was an<br />
notwendiger, stärker auf einzelne Fragen, Hypothesen oder Diskussionszusammenhänge<br />
oder politisch-gesellschaftspraktische Perspektiven bezogener Verarbeitung des Befra-<br />
gungsmaterials <strong>für</strong> den kundigen Leser an sich auf der Hand liegt, ist noch zu leisten. Das<br />
40
Einleitung<br />
<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> hat Grund <strong>für</strong> die Hoffnung, dass es bald gelingen wird, hier<strong>für</strong><br />
Fördermöglichkeiten zu erschließen.<br />
5.3 Beteiligte Wissenschaftler<br />
Außer den Mitarbeitern des <strong>Zentrum</strong>s <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong>, die mit einen namentlich gezeich-<br />
neten Beitrag im Forschungsbericht erscheinen, haben mehrere Kollegen und Kolleginnen<br />
während mehr oder minder langer Zeit am Vorhaben mitgearbeitet, die hier dankend zu<br />
nennen sind.<br />
An erster Stelle gilt dies <strong>für</strong> Martin Brussig, der weitreichende Verantwortung bei der<br />
Beantragung und Vorbereitung des Projekts übernommen hatte und aktiv, zumeist feder-<br />
führend, an der Konzeption der Untersuchung, an der Erarbeitung des Fragebogens, an der<br />
Durchführung der Befragung und der Datensatzbereinigung sowie an ersten Auswertungs-<br />
schritten mitwirkte.<br />
Sein Ausscheiden aus dem zsh und aus dem laufenden Vorhaben warf Probleme auf, die<br />
nicht ganz einfach zu lösen waren.<br />
Die Mitarbeit von Gerald Prein konzentrierte sich zunächst auf die Auswertungen des IAB-<br />
Panels, die Konzeption und Konstruktion der Stichprobe und die Begleitung und Überwa-<br />
chung der Stichprobenziehung. Er war weiterhin maßgeblich an der Konstruktion des<br />
Fragebogens beteiligt. Seiner hohen statistisch-methodischen Kompetenz verdankt das Vor-<br />
haben wesentliche Unterstützung bei typologischen Analysen.<br />
Heike Meier übernahm im Rahmen des Vorhabens verschiedene inhaltliche Aufgaben, ins-<br />
besondere bei der Aufbereitung und Auswertung der Breitenerhebung. Sie war vor allem ver-<br />
antwortlich <strong>für</strong> die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung der Fachtagung zur Er-<br />
gebnispräsentation.<br />
Und last but not least gilt unser Dank Christian Koll und Christina Buchwald, den beiden Cati-<br />
Betreuern, die in dieser Aufgabe maßgeblich zum Gelingen der telefonischen Befragung<br />
beigetragen haben.<br />
<strong>Halle</strong>, im Sommer 2005 Burkart Lutz und Susanne Winge<br />
41
Literatur<br />
Baethge, M.; Baethge-Kinsky, V. (1998): Der implizite Innovationsmodus: Zum<br />
Zusammenhang von betrieblicher Arbeitsorganisation, human resources development und<br />
Innvoation. In: Lehner u.a., S. 99-154.<br />
Baethge, M.; Baethge-Kinsky, V. (2000): Das deutsche Produktions- und Ausbildungsmodell<br />
am Scheideweg: Zur Veränderung von (betrieblichen) Arbeitsstrukturen und Strategien<br />
des Human Resource Development: Qualifikationswandel und Kompetenzmanagement.<br />
(Ms.)<br />
Baethge-Kinsky, V.; Hartwig, Th. (2000): Kompetenzentwicklung als Transformation der<br />
betrieblichen Sozialorganisation. In: QUEM (Hg.): Kompetenzen entwickeln –<br />
Veränderungen gestalten. Edition QUEM, Band 13. Berlin; Münster.<br />
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toward a unified view of working, learning and innovation. In: Organization Science, 2 (1),<br />
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europäischen und amerikanischen Halbleiterhersteller in den 90er Jahren. In: SOFI-<br />
Mitteilungen Nr. 28, Göttingen, S. 7ff.<br />
Dehnbostel, P.; Novak, H. (1999): Einleitung: Zur Aktualität, Problematik und Einordnung des<br />
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Erfahrungslernen in der beruflichen Bildung – Beiträge zu einem kontroversen Konzept.<br />
Neusäß, S. 6-22.<br />
DiMaggio, P.J.; Powell, W.W. (1983): The Iron Cage Revisited: Institutional Isomorphism and<br />
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Facharbeiter und Ingenieur. Frankfurt; New York.<br />
Faust, M.; Holm, R. (2001): Formalisierte Weiterbildung und informelles Lernen. In: QUEM –<br />
Report 69.<br />
Fischer, M. (1999): Arbeitsprozeßwissen als Gegenstand des Lernens in berufsbildenden<br />
Schulen. In: Dehnbostel, P.; Markert, W.; Novak, H. (Hg.): Workshop Erfahrungslernen in<br />
der beruflichen Bildung – Beiträge zu einem kontroversen Konzept. Neusäß. S. 100-120.<br />
Frieling, E. (1997): Perspektiven und Potentiale neuer Arbeitsformen. In Frieling, E. (Hg.):<br />
Automobilmontage in Europa. Frankfurt, Main, S.273-295.<br />
Gerst, D. (1998): Selbstorganisierte Gruppenarbeit. Gestaltungschancen und<br />
Umsetzungsprobleme. Eschborn.<br />
Kalkowski, P.; Mickler, O.; Manske, F. (1995): Technologiestandort Deutschland –<br />
Produktinnovation im Maschinenbau. Traditionelle Stärken – neue Herausforderungen.<br />
Berlin.<br />
19
Einleitung<br />
Kommission <strong>für</strong> Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996):<br />
Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Entwicklung, Ursachen und<br />
Maßnahmen, Teil I. Bonn.<br />
Lave, G.; Wenger, E. (1991): Situated Learning. Legitimate Peripheral Participation. New<br />
York.<br />
Lehner, F.; Baethge, M.; Kühl, J.; Stille, F. (1998)(Hg.): Beschäftigung durch Innovation: Eine<br />
Literaturstudie. München, Mering.<br />
McKeown, T.J. (1999): The Global Economy, Post-Fordism, and Trade Policy in Advanced<br />
Capitalist States. Kitschelt, H.; Lange, P.; Marks, G.; Stephens, J.D. (ed.): Continuity and<br />
Change in Contemporary Capitalism. Cambridge University Press.<br />
QUEM (Hg.): Kompetenzen entwickeln – Veränderungen gestalten. Edition QUEM, Band 13.<br />
Berlin; Münster.<br />
Schöni, W. (1999): Personalförderung und Macht im betrieblichen Sozialsystem. In: Schöni,<br />
W.; Sonntag, K. (Hg.): Personalförderung im Unternehmen. Bildung, qualifizierende Arbeit<br />
und Netzwerke <strong>für</strong> das 21. Jahrhundert. Chur, Zürich. S. 27-45.<br />
Schumann, M.; Baethge-Kinsky, V.; Kuhlmann, M.; Kurz, C. (1994): Trendreport<br />
Rationalisierung. Automobilindustrie, Werkzeugmaschinenbau, Chemische Industrie.<br />
Berlin.<br />
Siebeck, F. (1999): Zur Arbeitserfahrung als berufsdidaktisches Ziel und Mittel von<br />
Lernprozessen. In: Dehnbostel, P.; Markert, W.; Novak, H. (Hg.): Workshop<br />
Erfahrungslernen in der beruflichen Bildung – Beiträge zu einem kontroversen Konzept.<br />
Neusäß, S. 84 –99.<br />
Staudt, E.; Kriegesmann, B. (1999): Weiterbildung: Ein Mythos zerbricht. Der Widerspruch<br />
zwischen. überzogenen Erwartungen und Mißerfolgen der Weiterbildung. In:<br />
Kompetenzentwicklung 99. Aspekte einer neuen Lernkultur. Argumente, Erfahrungen,<br />
Konsequenzen. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Qualifikations – Entwicklungs –<br />
Management. Berlin, S.17-59.<br />
Wittke, V. (1995): Wandel des deutschen Produktionsmodells: Beschleunigen oder<br />
Umsteuern? In: Soziologisches Forschungsinstitut (Hg.), Im Zeichen des Umbruchs.<br />
Beiträge zu einer anderen Standortdebatte. Opladen, S. 109–124.<br />
Zukunftskommission der Friedrich-Ebert-Stiftung (1998): Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit,<br />
sozialer Zusammenhalt, ökologische Nachhaltigkeit. Drei Ziele – ein Weg. Bonn.<br />
43
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Teil A<br />
Untersuchungsfeld und Stichprobe. Ergebnisse der<br />
Sekundäranalyse des IAB-Betriebspanels<br />
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse der Sekundäranalyse des IAB-Betriebspanels<br />
vorgestellt, die einen grundlegenden Bestandteil des Arbeitspaketes I des Projektes bilden.<br />
Die Analyse hatte zum einen die Aufarbeitung des aktuellen Kenntnisstands zur betrieblichen<br />
Weiterbildung und ihrer Bestimmungsfaktoren zum Ziel und zum anderen die Definition der<br />
Stichprobe <strong>für</strong> die Breitenerhebung des Arbeitspaketes II des Forschungsvorhabens.<br />
Das IAB-Betriebspanel ist eine repräsentative Befragung des Instituts <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und<br />
Berufsforschung (IAB) von Arbeitgebern (mit mindestens einem sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigtem) zu betrieblichen Bestimmungsgrößen der Beschäftigung. Die Befragung wird<br />
seit 1993 jährlich bei einer großen Stichprobe, deren Grundgesamtheit die Betriebe der<br />
Betriebsdatei der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit bilden, in Deutschland durchgeführt. Erhebungs-<br />
einheit ist folglich der Betrieb und nicht das Unternehmen als wirtschaftlich-rechtliches<br />
Aggregat. 7<br />
Die Darstellung beginnend soll noch einmal auf die ermittelten, bereits in der Einleitung (vgl.<br />
Punkt 2.3) skizzierten (1.) Weiterbildungstypen eingegangen werden. In einem weiteren<br />
Schritt (2.) werden die einzelnen Typen anhand verschiedener betriebsstruktureller Merk-<br />
male näher umrissen. Das Hauptaugenmerk des daran anschließenden Arbeitsschrittes liegt<br />
auf der Beschreibung des Feldes mit den im IAB-Betriebspanel gebildeten (3.) Indikatoren<br />
(d.h. den vermuteten input- und output-Faktoren wie Betriebsgröße, Personalstruktur und -<br />
probleme, Innovationen, Investitionen, Mobilität) <strong>für</strong> Kompetenzentwicklung in Unternehmen<br />
und der explorativen Analyse der Zusammenhänge zwischen diesen Faktoren und dem<br />
betrieblichen Weiterbildungsverhalten. Abschließend werden die sich ergebenden (4.) Kon-<br />
sequenzen <strong>für</strong> die Stichprobenziehung erläutert, die in ihrer Gesamtschau zu der (5.)<br />
Entscheidung über die Stichprobenziehung führten.<br />
Im IAB-Betriebspanel ist die organisierte (formalisierte) Weiterbildung relativ deutlich abge-<br />
bildet. Die Formen der informellen Weiterbildung sind dagegen jedoch unterrepräsentiert,<br />
obwohl im Panel sowohl formalisierte als auch arbeitsintegrierte Formen der Weiterbildung<br />
abgefragt werden. Aufgrund der Frageabfolge und Filterführung werden diese Fragen aber<br />
nur Betrieben gestellt, die betriebliche Weiterbildung finanziell oder durch Freistellung<br />
„im letzten Halbjahr“ des Erhebungsjahres „förderten“. Unternehmen, die sich auf<br />
7 Vgl. dazu Bellmann, Lutz; Kohaut, Susanne; Lahner, Manfred; (2002): Das IAB-Betriebspanel – Ansatz und<br />
Analysepotenziale. In: Kleinhenz, Gerhard; (Hg.): IAB-Kompendium Arbeitsmarkt und Berufsforschung. Beiträge<br />
zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung; BeitrAB 250, S. 13-20; hier besonders S. 14f.<br />
44
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
arbeitsintegrierte Formen der Kompetenzentwicklung beschränken, ohne sie explizit zu<br />
fördern, erscheinen somit als „Nicht-Weiterbildner“, sind aber genauer betrachtet „Nicht-<br />
Förderer“ von Weiterbildung. Die Gründe <strong>für</strong> Nicht-Weiterbildung wurden erfasst und ebenso<br />
in der Sekundärauswertung berücksichtigt.<br />
Durch die Konzentration auf die durch den Betrieb geförderte Weiterbildung erfasst das IAB-<br />
Betriebspanel schwerpunktmäßig die Inputfaktoren von Kompetenzentwicklung. Wie jedoch<br />
zu zeigen ist, können zur Analyse und Beurteilung betrieblicher Kompetenzentwicklung auch<br />
die Ergebnisse der Entfaltung von Qualifikation und Handlungsfähigkeit der Beschäftigten,<br />
also die Outputfaktoren, herangezogen und somit das neue, weiter gefasste Verständnis von<br />
Kompetenzentwicklung klarer umrissen werden. Die sogenannten Outputfaktoren beziehen<br />
sich zum einen auf Kompetenzentwicklung, verstehen hier Kompetenzentwicklung also als<br />
das Ergebnis eines (Lern-)Prozesses, zum anderen beziehen sie sich auf Variablen, die als<br />
Ergebnis von Kompetenzentwicklung interpretiert werden, so z.B. Investitionen in neue<br />
Datenverarbeitungsanlagen, deren Bedienung erlernt werden muss.<br />
1 Weiterbildungstypen<br />
Ausgangspunkt <strong>für</strong> die Sekundärauswertung des IAB-Betriebspanels war die Bildung von<br />
Weiterbildungstypen bzw. Nicht-Weiterbildungstypen auf der Basis des Fragekomplexes zur<br />
Weiterbildung (korrekt: Weiterbildungsförderung im 1. Halbjahr des Erhebungsjahres) und<br />
den Gründen <strong>für</strong> Nicht-Weiterbildung. Für die Auswertungen wurden nach Durchsicht der<br />
Fragebögen 8 die Befragungswellen der Jahre 1997, 1998 und 1999 vorgesehen. In der 98er<br />
Welle sind die Innovations-Variablen erhoben worden; die anderen beiden Jahrgänge ent-<br />
halten die Weiterbildungs- bzw. Nicht-Weiterbildungsvariablen und sind etwa gleichwertig:<br />
D.h. die Unterschiede in den Randverteilungen sind marginal. 9 Aus diesem Grund wurde <strong>für</strong><br />
den Einstieg in die Auswertung lediglich die 97er Welle verwendet. Für die Durchführung der<br />
weiteren Analyseschritte wurden Dateien der Erhebungsjahre 1997 und 1999 zusammen-<br />
gefügt („file matching“). Diese "integrierte Datei" erlaubt Analysen von Entwicklungsver-<br />
läufen. Soweit diese vorgenommen wurden, hat sich eine hohe Stabilität des Weiterbildungs-<br />
verhaltens und insbesondere der Typen von Weiterbildung gezeigt.<br />
Ausgehend von den in den einzelnen Befragungswellen betrachteten Schwerpunkte und den<br />
aufgrund der Filterung verbundenen Restriktionen der Datenerfassung sind folgende Arbeits-<br />
hypothesen gebildet worden:<br />
1) Wenn formalisierte Weiterbildung im Unternehmen betrieben wird, findet damit auch (eine<br />
spezifische Form von) Kompetenzentwicklung im Betrieb statt. Eine Weiterbildungsaktivität<br />
im Betrieb zeugt somit von Kompetenzentwicklungsbedarf des Betriebes.<br />
8 Vgl. IAB-Betriebspanel. Fragebögen 1993-2002; Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg 2003.<br />
9 Vgl. Codebook zum IAB-Betriebspanel; Internationales Institut <strong>für</strong> Empirische Sozialökonomie (INIFES) und<br />
Institut <strong>für</strong> Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Stadtbergen, Nürnberg 1999 (Vorabdruck).<br />
45
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
2) Wenn keine formalisierte Weiterbildung in Betrieben mit Weiterbildungsbedarf 10 stattfindet,<br />
ist das eventuell ein Indikator <strong>für</strong> (informelle) Kompetenzentwicklung im Betrieb – oder in der<br />
Umkehrung:<br />
3) Wenn Betriebe mit Weiterbildungsbedarf keine formalisierte Weiterbildung praktizieren,<br />
findet eventuell auch keine Kompetenzentwicklung statt.<br />
Tabelle 1 listet die Items der Weiterbildungsfragebatterie im Betriebspanel mit den einzelnen<br />
Formen der erfolgten Weiterbildung bzw. den Gründen, warum keine Weiterbildung im<br />
Betrieb stattfand, auf und zeigt die Zuordnung zu den Weiterbildungstypen.<br />
Tabelle 1: Bildung der Weiterbildungstypen und Anteil des jeweiligen Typs an allen<br />
Betrieben<br />
Items: Art der WB-Maßnahme 11 (laut<br />
Betriebspanel, außer formale Kurse)<br />
Job-Rotation oder<br />
selbstgesteuertes Lernen oder<br />
Qualitäts-/Werkstattzirkel<br />
46<br />
aggregierter Weiterbildungstyp<br />
Anteil<br />
(Prozent)<br />
1. Kurse und arbeitsintegriertes Lernen 8,5<br />
keines der obengenannten 2. nur formale Kurse 31,9<br />
Items: Warum keine WB?<br />
WB aus zeitlichen Gründen nicht möglich<br />
oder<br />
keine finanzielle Mittel <strong>für</strong> WB<br />
3. keine WB wegen fehlender<br />
Ressourcen (Zeit/Geld)<br />
alle anderen Gründe <strong>für</strong> keine WB 4. keine WB - Gründe diffus 20,0<br />
Qualifikationsniveau der MA reicht aus<br />
5. keine WB weil Qualifikation der MA<br />
reicht<br />
Summe 100,0<br />
Ein knappes Drittel der befragten Betriebe reiht sich mit seinem Angebot formaler Kurse in<br />
die Riege der „klassischen“ Weiterbildner ein. Dagegen gibt bereits fast jeder zehnte Betrieb<br />
an, auch über andere, arbeitsintegrierte Formen der Weiterbildung zu verfügen – neben den<br />
herkömmlichen Kursen mit Finanzierung oder Freistellung von Mitarbeitern.<br />
Bemerkenswert ist ebenso, dass fast zwei Drittel der Betriebe (59,5 Prozent) angeben, ihre<br />
Mitarbeiter nicht weiterzubilden: Von allen befragten Betrieben konnten sich knapp 15 Pro-<br />
zent keine Weiterbildung aufgrund mangelnder finanzieller wie zeitlicher Ressourcenaus-<br />
stattung (im letzten Halbjahr) leisten. Damit attestiert jeder vierte der nichtweiterbildenden<br />
Betriebe bei sich selbst indirekt ein Wissensdefizit. In dieser Perspektive erscheinen die<br />
Nicht-Weiterbildner, die um diese Defizite wissen, lediglich als ein (kleiner) Bruchteil aller<br />
10 Bei den Betrieben, die als Grund, keine Weiterbildung zu betreiben, den Mangel an Zeit oder Geld angegeben<br />
hatten (statt ausreichender Qualifikation oder fehlendem Interesse der Mitarbeiter), wurde davon ausgegangen,<br />
dass dort in den meisten Fällen ein Weiterbildungsbedarf vorlag, der nicht befriedigt werden konnte.<br />
11 Die Bildung der Typen basiert auf einer reduzierte Korrelationsmatrix: In der Faktoranalyse gingen die Items<br />
„externe Kurse“ und „sonstige Weiterbildung“ nicht ein. „Externe Kurse“ wurden von fast allen Betrieben<br />
angegeben; die anvisierte Dimension von „sonstige Weiterbildung“ ist inhaltlich unklar.<br />
14,7<br />
24,8
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
Nicht-Weiterbildner; jedoch mit dem strategischen Vorteil, sich darauf einstellen zu können,<br />
wenn die Ressourcenausstattung es erlauben würde. Bei allen anderen Betrieben gibt es<br />
dieses Problem bzw. das Problembewusstsein nicht. Bekanntlich ist die Personalarbeit und<br />
die -planung gerade in kleinen Betrieben stark vom betrieblichen Alltagsgeschäft über-<br />
schattet, wenn nicht gar ausgeblendet. Somit liegt die Vermutung nahe, dass auch die Wahr-<br />
nehmung von Wissensdefiziten unter der Belegschaft eine kritische Masse – eine bestimmte<br />
Größe des Betriebes – voraussetzen.<br />
2 Betriebstrukturelle Merkmale<br />
Das soeben knapp skizzierte Bild findet sich in der Tabelle 2 wieder, die die Betriebsgröße<br />
und die Weiterbildungsaktivitäten wiedergibt. Allgemein gilt, dass bei den Betrieben, die nicht<br />
weiterbilden, die kleineren Beschäftiger überdurchschnittlich vertreten sind. Dagegen führt<br />
unter den großen Betrieben nur eine kleine Minderheit keine Weiterbildungsmaßnahmen<br />
durch.<br />
Tabelle 2: Betriebsgröße nach Weiterbildungsaktivitäten (Zeilenprozent)<br />
Größenklasse<br />
1-19<br />
Besch.<br />
20-99<br />
Besch.<br />
100-499<br />
Besch.<br />
500 u.m.<br />
Besch.<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
Weiterbildungstyp<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
weil keine<br />
Zeit/Geld<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht<br />
Gesamt<br />
6,5 29,5 15,5 21,8 26,7 100,0<br />
21,3 53,7 8,8 5,4 10,7 100,0<br />
42,3 49,3 2,3 2,6 3,5 100,0<br />
58,2 39,7 0,5 0,9 0,7 100,0<br />
Gesamt 8,5 31,9 14,7 20,0 24,8 100,0<br />
Die Gruppe, die den Betriebstypus „keine Weiterbildung aufgrund fehlender Ressourcen<br />
(Zeit/Geld)“ repräsentiert, umfasst 14,7 Prozent der Betriebe. Unternehmen, die „keine<br />
Weiterbildung aufgrund fehlenden Bedarfs“ anbieten, stellen immerhin ein Viertel aller Be-<br />
triebe (24,7 Prozent); jeder fünfte Betrieb fällt in die Gruppe des Typs „keine Weiterbildung<br />
aus sonstigen Gründen“.<br />
Der Weiterbildungstyp „Kurse und arbeitsintegriertes Lernen“ ist vor allem unter größeren<br />
Betrieben anzutreffen. Ein knappes Drittel der Betriebe wurde dem Typ „Weiterbildung aus-<br />
schließlich durch formale Kurse“ zugeordnet. Vor allem sehr kleine Betriebe gehören dazu;<br />
mit steigender Betriebsgröße nimmt die Häufigkeit ab.<br />
Weitergehende Analysen haben gezeigt, dass eine Trennung in externe und interne Kurse<br />
keine erkennbaren Unterschiede zwischen den Unternehmen ergibt. Analysiert man die<br />
47
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Verteilung der Weiterbildungstypen in den einzelnen Wirtschaftszweigen, so ist ein Durch-<br />
schlagen des Größeneffektes festzustellen: Vor allem in Branchen mit großen Betrieben<br />
dominieren die Typen mit Weiterbildung, in den Branchen mit kleineren Betriebsgrößen wird<br />
häufiger nicht weitergebildet. Vor diesem Hintergrund wurde dieser Auswertungsstrang <strong>für</strong><br />
die Vorbereitung der Breitenerhebung und die Vorbereitung der Stichprobenziehung nicht<br />
weiter vorangetrieben.<br />
3 Indikatoren <strong>für</strong> Kompetenzentwicklung<br />
3.1 Personalprobleme und Weiterbildungsverhalten<br />
In einem weiteren, explorativen Schritt standen die Fragen nach den Personalproblemen und<br />
deren Zusammenfassung zu drei Problemtypen im <strong>Zentrum</strong>. Diese wurden aus jeweils hoch<br />
korrelierten Items der Personalproblemfragen durch Oder-Verknüpfung gebildet; d.h. ein Be-<br />
trieb brauchte nur eines der Items angegeben zu haben, um dem entsprechenden Typ zuge-<br />
ordnet zu werden, vgl. Tabelle 3.<br />
Insgesamt werden 46,1 Prozent der Betriebe von dieser Typologie erfasst, mehr als die<br />
Hälfte hatte dagegen keine Personalprobleme angegeben. Diese werden aber in den Aus-<br />
wertungen unter der Kategorie „keine Personalprobleme“ mit dargestellt (vgl. Tabelle 4).<br />
Tabelle 3: Bildung der Personalproblemtypen<br />
Items: Personalprobleme (laut Betriebspanel) aggregierter Personalproblemtyp<br />
Personalmangel oder<br />
Nachwuchsmangel oder<br />
Abwanderung von Fachkräften<br />
zu hoher Personalbestand oder<br />
Überalterung<br />
hohe Belastung durch Lohnkosten<br />
mindestens eines aus jeder Gruppe 3. beides<br />
mangelnde Arbeitsmotivation<br />
hohe Fehlzeiten/Krankenstand<br />
48<br />
1. Fachkräftemangel<br />
2. zu viel, zu alt, zu teuer<br />
hoher Krankenstand, geringe Arbeitsmotivation<br />
(sehr kleine Fallzahl – auf missing gesetzt)
Typ 1: Fachkräftemangel<br />
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
Unternehmen dieses Typs hatten angegeben, unter allgemeinem Personalmangel zu leiden,<br />
dieses Problem konnte noch als Nachwuchsmangel und/oder Abwanderung von Fachkräften<br />
spezifiziert werden. Von Fachkräftemangel waren 8,9 Prozent aller Betriebe betroffen.<br />
Typ 2: zu viel, zu alt, zu teuer<br />
Die Konstellation dieses Typs erinnert an Probleme des öffentlichen Dienstes: Hier treffen<br />
besonders häufig zu hoher Personalbestand, Überalterung und Belastung durch hohe Lohn-<br />
kosten zusammen. Diese Probleme finden sich jedoch nicht nur in Gebietskörperschaften,<br />
der Sozialversicherung und im Gesundheitswesen sondern auch in anderen Branchen wie<br />
z.B. dem Produzierenden Gewerbe und der Bauwirtschaft, insgesamt bei 24,1 Prozent aller<br />
Betriebe, wieder.<br />
Typ 3: Fachkräftemangel und zu viel, zu alt, zu teuer („beides“)<br />
Die Betriebe dieses Typs sind mit einer Kombination aus Personalproblemen des Typs 1 und<br />
2 konfrontiert und werden aus diesem Grund als gesonderter Typ geführt. Hier traf z.B.<br />
Nachwuchsmangel und Überalterung zusammen oder aber Personalmangel und hohe Be-<br />
lastung durch Lohnkosten. Dieser Typ macht 13,1 Prozent der Betriebe aus.<br />
Ein vierter Personalproblemtyp, der eine Kombination aus mangelnder Arbeitsmotivation und<br />
hohe Fehlzeiten darstellt, ist praktisch bedeutungslos und wurde aufgrund sehr geringer<br />
Fallzahlen in den weiteren Auswertungen nicht berücksichtigt.<br />
Tabelle 4: Personalprobleme nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)<br />
Personalproblemtypen<br />
keine<br />
Personalprobleme <br />
Fachkräftemangel<br />
zu viel, zu alt,<br />
zu teuer<br />
Fachkräftemangel<br />
und<br />
zu viel, zu alt,<br />
zu teuer<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsinteg<br />
riertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
Weiterbildungstyp<br />
keine Weiterbildung<br />
weil<br />
keine<br />
Zeit/Geld<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht<br />
Gesamt<br />
4,7 26,4 12,6 26,7 29,6 100,0<br />
16,2 35,3 17,5 12,8 18,2 100,0<br />
11,3 40,1 14,1 12,0 22,5 100,0<br />
14,1 37,1 22,5 12,4 14,0 100,0<br />
Gesamt 8,5 31,9 14,7 20,0 24,8 100,0<br />
Allgemein lässt sich sagen, dass die Personalprobleme mit steigender Betriebsgröße<br />
zunehmen. Während kleine Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten meistens keine Probleme<br />
49
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
angaben, fanden sich vor allem die großen Betriebe mit 500 und mehr Beschäftigten im Typ<br />
3 („beides“).<br />
Der Zusammenhang von Personalproblemen und Weiterbildung (vgl. dazu Tabelle 4) ist<br />
offensichtlich: Sowohl Externe Rekrutierung als auch Qualifizierung der vorhandenen<br />
Mitarbeiter sind (theoretisch) funktional äquivalente Strategien, um den Bedarf an aus-<br />
reichend qualifizierten Mitarbeitern zu decken. Lassen sich auf dem externen Arbeitsmarkt<br />
keine geeigneten Bewerber finden, bietet sich Weiterbildung als „Anpassungsstrategie“ an.<br />
Die Existenz von Personalproblemen sollte demnach mit erhöhten Weiterbildungsaktivitäten<br />
einhergehen. Dieser Zusammenhang wird in der Tabelle deutlich: Wer angab, keine<br />
Personalprobleme zu haben, wurde überdurchschnittlich oft den Nicht-Weiterbildungstypen<br />
„Qualifikation der Mitarbeiter reicht aus“ bzw. „unklare Motivlage“ zugeordnet, hatte also<br />
auch meist keinen Bedarf an der Qualifizierung seiner Beschäftigten.<br />
Dagegen führten Betriebe mit Personalproblemen auch besonders häufig Weiterbildung<br />
durch. Auffällig ist, dass bei Betrieben des Personalproblemtyps 1 („Fachkräftemangel“) ein<br />
stärkeres Gewicht auf formaler und arbeitsintegrierter Weiterbildung liegt, wohingegen<br />
Betriebe des Personalproblemtyps 2 („Zu viel, zu alt, zu teuer“) eher auf nur formale Kurse<br />
setzen. Dieser Unterschied lässt sich möglicherweise mit der stärkeren Betroffenheit wis-<br />
sensintensiver Branchen (z.B. Bildungswesen und Versicherungs-/Kreditwirtschaft) vom<br />
Mangel an ausreichend qualifizierten Personal erklären, also Branchen, von denen auch<br />
vermutet werden kann, dass arbeitsintegrierte Weiterbildung gegenüber kursförmiger Weiter-<br />
bildung ein höheres Gewicht hat.<br />
Betriebe, die dem Personalproblemtyp 3 („beides“; die Kombination von „Fachkräftemangel“<br />
und „zu viel, zu alt, zu teuer“) zuzuordnen sind, finden sich unter allen weiterbildenden<br />
Beschäftigern (vertreten sind alle abgefragten Formen der Weiterbildung). Bemerkenswert<br />
jedoch ist, dass sich unter den Betrieben dieses Personalproblemtyps ein überdurch-<br />
schnittlich großer Teil Nicht-Weiterbildner aus Mangel an Ressourcen befindet: Diese Unter-<br />
nehmen haben ein Personalproblem, das sie weder durch Einstellungen noch durch Weiter-<br />
bildung lösen können oder wollen. In dieser Konstellation lassen sich möglicherweise<br />
Kandidaten <strong>für</strong> neue Formen der Entwicklung der Mitarbeiterpotentiale und der Kompetenz-<br />
entwicklung finden.<br />
3.2 Innovationen im Betrieb und Weiterbildungsverhalten<br />
Innovationen im Betrieb – also sowohl Strukturinnovationen, d.h. Neuerungen im Bereich der<br />
Arbeitsorganisation bzw. der Produktionsstruktur als auch Produktinnovationen – bedürfen<br />
der Entfaltung von Kompetenzen und sind somit ein häufiger Anlass <strong>für</strong> Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung. Dabei ist anzunehmen, dass verschiedene Formen der Qualifizie-<br />
rung in einem komplementären Verhältnis stehen, dass also hochinnovative Betriebe ohne<br />
Weiterbildung auf andere Formen der Kompetenzentwicklung zurückgreifen.<br />
Innovation im Betrieb ist eine proxy-Variable <strong>für</strong> Kompetenzentwicklung, d.h. Kompetenzent-<br />
wicklung ist hier sowohl ein Output- als auch ein Inputfaktor. In „innovationsstarken“ Bran-<br />
chen gilt: Je mehr Innovationen stattfinden, desto stärker ist die Kompetenzentfaltung in der<br />
50
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
Branche bzw. im Betrieb. Innovationen sind möglich, wenn Kompetenzentwicklung stattfand<br />
(hier also der Inputfaktor). Betriebe mit Innovationen bieten aber ebenso Gelegenheiten <strong>für</strong><br />
Kompetenzentwicklung (hier der Outputfaktor).<br />
Folgende Hypothese leitete die Vorüberlegungen zur Herangehensweise an diesen<br />
Themenblock des IAB-Betriebspanels: Wenn hochinnovative Betriebe keine formalisierte<br />
Weiterbildung durchführen, dann müssten sie in der Regel (nicht geförderte, d.h. im Betriebs-<br />
panel nicht abgefragte) Kompetenzentwicklung betreiben.<br />
a) Strukturinnovationen<br />
In der 98er Welle des Panels wurde neben der Produktinnovation auch nach einer Reihe von<br />
betriebsstrukturellen Änderungen in den letzten zwei Jahren gefragt. Die Itemliste dieser<br />
Frage weist zwei Schwerpunkte auf: Änderungen der Organisationsstruktur (Wo werden<br />
Entscheidungen getroffen? Wer ist verantwortlich?) und Änderungen der Produktionsstruktur<br />
(Veränderungen in der Fertigungstiefe, im Grad der Formalisierung von Prozeduren), die<br />
sich jeweils zu einem Strukturinnovationstyp zusammenfassen ließen. Die Zuordnung wurde<br />
wieder durch Oder-Verknüpfung der Fragebogen-Items vorgenommen, d.h. es musste min-<br />
destens eine strukturelle Innovation angegeben werden, um einem der beiden Struktur-<br />
innovationstypen zugerechnet zu werden. Wie das im Einzelnen geschah, zeigt folgende<br />
Tabelle.<br />
Tabelle 5: Bildung der Strukturinnovationstypen<br />
Items: Innovation (laut Betriebspanel) aggregierte Strukturinnovationstypen<br />
mehr Eigenfertigung/Eigenleistung<br />
mehr Zukauf von Produkten/Leistungen<br />
umweltbezogene organisatorische Maßnahmen<br />
Verbesserung Qualitätssicherung<br />
Neugestaltung der Beschaffungs-/Vertriebswege<br />
bzw. Kundenbeziehungen<br />
Reorganisation von<br />
Abteilungen/Funktionsbereichen<br />
Verlagerung von Verantwortung/Entscheidungen<br />
nach unten<br />
Einführung von Gruppenarbeit/<br />
eigenverantwortlichen Arbeitsgruppen<br />
Einrichtung von Einheiten mit eigener Kosten-/<br />
Ergebnisermittlung<br />
Änderung d. Produktionsstruktur<br />
Änderung der Organisationsstruktur<br />
51
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Einbezogen wurden sowohl Betriebe, die angegeben hatten, Neuerungen in beiden Struktur-<br />
bereichen vorgenommen zu haben, als auch jene, die zum Erhebungszeitpunkt keine Inno-<br />
vationen benennen konnten.<br />
Das Gros der Betriebe (66,6 Prozent) gab an, keine strukturellen Innovationen – weder in<br />
Bezug auf die Produktionsstruktur noch auf die Organisationsstruktur – vorgenommen zu<br />
haben. Innovationen, die sich ausschließlich auf die Organisationsstruktur bezogen, wurden<br />
lediglich von 5,5 Prozent der befragten Betriebe genannt. Insgesamt 15,0 Prozent führten<br />
Veränderungen in der Produktionsstruktur durch, 12,9 Prozent innovierten sowohl ihre<br />
Produktions- als auch die Organisationsstruktur.<br />
Tabelle 6: Betriebsstrukturelle Innovationen nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)<br />
betriebsstrukturelle<br />
Änderungen<br />
52<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
Weiterbildungstyp<br />
keine<br />
Weiterbildung,<br />
weil keine<br />
Zeit/Geld<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
keine Weiterbildung,<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht<br />
Gesamt<br />
keine 4,8 26,2 14,9 26,0 28,0 100,0<br />
Produktionsstruktur <br />
Organisationsstruktur<br />
7,4 34,0 19,6 14,2 24,7 100,0<br />
17,1 50,0 9,3 8,7 14,9 100,0<br />
beides 24,0 48,5 9,9 5,8 11,7 100,0<br />
Gesamt 8,3 31,6 14,7 20,7 24,7 100,0<br />
Zwischen betriebsstrukturellen Innovationen und Weiterbildung zeigt sich wie erwartet ein<br />
positiver Zusammenhang (vgl. Tabelle 6). Auffällig ist in diesem Kontext, dass Unternehmen,<br />
die sowohl Produktions- als auch Organisationsstruktur veränderten, besonders häufig beide<br />
Weiterbildungsformen (formal und arbeitsintegriert) einsetzen. Anders ist dies bei aus-<br />
schließlicher Änderung der Produktionsstruktur; diese Betriebe führen in signifikant häufiger<br />
Weise keinerlei Weiterbildung durch, ebenso die nicht-innovativen Betriebe. Der Unterschied<br />
zwischen diesen beiden (Produkt- und Nicht-Innovierer) besteht in den Gründen <strong>für</strong> das<br />
Fehlen von betrieblichen Weiterbildungsangeboten: Betriebe, die ausschließlich ihre Produk-<br />
tionsstruktur verändern, geben häufiger als alle anderen an, dass es ihnen an Ressourcen<br />
<strong>für</strong> die Qualifizierung der Mitarbeiter mangelt. Hier könnten wiederum besonders häufig nicht<br />
erfasste Formen der Kompetenzentwicklung zu finden sein. Dagegen befinden Betriebe<br />
ohne strukturelle Innovation entsprechend der Annahme häufiger als alle anderen die Quali-<br />
fikation ihrer Mitarbeiter als ausreichend.<br />
b) Produktinnovation<br />
Aus den drei Fragen zur Produktinnovation, die in der Befragungswelle 1998 gestellt worden<br />
sind:<br />
„1) Hat Ihr Betrieb in den letzten zwei Jahren eine bereits vorher von ihnen angebotene<br />
Leistung bzw. ein Produkt verbessert oder weiterentwickelt?“,
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
„2) Haben Sie in den letzten zwei Jahren eine Leistung bzw. ein Produkt, das bereits vorher<br />
auf dem Markt vorhanden war, neu in Ihr Angebot aufgenommen?“ und<br />
„3) Haben Sie in den letzten zwei Jahren eine völlig neue Leistung oder ein neues Produkt,<br />
<strong>für</strong> das ein neuer Markt geschaffen werden muss, in Ihr Angebot aufgenommen?“,<br />
wurde im Sinne einer Steigerung eine einzelne Variable derart gebildet, dass jeder Betrieb<br />
nur mit seiner „höchsten“ Produktinnovationsform zugeordnet wurde. Diese Variable zur Pro-<br />
duktinnovation umfasst somit exklusive Typen an Innovationsstufen.<br />
Die Auswertung ergab, dass mehr als die Hälfte der Betriebe (67 Prozent) keine neuartigen<br />
Produkte bzw. Veränderungen an diesen in den letzten zwei Jahren vorzuweisen haben. Gut<br />
jeder zehnte Betrieb (11 Prozent) hat „nur ein Produkt verbessert bzw. weiterentwickelt“.<br />
Knapp 15 Prozent haben „(auch) ein neues Produkt im Angebot“, <strong>für</strong> das bereits ein Markt<br />
vorhanden ist. Und noch fast 7 Prozent bieten ein „völlig neues Produkt“ an, <strong>für</strong> welches<br />
(noch) kein Markt vorhanden ist.<br />
Tabelle 7: Produktinnovation nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)<br />
keine Produktinnovation<br />
nur Produkt<br />
verbessert bzw.<br />
weiterentwickelt<br />
(auch) neues<br />
Produkt im<br />
Angebot (Markt<br />
vorhanden)<br />
(auch) völlig<br />
neues Produkt<br />
im Angebot<br />
(Markt nicht<br />
vorhanden)<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
Weiterbildungstyp<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
weil keine<br />
Zeit/Geld<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht<br />
Gesamt<br />
5,6 27,9 14,2 23,7 28,5 100,0<br />
15,6 35,1 13,3 16,5 19,5 100,0<br />
13,6 44,0 16,4 10,3 15,7 100,0<br />
14,7 46,7 16,2 8,3 14,2 100,0<br />
Gesamt 8,5 32,4 14,6 19,9 24,6 100,0<br />
Die Hypothese über den Zusammenhang von Produktinnovation und Weiterbildungsprozes-<br />
sen findet sich in der Tabelle 7 bestätigt: Innovation erzeugt, so ist zu vermuten, ein Pro-<br />
blembewusstsein <strong>für</strong> einen Bedarf an Kompetenzentwicklung – und dies unabhängig davon,<br />
ob ein Produkt weiterentwickelt, neu ins Angebot aufgenommen oder ein völlig neues<br />
Produkt erstellt wurde.<br />
53
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Interessant ist, dass bei der Einführung neuer Produkte zunächst eher kursförmige Weiter-<br />
bildungen im Vordergrund stehen, als bei der Verbesserung bereits bekannter Produkte.<br />
Auch ist in der Tabelle zu sehen, dass mit der Steigerung des Produktinnovationsgrades der<br />
Anteil der Betriebe, die die Weiterbildung formal organisiert haben, auf jeder Stufe höher ist<br />
als bei jenen, die die Weiterbildungsaktivitäten in die Arbeitsorganisation integrierten.<br />
Wiederum steht bei den Betrieben, die keine (formalen) Weiterbildungsaktivitäten angaben,<br />
das Fehlen von Ressourcen an erster Stelle.<br />
3.3 Investitionen und Weiterbildungsverhalten<br />
Investitionen, also die Anschaffung neuer Anlagen und Geräte, erzeugen einen Bedarf an<br />
neuen Kompetenzen, der häufig durch Weiterbildung gedeckt wird. Es gibt aber auch<br />
investierende Betriebe, die ohne Weiterbildung auskommen. Es ist zu vermuten, dass diese<br />
Defizite mittels anderer Formen von Kompetenzentwicklung im Betrieb kompensiert werden<br />
müssen. Bei den abgefragten Investitionen wurde zwischen Investitionen „in Produktions-<br />
anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung“ (17,8 Prozent der Nennungen), „in Datenver-<br />
arbeitungs- und Kommunikationsanlagen“ (15,1 Prozent), in „beide Anlagetypen“ (15,4 Pro-<br />
zent) und „keine derartigen Investitionen“ (51,8 Prozent) unterschieden.<br />
Tabelle 8: Investitionstyp und Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)<br />
Art der<br />
Investition<br />
keine Investitionen<br />
in DV<br />
oder Anlagen/<br />
Ausstattung<br />
nur Produktionsanlagen,<br />
Betriebs- und<br />
Geschäftsausstattung<br />
nur DV/ Kommunikationsanlagen<br />
54<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
Weiterbildungstyp<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
weil<br />
keine<br />
Zeit/Geld<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht<br />
Gesamt<br />
3,7 24,7 16,3 25,9 29,4 100,0<br />
6,9 30,4 17,1 21,2 24,4 100,0<br />
14,9 46,5 9,5 12,1 17,0 100,0<br />
Beides 20,5 43,6 11,3 6,9 17,7 100,0<br />
Gesamt 8,5 31,9 14,7 20,0 24,8 100,0<br />
Der Weiterbildungsbedarf scheint mit der Komplexität der neuerworbenen Ausstattung zu-<br />
zunehmen (vgl. Tabelle 8): Vor allem Betriebe, die (auch) in Datenverarbeitungs- und<br />
Kommunikationsanlagen investiert haben, bilden weiter. Dagegen verteilen sich diejenigen,<br />
die lediglich Produktionsanlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung angeschafft haben,<br />
eher durchschnittlich auf die Weiterbildungstypen, obwohl auch hier formale Kurse eine
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
wichtige Rolle spielen. Das Gewicht der Nicht-Weiterbildungstypen liegt vor allem bei<br />
Unternehmen, die nicht investierten.<br />
3.4 Beschäftigtenstruktur (Qualifiziertenanteil) und Weiterbildungsaktivitäten<br />
In Tabelle 9 wird ein starker positiver Zusammenhang zwischen dem Anteil Angestellter und<br />
Weiterbildung deutlich. In den Betrieben der beiden Weiterbildungstypen finden sich über-<br />
durchschnittliche Anteile sowohl einfacher als auch qualifizierter Angestellter. Während es<br />
bei den Facharbeitern eine Tendenz zu Nicht-Weiterbildung, bzw. wenn dann doch weiter-<br />
gebildet wird, eher zu formaler (weniger zu arbeitsintegrierter) Weiterbildung gibt, ist es bei<br />
den Angestellten umgekehrt: Beim Übergang von nur kursförmiger Weiterbildung zur Kombi-<br />
nation beider Formen steigt der bereits hohe Anteil beider Angestelltengruppen noch einmal<br />
an. In der Umkehrung bedeutet dies, dass Betriebe mit hohen Anteilen von Angestellten<br />
Kurse und insbesondere Kurse und arbeitsintegrierte Qualifizierung besonders häufig durch-<br />
führen.<br />
Tabelle 9: Mittlere Anteile unterschiedlicher Qualifikationsgruppen in den Betrieben<br />
nach Weiterbildungstyp<br />
Weiterbildungstyp<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse, arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung (nur<br />
formale Kurse)<br />
keine Weiterbildung<br />
weil keine Zeit/Geld<br />
keine Weiterbildung<br />
Gründe diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil Qualifikation MA<br />
reicht<br />
un-/<br />
angelernter<br />
Arbeiter<br />
einfacher<br />
Angestellter<br />
mittlerer Anteil<br />
Facharbeiter<br />
qualifizierter<br />
Angestellter<br />
Mittelwert 0,2937 0,5504 0,1776 0,4704<br />
Standardabweichung<br />
0,3037 0,3294 0,2571 0,3361<br />
Mittelwert 0,3244 0,4633 0,2140 0,3870<br />
Standardabweichung<br />
0,3244 0,3443 0,2829 0,3357<br />
Mittelwert 0,4118 0,2823 0,2184 0,1912<br />
Standardabweichung<br />
0,3324 0,3125 0,2847 0,2774<br />
Mittelwert 0,3817 0,3172 0,1474 0,2170<br />
Standardabweichung<br />
0,3525 0,3466 0,2575 0,2982<br />
Mittelwert 0,3865 0,3512 0,2073 0,2594<br />
Standardabweichung<br />
Insgesamt Standardabweichung<br />
0,3620 0,3398 0,2950 0,3140<br />
Mittelwert 0,3615 0,3870 0,1965 0,2996<br />
0,3414 0,3481 0,2805 0,3281<br />
55
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Die Werte repräsentieren die mittleren Anteile verschiedener Beschäftigtengruppen in allen<br />
befragten Betrieben, ungeachtet der Betriebsgröße. Das bedeutet, dass die Angaben nicht<br />
beschäftigtenrepräsentativ sondern betriebsrepräsentativ sind.<br />
Eine erste, durchaus plausible Erklärung ist, dass höher qualifizierte Beschäftigtengruppen<br />
eher in der Lage sind, sich selbständig um ihre Weiterbildung zu kümmern (z.B. durch<br />
selbstgesteuertes Lernen). Darüber hinaus ist aber auch ein zweiter Zusammenhangspfad<br />
denkbar: Betriebe mit hohem Qualifiziertenanteil finden sich besonders oft in wissensinten-<br />
siven Branchen, wo der laufend anfallende Weiterbildungsbedarf schon aus Ressourcen-<br />
gründen nicht ausschließlich über Kurse gedeckt werden kann.<br />
3.5 Beschäftigungsentwicklung, Personalaustausch und Weiterbildungsaktivitäten<br />
Ähnlich den bereits diskutierten Sachverhalten Innovation und Investition bringt es auch die<br />
Einstellung von Personal mit sich, dass Beschäftigte mit neuen Anforderungen konfrontiert<br />
sind. Somit ist in vielen Fällen von Weiterbildungsbedarf auszugehen, wenn der Personal-<br />
bestand eines Betriebes wächst. Dass dieser Zusammenhang tatsächlich besteht, zeigt<br />
Tabelle 10: Bezogen auf die Zahl der Beschäftigten gewachsene Betriebe haben über-<br />
durchschnittliche Anteile an beiden Weiterbildungstypen. Dagegen verzeichnen in ihrer<br />
Größe unveränderte Betriebe deutlich niedrigere Weiterbildungsanteile. Bei diesen domi-<br />
nieren die Nicht-Weiterbildungstypen, vor allem weil kein Bedarf gesehen wird. Auffällig ist,<br />
dass nicht nur gewachsene, sondern auch geschrumpfte Betriebe häufiger weiterbilden als<br />
Beschäftiger, die weder Personal ein- noch ausstellten. Offenbar gehen mit beiden Formen<br />
der Personalbestandsveränderung interne Umstrukturierungsprozesse einher, die eine<br />
Qualifizierung notwendig machen. So kann z.B. die Freisetzung von Mitarbeitern zur<br />
Neuverteilung der Arbeitsaufgaben führen. Insbesondere das Freiwerden von gehobenen<br />
Stellen führt gegebenenfalls über Nachrückketten zu weit reichenden Personalumsetzungen.<br />
Umgekehrt können Neueinstellungen in niedrige Positionen das Ergebnis von Aufstiegs-<br />
ketten sein. Beides macht die Entfaltung neuer Kompetenzen notwendig und ist des Öfteren<br />
mit Weiterbildung <strong>für</strong> einen größeren Personenkreis verbunden, als es die Absolutzahl der<br />
Beschäftigungsentwicklung suggeriert.<br />
Tabelle 10: Beschäftigungswachstum und -schrumpfung nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)<br />
die Zahl der<br />
Beschäftigten<br />
ist 1997<br />
gegenüber<br />
1996<br />
56<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
Weiterbildungstyp<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
weil keine<br />
Zeit/Geld<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht Gesamt<br />
gesunken 9,3 32,2 13,8 20,3 24,4 100,0<br />
unverändert<br />
geblieben<br />
5,6 28,2 15,5 22,5 28,2 100,0<br />
gestiegen 13,5 38,6 13,9 15,1 18,8 100,0<br />
Gesamt 8,5 31,9 14,7 20,0 24,8 100,0
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
Neben den augenfälligen Zusammenhängen von Einstellungen und Wachstum des<br />
Betriebes bzw. Kündigungen und Schrumpfung gibt es in der Regel einen Teil von Zu- und<br />
Abgängen, der parallel stattfindet und sich numerisch aufhebt, d.h. nicht zur Veränderung<br />
des Bestandes an Beschäftigten führt. Diese sogenannte Churning-Mobilität wurde <strong>für</strong> das 1.<br />
Halbjahr 1997 ermittelt.<br />
Für den Zusammenhang zwischen dieser Beschäftigungsfluktuation und dem Weiterbil-<br />
dungsbedarf (Tabelle 11) gilt dasselbe wie bei beschäftigungswirksamen Zu- und Abgängen:<br />
Weiterbildung geht mit hohem Personalaustausch einher. Allerdings haben auch die Be-<br />
triebe, die aus Mangel an Ressourcen nicht weiterbilden, eine überdurchschnittliche Aus-<br />
tauschrate. Vor allem ist dort der Anteil von Stellen, die „umbesetzt“ wurden, mehr als<br />
doppelt so hoch wie bei den anderen Betrieben (Tabelle 12).<br />
Tabelle 11: Anteil der Churning-Mobilität* an Gesamt Mobilität<br />
Weiterbildungstyp Mittelwert N<br />
1 Weiterbildung (Kurse und arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Standardabweichung<br />
0,0896 160479 0,2373<br />
2 Weiterbildung (nur formale Kurse) 0,0697 600912 0,2314<br />
4 keine Weiterbildung weil keine Zeit/Geld 0,0783 277144 0,2443<br />
5 keine Weiterbildung Gründe diffus 0,0292 377276 0,1603<br />
6 keine Weiterbildung weil Qualifikation MA reicht 0,0353 468331 0,1700<br />
Insgesamt 0,0560 1884143 0,2085<br />
* Anteil Personalbewegungen an allen Zu- und Abgängen im 1. Halbjahr 1997, der nicht zum Wachstum<br />
oder zur Schrumpfung des Personalbestandes führte.<br />
Tabelle 12: Anteil der „ge-churnten“ Stellen an allen Stellen<br />
Weiterbildungstyp Mittelwert N<br />
1 Weiterbildung (Kurse und arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Standardabweichung<br />
0,0097 160479 0,04281<br />
2 Weiterbildung (nur formale Kurse) 0,0097 600912 0,04831<br />
4 keine Weiterbildung weil keine Zeit/Geld 0,0200 277144 0,08031<br />
5 keine Weiterbildung Gründe diffus 0,0092 377276 0,08306<br />
6 keine Weiterbildung weil Qualifikation MA reicht 0,0070 468331 0,04699<br />
Insgesamt 0,0104 1884143 0,06161<br />
Hier könnte eine Strategie zum Tragen kommen, die sich als „Einkauf von Wissen“ - durch<br />
die Einstellung qualifizierten Personals - beschreiben lässt. Die Einstellung kompetenter<br />
Arbeitskräfte mag dabei als kostengünstige Alternative zur Qualifizierung des vorhandenen<br />
Personals fungieren. Dieses Verhalten findet sich insbesondere in kleineren und mittleren<br />
Betrieben (bis 99 Beschäftigte), in denen auch am ehesten finanzielle Engpässe auftreten<br />
können, die eine Weiterbildung verhindern. Daneben sind hier aber auch kleinere Betriebe<br />
mit hohen Austauschraten und geringer Qualifikation der Beschäftigten vertreten, z.B. aus<br />
57
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
der Baubranche, in der es viele Saisonarbeiter gibt. Größere Betriebe weisen dagegen<br />
nahezu immer sowohl hohe Fluktuations- als auch Weiterbildungsraten auf. Mit der<br />
Betriebsgröße steigt auch der Anteil der Austausch-Mobilität, der nicht zur Größenänderung<br />
beiträgt. Eine Ein- oder Ausstellung trägt um so eher zur Größenänderung bei, je kleiner der<br />
Betrieb ist; dagegen steigt mit wachsender Größe auch die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
gleichzeitig sowohl Zu- als auch Abgänge stattfinden.<br />
4 Zwischenergebnis: Fazit und Konsequenzen<br />
Wichtigstes Ergebnis der Sekundärauswertung ist eine Typologie des Weiterbildungsver-<br />
haltens von Unternehmen mit fünf Typen von Weiterbildnern bzw. Nicht-Weiterbildnern.<br />
Die Analyse dieser Typen hat ergeben, dass die Betriebsgröße eine nicht zu unterschät-<br />
zende Rolle spielt. Ab einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern („kritische Masse“) prak-<br />
tiziert ein Großteil der Betriebe organisierte Weiterbildung in irgendeiner Form. Unterhalb<br />
dieser Grenze finden sich vor allem die Betriebe, die sich keine („herkömmliche“) Weiter-<br />
bildung leisten können, diese nicht brauchen bzw. meinen, diese nicht zu benötigen.<br />
Unter den betrachteten Indikatoren <strong>für</strong> einen vermuteten Kompetenzentwicklungsbedarf im<br />
Betrieb wurde allgemein ein positiver Zusammenhang in Bezug auf Personalprobleme und<br />
Weiterbildungsaktivität festgestellt. In Betrieben, die beide Formen der erfragten Personal-<br />
probleme aufwiesen, konnten überdurchschnittlich oft Nicht-Weiterbildner, die sich Weiter-<br />
bildung nicht leisten können und somit vermutlich Kompensationsstrategien fahren müssen,<br />
beobachtet werden.<br />
Der vermutete Zusammenhang zwischen betriebsstrukturellen Innovationen (Organisations-<br />
wie Produktionsstruktur) und Weiterbildung findet sich ebenso in den Daten wieder.<br />
Einschränkend konnte gezeigt werden, dass Betriebe die ausschließlich ihre Produktions-<br />
struktur verändert haben, eine geringere Weiterbildungsaktivität aufweisen. Diese ähneln<br />
damit den nicht-innovativen Betrieben. Sie unterscheiden sich jedoch von den Nicht-Inno-<br />
vierern, die mehrheitlich die Qualifikation ihrer Mitarbeiter als ausreichend befanden, da-<br />
durch, dass sie angeben, keine Ressourcen <strong>für</strong> Weiterbildung zur Verfügung zu haben.<br />
Wenn Beschäftiger in irgendeiner Weise Produktinnovation betrieben, ging dies mit einer<br />
verstärkten Weiterbildungsaktivität einher. Daraus kann geschlossen werden, dass eine be-<br />
triebliche Produktinnovation eine Schärfung des Problembewusstseins <strong>für</strong> einen betrieb-<br />
lichen Kompetenzentwicklungsbedarf nach sich zieht.<br />
Ebenso wie Innovationen geben Investitionen Anlass zur Weiterbildung. Die Aktivitäten der<br />
Wissensvermittlung nehmen in dem Maße zu, in dem die Komplexität der neuerworbenen<br />
Ausstattung steigt.<br />
Betrachtet man die Qualifikationsstruktur der Betriebe, dann wird deutlich, dass vor allem Be-<br />
triebe mit einem hohen Anteil Angestellter (sowohl einfache als auch qualifizierte Angestellte)<br />
weiterbilden. Mit der Qualifikation der Mitarbeiter nimmt der Anteil von arbeitsintegrierten<br />
Formen der Weiterbildung zu.<br />
58
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
Der Personalaustausch, z.B. Stellenumbesetzungen im Betrieb wie auch die<br />
Beschäftigungsentwicklung in ihrer Summe (Ein- und Ausstellung) ziehen innerbetriebliche<br />
Umstrukturierungsprozesse nach sich, die eine Qualifizierung der Beschäftigten erforderlich<br />
machen. Eine funktionsäquivalente Strategie zum Umgang mit dem auf diese Weise<br />
ausgelösten Weiterbildungsbedarf weist derjenige Weiterbildungstyp auf, der sich keine<br />
Weiterbildung leisten kann: Aufgrund seiner den Weiterbildnern ähnlich hohen Mobilitäts-<br />
raten ist zu vermuten, dass es <strong>für</strong> diese Betriebe lukrativer ist, sich Wissen einzukaufen.<br />
Für die Ziele des Projektes ist derjenige Weiterbildungstyp besonders interessant, der einer-<br />
seits keine Weiterbildung seiner Mitarbeiter fördert, weil Geld oder Zeit hier<strong>für</strong> fehlen, bei<br />
dem aber andererseits Weiterbildungs- bzw. Kompetenzentwicklungsbedarf besteht, den<br />
Betriebe dieses Typs vermutlich mit Mitteln jenseits formalisierter und geförderter Weiter-<br />
bildung decken.<br />
Die Auswertungen ergaben, dass Betriebe dieses Typs hinsichtlich ihres Innovationsver-<br />
haltens, einer der wichtigsten "Output-Variablen" <strong>für</strong> Kompetenzentwicklung, den aktiven<br />
Weiterbildern ähneln und stützen damit die Empfehlung. Flankiert wird das Argument auch in<br />
der Verlaufsperspektive: Die Fluktuation von Betrieben dieses Nicht-Weiterbildungstyps – bei<br />
generell sehr stabiler Typzugehörigkeit von Betrieben – hinzu einem Weiterbildungstyp (vor<br />
allem zum zweiten Typ „nur formale Kurse“) ist vergleichsweise hoch (vgl. Tabelle 13):<br />
Tabelle 13: Kreuztabelle Weiterbildungstyp 1997 und 1999 (in Prozent)<br />
Weiterbildungstyp<br />
1999<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse, und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen)<br />
Weiterbildung (nur<br />
formale Kurse)<br />
keine Weiterbildung<br />
weil keine Zeit/Geld<br />
keine Weiterbildung<br />
Gründe diffus<br />
keine Weiterbildung<br />
weil Qualifikation<br />
MA reicht<br />
Gesamt<br />
Weiterbildung<br />
(Kurse und<br />
arbeitsintegriertes<br />
Lernen<br />
39,6<br />
43,7<br />
13,4<br />
40,4<br />
2,3<br />
2,5<br />
2,1<br />
4,2<br />
4,1<br />
9,3<br />
10,5<br />
100,0<br />
Weiterbildungstyp 1997<br />
Weiterbildung<br />
(nur<br />
formale<br />
Kurse)<br />
44,7<br />
15,9<br />
59,3<br />
57,7<br />
18,5<br />
6,5<br />
8,9<br />
5,9<br />
18,9<br />
14,0<br />
32,5<br />
100,0<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
weil keine<br />
Zeit/Geld<br />
3,8<br />
3,3<br />
9,1<br />
21,6<br />
27,3<br />
23,2<br />
15,1<br />
24,3<br />
15,4<br />
27,6<br />
13,4<br />
100,0<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
Gründe<br />
diffus<br />
3,8<br />
2,2<br />
9,9<br />
15,5<br />
19,0<br />
10,7<br />
46,0<br />
48,9<br />
19,2<br />
22,8<br />
20,2<br />
100,0<br />
keine<br />
Weiterbildung<br />
weil<br />
Qualifikation<br />
MA reicht<br />
8,1<br />
4,0<br />
8,3<br />
11,2<br />
32,9<br />
15,9<br />
27,9<br />
25,5<br />
42,5<br />
43,4<br />
23,5<br />
100,0<br />
Gesamt<br />
100,0<br />
11,6<br />
100,0<br />
31,6<br />
100,0<br />
11,3<br />
100,0<br />
21,4<br />
100,0<br />
24,0<br />
100,0<br />
100,0<br />
59
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Die wesentlichen Prämissen und Schlussfolgerungen <strong>für</strong> die Struktur der Stichprobe<br />
(Samplebildung) der eigenen im Jahr 2002 durchgeführten CATI 12 -Erhebung lauten dem-<br />
zufolge:<br />
1) Wenn sich <strong>für</strong> eine Konzentration auf den Typ 3 „keine Ressourcen“ bei der Sample-<br />
bildung entschieden wird, darf dies nicht zu einer Beschränkung auf Unternehmen dieses<br />
Typs führen, da zumindest zum Zwecke der Vergleichbarkeit auch Unternehmen der<br />
anderen Typen erfasst werden müssen.<br />
2) Die Befragungsstichprobe sollte sich nicht auf eng begrenzte Segmente der Unter-<br />
nehmenslandschaft beschränken, sondern möglichst weite Bereiche von Unternehmen ab-<br />
decken. Praktisch bedeutet dies, eine hohe Branchenvielfalt zugrunde zu legen.<br />
3) Wie dargelegt, nimmt die Häufigkeit von Betrieben des Typs 3 mit steigender Betriebs-<br />
größe ab. Deshalb sollten in der Befragung mehr kleine Unternehmen als große Unter-<br />
nehmen vertreten sein. Dies entspräche auch der Realverteilung von Unternehmen. 13<br />
5 Die Definition der Stichprobenstruktur 14<br />
Die bisher vorgestellten Analysen und Zwischenergebnisse sind ein grundlegender Schritt <strong>für</strong><br />
die anschließenden Überlegungen und projektinternen Diskussionsrunden zur Konstruktion<br />
der zu ziehenden Stichprobe <strong>für</strong> die Breitenerhebung. Für die weitere Analyse bot sich die<br />
Nutzung clusteranalytischer Verfahren als Heuristik an. Diese sollten der Identifizierung<br />
wichtiger Konstellationen von betrieblichen Merkmalen dienen, die eine große Ähnlichkeit in<br />
ihrem Weiterbildungsverhalten aufweisen. Auf diese Weise konnten dann die zur<br />
Stichprobendefinition „notwendigen“ Zellen („Zahl der auszuwählenden Betriebe in bestim-<br />
mten Merkmalskombinationen“) bestimmt werden.<br />
Welche Arbeitsschritte hier<strong>für</strong> durchgeführt wurden, soll im folgenden Teil umrissen werden.<br />
Daran schließt sich ein Lesebeispiel der graphischen Repräsentation verschiedener Cluster-<br />
lösungen an, deren grundsätzliche Konsequenzen im letzten Teil dargelegt werden.<br />
5.1 Clusteranalysen zum Weiterbildungstyp<br />
Die Ermittlung von betrieblichen Konstellationen hinsichtlich ihrer Ähnlichkeiten im<br />
Weiterbildungsverhalten war das Ziel der Clusteranalyse. Ihren Ausgangspunkt nahm diese<br />
in Kreuztabellierungen unterschiedlicher Merkmale wie Betriebsgröße/Wirtschaftszweig,<br />
Betriebsgröße/Produktinnovation und Betriebsgröße/Qualifikationsstruktur, in deren Zellen<br />
die jeweils spezifische Verteilung der Weiterbildungstypen abgetragen wurde.<br />
12 Computer Assisted Telephone Interview.<br />
13 Bei einer Zufallsauswahl werden mehr kleine Unternehmen als große Unternehmen vertreten sein. Die Befragungsstichprobe<br />
wird von der Größenstruktur folglich so geschichtet, dass sie einer repräsentativen Größenverteilung<br />
nahe kommt.<br />
14 An diesem Punkt der Analyse sei noch einmal ausdrücklich Gerald Prein <strong>für</strong> seine methodische Unterstützung<br />
60<br />
gedankt.
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
Die Objekte der Clusteranalyse waren diese Zellen, also z.B. die Kombinationen aus Be-<br />
triebsgröße und Wirtschaftszweig wie „Gesundheitswesen, 1-4 Beschäftigte“ oder „Handel,<br />
20-49 Beschäftigte“. Dass diese Zellen unterschiedlich besetzt sind, wurde in den Analysen<br />
bewusst ignoriert: Es wurden lediglich die relativen Häufigkeiten des jeweiligen Weiter-<br />
bildungstyps zur Charakterisierung der Objekte genutzt. D.h., wenn in den folgenden Ab-<br />
bildungen Häufigkeitsangaben gemacht wurden, so bezogen sich diese auf die „Tabellen-<br />
zellen“ und nicht auf die hierin liegenden Betriebe.<br />
Angesichts der geringen Fallzahl kamen hierarchisch-agglomerative Verfahren der Clus-<br />
terung zum Einsatz. Dadurch konnte auf den Rückgriff auf weniger effiziente Verfahren 15 , die<br />
nur disparate Clusterlösungen liefern würden, verzichtet werden. Hierbei wurde in vier<br />
Schritten vorgegangen:<br />
1. Mittels einer Hauptkomponentenanalyse mit Varimax-Rotation wurde aus den Rohwerten<br />
der relativen Häufigkeiten voneinander unabhängige „Faktoren“ berechnet. Je nach Konstel-<br />
lation handelte es sich hierbei um zwei oder drei Faktoren.<br />
2. Diese Faktoren wurden als „unabhängige Variablen“ <strong>für</strong> die Clusteranalyse genutzt, so<br />
dass die Daten an diesem Punkt von Korrelationen „bereinigt“ waren. Als Clusteralgorithmus<br />
wurde das Ward-Verfahren angewandt. Die Analysen erfolgten <strong>für</strong> die Gesamtgruppe sowie<br />
getrennt nach Ost- und Westdeutschland – jeweils unabhängig voneinander.<br />
3. Anhand eines Scree-Plots sowie der Analyse des Dendrogramms wurde sodann zunächst<br />
<strong>für</strong> das Gesamtmodell bestimmt, welche Clusterlösung im jeweiligen Fall sinnvoll erschien.<br />
Bemerkenswert war in diesem Zusammenhang, dass bereits eine geringe Anzahl von Clus-<br />
tern angemessene Lösungen erbrachte.<br />
4. Im letzten Schritt wurden die Cluster auf der Grundlage der Originalvariablen, d.h. der<br />
relativen Häufigkeiten, beschrieben: Hierzu wurden die Mittelwerte der Weiterbildungstypen<br />
<strong>für</strong> die verschiedenen Cluster gebildet und alle Werte über 10 Prozent gerundet aufgelistet.<br />
Diese unten aufgeführten Werte – zur Zellenbasis gerechnet und nicht mit der Zahl der<br />
Betriebe gewichtet – gaben dann die Verteilung der „Konstellationen“ wieder und, um es<br />
nochmals zu betonen, nicht die in ihnen enthaltenen Betriebe.<br />
5.2 Graphische Repräsentation verschiedener Clusterlösungen<br />
Auf der Basis der Verteilungen der Konstellationen wurden die Cluster als Grautöne/<br />
Schraffuren abgetragen; wiedergegeben in den Tabellen 14 und 15. Bei der Interpretation<br />
muss allerdings immer auch auf die Mittelwerte geschaut werden, da bei der graphischen<br />
Darstellung die Anzahl der Grautöne/Schraffuren durch die verwandte Software reduziert ist<br />
und somit Grautöne/Schraffuren zwar Trends bedeuten, nicht aber bestimmte Zahlen oder<br />
Wertebereiche. Als Grundregel wurden Grautöne/vertikale Schraffur zur Kennzeichnung von<br />
15 Die Probleme, die bei der Anwendung von Agglomerationsalgorithmen wie „Single-Linkage“ oder „Complete-<br />
Linkage“ entstehen, sind bekannt. Gemeinhin wird dem Ward-Verfahren und dessen Varianten eine deutlich<br />
bessere Effizienz nachgesagt. Dieses Verfahren basiert auf der Annahme, dass es sich bei der zugrunde<br />
liegenden Distanzmatrix um quadrierte euklidische Distanzen handelt.<br />
61
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Cluster mit (relativ) hohem Anteil an Betrieben mit arbeitsintegrierter Weiterbildung benutzt,<br />
Grau bzw. Weiß ohne Schraffur <strong>für</strong> Cluster mit hohem Anteil an kursförmiger Weiterbildung<br />
und Grautöne/diagonale Schraffur <strong>für</strong> Cluster mit geringerer Beteiligung und i.d.R. erhöhtem<br />
Ressourcenmangel.<br />
Was „viel“ und was „wenig“ ist, unterscheidet sich z.T. deutlich zwischen Ost- und West-<br />
deutschland. Ein „West-Grauton/vertikale Schraffur“ und ein „Ost-Grauton/vertikale Schraf-<br />
fur“ bedeuten damit relativ gesehen zwar Ähnliches, stellen aber nicht die gleichen Zahlen<br />
dar. Zellen ohne Zahl bedeuten, dass es in dieser Merkmalskombination keinen Fall gab<br />
(etwa: Land- und Forstwirtschaft mit mehr als 2000 Beschäftigten). Zur Veranschaulichung<br />
(„Lesebeispiel“) dienen die folgenden zwei Tabellen (Tabelle 14 und 15):<br />
Die Konstellationscluster 1 bis 3 der Tabelle 14 bilden eher nicht weiter; und dies zum einen<br />
weil die Betriebe keine finanziellen bzw. zeitlichen Ressourcen ihren Mitarbeitern zur Ver-<br />
fügung stellen können, zum anderen weil die Weiterbildung u.a. nicht als notwendig ange-<br />
sehen wird. Die Konstellation von aus welchen Gründen auch immer, nicht weiterbildenden,<br />
ostdeutschen Betrieben findet sich vor allem bei kleinen und kleinsten Beschäftigern wieder;<br />
unabhängig davon, ob sie Produkte innovieren oder dieses nicht tun. Indes kann dem<br />
Cluster 3 – dem „innovativsten“ der drei – eine Tendenz zur formalisierten Weiterbildung im<br />
Zusammengehen mit einer Produktinnovation (so die oben formulierte These) nicht<br />
abgesprochen werden.<br />
Tabelle 14: Weiterbildungscluster nach Produktinnovation (ordinal) – Ost<br />
62<br />
Cluster<br />
Anzahl der<br />
Zellen<br />
arbeitsintegrierte<br />
Weiterbildung<br />
nur Kurse<br />
keine<br />
Ressourcen<br />
Sonst.<br />
keine<br />
1 3 8 26 17 49<br />
2 5 18 45 13 24<br />
3 6 13 47 18 22<br />
4 8 24 61 11<br />
5 12 43 54<br />
6 4 63 36<br />
7 2 91 5 5<br />
Produktinnovation/<br />
Betriebsgröße<br />
keine<br />
vorhandenes Produkt<br />
verbessert oder<br />
weiterentwickelt<br />
Produkt neu ins<br />
Angebot<br />
völlig neue Leistung<br />
oder Produkt<br />
1-4 5-9 10-19 20-49 50-99 100-<br />
199<br />
200-<br />
499<br />
500-<br />
999<br />
1000-<br />
1999 2000+<br />
1 2 3 4 4 4 4 5 5 5<br />
1 3 2 2 4 4 5 5 5 6<br />
1 3 2 2 4 5 5 6 7 5<br />
3 3 3 4 5 5 5 6 7 6
Untersuchungsfeld und Stichprobe<br />
In gewisser Weise findet sich dieses Bild auch im ostdeutschen „KMU“-Cluster 4 (auch wenn<br />
es hier „neutral“, was heißt weiß, eingefärbt ist): Mit der Innovation hält die Weiterbildung<br />
Einzug im Betrieb. Ganz deutlich wird dieser mutmaßliche Zusammenhang in den groß-<br />
betrieblich geprägten Weiterbildungsclustern 5 bis 7. Mit zunehmender Betriebsgröße und<br />
Innovationsgrad der Unternehmen kommen verstärkt arbeitsintegrierte Formen der Weiter-<br />
bildung zur Anwendung.<br />
Tabelle 15: Weiterbildungscluster nach Produktinnovation (ordinal) – West<br />
Cluster<br />
Anzahl der<br />
Zellen<br />
arbeitsintegrierte<br />
Weiterbildung<br />
nur Kurse<br />
keine<br />
Ressourcen<br />
1 3 4 23 14 59<br />
2 5 13 46 17 25<br />
3 6 25 49 9 18<br />
4 7 26 60 11<br />
5 7 51 42<br />
6 2 12 29 26 32<br />
7 10 78 21<br />
Produktinnovation/<br />
Betriebsgröße<br />
keine<br />
vorhandenes Produkt<br />
verbessert oder<br />
weiterentwickelt<br />
Produkt neu ins<br />
Angebot<br />
völlig neue Leistung<br />
oder Produkt<br />
1-4 5-9 10-19 20-49 50-99 100-<br />
199<br />
200-<br />
499<br />
500-<br />
999<br />
Sonst.<br />
Keine<br />
1000-<br />
1999<br />
1 1 2 3 4 4 4 4 4 5<br />
1 2 6 3 4 5 7 7 7 7<br />
6 2 4 3 3 7 5 7 7 7<br />
2 2 2 3 5 5 7 5 7 7<br />
Anders ist die Situation in den alten Bundesländern, wie in Tabelle 15 zu sehen ist. Zwar<br />
findet sich auch hier die eben beschriebene Tendenz wieder, jedoch ist das Gesamtbild der<br />
zu beobachtenden Konstellationen ein etwas anderes: Kursförmige Formen der Weiter-<br />
bildung stehen ab einer bestimmten Betriebsgröße (ab 50 Beschäftigte) anscheinend nicht<br />
mehr in einem so engen Zusammenhang mit Produktinnovationen. Mit zunehmendem<br />
Innovationsgrad – ab dieser Betriebsgröße – werden arbeitsintegrierte Formen der Weiter-<br />
bildung aber wichtiger.<br />
5.3 Konsequenzen der Clusterlösungen<br />
Die soeben dargestellten Zusammenhänge bilden lediglich einen Auszug des Analyse-<br />
schrittes wie seiner graphischen Repräsentation. Folgende Prinzipien der Sampleauswahl<br />
erschienen nach Durchsicht aller Ergebnisse zielführend:<br />
2000<br />
+<br />
63
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Wie auch schon im ersten Schritt der Sekundäranalyse gezeigt wurde, tritt hier ebenso die<br />
Betriebsgröße als ein wesentliches Merkmal hervor. Oberhalb einer bestimmten Betriebs-<br />
größenklasse betreibt offenbar der überwiegende Teil der Betriebe formalisierte Weiter-<br />
bildung in irgendeiner Form, so dass bei einer Befragung in diesem Größenbereich damit zu<br />
rechnen ist, dass diese Aktivitäten alles andere überlagern würden. Sehr kleine Betriebe<br />
wiederum erscheinen auch nicht als allzu „ergiebig“. Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, die<br />
„Extremgruppen“ oben und unten abzuschneiden und die Untersuchung damit auf einen klar<br />
definierten Größenbereich der KMU und der kleineren Großbetriebe zu beschränken.<br />
Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich deutlich. Um eine hinreichende Anzahl ost-<br />
deutscher Betriebe im Sample vertreten zu haben, sollte hier die Ziehungswahrscheinlichkeit<br />
erhöht werden.<br />
Einzelne Wirtschaftszweige des Betriebspanels sind keine „Unternehmen“, andere Bereiche<br />
können aus anderen Gründen als weniger interessant angesehen werden. Daher erscheint<br />
es günstig – auch aus Gründen der Fragebogengestaltung – ein Feld von Branchen/<br />
Wirtschaftszweigen abzugrenzen, in dem die Erhebung stattfinden soll.<br />
Inwieweit innerhalb dieses Feldes noch eine Schichtung notwendig ist, müsste dann<br />
diskutiert werden; evtl. kann bei einer Konzentration auf den Bereich der KMU darauf ver-<br />
zichtet werden. 16<br />
Den Empfehlungen folgend, bedeutet dies einen Verzicht auf eine Beschränkung auf den im<br />
ersten Analyseschritt als mutmaßlichen Kompetenzentwickler identifizierten Nicht-Weiter-<br />
bildungstyp 3 („fehlende finanzielle und zeitliche Ressourcen“). Die vorgestellten Ergebnisse<br />
und den diesen aufsitzenden Empfehlungen des letzten Untersuchungsschrittes legen eine<br />
Sample-Konstruktion nahe, bei der auf die ursprünglich beabsichtigte strukturidentische<br />
(„geklonte“) Zusammensetzung der Stichprobe aus Teilstichproben verzichtet werden kann.<br />
Vielmehr konnte gezeigt werden, dass mit der Berücksichtigung der Betriebsgröße und der<br />
Region (zumindest in der Unterscheidung Ost/West) eine problemadäquate Abbildung der<br />
Grundgesamtheit in der Stichprobe erreicht werden kann.<br />
16 Was das Verhältnis von Fallstudien, die in der Verantwortung des SOFI Göttingen liegen, und Breitenerhebung<br />
angeht, könnte sich hieraus eine Arbeitsteilung in dem Sinne ergeben, dass die Breitenerhebung den<br />
Schwerpunkt auf KMUs richtet, während die Fallstudien vertiefend den Bereich der Großbetriebe erfassen.<br />
64
Teil B<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Burkart Lutz<br />
Vorbemerkungen: Drei analytische Fragen<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Dieser erste von insgesamt drei Teilen, in denen über Daten und Befunde aus der Breiten-<br />
erhebung berichtet wird, ist in erster Instanz wesentlich deskriptiv angelegt. Im <strong>Zentrum</strong> der<br />
beiden ersten Kapitel stehen demzufolge:<br />
• ein knapper Überblick über die wirtschaftliche Lage der befragten Betriebe zum Be-<br />
fragungszeitpunkt im letzten Quartal des Jahres 2002 und über einige Entwicklungen in<br />
den vorausgegangenen Jahren (Kapitel I)<br />
• eine detaillierte Darstellung der wichtigsten Befunde zu formeller Weiterbildung und infor-<br />
mellem Lernen (Kapitel II).<br />
Die Präsentation der Daten wirft jedoch mit zunehmender Dringlichkeit Fragen auf, die nicht<br />
mehr lediglich deskriptiver Art sind, sondern analytischen Charakter tragen. Struktur und<br />
Argumentation der Kapitel III und IV sind in erheblichem Grade von der Absicht bestimmt,<br />
Antworten auf diese Fragen zu finden und das Befragungsmaterial entsprechend aufzu-<br />
bereiten.<br />
Angesichts der Vielfalt der Maßnahmen, Formen und Praktiken von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung, über die von den Betrieben berichtet wird, erschien hierzu ein typo-<br />
logisches Vorgehen angebracht. Anhand einer größeren Zahl von Kennziffern zur formellen<br />
organisierten Weiterbildung und zum informellen ganz überwiegend sehr arbeitsnahen<br />
Lernen wurde mittels einer Clusterung nach Ward eine Serie von sieben Typen gebildet. Die<br />
Clusterung, die mit ihrer Hilfe gebildeten Typen und die Beziehungen der Typen zueinander<br />
sind in den beiden Kapiteln III und IV relativ ausführlich beschrieben und im Hinblick auf<br />
Zusammenhänge zwischen der Zugehörigkeit der befragten Betriebe zu einem der Typen<br />
und der hierdurch abgebildeten betrieblichen Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung auf der einen Seite, wichtigen Merkmalen der Betriebe von Größe, regionaler<br />
Lage und Branche bis zu Arbeitsanforderungen und Personalproblemen auf der anderen<br />
Seite untersucht.<br />
Drei analytische, zum Teil aufeinander aufbauende Fragen stehen hierbei im Vordergrund:<br />
(1) Eine erste Frage, die bereits in dem vorwiegend deskriptiv angelegten Kapitel II zu-<br />
nehmende Bedeutung gewinnt, richtet sich auf die Kombination verschiedener Lernformen<br />
und ihre Effekte: Welches Gewicht hat die in der Literatur vielfach beschriebene,<br />
65
Burkart Lutz<br />
Ungleichheit verstärkende Kumulation dieser Effekte im Sinne des „Matthäus-Prinzips“? Gibt<br />
es nicht auch in der Kombination verschiedener Lernformen kompensatorische Wirkungen,<br />
die zu einem Abbau von durch Bildung erzeugter oder verstärkter Ungleichheit beitragen?<br />
(2) Eine zweite Frage, die vor allem in Kapitel III mehrfach aufgegriffen wird, richtet sich auf<br />
die betrieblichen Interessen und Bedingungen, die sich in Niveau und Art der Aktivitäten zur<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung niederschlagen:<br />
• Lassen sich Ausmaß und Intensität der betrieblichen Aktivitäten von Weiterbildung und<br />
66<br />
Kompetenzentwicklung vorwiegend durch spezifischen Bedarf erklären, der sich insbe-<br />
sondere in wahrgenommenen Kompetenzdefiziten äußern müsste?<br />
• Oder ist das betriebliche Weiterbildungsgeschehen überwiegend in dem Sinne ressour-<br />
cengetrieben, dass es sich vor allem aus einer guten wirtschaftlichen Lage des Betriebes<br />
bzw. aus deren deutlicher Verbesserung in der unmittelbar zurückliegenden Vergangen-<br />
heit erklärt?<br />
Um diese Frage zu beantworten, ist ein einheitlicher Maßstab notwendig, um jenseits<br />
zahlreicher einzelbetrieblicher Besonderheiten <strong>für</strong> alle Betriebe und Betriebstypen das<br />
Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zu bestimmen. Allerdings werden<br />
Opportunität und Legitimität dieses Vorgehens im Laufe der Darstellung zunehmend frag-<br />
würdig, da viele der eigentlich erwarteten Zusammenhänge allenfalls unscharf zu Tage<br />
treten.<br />
(3) Bereits in Kapitel III drängt sich deshalb immer stärker eine dritte analytische Frage von<br />
möglicherweise grundlegender Bedeutung auf:<br />
• Lassen sich das sehr vielfältige und facettenreiche betriebliche Geschehen der internen<br />
und externen Weiterbildung sowie der überwiegend informellen Kompetenzentwicklung<br />
und die Beteiligung der wichtigsten Mitarbeitergruppen an diesem Geschehen auf ein<br />
durchgängiges einheitliches Muster stark hierarchisch strukturierter Ungleichheit redu-<br />
zieren, das man mit einem Schlagwort als „Niveau der Kompetenzentwicklung“ be-<br />
zeichnen könnte?<br />
• Oder ist es im Interesse realistischer Aussagen nicht notwendig, die Existenz mehrerer<br />
Teilnahmemuster zu akzeptieren, die etwas verkürzt als „Profile der Kompetenzentwick-<br />
lung“ zu benennen wären und die alternativ, konkurrierend, komplementär oder wie sonst<br />
auch immer auf die Formen, Mechanismen und Teilnahmechancen der Mitarbeiter an<br />
Kompetenzentwicklung einwirken können?<br />
Vordringliche Aufgabe von Kapitel IV ist es zu prüfen, ob nicht eine zweidimensionale<br />
Ordnung der Typen der Realität adäquater ist, und zu klären, welcher Art diese Ordnung sein<br />
könnte, die Raum <strong>für</strong> die Existenz mehrerer Profile von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung lassen müsste, wobei jeder Typus entweder vollständig einem solchen Profil<br />
entspräche oder sich als spezifische Kombination von Strukturelementen darstellen würde,<br />
die verschiedenen Profilen inhärent sind.
I Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Die Vermutung liegt nahe, dass zwischen der wirtschaftlichen Lage der Betriebe auf der<br />
einen Seite sowie der Art und Intensität der betrieblichen Maßnahmen und Vorkehrungen zur<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter auf der anderen Seite ein recht<br />
enger Zusammenhang besteht. Deshalb empfiehlt es sich, die wichtigsten im Befragungsma-<br />
terial enthaltenen Informationen zur Lage der Betriebe – genauer: zu ihrer Wahrnehmung<br />
und Bewertung durch die betrieblichen Verantwortlichen – in diesem einleitenden Kapitel als<br />
Hintergrundmaterial zusammenzustellen und sehr knapp zu kommentieren.<br />
Dies geschieht zunächst (1) <strong>für</strong> die Gesamtheit der befragten Betriebe, genauer gesagt, <strong>für</strong><br />
die insgesamt 1.712 Betriebe, die zu diesen Fragen auswertbare Antworten gegeben haben.<br />
Die hierbei als zusammenfassender Ausdruck der jeweiligen Antwortverteilung gebildeten<br />
Indikatoren können sodann mit einigen grundlegenden Strukturvariablen, - der Sektorzuge-<br />
hörigkeit, der Größe und der regionalen Lage-, in Beziehung gesetzt werden. Hierbei werden<br />
(2) jeweils drei Fragen zur wirtschaftlichen Lage der Betriebe bzw. die aus den Antworten auf<br />
sie gebildeten Indikatoren und (3) zwei Fragen zur Wettbewerbsposition und ihrer Entwick-<br />
lung gemeinsam behandelt.<br />
1 Fragen, Antworten und Indikatoren<br />
Zwar stand im <strong>Zentrum</strong> der Befragung das Interesse an den betrieblichen Aktivitäten zur<br />
Kompetenzentwicklung ihrer Beschäftigten (oder bestimmter Beschäftigtengruppen) und an<br />
den betrieblichen Verhältnissen und Umständen, die Kompetenzentwicklung fördern oder<br />
auch behindern können. Dennoch schien es angebracht, mit einer Reihe von Fragen, die in<br />
verschiedenen Kontexten und zu verschiedenen Zeitpunkten im Interviewablauf gestellt<br />
wurden, auch möglichst realistische Hinweise auf die wirtschaftliche Lage der Betriebe zu<br />
gewinnen.<br />
Von diesen Fragen sind fünf von besonderem Interesse, die sich vor allem auf drei Sach-<br />
verhalte richten:<br />
(a) wesentliche Erfolge und Schwierigkeiten (Kurzformel: Erfolge und Schwierigkeiten) in den<br />
letzten drei Jahren;<br />
(b) die Entwicklung des Geschäftsvolumens seit dem letzten Jahr und die aktuelle<br />
Ertragslage (Kurzformel: Geschäftsvolumen und Ertragslage);<br />
(c) die Wettbewerbsposition des eigenen Unternehmens und eventuelle entscheidende<br />
Verbesserungen dieser Position (Kurzformel: Wettbewerbsposition).<br />
Die Tabellen 1, 2 und 3 geben die genaue Formulierung der jeweiligen Fragen, die den<br />
Befragten vorgegebenen Antwortmöglichkeiten und die Häufigkeiten wieder, mit der diese<br />
Möglichkeiten von den Befragten bejaht wurden. Im Anschluss hieran sind <strong>für</strong> jede Tabelle<br />
67
Burkart Lutz<br />
ein oder zwei Indikatoren zu definieren, die als ausreichend genauer Ausdruck der gesamten<br />
Antwortverteilung betrachtet werden dürfen.<br />
1.1 Erfolge und Schwierigkeiten der Betriebe<br />
Die Befragung fand (wie erinnerlich) im Herbst und Winter 2002 statt, also zu einem Zeit-<br />
punkt, der eher von einer schlechten konjunkturellen Lage geprägt war. Deshalb kann nicht<br />
verwundern, dass die wirtschaftliche Lage der Betriebe, soweit sie sich in den Aussagen der<br />
Befragten widerspiegeln, überwiegend „gemischt“, allerdings <strong>für</strong> die große Mehrzahl der<br />
befragten Betriebe keineswegs ausgesprochen schlecht ist.<br />
Tabelle 1: Erfolge und Schwierigkeiten in den letzten drei Jahren (in Prozent aller<br />
befragten Betriebe mit auswertbarem Interview - N = 1.712)<br />
Frage: Jeder Betrieb hat Erfolge und Schwierigkeiten. Wenn Sie an die letzten drei Jahre denken,<br />
welche der folgenden Aussagen treffen auf Ihren Betrieb zu?<br />
Es gab viele neue Wettbewerber, gegen die wir uns behaupten mussten. 46,3<br />
Wir haben viel in neue Technik investiert. 61,7<br />
Wir haben regelmäßig Gewinne gemacht. 57,0<br />
Wir mussten in unserem Betrieb Personal abbauen. 40,4<br />
Unser Betrieb musste deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen. 35,9<br />
Wir haben in größerem Umfang Personalaufbau betrieben. 19,0<br />
Die sechs Aussagen, die den Befragten vorgegeben wurden, lassen sich in zwei Gruppen<br />
sortieren.<br />
Die erste Gruppe enthält die Aussagen, die eindeutig auf eine insgesamt positive Lage des<br />
Betriebes verweisen: „Wir haben viel in neue Technik investiert.“, „Wir haben regelmäßig Ge-<br />
winne gemacht.“ und „Wir haben in größerem Umfang Personalaufbau betrieben.“. Trotz der<br />
geringen Häufigkeit, mit der von größerem Personalaufbau berichtet wird, ergibt sich über<br />
die drei Aussagen aus dieser Gruppe in der Gesamtheit der befragten Betriebe ein Mittelwert<br />
von 45,9 Prozent an Zustimmung.<br />
Die zweite Gruppe fasst drei weitere Aussagen zusammen, die sehr klar die Schwierigkeiten<br />
belegen, denen sich die Betriebe in neuerer Zeit konfrontiert sahen: „Es gab viele Wettbe-<br />
werber, gegen die wir uns behaupten mussten.“, „Wir mussten in unserem Betrieb Personal<br />
abbauen.“ und „Unser Betrieb musste deutliche Umsatzeinbußen hinnehmen.“. Im Durch-<br />
schnitt dieser drei eher negativ konnotierten Aussagen ergibt sich ein Wert von 40,0 Prozent.<br />
Als genereller Indikator zur Tendenz der hier dargestellten Aussagen bietet sich damit das<br />
Verhältnis zwischen diesen beiden Durchschnittswerten an:<br />
68<br />
45,9 Prozent (Erfolge) : 40,0 Prozent (Schwierigkeiten) = 1.15
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Die wirtschaftliche Lage einer bestimmten Gruppe von Betrieben stellt sich, legt man diesen<br />
Maßstab zugrunde, umso günstiger dar, je höher dieser Wert liegt, und umso schlechter, je<br />
niedriger er ist.<br />
Der durchschnittliche Indikatorwert von 1.15 darf, vor allem wenn man berücksichtigt, dass er<br />
durch die alles in allem auch bei guter Konjunktur nicht sehr wahrscheinliche Aussage „Wir<br />
haben in größerem Umfang Personalaufbau betrieben.“ tendenziell gedrückt wird, als Aus-<br />
druck einer moderat positiven Lage in der Gesamtheit der Befragungsstichprobe interpretiert<br />
werden.<br />
Unter der differenzierenden Wirkung der verschiedenen Strukturmerkmale variiert dieser<br />
Indikator, wie unter 2. noch zu zeigen, im Vergleich verschiedener Gruppen von Betrieben<br />
zwischen 0,68 und 1,69.<br />
1.2 Geschäftsvolumen und Ertragslage<br />
Die beiden hier zusammen betrachteten Fragen richten sich zum einen auf die<br />
Veränderungen des Geschäftsvolumens seit einem Jahr, zum anderen auf die Ertragslage<br />
zum Befragungszeitpunkt. Die Antworten auf beide Fragen bestätigen den Eindruck einer bei<br />
den meisten Betrieben zwischen leicht positiv und gemischt changierenden Lage.<br />
Rund zwei Fünftel aller Betriebe, die Angaben zur Entwicklung ihres Geschäftsvolumens seit<br />
dem Vorjahr machen (dies sind 36 Prozent der Gesamtstichprobe), berichten über einen<br />
Anstieg des Geschäftsvolumens. Dem steht freilich ein knappes Drittel aller auf diese Frage<br />
antwortenden Betriebe (27 Prozent der Gesamtstichprobe) gegenüber, die angeben ihr Ge-<br />
schäftsvolumen sei im Vergleich zum Vorjahr gesunken.<br />
Sehr ähnlich, wenngleich noch etwas kritischer, ist die Einschätzung der aktuellen<br />
Ertragslage. Diese wird nur von einer kleinen Zahl von Betrieben als „sehr gut“ und nur von<br />
weniger als einem Drittel der Betriebe als mindestens „gut“ bewertet. Knapp die Hälfte der<br />
Aussagen entfällt auf die beiden recht reservierten Werturteile „befriedigend“ und „ausrei-<br />
chend“. Und immerhin jeder achte Betrieb spricht von einer „mangelhaften“ oder „ungenü-<br />
genden“ Ertragslage.<br />
Angesichts dieser Antwortverteilungen sind wohl die besten Indikatoren, in denen sich die<br />
Ergebnisse von Tabelle 2 zusammenfassen lassen:<br />
• die Anteile der befragten Betriebe, die angeben ihr Geschäftsvolumen sei gegenüber<br />
dem Vorjahr gestiegen (36,3 Prozent der Gesamtstichprobe) und<br />
• die Anteile der Betriebe, die ihre Ertragslage als „gut“ und „sehr gut“ einstufen (31,1<br />
Prozent der Gesamtstichprobe).<br />
Vergleicht man die Betriebsgruppen, die sich aus der Kombination der - noch zu betrach-<br />
tenden - Strukturvariablen Größe, Sektor und Region ergeben, so variieren die Indikator-<br />
werte zwischen 20 Prozent (Kleinbetriebe im produzierenden Gewerbe West) und 60 Pro-<br />
zent (größere Dienstleistungsbetriebe West) bzw. zwischen 17 Prozent und 40 Prozent<br />
(Kleinbetriebe und größere Betriebe im produzierenden Gewerbe Ost).<br />
69
Burkart Lutz<br />
Tabelle 2: Geschäftsvolumen und aktuelle Ertragslage (in Prozent aller befragten<br />
Betriebe mit auswertbarem Interview - N = 1.712)<br />
Frage: Wie hat sich das Geschäftsvolumen im Vergleich zum Vorjahr entwickelt?<br />
gestiegen 36,3<br />
gleich geblieben 26,7<br />
gesunken 26,6<br />
weiß nicht, keine Antwort 10,4<br />
Frage: Wie schätzen Sie die Ertragslage Ihres Betriebes derzeit ein?<br />
sehr gut 2,5<br />
gut 28,6<br />
befriedigend 32,0<br />
ausreichend 16,1<br />
mangelhaft 8,0<br />
ungenügend 4,3<br />
weiß nicht, keine Angabe 8,5<br />
1.3 Wettbewerbsposition<br />
Angesichts der bisher dargestellten Ergebnisse, vor allem der in den Tabellen 1 und 2<br />
dargestellten und sehr gedämpften Einschätzung der wirtschaftlichen Lage, ist es zumindest<br />
auf den ersten Blick überraschend, dass die eigene Wettbewerbsposition und ihre Ent-<br />
wicklung in den letzten drei Jahren alles in allem von den befragten Betrieben überwiegend<br />
positiv bis sehr positiv bewertet wird.<br />
Tabelle 3, in der die Antworten auf die beiden entsprechenden (im Interview unmittelbar<br />
aufeinander folgenden) Fragen zusammengefasst sind, lässt ein erhebliches Maß an Selbst-<br />
bewusstsein sehr vieler der befragten Betriebe erkennen:<br />
Bei drei der sechs genannten Wettbewerbsfaktoren, bei Qualität, Flexibilität und Service, gibt<br />
jeweils mehr als die Hälfte der befragten Betriebe an, gegenüber den direkten Wettbe-<br />
werbern die bessere Position zu haben. Dies ist umso bemerkenswerter, als ja <strong>für</strong> viele der<br />
befragten Betriebe jeweils einige der aufgeführten Wettbewerbsfaktoren nicht wirklich rele-<br />
vant sind.<br />
Nicht sehr viel anders ist das Bild, das sich bei der Frage nach den Verbesserungen der<br />
letzten drei Jahre ergibt. Diese Frage wurde bewusst anspruchsvoll gestellt, indem die<br />
Befragten gebeten wurden anzugeben, bei welchen Wettbewerbsfaktoren sich die Stellung<br />
des eigenen Betriebes „entscheidend“ verbessert habe.<br />
Trotz dieser hohen Hürde verweisen jeweils große Gruppen von Betrieben auf beträchtliche<br />
Erfolge, insbesondere bei Service und Beratung und bei Qualität.<br />
70
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Tabelle 3: Die Wettbewerbsposition und ihre Entwicklung (in Prozent aller befragten<br />
Betriebe mit auswertbarem Interview - N = 1.712)<br />
Wettbewerbsfaktor<br />
Wie beurteilen Sie die<br />
Position Ihres Unternehmens<br />
im Vergleich zu unmittelbaren<br />
Wettbewerbern?<br />
Ist besser im Hinblick auf:<br />
Und in Bezug auf welchen<br />
Wettbewerbsfaktor hat sich<br />
Ihr Unternehmen in den letzten<br />
drei Jahren entscheidend<br />
verbessert?<br />
Preis 25,4 15,7<br />
Qualität 56,3 47,1<br />
Innovation/Technologie 37,3 39,3<br />
Termintreue/kurze Lieferzeit 39,2 26,5<br />
Flexibilität und Anpassung 53,9 41,3<br />
Service/Beratung 55,4 48,8<br />
Die Bildung eines zusammenfassenden Indikators ist bei den Antworten auf die beiden<br />
Fragen zur Wettbewerbsposition und ihrer Verbesserung in den letzten drei Jahren etwas<br />
schwieriger als bei den in Tabelle 1 und 2 dargestellten Antworten, da je nach dem analy-<br />
tischen Interesse andere Aussagen von den Indikatoren erwartet werden. Deshalb liegt es<br />
nahe, zwei Arten von Indikatoren zu nutzen:<br />
Die eine Art von Indikatoren bildet die durchschnittliche Häufigkeit ab, mit der die vorge-<br />
gebenen sechs Wettbewerbsfaktoren auf eine der beiden Fragen genannt werden. Je höher<br />
dieser Indikator liegt, desto häufiger bewerten die in einer bestimmten Gruppe zusammen-<br />
gefassten Betriebe ihre Wettbewerbsposition im Durchschnitt der sechs Faktoren als gut<br />
bzw. sehen entscheidende Verbesserungen in den letzten drei Jahren.<br />
In der Gesamtstichprobe ergibt dies Werte von<br />
44,7 Prozent <strong>für</strong> die Einschätzung: „besser als die unmittelbaren Wettbewerber“<br />
36,4 Prozent <strong>für</strong> die Einschätzung: „entscheidende Verbesserungen“.<br />
Die andere Art von Indikatoren stellt auf die relative Bedeutung einzelner Wettbewerbsfakto-<br />
ren ab, bei denen starke Differenzen zwischen Teilgruppen von Betrieben zu erwarten und<br />
tatsächlich zu beobachten sind. Sie heben also bestimmte Faktoren hervor, deren Nennung<br />
in der Stichprobe besonders stark variiert.<br />
2 Wirtschaftliche Lage und Strukturmerkmale<br />
Die Größe der Befragungsstichprobe erlaubt es, die bisher nur <strong>für</strong> die Gesamtstichprobe<br />
dargestellten Antworten anhand bestimmter Strukturmerkmale und Kombinationen von<br />
Strukturmerkmalen zu differenzieren. Dies gilt vor allem <strong>für</strong> die drei Merkmale Wirtschafts-<br />
sektor (in der Aufgliederung in produzierendes Gewerbe einschließlich Bauwirtschaft und<br />
Landwirtschaft einerseits, Dienstleistungen andererseits), Größe mit den drei Größenklassen<br />
klein (bis zu 49 Beschäftigte), mittel (50 bis 199 Beschäftigte) und größer (200 bis 999<br />
71
Burkart Lutz<br />
Beschäftigte) und Region (in der Gegenüberstellung von West und Ost bzw. alten und neuen<br />
Bundesländern).<br />
2.1 Einflüsse einzelner Strukturmerkmale auf die wirtschaftliche<br />
Lage<br />
Setzt man – in Tabelle 4 – die in den Tabellen 1 und 2 vorgestellten Angaben der befragten<br />
Betriebe zur wirtschaftlichen Entwicklung der drei letzten Jahre und zu ihrer aktuellen wirt-<br />
schaftlichen Lage in Beziehung zu den drei genannten Strukturmerkmalen, so wird ein<br />
deutlicher Einfluss sichtbar.<br />
Nimmt man die Differenzen in den Indikatorwerten als Messgröße <strong>für</strong> die Stärke des<br />
Einflusses, der vom jeweiligen Strukturmerkmal ausgeht, so ist vor allem der Unterschied<br />
zwischen produzierendem Gewerbe und Dienstleistungen hervorzuheben. Während im<br />
Durchschnitt aller befragten Dienstleistungsbetriebe deutlich mehr Erfolge bzw. positive<br />
Entwicklungen als Probleme benannt werden, überwiegen im produzierenden Gewerbe die<br />
Schwierigkeiten eindeutig über die positiven Entwicklungen. Auch beim Anteil der Betriebe,<br />
die im vergangenen Jahr einen Anstieg des Geschäftsvolumens verzeichnen konnten, liegt<br />
der Dienstleistungsbereich eindeutig vor dem produzierenden Gewerbe. Gleiches gilt, wenn-<br />
gleich schwächer ausgeprägt, <strong>für</strong> den Anteil der Betriebe, die ihre Ertragslage als sehr gut<br />
oder gut bezeichnen.<br />
Tabelle 4: Wirtschaftliche Lage und Strukturmerkmale (in Prozent aller befragten<br />
Betriebe mit auswertbarem Interview - N = 1.712)<br />
Sektor:<br />
72<br />
Indikator<br />
Erfolge/<br />
Schwierigkeiten<br />
Anstieg<br />
Geschäftsvolumen<br />
Ertragslage gut und<br />
sehr gut<br />
Produzierendes Gewerbe 41,9/51,3 = 0,82 28,6 27,9<br />
Dienstleistungen 46,9/36,9 = 1,27 38,4 31,9<br />
Region:<br />
Westdeutschland 48,1/38,7 = 1,24 39,5 33,0<br />
Ostdeutschland 42,5/41,7 = 1,02 31,6 28,0<br />
Größe:<br />
klein (bis 49 Besch.) 45,1/39,8 = 1,13 35,7 31,4<br />
mittel (50 – 199 Besch.) 48,8/40,5 = 1,20 38,5 19,7<br />
größer (200 – 999 Besch.) 56,0/39,0 = 1,41 46,5 27,6
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Diese sektoralen Unterschiede sind umso bemerkenswerter, als unter den befragten Be-<br />
trieben der Dienstleistungssektor mit einem Anteil von nahezu 80 Prozent eindeutig über-<br />
wiegt.<br />
Doch sind – zumindest auf den ersten Blick – auch die Einflüsse der beiden anderen hier<br />
betrachteten Strukturmerkmale nicht zu vernachlässigen.<br />
Die Ost-West-Unterschiede entsprechen in etwa den Erwartungen, wobei nicht zuletzt auf<br />
die erhebliche Differenz im Anteil der Betriebe zu verweisen ist, die ihre Ertragslage als gut<br />
oder sehr gut bezeichnen.<br />
Deutlich ist auch die Bedeutung der Betriebsgröße, wobei bemerkenswert ist, dass mit<br />
wachsender Größe zwar die Häufigkeit der Nennung von Schwierigkeiten nicht abnimmt,<br />
aber deutlich mehr über positive Entwicklungen berichtet wird: Von den größeren Betrieben<br />
beider Sektoren nennen über 80 Prozent große Investitionen in neue Technik gegenüber nur<br />
60 Prozent bei den kleinen Betrieben. Personalaufbau in größerem Umfang wird aus einem<br />
Drittel der größeren, hingegen nur aus einem Sechstel der kleinen Betriebe berichtet.<br />
2.2 Kumulative Effekte der Strukturmerkmale<br />
Damit stellt sich die Frage, inwieweit sich die Effekte dieser bisher nur Merkmal <strong>für</strong> Merkmal<br />
betrachteten Einflüsse in der Realität, in der sie ja stets kombiniert auftreten, wechselseitig<br />
neutralisieren oder aber verstärken. Auch ohne die Hilfe des hierzu zumindest wünschens-<br />
werten statistischen Apparates lässt sich wohl mit ausreichender Verlässlichkeit zeigen, dass<br />
und warum erhebliche kumulative Effekte der drei hier betrachteten Strukturmerkmale auf die<br />
wirtschaftliche Lage der Betriebe wahrscheinlich sind.<br />
Diese These kann sich vor allem auf einen Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung und<br />
der aktuellen Lage einiger Extremgruppen von Betrieben stützen, die sich aus der Kombi-<br />
nation der drei Strukturvariablen Sektor, Region und Größe bilden lassen und in Tabelle 5<br />
dargestellt sind. Die Annahme erheblicher kumulativer (und eben nicht komplementärer,<br />
ausgleichender) Effekte dieser drei Variablen impliziert ja, dass Betriebe, die z.B. dem pro-<br />
duzierenden Gewerbe zugehören, in Ostdeutschland liegen und eine geringe Größe auf-<br />
weisen, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und Lage besonders schlecht gestellt sind,<br />
während sich etwa größere westdeutsche Dienstleistungsbetriebe in einer besonders guten<br />
Lage befinden müssten.<br />
Tabelle 5 lässt erkennen, dass diese Erwartung insgesamt realistisch ist. Die Differenzen<br />
zwischen den beiden Gruppen von Betrieben mit der schlechtesten wirtschaftlichen Lage<br />
(Kleinbetriebe des produzierenden Gewerbes in West- und Ostdeutschland) auf der einen<br />
Seite und mit der besten wirtschaftlichen Lage (größere Betriebe des produzierenden<br />
Gewerbes in den alten Bundesländern) auf der anderen Seite sind ausgesprochen markant.<br />
Sie bezeichnen ein Feld, in das sich alle anderen Gruppen von Betrieben einfügen lassen.<br />
73
Burkart Lutz<br />
Tabelle 5: Wirtschaftliche Lage ausgewählter Gruppen von Betrieben (in Prozent aller<br />
befragten Betriebe mit auswertbarem Interview - N = 1.712)<br />
Gruppe* Erfolge/Schwierigkeiten<br />
74<br />
Indikator<br />
Anstieg<br />
Geschäftsvolumen<br />
Ertragslage gut und<br />
sehr gut<br />
Klein/Prod.Gew./Ost 36,4/53,1 = 0,68 35,5 17,0<br />
Klein/Prod.Gew./West 38,6/56,2 = 0,69 20,4 38,8<br />
Mittel/Dienstl./Ost 43,0/42,2 = 1,02 36,4 25,0<br />
Klein/Dienstl./West 48,8/35,6 = 1,37 46,9 36,9<br />
Groß/Prod.Gew./West 61,1/36,2 = 1,69 50,0 30,8<br />
*NB „Klein“ = bis 49, „mittel“ = 50 bis 199, „groß“ = zwischen 200 und 999 Beschäftigte. Das<br />
produzierende Gewerbe enthält auch Bauwirtschaft und Landwirtschaft<br />
Allerdings zeigt sich auch, dass das Zusammenwirken der drei Strukturvariablen nicht immer<br />
einer einfachen, linearen Logik folgt. So gehört die Gruppe mit der besten wirtschaftlichen<br />
Lage nicht zum Dienstleistungssektor, sondern zum produzierenden Gewerbe. Auch ist die<br />
Lage der Kleinbetriebe des produzierenden Gewerbes in den alten Bundesländern nicht sehr<br />
viel besser als in Ostdeutschland.<br />
Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang – auch mit Blick auf die<br />
folgenden Kapitel – die Bedeutung der Betriebsgröße in Kombination mit der Sektorzuge-<br />
hörigkeit und der regionalen Lage.<br />
Sowohl im Westen wie im Osten geht unterschiedliche Betriebsgröße im produzierenden<br />
Gewerbe mit weit stärkeren Unterschieden in der wirtschaftlichen Lage einher als im Dienst-<br />
leistungsbereich:<br />
Kleinbetriebe des produzierenden Gewerbes bilden, wie gezeigt, in West wie in Ost den mit<br />
weitem Abstand am schlechtesten gestellten Teil der gesamten Stichprobe, während gleich-<br />
zeitig die größeren Betriebe des gleichen Sektors im Westen eindeutig die Spitzenposition<br />
einnehmen und sich auch in Ostdeutschland zumindest im Mittelfeld behaupten. Dieser aus-<br />
geprägte Größeneffekt im produzierenden Gewerbe äußert sich nicht zuletzt im Verhältnis<br />
von Erfolgen zu Schwierigkeiten mit einem Anstieg des Indikatorwertes von 0,68 bzw. 0,69<br />
bei Kleinbetrieben in Ost und West auf 1,14 bei größeren Betrieben in Ost bzw. 1,69 in West.<br />
Auch die Häufigkeit der Angaben, das Geschäftsvolumen sei gestiegen und die Einschät-<br />
zung der Ertragslage als „gut“ oder „sehr gut“, variieren im Wesentlichen im gleichen Sinne.<br />
Über gestiegenes Geschäftsvolumen berichten im Westen nur 20 Prozent der Kleinbetriebe,<br />
aber die Hälfte der größeren Betriebe. In Ostdeutschland wird die Ertragslage nur von 17<br />
Prozent der Kleinbetriebe gegenüber 40 Prozent der größeren Betriebe als „gut“ oder „sehr<br />
gut“ bewertet.<br />
Im Dienstleistungsbereich sind hingegen die Differenzen zwischen kleinen und größeren Be-<br />
trieben in Ost wie West bei allen hier herangezogenen Indikatoren wenig ausgeprägt.
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Diese besondere Rolle der Betriebsgröße kombiniert sich nun mit erheblichen Ost-West-<br />
Unterschieden, die ihrerseits im Dienstleistungsbereich deutlich ausgeprägter sind als im<br />
produzierenden Gewerbe.<br />
Das Verhältnis zwischen Erfolgen und Schwierigkeiten (das, wie erinnerlich, in der<br />
Gesamtstichprobe bei 1,15 liegt) beträgt:<br />
im produzierenden Gewerbe Ost 0,77<br />
im produzierenden Gewerbe West 0,85<br />
im Dienstleistungsbereich Ost 1,12<br />
im Dienstleistungsbereich West 1,38<br />
Auch bei der Entwicklung des Geschäftsvolumens und bei der Ertragslage stehen die<br />
Dienstleistungsbetriebe in den alten Bundesländern, unabhängig von ihrer Größe, jeweils<br />
deutlich besser da als vergleichbare Betriebe in Ostdeutschland.<br />
3 Die Wettbewerbsposition und ihre Entwicklung<br />
Die Fragen der dritten Gruppe, deren Beantwortung eine Einschätzung der wirtschaftlichen<br />
Lage der Betriebe erlaubt, beziehen sich auf die Wettbewerbsposition und ihre eventuelle<br />
„entscheidende“ Verbesserung in den letzten drei Jahren vor der Befragung. Zwar zeigen<br />
sich auch bei diesen Fragen Unterschiede in Abhängigkeit der hier betrachteten Struktur-<br />
merkmale Sektor, Region und Größe. Doch ist das Bild alles in allem deutlich weniger kon-<br />
turiert als bei den bisher besprochenen Indikatoren. Dies schließt allerdings keineswegs aus,<br />
dass sich mehr oder minder markante Einflüsse einzelner Strukturmerkmale beobachten<br />
lassen, die hervorhebenswert sind:<br />
3.1 Betriebsgröße<br />
Während die wirtschaftliche Lage der Betriebe wesentlich von ihrer Größe bestimmt ist, lässt<br />
sich bei den Wettbewerbsfaktoren kein eindeutiger Einfluss der Betriebsgröße erkennen.<br />
Dies gilt sowohl <strong>für</strong> die Einschätzung der eigenen Position im Verhältnis zu unmittelbaren<br />
Wettbewerbern wie bei der Nennung „entscheidender“ Verbesserungen in den letzten drei<br />
Jahren. So variiert die durchschnittliche Bewertung der eigenen Position über alle Wettbe-<br />
werbsfaktoren nach Betriebsgröße lediglich zwischen 44 Prozent bei Betrieben mittlerer<br />
Größe und 45 Prozent bei Kleinbetrieben.<br />
Gewisse Tendenzen zeigen sich allenfalls bei den zwei Wettbewerbsfaktoren „Preis“ und<br />
„Technologie/Innovation“, wobei im einen Falle die Häufigkeit der Nennung mit steigender<br />
Betriebsgröße abnimmt, im anderen Falle hingegen zunimmt. Der Preis wird von 26 Prozent<br />
der kleinen Betriebe als Faktor genannt, bei dem man besser sei als unmittelbare Wett-<br />
bewerber, hingegen nur von knapp 24 Prozent der mittleren und von 20 Prozent der größer-<br />
en Betriebe. Dass sie in Technologie und Innovationen besser seien als unmittelbare<br />
75
Burkart Lutz<br />
Wettbewerber, geben hingegen 36 Prozent der kleinen, 42 Prozent der mittleren und 48<br />
Prozent der größeren Betriebe an.<br />
Kaum konturierter ist das Bild, wenn man den Zusammenhang zwischen Betriebsgröße und<br />
der Angabe betrachtet, man habe in den letzten drei Jahren bei bestimmten Wettbe-<br />
werbsfaktoren „entscheidende“ Verbesserungen erzielt. Diese Einschätzung findet sich im<br />
Durchschnitt aller Wettbewerbsfaktoren bei 36 Prozent aller Kleinbetriebe, bei 39 Prozent der<br />
mittleren und bei 38 Prozent aller größeren Betriebe. Auch bei einzelnen Wettbewerbsfak-<br />
toren sind allenfalls schwache Tendenzen, aber keine klaren Zusammenhänge mit der Be-<br />
triebsgröße zu erkennen.<br />
3.2 Sektorzugehörigkeit<br />
Etwas eindeutiger stellen sich die Verhältnisse beim Vergleich von produzierendem Gewerbe<br />
und Dienstleistungen dar.<br />
Betrachtet man die Einschätzung der eigenen Wettbewerbsposition, so fällt zunächst auf,<br />
dass Dienstleistungsbetriebe insgesamt deutlich häufiger als Betriebe des produzierenden<br />
Gewerbes (46 Prozent zu 40 Prozent im Durchschnitt aller sechs genannten Wettbewerbs-<br />
faktoren) der Aussage zustimmen, ihre Position sei im Vergleich zu unmittelbaren Wettbe-<br />
werbern „besser“.<br />
Beim Zustandekommen dieser Differenz spielen vor allem drei Wettbewerbsfaktoren eine<br />
wichtige Rolle:<br />
• der Preis (27 Prozent im Dienstleistungssektor und 18 Prozent im produzierenden<br />
76<br />
Gewerbe);<br />
• die Qualität (58 Prozent gegenüber 49 Prozent);<br />
• Dienstleistung, Service und Beratung (59 Prozent gegenüber nur 38 Prozent im pro-<br />
duzierenden Gewerbe).<br />
• Diese deutlichen Unterschiede sind vermutlich auch Ausdruck sektorspezifischer<br />
Unternehmensstrategien. Allerdings sollte dieser sektoraltypische Einfluss nicht zu hoch<br />
veranschlagt werden. Beim Wettbewerbsfaktor „Innovation/Technologie“, der auf den ers-<br />
ten Blick vor allem <strong>für</strong> Betriebe des produzierenden Gewerbes bedeutsam sein müsste,<br />
liegt der Durchschnitt des produzierenden Gewerbes nur geringfügig über dem des<br />
Dienstleistungssektors.<br />
Betrachtet man die Antworten auf die Frage nach entscheidenden Verbesserungen der<br />
Wettbewerbsposition, die in den letzten drei Jahren vor der Befragung erzielt worden seien,<br />
so sind im Durchschnitt aller Wettbewerbsfaktoren kaum sektorale Unterschiede zu verzei-<br />
chnen. Hingegen zeigen sich recht markante intersektorale Differenzen bei mehreren Wett-<br />
bewerbsfaktoren:
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Bei drei Wettbewerbsfaktoren werden von Betrieben des produzierenden Gewerbes erheb-<br />
lich häufiger „entscheidende Verbesserungen“ der eigenen Position genannt, als im Mittel<br />
aller Dienstleistungsbetriebe. Dies sind:<br />
• der Preis mit 20 Prozent im produzierenden Gewerbe und 15 Prozent im<br />
Dienstleistungsbereich;<br />
• der Faktor Lieferzeit und Termintreue mit Werten von 32 Prozent und 24 Prozent;<br />
• schließlich – am ausgeprägtesten – der Faktor Flexibilität mit Werten von 50 Prozent und<br />
39 Prozent.<br />
Bei den drei anderen Wettbewerbsfaktoren werden hingegen „entscheidende Verbes-<br />
serungen“ im Dienstleistungsbereich spürbar häufiger genannt als im produzierenden Ge-<br />
werbe. Besonders hervorzuheben sind hierbei die Qualität (41 Prozent im produzierenden<br />
Gewerbe gegenüber 47 Prozent bei Dienstleistungsbetrieben) und Dienstleistung, Service<br />
und Beratung, ein Faktor, bei dem 53 Prozent aller Dienstleistungsbetriebe, jedoch nur 34<br />
Prozent aller Betriebe im produzierenden Sektor „entscheidende Verbesserungen“ sehen.<br />
3.3 West- und ostdeutsche Betriebe<br />
Ähnlich deutliche Differenzen wie zwischen Betrieben des produzierenden Gewerbes und<br />
der Dienstleistungen sind auch zwischen Betrieben zu verzeichnen, deren Standort in Ost-<br />
oder Westdeutschland liegt.<br />
Westdeutsche Betriebe bewerten – über alle Wettbewerbsfaktoren – ihre Position im Ver-<br />
gleich zu unmittelbaren Konkurrenten mit 46 Prozent etwas besser als ostdeutsche Betriebe<br />
mit 42 Prozent. Im Einzelnen ergibt sich diese Differenz aus meist nur geringfügig höheren<br />
Werten bei einer ganzen Reihe von Wettbewerbsfaktoren. Nennenswert sind insbesondere<br />
die Faktoren Preis (Ost = 23 Prozent, West = 27 Prozent), Innovation/Technologie (Ost = 34<br />
Prozent, West = 40 Prozent) sowie Dienstleistungen, Service und Beratung (Ost = 51<br />
Prozent, West = 58 Prozent).<br />
Hingegen ist – immer bei den Antworten auf die Frage nach der relativen Wettbewerbs-<br />
position – bei keinem Wettbewerbsfaktor ein deutlicher Vorsprung der Ost- gegenüber den<br />
Westbetrieben zu verzeichnen.<br />
Deutlich anders ist das Bild bei den Antworten auf die Frage nach entscheidenden Ver-<br />
besserungen in den letzten drei Jahren. Hier bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen<br />
Ost und West. Der Mittelwert positiver Antworten auf diese Frage über alle Wettbe-<br />
werbsfaktoren beträgt 40 Prozent bei den Ost-, aber nur 34 Prozent bei den Westbetrieben.<br />
Auch sind bei einzelnen Wettbewerbsfaktoren zum Teil bemerkenswert starke Unterschiede<br />
zwischen Ost und West zu beobachten. Hervorzuheben sind vor allem die Faktoren<br />
• Qualität, bei der nur 41 Prozent aller Westbetriebe, aber 57 Prozent aller Ostbetriebe die<br />
Tatsache „entscheidender Verbesserungen“ angeben;<br />
• Flexibilität mit 48 Prozent im Osten und 37 Prozent im Westen;<br />
77
Burkart Lutz<br />
• Dienstleistungen, Service und Beratung mit 55 Prozent im Osten und 45 Prozent im<br />
78<br />
Westen.<br />
Dieses Bild legt die Vermutung nahe, dass sich die ostdeutschen Betriebe zwar im Durch-<br />
schnitt noch in einer spürbar schlechteren Wettbewerbsposition befinden, als dies bei den<br />
westdeutschen Betrieben der Fall ist, dass jedoch in Ostdeutschland in neuerer Zeit große<br />
und zumindest teilweise auch offenkundig erfolgreiche Anstrengungen unternommen wurden<br />
(und wohl immer noch unternommen werden), diesen Rückstand aufzuholen.<br />
Es versteht sich wohl von selbst, dass diese Vermutung, sollte sie sich bestätigen, von hoher<br />
Bedeutung <strong>für</strong> die Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft sein könnte.<br />
3.4 Die Kombination sektoraler und regionaler Einflüsse – das<br />
Beispiel des produzierenden Gewerbes<br />
Um die Stichhaltigkeit der Vermutung zu überprüfen, dass sehr viele ostdeutsche Betriebe<br />
erfolgreich bemüht sind, ihre Wettbewerbsposition nachhaltig zu verbessern, bietet sich die<br />
Betrachtung der kombinierten Effekte von regionaler Lage und Sektorzugehörigkeit am Bei-<br />
spiel des produzierenden Gewerbes an. Die Beschränkung auf diesen Sektor legitimiert sich,<br />
da hierdurch mögliche Effekte unterschiedlicher sektoraler Struktur der Stichprobe in Ost und<br />
West weniger stören können. Auch dürfte der Wettbewerbsdruck im produzierenden Ge-<br />
werbe allgemeiner sein als im Dienstleistungsbereich.<br />
Vergleicht man zu diesem Zweck die Häufigkeiten, mit denen im produzierenden Gewerbe in<br />
Ost und in West die eigene Wettbewerbsposition Faktor <strong>für</strong> Faktor „besser als bei unmit-<br />
telbaren Wettbewerbern“ bezeichnet und von „entscheidenden Verbesserungen während der<br />
letzten drei Jahre“ gesprochen wird, so erhärtet und konturiert sich das eben skizzierte Bild.<br />
Hervorhebenswert sind drei Tatbestände:<br />
(1) Bei den Wettbewerbsfaktoren Qualität, Innovation/Technologie und Termintreue/kurze<br />
Lieferzeiten sind innerhalb des produzierenden Sektors große bis sehr große Unterschiede<br />
in der Nennung „entscheidender Verbesserungen“ zu beobachten.<br />
In zwei Fällen liegt die Häufigkeit im Osten beträchtlich höher als im Westen: Verbes-<br />
serungen bei Termintreue und Lieferzeiten benennen nur 28 Prozent im Westen gegenüber<br />
38 Prozent im Osten. Von „entscheidenden Verbesserungen“ bei der Qualität berichten nur<br />
31 Prozent der Westbetriebe, hingegen 55 Prozent aller Ostbetriebe.<br />
Beim Wettbewerbsfaktor Innovation/Technologie werden demgegenüber entscheidende Ver-<br />
besserungen wesentlich häufiger im Westen (mit 44 Prozent) als im Osten (mit 30 Prozent)<br />
genannt.<br />
(2) Auch dort, wo die Ostbetriebe besonders häufig von „entscheidenden Verbesserungen“<br />
berichten, bleibt dennoch die Wettbewerbsposition („sind besser als die unmittelbaren Wett-<br />
bewerber“) im Osten spürbar schlechter als im Westen.
Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Hier<strong>für</strong> ist der Wettbewerbsfaktor Qualität ein gutes Beispiel: Obwohl die Häufigkeit, mit der<br />
„entscheidende Verbesserungen“ in der Qualität genannt werden, in Ost fast das Doppelte<br />
des Westwertes beträgt, wird die aktuelle Wettbewerbsposition bei diesem Faktor im Westen<br />
mit 54 Prozent <strong>für</strong> die Aussage „besser als unmittelbare Wettbewerber“ deutlich positiver<br />
bewertet als im Osten mit nur 42 Prozent.<br />
Der kompensatorische Charakter der Verbesserungsbemühungen, die dezidierte Absicht,<br />
bisherige Schwächen zu überwinden, ist unverkennbar.<br />
(3) Schließlich ist festzuhalten, dass die von den Ostbetrieben als wichtig genannten<br />
Verbesserungen vorwiegend im Bereich der „weichen“ Wettbewerbsfaktoren liegen.<br />
Vieles spricht also da<strong>für</strong>, dass eine große Zahl von Ostbetrieben seit einigen Jahren nicht<br />
ohne Erfolg bemüht ist, ihre in den 90er Jahren vielfach kritisierte Technikfixierung zu über-<br />
winden und weit mehr als bisher auf organisatorische Maßnahmen zur Rationalisierung von<br />
Abläufen und Geschäftsprozessen, zur Verschlankung ihrer Strukturen und zur Steigerung<br />
ihrer Reaktionsfähigkeit auf Marktbewegungen setzen.<br />
79
Burkart Lutz<br />
II Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen im<br />
Überblick<br />
1 Der Hintergrund: Verbreitete Personalprobleme<br />
Betriebliche Maßnahmen, Aufwendungen und sonstige Vorkehrungen zur Sicherung und Er-<br />
höhung der Kompetenz ihrer Mitarbeiter sind, wenngleich sie in vielfacher Form Bestandteil<br />
des Betriebsalltags sind, keineswegs selbstverständlich. Sie leisten sicherlich vielfach einen<br />
wichtigen Beitrag zur Produktivität der Beschäftigten, zum Innovationspotential des Betriebes<br />
und zur Qualität seiner Produkte bzw. Dienstleistungen. Sie können jedoch auch nicht uner-<br />
hebliche Kosten verursachen und dazu beitragen, dass sich mit der Leistungsfähigkeit der<br />
Mitarbeiter im eigenen Betrieb auch ihr Wert auf dem externen Arbeitsmarkt und damit das<br />
Risiko ihrer Abwanderung mit mehr oder minder gravierendem Know-How-Abfluss erhöhen.<br />
In den Vorbemerkungen wurde in analytischer Perspektive die Frage formuliert, ob und<br />
inwieweit die betrieblichen Aktivitäten zur Kompetenzerhöhung aller oder einiger Mitarbeiter<br />
vor allem ressourcenbedingt oder aber bedarfsgetrieben sind. Insoweit letzteres der Fall ist,<br />
müsste sich mit diesen Aktivitäten jeweils auch ein mehr oder minder präzise berechneter<br />
oder zumindest deutlich wahrgenommener Bedarf verbinden.<br />
Deshalb wurden die befragten Betriebe im Interview gebeten, anhand einer Liste von sieben<br />
häufig vorkommenden Personalproblemen anzugeben, welche von diesen <strong>für</strong> sie bedeutsam<br />
sind. Tabelle 1 zeigt – in der Reihenfolge absteigender Häufigkeit der Nennung – das Ergeb-<br />
nis <strong>für</strong> die Gesamtheit der gut 1.700 auswertbaren Interviews, wobei vor allem auch zu<br />
berücksichtigen ist, dass die Befragungsstichprobe ganz überwiegend aus kleinen und sehr<br />
kleinen Unternehmen besteht und dass die befragten Betriebe einer Vielzahl von Branchen,<br />
vor allem aus dem Dienstleistungssektor, zugehören.<br />
Das Bild, das sich in Tabelle 1 zeigt, ist sehr eindeutig. Eine erhebliche Mehrheit der befrag-<br />
ten Betriebe hat Personalprobleme, die als bedeutsam betrachtet werden, wobei Kompe-<br />
tenzdefizite und Probleme der Rekrutierung von kompetenten Fach- und Führungskräften<br />
eindeutig am wichtigsten sind.<br />
Weit an der Spitze unter den Personalproblemen, die von den befragten Betrieben genannt<br />
werden, steht – mit 70 Prozent – die Schwierigkeit, erfahrene Fachkräfte auf dem Arbeits-<br />
markt zu rekrutieren, gefolgt von dem Problem, Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt zu<br />
finden (41 Prozent). Gleichfalls auf Kompetenzdefizite verweisen auch die beiden in der<br />
Rangreihe der Häufigkeit nächstfolgenden Probleme: Mangel an Nachwuchskräften (35 Pro-<br />
zent) und Qualifizierungsdefizite der Mitarbeiter (32 Prozent).<br />
Angesichts der im Vorstehenden dargestellten erheblichen Unterschiede in der wirtschaft-<br />
lichen Lage der Betriebe wäre an sich zu erwarten, dass auch die Betroffenheit der Betriebe<br />
durch Personalprobleme je nach Branche, Größe und regionaler Lage stark variiert –<br />
entweder indem in bestimmten Gruppen von Betrieben insgesamt weniger Probleme als<br />
80
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
bedeutsam genannt werden oder indem bei verschiedenen Gruppen jeweils andere<br />
Probleme im Vordergrund stehen. Beides ist jedoch bemerkenswerter Weise nur wenig der<br />
Fall. Die Personalprobleme wurden zumeist aus größeren und kleinen Betrieben, aus dem<br />
produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungsbereich, aus Ost und West annähend<br />
gleich häufig benannt.<br />
Tabelle 1: Personalprobleme der Betriebe (in Prozent aller befragten Betriebe - N = 1.712<br />
Mehrfachnennungen möglich)<br />
Frage: Bitte sagen Sie uns zunächst, welche der folgenden Probleme <strong>für</strong> Ihren Betrieb bedeutsam<br />
sind:<br />
Erfahrene Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen 70,1<br />
Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt zu finden 40,7<br />
Mangel an Nachwuchskräften 33,8<br />
Qualifizierungsdefizite der Mitarbeiter 31,8<br />
Abwanderungen von Fachkräften 25,3<br />
Überalterung der Beschäftigten 18,4<br />
Fluktuation von Mitarbeitern 12,7<br />
Die Häufigkeit, mit der die Schwierigkeit, erfahrene Fachkräfte vom Arbeitsmarkt zu<br />
rekrutieren, genannt wird, variiert lediglich zwischen 69 Prozent im Dienstleistungsbereich<br />
und 73 Prozent im produzierenden Gewerbe. Ebenso streut bei dem Problem „Qualifi-<br />
zierungsdefizite der Mitarbeiter“ die Häufigkeit der Nennungen nur zwischen 30 Prozent (alle<br />
mittleren und größeren Betriebe) auf der einen Seite und 34 Prozent (Gesamtheit des ver-<br />
arbeitenden Gewerbes) auf der anderen Seite.<br />
Immerhin werden – weitgehend überraschungsfrei – drei Probleme von den ostdeutschen<br />
Betrieben spürbar seltener, als von den westdeutschen Betrieben genannt. Es sind dies:<br />
Mangel an Nachwuchskräften (31 Prozent zu 36 Prozent), Abwanderung von Fachkräften<br />
(22 Prozent zu 28 Prozent) und Fluktuation der Mitarbeiter (10 Prozent zu 14 Prozent).<br />
Die deutlichsten Unterschiede zeigen sich bei der Häufigkeit, mit der die Schwierigkeit,<br />
Führungskräfte am Arbeitsmarkt zu finden, von Betrieben unterschiedlicher Größe genannt<br />
wird. Dieses Problem wird nur von 39 Prozent der kleinen Betriebe mit weniger als 50<br />
Mitarbeitern hervorgehoben, hingegen von 51 Prozent der mittelgroßen (50 – 199 Mitarbei-<br />
ter) und 59 Prozent der größeren Betriebe (200 – 999 Mitarbeiter). Auch die Überalterung<br />
der Mitarbeiter wird mit 27 Prozent bzw. 28 Prozent von mittleren und größeren Betrieben<br />
deutlich häufiger als Problem benannt denn von kleinen Betrieben (17 Prozent).<br />
Die Tatsache, dass alles in allem die Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen<br />
großen Gruppen von Betrieben nicht sehr groß sind, lässt sich auch nicht dadurch zu-<br />
reichend erklären, dass es sich bei den Gesprächspartnern der Interviewer oftmals (aber<br />
keineswegs immer) um den Personalverantwortlichen des Betriebes handelte, dem<br />
81
Burkart Lutz<br />
Personalprobleme an sich besonders präsent sein müssten. Dies war jedoch vor allem in<br />
größeren Betrieben der Fall. Gerade aus der großen Zahl von kleinen und sehr kleinen Be-<br />
trieben wurden hingegen überwiegend die Geschäftsführer interviewt. Offenkundig werden<br />
demnach Personalprobleme in großen Teilen der Wirtschaft als Schwierigkeiten betrachtet,<br />
mit denen sich der Betrieb in der einen oder anderen Weise auseinandersetzen muss. Und<br />
es ist wenig überraschend, dass unter diesen Personalproblemen jene als besonders<br />
präsent bzw. dringlich bezeichnet werden, zu deren Lösung Weiterbildung und/oder andere<br />
Formen der Kompetenzentwicklung einen wichtigen Beitrag leisten oder wenigstens zu<br />
leisten versprechen.<br />
2 Formelle Weiterbildung und informelles Lernen<br />
Die meisten weitaus größeren Erhebungen über betriebliche Weiterbildungsaktivitäten erfas-<br />
sen (aus erhebungstechnisch an sich durchaus legitimen Gründen) von diesen lediglich for-<br />
melle Maßnahmen, also insbesondere organisierte Veranstaltungen, Kurse oder Lehrgänge.<br />
Mit dieser Beschränkung kontrastiert nun, dass in der arbeitssoziologischen und arbeits-<br />
psychologischen Forschung und Literatur vielfältige Vorgänge von mehr oder minder impli-<br />
zitem Lernen, meist in enger Verbindung mit dem Arbeitsprozess, beschrieben oder selbst-<br />
verständlich unterstellt werden und dass bestimmten Formen von Arbeitsorganisation, z.B.<br />
Gruppenarbeit oder Qualitätszirkel, in der Organisationstheorie wie in der Organisations-<br />
praxis nicht selten ausdrücklich erhebliche „Lernförderlichkeit“ zuerkannt wird.<br />
Deshalb wurde bei der Konzeption und Realisierung der Befragung, über deren Ergebnisse<br />
hier berichtet wird, sehr großer Wert darauf gelegt, nicht nur die Strukturen formeller, organi-<br />
sierter Weiterbildung, sondern auch die informellen Formen von Lernen und Kompetenz-<br />
entwicklung möglichst detailliert und realitätsnah zu erfassen.<br />
2.1 Formelle, organisierte Weiterbildung<br />
Alle Betriebe, die sich an der Erhebung beteiligten, wurden gefragt, ob in den letzten zwölf<br />
Monaten Mitarbeiter an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen hatten. Hierbei wurden im<br />
Interesse eines detaillierten Bildes betriebliche Weiterbildungsaktivitäten unterschieden:<br />
• einerseits nach betriebsinternen und nach externen, nicht im Betrieb stattfindenden Kur-<br />
82<br />
sen, Lehrgängen und ähnlichem,<br />
• andererseits nach den vier Mitarbeitergruppen Führungspersonal und hochqualifizierte<br />
Angestellte, Fachangestellte, Facharbeiter sowie An- und Ungelernte – soweit die ent-<br />
sprechende Mitarbeitergruppe im Betrieb überhaupt vorhanden ist.<br />
Insgesamt hatte damit also jeder Betrieb bis zu acht Einzelfragen zu beantworten.<br />
In Tabelle 2 sind die Anteile der Betriebe zusammen gestellt, die jeweils <strong>für</strong> mindestens eine<br />
der vier unterschiedenen Mitarbeitergruppen eine Beteiligung an intern und extern organi-<br />
sierter Weiterbildung bejaht haben.
In der Tabelle sind zwei Sachverhalte hervorzuheben:<br />
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
(1) Ein sehr hohes Niveau der Beteiligung an organisierter, formeller Weiterbildung<br />
Angesichts der Häufigkeit, mit der von den Betrieben Personalprobleme als <strong>für</strong> sie be-<br />
deutsam genannt werden und angesichts der Tatsache, dass hierbei der Kompetenzaspekt<br />
eine wesentliche Rolle spielt, ist es an sich nicht überraschend, dass sich die befragten<br />
Betriebe überwiegend in der einen oder anderen Form an organisierter Weiterbildung be-<br />
teiligen. Dennoch ist auf dem Hintergrund der sehr stark durch Kleinbetriebe geprägten<br />
Größenstruktur der Befragungsstichprobe und angesichts des in der Forschung immer<br />
wieder beschriebenen engen Zusammenhangs von Betriebsgröße und Weiterbildungsaktivi-<br />
täten die große Verbreitung von betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten bemerkenswert.<br />
Tabelle 2: Beteiligung an interner und externer Weiterbildung (in Prozent der befragten<br />
Betriebe, die Mitarbeiter der jeweiligen Gruppe beschäftigen)<br />
Frage: Bitte sagen Sie uns, ob in den zurückliegenden zwölf Monaten Mitarbeiter Ihres Betriebes<br />
teilgenommen haben an Kursen, Lehrgängen oder Seminaren.<br />
Mitarbeitergruppe N Intern Extern<br />
Führungspersonal und hochqualifizierte Angestellte 1.641 56,0 62,3<br />
Fachangestellte 1.507 62,1 62,9<br />
Facharbeiter 908 58,8 46,4<br />
An- und Ungelernte 961 40,5 22,3<br />
Über 60 Prozent aller befragten Betriebe (unter denen die meisten weniger als 50 Mitarbeiter<br />
beschäftigen) haben in den zwölf Monaten vor der Befragung zumindest einzelnen Mit-<br />
arbeitern – vor allem aber keineswegs nur Führungspersonal und Hochqualifizierten - die<br />
Teilnahme an externen oder betriebsinternen Weiterbildungsveranstaltungen ermöglicht.<br />
Das Niveau der Beteiligung an betriebsinterner und an externer Weiterbildung unterscheidet<br />
sich insgesamt nur wenig. Bildet man den gewichteten Durchschnitt über die vier Mitar-<br />
beitergruppen, so liegt der durchschnittliche Anteil der beteiligten Betriebe bei internen Maß-<br />
nahmen mit 55 Prozent nur geringfügig höher als bei externen Veranstaltungen mit 52 Pro-<br />
zent.<br />
(2) Eine eindeutige Hierarchie der Beteiligung nach Mitarbeitergruppen<br />
In Übereinstimmung mit den Befunden der gesamten einschlägigen Forschung zeigt sich im<br />
Hinblick auf die Beteiligung der verschiedenen Mitarbeitergruppen eine markante hierar-<br />
chische Ungleichheit. Sie wirkt vor allem zu Gunsten des Führungspersonals und der Fach-<br />
angestellten und eindeutig zu Lasten der An- und Ungelernten.<br />
Diese Hierarchie ist wesentlich ausgeprägter <strong>für</strong> die Teilnahme an externen als an internen<br />
Maßnahmen: Nur ein gutes Fünftel der Betriebe, die An- und Ungelernte beschäftigen,<br />
haben zumindest einem Mitglied dieser Gruppe die Teilnahme an externen Kursen und<br />
83
Burkart Lutz<br />
ähnlichem ermöglicht, während deren Teilnahme an internen Maßnahmen fast doppelt so<br />
häufig ist. Auch Facharbeiter, die im Vergleich zu Fachangestellten in kaum weniger Be-<br />
trieben an internen Veranstaltungen teilnehmen konnten, haben deutlich seltener als diese<br />
Zugang zu externer Weiterbildung.<br />
Vergleicht man die Teilnahmehäufigkeit an externen und internen Maßnahmen nach<br />
Mitarbeitergruppen, so wird sichtbar, dass der wesentlich stärkeren Beteiligung von gewerb-<br />
lichem Personal (Facharbeiter und Angelernte) an internen Maßnahmen ein deutlich grö-<br />
ßeres Gewicht des Besuchs externer Veranstaltungen bei Führungspersonal und hoch-<br />
qualifizierten Angestellten (63 Prozent gegenüber 56 Prozent bei internen Maßnahmen)<br />
entspricht.<br />
2.2. Informelles, arbeitsnahes Lernen<br />
Um neben formeller Weiterbildung in Kursen, Lehrgängen und Seminaren auch die nicht-<br />
organisierten Formen von Kompetenzentwicklung zu erfassen, die in der bisherigen Weiter-<br />
bildungsforschung nur wenig Beachtung fanden, wurde den befragten Betriebsvertretern von<br />
den Interviewern eine Liste von acht Formen informellen Lernens vorgelesen. Die Befragten<br />
wurden gebeten, jeweils <strong>für</strong> die verschiedenen Mitarbeitergruppen ihres Betriebes anzu-<br />
geben, ob diese Lernform <strong>für</strong> diese Mitarbeitergruppe wichtig sei. Die Betriebe wurden also<br />
veranlasst, sich zu acht Lernformen im Hinblick auf bis zu vier Mitarbeitergruppen zu äußern.<br />
Das sehr facettenreiche Bild der Ergebnisse ist in Tabelle 3 dargestellt, wobei die Lernfor-<br />
men in der Reihenfolge absteigender Häufigkeit ihrer Nennung im Durchschnitt aller<br />
Mitarbeitergruppen aufgeführt werden. Bei der Betrachtung der Tabelle ist im Übrigen zu<br />
beachten, dass als Grundgesamtheit der Prozentuierung jeweils nur die Zahl der Betriebe<br />
diente, in denen die entsprechende Mitarbeitergruppe überhaupt vertreten ist – was vor<br />
allem bei den Facharbeitern und den An- und Ungelernten in recht vielen Dienstleistungs-<br />
betrieben nicht der Fall ist.<br />
Bereits beim ersten Blick auf Tabelle 3 wird deutlich, welche hohe Bedeutung in vielen Be-<br />
trieben bestimmte Formen informellen Lernens besitzen.<br />
In Übereinstimmung mit den bisher referierten Befunden sind in Tabelle 3 und mit Hilfe der in<br />
der Tabelle referierten Befunde drei Sachverhalte besonders hervorzuheben: (1) die be-<br />
trächtlichen Differenzen in der Häufigkeit, mit der die verschiedenen Lernformen als wichtig<br />
genannt werden, (2) die Existenz deutlicher Hierarchieeffekte bei wichtigen Lernformen, die<br />
allerdings (3) zwischen verschiedenen Arten von Lernformen deutlich variieren.<br />
(1) Stark variierende Häufigkeit der Nennung der verschiedenen Lernformen<br />
Die Häufigkeit, mit der von den befragten Betrieben verschiedene Formen informellen,<br />
arbeitsnahen Lernens als zumindest <strong>für</strong> einzelne Mitarbeitergruppen wichtig bezeichnet<br />
werden, ist insgesamt ausgesprochen hoch. Betrachtet man jeweils die Mitarbeitergruppe mit<br />
der höchsten Häufigkeit, bei der es sich oftmals, aber keineswegs immer um<br />
84
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
Führungspersonal und hoch qualifizierte Angestellte handelt, so sind Spitzenwerte bei drei<br />
Lernformen zu verzeichnen:<br />
Das Lesen von Fachliteratur wird von 88 Prozent der befragten Betriebe und der Besuch von<br />
Vorträgen, Messeveranstaltungen und Fachtagungen von 78 Prozent der Betriebe als <strong>für</strong><br />
Führungskräfte und Hochqualifizierte wichtig genannt. Information und Unterweisung durch<br />
Vorgesetzte, Experten oder Lieferanten bezeichnen 76 Prozent der Betriebe als <strong>für</strong> Fachan-<br />
gestellte und Facharbeiter wichtig.<br />
Tabelle 3: Wichtigkeit informeller Lernformen <strong>für</strong> die Mitarbeitergruppen (N = Zahl der<br />
befragten Betriebe, die Mitarbeiter der jeweiligen Gruppe beschäftigen, in<br />
Prozent)<br />
Frage: Auch jenseits von Kursen und Schulungen erweitern Mitarbeiter ihre Kenntnisse und<br />
Fähigkeiten – insbesondere durch Austausch und Lernen im Betriebs- und Arbeitsalltag. Bitte<br />
sagen Sie uns, <strong>für</strong> welche Mitarbeitergruppen die folgenden Lernformen wichtig sind.<br />
Lernformen<br />
Information, Unterweisung durch<br />
Vorgesetzte oder Experten<br />
Lesen von Fachliteratur,<br />
Fachzeitschriften etc.<br />
Führungspersonal <br />
Fachangestellte <br />
Facharbeiter<br />
An- und<br />
Ungelernte<br />
N = 1.637 N = 1.503 N = 905 N = 961<br />
49,3 76,0 76,0 56,5<br />
88,3 76,6 51,6 30,5<br />
Gruppen- oder Teamarbeit 48,1 49,4 40,0 25,3<br />
Vorträge, Messeveranstaltungen,<br />
Fachtagungen<br />
Qualitätszirkel, Projektarbeit,<br />
multifunktionale Teams<br />
77,5 52,6 33,1 16,8<br />
41,2 23,7 36,9 20,7<br />
Computergestütztes Lernen 31,9 33,6 22,1 12,8<br />
Patenschaften oder Coaching 18,7 21,0 12,7 13,2<br />
Job-Rotation 10,5 16,1 14,9 8,5<br />
Doch auch bei den übrigen Formen informellen Lernens wird die Wichtigkeit <strong>für</strong> bestimmte<br />
Mitarbeitergruppen mit zum Teil erheblicher Häufigkeit hervorgehoben.<br />
Bildet man den – gewichteten – Durchschnitt über die Häufigkeit, mit der die einzelnen<br />
Lernformen <strong>für</strong> die vier unterschiedenen, jeweils im Betrieb vertretenen Mitarbeitergruppen<br />
als wichtig bezeichnet werden, so lässt sich die Liste der Lernformen in drei Gruppen<br />
zusammenfassen:<br />
85
Burkart Lutz<br />
• Sehr häufig (mit Durchschnitten von 67 Prozent und 64 Prozent der befragten Betriebe)<br />
86<br />
werden genannt das „Lesen von Fachliteratur“ sowie „Information und Unterweisung<br />
durch Vorgesetzte oder Experten“.<br />
• Häufig ist weiterhin die Nennung von „Vorträgen, Messeveranstaltungen, Fachtagungen“<br />
(mit einem Durchschnittswert von 50 Prozent der befragten Betriebe), „Gruppen- oder<br />
Teamarbeit“ (44 Prozent) und „Qualitätszirkel, Projektarbeit oder multifunktionale Teams“<br />
(37 Prozent).<br />
• Weniger häufig ist die Nennung der restlichen Lernformen.<br />
Diese restlichen Lernformen – „computergestütztes Lernen“ (mit immerhin noch 27 Prozent),<br />
„Patenschaften und Coaching“ (17 Prozent) sowie „Job-Rotation“ (13 Prozent) – sind offen-<br />
kundig nur in bestimmten Betrieben von größerer Bedeutung <strong>für</strong> die Kompetenzentwicklung<br />
der Mitarbeiter.<br />
(2) Deutliche Hierarchieeffekte auch bei wichtigen Formen informellen Lernens<br />
Zugleich lassen die Werte von Tabelle 3 eine ausgeprägte Hierarchie der Beteiligung auch<br />
an informellen Lernformen erkennen. Vergleicht man die Mitarbeitergruppen im Hinblick auf<br />
die Häufigkeit, mit der die aufgeführten Lernformen als <strong>für</strong> sie wichtig bezeichnet werden, so<br />
ergibt sich auch beim informellen Lernen ein klares Gefälle, das weitgehend mit den – ganz<br />
überwiegend hierarchisch bedingten – Differenzen in der Teilnahme der Mitarbeitergruppen<br />
an interner und vor allem an externer Weiterbildung übereinstimmt:<br />
Den rund 60 Prozent der Betriebe, in denen Führungspersonal, hochqualifizierte Angestellte<br />
und Fachangestellte an interner und/oder externer Weiterbildung teilgenommen haben,<br />
stehen 46 Prozent gegenüber, die – im Durchschnitt aller Lernformen – informelles Lernen<br />
der einen oder der anderen Art als <strong>für</strong> diese Mitarbeitergruppen wichtig bezeichnen. Bei den<br />
Facharbeitern sowie bei den An- und Ungelernten lauten die entsprechenden Werte hin-<br />
gegen bei Weiterbildung 53 Prozent und 31 Prozent, jedoch bei informellem Lernen im<br />
Durchschnitt aller Lernformen nur 36 Prozent und 23 Prozent.<br />
Betrachtet man auf diesem Hintergrund die acht bei der Befragung vorgegebenen Formen<br />
informellen Lernens aus der Perspektive der vier unterschiedenen Mitarbeitergruppen, so<br />
werden teilweise recht markante Profile der Wichtigkeit verschiedener Lernformen <strong>für</strong> die<br />
einzelnen Mitarbeitergruppen sichtbar. Diese Profile können offenkundig nicht lediglich als<br />
Ausdruck der betriebshierarchischen Stellung gedeutet werden, sondern hängen vermutlich<br />
recht eng mit den <strong>für</strong> die verschiedenen Gruppen charakteristischen Arbeitssituationen,<br />
Qualifikationen und Berufskulturen zusammen:<br />
Für Führungspersonal und hochqualifizierte Angestellte sind, wie erinnerlich, „Lesen von<br />
Fachliteratur“ sowie „Vorträge, Messeveranstaltungen und Fachtagungen“ mit Nennungs-<br />
häufigkeiten von 88 Prozent und 78 Prozent von herausragender Bedeutung. Hinzu kommen<br />
mit mittlerer Bedeutung: „Information und Unterweisung durch Vorgesetzte und Experten“<br />
(49 Prozent), „Gruppen- und Teamarbeit“ (48 Prozent) sowie „Qualitätszirkel, Projektarbeit<br />
oder multifunktionale Teams“ (41 Prozent).
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
Bei Fachangestellten stehen das Lesen von Fachliteratur sowie Information und Unter-<br />
weisung mit 77 Prozent und 76 Prozent eindeutig an erster Stelle, gefolgt von den gleichen<br />
Lernformen, die auch beim Führungspersonal von mittlerer Wichtigkeit sind.<br />
Bei Facharbeitern ist Information und Unterweisung mit 76 Prozent deutlich am wichtigsten,<br />
gefolgt von Lesen von Fachliteratur, Fachzeitschriften u.Ä. (52 Prozent) und Gruppen- bzw.<br />
Teamarbeit (40 Prozent).<br />
Bei den An- und Ungelernten wird Information und Unterweisung mit 56 Prozent am<br />
häufigsten als wichtig bezeichnet; häufigere Nennungen finden sich daneben bei Lesen (30<br />
Prozent) und Gruppen- bzw. Teamarbeit (25 Prozent).<br />
(3) Erhebliche Unterschiede im Hierarchieeffekt je nach der Art der Lernformen<br />
Hervorzuheben ist, dass die genannten Hierarchieeffekte bei bestimmten Lernformen beson-<br />
ders ausgeprägt, bei anderen jedoch wesentlich schwächer sind. Besonders stark ist der<br />
Hierarchieeffekt bei den beiden Lernformen „Lesen von Fachliteratur“ und „Vorträge, Messe-<br />
veranstaltungen und Fachtagungen“. Lesen wird <strong>für</strong> das Führungspersonal und hochquali-<br />
fizierte Angestellte fast dreimal so häufig, Vorträge sogar mehr als viermal so häufig als<br />
wichtig bezeichnet, wie dies bei den an- und ungelernten Mitarbeitern der Fall ist.<br />
Eine detailliertere Analyse der Beteiligung der unterschiedenen Mitarbeitergruppen an den<br />
genannten Formen informellen Lernens macht allerdings sichtbar, dass bei anderen Lern-<br />
formen die Zugangsmöglichkeiten <strong>für</strong> die unterschiedenen Mitarbeitergruppen wesentlich<br />
egalitärer sind, als eben an den Beispielen des Lesens von Fachliteratur und des Besuchs<br />
von Vorträgen, Messen und ähnlichem dargestellt. So wird etwa die Lernform „Patenschaften<br />
und Coaching“ <strong>für</strong> Facharbeiter und Angelernte nicht viel seltener als <strong>für</strong> Führungspersonal<br />
und Fachangestellte als wichtig bezeichnet. Die Wichtigkeit von Information und Unterwei-<br />
sung durch Vorgesetzte oder Experten wird <strong>für</strong> An- und Ungelernte sogar häufiger als <strong>für</strong><br />
Führungspersonal als wichtig benannt.<br />
Deshalb spricht manches da<strong>für</strong>, dass die variierende Teilnahme der unterschiedenen Mit-<br />
arbeitergruppen an den Formen informellen Lernens nicht nur Funktion ihrer unterschied-<br />
lichen Stellung in der Betriebshierarchie ist, sondern auch mit Unterschieden in der Arbeits-<br />
situation sowie in den jeweiligen Berufskulturen und Traditionen zusammenhängen, die sich<br />
in mehr oder weniger hoher Affinität zu bestimmten Lernformen niederschlagen können und<br />
insofern zumindest auch als Ausdruck spezifischer Profile von betrieblicher Kompetenzent-<br />
wicklung gewertet werden müssen.<br />
Will man die mehr oder weniger egalitäre oder hierarchische Chance des Zugangs zu den im<br />
Interview genannten Formen informellen Lernens vergleichend bewerten, so bietet sich als<br />
einfachstes Verfahren die Berechnung eines elementaren „Ungleichheitsindex“ an, der an-<br />
gibt, wie stark <strong>für</strong> jede Lernform die Häufigkeit ihrer Bezeichnung <strong>für</strong> die verschiedenen<br />
Mitarbeitergruppen jeweils variiert. Zur Ermittlung eines solchen Index wurde <strong>für</strong> jede<br />
Lernform die Differenz zwischen ihrer jeweiligen Nennung als <strong>für</strong> jede Mitarbeitergruppe<br />
wichtig und dem Durchschnitt der Häufigkeit über die vier Mitarbeitergruppen gebildet. Dies<br />
87
Burkart Lutz<br />
ergibt vier Abstandswerte, die vorzeichenneutral addiert und durch 4 dividiert wurden. Der<br />
berechnete Wert wird am einfachsten in Prozentpunkten ausgedrückt. 17<br />
Dieser Index gibt ein recht klares Bild der lernformtypischen Ungleichheitsstrukturen:<br />
Weitaus am stärksten ist die Ungleichheit zwischen den Mitarbeitergruppen bei zwei<br />
Lernformen ausgeprägt, die wohl nicht zufällig in größter Nähe zu den traditionellen Formen<br />
bürgerlicher Bildung stehen. Es sind dies die Lernformen „Lesen von Fachliteratur“ sowie<br />
„Besuch von Vorträgen, Messeveranstaltungen und Fachtagungen“. Hier errechnen sich<br />
Ungleichheitsindikatoren von 20,6 und 20,0 Prozentpunkten.<br />
Eine Zwischenstellung nimmt die Lernform „Information und Unterweisung durch Vorgesetzte<br />
und Experten“ ein. Hier errechnet sich – auf hohem Wichtigkeitsniveau – ein Ungleichheits-<br />
indikator von 11,8 Prozentpunkten.<br />
Bei drei weiteren Lernformen liegen die Unterschiede zwischen den Mitarbeitergruppen in<br />
einem mittleren Bereich. Es sind dies in aufsteigender Reihenfolge: Qualitätszirkel und<br />
Ähnliches (Ungleichheitsindikator = 6,8 Prozentpunkte), computergestütztes Lernen (7,6)<br />
und Gruppen- oder Teamarbeit (8,0).<br />
Bei zwei Lernformen sind – auf insgesamt eher niedrigem Niveau der Häufigkeit – die<br />
Differenzen in den Häufigkeiten, mit denen sie <strong>für</strong> die einzelnen Mitarbeitergruppen als<br />
wichtig bezeichnet werden, ausgesprochen gering. Es sind dies Patenschaften und Coa-<br />
ching sowie Job-Rotation. Bei diesen beiden Lernformen errechnen sich Ungleichheits-<br />
indikatoren von 3,0 und 3,4 Prozentpunkten. Auf die Frage, ob dies lediglich auf partielle<br />
Schwäche eines ansonsten durchgängigen Hierarchieeffektes zurückzuführen ist oder als<br />
Ausdruck von Mechanismen der Kompensation ausgeprägt hierarchischer Muster der Teil-<br />
nahme an formeller Weiterbildung zu verstehen ist, wird im Folgenden noch zurückzu-<br />
kommen sein.<br />
3 Zur Kombination von formeller Weiterbildung und informellem<br />
Lernen<br />
3.1 Zwei methodische Bemerkungen<br />
Die eben dargestellten Befunde legen es nahe, etwas näher auf die Bedeutung spezifischer<br />
Profile der Kompetenzentwicklung einzugehen, die sich offenbar nicht auf bloße Niveau-<br />
differenzen reduzieren lassen. Hierzu bietet sich insbesondere die Analyse der Beziehungen<br />
17 Dieses Verfahren sei am Beispiel der Lernform „Lesen von Fachliteratur, Fachzeitschriften etc.“, oberste Zeile<br />
von Tabelle 3, illustriert: Für diese Lernform errechnet sich eine durchschnittliche Häufigkeit der Nennung über<br />
die vier Mitarbeitergruppen von 67,0%. Für Führungspersonal und hoch qualifizierte Angestellte beträgt die<br />
Häufigkeit 88,3% (Differenz zu Durchschnitt = 21,3 Punkte), <strong>für</strong> Fachangestellte 76,6% (Differenz = 9,4<br />
Punkte), <strong>für</strong> Facharbeiter 51,6% (Differenz = 15,4 Punkte) und <strong>für</strong> An- und Ungelernte 30,5% (Differenz = 36,5<br />
Punkte). Diese Differenzen addieren sich vorzeichenneutral zu 82,6 Punkten, entsprechend einem<br />
durchschnittlichen Abstand („Ungleichheitsindex“) von 20,6 Punkten.<br />
88
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
an, die zwischen internen und externen Formen formeller Weiterbildung und zwischen die-<br />
sen und den unterschiedenen Formen informellen Lernens bestehen.<br />
Angesichts dieses Ziels scheinen zwei methodische Bemerkungen angebracht:<br />
(1) Zur Erfassung der wichtigsten Formen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
wurden, wie im Vorstehenden gezeigt, zwei Serien von Leitfragen gestellt, die jeweils <strong>für</strong> die<br />
im Betrieb vorhandenen Mitarbeitergruppen zu beantworten waren. Soweit es um formelle<br />
Weiterbildung ging, richtete sich die Leitfrage auf die Teilnahme von Mitarbeiter innerhalb<br />
eines Jahres. Sie lautete: „Bitte sagen Sie uns, ob in den zurückliegenden zwölf Monaten<br />
Mitarbeiter Ihres Betriebes teilgenommen haben an Kursen, Lehrgängen oder Seminaren!“<br />
Um die Bedeutung informeller Lernformen zu erfassen, richtete sich die Leitfrage auf die<br />
Einschätzung der Wichtigkeit der jeweiligen Lernform <strong>für</strong> die betreffende Mitarbeitergruppe.<br />
Gefragt wurde also: „Bitte sagen Sie uns, <strong>für</strong> welche Mitarbeitergruppen die folgenden Lern-<br />
formen wichtig sind.“<br />
Diese – nach Lage der Dinge ganz unvermeidliche – Unterschiedlichkeit in der Fragestellung<br />
lässt es geraten erscheinen, zunächst (3.2) die Kombination von betriebsinterner und be-<br />
triebsexterner formeller Weiterbildung zu betrachten und erst in einem zweiten Schritt (3.3)<br />
diese Kombinationen von interner und externer Weiterbildung mit den verschiedenen For-<br />
men informellen Lernens in Beziehung zu setzen.<br />
(2) Die Angaben der Betriebe zur Teilnahme an Weiterbildung und zur Wichtigkeit ver-<br />
schiedener Formen informellen Lernens richteten sich jeweils auf einzelne Mitarbeitergrup-<br />
pen. Im Interesse der Übersichtlichkeit der Tabellen und um zu vermeiden, dass die Befra-<br />
gungsergebnisse beim Vergleich zwischen Betrieben mit verschiedenen Strukturmerkmalen<br />
durch den Einfluss unterschiedlicher Personalstrukturen verzerrt werden, empfiehlt es sich,<br />
die Weiterbildungsaktivitäten der Betriebe mit Hilfe eines vereinfachten Indikators darzu-<br />
stellen.<br />
Unter den möglichen Indikatoren erschien hier<strong>für</strong> die Beteiligung der jeweils stärksten Mit-<br />
arbeitergruppe an interner und externer Weiterbildung bzw. die Einschätzung der Wichtigkeit<br />
der verschiedenen Lernformen <strong>für</strong> diese Gruppe am besten geeignet.<br />
3.2 Die Kombination von interner und externer Weiterbildung<br />
Mit dem Indikator der Teilnahme der im Betrieb jeweils stärksten Mitarbeitergruppe an<br />
externer und interner Weiterbildung lässt sich eine einfache Vierfelderkombination bilden, die<br />
in Tabelle 4 dargestellt ist.<br />
Die Tabelle lässt zunächst erkennen, dass der Zusammenhang zwischen betriebsinterner,<br />
innerbetrieblicher Weiterbildung zwar eng, aber keineswegs sehr eng ist. Immerhin zwei<br />
Fünftel der befragten Betriebe organisieren entweder nur interne Kurse, Lehrgänge u.a.,<br />
ohne sich an externen Maßnahmen zu beteiligen (22 Prozent) oder beschränken im Gegen-<br />
teil ihre Weiterbildungsaktivitäten darauf, Mitarbeitern die Teilnahme an externen Veranstal-<br />
tungen zu ermöglichen (18 Prozent).<br />
89
Burkart Lutz<br />
Bei der Betrachtung der Tabelle ist vor allem das Verhältnis der beiden Diagonalen von<br />
rechts unten nach links oben und von links unten nach rechts oben von Interesse.<br />
Tabelle 4: Teilnahme der jeweils stärksten Mitarbeitergruppe an interner und externer<br />
Weiterbildung (N = 1.657 Betriebe, in Prozent)<br />
Weiterbildung Extern<br />
Intern<br />
90<br />
Ja Nein Gesamt<br />
Ja 42,4 21,9 64,3<br />
Nein 18,3 17,4 35,7<br />
Gesamt 60,7 39,3 100,0<br />
Je größer der Anteil der Betriebe in der einen Diagonale mit den beiden Feldern links oben<br />
(ja/ja) und rechts unten (nein/nein) ist, desto stärker ist die Beziehung zwischen interner und<br />
externer Weiterbildung hierarchisch ausgeprägt, d.h. von kumulativen Momenten mit wech-<br />
selseitiger Verstärkung charakterisiert.<br />
Je größer hingegen der Anteil der Betriebe in der Gegendiagonale mit den Feldern rechts<br />
oben (ja/nein) und links unten (nein/ja) ist, desto mehr darf ein komplementäres bzw. alter-<br />
natives Verhältnis zwischen interner und externer Weiterbildung angenommen werden und<br />
desto wahrscheinlicher ist die Existenz verschiedener Weiterbildungsprofile mit spezifischen<br />
Kombinationen verschiedener Weiterbildungsformen.<br />
Tabelle 4 belegt <strong>für</strong> die Mehrzahl der befragten Betriebe eindeutig ein Übergewicht von<br />
hierarchisch-kumulativer Beziehung nach dem bekannten Matthäusprinzip „Wer viel hat, dem<br />
wird viel gegeben“: Mit 42 Prozent der antwortenden Betriebe ist das Ja/Ja-Feld links oben<br />
am stärksten besetzt. Zusammen mit dem korrespondierenden Feld rechts unten (nein/nein)<br />
liegen auf dieser Diagonale 60 Prozent aller Betriebe. Ihre Mitarbeiter (aus der jeweils stärks-<br />
ten Personalgruppe) nehmen entweder sowohl an internen wie an externen Maßnahmen<br />
oder überhaupt nicht an Weiterbildung teil.<br />
Daneben gibt es freilich auch deutliche Hinweise auf die Existenz anderer Strukturmuster. So<br />
ordnen sich jeweils knapp ein Fünftel der befragten Betriebe den beiden Feldern zu, die<br />
Raum <strong>für</strong> je eigenständige Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung lassen. In<br />
beiden Feldern nutzt der jeweilige Betrieb entweder nur interne oder nur externe Weiter-<br />
bildung.<br />
3.3 Die Kombination von formeller Weiterbildung und informellem<br />
Lernen<br />
Nun ist keineswegs auszuschließen, dass die Beschränkung auf entweder externe oder<br />
interne Weiterbildung lediglich Ausdruck einer Zwangslage ist, die Betriebe daran hindert,<br />
das zu tun, was eigentlich ihrem Interesse entspräche. Bei einer ganzen Reihe von infor-<br />
mellen Lernformen dürften Hindernisse dieser Art leichter überwindbar sein. Deshalb scheint<br />
im Hinblick auf spezifische Profile von Lernen und Kompetenzentwicklung weniger die
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
Beziehung zwischen internen und externen Formen organisierter Weiterbildung als vielmehr<br />
das Verhältnis von formaler Weiterbildung in internen oder externen Kursen, Lehrgängen<br />
oder ähnlichem auf der einen Seite den verschiedenen Formen informellen Lernens auf der<br />
anderer Seite von Interesse.<br />
Wie schon bei der Betrachtung des Verhältnisses von interner und externer Weiterbildung<br />
stellt sich auch hier die Frage, welches Gewicht kumulative oder kompensatorische Bezie-<br />
hungen haben bzw. inwieweit das Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung,<br />
oder aber ihre spezifischen Profile, die dominante Differenzierung liefern:<br />
• Ist es eher so, dass jeweils bestimmte Mitarbeitergruppen bzw. die Mitarbeiter in<br />
bestimmten Betrieben gleichermaßen besonders häufig oder besonders selten an for-<br />
meller Weiterbildung und an verschiedenen Formen informellen Lernens beteiligt sind?<br />
• Oder kann informelles Lernen dazu beitragen bzw. wird es vom Betrieb dazu genutzt,<br />
Defizite in der Teilnahme an formeller Weiterbildung auszugleichen und umgekehrt?<br />
Zur Beantwortung dieser beiden Fragen bietet es sich, unbeschadet der vertieften Analysen<br />
in folgenden Kapiteln, an, die Kombination von interner und externer formeller Weiterbildung<br />
mit der Häufigkeit in Beziehung zu setzen, mit der <strong>für</strong> die jeweilige Mitarbeitergruppe die<br />
verschiedenen Formen informellen Lernens als wichtig bezeichnet werden. Dies geschieht in<br />
Tabelle 5, in der die acht im Interview abgefragten Formen informellen Lernens in der<br />
Reihenfolge ihrer Häufigkeit aufgeführt sind. Die Tabelle beschränkt sich allerdings ebenso<br />
wie Tabelle 4 im Interesse besserer Überschaubarkeit auf die im Betrieb jeweils stärkste<br />
Mitarbeitergruppe.<br />
Aus Tabelle 5 geht zunächst einmal hervor, dass zwischen formeller Weiterbildung und<br />
informellem Lernen insgesamt ein recht enger Zusammenhang besteht. Dies zeigt bereits<br />
ein simpler Vergleich zwischen der Minderheit von Betrieben, deren Mitarbeiter in den letzten<br />
12 Monaten vor der Befragung weder an interner noch an externer Weiterbildung teilge-<br />
nommen haben, mit der recht großen Gruppe von Betrieben, in denen Mitarbeiter sowohl an<br />
interner wie an externer Weiterbildung beteiligt waren. In ersterer wird die Wichtigkeit aller<br />
Formen informellen Lernens <strong>für</strong> die jeweils stärkste Mitarbeitergruppe deutlich seltener<br />
hervorgehoben, als dies bei letzterer der Fall ist. Bei einigen Lernformen – so beim Lesen<br />
von Fachliteratur und beim Besuch von Vorträgen, Messeveranstaltungen und Fach-<br />
tagungen – beträgt die Differenz zwischen den „weiterbildungsabstinenten“ Betrieben und<br />
den Betrieben mit sowohl interner wie externer Weiterbildung mehr als 40 Prozentpunkte.<br />
Dieser Zusammenhang ist allerdings einigermaßen überraschungsfrei. Bemerkenswerter<br />
sind – nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Frage nach dem Vorrang von Niveau oder Profil<br />
bei der Erklärung und Analyse von Kompetenzentwicklung und nach den Beziehungen<br />
zwischen formeller Weiterbildung und informellem Lernen – zwei andere Tatbestände: Deut-<br />
liche Unterschiede in dem, was man die „Weiterbildungsaffinität“ der verschiedenen Formen<br />
informellen Lernens nennen kann, und erhebliche Differenzen in der Art der Beziehung<br />
zwischen verschiedenen Lernformen einerseits und formeller Weiterbildung andererseits.<br />
91
Burkart Lutz<br />
Tabelle 5: Beziehung zwischen formeller Weiterbildung und informellem Lernen (in<br />
Prozent aller Betriebe der jeweiligen Spalte)<br />
92<br />
formelle Weiterbildung keine<br />
Formen informellen Lernens<br />
Information/ Unterweisung durch<br />
Vorgesetzte, Experten,<br />
Lieferanten<br />
Lesen von Fachliteratur,<br />
Fachzeitschriften etc.<br />
nur<br />
extern<br />
nur intern<br />
intern<br />
und<br />
extern<br />
Gesamt<br />
N = 319 304 363 702 1.688<br />
66,5 73,4 81,8 80,0 78,0<br />
40,8 68,1 62,0 86,8 67,0<br />
Gruppen- oder Teamarbeit 40,4 46,7 46,0 53,7 48,5<br />
Vorträge, Messeveranstaltungen,<br />
Fachtagungen<br />
Qualitätszirkel, Projektarbeit,<br />
multifunktionale Teams<br />
18,1 52,6 38,3 62,4 46,8<br />
24,8 25,3 44,1 55,3 41,6<br />
Computergestütztes Lernen 18,2 36,8 18,2 35,3 28,5<br />
Patenschaften oder Coaching 6,3 14,5 30,9 24,5 20,5<br />
Job-Rotation 14,1 10,9 26,2 15,5 16,6<br />
Häufigkeit, mit der die verschiedenen Lernformen als <strong>für</strong> die im Betrieb jeweils stärkste Mitarbeitergruppe<br />
als „wichtig“ bezeichnet wird.<br />
(1) Erhebliche Unterschiede in der „Weiterbildungsaffinität“ der verschiedenen Lern-<br />
formen<br />
Die Beziehung zwischen formeller Weiterbildung und informellem Lernen ist offenkundig<br />
nicht einheitlich, sondern differiert erheblich je nach den verschiedenen Formen informellen<br />
Lernens, die insofern deutlich verschiedene „Weiterbildungsaffinität“ besitzen.<br />
Bei einigen Lernformen ist die Beziehung zur formellen Weiterbildung offenbar sehr eng.<br />
Diese Lernformen werden bei der Befragung in Betrieben mit sowohl interner wie externer<br />
Weiterbildung sehr viel häufiger als <strong>für</strong> die jeweils stärkste Mitarbeitergruppe wichtig be-<br />
zeichnet als in den meisten anderen Betrieben, vor allem in solchen ohne jede Weiterbil-<br />
dung. Die Differenz zwischen den beiden Extremgruppen von formaler Weiterbildung beträgt<br />
bei „Lesen von Fachliteratur“ und bei „Besuch von Vorträgen u.a.“ jeweils 46 bzw. 44 Pro-<br />
zentpunkte. Auch bei der Lernform „Qualitätszirkel, Projektarbeit, multifunktionale Teams“ ist<br />
die Differenz zwischen Betrieben ohne jegliche Weiterbildung und mit sowohl interner wie<br />
externer Weiterbildung mit 30 Prozentpunkten erheblich.
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
Demgegenüber ist bei anderen Lernformen der Zusammenhang mit formeller Weiterbildung<br />
nur schwach ausgeprägt. Die Differenz zwischen den beiden Extremgruppen von Betrieben<br />
mit interner und externer Weiterbildung und ohne jegliche Weiterbildung beträgt bei Paten-<br />
schaften und Coaching und bei computergestütztem Lernen lediglich 17 bzw. 18 Prozent-<br />
punkte und bei den beiden insgesamt sehr wichtigen Lernformen Gruppen- bzw. Teamarbeit<br />
sowie Information und Unterweisung durch Vorgesetzte, Experten und Lieferanten nur 14<br />
Prozentpunkte. Bei Job-Rotation liegen die beiden Extremgruppen sogar nahezu gleichauf.<br />
(2) Unterschiedliche Beziehungen zwischen den einzelnen informellen Lernformen<br />
und interner oder externer Weiterbildung<br />
Überdies wird in Tabelle 5 sichtbar, dass bestimmte informelle Lernformen sehr<br />
unterschiedliche Beziehungen zu interner oder zu externer Weiterbildung haben.<br />
Betrachtet man lediglich die Betriebe, deren Mitarbeiter im Jahr vor der Befragung entweder<br />
nur an interner oder nur an externer Weiterbildung teilnehmen konnten, so fallen hier zwei<br />
Gruppen von Formen informellen Lernens ins Auge:<br />
Für die eine Gruppe sind die beiden Lernformen „computergestütztes Lernen“ sowie „Besuch<br />
von Vorträgen, Messeveranstaltungen etc.“ charakteristisch. Diese Lernformen werden in<br />
Betrieben mit lediglich externer Weiterbildung deutlich öfter als <strong>für</strong> die größte Mitarbeiter-<br />
gruppe <strong>für</strong> wichtig bezeichnet, als in den Betrieben, deren Mitarbeiter nur zu interner Weiter-<br />
bildung Zugang hatten. Die entsprechenden Werte betragen 53 Prozent zu 38 Prozent bei<br />
Vorträgen etc. und 37 Prozent zu 18 Prozent bei computergestütztem Lernen.<br />
Für die andere Gruppe typisch sind drei Lernformen, die in Betrieben mit ausschließlich<br />
externer Weiterbildung sehr viel weniger häufig als wichtig genannt werden, als dies in der<br />
Gruppe der Betriebe mit nur interner Weiterbildung der Fall ist. Die entsprechenden Werte<br />
betragen 25 Prozent (intern) zu 44 Prozent (extern) bei „Qualitätszirkeln, Projektarbeit und<br />
multifunktionale Teams“, 14 Prozent (intern) zu 31 Prozent (extern) bei „Patenschaften oder<br />
Coaching“ sowie 11 Prozent (intern) und 26 Prozent (extern) bei „Job-Rotation“.<br />
Diese Differenzen in der Beziehung zu interner oder zu externer Weiterbildung verlieren sich<br />
nicht, wenn man auch die Betriebe in die Betrachtung einbezieht, deren Mitarbeiter sowohl<br />
an interner wie an externer Weiterbildung teilgenommen haben. Dies legt es nahe, die Be-<br />
ziehungen zwischen den verschiedenen Formen von Weiterbildung und informellem Lernen<br />
systematischer zu untersuchen als bisher. Vorgehensweise und erste Ergebnisse sind im<br />
folgenden Kapitel III ausführlicher zu behandeln.<br />
4 Erste Bilanz: Ein insgesamt positives „Weiterbildungsklima“<br />
bei großer Bedeutung von arbeitsplatznahem<br />
Lernen<br />
Das Niveau der Beteiligung zumindest bestimmter, <strong>für</strong> den Betrieb besonders wichtiger Mit-<br />
arbeitergruppen an formeller Weiterbildung wie an informellem, arbeitsalltäglichem Lernen ist<br />
alles in allem – nicht zuletzt angesichts des großen Anteils ausgesprochener Kleinbetriebe<br />
93
Burkart Lutz<br />
an der Befragungsstichprobe – zweifellos hoch. Dies setzt offenkundig voraus, dass in vielen<br />
Betrieben Weiterbildung und Lernen im Arbeitsalltag dezidiert als positiv eingeschätzt und<br />
von den Vorgesetzten entsprechend bewertet werden. Diese Einschätzung kann sich vor<br />
allem auf dreierlei Befunden stützen:<br />
4.1 Verbreitete Förderung der Teilnahme von Mitarbeitern an<br />
Weiterbildung<br />
In den meisten der befragten Betriebe wird die Teilnahme von Mitarbeitern an organisierter<br />
Weiterbildung und/oder an der Nutzung verschiedener Formen informellen Lernens in ir-<br />
gendeiner Weise gefördert. Tabelle 6 zeigt, dass der Anteil der Betriebe, von denen zu-<br />
mindest eine der abgefragten Förderformen praktiziert wird, zwischen einem knappen Viertel<br />
und nahezu zwei Dritteln variiert. Dies belegt sehr nachdrücklich, wie positiv insgesamt das<br />
Klima <strong>für</strong> Weiterbildung und nicht zuletzt <strong>für</strong> Kompetenzentwicklung durch informelles Lernen<br />
einzuschätzen ist:<br />
Nur eine ausgesprochen geringe Zahl der befragten Betriebe (weniger als 2 Prozent) fördert<br />
nach eigener Aussage in keinerlei Form die Teilnahme von Mitarbeitern an Weiterbildung.<br />
Dies spricht wohl <strong>für</strong> sich selbst – auch dann, wenn man akzeptiert, dass ein Teil der Be-<br />
fragten die Realität des eigenen Betriebes etwas geschönt dargestellt haben mag.<br />
Im gleichen Sinne sind auch die in der Tabelle wiedergegebenen Nennungen verschiedener<br />
Förderformen zu deuten. Dies gilt vor allem <strong>für</strong> Freistellung und <strong>für</strong> die Übernahme von<br />
Weiterbildungskosten:<br />
65 Prozent der befragten Betriebe berichten, Mitarbeiter zum Besuch von Weiterbildungs-<br />
veranstaltungen freigestellt zu haben.<br />
Tabelle 6: Formen der Förderung von Weiterbildung (N = 1.654, Mehrfachnennung möglich)<br />
Frage: Förderte ihr Betrieb in den letzten zwölf Monaten die Weiterbildung von Mitarbeitern<br />
durch:<br />
Übernahme von Kosten mit Rückzahlungsklausel 23,9<br />
Übernahme von Kosten ohne<br />
Rückzahlungsklausel<br />
94<br />
58,7<br />
Freistellung 64,8<br />
Arbeitsentlastung 30,5<br />
Berücksichtigung bei Leistungsbewertung oder<br />
Personalentwicklung<br />
59 Prozent der befragten Betriebe geben an, zumindest in einzelnen Fällen ohne Rück-<br />
zahlungsklausel Kosten übernommen zu haben, die durch Weiterbildung von Mitarbeitern<br />
entstanden sind, und bei 24 Prozent der befragten Betriebe war die Kostenübernahme mit<br />
34,9
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
einer Rückzahlungsklausel verbunden. Selbst wenn ein Teil der befragten Betriebe beide<br />
Formen der Kostenübernahme – mit und ohne Rückzahlungsklausel – als zutreffend be-<br />
zeichnet haben sollte, gibt es wohl keinen Zweifel daran, dass diese Förderform auch bei<br />
den Kleinbetrieben unserer Befragungsstichprobe ausgesprochen weit verbreitet ist.<br />
Vielleicht noch wichtiger ist angesichts der vorherrschenden Betriebsgröße der Befragungs-<br />
stichprobe die Tatsache, dass mehr als ein Drittel der befragten Betriebe erklären, die Teil-<br />
nahme an Weiterbildung auch bei der Leistungsbewertung oder der Personalentwicklung zu<br />
berücksichtigen, was ja im Regelfall wohl eine etablierte Personalwirtschaft voraussetzt.<br />
4.2 Erheblicher Bedeutungsgewinn von Weiterbildung und informellem<br />
Lernen<br />
Eine zweite Gruppe von Befunden, die eine positive Einschätzung des betrieblichen Klimas<br />
<strong>für</strong> Weiterbildung und Kompetenzentwicklung rechtfertigt, besteht in den Antworten der<br />
Betriebe auf die Frage nach eventuellem Bedeutungsgewinn der verschiedenen Formen der<br />
Weiterbildung und des informellen Lernens. Im Anschluss an die Fragen zum Weiter-<br />
bildungsgeschehen im jeweiligen Betrieb, über die im Vorstehenden berichtet wurde, rief der<br />
Interviewer hierzu noch einmal die zuvor vom Interviewten selbst genannten Maßnahmen<br />
und Lernformen in Erinnerung und bat, jeweils anzugeben, ob diese wesentlich an Bedeu-<br />
tung gewonnen hätten oder nicht.<br />
Tabelle 7 zeigt die Häufigkeit, mit der diese Frage jeweils positiv beantwortet wurde.<br />
Bei der Mehrzahl der in der Tabelle aufgeführten (im Interview vorgelesenen) Formen von<br />
Weiterbildung und informellem Lernen sieht die Mehrheit der Befragten einen „wesentlichen<br />
Bedeutungsgewinn“. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> computergestütztes Lernen, Qualitätszirkel<br />
und Projektarbeit, Gruppen- und Teamarbeit, betriebsinterne Weiterbildung und Information<br />
oder Unterweisung durch Vorgesetzte oder Experten.<br />
Auch bei externen Formen von Weiterbildung und bei Patenschaften sieht knapp die Hälfte<br />
der Befragten eine vergleichbare Entwicklung.<br />
Diese Befunde sind zu konvergent, um als bloße Interview-Effekte abgetan zu werden.<br />
Sicherlich kann bei einem nicht ganz zu vernachlässigenden Teil der Befragten angesichts<br />
der relativ komplizierten Fragebogenstruktur eine gewisse Tendenz zur Routinisierung ihres<br />
Antwortverhaltens oder die Neigung nicht ausgeschlossen werden, den eigenen Betrieb in<br />
gutem Licht erscheinen zu lassen. Dennoch belegen die in Tabelle 7 dargestellten Befunde<br />
mit ausreichender Deutlichkeit, dass <strong>für</strong> einen beträchtlichen Teil der befragten Geschäfts-<br />
führer oder Personalverantwortlichen wachsendes Gewicht von formalisierter Weiterbildung<br />
und von informellem Lernen außer Frage steht.<br />
Will man dies erklären, so bietet es sich unter anderem an, die referierten Befunde mit den<br />
jeweiligen Ungleichheitsindices in Beziehung zu setzen, die eben unter 2.2 dargestellt<br />
wurden: Dieser Index ist, wie erinnerlich, umso höher, je ungleicher die Beteiligung der unter-<br />
schiedenen Mitarbeitergruppen an der jeweiligen Lernform ist. Es zeigt sich, dass zwei der<br />
drei Lernformen, denen am seltensten wesentlicher Bedeutungsgewinn zuerkannt wurde,<br />
95
Burkart Lutz<br />
nämlich Lesen von Fachliteratur und Besuch von Messen und Vorträgen, mit rund 20<br />
Prozentpunkten den weitaus höchsten Ungleichheitswert aufweisen. Die Lernformen mit dem<br />
höchsten Bedeutungsgewinn – computergestütztes Lernen, Qualitätszirkel, Gruppenarbeit<br />
und Unterweisung/Information durch Vorgesetzte und Experten – gehören hingegen durch-<br />
weg zu der weiter oben unterschiedenen Mittelgruppe.<br />
Tabelle 7: Wesentlicher Bedeutungsgewinn von Formen der Kompetenzentwicklung<br />
(in Prozent aller Betriebe, die nach der Bedeutungsentwicklung dieser Lernform<br />
gefragt wurden)<br />
Frage: Wenn Sie sich das ganze Spektrum der betrieblichen Weiterbildung und Kompetenzent<br />
wicklung vor Augen führen: Welche Formen des Lernens bzw. der Weiterbildung haben in den<br />
letzten drei Jahren wesentlich an Bedeutung gewonnen?<br />
Lernform N Prozent Lernform N Prozent<br />
Weiterbildung intern 1.187 54,1 Weiterbildung extern 1.293 49,1<br />
Gruppen- oder Teamarbeit 912 52,7 Qualitätszirkel u.Ä. 887 53,7<br />
Lesen von Fachliteratur 1.528 37,8 Computergestütztes Lernen 698 56,6<br />
Information, Unterweisung 1.445 51,4 Patenschaft, Coaching 466 47,6<br />
Vorträge, Messen u.Ä. 1.319 32,8 Job-Rotation 332 36,1<br />
Diese Werte deuten einen Zusammenhang an, dessen Realitätsgehalt zwar mit dem hier<br />
vorgestellten empirischen Material nicht weiter überprüft werden kann, der jedoch, sollte er<br />
tatsächlich zutreffen, von hoher Bedeutung <strong>für</strong> Weiterbildung und Kompetenzentwicklung im<br />
Betrieb wäre:<br />
Wesentlicher Bedeutungsgewinn wäre dann vor allem bei den Lernformen zu verzeichnen,<br />
bei denen die Ungleichheit der Beteiligung allenfalls moderat ist, während die Bedeutung von<br />
Lernformen mit hoher Ungleichheit deutlich weniger zugenommen hat.<br />
Dies würde insbesondere bedeuten, dass insgesamt wachsende Bedeutung von<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung überwiegend in einer Weise erfolgt, die eher dazu<br />
beiträgt, vorhandene Ungleichheitsstrukturen zu reduzieren als sie zu verstärken. Eine<br />
solche Tendenz könnte auf dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen und Tendenzen in<br />
Arbeitsorganisation und Qualifikationsstruktur des Personals nicht unerhebliche Plausibilität<br />
beanspruchen.<br />
4.3 Großes Gewicht von Eigeninitiative der Mitarbeiter und<br />
arbeitsintegriertem Lernen<br />
Die Plausibilität der eben formulierten Vermutung wird gestützt durch eine dritte Gruppe von<br />
Befunden. Im Anschluss an die Frage zum Bedeutungsgewinn von Weiterbildung und Kom-<br />
petenzentwicklung, deren Beantwortung in Tabelle 7 dargestellt ist, wurden den Betrieben<br />
vier Aussagen mit zusammenfassendem Charakter mit der Bitte vorgelesen, jeweils<br />
anzugeben, ob die betreffende Aussage <strong>für</strong> den eigenen Betrieb gar nicht, teilweise oder<br />
völlig zutrifft. Die Antworten der Betriebe sind in Tabelle 8 zusammen gestellt.<br />
96
Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen<br />
Die Daten in Tabelle 8 belegen – teilweise sehr nachdrücklich – drei Sachverhalte, die so-<br />
wohl <strong>für</strong> die weiteren Analysen als auch <strong>für</strong> die aus ihnen zu ziehenden politischen Schluss-<br />
folgerungen wichtig sind:<br />
(1) Zum einen bekräftigen sie die bereits aus den vorstehenden Tabellen und Überlegungen<br />
gewonnene These, dass eine große Zahl von Betrieben, von denen die große Mehrheit mit<br />
Beschäftigtenzahlen unter 50 im herkömmlichen Verständnis ausgesprochen klein ist, die<br />
Kompetenz ihrer Mitarbeiter (oder doch bestimmter Mitarbeitergruppen) und deren Entwick-<br />
lung als wichtig betrachtet.<br />
Nur so sind die zumindest bei zwei der vier Aussagen sehr hohen Zustimmungswerte zu<br />
erklären.<br />
Tabelle 8: Prinzipien betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (in Prozent<br />
aller Betriebe, denen diese Fragen gestellt wurden, N = 1.644)<br />
Aussagen<br />
Angebote formalisierter Weiterbildung, wie z.B.<br />
Kurse und Seminare, spielen eine große Rolle.<br />
Arbeitsnahe Formen des Lernens, wie z.B.<br />
Qualitätszirkel oder computergestütztes Lernen,<br />
haben einen hohen Stellenwert.<br />
Wir erwarten von unseren Mitarbeitern ein<br />
hohes Maß an Eigeninitiative und Selbststudium<br />
in der Weiterbildung.<br />
Wir bemühen uns, soviel Lernen wie möglich in<br />
die Arbeit zu integrieren.<br />
trifft gar<br />
nicht zu<br />
trifft<br />
teilweise<br />
zu<br />
trifft<br />
völlig zu Gesamt<br />
20,8 45,4 33,8 100<br />
44,5 29,2 26,3 100<br />
8,7 28,1 63,2 100<br />
7,0 31,3 61,7 100<br />
(2) Bei der Kompetenzentwicklung ihrer Mitarbeiter spielt allerdings formalisierte Weiter-<br />
bildung mittels Seminaren, Kursen und Ähnlichem <strong>für</strong> die Mehrheit der befragten Betriebe<br />
allenfalls eine nachrangige Rolle. Nur ein Drittel von ihnen bezeichnet die hierauf bezogene<br />
Aussage als <strong>für</strong> den eigenen Betrieb „völlig zutreffend“. Hingegen findet die Aussage, dass<br />
man sich bemühe, „soviel Lernen wie möglich in die Arbeit zu integrieren“, eine Zustimmung,<br />
die auf dem Hintergrund der Branchen- und Größenstruktur der Befragungsstichprobe mit<br />
einer sehr großen Zahl von kleinen Dienstleistungsbetrieben als sehr hoch bezeichnet<br />
werden darf.<br />
An dieser Einschätzung kann auch die eher geringe Zustimmung zu der Aussage, die hohen<br />
Stellenwert arbeitsnaher Lernformen postuliert, nur wenig ändern, da diese Aussage durch<br />
die Vorgabe von Qualitätszirkel und computergestütztem Lernen als Illustrationsbeispiel <strong>für</strong><br />
arbeitsnahe Lernformen betriebliche Verhältnisse suggeriert, die offensichtlich bei sehr vielen<br />
der Befragten nicht zutreffen.<br />
97
Burkart Lutz<br />
(3) Die ausgesprochen hohe Einschätzung der Bedeutung, die der Kompetenz und Kompe-<br />
tenzentwicklung zumindest bestimmter, <strong>für</strong> den Betrieb besonders wichtiger Mitarbeiter-<br />
gruppen zugesprochen wird, und die verbreitete Förderung entsprechender Aktivitäten von<br />
Mitarbeitern schließen keineswegs aus, dass durch die Aussage mit der höchsten Zu-<br />
stimmung („Wir erwarten von unseren Mitarbeitern ein hohes Maß an Eigeninitiative und<br />
Selbststudium in der Weiterbildung.“) ein großer Teil der Verantwortung <strong>für</strong> und der Initiative<br />
zu Weiterbildung und Kompetenzentwicklung den Mitarbeitern selbst zugesprochen wird:<br />
Deutlich mehr als drei Fünftel aller befragten Betriebe betrachten diese Aussage als <strong>für</strong> ihren<br />
Betrieb „völlig zutreffend“. Nur eine sehr kleine Minderheit bezeichnet sie als „völlig unzu-<br />
treffend“.<br />
Das Bild, das sich insgesamt aus diesen Befunden ergibt, ist sehr konsistent:<br />
Auf der einen Seite gibt es eine offenkundig weit verbreitete Tendenz, Kompetenzdefizite<br />
und Kompetenzentwicklung von wichtigen Mitarbeitergruppen mehr als bisher ernst zu<br />
nehmen und als wichtiges Feld betrieblichen Handelns zu betrachten. Auch ist eine – ange-<br />
sichts der Überzahl kleiner Betriebe aus verschiedensten Branchen – eher überraschend<br />
große Bereitschaft zu verzeichnen, Bestrebungen der Mitarbeiter, sich neues Wissen anzu-<br />
eignen und ihre Kompetenz zu erhöhen, mit verschiedenen Instrumenten zu unterstützen<br />
und zu fördern.<br />
Auf der anderen Seite ist jedoch eine starke Mehrheit der befragten Betriebe offenkundig<br />
davon überzeugt, dass Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zumindest auch, wenn<br />
nicht sogar vorrangig, Eigeninitiative und Eigenleistungen der Mitarbeiter erfordern. Es<br />
versteht sich wohl von selbst, dass hiermit vielfach ein nicht unerhebliches Risiko der<br />
Entwertung oder Nichtverwertbarkeit von Kompetenzen verbunden ist, die in Eigeninitiative<br />
erworben und entwickelt wurden. Doch hätten Fragen hierzu zweifellos den Rahmen<br />
gesprengt, der einer Betriebsbefragung mit sehr großen Fallzahlen und weitgehend<br />
standardisiertem Interviewablauf gezogen ist.<br />
98
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
III Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
1 Clusterbildung und typologische Analyse<br />
1.1 Der Bedarf an Komplexitätsreduktion<br />
Das Bild betrieblicher Aktivitäten und Formen der – formellen – Weiterbildung und der – eher<br />
informellen – Kompetenzentwicklung ist, wie eben im ersten Überblick gezeigt, facettenreich<br />
und nicht durch ein einziges evidentes und widerspruchsfreies Strukturmuster geprägt und<br />
erklärbar.<br />
Sicherlich lassen die Zahlen, die in den Tabellen des vorausgehenden Kapitels dargestellt<br />
sind, schon auf den ersten Blick erkennen, dass viele Formen und Maßnahmen der<br />
Kompetenzentwicklung im Betrieb stark hierarchisch strukturiert sind: Häufigkeit und Inten-<br />
sität des Zugangs zu formaler Weiterbildung und der Nutzung von Formen und Medien infor-<br />
mellen Lernens steigen sehr oft mit der Stellung der Beschäftigten in der betrieblichen Hier-<br />
archie und in der gesellschaftlichen Schichtung. An- und ungelernte Arbeiter, aber nicht sel-<br />
ten auch Facharbeiter nehmen alles in allem deutlich weniger an formeller Weiterbildung und<br />
informellem Lernen teil als Führungskräfte, hochqualifizierte Angestellte und Fachangestell-<br />
te.<br />
Insofern ist das im Betrieb jeweils realisierte und zu beobachtende Niveau von Weiterbildung<br />
und Kompetenzentwicklung ein unbestreitbar wichtiger Sachverhalt.<br />
Dies schließt allerdings keineswegs aus, dass bei näherer Analyse auch Effekte anderer<br />
Strukturmuster sichtbar werden. Betriebliche Aktivitäten, Anreize und Gelegenheitsstruk-<br />
turen, die es zumindest bestimmten Mitarbeitergruppen ermöglichen, ihre Kompetenz zu ak-<br />
tualisieren und zu erweitern, differieren nicht nur vertikal, wie es bei hochgradiger Dominanz<br />
eines einzigen hierarchischen Strukturmusters der Fall wäre. Deutliche Hinweise sprechen<br />
vielmehr da<strong>für</strong>, dass auch auf ähnlichem Niveau von Kompetenzentwicklung markante<br />
Unterschiede in der Präferenz <strong>für</strong> bestimmte Lernformen und in der Kombinatorik von for-<br />
meller Weiterbildung und informellem Lernen bestehen können.<br />
Eine realistische Betrachtung dessen, was in den Betrieben tatsächlich vor sich geht, ver-<br />
langt es offenkundig, auch der Möglichkeit einer horizontalen Differenzierung, der Existenz<br />
verschiedener Formen („Kulturen“) von formellem und insbesondere auch informellem<br />
Lernen Rechnung zu tragen, die <strong>für</strong> verschiedene Mitarbeitergruppen (und vermutlich auch<br />
<strong>für</strong> ganze Betriebe verschiedener Art) in unterschiedlichem Grade zugänglich und wichtig<br />
sind. So gibt es beispielsweise Formen informellen Lernens, die hohe Affinität zu den<br />
klassischen Verfahren der Aneignung und Aktualisierung von Wissen im Bildungssystem<br />
aufweisen, während andere Formen informellen Lernens sehr viel mehr auf berufliche<br />
Lerntraditionen und die besonderen Verhältnisse, Zwänge und Gelegenheiten im praktischen<br />
99
Burkart Lutz<br />
Arbeitsalltag abgestellt sind und dann zumeist auch vor allem <strong>für</strong> die entsprechenden<br />
Mitarbeitergruppen genutzt und von den befragten Betrieben als bedeutsam bezeichnet<br />
werden.<br />
Diese Struktur lässt sich nicht auf bloße Unterschiede im Niveau von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung reduzieren. Sie wird im Folgenden als Profil von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung bezeichnet.<br />
Die Vermittlung von Niveau und Profil und die Erfassung des Zusammenwirkens von<br />
verschiedenen Strukturmustern erfordern ein Instrumentarium, das in der Lage ist, auch die<br />
Koexistenz verschiedener, z.B. vorrangig vertikal-hierarchisch oder vorrangig horizontal<br />
angelegter Strukturmuster von formellem und informellem Lernen abzubilden. Dies wird vor<br />
allem dann wichtig, wenn man versucht, die Zusammenhänge zu beschreiben und zu analy-<br />
sieren, die zwischen den in der Befragung erfassten Formen und Maßnahmen der Kom-<br />
petenzentwicklung auf der einen Seite, den elementaren betrieblichen Strukturmerkmalen<br />
und wesentlichen Aspekten betrieblicher Politik auf der anderen Seite bestehen.<br />
Will man sich bei diesem Versuch nicht in einer Vielfalt von Einzelheiten verlieren, so ist es<br />
offenkundig unumgänglich, die Komplexität des im vorstehenden Kapitel gezeichneten Bildes<br />
von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung auf einen handhabbaren statistischen Aus-<br />
druck zu reduzieren, der bloße Kontingenzen in den Hintergrund treten lässt, aber wesent-<br />
liche Differenzierungen in verallgemeinerungsfähiger Form fassbar macht. Die vom bis-<br />
herigen Diskussions- und Forschungsstand nahe gelegte Fokussierung auf die auch im hier<br />
referierten Material sehr deutlich zu Tage tretende hierarchisch-vertikale Dimension bietet<br />
hier<strong>für</strong> keine befriedigende Lösung.<br />
Die Reduktion der Komplexität der empirischen Befunde durch vorrangige, wenn nicht aus-<br />
schließliche Bildung eines oder weniger Indikatoren kann lediglich das Niveau der Teilnahme<br />
an Weiterbildung und anderen Formen der Kompetenzentwicklung messen. Ein solches Vor-<br />
gehen ist jedoch wenig geeignet, die verschiedenen Formen informellen Lernens angemes-<br />
sen zu behandeln, die zwar vermutlich als eigenständiger Modus der Kompetenzentwicklung<br />
– als solche oder im Zusammenwirken mit stärker formalisierten Lernformen – wichtig sind,<br />
sich jedoch sehr viel schwerer als organisierte Weiterbildung von der arbeitsalltäglichen<br />
Leistungsverausgabung abgrenzen und zuverlässig messen lassen.<br />
Dies wird vor allem dann bedeutsam, wenn es gute sachliche Gründe da<strong>für</strong> gibt, die<br />
betrieblichen Aktivitäten der Kompetenzentwicklung nicht ausschließlich nach ihrem Niveau<br />
(gemessen z.B. durch die Teilnahmehäufigkeit an Kursen und Veranstaltungen) zu unter-<br />
scheiden, sondern auch – gewissermaßen in einer horizontalen Dimension – verschiedene<br />
Profile der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung sichtbar zu machen. Diese Profile<br />
können z.B. mehr oder weniger eng mit verschiedenen beruflichen Traditionen und Kulturen<br />
verbunden sein und jeweils spezifische Effekte <strong>für</strong> die Arbeitnehmer und den Betrieb haben.<br />
Will man solchen Profilen Rechnung tragen, so ist es insbesondere notwendig, die Be-<br />
ziehungen abzubilden und zu betrachten, die zwischen verschiedenen Formen formellen und<br />
informellen Lernens bestehen und nicht nur das Niveau der Teilnahme an Veranstaltungen<br />
verschiedener Art.<br />
100
1.2 Zum gewählten Verfahren der Clusterbildung<br />
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Als geeigneter Modus der Komplexitätsreduktion bot sich ein typologisches Vorgehen mit<br />
Clusterbildung als wesentlichem Instrument an. Um mit Hilfe einer Clusteranalyse die im<br />
Befragungsmaterial enthaltenen hochkomplexen Angaben zu den Weiterbildungsaktivitäten<br />
jeder im Betrieb vorhandenen Mitarbeitergruppe ohne allzu großen Realitätsverlust in einer<br />
Typologie zusammenzufassen, waren mehrere Schritte notwendig:<br />
Als Grundlage der Clusteranalyse wurden die bereits in Kapitel II eingeführten und beschrie-<br />
benen Variablen zum Weiterbildungsverhalten und zur Bedeutung informeller Lernformen in<br />
ihrer Ausprägung <strong>für</strong> die jeweils quantitativ stärkste Mitarbeitergruppe des Betriebes ausge-<br />
wählt.<br />
Die Abbildung der formalen Weiterbildung erfolgte hierbei an Hand des gleichfalls vor-<br />
stehend bereits beschriebenen Vier-Felder-Schemas ‚nur interne Veranstaltungen’, ‚nur ex-<br />
terne Veranstaltungen’ und ‚beides’; das vierte Feld dieses Schemas ‚keine Weiterbildungs-<br />
veranstaltungen’ bildete die Referenzkategorie. Diese neuen Variablen haben wie die An-<br />
gaben über informelle Lernformen binären Charakter, also Merkmalsausprägungen von 0 <strong>für</strong><br />
„trifft nicht zu“ und 1 <strong>für</strong> „trifft zu“.<br />
Um das Problem der uneinheitlichen Gewichtung korrelierter Variablen bei einer Cluster-<br />
analyse zu lösen, wurde der Clusterbildung eine Hauptkomponentenanalyse der einzube-<br />
ziehenden Variablen vorgeschaltet, in die alle Faktoren mit einem Eigenwert von über ‚1’<br />
einbezogen wurden. Hierbei errechneten sich sieben Faktoren, die zusammen 81 Prozent<br />
der Varianz erklären. Die Kommunalitäten <strong>für</strong> die einzelnen Variablen 18 weisen nach Ex-<br />
traktion die in Tabelle 1 ausgewiesenen Werte auf:<br />
Sieben Hauptkomponenten wurden extrahiert. Sie lassen sich nach Varimaxrotation fol-<br />
gendermaßen beschreiben:<br />
Komponente 1 wird geprägt durch die Variablen „Besuch von Vorträgen, Messen, Tagung-<br />
en“, „Lesen von Fachliteratur“ und – in etwas schwächerer Ausprägung – „Gruppen- und<br />
Teamarbeit“.<br />
Komponente 2 lässt sich beschreiben durch einen starken Einfluss der Variable „nur interne<br />
Weiterbildung“ und einen etwas schwächeren Einfluss des Merkmals „Patenschaften“. Ne-<br />
gativ laden auf diese Komponente die Variablen „sowohl interne wie externe Weiterbildung“<br />
und „Lernen am Computer“.<br />
Komponente 3 ist hingegen durch positive Ladung der Variable „sowohl interne wie externe<br />
Weiterbildung“ bei gleichzeitig negativer Ladung der Variable „nur externe Weiterbildung“<br />
gekennzeichnet.<br />
Komponente 4 charakterisiert sich über die Merkmale „Gruppen- und Teamarbeit“ und<br />
„Qualitätszirkel“, also charakteristische Formen arbeitsintegrierten Lernens.<br />
18 Damit wird angezeigt, zu welchem Prozentanteil die Ursprungsvariablen noch in den gebildeten Faktoren ent-<br />
halten sind.<br />
101
Burkart Lutz<br />
Komponente 5 lässt sich durch die Variablen „Patenschaften“ und „Lernen am Computer“<br />
beschreiben.<br />
Die Komponenten 6 und 7 lassen sich durch jeweils eine Variable spezifizieren. Für Kompo-<br />
nente 6 ist dies die Variable „Job-Rotation“ und <strong>für</strong> Komponente 7 die Variable „Unterwei-<br />
sung und Information“.<br />
Tabelle 1: Kommunalitäten nach Extraktion<br />
Einbezogene Variablen Kommunalität nach Extraktion<br />
Qualitätszirkel .678<br />
Lernen am Computer .688<br />
Unterweisung und Information .970<br />
Patenschaften .728<br />
Job-Rotation .955<br />
Gruppen- und Teamarbeit .819<br />
Lesen von Fachliteratur .735<br />
Vorträge, Messen, Tagungen .748<br />
Nur interne Weiterbildung .852<br />
Nur externe Weiterbildung .879<br />
Beides .892<br />
Die nunmehr unkorrelierten Faktoren bildeten dann die Basis <strong>für</strong> die Clusteranalyse. Ausge-<br />
wählt wurde zur Clusterung das Ward-Verfahren als hierarchischer Cluster-Algorithmus. In<br />
diesem Verfahren werden Objekte zu Gruppen vereinigt, die die Varianz einer Gruppe<br />
möglichst wenig erhöhen. Dadurch entstehen homogene und ähnlich große Gruppen.<br />
Abbildung 1: Inverses Screeplot<br />
102<br />
12000<br />
10000<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
1<br />
3<br />
5<br />
7<br />
9<br />
11<br />
13<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
23<br />
25<br />
27<br />
29
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Aufgrund der Zuordnungsübersicht wurde (Abbildung 1) ein inverses Screeplot 19 erstellt.<br />
Nach einer Inspektion der gebildeten Cluster erschien gemäß dem Elbow-Kriterium eine<br />
Sieben-Cluster-Lösung als sinnvoll.<br />
2 Sieben Typen im Überblick<br />
Die auf diese Weise gebildeten sieben Typen erwiesen sich trotz einer mit elf Merkmalen<br />
(interne und externe formelle Weiterbildung und Formen informellen Lernens) eher großen<br />
Variablenzahl auch in der weiteren Analyse als ausreichend markant und plausibel.<br />
2.1 Die typenbildenden Merkmale<br />
Die sieben Typen sind mit ihren jeweiligen durchschnittlichen Merkmalsausprägungen in der<br />
Reihenfolge absteigenden Gesamtniveaus von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung in<br />
Tabelle 2 dargestellt. Wie bereits in den Tabellen 4 und 5 des vorausgehenden Kapitels<br />
beziehen sich die Merkmalsausprägungen jeweils auf die zahlenmäßig wichtigste Mitar-<br />
beitergruppe der Betriebe.<br />
Die in der Tabelle dargestellten Typen, die übrigens mit Ausnahme von Typus 3 jeweils eine<br />
sehr ähnliche Zahl von Betrieben zusammenfassen, haben zum Teil sehr charakteristische<br />
Besonderheiten, von denen wenigstens einige hervorzuheben sind:<br />
Typus 1 weist (mit Ausnahme der Lernform „Job-Rotation“) fast durchgängig Werte auf, die<br />
deutlich über dem Durchschnitt liegen. Dieser Typus erreicht ohne Zweifel das höchste Ni-<br />
veau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung.<br />
Hier ist die Kurzbezeichnung Spitzenplatz gerechtfertigt.<br />
Typus 2 hält zwar lediglich bei der informellen Lernform „Qualitätszirkel u.Ä.“ den ersten<br />
Platz, liegt jedoch bei fast allen anderen Lernformen zumindest auf einem guten Mittelplatz.<br />
Alle zu diesem Typus gehörenden Betriebe praktizieren Job- Rotation; nahezu alle Betriebe<br />
mit Job-Rotation gehören diesem Typus an.<br />
Als Kurzbezeichnung bietet sich damit Job-Rotation an.<br />
Typus 3, der weitaus kleinste aller Typen, hebt sich durch hohes Gewicht von arbeitsnahen<br />
informellen Lernformen und dadurch aus dem Rest der befragten Betriebe heraus, dass<br />
praktisch alle ihm zugehörenden Betriebe ausschließlich interne Weiterbildung anbieten.<br />
Als Kurzbezeichnung liegt nur intern nahe.<br />
19 Laut Bacher 1996 (S.87) kann dieser Screen-Test zur Bestimmung der Dimensionszahl herangezogen werden.<br />
In Abhängigkeit von der Dimensionszahl werden die Distanzen graphisch dargestellt. Die zu wählende<br />
Dimensionszahl wird durch einen ellenbogenförmigen Knick der Verlaufskurve angezeigt. Bacher, J (1996):<br />
Clusteranalyse. Anwendungsorientierte Einführung. München, Wien: Oldenburg<br />
103
Burkart Lutz<br />
Tabelle 2: Sieben Typen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (in der Reihung<br />
abnehmenden Gesamtniveaus – nur stärkste Mitarbeitergruppe des jeweiligen<br />
Betriebes – in Prozent des Typs)<br />
Merkmale/Typen 1 2 3 4 5 6 7 Gesamt<br />
Weiterbildung<br />
104<br />
N = 265 279 122 277 242 248 249 1.682<br />
Nur intern 0 34,1 98,7 0 0 41,3 16,6 21,3<br />
Nur extern 2,1 11,3 0 97,1 0 0 0 18,2<br />
Beides 90,4 38,4 0 0 67,2 35,4 43,7 42,0<br />
Informelles Lernen<br />
Lesen v. Fachliteratur 90,3 68,9 47,9 66,9 69,1 59,8 52,8 66,7<br />
Information, Unterweisung 100 82,7 98,3 75,6 100 100 0 78,2<br />
Vorträge, Messen u.Ä. 65,6 45,6 22,0 54,6 40,6 51,0 30,8 46,4<br />
Gruppen- u. Teamarbeit 59,2 53,1 68,6 51,4 80,1 4,2 32,1 48,5<br />
Qualitätszirkel u.Ä. 61,6 63,4 51,7 25,9 61,6 8,3 24,2 41,9<br />
Computergestütztes Lernen 72,1 38,7 16,1 36,9 0 10,0 15,2 28,8<br />
Patenschaften, Coaching 51,9 33,8 56,8 11,7 0 0,6 4,8 20,7<br />
Job-Rotation 0 100 0 0,5 0 0 0,5 16,7<br />
Gesamtniveau<br />
Durchschnitt über alle<br />
Merkmale<br />
53,9 51,8 41,8 38,2 38,1 28,2 20,2 39,0<br />
Typus 4 konzentriert hingegen die organisierte Weiterbildung <strong>für</strong> die Mitarbeiter der zuge-<br />
hörigen Betriebe ausschließlich auf externe Veranstaltungen.<br />
Dem entspricht die Kurzbezeichnung nur extern.<br />
Für die Betriebe des Typus 5 ist charakteristisch, dass zwar die Häufigkeit der Teilnahme an<br />
organisierter Weiterbildung deutlich unter dem Durchschnitt aller Typen bleibt, dass aber<br />
dort, wo Weiterbildung überhaupt anzutreffen ist, stets interne und externe Veranstaltungen<br />
kombiniert werden. Dieser Typus nimmt überdies den Spitzenplatz bei Gruppen- und Team-<br />
arbeit als Lernform ein.<br />
Dies legitimiert die Kurzbezeichnung Gruppenarbeit.<br />
Für die Typen 6 und 7 gilt gleichermaßen, dass sie die Mehrzahl der informellen Lernformen<br />
deutlich weniger nutzen als alle anderen Typen. Der Niveauunterschied zwischen Typus 6
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
und Typus 7 ergibt sich vor allem aus der relativ geringeren Beteiligung der Betriebe von<br />
Typus 7 an organisierter – interner und externer – Weiterbildung.<br />
Angesichts dessen bieten sich als Kurzbezeichnung <strong>für</strong> Typus 6 wenig informell und <strong>für</strong><br />
Typus 7 niedrigstes Niveau an.<br />
2.2 Erste Befunde<br />
Beim Überblick über die sieben Typen in Tabelle 1 fallen vor allem zwei Sachverhalte ins<br />
Auge:<br />
(1) Im Gesamtniveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung bestehen markante<br />
Unterschiede zwischen den Typen.<br />
Der Index des Gesamtniveaus von Kompetenzentwicklung, der in der letzten Zeile von<br />
Tabelle 1 („insgesamt“) angeführt ist und der die durchschnittliche Beteiligung an allen in die<br />
Clusterung einbezogenen Lernformen darstellt, variiert (bei einem Mittelwert über alle Typen<br />
von 39 Prozent) zwischen 20 Prozent (Typus 7) und 54 Prozent (Typus 1).<br />
(2) Die Ursachen <strong>für</strong> die Niveau-Differenzen zwischen den Typen liegen vor allem in unter-<br />
schiedlicher Häufigkeit der Nutzung bestimmter informeller Lernformen und sehr viel weniger<br />
in verschiedener Beteiligung an organisierter Weiterbildung.<br />
Die Teilnahme an formeller Weiterbildung betriebsinterner oder externer Art variiert bei<br />
einem Mittelwert der gesamten Stichprobe von 82 Prozent zwischen den Typen mit Extrem-<br />
werten von 60 Prozent (Typus 7) und 99 Prozent (Typus 3) deutlich weniger, als auf den<br />
ersten Blick zu erwarten wäre.<br />
Auch von den Formen informellen Lernens tragen einzelne nur wenig zu den beträchtlichen<br />
Niveauunterschieden zwischen den sieben Typen bei, ohne dass wir entscheiden können,<br />
ob dies nur einer mehr oder weniger zielführenden Formulierung der dem Interviewten<br />
angebotenen Antwortmöglichkeiten zuzuschreiben ist oder auf strukturelle Differenzen zu-<br />
rückgeht. So ist Unterweisung und Information durch Vorgesetzte und Experten – mit Aus-<br />
nahme des Typus 6 – fast überall mit ähnlichen Werten vertreten.<br />
Sehr viel größer sind hingegen die Unterschiede zwischen den Typen bei den meisten<br />
anderen informellen Lernformen. Zu nennen sind hier vor allem Gruppen- und Teamarbeit<br />
mit einem Maximum von 80 Prozent (Typus 5) und einem Minimum von 4 Prozent (Typus 7)<br />
und die Teilnahme an Vorträgen, Messen und Ähnlichem mit einem Höchstwert von 78<br />
Prozent (Typus 1) und einem niedrigsten Wert von 35 Prozent (Typus 3).<br />
Gerade bei diesen Lernformen fällt jedoch auf, dass die Häufigkeit ihrer Nennung keines-<br />
wegs immer mit dem Gesamtniveau der Kompetenzentwicklung der jeweiligen Gruppe von<br />
Betrieben korreliert.<br />
105
Burkart Lutz<br />
2.3 Fragen und Hypothesen<br />
Dieser eher offene und differenzierte Zusammenhang zwischen Gesamtniveau und Betei-<br />
ligung an einzelnen Formen organisierter Weiterbildung und informellen Lernens bedeutet<br />
unter anderem, dass es kaum möglich ist, so etwas wie „Leitaktivitäten“ der Kompetenz-<br />
entwicklung zu identifizieren, auf die sich dann die Analyse konzentrieren könnte. Das durch-<br />
schnittliche Beteiligungsniveau je Betrieb oder je Typus kommt vor allem durch das Zu-<br />
sammenwirken verschiedener Formen von formeller Weiterbildung und informellem Lernen<br />
zustande – wobei von Fall zu Fall bzw. von Typus zu Typus das Gewicht der einzelnen Lern-<br />
formen ganz unterschiedlich sein kann.<br />
Damit stellen sich zwei Serien von Fragen:<br />
Wie erklärt sich die Zuordnung der befragten Betriebe zu einem der sieben aufgeführten<br />
Typen? Welche Rolle spielen hierbei welche betrieblichen Strukturmerkmale und Problem-<br />
lagen?<br />
Was lässt sich mit der Typenzugehörigkeit erklären? Welcher Art sind die Gemeinsamkeiten<br />
der Betriebe eines Typus und die Differenzen zwischen Betrieben verschiedener Typen?<br />
Diesen beiden Serien von Fragen, bei denen die Typuszugehörigkeit einmal als abhängige<br />
und einmal als unabhängige Variable fungiert, ist nunmehr – in den folgenden Abschnitten<br />
und in Kapitel IV – näher nachzugehen:<br />
Im Hinblick auf die erste Serie von Fragen nach den Einflüssen auf die betrieblichen<br />
Aktivitäten von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung und damit die Typenzugehörigkeit<br />
der Betriebe bieten sich zwei mögliche Erklärungsmuster an, die sich jeweils in eine Hypo-<br />
these fassen lassen:<br />
(1) Zum einen ist es möglich, dass betriebliche Problemlagen bzw. Entwicklungen perso-<br />
neller oder sonstiger Art Kompetenzdefizite hervorbringen oder zu Tage treten lassen, so<br />
dass sich hiermit ein verstärkter Bedarf an Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ver-<br />
bindet und dass sich dieser dann auch in entsprechenden Aktivitäten niederschlägt.<br />
Man kann diese Vermutung als „Bedarfshypothese“ bezeichnen.<br />
(2) Zum anderen ist keineswegs auszuschließen, dass eine gute wirtschaftliche Lage –<br />
möglicherweise ganz unabhängig von aktuellem Bedarf, sondern z.B. als Teil einer länger-<br />
fristig angelegten Bindungs- und Motivationsstrategie – günstige Voraussetzungen <strong>für</strong> ver-<br />
stärkte Bestrebungen zur Kompetenzentwicklung entstehen lässt, die sich dann auch in ent-<br />
sprechenden Aktivitäten niederschlagen.<br />
Dies wäre eine „Ressourcenhypothese“.<br />
Inwieweit diese beiden Hypothesen – denen zufolge betriebliche Aktivitäten der<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung entweder vorrangig „bedarfsbezogen“ oder aber<br />
„ressourcengetrieben“ sind – den Anspruch erheben können, realitätsgerecht und analytisch<br />
tragfähig zu sein, wird im Weiteren in mehreren Schritten und im Zusammenhang mit (3)<br />
106
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
betrieblichen Strukturmerkmalen, (4) der wirtschaftlichen Lage der Betriebe und (5) Arbeits-<br />
anforderungen sowie betrieblichen Personalproblemen zu prüfen sein.<br />
3 Typenspezifische betriebliche Strukturmerkmale<br />
Die wirtschaftliche Lage der befragten Betriebe hängt, so hatte sich in Kapitel I gezeigt, recht<br />
eng mit betrieblichen Strukturmerkmalen zusammen, unter denen sich vor allem die Sektor-<br />
zugehörigkeit, die regionale Lage sowie die Größe und die Kombination dieser Merkmale als<br />
wichtig erwiesen. Es genügt, die wichtigsten Einflüsse in Erinnerung zu rufen:<br />
Bei Betrieben des Dienstleistungssektors ist das Verhältnis zwischen Erfolgen (Investitionen<br />
in neue Technik, regelmäßige Gewinne und größerer Personalaufbau) und Schwierigkeiten<br />
(neue Wettbewerber, Personalabbau und deutliche Umsatzeinbußen) deutlich besser als im<br />
produzierenden Gewerbe.<br />
Im regionalen Vergleich ist die Lage in Ostdeutschland spürbar schlechter als in West-<br />
deutschland; von einem Anstieg des Geschäftsvolumens berichten hier 40 Prozent, dort hin-<br />
gegen nur 32 Prozent.<br />
Auch haben kleine Betriebe unter sonst gleichen Umständen vielfach mehr mit Schwierig-<br />
keiten zu kämpfen als größere.<br />
In Kapitel I hatte sich im Übrigen gezeigt, dass die Unterschiede in einer Dimension nicht<br />
selten markanter werden, wenn man die Kombination von zwei oder drei Merkmalen be-<br />
trachtet. So beträgt die Relation zwischen Schwierigkeiten und Erfolgen bei den kleinen<br />
Betrieben des ostdeutschen produzierenden Gewerbes 1 : 0,68, bei großen Betrieben des<br />
produzierenden Gewerbes in den alten Bundesländern hingegen 1 : 1,69. Über alle Dienst-<br />
leistungsbetriebe der Region errechnet sich in Ostdeutschland ein Verhältnis von Schwierig-<br />
keiten zu Erfolgen von 1 : 1,12 und in Westdeutschland ein solches von 1 : 1,38.<br />
Damit drängt sich die Frage auf, ob diese Strukturmerkmale nicht auch <strong>für</strong> die Zugehörigkeit<br />
der befragten Betriebe zu einem der hier unterschiedenen sieben Typen wichtig sind.<br />
3.1 Die Strukturmerkmale im Überblick<br />
Zu einer ersten Orientierung sind in Tabelle 3 drei charakteristische Kennziffern zusammen<br />
gestellt. Diese Kennziffern lassen zum Teil recht markante Unterschiede zwischen den Ty-<br />
pen erkennen, ohne dass jedoch ein durchgängiges Muster sichtbar würde.<br />
Alle drei Strukturmerkmale beeinflussen offenkundig die Typenzugehörigkeit. Allerdings ist<br />
ihr Einfluss, gemessen an den Unterschieden zwischen den typenspezifischen Werten, je<br />
nach der betrachteten Kennziffer bzw. dem durch diesen ausgedrückten Strukturmerkmal<br />
verschieden. Er ist bei der Betriebsgröße mit den Extremwerten von 78,5 Prozent (Typus 3)<br />
und 92,4 Prozent (Typus 4) am geringsten, beim Anteil an Dienstleistungsbetrieben mit<br />
Extremwerten von 69,7 Prozent (Typus 3) und 89,8 Prozent (Typus 1) deutlich größer und<br />
107
Burkart Lutz<br />
mit Extremwerten von 47,1 Prozent und 68,9 Prozent am stärksten beim Anteil west-<br />
deutscher Betriebe als Indikator der regionalen Lage.<br />
In der Tabelle ist insbesondere bemerkenswert, dass einzelne Typen bei zwei oder drei<br />
Kennziffern nennenswert nach oben oder nach unten vom Durchschnitt aller befragten Be-<br />
triebe abweichen, während andere Typen stets sehr nahe am Durchschnitt liegende Werte<br />
aufweisen. Als Beispiele <strong>für</strong> stärkere Abweichungen sind Typus 3 und Typus 7 zu nennen:<br />
Typus 3 hat den niedrigsten Wert an Kleinbetrieben und an Dienstleistungsbetrieben, jedoch<br />
einen Anteil ostdeutscher Betriebe, der deutlich über dem Durchschnitt liegt. Typus 7 weist<br />
eine Betriebsgrößenstruktur auf, die sich praktisch nicht von der der Gesamtstichprobe<br />
unterscheidet, liegt jedoch beim Anteil der Dienstleistungsbetriebe um 9 Prozentpunkte<br />
unter, beim Anteil westdeutscher Betriebe um 6 Punkte über dem Durchschnitt.<br />
Noch deutlicher wird der Zusammenhang von Strukturmerkmalen und Typenzugehörigkeit,<br />
wenn man jeweils zwei Merkmale – regionale Lage und Sektorzugehörigkeit (3.2) sowie<br />
Größe und Sektorzugehörigkeit (3.3) – kombiniert und wenn man (3.4) die beiden bisher<br />
unterschiedenen Sektoren weiter aufgliedert. Hierbei werden insbesondere die Besonder-<br />
heiten einzelner Typen, die sich in Tabelle 2 bereits abzeichnen – so etwa Typus 1 als fast<br />
reiner Dienstleistungstypus mit überdurchschnittlichem Gewicht mittlerer und größerer Be-<br />
triebe oder Typus 5 als ausgesprochener Ost-Typ – noch konturierter hervortreten.<br />
Tabelle 3: Strukturkennziffern der sieben Typen (in Prozent aller Betriebe der Typen)<br />
Typus/Kennziffer N<br />
108<br />
Betriebe mit<br />
weniger als 50<br />
Beschäftigten<br />
Dienstleistungsbetriebe<br />
Westdeutsche<br />
Betriebe<br />
1 „Spitzenplatz“ 265 80,4 89,8 64,3<br />
2 „Job-Rotation“ 279 87,5 79,9 59,9<br />
3 „nur intern“ 122 78,5 69,7 68,9<br />
4 „nur extern“ 277 92,4 83,7 63,4<br />
5 „Gruppenarbeit“ 242 83,1 81,0 47,1<br />
6 „wenig informell“ 248 84,6 74,1 55,5<br />
7 „niedrigstes Niveau“ 249 84,7 70,3 66,7<br />
Gesamt 1682 84,8 79,2 60,3<br />
3.2 Die Sektoren im Ost-West-Vergleich<br />
Der Anteil ost- und westdeutscher Betriebe an den einzelnen Typen variiert, wie Tabelle 2<br />
erkennen ließ, nicht unerheblich. Auch beim relativen Gewicht von Betrieben des pro-<br />
duzierenden Gewerbes bzw. des Dienstleistungsbereichs sind, wie gleichfalls aus Tabelle 2<br />
hervorgeht, beträchtliche Unterschiede zu beobachten. Dies legt es nahe, beide Merkmale<br />
miteinander zu kombinieren.
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Angesichts der sehr ungleichen Verteilung der befragten Betriebe auf Sektoren und<br />
Regionen schien es angebracht, in Tabelle 4 nicht die Struktur der Typen nach Sektor und<br />
Region der Betriebe darzustellen, sondern die Anteile der sieben Typen an den vier Gruppen<br />
von Betrieben (produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen in West- und Ostdeutsch-<br />
land). Die Tabelle zeigt also, welches Gewicht die verschiedenen Typen in ost- und west-<br />
deutschen Betrieben des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors haben.<br />
Bei der Interpretation dieser Tabelle ist allerdings zu beachten, dass Typus 3 sehr viel<br />
weniger Betriebe enthält als die anderen Typen.<br />
In Tabelle 4 konturieren und differenzieren sich, wie erwartet, Zusammenhänge, die sich<br />
bereits in den relativ groben Kennziffern von Tabelle 2 angedeutet hatten. Hervorzuheben<br />
sind vor allem drei Sachverhalte:<br />
(1) Gleichermaßen in West und in Ost ist bei den beiden Extremtypen 1 und 7 ein enger<br />
Zusammenhang der Typenzugehörigkeit mit der Sektorzugehörigkeit festzustellen, der aller-<br />
dings bei diesen beiden Typen in jeweils entgegengesetzter Richtung verläuft:<br />
Typus 1, der Typus mit dem höchsten Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung,<br />
stellt einen sehr viel höheren Anteil am Dienstleistungssektor als am produzierenden Ge-<br />
werbe.<br />
Typus 7 mit dem niedrigsten generellen Niveau ist hingegen im produzierenden Gewerbe<br />
wesentlich stärker vertreten als im Dienstleistungsbereich. Jeder vierte westdeutsche Betrieb<br />
des produzierenden Gewerbes wurde bei der Clusterbildung diesem Typus zugeordnet.<br />
Ähnlich, wenngleich weniger markant, ist der Zusammenhang beim kleinsten Typus 3, der<br />
vor allem in Westdeutschland im produzierenden Gewerbe stark vertreten ist.<br />
Wechselt man die Perspektive und betrachtet die Binnenstruktur der beiden Extremtypen, so<br />
zeigt sich, dass von den Betrieben des Typus 1 in Ostdeutschland nur 12 Prozent und in<br />
Westdeutschland sogar nur 9 Prozent dem produzierenden Gewerbe zugehören, von den<br />
Betrieben des Typus 7 hingegen 29 Prozent in Westdeutschland und 32 Prozent in Ost-<br />
deutschland.<br />
(2) Bei einigen Typen sind kaum Unterschiede ihrer Anteile an Betrieben der beiden Sek-<br />
toren sowie aus Ost- und aus Westdeutschland zu beobachten. Dies gilt am ausge-<br />
prägtesten bei Typus 2; hier liegen die vier in der Tabelle ausgewiesenen Anteilswerte je-<br />
weils sehr nahe am Anteil der Gesamtstichprobe.<br />
(3) Bei den drei Typen 4, 5 und 6 gibt es hingegen deutliche Ost-West-Differenzen im Ver-<br />
hältnis zwischen den Sektoren.<br />
Bei Typus 5, schon weiter oben als „Ost-Typus“ apostrophiert, liegen die ostdeutschen An-<br />
teilswerte beider Sektoren mit 18 Prozent und 19 Prozent erheblich über dem Durchschnitt<br />
des ganzen Typus von 14 Prozent, während die westdeutschen Werte – 9 Prozent und 12<br />
Prozent - deutlich darunter liegen.<br />
109
Burkart Lutz<br />
Tabelle 4: Sektorale und regionale Einflüsse (in Prozent der jeweiligen Gruppe von<br />
Betrieben)<br />
Merkmalskombination Westdeutschland Ostdeutschland<br />
Typus<br />
110<br />
Produzierendes<br />
Gewerbe<br />
Dienstleistungen<br />
Produzierendes<br />
Gewerbe<br />
Dienstleistungen<br />
Gesamt<br />
N gewichtet = 194 821 155 512 1.681<br />
1 „Spitzenplatz“ 8,0 18,9 7,2 16,3 15,8<br />
2 „Job-Rotation“ 16,6 16,4 15,3 17,2 16,5<br />
3 „nur intern“ 12,9 7,2 7,7 5,0 7,3<br />
4 „nur extern“ 10,1 19,1 16,6 14,7 16,5<br />
5 „Gruppenarbeit“ 8,6 11,8 18,5 19,4 14,4<br />
6 „wenig informell“ 19,0 12,2 17,8 16,2 14,7<br />
7 „niedrigstes Niv.“ 24,8 14,4 16,9 11,2 14,8<br />
Gesamt 100 100 100 100 100<br />
Bei Typus 6 sind die intersektoralen Differenzen in Westdeutschland wesentlich stärker aus-<br />
geprägt als in Ostdeutschland.<br />
Bei Typus 4 sind gleichzeitig unterschiedlich gerichtete und unterschiedlich stark ausge-<br />
prägte Beziehungen zwischen den Sektoren zu beobachten: In Westdeutschland besteht ein<br />
starkes Gefälle von den Dienstleistungsbetrieben (Anteilswert 19 Prozent) zum produzie-<br />
renden Sektor (Anteilswert 10 Prozent). Demgegenüber liegt in Ostdeutschland der Anteil<br />
des produzierenden Gewerbes mit 17 Prozent wesentlich höher und deutlich über dem Wert<br />
der Dienstleistungsbetriebe (15 Prozent).<br />
3.3 Zum kombinierten Einfluss von Größe und Sektorzugehörigkeit<br />
Die in Tabelle 3 zusammengestellten Kennziffern ließen bereits erkennen, dass offenkundig<br />
zwischen Größenstruktur und Sektor der Betriebe auf der einen Seite, ihrer Zugehörigkeit zu<br />
einem der unterschiedenen sieben Typen auf der anderen Seite mehr oder minder enge<br />
Zusammenhänge bestehen. Kombiniert man – in Tabelle 5 – die beiden Strukturmerkmale,<br />
so treten diese Zusammenhänge noch wesentlich deutlicher hervor. Zugleich zeigt sich frei-<br />
lich, dass es falsch wäre, von einem einheitlichen Muster auszugehen. Vielmehr spricht, wie<br />
bereits weiter oben vermutet, einiges da<strong>für</strong>, dass sich in der Typenzugehörigkeit ver-<br />
schiedene Strukturmuster in einer Art und Weise kombinieren, die ihrerseits zwischen grö-<br />
ßeren Gruppen von Betrieben variieren können.<br />
Unter den Strukturelementen und Zusammenhängen, die in Tabelle 5 klar zu Tage treten,<br />
sind vor allem drei von besonderem Interesse:
(a) Erheblicher Einfluss der Sektorzugehörigkeit<br />
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Generell sind die Typen mit einem höheren generellen Niveau an Weiterbildungsaktivitäten<br />
und Kompetenzentwicklung durch einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Betrieben des<br />
Dienstleistungssektors charakterisiert, während bei den Typen mit niedrigem Niveau ein<br />
deutlich über dem Durchschnitt liegender Anteil an Betrieben des produzierenden Gewerbes<br />
zu verzeichnen ist.<br />
Typus 1 („Spitzenplatz“) ist über die drei unterschiedenen Betriebsgrößenklassen hinweg im<br />
Dienstleistungssektor wesentlich häufiger vertreten als unter den Betrieben des produ-<br />
zierenden Gewerbes. Auf der anderen Seite haben die beiden Typen 6 und 7 mit niedrigstem<br />
Niveau formeller Weiterbildung und informellen Lernens unter den Betrieben des produzie-<br />
renden Gewerbes – wiederum über alle Betriebsgrößenklassen – ein wesentlich höheres<br />
Gewicht als unter den Betrieben des Dienstleistungssektors.<br />
Tabelle 5: Typen nach Größe und Sektorzugehörigkeit (in Prozent aller Betriebe der<br />
jeweiligen Merkmalskombination)<br />
Typus/Merkmalskombination Produzierendes Gewerbe Dienstleistungen<br />
Betriebsgröße klein mittel größer klein mittel größer<br />
Ge-<br />
samt<br />
N gewichtet = 244 86 19 1.181 127 25 1.682<br />
1 „Spitzenplatz“ 5,2 12,8 15,9 17,0 24,4 28,0 15,8<br />
2 „Job-Rotation“ 16,1 14,5 22,7 16,9 14,6 18,9 16,5<br />
3 „nur intern“ 10,3 10,5 14,6 6,0 9,6 8,6 7,3<br />
4 „nur extern“ 13,8 12,6 3,8 18,8 6,4 5,6 16,5<br />
5 „Gruppenarbeit“ 11,9 16,1 14,4 14,6 15,9 15,9 14,4<br />
6 „wenig informell“ 19,5 16,5 13,8 13,7 15,1 10,6 14,7<br />
7 „niedrigstes Niveau“ 23,3 17,0 14,8 13,0 14,0 12,4 14,8<br />
Gesamt 100 100 100 100 100 100 100<br />
* NB. Bei der Stichprobenziehungen wurde ausdrücklich darauf geachtet, dass die Zahl der befragten mittelgroßen<br />
und größeren Betriebe groß genug war, um statistisch belastungsfähige Aussagen zu ermöglichen. In<br />
der Analyse und Ergebnisdarstellung wurden die entsprechenden Werte dann mittels Gewichtungskoeffizienten<br />
in Übereinstimmung mit der tatsächlichen Größenstruktur gebracht.<br />
(b) Große Bedeutung der Betriebsgröße <strong>für</strong> die Typenzugehörigkeit<br />
In ganz ähnlicher Weise finden sich größere Betriebe wesentlich häufiger in Typen mit<br />
hohem Niveau der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (insbesondere in den Typen 1<br />
und 2). Von den größeren Betrieben beider Sektoren gehören mehr als zwei Fünftel (43<br />
Prozent) zu Typus 1 und 2, die zusammen nur knapp ein Drittel aller Betriebe umfassen.<br />
Demgegenüber sind Kleinbetriebe deutlich häufiger in den Typen 6 und 7 mit niedrigstem<br />
Niveau vertreten.<br />
111
Burkart Lutz<br />
(c) Wechselseitige Verstärkung der Einflüsse von Betriebsgröße und Sektorzugehö-<br />
112<br />
rigkeit.<br />
Die wechselseitige Verstärkung von Größen- und Sektoreffekten zeigt sich sehr deutlich,<br />
wenn man die Extremwerte betrachtet:<br />
Von den größeren Dienstleistungsbetrieben gehören 28 Prozent zu Typus 1, hingegen nur<br />
12 Prozent zu den beiden Typen 3 und 4 mit lediglich mittlerem Niveau der Kompetenz-<br />
entwicklung.<br />
Von den kleinen Betrieben des produzierenden Gewerbes gehören allein 43 Prozent zu den<br />
beiden Typen 6 und 7 mit dem niedrigsten Niveau der Kompetenzentwicklung, jedoch ledig-<br />
lich 5 Prozent zum Spitzentypus 1.<br />
Hervorzuheben ist allerdings, dass diese Zusammenhänge nicht durchgängig wirken und<br />
strukturprägend sind. Zwei Sachverhalte sind in dieser Perspektive von Bedeutung:<br />
Zum einen gibt es beim Einfluss der Betriebsgröße deutliche Unterschiede zwischen den<br />
Typen. Während der Typus „Spitzenplatz“ und – schwächer ausgeprägt – die Typen „Job-<br />
Rotation“ und „nur intern“ (Typus 2 und 3) durch Anteilswerte gekennzeichnet sind, die mit<br />
zunehmender Betriebsgröße deutlich steigen, ist bei einigen Typen, vor allem bei Typus 5<br />
(„Gruppenarbeit“), kein Einfluss der Betriebsgröße erkennbar. Und in den beiden Typen „nur<br />
extern“ und „wenig informell“ (Typus 4 und 6) wirkt der Einfluss in genau umgekehrter Rich-<br />
tung: Hier steigen die Anteile der Typen mit sinkender Betriebsgröße.<br />
Zum anderen sind bei einigen Typen ausgeprägte sektorale Unterschiede im Einfluss der<br />
Betriebsgröße zu beobachten. Im Typus „Job-Rotation“ (Typus 2) steigt die Beteiligung mit<br />
zunehmender Betriebsgröße im produzierenden Gewerbe deutlich stärker an als in den<br />
Dienstleistungsbetrieben. Bei Typus 7 („niedrigstes Niveau“) sinken die Anteile im produzie-<br />
renden Gewerbe mit steigender Betriebsgröße stark ab, während im Dienstleistungsbereich<br />
über alle Betriebsgrößen hinweg kaum Unterschiede zu verzeichnen sind.<br />
3.4 Differenzierung nach Wirtschaftsbereichen<br />
In den vorstehenden Tabellen wurde im Interesse größerer Übersichtlichkeit und besserer<br />
Lesbarkeit die sektorale Desaggregation der befragten Betriebe auf die Dichotomie von<br />
produzierendem Gewerbe (einschließlich Baugewerbe und Landwirtschaft) und Dienstleis-<br />
tungen (aller Art) reduziert. Angesichts der offenkundig erheblichen Bedeutung, die sektor-<br />
spezifischen Einflüssen zukommt, stellt sich die Frage, ob mit dieser Dichotomisierung nicht<br />
zu heterogene Bereiche zusammengefasst und Zusammenhänge und Strukturen ausge-<br />
blendet werden, die <strong>für</strong> die Erklärung der – typenkonstitutierenden – unterschiedlichen For-<br />
men von Weiterbildung und informeller Kompetenzentwicklung vielleicht von erheblicher<br />
Bedeutung sind. Deshalb werden in Tabelle 6 die Anteile von insgesamt fünf Wirtschaftsbe-<br />
reichen an den Betrieben der sieben Typen dargestellt.<br />
Zu beachten ist bei der Betrachtung der Tabelle, dass nicht mehr, wie in Tabellen 4 und 5,<br />
die Anteile der Typen an zweidimensional definierten Betriebsgruppen dargestellt sind,
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
sondern im Interesse leichterer Lesbarkeit die Anteile der unterschiedenen fünf Wirtschafts-<br />
bereichen an den sieben Typen.<br />
Tabelle 6 lässt erkennen, dass es in der Tat ausgesprochen positive und negative Affinitäten<br />
zwischen bestimmten Wirtschaftsbereichen und bestimmten Typen gibt, die in den vor-<br />
stehenden Tabellen in dieser Klarheit nicht erkennbar waren. Diese Affinitäten drücken sich<br />
jeweils in Anteilswerten von Wirtschaftsbereichen an bestimmten Typen aus, die entweder<br />
weit über oder weit unter ihrem (in der Endspalte von Tabelle 6 aufgeführten) durch-<br />
schnittlichen Anteil an der gesamten Stichprobe liegen.<br />
Affinitäten dieser Art können in einer doppelten Perspektive betrachtet werden: In der Pers-<br />
pektive der Typen ist zu fragen, welche Wirtschaftsbereiche in ihnen besonders stark oder<br />
besonders schwach vertreten sind. In der Perspektive der Wirtschaftsbereiche ist zu fragen,<br />
auf welche Typen sich die ihnen zugehörigen Betriebe konzentrieren oder in welchen sie<br />
besonders schwach vertreten sind.<br />
Tabelle 6: Branchenstruktur der Typen (in Prozent aller Betriebe je Typus)<br />
Typus<br />
Wirtschaftsbereiche 1 2 3 4 5 6 7<br />
Land- und Forstwirtschaft 0,5 1,0 1,1 2,7 2,2 4,7 3,3 2,3<br />
Gesamt<br />
Produzierendes Gewerbe 9,5 19,1 29,3 13,7 16,6 21,3 26,5 18,5<br />
Handel, Verkehr,<br />
Gaststätten<br />
Kredit, Versicherung,<br />
Vermietung<br />
Gesundheit, soziale<br />
Dienste u.Ä.<br />
24,0 43,6 38,6 19,1 21,9 36,5 21,6 28,6<br />
35,7 20,2 8,9 44,8 19,9 16,7 28,0 26,5<br />
30,3 16,1 22,1 19,7 39,4 20,8 20,6 24,1<br />
Gesamt 100 100 100 100 100 100 100 100<br />
(a) Aus der Perspektive der Typen ist hervorzuheben:<br />
In Typus 1 („Spitzenplatz“) dominieren eindeutig die beiden Dienstleistungsbereiche Kredit-<br />
wesen, Versicherungen und Vermietung sowie Gesundheit und soziale Dienste. Beide Be-<br />
reiche stellen zusammen zwei Drittel aller Betriebe dieses Typus, obwohl ihr Anteil an der<br />
Gesamtstichprobe nur bei gut 50 Prozent liegt. Hingegen sind die beiden Wirtschaftsbe-<br />
reiche materieller Produktion, Landwirtschaft und produzierendes Gewerbe an diesem Typus<br />
nur mit 10 Prozent, also der Hälfte ihres Anteils an allen Typen, beteiligt.<br />
Typus 2 („Job-Rotation“) ist durch eine ausgeprägte Konzentration des Wirtschaftsbereichs<br />
Handel, Verkehr, Gaststätten gekennzeichnet, dem 44 Prozent aller Betriebe dieses Typus<br />
angehören. Die vier anderen Wirtschaftsbereiche sind hingegen an diesem Typus nur mit<br />
Werten vertreten, die allenfalls in der Nähe des Gesamtdurchschnitts, teilweise aber (so<br />
113
Burkart Lutz<br />
Kredit- und Versicherungswesen mit 20 Prozent und Gesundheitswesen, soziale Dienste u.<br />
Ä. mit 16 Prozent) darunter liegen.<br />
An den Betrieben des – wie erinnerlich recht kleinen – Typus 3 („nur intern“) sind zwei<br />
Wirtschaftsbereiche weit überproportional vertreten: Handel, Verkehr, Gaststätten mit 39<br />
Prozent und das produzierende Gewerbe mit 29 Prozent.<br />
In Typus 4 („nur extern“) findet sich eine sehr starke Konzentration von Kredit- und<br />
Versicherungswesen, dem 45 Prozent aller Betriebe dieses Typus angehören, während die<br />
anderen Wirtschaftsbereiche überwiegend nur Anteile aufweisen, die weit unter dem Durch-<br />
schnitt liegen.<br />
In Typus 5 („Gruppenarbeit“) sind Gesundheitswesen und soziale Dienste mit 39 Prozent der<br />
dominierende Wirtschaftsbereich. Auch hier liegen die Anteile aller anderen Wirtschafts-<br />
bereiche deutlich unter dem Durchschnitt.<br />
Typus 6 („wenig informell“) weist eine relativ ausgeglichene Branchenstruktur auf. Deutlich<br />
überproportional sind allerdings Handel, Verkehr und Gaststätten mit immerhin noch 36<br />
Prozent sowie das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft mit 21 Prozent und 5<br />
Prozent vertreten.<br />
Typus 7 („niedrigstes Niveau“) charakterisiert sich durch erheblich über dem Durchschnitt<br />
aller Typen liegende Anteile von produzierendem Gewerbe und Landwirtschaft, während die<br />
drei anderen Wirtschaftsbereiche deutlich unter dem Durchschnitt bleiben.<br />
(b) In der Perspektive der Wirtschaftszweige:<br />
• sind <strong>für</strong> die Landwirtschaft weitaus am wichtigsten die Typen 6 und 7; denen weit über<br />
114<br />
die Hälfte aller landwirtschaftlichen Betriebe der Befragungsstichprobe angehören;<br />
• gibt es beim produzierenden Gewerbe eine deutliche Konzentration auf die Typen 3, 6<br />
und 7 mit dem höchsten Anteilswert in Typus 3;<br />
• entfällt die Beteiligung von Handel, Verkehr und Gaststätten vorrangig – in absteigender<br />
Reihenfolge – auf die Typen 2, 3 und 6 (denen zusammen deutlich mehr als die Hälfte<br />
aller Betriebe dieses Wirtschaftsbereichs angehören);<br />
• sind <strong>für</strong> Kredit- und Versicherungswesen am wichtigsten die beiden Typen 1 und 4 (die<br />
etwa die Hälfte aller befragten Betriebe dieses Wirtschaftsbereichs stellen);<br />
• weisen Gesundheitswesen und soziale Dienste eine relativ ausgeglichene Verteilung mit<br />
gewissen Schwerpunkten in Typus 5 und Typus 1 auf (auf die zusammen gut zwei<br />
Fünftel aller Betriebe dieses Wirtschaftsbereichs entfallen).<br />
Auf diese zum Teil sehr deutlichen Affinitäten zwischen Wirtschaftsbereichen und Typen der<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ist in Kapitel IV nochmals einzugehen.
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
4 Der Zusammenhang von Typenzugehörigkeit und<br />
wirtschaftlicher Lage der Betriebe<br />
Angesichts der recht engen Beziehungen zwischen Typenzugehörigkeit und betrieblichen<br />
Strukturmerkmalen, die eben – mehr oder minder konturiert, offenkundig oder möglicher-<br />
weise auch durch andere Faktoren überlagert – sichtbar wurden, liegt die Frage nahe, ob<br />
sich nicht mit den bisher betrachteten Strukturmerkmalen noch weitere, <strong>für</strong> die betrieblichen<br />
Aktivitäten der Weiterbildung und der Kompetenzentwicklung wichtige Einflüsse verbinden.<br />
Zwei solche Einflüsse sind in diesem Sinne zu betrachten: Die wirtschaftliche Lage der Be-<br />
triebe zum Zeitpunkt der Befragung (4.1) und die Entwicklung wichtiger Dimensionen dieser<br />
Lage in den Jahren vor der Befragung (4.2).<br />
4.1 Die wirtschaftliche Lage der Betriebe zum Zeitpunkt der<br />
Befragung<br />
Zur wirtschaftlichen Lage der Betriebe zum Zeitpunkt der Befragung wurden im Interesse<br />
eines möglichst differenzierten Bildes, aber auch, um eventuelle Missverständnisse besser<br />
kontrollieren zu können, im Laufe des Interviews mehrere Fragen gestellt. Einige Befunde<br />
aus den Antworten zu zwei dieser Fragen (sie richteten sich, differenziert nach sechs Wett-<br />
bewerbsfaktoren, auf die aktuelle Wettbewerbsposition und auf die Einschätzung der Er-<br />
tragslage des Betriebes) sind in Tabelle 7 zusammen gestellt.<br />
(a) Die aktuelle Wettbewerbsposition<br />
In der Schlussphase des Interviews wurde gefragt:<br />
„Wie beurteilen Sie die Position Ihres Unternehmens in Vergleich zu unmittelbaren Wettbe-<br />
werbern in Bezug auf:<br />
• Preis;<br />
• Qualität;<br />
• Innovation/Technologie;<br />
• Termintreue, kurze Lieferzeiten;<br />
• Flexibilität und Anpassung;<br />
• Dienstleistung, Service und Beratung?“.<br />
Es wurden drei Antwortmöglichkeiten – schlechter, genauso gut, besser – zur Wahl gestellt.<br />
Die Häufigkeiten der Antwort „besser“ sind – zusammen mit den Antworten auf eine Frage<br />
nach der Beurteilung der Ertragslage des eigenen Betriebes – in Tabelle 7 dargestellt.<br />
Vergleicht man <strong>für</strong> die sieben Typen den Mittelwert über die Häufigkeit dieser Antworten <strong>für</strong><br />
die sechs Wettbewerbsfaktoren, so werden, wie Tabelle 7 erkennen lässt, allenfalls<br />
115
Burkart Lutz<br />
Elemente einer Rangreihe der Typen sichtbar, die mit dem generellen Niveau von Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung übereinstimmt.<br />
Tabelle 7: Einschätzung der Wettbewerbsposition und der Ertragslage des eigenen<br />
Unternehmens (Durchschnittliche Häufigkeit der Antworten „besser“ bzw. „sehr<br />
gut“ und „gut“ in Prozent aller Betriebe des Typus, die auf die entsprechende<br />
Frage geantwortet haben)<br />
Typus<br />
116<br />
Position „besser“ –<br />
Mittelwert der sechs<br />
Faktoren<br />
höchstbewertete<br />
Faktoren<br />
Ertragslage „gut“<br />
bzw. „sehr gut“<br />
1 „Spitzenplatz“ 56,3 Flexibilität, Service 37,3<br />
2 „Job-Rotation“ 50,0 Flexibilität, Qualität 27,0<br />
3 „nur intern“ 46,0 Qualität, Service 28,1<br />
4 „nur extern“ 45,9 Service, Qualität 45,3<br />
5 „Gruppenarbeit“ 50,8 Qualität, Flexibilität 35,1<br />
6 „wenig informell“ 47,6 Qualität, Service 29,9<br />
7 „niedrigstes Niveau“ 48,7 Flexibilität, Termintreue 33,2<br />
Gesamt 49,6 Qualität, Service 34,0<br />
Den deutlich höchsten Wert bei der Selbsteinschätzung der Wettbewerbsposition weist zwar<br />
Typus 1 aus, der insofern auch hier den Spitzenplatz behält. Doch liegt Typus 7, der Typus<br />
mit dem niedrigsten generellen Niveau der Kompetenzentwicklung, bei der Selbstbeurteilung<br />
der Wettbewerbslage nur knapp unter dem Durchschnitt der gesamten Stichprobe und ledig-<br />
lich knapp acht Prozentpunkte unter Typus 1.<br />
Auch insgesamt sind die Unterschiede zwischen den Typen eher gering. Lediglich beim<br />
Wettbewerbsfaktor Preis, bei dem sich über alle Typen nur 28 Prozent aller befragten Be-<br />
triebe als im Vorteil gegenüber ihren unmittelbaren Wettbewerbern sehen, liegen die Extrem-<br />
werte mit 17 Prozent (Typus 4) und 36 Prozent (Typus 1) nennenswert auseinander.<br />
Die Einschätzungen der Betriebe aller Typen konzentrieren sich im Übrigen auf drei der<br />
sechs von den Interviewern vorgegebenen Wettbewerbsfaktoren. Flexibilität, Service und<br />
Qualität werden mit geringen Variationen von Typus zu Typus weitaus am häufigsten ge-<br />
nannt.<br />
(b) Die Ertragslage des eigenen Betriebes<br />
Noch weniger konturierter ist das Bild, das sich ergibt, wenn man die Antworten auf die im<br />
gleichen Interview-Zusammenhang gestellte Frage nach der Einschätzung der Ertragslage<br />
des eigenen Unternehmens betrachtet, die gleichfalls in Tabelle 7 wiedergegeben sind.<br />
Gefragt: „Wie schätzen Sie die Ertragslage Ihres Betriebes derzeit ein?“ stimmten insgesamt<br />
34 Prozent der Betriebe der Beurteilung „sehr gut“ (3 Prozent) und „gut“ (31 Prozent) zu.
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Über alle Typen variiert dieser Wert zwar nicht unerheblich, nämlich zwischen 27 Prozent<br />
(Typus 2) und 45 Prozent (Typus 4). Doch ist es auch hier, ebenso wie bei den Aussagen<br />
zur Wettbewerbsposition des Unternehmens, nicht möglich, einen einigermaßen klaren und<br />
plausiblen Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Ertragslage als „sehr gut“ bzw.<br />
„gut“ und der Zugehörigkeit zu einem der Typen der Kompetenzentwicklung zu erkennen.<br />
Bezogen auf die beiden weiter oben formulierten Hypothesen zum Zusammenhang zwischen<br />
wirtschaftlicher Lage des Betriebes und Aktivitäten der Kompetenzentwicklung sprechen die<br />
referierten Befunde allenfalls <strong>für</strong> einen gewissen Realitätsgehalt der „Bedarfshypothese“,<br />
während sich <strong>für</strong> die „Ressourcenhypothese“ in dem bisher präsentierten Material keine ver-<br />
lässlichen Belege finden.<br />
4.2 Der Einfluss der Entwicklung in den letzten Jahren<br />
Nun kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Auswirkungen von wirtschaftlicher Lage<br />
und Problemen der Betriebe auf ihre Aktivitäten zur Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung erst mit einer gewissen Verzögerung auftreten und beobachtbar sind. Dies gilt so-<br />
wohl, wenn man entsprechend der „Bedarfshypothese“ fragt, ob betriebliche Problemlagen<br />
zu verstärkter Kompetenzentwicklung Anlass gaben, wie wenn man gemäß der „Ressour-<br />
cenhypothese“ prüfen will, ob eine gute bzw. eine deutlich verbesserte wirtschaftliche Lage<br />
den Boden <strong>für</strong> mehr Weiterbildungsaktivitäten bereitet.<br />
Deshalb richteten sich mehrere Fragen im Interview auf die betriebliche Entwicklung in der<br />
letzten Zeit vor der Befragung. Vor allem die Antworten auf zwei dieser Fragen – nach der<br />
Veränderung (Anstieg, Stagnation, Sinken) des Geschäftsvolumens im Vergleich zum Vor-<br />
jahr und nach Erfolgen und Schwierigkeiten in den letzten drei Jahren – sind hier von<br />
Interesse.<br />
(1) Zunächst zu den Schwierigkeiten:<br />
In der das Interview einleitenden Frage wurden dem Befragten neben drei positiven Ent-<br />
wicklungen auch drei ausgesprochene Schwierigkeiten vorgelesen; der Interviewer fragte<br />
jeweils nach, ob diese positiven oder negativen Entwicklungen <strong>für</strong> den eigenen Betrieb<br />
zutreffen oder nicht. In Tabelle 8a sind die durchschnittlichen Häufigkeiten der bejahenden<br />
Antworten je Typus dargestellt.<br />
Zwischen der Typuszugehörigkeit der Betriebe und der Häufigkeit, mit der die drei vorge-<br />
gebenen Schwierigkeiten benannt wurden, ist in der Tabelle kein Zusammenhang erkennbar.<br />
Zwar zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Typen, doch gibt es keine Hinweise<br />
darauf, dass diese Unterschiede in der einen oder anderen Weise die Differenzen im Niveau<br />
der Aktivitäten der Kompetenzentwicklung, die in die Typenbildung eingegangen sind, er-<br />
klären könnten.<br />
Die Mittelwerte der beiden Typen mit dem höchsten und den beiden Typen mit dem<br />
niedrigsten Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (Typus 1 und 2 einerseits,<br />
Typus 6 und 7 andererseits) unterscheiden sich kaum.<br />
117
Burkart Lutz<br />
Zugleich sind im Mittelfeld der Rangreihe, bei den Typen 3, 4 und 5, die größten Differenzen<br />
zwischen den Typen zu beobachten. Die weitaus geringste Häufigkeit der Nennung von<br />
Schwierigkeiten findet sich bei Typus 4, während Typus 3 den deutlich höchsten Wert<br />
aufweist.<br />
Insofern spricht wenig <strong>für</strong> die Bedarfshypothese.<br />
Tabelle 8a: Schwierigkeiten der letzten drei Jahre (Antwort „Ja“, in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus)<br />
Frage: Jeder Betrieb hat Erfolge und Schwierigkeiten. Wenn Sie an die letzten drei Jahre<br />
denken, welche der folgenden Aussagen treffen auf Ihren Betrieb zu?<br />
Typus/Schwierigkeit<br />
118<br />
Viele neue<br />
Wettbewerber<br />
Zwang zu<br />
Personalabbau<br />
Deutliche<br />
Umsatzeinbußen<br />
Mittelwert<br />
1 „Spitzenplatz“ 48,5 46,8 30,8 42,0<br />
2 „Job-Rotation“ 48,0 42,3 38,4 42,9<br />
3 „nur intern“ 55,4 49,2 46,3 50,3<br />
4 „nur extern“ 30,8 18,4 25,7 25,0<br />
5 „Gruppenarbeit“ 43,6 34,3 24,9 34,3<br />
6 „wenig informell“ 42,1 44,8 47,4 44,8<br />
7 „niedrigstes Niveau“ 39,0 47,0 42,6 42,9<br />
Gesamt 42,9 39,5 35,7 39,4<br />
(2) Etwas anders ist das Bild, wenn wir die im gleichen Zusammenhang abgefragten drei<br />
Erfolge bzw. positiven Entwicklungen betrachten. Die entsprechenden Häufigkeiten sind in<br />
Tabelle 8b dargestellt.<br />
Zwar sind auch in dieser Tabelle bei den drei mittleren Typen 3, 4 und 5 erhebliche Diffe-<br />
renzen zu beobachten, die kaum mit dem betrieblichen Niveau der Kompetenzentwicklung<br />
verbunden, sondern vor allem wohl Ausdruck der Branchenstruktur und branchenspezi-<br />
fischer Marktlagen sind. Doch zeichnet sich, sieht man vom Mittelfeld ab, ein recht klares<br />
Gefälle von Typus 1 (Mittelwert = 53 Prozent) über die Typen 2 und 6 (mit Mittelwerten von<br />
51 Prozent und 47 Prozent) zu Typus 7 (Mittelwert = 42 Prozent) ab.<br />
Das Gefälle von Typus 1 und 2 zu Typus 6 und 7 kommt vor allem durch deutliche<br />
Unterschiede in der Häufigkeit zustande, mit der über regelmäßige Gewinne und größeren<br />
Personalaufbau berichtet wird. Die entsprechenden Werte liegen <strong>für</strong> „regelmäßige Gewinne“<br />
in den Typen 1 und 2 bei 60 Prozent und 64 Prozent und in den Typen 6 und 7 bei 57 Pro-<br />
zent und 43 Prozent. Die Werte bei Personalaufstockung betragen 30 Prozent und 25<br />
Prozent bei den beiden Typen mit dem höchsten Niveau von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung auf der einen Seite und 15 Prozent bzw. 14 Prozent bei den beiden Typen mit<br />
dem niedrigsten Niveau auf der anderen Seite.<br />
Dieses Gefälle ist nicht zuletzt auch als Argument <strong>für</strong> den Realitätsgehalt der Ressourcen-<br />
hypothese zu werten: Die Betriebe in den Typen mit hohem Niveau von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung machten in den letzten Jahren vor der Befragung überwiegend
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
regelmäßige Gewinne und konnten nicht selten sogar ihre Belegschaft nennenswert<br />
vergrößern. Ihnen fallen deshalb, so könnte man argumentieren, auch zusätzliche Aufwen-<br />
dungen <strong>für</strong> formelle und informelle Weiterbildung nicht übermäßig schwer. In den Typen 6<br />
und 7 liegt hingegen der Anteil der Betriebe mit regelmäßigen Gewinnen und mit Personal-<br />
aufstockung deutlich niedriger. Dementsprechend spielt bei ihnen auch Kompetenzent-<br />
wicklung eine wesentlich geringere Rolle.<br />
Tabelle 8b: Erfolge und positive Entwicklungen der letzten drei Jahre (Antwort „Ja“, in<br />
Prozent aller Betriebe des Typus)<br />
Frage: Jeder Betrieb hat Erfolge und Schwierigkeiten. Wenn Sie an die letzten drei Jahre<br />
denken, welche der folgenden Aussagen treffen auf Ihren Betrieb zu?<br />
Typen/Erfolge<br />
Investitionen in<br />
neue Technik<br />
Regelmäßige<br />
Gewinne<br />
Größerer<br />
Personalaufbau Mittelwert<br />
1 „Spitzenplatz“ 69,2 60,0 30,2 53,1<br />
2 „Job-Rotation“ 63,1 64,5 25,4 51,0<br />
3 „nur intern“ 47,5 44,3 21,3 37,7<br />
4 „nur extern“ 60,9 69,0 13,0 47,6<br />
5 „Gruppenarbeit“ 48,8 49,2 16,6 38,2<br />
6 „wenig informell“ 69,8 56,9 14,9 47,2<br />
7 „niedrigstes Niveau“ 68,3 43,2 13,7 41,7<br />
Gesamt 62,2 56,6 19,3 46,0<br />
(3) Noch deutlicher wird der eben skizzierte Zusammenhang bei den Antworten auf die<br />
gegen Ende des Interviews gestellte Frage zur Entwicklung des Geschäftsvolumens des<br />
Betriebes im Vergleich zum Vorjahr sichtbar.<br />
In der gesamten Stichprobe gaben 29,7 Prozent der befragten Betriebe an, ihr Geschäfts-<br />
volumen sei gegenüber dem Vorjahr gesunken. 29,5 Prozent berichteten, das Geschäfts-<br />
volumen sei gleich geblieben und 40,9 Prozent, es sei gestiegen.<br />
Betrachtet man nur die letzte dieser Aussagen, so zeigt sich – mit der Ausnahme einer<br />
gewissen Abweichung des Typus 5 – eine recht enge Beziehung zum generellen Niveau von<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung.<br />
Die Häufigkeiten der Nennung „Geschäftsvolumen gestiegen“ betragen:<br />
Typus 1 45,2% Typus 5 45,5%<br />
Typus 2 49,4% Typus 6 33,6%<br />
Typus 3 40,0% Typus 7 31,7%<br />
Typus 4 40,5%<br />
In den beiden Typen 1 und 2 mit dem höchsten Niveau von Weiterbildung und Kompe-<br />
tenzentwicklung berichten im Mittel beider Typen 47,2 Prozent der Betriebe von gestiegenem<br />
Geschäftsvolumen, in den beiden Typen 6 und 7 mit dem niedrigsten Niveau hingegen im<br />
119
Burkart Lutz<br />
Mittel nur 32,6 Prozent. Auch die Typen des Mittelfeldes ordnen sich, abgesehen von Typus<br />
5, recht gut zwischen diesen beiden Extremen ein.<br />
Es ist evident, dass dies deutlich mehr <strong>für</strong> die Ressourcenhypothese spricht, der zufolge<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung dort mehr anzutreffen sind, wo die wirtschaftliche<br />
Lage gut und ausreichende Ressourcen verfügbar sind, als <strong>für</strong> die Bedarfshypothese, die<br />
unterstellt, dass sich vor allem Betriebe in einer schwierigen und problemhaltigen Situation<br />
gezwungen sehen, in die Kompetenz ihrer Mitarbeiter zu investieren.<br />
Zugleich bleibt freilich bestehen, dass die Zusammenhänge zwischen dem Niveau der Wei-<br />
terbildungsaktivitäten der Betriebe und ihrer wirtschaftlichen Lage – sei es zum Befragungs-<br />
zeitpunkt, sei es in der diesem vorausgegangenen Zeit – in den Tabellen eher unscharf sind<br />
und nur mit sehr großer Vorsicht die Testung von Hypothesen erlauben.<br />
Dies kann – wenn man die Möglichkeit weitgehender Unabhängigkeit des einen vom<br />
anderen einmal ausklammert – zwei Ursachen haben:<br />
• Entweder wird die hier interessierende Beziehung so stark durch andere Zusammen-<br />
120<br />
hänge, Wirkungsmechanismen und Strukturen überlagert und verzerrt, dass sie allenfalls<br />
in groben Umrissen sichtbar wird;<br />
• oder die bisherige Vorgehensweise, die bestrebt war, Strukturzusammenhänge auf der<br />
Ebene der gesamten Stichprobe und über alle sieben Typen hinweg offen zu legen, ist<br />
nur in sehr angenäherter Form in der Lage, den Besonderheiten der betrieblichen<br />
Verhältnisse – sowohl auf Seiten der wirtschaftlichen Lage wie auf Seiten der Aktivitäten<br />
der Kompetenzentwicklung – Rechnung zu tragen.<br />
Der Tragweite dieser Vermutung ist im folgenden Kapitel nachzugehen.<br />
5 Arbeitsanforderungen und Personalprobleme der Betriebstypen<br />
Die bisherigen Versuche, den Realitätsgehalt der beiden alternativen Erklärungshypothesen,<br />
der Bedarfshypothese und der Ressourcenhypothese, zu prüfen, unterstellten eine mehr<br />
oder weniger direkte, quasi mechanische Beziehung zwischen der wirtschaftlichen Lage des<br />
Betriebes und seinen Aktivitäten der Weiterbildung und des informellen Lernens. Doch ist<br />
keineswegs auszuschließen, dass eine solche mechanische Beziehung überhaupt nicht exis-<br />
tiert oder zumindest nicht im Großteil der befragten Betriebe. Dies betrifft in erster Linie die<br />
Bedarfshypothese, bei deren Prüfung ja im Vorstehenden mehr oder minder explizit ange-<br />
nommen wurde, dass Bedarf an Kompetenzentwicklung in erster Linie durch wirtschaftliche<br />
Schwierigkeiten der Betriebe entstünde.<br />
Doch muss dies keineswegs unbedingt so sein. Sehr viele betriebliche Probleme können<br />
zufrieden stellend gelöst werden, ohne dass größere zusätzliche Investitionen in Kompetenz-<br />
entwicklung notwendig wären. Zugleich kann sehr wohl Bedarf an formeller Weiterbildung
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
und/oder an informellem Lernen auch ohne eine sichtbare Verschlechterung der wirt-<br />
schaftlichen Lage des Betriebes auftreten.<br />
Deshalb ist es unumgänglich, zu prüfen, ob die Unterschiede in den betrieblichen Aktivitäten<br />
der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung nicht, unabhängig von der wirtschaftlichen<br />
Lage der Betriebe und ihrer Veränderungen in jüngster Zeit aus spezifischen, unmittelbar be-<br />
darfsgenerierenden arbeits- und personalpolitischen Bedingungskonstellationen resultieren<br />
können.<br />
Hierzu bieten sich vor allem zwei Fragen an, die sich auf die Existenz von Personalpro-<br />
blemen im Betrieb (5.1) und auf Schwerpunkte der Arbeitsanforderungen (5.2) richten.<br />
5.1 Betriebliche Personalprobleme und Typenzugehörigkeit<br />
Wie bereits in Kapitel II gezeigt, haben erhebliche Teile der befragten Betriebe einzelne oder<br />
mehrere Personalprobleme, die ihnen vom Interviewer genannt wurden, als <strong>für</strong> sich be-<br />
deutsam bezeichnet. Besonders häufig werden hierbei Probleme genannt, die mit Qualifika-<br />
tion und Kompetenz zu tun haben und zu deren Lösung Weiterbildung zumindest einen<br />
wichtigen Beitrag leisten kann. Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Schwierigkeit, erfahrene Fach-<br />
kräfte und Führungskräfte auf dem Arbeitsmarkt zu rekrutieren, <strong>für</strong> Qualifizierungsdefizite der<br />
Mitarbeiter und <strong>für</strong> die Abwanderung von Fachkräften.<br />
Je dringlicher diese Probleme, je häufiger sie von den, in einem Typus zusammengefassten,<br />
Betrieben als bedeutsam genannt werden, desto größer müsste der Bedarf an verstärkter<br />
Kompetenzentwicklung sein.<br />
In Tabelle 9 sind die Anteile der Betriebe je Typus, von denen die fünf wichtigsten<br />
Personalprobleme als „<strong>für</strong> sie bedeutsam“ bezeichnet werden, zusammen gestellt. Bei zwei<br />
weiteren Personalproblemen (Überalterung und Mitarbeiterfluktuation) sind sowohl die Häu-<br />
figkeit der Nennung als bedeutsam (18 Prozent und 13 Prozent in der gesamten Stichprobe)<br />
wie die Differenzen zwischen den Typen zu gering, als dass sich ihre gesonderte Betrach-<br />
tung lohnen würde.<br />
Hervorzuheben ist in dieser Tabelle vor allem:<br />
• dass bei einigen Personalproblemen, insbesondere bei der Rekrutierung von Führungs-<br />
kräften auf dem Arbeitsmarkt und bei Qualifizierungsdefiziten der Mitarbeiter, deutliche<br />
Unterschiede zwischen einigen, aber nicht zwischen allen Typen festzustellen sind;<br />
• dass bei keinem der Personalprobleme ein alle Typen erfassendes, durchgängiges<br />
Muster der Differenzierung zu erkennen ist;<br />
• dass sich einzelne Typen auf plausible Weise meist nur im Hinblick auf jeweils einzelne<br />
Personalprobleme vom Rest der befragten Betriebe abheben.<br />
Dennoch zeigt sich eine recht klare Rangfolge der Häufigkeit, mit der Typus <strong>für</strong> Typus die<br />
fünf in der Tabelle aufgeführten Personalprobleme als bedeutsam bezeichnet werden. Typus<br />
1 liegt auch bei der Häufigkeit, mit der Personalprobleme als bedeutsam bezeichnet werden,<br />
121
Burkart Lutz<br />
insgesamt auf dem Spitzenplatz, während die beiden Typen 6 und 7, die das geringste<br />
Niveau an Aktivitäten der Kompetenzentwicklung aufzuweisen haben, auch bei der Nennung<br />
von Personalproblemen deutlich (allerdings mit Ausnahme des Typus 4) am Ende der<br />
Rangreihe liegen.<br />
Tabelle 9: Bedeutsame Personalprobleme je Typus (Häufigkeit der Nennung in Prozent<br />
aller Betriebe eines Typus)<br />
Typus<br />
122<br />
Personal-<br />
probleme<br />
Abwanderung<br />
von<br />
Fachkräften <br />
Fachkräfte<br />
vom<br />
Arbeitsmarkt <br />
Führungskräfte<br />
vom<br />
Arbeitsmarkt <br />
Qualifizierungs<br />
-defizite<br />
Nachwuchsmangel <br />
Mittelwert<br />
1 „Spitzenplatz“ 30,2 80,8 53,6 32,1 37,4 46,8<br />
2 „Job-Rotation“ 28,7 69,2 36,9 32,3 42,3 41,9<br />
3 „nur intern“ 38,0 72,1 41,8 36,1 38,8 45,3<br />
4 „nur extern“ 15,5 68,1 28,2 16,6 29,6 31,6<br />
5 „Gruppenarbeit“ 27,0 76,4 50,4 47,1 31,5 46,5<br />
6 „wenig informell“ 22,2 59,9 37,5 41,9 30,0 38,3<br />
7 „niedrigstes Niveau“ 25,3 67,1 41,2 21,7 30,9 37,2<br />
Gesamt 25,7 70,4 41,1 31,9 34,1 40,6<br />
Allerdings stimmt diese Rangreihe nur teilweise mit dem generellen Niveau von Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung überein, nach dem die Typen in der Tabelle geordnet<br />
sind. Dies gilt vor allem <strong>für</strong> die drei Typen im Mittelfeld der Rangreihe sinkenden Niveaus der<br />
formellen und informellen Weiterbildung. Auf praktisch gleichem Niveau liegen hier einerseits<br />
die beiden Typen 3 und 5, die Personalprobleme praktisch ebenso häufig nennen wie Typus<br />
1, und andererseits Typus 4 mit der weitaus geringsten Häufigkeit der Nennung von be-<br />
deutsamen Personalproblemen.<br />
Die relative Position der Typen 3 und 5 einerseits, des Typus 4 andererseits resultiert im<br />
übrigen nicht aus einzelnen Extremwerten, sondern ist Ausdruck der Tatsache, dass von den<br />
Betrieben dieser Typen praktisch alle Personalprobleme wesentlich häufiger oder wesentlich<br />
seltener als bedeutsam genannt werden.<br />
Manches spricht da<strong>für</strong>, dass dies recht eng mit der, wie soeben unter 3.4 gezeigt, extrem<br />
unterschiedlichen Branchenstruktur dieser drei Typen zusammenhängt: Typus 3 weist einen<br />
weit überdurchschnittlichen Anteil von Betrieben aus dem produzierenden Gewerbe (29<br />
Prozent) und aus dem Wirtschaftsbereich Handel, Verkehr und Gaststätten (39 Prozent) auf.<br />
In Typus 5 dominieren hingegen, mit einem Anteil von 39 Prozent, Betriebe aus dem Ge-<br />
sundheits- und Sozialwesen. Im Typus 4 hingegen, der besonders selten personalpolitische<br />
Probleme als bedeutsam nennt, gehört fast die Hälfte der Betriebe (45 Prozent) zum Wirt-<br />
schaftsbereich Kredit- und Versicherungswesen.<br />
Besonders hervorzuheben sind die Nennungen beim Problem des Qualifizierungsmangels<br />
der Mitarbeiter. Hier sind mit Extremwerten von 16,6 Prozent (Typus 4) und 47,1 Prozent
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
(Typus 5) die größten Unterschiede zwischen zwei Typen zu registrieren, die beide im<br />
Hinblick auf das allgemeine Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung dicht<br />
nebeneinander im Mittelfeld liegen.<br />
Die Werte in Tabelle 9 unterstreichen also, dass es:<br />
• unbestreitbare Zusammenhänge zwischen betrieblichen personalwirtschaftlichen Prob-<br />
lemlagen und wesentlichen Aspekten der Kompetenzentwicklung gibt,<br />
• dass diese sich jedoch nicht auf eine relativ einfache Formel – etwa der Art: je mehr und<br />
je dringlichere Personalprobleme, desto mehr Aktivitäten der Kompetenzentwicklung -<br />
bringen lassen.<br />
Die Bedarfshypothese, also die Annahme, dass die betrieblichen Aktivitäten der<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung vorrangig aus der Notwendigkeit resultieren, auf-<br />
tretende Kompetenzdefizite zu überwinden, ist offenkundig nicht völlig unrealistisch. Doch<br />
sind deutliche Abweichungen von dem scheinbar so plausiblen Zusammenhang „viele<br />
Personalprobleme – viel Kompetenzentwicklung“ zu verzeichnen.<br />
5.2 Arbeitsanforderungen in den Typen der Kompetenzentwicklung<br />
Deutlich konturierter ist das Bild, das sich ergibt, wenn man nach dem Zusammenhang<br />
zwischen Typenzugehörigkeit und den hierdurch indizierten Aktivitäten der Kompetenzent-<br />
wicklung auf der einen Seite und den von den Betrieben jeweils als „hoch“ eingestuften<br />
Arbeitsanforderungen auf der anderen Seite fragt.<br />
In einem relativ frühen Stadium des Interviews, im Anschluss an die Fragen zur formellen<br />
Weiterbildung und zum informellen Lernen, wurde gefragt: „Arbeitsplätze unterscheiden sich<br />
in wichtigen Anforderungsmerkmalen von Betrieb zu Betrieb. Bitte sagen Sie mir, ob die<br />
folgenden Anforderungen bei der Arbeit <strong>für</strong> die (jeweils größte Mitarbeitergruppe) hoch, mittel<br />
oder niedrig sind.“ Sodann wurden elf Anforderungen nacheinander mit der Bitte vorgelesen,<br />
sie <strong>für</strong> die größte Mitarbeitergruppe des Betriebes in die drei vorgegebenen Kategorien<br />
einzustufen. In Tabelle 10 sind die Häufigkeiten der Einstufung als „hoch“ <strong>für</strong> alle elf Anfor-<br />
derungsarbeiten und alle sieben Typen zusammen gestellt.<br />
Betrachtet man die Gesamtheit der befragten Betriebe (Spalte „Insgesamt“), so werden deut-<br />
liche Unterschiede in der Häufigkeit sichtbar, mit der die einzelnen Anforderungen als „hoch“<br />
bewertet werden.<br />
Am häufigsten wurde, von 65 Prozent aller befragten Betriebe, die Anforderung als hoch<br />
bewertet, „Über betriebliche Abläufe Bescheid zu wissen“, gefolgt mit 61 Prozent von der<br />
Anforderung, „Eng mit Mitarbeitern anderer Bereiche zusammenzuarbeiten“.<br />
Es folgt eine Mittelgruppe von vier Anforderungen mit ähnlichen Häufigkeiten: “Über<br />
vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verfügen“ (59 Prozent); „Ständig zu lernen und<br />
sich weiterzubilden“ (58 Prozent), „Sich selbständig die eigene Arbeit einzuteilen“ und „Im<br />
Arbeitsalltag auftretende Spannungen mit Kollegen selbständig zu regeln“ (beide mit jeweils<br />
56 Prozent).<br />
123
Burkart Lutz<br />
Tabelle 10: Als hoch eingestufte Arbeitsanforderungen je Typus (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus – Anforderungsbezeichnung teilweise verkürzt)<br />
Anforderung/Typus 1 2 3 4 5 6 7<br />
Selbständig eigene Arbeit<br />
einteilen<br />
Über betriebliche Abläufe<br />
Bescheid wissen<br />
Eng mit Mitarbeiter anderer<br />
Bereiche zusammenarbeiten<br />
Ständig zu lernen und sich<br />
weiterzubilden<br />
In Gruppenarbeit Verantwortung<br />
tragen<br />
Sich selbständig über Wichtiges<br />
im Betrieb informieren<br />
Über vielfältige Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten verfügen<br />
Regelmäßig eigene Ideen zur<br />
Verbesserung entwickeln<br />
Um eigene berufliche<br />
Entwicklung kümmern<br />
An betrieblichen<br />
Entscheidungen mitwirken<br />
Spannungen mit Kollegen selbst<br />
regeln<br />
124<br />
Gesamt<br />
67,5 64,9 41,7 58,8 56,4 44,9 48,1 56,0<br />
74,7 71,8 57,9 66,4 66,5 55,3 54,8 64,7<br />
75,0 61,9 58,3 68.2 59,3 41,4 58,6 61,0<br />
81,1 72,3 42,6 57,4 56,4 38,6 49,4 58,5<br />
50,6 34,8 32,2 25,1 43,6 8,0 44,7 34,5<br />
63,5 50,2 28,7 33,0 52,5 30,2 35,3 43,1<br />
69,1 67,7 33,6 64,7 62,8 50,4 47,5 58,7<br />
59,6 56,5 39,3 38,0 56,2 33,3 26,3 44,9<br />
50,2 31,9 21,5 35,5 30,3 27,6 37,5 34,6<br />
37,4 28,3 14,9 26,0 29,8 21,2 11,2 25,1<br />
64,9 53,9 51,2 55,6 59,8 52,2 51,7 56,0<br />
Mittelwert je Typus 63,1 54,0 42,2 48,1 52,1 36,6 42,3 49,6<br />
Zu einer dritten Gruppe gehören fünf Anforderungen, die - immer über alle Typen - von<br />
weniger als der Hälfte der befragten Betriebe als hoch eingestuft werden. Hier streuen die<br />
Bewertungen zwischen 45 Prozent bzw. 43 Prozent <strong>für</strong> „Regelmäßig eigene Ideen zur Ver-<br />
besserung entwickeln“ und „Sich selbständig über wichtige Vorgänge im Betrieb zu infor-<br />
mieren“ auf der einen Seite und 25 Prozent <strong>für</strong> „An betrieblichen Entscheidungsprozessen<br />
mitzuwirken“ auf der anderen Seite.<br />
Beim Vergleich der Antworthäufigkeiten je Typus und zwischen Typen fallen vor allem drei<br />
Sachverhalte ins Auge:<br />
(1) Zum einen gibt es teilweise recht markante Unterschiede in den Häufigkeiten, mit denen<br />
die verschiedenen Arbeitsanforderungen von den in einem Typus zusammengefassten
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Betrieben als „hoch“ bezeichnet werden. Dies gilt sowohl, wenn man die Bewertung ver-<br />
schiedener Anforderungen als hoch innerhalb eines Typus betrachtet, wie beim Vergleich<br />
der Bewertung jeweils einer Anforderung in mehreren Typen.<br />
So wird von den Betrieben des Typus 2 das „Wissen über betriebliche Abläufe“ mit 72<br />
Prozent sehr häufig als „hoch“ bezeichnet, hingegen die Anforderung, „An betrieblichen Ent-<br />
scheidungen mitzuwirken“ mit 28 Prozent am seltensten. Noch größer sind die typeninternen<br />
Differenzen z.B. bei Typus 6 mit einem Höchstwert von 55 Prozent (gleichfalls bei „Über<br />
betriebliche Abläufe Bescheid zu wissen“) und einem niedrigsten Wert von 8 Prozent bei der<br />
Anforderung „In Gruppen- oder Projektarbeit Verantwortung übernehmen“.<br />
Differenzen zwischen den Häufigkeiten, mit denen bestimmte Anforderungen in den ver-<br />
schiedenen Typen als hoch bezeichnet werden, finden sich besonders ausgeprägt bei der<br />
Anforderung „Ständig zu lernen und sich weiterzubilden“, die von 81 Prozent der Betriebe<br />
des Typus 1, aber nur von 39 Prozent der Betriebe des Typus 6 als hoch eingestuft wird.<br />
(2) Weiterhin ist festzuhalten, dass die Mittelwerte über alle Anforderungen je Typus (die in<br />
den letzten Zeile von Tabelle 9 dargestellt sind) in der Tendenz durchaus gleichsinnig mit<br />
dem generellen Niveau von formeller und informeller Weiterbildung variieren. Die Betriebe<br />
des Typus 1 nehmen nicht nur bei Weiterbildung und informellem Lernen, sondern auch bei<br />
der Einschätzung der vom Interviewer abgefragten Arbeitsanforderungen die Spitzenposition<br />
ein, gefolgt von Typus 2. Hingegen liegen die beiden Typen 6 und 7 mit dem niedrigsten Ni-<br />
veau von Aktivitäten zur Kompetenzentwicklung auch bei der Einschätzung von Arbeitsan-<br />
forderungen auf den untersten Plätzen. Selbst die Typen des Mittelfeldes (3, 4 und 5) ordnen<br />
sich einigermaßen, allenfalls mit Ausnahme von Typus 5, in diese Rangreihe ein.<br />
(3) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beziehung zwischen der Einschätzung be-<br />
stimmter Arbeitsanforderungen als hoch und den durch die Typenzugehörigkeit indizierten<br />
Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung beim Vergleich aller genannten<br />
Anforderungen deutlich variiert. Einige Anforderungen werden durchweg von den Betrieben<br />
aller Typen sehr ähnlich bewertet, während bei anderen Anforderungen starke Unterschiede<br />
zwischen ihrer Bewertung in den Typen zu beobachten sind.<br />
Geringe Unterschiede in der Bewertung als hoch finden sich einerseits bei drei Anforder-<br />
ungen „Über betriebliche Abläufe Bescheid wissen“, „Eng mit Mitarbeitern anderer Bereiche<br />
zusammenarbeiten“ und „Im Arbeitsalltag auftretende Spannungen mit Kollegen selbständig<br />
regeln“, die mit einer Ausnahme in allen Typen gleichermaßen mehrheitlich als hoch<br />
bewertet werden, und andererseits bei zwei Anforderungen („Sich selbst um die eigene<br />
berufliche Entwicklung kümmern“ und „An betrieblichen Entscheidungen mitwirken“), die –<br />
wiederum mit einer Ausnahme – in keinem Typus von der Mehrheit der Betriebe als hoch<br />
bewertet werden.<br />
Bei diesen fünf Anforderungen besteht also offenkundig kein Zusammenhang zwischen ihrer<br />
Bewertung durch die Betriebe und den jeweiligen betrieblichen Aktivitäten der Kompetenz-<br />
entwicklung.<br />
125
Burkart Lutz<br />
Deutlich anders stellt sich die Lage bei fünf anderen Anforderungen dar, deren Bezeichnung<br />
als hoch, offenbar in recht enger Beziehung zur Typenzugehörigkeit und der durch sie indi-<br />
zierten Aktivitäten der Kompetenzentwicklung, steht (wobei die Anforderung „selbständig<br />
seine Arbeit einteilen“ mit einer Zwitterstellung zwischen beiden Gruppen von Anforderungen<br />
unberücksichtigt bleiben wird). Es sind dies die Anforderungen:<br />
• „Ständig zu lernen und sich weiterzubilden“,<br />
• „In Gruppen- oder Projektarbeit Verantwortung zu übernehmen“,<br />
• „Sich selbständig über wichtige Vorgänge im Betrieb informieren“,<br />
• „Über vielfältige Fähigkeit und Fertigkeiten verfügen“ und<br />
• „Regelmäßig eigene Ideen zur Verbesserung entwickeln“.<br />
Ihr sachlicher Zusammenhang mit Weiterbildung und/oder informellem Lernen liegt an sich<br />
auf der Hand.<br />
Tabelle 11 vergleicht die durchschnittlichen Häufigkeiten, mit der alle elf und nur die ausge-<br />
wählten fünf Anforderungen von den Betrieben der sieben Typen als „hoch“ bewertet<br />
werden.<br />
Tabelle 11: Bewertung von Anforderungen als „hoch“ (Mittelwerte je Typus, in Prozent<br />
aller Betriebe des Typus)<br />
126<br />
Typus Mittelwert über alle Anforderungen<br />
Mittelwert über fünf ausgewählte,<br />
besonders sensible Anforderungen<br />
1 63,1 64,7<br />
2 54,0 56,3<br />
3 42,2 36,3<br />
4 48,1 43,6<br />
5 52,1 54,3<br />
6 36,6 32,1<br />
7 42,3 40,6<br />
Die Tabelle legt – insbesondere auch auf dem Hintergrund der vorausgehenden Abschnitte<br />
in diesem Kapitel – zwei Argumentationen nahe, die <strong>für</strong> die weiteren Überlegungen wichtig<br />
sind und die im folgenden Kapitel IV nochmals aufgegriffen werden:<br />
(1) Beschränkt man sich auf die fünf als besonders sensibel ausgewählten Anforderungen,<br />
so werden erwartungsgemäß die Differenzen zwischen den Typen deutlich markanter.<br />
Zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Häufigkeitswert (Typus 1 und Typus 6) besteht<br />
beim Mittelwert über alle elf Anforderungen eine Differenz von 26 Prozentpunkten, beim<br />
Mittelwert über die fünf ausgewählten Anforderungen hingegen eine solche von 33 Pro-<br />
zentpunkten. Auch zwischen den beiden Typen mit dem höchsten und dem niedrigsten<br />
Niveau von Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung, Typus 1 und Typus 7,
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
errechnet sich eine Differenz von 21 Prozentpunkten über alle Anforderungen und von 24<br />
Prozentpunkten über die ausgewählten fünf Anforderungen.<br />
Offenbar unterscheiden die Betriebe und ihre Leiter, ob bei Anforderungen, deren Erfüllung<br />
eine erhebliche Bedeutung <strong>für</strong> den beruflichen Wert der Mitarbeiter besitzt, die benötigten<br />
Kompetenzen durch organisierte Weiterbildung und/oder informelles Lernen positiv beein-<br />
flusst werden können oder nicht. In diesem Sinne könnte man von einer erheblichen Selek-<br />
tivität der realen oder erwarteten Effekte von organisierter Weiterbildung und informellem<br />
Lernen sprechen.<br />
Es wäre also falsch, sich von Kompetenzentwicklung so etwas wie ein umfassendes Potenti-<br />
al zur Lösung von Personalproblemen und zur Überwindung von qualitativen Leistungsdefi-<br />
ziten zu erhoffen.<br />
(2) Auch in Tabelle 11 fällt (ebenso wie in Tabelle 10 und einigen der vorstehenden<br />
Tabellen) die Sonderstellung der drei Typen 3, 4 und 5 auf, die gemessen am generellen<br />
Niveau von formeller und informeller Weiterbildung im Mittelfeld liegen. Diese Sonderstellung<br />
war bereits bei der Betrachtung der Gesamtheit der Anforderungen erkennbar, wird jedoch<br />
durch die Konzentration auf die fünf ausgewählten Anforderungen noch deutlich verschärft:<br />
Die Unterschiede zwischen diesen drei Mittelfeld-Typen mit sehr ähnlichem Niveau an<br />
formeller und informeller Weiterbildung sind nicht wesentlich geringer als die Differenzen<br />
zwischen den beiden Extremtypen 1 und 7 mit dem höchsten bzw. niedrigsten generellen<br />
Niveau an Weiterbildung.<br />
Es wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch, diese Sonderstellung als bloßen Ausdruck<br />
statistischer Unschärfen und mangelnder Verlässlichkeit des Datenmaterials abzutun, ohne<br />
zu prüfen, ob sich hinter ihr nicht Tatbestände verbergen, die von erheblichem Interesse <strong>für</strong><br />
die Erklärung betrieblicher Verhältnisse sein können. Deshalb ist ihren Ursachen und ihrer<br />
Bedeutung in Kapitel IV weiter nachzugehen, was allerdings eine differenziertere Betrach-<br />
tung erfordert, als bisher möglich, die umso angebrachter erscheint, als im Vorstehenden<br />
schon mehrfach eine stärkere Desaggregation der genutzten Indikatoren und Kategorien<br />
Zusammenhänge sichtbar machte, als deutlich enger sind, als dies die relativ grob gefassten<br />
Einflussgrößen zunächst erkennen lassen.<br />
6 Zwischenbilanz: Zum relativen Einfluss von Bedarf und<br />
Ressourcen<br />
Der Zusammenhang zwischen den durch die Typenzugehörigkeit ausgewiesenen<br />
betrieblichen Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung auf der einen Seite<br />
und wichtigen Merkmalen und Bedingungen der Betriebe, wie Größe, Sektorzugehörigkeit<br />
und Region, wirtschaftliche Lage, Schwierigkeiten und Erfolge, sowie Arbeitsorganisation<br />
und personalpolitische Probleme auf der anderen Seite, lässt offenkundig zwei Erklärungs-<br />
hypothesen zu, die bereits weiter oben – unter 2.3 – formuliert wurden.<br />
Die eine Hypothese – sie wurde als „Bedarfshypothese“ bezeichnet – unterstellt, dass Art<br />
und Intensität der hier betrachteten betrieblichen Aktivitäten in erster Linie als Reaktion auf<br />
127
Burkart Lutz<br />
mehr oder minder spezifische Bedarfslagen verstanden werden müssen. Erhöhen sich<br />
beispielsweise durch neue Technologien, Veränderungen in der Betriebsorganisation oder<br />
neue Marktstrategien wesentliche Anforderungen an Kompetenz und Leistungsfähigkeit aller<br />
Mitarbeiter oder wichtiger Mitarbeitergruppen, so sieht sich der Betrieb gemäß dieser Hypo-<br />
these veranlasst, stärker als bisher organisierte Weiterbildungsmöglichkeiten zu eröffnen<br />
und/oder seine Beschäftigten mehr als bisher zu verschiedenen Formen informellen Lernens<br />
anzuhalten bzw. ihnen deren Nutzung zu erleichtern.<br />
Die andere Hypothese – als „Ressourcenhypothese“ bezeichnet – hebt hingegen auf einen<br />
Wirkungszusammenhang ab, der im diachronen oder im synchronen Vergleich ein höheres<br />
Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung erwarten lässt, wenn der Betrieb<br />
aufgrund seiner Ertragslage und seiner Marktposition über die hierzu notwendigen Ressour-<br />
cen verfügt. Wenn also in einem Betrieb, im Vergleich zwischen verschiedenen Zeitpunkten<br />
oder zu einem bestimmten Zeitpunkt im Vergleich mit anderen Betrieben mehr an Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung zu verzeichnen ist, so erklärt sich dies durch verbesserte<br />
bzw. bessere Ressourcenausstattung. Höherer Bedarf ist damit nicht ausgeschlossen, aber<br />
allenfalls nachrangig als Ursache anzunehmen.<br />
Ein nennenswerter Teil der, in den vorstehenden Passagen dargestellten Befragungser-<br />
gebnisse zu wichtigen Strukturmerkmalen und betrieblichen Bedingungen, gibt Aufschluss<br />
über Sachverhalte, die auch bei dem Versuch genutzt werden können, den Realitätsgehalt<br />
dieser beiden Hypothesen zu prüfen.<br />
So ist die Annahme nicht abwegig, dass unter sonst gleichen Bedingungen Betriebe mit<br />
erheblichen Personalproblemen auch mehr Bedarf an Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung haben. Gleiches gilt <strong>für</strong> Betriebe mit größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten, dem<br />
Auftreten neuer Wettbewerber oder dem Zwang zu Personalabbau. Auch spricht vieles<br />
da<strong>für</strong>, dass Betriebe, von denen die Arbeitsanforderungen, die ihre Mitarbeitern erfüllen müs-<br />
sen, besonders häufig als „hoch“ bezeichnen, sich mehr als andere Betriebe zu Aktivitäten<br />
der Kompetenzentwicklung veranlasst sehen.<br />
Im gleichen Sinne lassen sich auch Zusammenhänge postulieren, die, sollten sie verifiziert<br />
werden, <strong>für</strong> die Gültigkeit der Ressourcenhypothese sprächen. Sollte diese Hypothese zu-<br />
treffen, müssten z.B. „gute“ oder „sehr gute Ertragslage“, „wenig wirtschaftliche Schwierig-<br />
keiten“ und eine „gute Wettbewerbsposition“ mit einem hohen Niveau an Weiterbildung kor-<br />
relieren u.s.f.<br />
Die bisher präsentierten Befunde und Analysen lieferten allerdings ein Bild, das sich nur<br />
begrenzt zur Verifizierung der einen oder der anderen Hypothesen eignet. Einige der an sich<br />
zu vermutenden Zusammenhänge waren überhaupt nicht nachweisbar oder nur sehr<br />
schwach ausgeprägt. Andere Zusammenhänge sind zwar offensichtlich, werden jedoch von<br />
anderen Einflüssen in erheblichem Maße überlagert und gestört.<br />
Alles in allem lässt sich aus diesem Bild ein Fazit in vier Thesen ziehen:<br />
(1) Die von den beiden Hypothesen implizierten Wirkungszusammenhänge lassen sich mit<br />
dem empirischen Material – zumindest auf der bis jetzt erreichten Stufe der Aufbereitung und<br />
128
Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Verarbeitung – nur unscharf, wenn überhaupt, rekonstruieren. Insbesondere spricht vieles<br />
da<strong>für</strong>, dass wichtige Beziehungen durch andere Zusammenhänge überdeckt oder durch<br />
Störfaktoren in ihrer Sichtbarkeit beeinträchtigt sind.<br />
(2) Dennoch lässt sich sagen, dass der Realitätsgehalt der Bedarfshypothese sichtbar höher<br />
ist als der Realitätsgehalt der Ressourcenthese. Mehr Weiterbildung koinzidiert überwiegend<br />
mit deutlichen Hinweisen auf höheren Bedarf an Weiterbildung und Kompetenzentwicklung.<br />
(3) Die Ressourcenhypothese ist jedoch nicht gänzlich unrealistisch. Einige Befunde wären<br />
ohne die Voraussetzung einer günstigen Ressourcenverfügbarkeit nur schwer erklärbar.<br />
(4) In vielen Fällen stehen Ressourcenverfügbarkeit und betrieblicher Bedarf an Weiterbil-<br />
dung und Kompetententwicklung also nicht, wie auf den ersten Blick zu erwarten, in einer<br />
einfachen Konkurrenzbeziehung, sondern wirken beide als notwendige, aber vermutlich nicht<br />
hinreichende Bedingungen zusammen: Betriebe sind umso eher bereit und in der Lage, so<br />
könnte man diesen Sachverhalt formulieren, auf sich manifestierenden Bedarf mit entspre-<br />
chenden Aktivitäten zu reagieren, je unproblematischer die Ressourcenverfügbarkeit ist.<br />
Auch diese Thesen begründen das erhebliche Interesse an einer differenzierteren Analyse,<br />
die sich nicht nur auf die unterstellten Einflussgrößen wie Personalprobleme, wirtschaftliche<br />
Lage des Betriebes oder die Zugehörigkeit zu Sektoren oder Wirtschaftsbereichen richten<br />
sollte. Noch wichtiger scheint es zu sein, auch die zu erklärenden Sachverhalte, das Ausmaß<br />
und die Kombination von formaler Weiterbildung und verschiedenen Formen informellen<br />
Lernens, die bis jetzt im wesentlichen nur durch die Stellung der Typen in einer bloßen<br />
Rangreihe nach dem generellen Niveau von Weiterbildung definiert waren, zum Gegenstand<br />
einer solchen Analyse zu machen.<br />
129
Burkart Lutz<br />
IV Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
1 Erträge und Grenzen eindimensionaler Betrachtung<br />
Im vorausgegangenen Kapitel war angesichts der Fülle des sehr facettenreichen Materials<br />
eine weitgehend eindimensionale Betrachtung der Typen wohl kaum zu vermeiden. In Über-<br />
einstimmung mit dem weitaus größten Teil der einschlägigen Literatur wurde hierbei vor<br />
allem anderen das typenspezifische Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung in<br />
den Vordergrund gerückt. Dementsprechend war auch die Darstellung und Reihung der sie-<br />
ben Typen in allen Tabellen von Kapitel III an diesem Merkmal ausgerichtet.<br />
Die Legitimität dieser Vorgehensweise ergibt sich vor allem daraus, dass bei dieser Be-<br />
trachtung eine eindeutige Rangreihe der Typen und deutliche Zusammenhänge mit betrieb-<br />
lichen Einflussgrößen sichtbar werden.<br />
1.1 Die Rangreihe der Typen nach ihrem Niveau der Kompetenzentwicklung<br />
Der Mittelwert über die elf in die Clusterung einbezogenen betrieblichen Merkmale liefert –<br />
wie in Tabelle 1 nochmals dargestellt – ein insgesamt eindeutiges Kriterium zur Differen-<br />
zierung und Reihung der Typen. Dies zeigt sich sehr deutlich, wenn man (wie in der letzten<br />
Zeile der Tabelle) je Typus den Mittelwert der Häufigkeiten berechnet, mit der Mitarbeiter an<br />
Veranstaltungen formeller Weiterbildung teilnehmen bzw. alle oder einige der vorgegebenen<br />
informellen Lernformen als <strong>für</strong> die stärkste Mitarbeitergruppen wichtig bezeichnet werden.<br />
Anhand des Index „Mittelwert der Häufigkeit aller Merkmale“ lassen sich jeweils zwei oder<br />
drei der Typen zu drei Gruppen mit jeweils ähnlichem Niveau von Weiterbildung und infor-<br />
mellem Lernen zusammenfassen:<br />
• Einer ersten Gruppe hohen Niveaus gehören mit den Typen 1 („Spitzenplatz“) und 2<br />
130<br />
(„Job-Rotation“) ausschließlich Betriebe an, die ein deutlich über dem Durchschnitt der<br />
gesamten Stichprobe liegendes Niveau von Aktivitäten der Kompetenzentwicklung auf-<br />
weisen. Der Mittelwert über alle elf in die Clusterung einbezogenen Merkmale liegt hier<br />
bei 54 Prozent (Typus 1) bzw. 52 Prozent (Typus 2).<br />
• Eine zweite Gruppe durchschnittlichen Niveaus enthält die drei Typen 3 („nur intern“), 4<br />
(„nur extern“) und 5 („Gruppenarbeit“). Die durchschnittlichen Beteiligungswerte dieser<br />
drei Typen liegen zwischen 38 Prozent (Typus 5) und 42 Prozent (Typus 3), also sehr<br />
nahe beieinander und in großer Nähe zum Durchschnittswert der gesamten Stichprobe<br />
von 39 Prozent.<br />
• Eine dritte Gruppe niedrigen Niveaus besteht aus den Typen 6 („wenig informell“) und 7<br />
(„niedrigstes Niveau“). Hier bleibt das Niveau der durchschnittlichen Beteiligung über alle
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Clustermerkmale mit Werten von 28 Prozent bei Typus 6 und lediglich 20 Prozent bei<br />
Typus 7 deutlich unter dem Niveau der gesamten Stichprobe.<br />
Tabelle 1: Sieben Typen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (jeweils nur<br />
stärkste Mitarbeitergruppe des jeweiligen Betriebes – in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus)<br />
Merkmale<br />
Typen<br />
1 2 3 4 5 6 7<br />
Gesamt<br />
N = 265 279 122 277 242 248 249 1.682<br />
Weiterbildung nur intern 0 34,1 98,7 0 0 41,3 16,6 21,3<br />
Weiterbildung nur extern 2,1 11,3 0 97,1 0 0 0 18,2<br />
Weiterbildung beides 90,4 38,4 0 0 67,2 35,4 43,7 42,0<br />
Lesen v. Fachliteratur 90,3 68,9 47,9 66,9 69,1 59.8 52,8 66,7<br />
Information, Unterweisung 100 82,7 98.3 75,6 100 100 0 78,2<br />
Vorträge, Messen u.Ä. 65,6 45,6 22,0 54,6 40,6 51,0 30,8 46,4<br />
Gruppen- u. Teamarbeit 59,2 53,1 68,6 51,4 80,1 4,2 32,1 48,5<br />
Qualitätszirkel u.Ä. 61,6 63,4 51,7 25,9 61,6 8,3 24,2 41,9<br />
Computergestütztes Lernen 72,1 38,7 16,1 36,9 0 10,0 15,2 28,8<br />
Patenschaften, Coaching 51,9 33,8 56,8 11,7 0 0,6 4,8 20,7<br />
Job-Rotation 0 100 0 0,5 0 0 0,5 16,7<br />
Mittelwert aller Merkmale 53,9 51,8 41,8 38,2 38,1 28,2 20,2 39,0<br />
Mit Hilfe dieser Rangordnung lassen sich, wie in Kapitel III gezeigt, zahlreiche Zusammen-<br />
hänge zwischen dem, in der Typenzugehörigkeit gefassten, betrieblichen Geschehen der<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung einerseits und betrieblichen Merkmalen, die als<br />
potentielle Einflussgrößen von Kompetenzentwicklung betrachtet werden dürfen, anderer-<br />
seits aufzeigen.<br />
1.2 Deutliche Zusammenhänge mit betrieblichen Einflussgrößen…<br />
Es genügt wohl, aus Kapitel III einige markante Beispiele <strong>für</strong> Einflussgrößen in Erinnerung zu<br />
rufen, bei denen solche Zusammenhänge sichtbar wurden:<br />
Die kombinierten Effekte von Größe und Sektorzugehörigkeit variieren von Typus zu Typus<br />
beträchtlich (Tabelle 3 in Kapitel III).<br />
Die Typen unterscheiden teilweise sehr stark durch ihre Zusammensetzung nach Wirt-<br />
schaftsbereichen der Betriebe (Tabelle 5).<br />
131
Burkart Lutz<br />
Die Häufigkeit von Erfolgen des Betriebes und von <strong>für</strong> diesen positiven Entwicklungen liegt<br />
insgesamt in den Typen hohen Niveaus deutlich über den entsprechenden Werten der<br />
Typen niedrigen Niveaus (Tabelle 7b). Gleiches gilt <strong>für</strong> den Anstieg des Geschäftsvolumens<br />
im Jahr vor der Befragung.<br />
Das Auftreten von Personalproblemen, insbesondere solchen Problemen, die vermutlich mit<br />
Kompetenzdefiziten verbunden sind bzw. deren Lösung mit hoher Wahrscheinlichkeit Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung erfordert, wird deutlich häufiger von Betrieben der Typen<br />
mit hohem Niveau angegeben (Tabelle 8).<br />
Der Nachdruck, mit dem von den befragten Betrieben eine Reihe von Anforderungen an ihre<br />
wichtigste Mitarbeitergruppe als „hoch“ bezeichnet werden, variiert korrelativ zum generellen<br />
Niveau der Typen (Tabelle 9).<br />
Diese Zusammenhänge bestätigen und bekräftigen die Annahme, dass bei der Analyse des<br />
betrieblichen Geschehens der Kompetenzentwicklung der Differenzierung in einer – zumeist<br />
als „Niveau“ bezeichneten – vertikal-hierarchischen Dimension hohe Bedeutung zukommt.<br />
Die in der Literatur überwiegende Fokussierung auf diese Dimension ist damit auch ange-<br />
sichts der hier präsentierten empirischen Befunde offenkundig gerechtfertigt, da sie einen<br />
wesentlichen Aspekt des betrieblichen Weiterbildungsgeschehens hervorhebt.<br />
1.3 … jedoch deutliche Grenzen des „Niveaueffektes“<br />
Der unbestreitbare Nutzen einer solchen eindimensionalen Betrachtungsweise schließt aller-<br />
dings keineswegs aus, dass die ihr entsprechenden Analysen auf deutliche Grenzen stoßen.<br />
Diese Grenzen manifestieren sich in den Befunden, über die in Kapitel III berichtet wurde, in<br />
zweifacher Form:<br />
(1) Zum einen sind viele Zusammenhänge zwischen den in die Analyse einbezogenen Struk-<br />
turmerkmalen der Betriebe auf der einen Seite und ihren Aktivitäten der Kompetenzent-<br />
wicklung auf der anderen Seite weniger deutlich ausgeprägt, als an sich zu erwarten wäre,<br />
oder überhaupt nicht nachweisbar.<br />
Hier<strong>für</strong> können genügend Beispiele angeführt werden:<br />
So sprechen an sich gute Gründe <strong>für</strong> die Erwartung, dass bei häufiger Einschätzung der<br />
Ertragslage des eigenen Betriebes als „gut“ und „sehr gut“ dank verfügbarer Ressourcen ein<br />
höheres Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zu verzeichnen ist. In Wirk-<br />
lichkeit gibt es, obwohl die Häufigkeitswerte zwischen den Typen erheblich (zwischen 27<br />
Prozent bei Typus 2 und 45 Prozent bei Typus 4) streuen, keinen erkennbaren Zusammen-<br />
hang zwischen dem Rangplatz des Typus und der überwiegenden Einschätzung der eigenen<br />
Ertragslage durch die jeweiligen Betriebe.<br />
Desgleichen wäre anzunehmen, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten auch zu Investitionen<br />
in die Kompetenz der Mitarbeiter Anlass geben. Ein solcher Zusammenhang wurde jedoch in<br />
Kapitel III nicht sichtbar.<br />
132
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Auch gute wirtschaftliche Entwicklung im letzten Jahr, indiziert durch gestiegenes Geschäfts-<br />
volumen, korreliert nur schwach mit dem Niveau von Weiterbildung und informellen Lernens<br />
je Typus.<br />
Dies alles legt die Vermutung nahe, dass sich die Besonderheiten der typenspezifischen<br />
Weiterbildungsaktivitäten vielfach nur gebrochen und nur mit Überlagerungen durch andere<br />
Einflüsse mit dem eindimensionalen Niveauindex fassen und mit Hilfe des durch diesen<br />
Index zugewiesenen Rangplatzes beschreiben lassen.<br />
(2) Zum anderen ist es nicht selten unmöglich, von einem einheitlichen, alle Typen übergrei-<br />
fenden Muster des Zusammenhangs bestimmter betrieblicher Merkmale mit dem Niveau der<br />
Kompetenzentwicklung zu sprechen.<br />
Dies gilt insbesondere <strong>für</strong> die Typen im Mittelfeld der Rangreihe, also <strong>für</strong> die Typen 3, 4 und<br />
5, deren Niveauindizes nur wenig differieren, die dennoch mehrfach bei wichtigen Merk-<br />
malen stark unterschiedliche Werte aufweisen, zwischen denen sogar in einigen Fällen eine<br />
dem erwarteten Zusammenhang gegenläufige Beziehung zu beobachten ist. Charakteris-<br />
tisch hier<strong>für</strong> ist der Mittelwert der Häufigkeit von Personalproblemen (Tabelle 8 in Kapitel III).<br />
Bei diesem Merkmal nehmen die Typen 4 und 5 mit Werten von 32 Prozent und 46 Prozent<br />
extreme Positionen ein, die in keiner Beziehung zu ihrem weitgehend gleichen Niveau der<br />
Kompetenzentwicklung stehen.<br />
Dieses eher diffus-unscharfe Bild der Zusammenhänge zwischen wichtigen Aspekten be-<br />
trieblicher Strukturen und Bedingungen auf der einen Seite und dem Niveau von Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung der Betriebe auf der anderen Seite ist im Übrigen auch<br />
theoretisch plausibel. Eine ausschließlich eindimensionale, lediglich am generellen Niveau<br />
der entsprechenden Aktivitäten orientierte Betrachtung muss explizit oder implizit eine hohe<br />
Homogenität betrieblicher Strategie und betrieblicher Handlungslogik unterstellen, die ange-<br />
sichts der sehr großen Vielfalt der befragten Betriebe einigermaßen unwahrscheinlich ist,<br />
weshalb eine solche Unterstellung auch hochgradig begründungspflichtig wäre.<br />
Damit stellt sich die Frage, ob das Verhältnis zwischen den Typen nicht auch durch andere,<br />
dem Niveau komplementäre oder alternative Strukturmuster konditioniert ist, die ihrerseits<br />
jeweils spezifischen betrieblichen Handlungszwängen, Handlungsopportunitäten und Strate-<br />
gien entsprechen. Alle oder auch nur einige Typen würden sich dann eben nicht nur in einer<br />
vertikal-hierarchischen Dimension voneinander unterscheiden, sondern auch gemäß ihrer<br />
Prägung durch ein „horizontales“ Profil ihrer Aktivitäten der Weiterbildung und der Kompe-<br />
tenzentwicklung. Diese Profile könnten z. B. auf gleichem oder doch sehr ähnlichem Niveau<br />
von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung sowohl durch deutlich unterschiedliches<br />
Gewicht bestimmter Lernformen wie durch eine je spezifische Kombinatorik von verschie-<br />
denen Lernformen und/oder von formeller Weiterbildung und informellem Lernen differieren.<br />
Dieser Frage ist nunmehr nachzugehen.<br />
133
Burkart Lutz<br />
2 Außen- und Binnenorientierung von Weiterbildung und<br />
informellem Lernen als zweite Ordnungsdimension<br />
Versucht man, angesichts der erheblichen Differenzen in der Art der Beteiligung an formeller<br />
Weiterbildung und in der Häufigkeit, mit der die verschiedenen Formen informellen Lernens<br />
als wichtig bezeichnet werden, die auch zwischen Typen sehr ähnlichen Niveaus bestehen,<br />
zusätzlich zum bisher vor allem betrachteten Niveau von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung eine zweite Dimension der Analyse einzuführen, auf der sich spezifische Profile<br />
unterscheiden und abbilden lassen, so liegt es nahe, bei der Kombinatorik und der funktio-<br />
nalen Bedeutung der in die Clusterung eingegangenen Formen formellen und informellen<br />
Lernens anzusetzen.<br />
2.1 Die Bündelung von ähnlichen Lernformen<br />
Als erster Analyseschritt bietet es sich hierbei an, zunächst möglichst viele der bei der Ty-<br />
penbildung berücksichtigten Lernformen zu Gruppen zu bündeln. Diese Gruppen sollen zwei<br />
Anforderungen genügen, die statistischer und inhaltlich-funktionaler Art sind:<br />
• In statistischer Hinsicht sollen alle zu einer Gruppe zusammengefassten Lernformen<br />
134<br />
zwischen den Typen erheblich variieren, wobei diese Variationen möglichst gleichsinnig<br />
sein sollten, sodass es legitim ist, diese Lernformen durch eine einzige Kennziffer abzu-<br />
bilden.<br />
• Inhaltlich sollte sich jede dieser Gruppen von Lernformen eindeutig einer bestimmten<br />
Funktionalität zuordnen und insofern von allen anderen Merkmalen und Merkmals-<br />
gruppen unterscheiden lassen.<br />
Unter den in Tabelle 1 aufgeführten Formen formellen und informellen Lernens bieten sich<br />
auf den ersten Blick drei Gruppen mit insgesamt neun Lernformen an, bei denen es sich<br />
lohnen könnte, zu klären, inwieweit sie sowohl den statistischen Anforderungen, wie den in-<br />
haltlich-funktionalen Ansprüchen einigermaßen genügen und wie sie sich gegebenenfalls<br />
zusammenfassen lassen. Hierbei bleiben lediglich zwei Formen informellen Lernens ausge-<br />
klammert, die entweder (dies ist der Fall bei „Unterweisung und Information durch Vorgesetz-<br />
te und Experten“) nur relativ wenig zwischen den Typen variieren oder bei denen (dies ist der<br />
Fall bei „computergestütztes Lernen“) eine eindeutige funktionale Bestimmung schwierig ist.<br />
Die drei Gruppen ausgewählter Lernformen werden gebildet von:<br />
(a) den zwei informellen Lernformen „Lesen von Fachliteratur“ und „Besuch von Vorträgen,<br />
Messen und Ähnlichem“;<br />
(b) den vier informellen Lernformen „Gruppenarbeit“, „Qualitätszirkel“, „Partnerschaften“ und<br />
„Job-Rotation“ und<br />
(c) der „Beteiligung an interner und externer formeller Weiterbildung“.
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Diese drei Gruppen von Lernformen und die Voraussetzungen ihrer Zusammenfassung sind<br />
etwas detaillierter zu betrachten.<br />
(a) Die informellen Lernformen „Lesen von Fachliteratur“ und „Besuch von Vorträgen,<br />
Messen und Ähnlichem“<br />
Die beiden Lernformen des „Lesens von Fachliteratur“ und des „Besuchs von Vorträgen,<br />
Messen“ und anderen – externen – Veranstaltungen scheinen aus zwei Gründen <strong>für</strong> die<br />
Identifikation von Profilen der Kompetenzentwicklung besonders geeignet:<br />
Zum einen weisen die Häufigkeitswerte <strong>für</strong> diese Formen informellen Lernens wichtige Ge-<br />
meinsamkeiten in statistischer Hinsicht auf: Diese Werte variieren – als einzelne oder im<br />
Mittelwert – erheblich zwischen den Typen. Die Extremwerte <strong>für</strong> „Lesen von Fachliteratur“<br />
liegen zwischen 90 Prozent und 48 Prozent, die Häufigkeit des „Besuchs von Vorträgen,<br />
Messeveranstaltungen und Ähnlichem“ streut zwischen 66 Prozent und 22 Prozent. Ent-<br />
sprechend variiert auch der Mittelwert beider Merkmale. Auch ist die Parallelität ihrer Varia-<br />
tionen von Typus zu Typus offenkundig. So sind die höchsten und die niedrigsten Werte<br />
jeweils bei den gleichen Typen (Typus 1 und Typus 3) zu beobachten.<br />
Zum anderen heben sich diese beiden Lernformen inhaltlich-funktional durch zwei Eigen-<br />
schaften von praktisch allen anderen Formen informellen Lernens ab:<br />
Wie bereits im vorausgehenden Kapitel festgestellt, charakterisieren sie sich durch eine enge<br />
Beziehung zu den traditionellen Formen von Bildung, durch eine hohe „Bildungsaffinität“.<br />
Zugleich darf bei ihnen eine eindeutige Funktionalität angenommen werden, die darin be-<br />
steht, außerhalb des Betriebes neues, <strong>für</strong> den Betrieb wichtiges Wissen zu identifizieren und<br />
zu akquirieren.<br />
(b) Die vier informellen Lernformen „Gruppen- und Teamarbeit“, „Qualitätszirkel“,<br />
„Patenschaften und Coaching“ sowie „Job-Rotation“<br />
Auch die vier hier zusammengefassten Lernformen weisen sowohl in statistischer wie in<br />
inhaltlich-funktionaler Hinsicht mehrere Gemeinsamkeiten auf:<br />
In statistischer Hinsicht ist zunächst eine starke Varianz zwischen den Typen zu beobachten.<br />
Extremwerte liegen im Falle von „Gruppen- und Teamarbeit“ bei 80 Prozent (Typus 5) und 4<br />
Prozent (Typus 6) und im Falle von „Qualitätszirkeln“ bei 63 Prozent (Typus 2) und 8 Prozent<br />
(Typus 6). „Job-Rotation“ als Lernform wird sogar praktisch nur in Typus 2, hier aber von<br />
allen in diesem Typus zusammengefassten Betrieben als wichtig genannt. Zwar ist die<br />
Parallelität der Variationen weniger ausgeprägt als bei den beiden Lernformen „Lesen von<br />
Fachliteratur“ und „Besuch von Vorträgen u.Ä.“, doch dürfte sie sehr wohl zur Zusammen-<br />
fassung der konkreten Ausprägungen dieser Lernformen ausreichen.<br />
Wichtiger noch als die statistischen Eigenschaften der entsprechenden Kennziffern sind<br />
jedoch drei inhaltliche Sachverhalte: Allen vier Lernformen ist zunächst einmal gemeinsam,<br />
dass sie bestimmte Formen der Arbeitsorganisation voraussetzen, die ausreichend Lern-<br />
gelegenheiten und Lernanstöße bieten. Sie beruhen weiterhin alle auf der expliziten oder<br />
impliziten Erwartung, dass die Lerneffekte im wesentlichen spontan und als unmittelbare<br />
135
Burkart Lutz<br />
Folge der Arbeitsorganisation eintreten und insofern keine expliziten Aktivitäten und Aufwen-<br />
dungen der Betriebe erfordern. Schließlich besteht ihre Funktionalität vorrangig nicht in der<br />
Wissensakquisition, sondern in der betriebsinternen Diffusion neuen Wissens.<br />
(c) Die Beteiligung an formeller Weiterbildung<br />
Die drei Informationen zur formellen Weiterbildung sind deutlich schwieriger zu behandeln<br />
als die beiden soeben behandelten Gruppen von informellen Lernformen:<br />
Die Formen formeller Weiterbildung sind einerseits <strong>für</strong> die Charakterisierung der<br />
betrieblichen Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung und <strong>für</strong> deren Zusam-<br />
menfassung zu Typen so wichtig, dass sie bei der Identifikation von „horizontalen“ Profilen<br />
nicht außer Acht gelassen werden können.<br />
Andererseits verbieten es die ausgeprägten Unterschiede in der typenspezifischen relativen<br />
Bedeutung der verschiedenen Formen von formeller Weiterbildung, diese in einer einzigen<br />
Kennziffer zusammenzufassen. Diese Unterschiede liegen ja vor allem im relativen Gewicht<br />
von interner und externer Weiterbildung, während das bloße Niveau der Beteiligung an<br />
formeller Weiterbildung zwischen den Typen nur wenig variiert. 20<br />
Wenn man bei der Identifikation einer zweiten Ordnungsdimension die Beteiligung an for-<br />
meller Weiterbildung berücksichtigen will, muss deshalb offenkundig vor allem dieses relative<br />
Gewicht von internen und externen Veranstaltungen und Kursen herangezogen werden. Hier<br />
sind in der Tat zum Teil extreme Unterschiede zwischen Typen zu beobachten, auch<br />
zwischen solchen, die insgesamt ein sehr ähnliches Niveau aufweisen. Am stärksten ausge-<br />
prägt ist dies in der Gruppe der drei Typen mittleren Niveaus, auf die bereits in Kapitel III<br />
mehrfach hingewiesen wurde. In Typus 3 berichten praktisch alle Betriebe nur über Teil-<br />
nahme von Mitarbeitern an internen Kursen und Seminaren, während die Betriebe in Typus 4<br />
ihrer stärksten Mitarbeitergruppe ausschließlich externe Weiterbildung anbieten. In Typus 5<br />
hingegen findet sich eine deutliche Mehrheit von Betrieben, die sowohl interne wie externe<br />
Veranstaltungen nutzen.<br />
Dies verbietet jedoch eine einfache Zusammenfassung, wie sie bei den beiden Gruppen von<br />
informellen Lernformen möglich ist.<br />
Ein gangbarer Lösungsweg <strong>für</strong> diese Schwierigkeiten dürfte darin bestehen, bei der Identi-<br />
fizierung und Beschreibung stabiler und plausibler Profile der Kompetenzentwicklung die in<br />
der Befragung unterschiedenen Formen formeller Weiterbildung – „nur interne Veranstal-<br />
tungen“, „nur externe Veranstaltungen“ und „sowohl interne wie externe Formen von<br />
Weiterbildung“ – jeweils mit der einen oder der anderen eben definierten Gruppe von For-<br />
men informellen Lernens zu kombinieren, also„nur externe Weiterbildung“ mit den beiden<br />
„bildungsaffinen“ informellen Lernformen und „nur interne Weiterbildung“ mit den vier arbeits-<br />
organisatorisch gestützten informellen Lernformen.<br />
20 So liegt der Typus mit dem zweithöchsten Beteiligungsniveau (Typus 2) mit 84% nur geringfügig über dem Typus<br />
mit dem zweitniedrigsten Niveau (Typus 6) mit 78%.<br />
136
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Dieser Weg kann überall dort, wo formelle Weiterbildung entweder nur intern oder nur extern<br />
erfolgt, ohne größere Irrtumsrisiken begangen werden. Etwas schwieriger ist es, eine sach-<br />
adäquate Lösung <strong>für</strong> die Fälle gleichzeitiger Nutzung von interner und externer Weiterbildung<br />
zu finden, die angesichts ihrer Häufigkeit nicht vernachlässigt werden darf. Hier bietet es sich<br />
als Ausweg an, die entsprechenden Werte jeweils zur Hälfte der einen und der anderen<br />
Gruppe von Formen informellen Lernens zuzurechnen.<br />
2.2 Außen- und Binnenorientierung, Wissensakquisition und<br />
Wissensdiffusion – zwei Profile von Kompetenzentwicklung<br />
Mit dieser Bündelung von insgesamt neun Formen formeller Weiterbildung und informellen<br />
Lernens wird – alternativ oder komplementär zu der bisher ausschließlich betrachteten<br />
vertikalen Dimension des generellen Niveaus – eine zweite Dimension von betrieblicher<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung definiert, die sich mit den zwei Begriffspaaren<br />
Außen- versus Binnenorientierung und Wissensakquisition versus Wissensdiffusion be-<br />
schreiben lässt. Hierbei darf zumindest bis auf weiteres unterstellt werden, dass mit diesen<br />
beiden Begriffspaaren jeweils nur verschiedene Aspekte des gleichen Sachverhaltes –<br />
Außenorientierung und Wissensakquisition im einen Falle, Binnenorientierung und Wissens-<br />
diffusion im anderen Falle – bezeichnet werden.<br />
Diese zweite Dimension von betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung wäre<br />
somit durch zwei kontrastierende Profile markiert, die ihrerseits als Ausdruck je spezifischer<br />
betrieblicher Handlungsbedingungen und strategischer Optionen von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung zu verstehen sind.<br />
(a) Binnenorientierung und Wissensdiffusion im Betrieb als vorrangiges Ziel von<br />
Weiterbildung<br />
Das eine der beiden Profile ist vorrangig binnenorientiert und in erster Linie darauf abgestellt,<br />
eine rasche und breite Diffusion neuen Wissens im Betrieb sicherzustellen.<br />
Empirisch müsste sich dieses Profil manifestieren:<br />
• durch Dominanz interner Veranstaltungen bei formeller Weiterbildung,<br />
• durch geringe Bedeutung der bildungsaffinen Lernformen „Lesen von Fachliteratur“ und<br />
„Besuch von Vorträgen u. Ä.“ und<br />
• durch erhebliches Gewicht von impliziten, arbeitsorganisatorisch ermöglichten bzw. ge-<br />
stützten Lernformen.<br />
Dieses Profil ist umso ausgeprägter, je höher der Mittelwert ist, der sich aus der Häufigkeit<br />
von – ausschließlich oder auch – interner Weiterbildung und den vier ausgewählten infor-<br />
mellen Lernformen errechnet.<br />
137
Burkart Lutz<br />
(b) Außenorientierung und Wissensakquisition als vorrangiges Ziel von Weiterbildung<br />
Das Gegenprofil charakterisiert sich durch vorrangige Außenorientierung und eine betriebs-<br />
politische Funktionalität, die in erster Linie auf Akquisition neuen Wissens gerichtet ist.<br />
In Typen, die diesem Profil entsprechen, sind zu erwarten:<br />
• eine hohe Beteiligung an externer Weiterbildung und<br />
• große Häufigkeitswerte bei den ausgesprochen auf Akquisition extern verfügbaren<br />
138<br />
Wissens gerichteten informellen Lernformen „Lesen von Fachliteratur“ und „Besuch von<br />
Vorträgen, Messen und ähnlichem“.<br />
Dieses Profil ist umso ausgeprägter, je höher der Mittelwert aus der Häufigkeit liegt, mit der<br />
nur oder auch externe Weiterbildung und die beiden ausgewählten informellen Lernformen<br />
von den befragten Betrieben genannt werden.<br />
Die bisherigen Überlegungen können in einem Schema (Abbildung 1) zusammengefasst<br />
werden:<br />
Abbildung 1: Kennziffern der Binnen- und Außenorientierung<br />
Formelle<br />
Weiterbildung<br />
Binnenorientierung<br />
Wissensdiffusion<br />
• nur interne Weiterbildung<br />
• 50% von interner und externer<br />
Weiterbildung<br />
Informelles Lernen • Gruppen- und Teamarbeit<br />
• Qualitätszirkel<br />
• Patenschaften<br />
• Job-Rotation<br />
Außenorientierung<br />
Wissensakquisition<br />
• nur externe Weiterbildung<br />
• 50% von interner und externer<br />
Weiterbildung<br />
• Lesen von Fachliteratur<br />
• Vorträge, Messen u.Ä.<br />
Es versteht sich wohl von selbst, dass Binnen- und Außenorientierung keineswegs immer<br />
„rein“ und unvermischt auftreten. Die betrieblichen Interessen und Politiken, die dem einen<br />
oder dem anderen zugrunde liegen, schließen sich in der Realität keineswegs vollständig<br />
aus. Hierbei spielt offenbar die Betriebsgröße eine wichtige Rolle: Je größer der Betrieb und<br />
je komplexer seine Struktur und Organisation sind, desto mehr bleibt Raum <strong>für</strong> die Koexis-<br />
tenz von Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung, die sich – z.B. <strong>für</strong> eine<br />
bestimmte Mitarbeitergruppe oder <strong>für</strong> bestimmte Funktionsbereiche – vorrangig auf Wissens-<br />
akquisition und solchen, die sich vorrangig auf innerbetriebliche Wissensdiffusion richten.<br />
Deshalb ist häufig mit Mischformen von Elementen beider Profile in den Betrieben eines<br />
Typus zu rechnen. Diese Mischformen können – wie weiter unten noch zu zeigen – in der<br />
Materialanalyse als drittes Profil behandelt werden.<br />
Es ist evident, dass sich die beiden eben definierten Pofile in der Realität wie im empirischen<br />
Material in aller Regel mit einem je spezifischen Niveau von betrieblichen Aktivitäten der<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung kombinieren. Gute Gründe sprechen <strong>für</strong> die
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Erwartung, dass dieses generelle Niveau umso stärker – und damit auf Kosten des Profil-<br />
effektes – das betriebliche Geschehen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung be-<br />
stimmt, je ausgeglichener im jeweiligen Betrieb oder Typus Elemente von Außen- und<br />
Binnenorientierung nebeneinander existieren.<br />
2.3 Ein zweidimensionales Ordnungsmuster<br />
Aus diesen Überlegungen und Definitionen ergibt sich ein zweidimensionales Ordnungs-<br />
muster betrieblicher Aktivitäten der Weiterbildung und des informellen Lernens, das etwas<br />
näher zu betrachten ist. Als statistische Grundlage sind in Tabelle 2 <strong>für</strong> die sieben Typen je-<br />
weils die Mittelwerte der vier bzw. sechs Lernformen dargestellt, die sich den als binnen-<br />
orientiert bzw. den als außenorientiert bezeichneten Profilen zuordnen lassen.<br />
Tabelle 2: Binnenorientierung und Außenorientierung der Typen (Mittelwerte, in Prozent<br />
des jeweiligen Typus)<br />
Typus<br />
Binnenorientierung<br />
(B)<br />
Außenorientierung<br />
(A)<br />
Verhältnis B : A<br />
1 36,3 50,8 1 : 1,40<br />
2 50,6 36,2 1 : 0,72<br />
3 46,0 17,5 1 : 0,38<br />
4 14,9 54,6 1 : 3,66<br />
5 29,2 35,8 1 : 1,23<br />
6 12,0 32,1 1 : 2,68<br />
7 16,7 26,4 1 : 1,58<br />
Gesamt 28,4 38,1 1 : 1,34<br />
Die Tabelle lässt zunächst erkennen, dass – in Bestätigung der Überlegungen zur Indi-<br />
katorenauswahl – im Gewicht der vier bzw. sechs hier betrachteten Kennziffern markante<br />
Unterschiede zwischen den Typen bestehen. Der Mittelwert der sechs Indikatoren von<br />
Binnenorientierung schwankt zwischen 12 Prozent (Typus 6) und 51 Prozent (Typus 2).<br />
Beim Mittelwert der vier Indikatoren von Außenorientierung finden sich Extreme von 18<br />
Prozent (Typus 3) und 55 Prozent (Typus 4).<br />
Noch aufschlussreicher sind jedoch in der Tabelle die Daten der rechten Spalte, die das Ver-<br />
hältnis zwischen der durchschnittlichen Häufigkeit der vier bzw. sechs Lernformen wieder-<br />
geben. Dieser Wert variiert, wie sich zeigt, sehr stark. Der Extremwert ausgeprägter Außen-<br />
orientierung (Typus 4) liegt bei 1:3,66, der Extremwert ausgeprägter Binnenorientierung<br />
(Typus 3) hingegen bei 1:0,38. Diese Unterschiede sind wesentlich größer als die Diffe-<br />
renzen im bloßen Niveau der betrieblichen Aktivitäten. Ganz offenkundig ist dieses Ver-<br />
hältnis zwischen Aktivitäten mit vorrangiger Außen- und vorrangiger Binnenorientierung auch<br />
von wesentlicher Bedeutung <strong>für</strong> die Zuordnung der Betriebe zu den sieben unterschiedenen<br />
Typen.<br />
Die in Tabelle 2 dargestellten Kennziffern von Binnenorientierung und Außenorientierung<br />
können als x- und y-Achsen eines zweidimensionalen Feldes gewählt werden. Trägt man die<br />
139
Burkart Lutz<br />
Lage der sieben Typen in dieses Feld ein, so lässt sich diese zweidimensionale Ordnung der<br />
sieben Typen, wie Abbildung 2 zeigt, auch graphisch sehr gut veranschaulichen.<br />
Abbildung 2: Typen nach Außen- und Binnenorientierung (Mittelwerte aus Tabelle 2, in<br />
Prozent der Betriebe des jeweiligen Typus)<br />
140<br />
externe Orientierung<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
6<br />
4<br />
7<br />
0%<br />
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%<br />
5<br />
1<br />
interne Orientierung<br />
Im Schaubild gibt der Abstand der sieben Kreise, mit denen die Lage der Typen markiert ist,<br />
vom Nullpunkt das Niveau der betrieblichen Aktivitäten von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung an. Dieses Niveau ist umso höher, je weiter der entsprechende Kreis vom<br />
Nullpunkt (also in Richtung rechts oben) entfernt liegt und umso niedriger, je geringer die<br />
Distanz zum Nullpunkt ist.<br />
Stellt man sich eine Diagonale vor, die von unten links nach oben rechts verläuft, so ist das<br />
Gewicht von Elementen der Binnenorientierung umso größer, je weiter der jeweilige Kreis<br />
rechts von der Diagonale liegt, während Außenorientierung sich in einer entsprechenden<br />
Abweichung nach links niederschlägt.<br />
Das Bild, das sich in Tabelle 2 und Schaubild 2 zeigt, darf wohl als ausreichend konturiert<br />
bezeichnet werden. Drei Gruppen von Typen, die sich jeweils zu einem „Profil“ zusammen-<br />
fassen lassen, heben sich deutlich voneinander ab: Sie werden im Weiteren als „ausge-<br />
glichene Orientierung“, „vorrangige Binnenorientierung“ und „vorrangige Außenorientierung“<br />
bezeichnen.<br />
3<br />
2
(a) Ausgeglichene Orientierung<br />
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Drei der sieben Typen – Typus 1, Typus 5 und Typus 7 – liegen sehr nahe bei der Diagonale<br />
von links unten nach rechts oben. Ihnen ist gemeinsam, dass die relativen Gewichte der<br />
Kennziffern <strong>für</strong> beide Profile nur wenig differieren und nicht nennenswert vom Durchschnitt<br />
der Gesamtstichprobe abweichen.<br />
Festzuhalten ist, dass (zu Details ist auf Tabelle 1 zu verweisen) formelle Weiterbildung bei<br />
diesen drei Typen, sofern sie überhaupt genutzt wird, fast ausschließlich sowohl interner wie<br />
externer Art ist. Die entsprechenden Häufigkeiten betragen 90 Prozent bei Typus 1, 67 Pro-<br />
zent bei Typus 5 und 35 Prozent bei Typus 7. „Lesen von Fachliteratur“ und „Besuch von<br />
Vorträgen, Messen und ähnlichen Veranstaltungen“ werden – mit vom Typus 1 zu Typus 7<br />
deutlich abnehmender Häufigkeit – von vielen Betrieben dieser Typen als <strong>für</strong> die jeweils<br />
größte Mitarbeitergruppe wichtig genannt.<br />
Zugleich weisen diese drei Typen erhebliche Unterschiede im generellen Niveau von Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung auf. Zu ihnen gehören insbesondere der Typ mit dem<br />
höchsten und der mit dem niedrigsten Niveau überhaupt. „Ausgeglichene Orientierung“ kann<br />
also sowohl bedeuten, dass Binnen- und Außenorientierung, Wissensdiffusion und Wissens-<br />
akquisition gleichermaßen mit Nachdruck betrieben werden oder gleichermaßen wenig<br />
Beachtung finden.<br />
(b) Vorrangige Binnenorientierung<br />
Die eine der beiden anderen Gruppen besteht aus den Typen 2 und 3. Das diesen Typen<br />
entsprechende Profil charakterisiert sich durch eindeutige Dominanz von Binnenorientierung<br />
und durch offenkundigen funktionalen Vorrang von Wissensdiffusion im Betrieb.<br />
Für die in diesen beiden Typen zusammengefassten Betriebe ist unter anderem charakte-<br />
ristisch, dass sie nur selten externe Formen der Weiterbildung nutzen. Hingegen organi-<br />
sieren praktisch alle Betriebe des größeren der beiden Typen (Typus 3) ausschließlich<br />
interne Veranstaltungen.<br />
Die beiden Lernformen des Lesens von Fachliteratur und des Besuchs von Vorträgen haben<br />
bei ihnen ein deutlich geringeres Gewicht als bei anderen Typen vergleichbaren Niveaus.<br />
Die Betriebe, die einem dieser beiden Typen zugehören, legen erheblichen (bei Typus 2<br />
sogar ausgesprochen großen) Wert auf Lerneffekte, die durch die Arbeitsorganisation initiiert<br />
oder gestützt werden und von denen in erster Linie die Verbreitung von Wissen im Betrieb<br />
erwartet werden kann.<br />
(c) Vorwiegende Außenorientierung<br />
Die zur dritten Gruppe zusammenfassbaren Typen 4 und 6 heben sich ihrerseits durch aus-<br />
gesprochenes Übergewicht von Außenorientierung und Ausrichtung auf Wissensakquisition<br />
von allen anderen Typen ab.<br />
Die Betriebe eines der beiden Typen (Typus 4) nutzen fast ausnahmslos und ausschließlich<br />
externe Formen von Weiterbildung. Die Betriebe beider Typen betrachten die beiden weiter<br />
141
Burkart Lutz<br />
oben als „bildungsaffin“ bezeichneten Formen informellen Lernens („Lesen von Fachliteratur“<br />
und „Besuch von Vorträgen und Messen“) häufig als <strong>für</strong> die jeweils größte Mitarbeitergruppe<br />
wichtig; die entsprechenden Werte liegen zumeist deutlich über dem Durchschnitt der Ge-<br />
samtstichprobe.<br />
Die Nutzung von Lerneffekten der Arbeitsorganisation ist hingegen in den Betrieben, die zu<br />
diesen beiden Typen gehören, sehr wenig verbreitet.<br />
Besonders auffallend sind bei Typus 4, in dem das Profil von Außenorientierung besonders<br />
ausgeprägt existiert, die starken Unterschiede in der Nutzung von vorrangig binnen- und von<br />
vorrangig außenorientierten informellen Lernformen: Während die auf Wissensakquisition<br />
gerichteten Lernformen hier ausgesprochen häufig als wichtig bezeichnet werden, spielen<br />
organisationsbasierte Lernformen (außer Gruppen- oder Teamarbeit, die relativ wichtig zu<br />
sein scheint) in den Betrieben dieses Typus kaum eine Rolle.<br />
2.4 Das weitere Vorgehen: Zwei Schritte vergleichender Analyse<br />
Sowohl die Gemeinsamkeiten der in den drei Profilen zusammengefassten Typen wie die<br />
sehr eindeutigen Differenzen, die sich in Funktionalität und Orientierung der meisten be-<br />
trieblichen Aktivitäten zur Kompetenzentwicklung zwischen den drei Profilen und den ihnen<br />
zuzuordnenden Typen beobachten lassen, können ohne übermäßige Vereinfachungen in<br />
Tabelle 3 mit zwei Kennziffern abgebildet werden, die jeweils einer der beiden Dimensionen<br />
des soeben definierten Ordnungsschemas entsprechen.<br />
Tabelle 3: Kennziffern zu Niveau und Profil von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
(Mittelwerte, in Prozent aller Betriebe je Profil)<br />
Profil Niveau-Index *<br />
142<br />
Verhältnis Binnen- zu<br />
Außenorientierung **<br />
1 ausgeglichene Orientierung 37,7 1 : 1,38<br />
2 vorrangige Binnenorientierung 48,8 1 : 0,62<br />
3 vorrangige Außenorientierung 33,5 1 : 3,26<br />
* Mittelwert über sämtlichen Formen von Weiterbildung und informellem Lernen<br />
** Zusammengefasste Mittelwerte der Daten aus Tabelle 2<br />
Angesichts der (wie Tabelle 1 nochmals zeigte) erheblichen Differenzen im generellen Ni-<br />
veauindex von betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung der sieben Typen ver-<br />
bindet sich mit der Profilbildung eine erhebliche Homogenisierung dieses Index: Die Unter-<br />
schiede im generellen Niveau sind zwischen den sieben Typen wesentlich größer als<br />
zwischen den drei Profilen.<br />
Zugleich treten jedoch die Differenzen in der zweiten, „horizontalen“ Dimension durch die<br />
Zusammenfassung jeweils mehrerer Typen zu einem Profil eher noch deutlicher hervor.<br />
Dies legt ein zweischrittiges analytisches Vorgehen nahe.
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
In einem ersten Schritt (3) steht unter bewusster Vernachlässigung der Niveaudifferenzen<br />
zwischen den Typen der Vergleich zwischen den drei soeben definierten Profilen von Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung im Vordergrund. Hier ist demzufolge nach gemeinsamen<br />
Merkmalen der jeweils zwei bzw. drei Typen von Betrieben mit ausgeglichener Orientierung<br />
bzw. mit entweder ausgeprägter Binnen- oder ausgeprägter Außenorientierung zu fragen:<br />
• Durch welche Charakteristika – Aktivitäten von Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung, betriebliche Strukturmerkmale, wirtschaftliche Lage, Beschäftigtenstruktur, Arbeits-<br />
anforderungen und Personalprobleme – unterscheiden sich die einem Profil zugeord-<br />
neten Betriebe und Betriebstypen deutlich vom Rest der Stichprobe?<br />
• Welche weiterbildungspolitische und personalwirtschaftliche Bedeutung können diese<br />
Unterschiede haben?<br />
• Lassen sich aus diesen Spezifika einer jeweiligen Teilgruppe der befragten Betriebe<br />
Schlussfolgerungen ziehen, die verallgemeinerungsfähig sind?<br />
In einem zweiten Schritt (4) geht es – auf dem Hintergrund der Ergebnisse des Vergleichs<br />
zwischen Profilen – um den nunmehr profilinternen Vergleich zwischen den zwei oder drei<br />
Typen, die jeweils einem Profil entsprechen, wobei insbesondere auch den Niveaueffekten<br />
Beachtung zu schenken ist.<br />
Hier sind einige der Fragen nochmals zu stellen, die bereits im <strong>Zentrum</strong> von Kapitel III<br />
standen. Dies empfiehlt sich insbesondere, um zu klären, ob nicht auf dem Hintergrund eines<br />
bestimmten Profils der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung und in der hierdurch ein-<br />
gegrenzten Teilgruppe von Betrieben bestimmte Zusammenhänge zwischen betrieblichen<br />
Strukturmerkmalen und Problemlagen auf der einen Seite, Formen der Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung auf der anderen Seite deutlich schärfer hervortreten, als dies auf der<br />
Ebene der Gesamtstichprobe bzw. aller sieben Typen und bei der Konzentration auf die<br />
vertikale Dimension des generellen Niveaus der Fall sein konnte.<br />
3 Drei analytische Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
In dem soeben vorgestellten zweidimensionalen Feld vorrangiger Orientierung der be-<br />
trieblichen Aktivitäten zur Weiterbildung und Kompetenzentwicklung traten, wie erinnerlich,<br />
drei Konstellationen von Typen und ihnen zugeordneter Betriebe zu Tage.<br />
Die als „ausgeglichene Orientierung“ bezeichnete Konstellation besteht aus den beiden<br />
Typen 1 und 7 mit dem höchsten bzw. dem niedrigsten Niveau von Weiterbildung und aus<br />
Typus 5 mit mittlerem Niveau. Insgesamt werden in dieser Konstellation 756 Betriebe<br />
zusammengefasst. Dies sind 45 Prozent der insgesamt 1.681 Betriebe, die sich mit auswert-<br />
baren Antworten an diesem Teil der Befragung beteiligt hatten. Die beiden anderen Konstel-<br />
lationen, die sich jeweils durch eine ausgeprägte Binnen- oder aber Außenorientierung ihrer<br />
einschlägigen Aktivitäten charakterisieren, bestehen aus jeweils 2 Typen. Die Typen 2 und 3<br />
143
Burkart Lutz<br />
mit zusammen 401 Betrieben sind dem Profil ausgeprägter Binnenorientierung zuzuordnen,<br />
die Typen 4 und 6 mit zusammen 525 Betrieben dem Profil ausgeprägter Außenorientierung.<br />
Berechnet man <strong>für</strong> diese drei Gruppen von Typen bzw. <strong>für</strong> die in ihnen zusammengefassten<br />
Betriebe die Mittelwerte der wichtigsten bisher betrachteten Kennziffern, die in Tabelle 4<br />
zusammen gestellt sind, so werden trotz der hohen Aggregation der Daten einige wesent-<br />
liche Zusammenhänge sichtbar, die sich teilweise bereits in Kapitel III angedeutet hatten.<br />
Diese Zusammenhänge und die Unterschiede in den Kennziffern der drei Profile, in denen<br />
sie sich ausdrücken, sind nacheinander <strong>für</strong> betriebliche Strukturmerkmale, <strong>für</strong> Personalstruk-<br />
tur, Arbeitsanforderungen und Personalprobleme sowie <strong>für</strong> die wirtschaftliche Lage der Be-<br />
triebe zu betrachten.<br />
(a) Betriebliche Strukturmerkmale<br />
Zwischen den hier betrachteten drei Gruppen von Betrieben bzw. Typen bestehen zumindest<br />
zwei strukturelle Unterschiede, die bemerkenswert sind. Diese Unterschiede liegen zum<br />
einen in der Verteilung auf Betriebsgrößen, zum anderen in der Branchenstruktur.<br />
Bei der Betriebsgröße zeigt sich ein recht deutliches Gefälle von den beiden Profilen aus-<br />
geglichener und vorrangig binnenbezogener Orientierung mit Anteilen mittlerer und größerer<br />
Betriebe von 17 Prozent und 16 Prozent zum dritten Profil vorrangiger Außenorientierung mit<br />
einem Wert von lediglich 11 Prozent. Betriebe mit mindestens 50 Beschäftigten gehören zu<br />
51 Prozent den drei Typen des Profils ausgeglichener Orientierung an; die nur mit 45<br />
Prozent an der Gesamtstichprobe beteiligt sind. Beim Profil vorrangiger Außenorientierung<br />
liegen die entsprechenden Anteilswerte bei 23 Prozent (Anteil an den mittleren und größeren<br />
Betrieben) und 31 Prozent (Anteil an der Gesamtstichprobe).<br />
Noch ausgeprägter sind die Zusammenhänge zwischen Profilzugehörigkeit und Wirtschafts-<br />
bereich. Die bereits in Kapitel III hervorgehobene, sehr ungleiche Verteilung der Wirtschafts-<br />
bereiche auf die verschiedenen Typen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung bleibt,<br />
allenfalls geringfügig abgeschwächt, auch bei der Zusammenfassung der Typen zu drei<br />
Profilen erhalten.<br />
Das produzierende Gewerbe einschließlich Landwirtschaft und Bau sowie Handel, Gast-<br />
stätten und Verkehr stellen (bei einem Anteil von zusammen 49 Prozent an der Gesamtheit<br />
aller befragten Betriebe) nur 42 Prozent aller Betriebe des Profils „ausgeglichene Orien-<br />
tierung“, hingegen 55 Prozent des Profils vorrangiger Binnenorientierung. Das Profil vorran-<br />
giger Außenorientierung liegt hingegen mit einem Anteil an diesen beiden Wirtschafts-<br />
bereichen von 48 Prozent sehr nahe am Durchschnitt aller befragten Betriebe. Ganz anders<br />
ist das Verhältnis zwischen den Profilen vorrangiger Binnen- und Außenorientierung bei den<br />
Betrieben der Kredit- und Versicherungswirtschaft (einschließlich Vermietung u.Ä.).und der<br />
Sozial- und Gesundheitsdienste. In der Kreditwirtschaft erreicht das Profil vorrangiger<br />
Außenorientierung mit 32 Prozent nahezu den doppelten Wert des Profils vorrangiger<br />
Binnenorientierung von 17 Prozent. In den Sozial- und Gesundheitsdiensten sind hingegen<br />
die Anteile beider Profile fast ausgeglichen.<br />
144
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Tabelle 4 : Kennziffern der drei Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
(jeweils in Prozent aller Betriebe je Profil)<br />
Kennziffern<br />
Strukturmerkmale<br />
Profile<br />
Ausgeglichene<br />
Orientierung<br />
binnen-<br />
orientiert<br />
außen-<br />
orientiert<br />
Gesamt<br />
Produzierendes Gewerbe 19,4 23,2 20,9 20,8<br />
Handel, Verkehr, Gaststätten 22,5 42,1 27,3 28,6<br />
Kredit, Versicherung 28,1 16,8 31,5 26,5<br />
Sozial- und Gesundheitsdienste 30,0 17,9 20,3 24,1<br />
Anteil 50 und mehr Beschäftigte 17,3 16,5 11,4 15,3<br />
Anteil Ostbetriebe 40,4 37,3 40,3 39,7<br />
Wirtschaftliche Lage<br />
Besser als Wettbewerber (Mittelwert) 48,1 43,6 41,9 45,1<br />
Ertrag gut und sehr gut 32,0 25,4 32,5 31,4<br />
Schwierigkeiten (Mittelwert) 39,8 45,1 34,4 39,4<br />
Erfolge (Mittelwert) 44,6 47,0 47,4 46,0<br />
Gewinn gemacht 51,0 58,4 63,3 56,6<br />
Personalaufbau 20,4 24,1 14,0 19,3<br />
Arbeitsanforderungen hoch<br />
Alle Anforderungen (Mittelwert) 52,0 49,1 42,2 49,6<br />
Ausgew. Anforderungen (Mittelwert) 52,7 49,8 37,7 47,7<br />
Personal<br />
Personalprobleme (Mittelwert) 43,6 43,0 43,7 40,6<br />
Fachkräfte vom Arbeitsmarkt 74,9 70,0 64,2 70,4<br />
Führungskräfte vom Arbeitsmarkt 48,5 38,5 32,5 41,1<br />
Stärkste Mitarbeitergruppe<br />
Führungskräfte, Hochqualifizierte 15,2 9,5 9,4 12,1<br />
Fachangestellte 43,7 41,3 47,2 44,2<br />
Facharbeiter 25,7 28,9 30,3 27,9<br />
An- und Ungelernte 15,4 20,3 13,1 15,8<br />
Diese offenkundig recht engen Zusammenhänge zwischen Wirtschaftsbereichen und Pro-<br />
filen der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung legen es nahe, auch die Anteile der<br />
Profile an allen Betrieben der vier unterschiedenen Wirtschaftsbereiche zu berechnen und –<br />
in Tabelle 5 – auszuweisen.<br />
Die Beziehung zwischen Branchenstruktur und Profilen der Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung ist in Tabelle 5 ersichtlich.<br />
145
Burkart Lutz<br />
Tabelle 5: Anteil der Profile an den Betrieben der vier Wirtschaftsbereiche (in Prozent<br />
aller Betriebe der Wirtschaftsbereiche)<br />
Wirtschaftsbereich<br />
146<br />
Profil (Orientierung)<br />
Produzierendes Gewerbe (einschl.<br />
Landwirtschaft und Bau)<br />
ausgeglichen<br />
vorrangig<br />
binnenorient.<br />
vorrangig<br />
außenorient.<br />
Gesamt<br />
42,0 26,6 31,4 100<br />
Handel, Verkehr, Gaststätten 35,3 35,0 29,7 100<br />
Kredit- und Versicherungswesen 47,8 15,1 37,1 100<br />
Sozial- und Gesundheitsdienste 56,1 17,7 26,2 100<br />
Insgesamt 45,0 23,8 31,2 100<br />
Dem Profil ausgeglichener Orientierung gehören deutlich mehr als die Hälfte aller Betriebe<br />
der Sozial- und Gesundheitsdienste und ein immer noch überdurchschnittlicher Teil des<br />
Wirtschaftsbereichs Kredit- und Versicherungswesen an, hingegen nur gut ein Drittel aller<br />
befragten Betriebe in Handel, Verkehr und Gaststätten.<br />
Das Profil vorrangiger Binnenorientierung ist im produzierenden Gewerbe und vor allem in<br />
Handel und Verkehr deutlich überdurchschnittlich, jedoch im Bereich der gehobenen Dienst-<br />
leistungen (Kredit- und Versicherungswesen sowie Sozial- und Gesundheitsdienste) ausge-<br />
sprochen schwach vertreten.<br />
Der Anteil der Betriebe – die dem Profil vorrangiger Außenorientierung zugehören – an den<br />
vier Wirtschaftsbereichen variiert mit Extremwerten von 26 Prozent in den Sozial- und<br />
Gesundheitsdiensten und 37 Prozent im Kredit- und Versicherungswesen am wenigsten.<br />
Als erstes Fazit anhand der Strukturmerkmale der drei Profile lässt sich festhalten, dass:<br />
• das Profil ausgeglichener Orientierung deutlich überdurchschnittlich im Bereich geho-<br />
bener Dienstleistungen (Kredit- und Versicherungswesen sowie Gesundheits- und So-<br />
zialdienste), jedoch deutlich unterdurchschnittlich im produzierenden Gewerbe sowie im<br />
Handel und insgesamt etwas häufiger bei größeren und mittleren als bei kleinen Be-<br />
trieben vertreten ist;<br />
• das Profil vorrangiger Binnenorientierung besonders häufig im produzierenden Gewerbe<br />
und im Handel und entsprechend seltener bei den gehobenen Dienstleistungen an-<br />
zutreffen ist;<br />
• das Profil vorrangiger Außenorientierung einen deutlich unterdurchschnittlichen Anteil<br />
mittlerer und größerer Betriebe aufweist.<br />
Anzumerken ist im Übrigen, dass der Anteil ostdeutscher Betriebe nur wenig variiert, ab-<br />
gesehen davon, dass das Profil vorrangiger Binnenorientierung hier mit 37 Prozent gering-<br />
fügig unter dem Durchschnitt von 40 Prozent liegt.
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
(b) Arbeitsanforderungen, Personalprobleme und Personalstruktur<br />
Ähnlich konturiert und plausibel wie bei den Strukturmerkmalen ist auch das Bild, das sich<br />
beim Vergleich der wichtigsten Kennziffern zu Arbeit und Personal in den Betrieben der drei<br />
Profile ergibt.<br />
In den Betrieben des Profils ausgeglichener Orientierung werden die Arbeitsanforderungen<br />
im Durchschnitt am häufigsten als hoch eingeschätzt, hingegen in den Betrieben mit vor-<br />
rangiger Außenorientierung am seltensten. Dies gilt bereits im Mittelwert der elf im Interview<br />
abgefragten Arbeitsanforderungen mit Werten von 52 Prozent und 42 Prozent. Dies gilt noch<br />
markanter <strong>für</strong> die Teilgruppe von fünf Anforderungen, die sich schon im Vorstehenden 21 als<br />
besonders sensibel erwiesen hatten: „Ständig zu lernen und sich weiterzubilden“, „In Grup-<br />
pen- oder Projektarbeit Verantwortung zu übernehmen“, „Sich selbständig über wichtige Vor-<br />
gänge im Betrieb zu informieren“, „Über vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verfügen“<br />
und „Regelmäßig eigene Ideen zur Verbesserung zu entwickeln“. Diese fünf Anforderungen<br />
werden im Durchschnitt des Profils ausgeglichener Orientierung von 52 Prozent aller Be-<br />
triebe gegenüber nunmehr 38 Prozent im Profil vorrangiger Außenorientierung als hoch<br />
bezeichnet.<br />
Im gleichen Sinne gibt es bei den zwei insgesamt sehr häufig bzw. häufig genannten Per-<br />
sonalproblemen – die Schwierigkeit, Fachkräfte, und die Schwierigkeit, Führungskräfte vom<br />
Arbeitsmarkt zu rekrutieren – eine klare Rangordnung vom Profil ausgeglichener Orien-<br />
tierung (75 Prozent und 48 Prozent) über das Profil vorrangiger Binnenorientierung (70 Pro-<br />
zent und 38 Prozent) bis zum Profil vorrangiger Außenorientierung (64 Prozent und 32 Pro-<br />
zent).<br />
Eine ähnliche Rangfolge der drei Profile ist auch bei den Antworten auf die Fragen nach den<br />
im Betrieb geltenden Prinzipien der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zu beobach-<br />
ten: Der Aussage „Wir erwarten von unseren Mitarbeitern ein hohes Maß an Eigeninitiative<br />
und Selbststudium in der Weiterbildung“ wird:<br />
• im Profil ausgeglichener Orientierung von 66 Prozent der Betriebe als völlig zutreffend<br />
bezeichnet,<br />
• im Profil vorrangiger Außenorientierung von nur 58 Prozent.<br />
Noch größer ist – in der gleichen Richtung – die Differenz bei der Aussage „Arbeitsnahe<br />
Formen des Lernens, wie z.B. Qualitätszirkel und computergestütztes Lernen, haben einen<br />
hohen Stellenwert“. Sie träfe völlig zu, sagen:<br />
• im Profil ausgeglichener Orientierung 34 Prozent,<br />
• im Profil vorrangiger Außenorientierung hingegen nur 13 Prozent aller Betriebe.<br />
21 Vgl. Abschnitt 5.2 und Tabelle 10 in Kapitel III.<br />
147
Burkart Lutz<br />
Als letzte Kennziffer in dieser Gruppe von Indikatoren sind die Anteile zu nennen, mit denen<br />
in den Betrieben der drei Profile die verschiedenen Mitarbeitergruppen jeweils die stärkste<br />
Gruppe stellen:<br />
Das Profil ausgeglichener Orientierung charakterisiert sich durch den deutlich höchsten<br />
Anteil an Führungskräften und hochqualifizierten Angestellten. Entsprechend dem recht<br />
hohen Anteil an Betrieben des produzierenden Gewerbes, einschließlich Landwirtschaft am<br />
Profil vorrangiger Binnenorientierung stellen hier auch Arbeiter, nicht zuletzt an- und unge-<br />
lernte Arbeiter besonders häufig die stärkste Gruppe, während dies im Profil vorrangiger<br />
Außenorientierung bei den Fachangestellten nicht der Fall ist.<br />
(c) Die wirtschaftliche Lage der Betriebe<br />
Auch bei den Kennziffern zur wirtschaftlichen Lage der Betriebe sind deutliche Unterschiede<br />
zwischen den Profilen und den ihnen entsprechenden Typen zu verzeichnen. Diese Unter-<br />
schiede sind besonders groß im Hinblick auf die Häufigkeit, mit der bestimmte Erfolgs-<br />
faktoren als zutreffend genannt werden. So variieren die Häufigkeiten <strong>für</strong> die Aussage: „Wir<br />
haben regelmäßig Gewinne gemacht.“ zwischen 51 Prozent (ausgeglichene Orientierung)<br />
und 63 Prozent (vorrangige Außenorientierung).<br />
Allerdings sind bei wichtigen Kennziffern erhebliche Unstimmigkeiten und Unschärfen zu<br />
verzeichnen. So wird, trotz vielfach regelmäßiger Gewinne, nur von 14 Prozent der Betriebe<br />
des Profils vorrangiger Außenorientierung über größeren Personalaufbau berichtet. In einem<br />
ähnlichen Sinne beurteilen die dem Profil vorrangiger Binnenorientierung zugeordneten<br />
Betriebe zwar einerseits ihre wirtschaftliche Lage eher schlechter als der Rest der befragten<br />
Betriebe. Nur 25 Prozent (gegenüber mehr als 32 Prozent aller anderen Betriebe) be-<br />
zeichnen ihre Ertragslage als „gut“ oder „sehr gut“; 45 Prozent (gegenüber 40 Prozent und<br />
34 Prozent in den beiden anderen Profilen) nennen Schwierigkeiten, mit denen sie sich aus-<br />
einander setzen mussten. Dennoch berichten 24 Prozent dieser Betriebe von größerem<br />
Personalaufbau (gegenüber 20 Prozent und 14 Prozent bei den beiden anderen Profilen).<br />
Alles in allem ist das Bild, das sich aus dem Vergleich dieser Kennziffern ergibt, keineswegs<br />
so klar, dass es verlässliche Aussagen über Zusammenhänge zwischen wirtschaftlicher<br />
Lage auf der einen Seite, Zugehörigkeit zu einem der drei Profile auf der anderen Seite er-<br />
lauben würde. Dies gilt umso weniger, als die konstatierten Unterschiede sehr wohl auch<br />
Nebeneffekte der Branchen- und Größenstrukturen sein können, die, wie gezeigt, stark<br />
differieren.<br />
(d) Ein erstes Zwischenergebnis<br />
Auf der hoch aggregierten Ebene der drei Profile, in denen jeweils zwei oder drei Typen mit<br />
mehreren Hunderten von Betriebe zusammengefasst sind, und unter ausdrücklicher Ver-<br />
nachlässigung der „vertikalen“, am jeweiligen Niveau von Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung ausgerichteten Betrachtung des vorausgehenden Kapitels, werden in der hier<br />
gewählten „horizontalen“ Betrachtung deutliche Zusammenhänge zwischen dem jeweiligen<br />
Profil von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung einerseits, betrieblichen Struktur-<br />
merkmalen und betrieblichen Personalfragen andererseits sichtbar. Hingegen war es nicht<br />
148
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
möglich, Zusammenhänge zwischen der wirtschaftlichen Lage der Betriebe und den hier<br />
interessierenden betrieblichen Aktivitäten offen zu legen.<br />
Die präsentierten und kommentierten Befunde der Befragung deuten immer wieder auf eine<br />
„Syndromatik“ hin, in der Brancheneffekte wie branchentypische Personalstrukturen und<br />
Organisationsformen sich mit betrieblichen Prinzipien und Strategien sowie mit Anforde-<br />
rungen an die Beschäftigten und personalwirtschaftlichen Problemlagen kombinieren. Wei-<br />
terbildung und Kompetenzentwicklung stellen sich in dieser Perspektive als ein weites und<br />
vielgestaltiges, facettenreiches Feld dar, das Raum <strong>für</strong> sehr unterschiedliche Formen, Inte-<br />
ressen und Politiken lässt und sicherlich nicht durch einfache Leitsätze und Wirkungs-<br />
mechanismen geordnet und weiter entwickelt werden kann.<br />
Gute Gründe sprechen da<strong>für</strong>, dass im Rahmen dieser Syndromatik die betrieblichen Aktivi-<br />
täten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung in erster Linie bedarfsbezogen sind und<br />
dass der Ressourcenverfügbarkeit allenfalls eine komplementäre Funktion zugeschrieben<br />
werden darf, in dem Sinne, dass ausreichende betriebliche Ressourcen vermutlich die Be-<br />
reitschaft positiv beeinflusst, erkannten Bedarf zügig zu befriedigen.<br />
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Syndromatik mit dem hier präsentierten<br />
Befragungsmaterial, das ja in erster Linie einer breiten Bestandaufnahme dienen sollte, al-<br />
lenfalls in sehr unscharfen Umrissen nachzeichnen lässt. Eine genauere Bestimmung würde<br />
sowohl eine intensive analytische Verarbeitung des sehr reichhaltigen Materials wie er-<br />
gänzende und vertiefende Erhebungen in ausgewählten Gruppen von Betrieben erfordern.<br />
4 Zur Binnenstruktur der drei Profile<br />
Die soeben präsentierten Befunde und die auf ihnen aufbauenden Analysen, konzentrierten<br />
sich auf eine „horizontale“ Perspektive, die in erster Linie am Vergleich unterschiedlicher<br />
Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung interessiert ist und die zweite, vertikal-<br />
hierarchische Dimension des hier genutzten Ordnungsschemas bewusst vernachlässigt.<br />
Deshalb ist es nunmehr notwendig, wenn der mögliche Ertrag der Zweidimensionalität nicht<br />
verschenkt werden soll, in einem zweiten Schritt der Analyse horizontale und vertikale<br />
Perspektiven, die Betrachtung von Profilen und von Niveaus der Weiterbildung und Kompe-<br />
tenzentwicklung miteinander zu kombinieren, wo nicht zu integrieren.<br />
Dies kann sinnvoll nur auf der etwas stärker desaggregierten Ebene des Vergleichs der<br />
jeweils einem Profil zugehörenden Typen und nacheinander <strong>für</strong> die drei Profile geschehen.<br />
4.1 Das Profil ausgeglichener Orientierung<br />
Zu diesem Profil wurden, wie erinnerlich, drei Typen – Typus 1, Typus 5 und Typus 7 -<br />
zusammengefasst. Diesen drei Typen ist gemeinsam, dass sie – im Schaubild 2 auf oder<br />
nahe bei der von links unten nach rechts oben verlaufenden Diagonale gelegen – etwa in<br />
gleichem Ausmaß Lernformen nutzen, die vorrangig außenorientiert und auf die Akquisition<br />
von neuem Wissen gerichtet bzw. binnenorientiert und vorrangig auf die betriebsinterne<br />
149
Burkart Lutz<br />
Diffusion von Wissen gerichtet sind. Die Relation der Häufigkeit entsprechender Aktivitäten<br />
streut bei diesen drei Typen laut Tabelle 2 lediglich zwischen 1:1,23 (Typus 5) und 1:1,58<br />
(Typus 7).<br />
Diese drei Typen unterscheiden sich hingegen untereinander sehr stark durch das generelle<br />
Niveau ihrer Maßnahmen und Praktiken der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung. Der<br />
entsprechende Wert streut laut Tabelle 1 zwischen 20 Prozent (Typus 7) und 54 Prozent<br />
(Typus 1).<br />
Um auf dem Hintergrund der unter 3. dargestellten Besonderheiten des Profils die Effekte<br />
sichtbar zu machen, die mit starken Niveauunterschieden verbundenen sind, werden nun-<br />
mehr nacheinander wichtige Strukturmerkmale dieser drei Typen (Tabelle 6a), Kennziffern<br />
zur wirtschaftlichen Lage der Betriebe (Tabelle 6b) und Befunde zu Arbeitsanforderungen,<br />
Personalproblemen und Personalstruktur (Tabelle 6c) vergleichend betrachtet.<br />
(a) Betriebliche Strukturmerkmale<br />
Beim Anteil der unterschiedenen vier Wirtschaftsbereiche sind in Tabelle 6a zwei markante<br />
Tendenzen – jeweils von Typus 1 zu Typus 7 – zu beobachten: Das Gewicht des produ-<br />
zierenden Gewerbes (immer einschließlich Landwirtschaft und Bau) steigt von Typus 1 über<br />
Typus 5 zu Typus 7 stark an. Parallel hierzu nimmt die Bedeutung der höherwertigen<br />
Dienstleistungen, Kredit- und Versicherungswesen sowie Sozial- und Gesundheitsdienste,<br />
der in Typus 1 noch bei 66 Prozent liegt, bis zu Typus 7 mit lediglich 49 Prozent deutlich ab.<br />
Tabelle 6a: Ausgeglichene Orientierung – Strukturmerkmale (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Wirtschaftsbereiche<br />
150<br />
Typen<br />
1 5 7<br />
N = 265 242 249<br />
Produzierendes Gewerbe 10,2 19,0 29,8<br />
Handel, Verkehr, Gaststätten 24,0 21,9 21,6<br />
Kredit und Versicherung 35,6 19,9 28,0<br />
Sozial- und Gesundheitsdienste 30,2 39,2 20,6<br />
Andere Kennziffern<br />
50 und mehr Beschäftigte 19,6 16,9 15,3<br />
Ostbetriebe 35,7 52,9 33,3<br />
Dies belegt nachdrücklich den engen Zusammenhang zwischen Branchenzugehörigkeit und<br />
generellem Niveau der betrieblichen Aktivitäten zur Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung.
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
In der Betriebsgrößenstruktur der drei Typen ist hingegen lediglich eine gewisse, aber nicht<br />
sehr ausgeprägte Tendenz sinkender Betriebsgröße von Typus 1 zu Typus 7 festzuhalten.<br />
Eine Sonderstellung nimmt Typus 5 in zweifacher Hinsicht ein: Zum einen liegt der Anteil der<br />
Betriebe aus dem Kredit- und Versicherungswesen stark unter dem entsprechenden Wert<br />
von Typus 1, während bei Sozial- und Gesundheitsdiensten ein umgekehrtes Verhältnis zu<br />
beobachten ist. Zum anderen – und dies kann auch die von den Erwartungen eher ab-<br />
weichende Branchenstruktur erklären – liegt mehr als die Hälfte der Betriebe dieses Typus<br />
im Osten, während in allen anderen Typen die Mehrheit der Betriebe in Westdeutschland<br />
liegt.<br />
(b) Die wirtschaftliche Lage der Betriebe<br />
Während im Vergleich der drei Profile die Kennziffern zur wirtschaftlichen Lage der Betriebe<br />
kein eindeutiges Bild ergaben, sind nunmehr – auf der Ebene des Vergleichs von Typen<br />
innerhalb eines Profils – klare, teilweise ausgesprochen markante Unterschiede zu<br />
konstatieren, die im wesentlichen parallel zum abnehmenden Niveau betrieblicher Aktivitäten<br />
der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung verlaufen.<br />
Tabelle 6b: Ausgeglichene Orientierung – wirtschaftliche Lage (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Typen<br />
1 5 7<br />
N = 265 242 249<br />
„besser“ als Wettbewerber (Mittelwert) 56,3 50,7 44,6<br />
Ertrag gut und sehr gut 37,3 35,1 33,2<br />
Schwierigkeiten (Mittelwert) 42,0 34,3 42,9<br />
Erfolge (Mittelwert) 53,1 38,2 41,7<br />
Gewinn gemacht 60,0 49,2 43,2<br />
Personalaufbau 30,2 16,6 13,7<br />
Mit einer Ausnahme (dem Mittelwert der Schwierigkeiten) zeigt sich bei allen Kennziffern<br />
eine mehr oder minder massive Tendenz zu abnehmendem Niveau von Kompetenzentwick-<br />
lung bei schlechterer wirtschaftlicher Lage bzw. zu nachhaltig steigendem Niveau von Kom-<br />
petenzentwicklung bei guter Einschätzung der wirtschaftlichen Lage des eigenen Betriebes.<br />
Stets haben Typus 1 die positivsten und Typus 7 die negativsten Werte aufzuweisen. Zu-<br />
meist liegt auch Typus 5 zwischen diesen beiden Extremen.<br />
Die einzige Abweichung von dieser Tendenz ist beim Mittelwert der „Schwierigkeiten“ zu<br />
beobachten. Hier differieren die beiden Extremtypen kaum, während der Ost-Typus 5 einen<br />
deutlich besseren Wert aufweist, dem im übrigen ein eher schlechterer Wert bei den Erfolgen<br />
gegenübersteht.<br />
151
Burkart Lutz<br />
Dieses eindeutige Bild scheint die Plausibilität der Ressourcenthese nachhaltig zu unter-<br />
streichen, während bisher die Argumente da<strong>für</strong> überwogen, Kompetenzdefizite und den von<br />
ihnen induzierten Bedarf als primären Treiber entsprechender betrieblicher Aktivitäten zu<br />
betrachten.<br />
Allerdings liefert die Zusammenstellung der wichtigsten Kennziffern zu Arbeitsanforde-<br />
rungen, Personalproblemen und Personalstruktur in Tabelle 6c erneute Argumente <strong>für</strong> die<br />
Bedarfsthese.<br />
(c) Arbeitsanforderungen, Personalprobleme und Personalstruktur<br />
Im Rahmen des <strong>für</strong> dieses Profil konstitutiven, relativ ausgeglichenen Verhältnisses<br />
zwischen Binnen- und Außenorientierung lässt Tabelle 6c einen sehr klaren und engen Zu-<br />
sammenhang erkennen zwischen:<br />
• dem Niveau der betrieblichen Aktivitäten zur Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
152<br />
(das, wie erinnerlich, von Typus 1 über Typus 5 zu Typus 7 stark sinkt) auf der einen<br />
Seite und<br />
• der Häufigkeit, mit der offenkundig bedarfsgenerierende Tatbestände, insbesondere Per-<br />
sonalprobleme, genannt und Arbeitsanforderungen als hoch bezeichnet werden.<br />
Tabelle 6c: Ausgeglichene Orientierung – Arbeitsanforderungen und Personal (in Prozent<br />
aller Betriebe des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Arbeitsanforderungen hoch<br />
Typen<br />
1 5 7<br />
N = 265 242 249<br />
Alle Anforderungen (Mittelwert) 63,1 52,1 42,3<br />
Ausgew. Anforderungen (Mittelwert) 64,7 54,3 40,6<br />
Personalprobleme<br />
Personalprobleme (Mittelwert) 46,8 46,5 37,2<br />
Fachkräfte vom Arbeitsmarkt 80,8 76,4 67,1<br />
Führungskräfte vom Arbeitsmarkt 53,6 50,4 41,2<br />
Stärkste Mitarbeitergruppe<br />
Führungskräfte, Hochqualifizierte 17,7 8,3 19,3<br />
Fachangestellte 51,3 47,5 31,7<br />
Facharbeiter 24,2 26,9 26,1<br />
An- und Ungelernte 6,8 17,4 22,9<br />
Der Anteil der Betriebe je Typus, die alle oder die ausgewählten Arbeitsanforderungen, die<br />
an ihre Mitarbeiter gestellt werden, als hoch bezeichnen, sinkt parallel zum generellen
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung stark – von 63 Prozent und 42 Pro-<br />
zent und von 65 Prozent auf 41 Prozent. Auch die Häufigkeit, mit der die Betriebe Personal-<br />
probleme nennen, die sie bewältigen müssen, nimmt von Typus 1 zu Typus 7 deutlich ab,<br />
wenngleich hier die Unterschiede zwischen den beiden Typen weniger groß sind als bei den<br />
Anforderungen.<br />
Beides hängt offenbar auch mit großen Unterschieden in der Personalstruktur der Betriebe<br />
der drei Typen zusammen: In 69 Prozent der Betriebe von Typus 1 stellen Fachangestellte<br />
oder Führungskräfte und Hochqualifizierte die stärkste Mitarbeitergruppe. In Typus 7 sind<br />
hingegen die Anteile von Facharbeitern und Angelernten ebenso groß wie die Anteile der<br />
Fachangestellten und der Hochqualifizierten. Auch dies darf als Beleg da<strong>für</strong> gewertet wer-<br />
den, dass der Bedarf an Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (der real oder ange-<br />
nommen oftmals mit dem Qualifikationsniveau der jeweiligen Beschäftigtengruppe zu<br />
korrelieren scheint) großen Einfluss auf das tatsächliche Niveau entsprechender Aktivitäten<br />
hat.<br />
4.2 Das Profil vorrangiger Binnenorientierung und Wissensdiffusion<br />
Dem zweiten der drei unterschiedenen analytischen Profile sind mit den Typen 2 und 3 (der<br />
mit 122 Betrieben der weitaus kleinste der sieben Typen ist) insgesamt 401 der befragten<br />
Betriebe zugeordnet, also lediglich knapp ein Viertel der Gesamtstichprobe.<br />
Zwischen den beiden hier zusammengefassten Typen bestehen, mit Index-Werten von 52<br />
Prozent und 42 Prozent, deutliche, aber nicht sehr ausgeprägte Differenzen im generellen<br />
Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung. Beim Vergleich der beiden Typen<br />
sind trotz der relativ schwachen Unterschiede im Niveau starke strukturelle Differenzen zu<br />
erkennen, die Aufmerksamkeit verdienen. Wie beim soeben behandelten Profil ausge-<br />
glichener Orientierung werden deshalb auch hier nacheinander (a) betriebliche Strukturmerk-<br />
male, (b) Kennziffern zur wirtschaftlichen Lage und (c) Daten zu Arbeitsanforderungen und<br />
Personalproblemen im Typenvergleich dargestellt.<br />
(a) Betriebliche Strukturmerkmale<br />
Tabelle 7a lässt erkennen, dass zwischen den beiden Typen markante Strukturdifferenzen<br />
bestehen, obwohl sie eine sehr ähnliche Orientierung der betrieblichen Aktivitäten von Wei-<br />
terbildung und Kompetenzentwicklung aufweisen und ihr generelles Niveau deutlich weniger<br />
differiert als zwischen den drei Typen des Profils ausgeglichener Orientierung.<br />
In Tabelle 7a sind vor allem drei Sachverhalte hervorzuheben:<br />
(1) In beiden Typen stellt der Wirtschaftsbereich Handel, Verkehr, Gaststätten mit 44 Prozent<br />
und 39 Prozent einen wesentlich höheren Anteil als an allen anderen Typen, während die<br />
„gehobenen“ Dienstleistungsbereiche Kredit- und Versicherungswesen sowie Sozial- und<br />
Gesundheitsdienste deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtstichprobe bleiben.<br />
153
Burkart Lutz<br />
(2) Der als Index der Betriebsgrößenstruktur genutzte Anteil der Betriebe mit mindestens 50<br />
Beschäftigten steigt – entgegen einer relativ schwachen Tendenz im Profil ausgeglichener<br />
Orientierung - von Typus 2 zu Typus 3 erheblich. Dies ist vermutlich nicht ohne Zusam-<br />
menhang mit dem parallelen starken Unterschied im Anteil des produzierenden Gewerbes.<br />
(3) Der Anteil ostdeutscher Betriebe liegt in Typus 2 deutlich unter dem Durchschnitt der<br />
gesamten Befragungsstichprobe.<br />
Tabelle 7a: Vorrangige Binnenorientierung – Strukturmerkmale (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Wirtschaftsbereiche<br />
154<br />
Typen<br />
2 3<br />
N = 279 122<br />
Produzierendes Gewerbe 20,1 30,3<br />
Handel, Verkehr, Gaststätten 43,6 38,6<br />
Kredit und Versicherung 20,2 8,9<br />
Sozial- und Gesundheitsdienste 16,1 22,1<br />
Andere Kennziffern<br />
50 und mehr Beschäftigte 12,5 21,5<br />
Ostbetriebe 40,1 31,1<br />
(b) Die wirtschaftliche Lage der Betriebe<br />
Die wirtschaftliche Lage der Betriebe der beiden hier betrachteten Typen weist erhebliche<br />
Unterschiede auf. Bei praktisch allen in Tabelle 7b zusammen gestellten Kennziffern sind die<br />
Werte von Typus 3 deutlich schlechter als die von Typus 2.<br />
Die Wettbewerbsposition des eigenen Betriebes wird in Typus 3 spürbar schlechter ein-<br />
geschätzt als in Typus 2. In Typus 3 werden deutlich häufiger Schwierigkeiten und vor allem<br />
deutlich weniger positive Entwicklungen genannt als in Typus 2. Besonders ausgeprägt ist –<br />
mit 51 Prozent zu 38 Prozent - der Unterschied bei der Angabe, man habe regelmäßig Ge-<br />
winn gemacht.<br />
Eine Ausnahme stellt allenfalls die Aussage dar, der Ertrag des eigenen Betriebes sei im<br />
letzten Jahr gut bzw. sehr gut gewesen. Hier liegen die Häufigkeiten in beiden Typen prak-<br />
tisch gleichauf, jedoch nennenswert unter den Werten der meisten anderen Typen.<br />
Die in Tabelle 7b präsentierten Befunde könnten, bezieht man sie auf die Differenz im<br />
generellen Niveau der Aktivitäten von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung, als Argu-<br />
ment <strong>für</strong> die Ressourcenthese dienen, insofern sich das niedrigere Niveau in Typus 3 mit der<br />
spürbar schlechteren wirtschaftlichen Lage erklären lässt. Doch sind die Unterschiede bei<br />
beiden Sachverhalten alles in allem nicht sehr ausgeprägt.
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Tabelle 7b: Vorrangige Binnenorientierung – wirtschaftliche Lage (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Typen<br />
2 3<br />
N = 279 122<br />
„besser“ als Wettbewerber (Mittelwert) 50,0 46,1<br />
Ertrag gut und sehr gut 27,0 28,1<br />
Schwierigkeiten (Mittelwert) 42,9 50,3<br />
Erfolge (Mittelwert) 51,0 37,7<br />
Gewinn gemacht 64,5 44,3<br />
Personalaufbau 25,4 21,3<br />
(c) Arbeitsanforderungen, Personalprobleme und Personalstruktur<br />
Betrachtet man die Kennziffern zu Arbeitsanforderungen, Personalproblemen und Personal-<br />
struktur in Tabelle 7c, so fallen zwei Tatsachen ins Auge, die beide eher gegen die - von<br />
Ressourcenhypothese nahe gelegte - Vermutung sprechen, dass schlechtere wirtschaftliche<br />
Lage einen nennenswerten Einfluss auf das Niveau von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung habe, und deutlich die Bedarfshypothese stützen.<br />
Die eine Tatsache besteht in erheblichen Differenzen in der Bewertung von Anforderungen<br />
als „hoch“. Hier sind die Unterschiede zwischen beiden Typen groß. Dies gilt vor allem, wenn<br />
man sich auf die fünf als besonders sensibel ausgewählten Anforderungen – „ständig zu<br />
lernen und sich weiterzubilden“, „in Gruppen- oder Projektarbeit Verantwortung zu über-<br />
nehmen“, sich selbständig über wichtige Vorgänge im Betrieb zu informieren“, „über viel-<br />
fältige Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen“ und „regelmäßig eigene Ideen zur Verbes-<br />
serung zu entwickeln“ – konzentriert. Der Mittelwert von Typus 2 liegt hier bei 56 Prozent,<br />
der Mittelwert von Typus 3 lediglich bei 36 Prozent, also zwanzig Prozentpunkte niedriger.<br />
Die zweite an dieser Stelle hervorzuhebende Tatsache liegt in den extremen Unterschieden<br />
in der Personalstruktur der beiden Typen, die ihrerseits recht eng mit den bereits hervor-<br />
gehobenen Differenzen in den Strukturmerkmalen, vor allem in den Anteilen der großen Wirt-<br />
schaftsbereiche, zusammenhängen dürften:<br />
In 61 Prozent aller Betriebe des Typus 2 stellen hochqualifizierte Angestellte oder Fach-<br />
angestellte die stärkste Mitarbeitergruppe, hingegen nur in 28 Prozent aller Betriebe von<br />
Typus 3.<br />
Während An- und Ungelernte nur in 9 Prozent der Betriebe von Typus 2 als stärkste Gruppe<br />
genannt werden, ist dies in 46 Prozent der Betriebe von Typus 3 der Fall.<br />
155
Burkart Lutz<br />
Tabelle 7c: Vorrangige Binnenorientierung – Arbeitsanforderungen und Personal (in<br />
Prozent aller Betriebe des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Arbeitsanforderungen hoch<br />
156<br />
Typen<br />
2 3<br />
N = 279 122<br />
Alle Anforderungen (Mittelwert) 54,0 42,2<br />
Ausgew. Anforderungen (Mittelwert) 56,3 36,3<br />
Personalprobleme<br />
Personalprobleme (Mittelwert) 41,9 45,3<br />
Fachkräfte vom Arbeitsmarkt 69,2 72,1<br />
Führungskräfte vom Arbeitsmarkt 36,9 41,8<br />
Stärkste Mitarbeitergruppe<br />
Führungskräfte, Hochqualifizierte 13,6 0<br />
Fachangestellte 47,0 28,1<br />
Facharbeiter 30,1 26,4<br />
An- und Ungelernte 9,3 45,5<br />
Hervorzuheben ist, dass diese markanten Differenzen in der Personalstruktur sehr wohl in<br />
der Lage wären, einen Gutteil der Unterschiede zwischen beiden Typen im generellen Ni-<br />
veau von Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zu erklären, wenn man<br />
die in der gesamten Stichprobe stark variierenden gruppenspezifischen Beteiligungsquoten<br />
berücksichtigt. Umgerechnet auf eine angenommen gleichartige Personalstruktur, reduzieren<br />
sich die Unterschiede im generellen Niveau von Kompetenzentwicklung, zwischen beiden<br />
Typen auf wenige Prozentpunkte.<br />
4.3 Das Profil vorrangiger Außenorientierung und Wissensakquisition<br />
Das dritte der drei hier unterschiedenen Profile besteht gleichfalls aus zwei Typen, den<br />
beiden Typen 4 und 6, denen allerdings 525 Betriebe angehören, also deutlich mehr als den<br />
eben besprochenen Typen 2 und 3 Gemeinsam ist den Typen 4 und 6 die ausgeprägte<br />
Außenorientierung ihrer Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenzentwicklung. Deren ge-<br />
nerelles Niveau differiert mit Werten von 38 Prozent (Typus 4) und 28 Prozent (Typus 6)<br />
gleich stark wie jenes zwischen den Typen 2 und 3, liegt jedoch insgesamt – mit einem<br />
Mittelwert von 34 Prozent gegenüber 49 Prozent bei den Typen 2 und 3 – deutlich niedriger.<br />
Auch <strong>für</strong> diese beiden Typen sind nacheinander die wichtigsten Strukturmerkmale, Kennzif-<br />
fern zu wirtschaftlichen Lage der Betriebe und Daten zu Arbeitsanforderungen, Personal-<br />
problemen und Personalstruktur im profilinternen Vergleich zu behandeln.
(a) Betriebliche Strukturmerkmale<br />
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Die Unterschiede in den betrieblichen Strukturmerkmalen sind, wie Tabelle 8a zeigt,<br />
zwischen den beiden Typen eher noch größer als beim Profil vorrangiger Außenorientierung.<br />
Tabelle 8a: Vorrangige Außenorientierung – Strukturmerkmale (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Wirtschaftsbereiche<br />
Typen<br />
4 6<br />
N = 277 248<br />
Produzierendes. Gewerbe 16,3 25,9<br />
Handel, Verkehr, Gaststätten 19,1 36,5<br />
Kredit und Versicherung 44,8 16,7<br />
Sozial- und Gesundheitsdienste 19,7 20,8<br />
Andere Kennziffern<br />
50 und mehr Beschäftigte 7,6 15,4<br />
Ostbetriebe 36,6 44,5<br />
Die Anteile der vier unterschiedenen Wirtschaftsbereiche sind nur bei den Sozial- und Ge-<br />
sundheitsdiensten in beiden Typen ähnlich hoch – mit Werten, die jeweils drei bis vier<br />
Prozentpunkte unter dem Durchschnitt aller befragten Betriebe von 24 Prozent liegen. Bei<br />
den drei anderen Wirtschaftsbereichen sind die Differenzen zwischen den Typen hoch bis<br />
sehr hoch. Der Anteil von Betrieben der Kredit- und Versicherungswirtschaft ist in Typus 4<br />
fast dreimal so hoch wie in Typus 6.<br />
Ebenso stark differierten auch – auf insgesamt eher niedrigem Niveau - die Anteile der<br />
mittleren und größeren Betriebe mit 8 Prozent in Typus 4 und 15 Prozent in Typus 6.<br />
Auch beim Anteil der Ostbetriebe ist ein erheblicher Unterschied zu verzeichnen.<br />
Zwischen den Differenzen in diesen Strukturmerkmalen einerseits und im generellen Niveau<br />
von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung andererseits sind keine unmittelbar plausiblen<br />
Beziehungen zu erkennen.<br />
(b) Die wirtschaftliche Lage der Betriebe<br />
Die Unterschiede in der wirtschaftlichen Lage der Betriebe sind, wie Tabelle 8b erkennen<br />
lässt, alles in allem zwischen den Typen 4 und 6 eher noch größer als zwischen den Typen 2<br />
und 3, wobei in der Grundtendenz und mit Ausnahmen, die noch zu nennen sind, Typus 4<br />
jeweils wesentlich besser abschneidet als Typus 6.<br />
Hervorzuheben sind vor allem:<br />
• die Einschätzung des betrieblichen Ertrages als gut und sehr gut mit Werten von 45<br />
Prozent (Typus 4) und 30 Prozent (Typus 6);<br />
157
Burkart Lutz<br />
• der Mittelwert der Nennung von ernstzunehmenden Schwierigkeiten durch (weit unter<br />
158<br />
dem Durchschnitt aller befragten Betriebe liegende) 25 Prozent der Betriebe von Typus 4<br />
und 45 Prozent der Betriebe von Typus 6;<br />
• der erhebliche Unterschied im Anteil der Betriebe, die regelmäßige Gewinne angeben<br />
(69 Prozent gegenüber 57 Prozent).<br />
Tabelle 8b: Vorrangige Außenorientierung – wirtschaftliche Lage (in Prozent aller Betriebe<br />
des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Typen<br />
4 6<br />
N = 277 248<br />
„besser“ als Wettbewerber (Mittelwert) 45,8 47,6<br />
Ertrag gut und sehr gut 45,3 29,9<br />
Schwierigkeiten (Mittelwert) 25,0 44,8<br />
Erfolge (Mittelwert) 47,6 47,2<br />
Gewinn gemacht 69,0 56,9<br />
Personalaufbau 13,0 14,9<br />
Nur bei zwei Kennziffern liegen die beiden hier verglichenen Typen gleichauf oder nur wenig<br />
auseinander. Es sind dies die Einschätzung der eigenen Wettbewerbsposition mit Werten<br />
von 46 Prozent und 48 Prozent und die Nennung von positiven Entwicklungen, die im<br />
Mittelwert in beiden Typen gleich häufig erfolgt.<br />
(c) Arbeitsanforderungen, Personalprobleme und Personalstruktur<br />
Betrachtet man in Tabelle 8c die Häufigkeit, mit der in beiden Typen Arbeitsanforderungen<br />
als hoch bezeichnet werden, so ergibt sich zunächst, dass die Werte beider Typen deutlich<br />
niedriger liegen als dies bei den Typen 2 und 3 der Fall war. Dies gilt sowohl <strong>für</strong> die Gesamt-<br />
heit der elf im Interview abgefragten Anforderungen wie <strong>für</strong> die fünf Anforderungen, die als<br />
besonders sensibel ausgewählt wurden.<br />
Zugleich wird, sehr ähnlich wie eben <strong>für</strong> die beiden Typen 2 und 3 beschrieben, ein deut-<br />
liches Gefälle von Typus 4 mit Werten von 48 Prozent und 44 Prozent zu Typus 6 mit Werten<br />
von 37 Prozent und 32 Prozent sichtbar.<br />
Dies stimmt – als weiteres Argument <strong>für</strong> die Bedarfsthese – auch recht gut mit der Tatsache<br />
überein, dass das generelle Niveau der Aktivitäten von Weiterbildung und Kompetenzent-<br />
wicklung in Typus 4 leicht und in Typus 6 erheblich unter dem Durchschnitt aller befragten<br />
Betriebe bleibt.<br />
Bei den Personalproblemen ist das Bild ähnlich uneinheitlich wie im Vergleich der beiden<br />
Typen 2 und 3. Einerseits werden Personalprobleme im Mittelwert in Typus 4 deutlich<br />
seltener genannt als in Typus 6. Auch haben die Betriebe von Typus 6 deutlich häufiger<br />
Schwierigkeiten, Führungskräfte vom Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Dem steht jedoch
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
gegenüber, dass die Betriebe aus Typus 4 nennenswert häufiger auf die Schwierigkeit hin-<br />
weisen, Fachkräfte vom Arbeitsmarkt einzustellen.<br />
Tabelle 8c: Vorrangige Außenorientierung – Arbeitsanforderungen und Personal (in<br />
Prozent aller Betriebe des Typus, teilweise Mittelwerte)<br />
Kennziffern<br />
Arbeitsanforderungen hoch<br />
Typen<br />
4 6<br />
N = 277 248<br />
Alle Anforderungen (Mittelwert) 48,1 36,6<br />
Ausgew. Anforderungen (Mittelwert) 43,6 32,1<br />
Personalprobleme<br />
Personalprobleme (Mittelwert) 31,6 38,3<br />
Fachkräfte vom Arbeitsmarkt 68,1 59,9<br />
Führungskräfte vom Arbeitsmarkt 28,2 37,5<br />
Stärkste Mitarbeitergruppe<br />
Führungskräfte, Hochqualifizierte 15,6 2,4<br />
Fachangestellte 54,0 39,5<br />
Facharbeiter 23,2 38,3<br />
An- und Ungelernte 7,2 19,8<br />
Wiederum besonders ausgeprägt sind die Unterschiede (und die hiermit verbundenen Ab-<br />
weichungen vom Mittelwert der gesamten Befragungsstichprobe) bei den Anteilen, mit denen<br />
die vier unterschiedenen Mitarbeitergruppen die jeweils betrieblich stärkste Belegschafts-<br />
gruppe stellen. Führungskräfte, hochqualifizierte Angestellte und Fachangestellte sind die<br />
stärkste Gruppe in 70 Prozent aller Betriebe von Typus 4, gegenüber nur 42 Prozent in<br />
Typus 6. Facharbeiter und Angelernte bilden die stärkste Mitarbeitergruppe in 30 Prozent<br />
aller Betriebe des Typus 4, hingegen in 58 Prozent aller Betriebe von Typus 6.<br />
5 Zusammenfassung und erste Schlussfolgerungen<br />
5.1 Das Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung als<br />
zentrale Ordnungsdimension?<br />
Wie in Kapitel III gezeigt, war es möglich, dass sehr vielfältige und vielformige Weiter-<br />
bildungs- und Kompetenzentwicklungsgeschehen in den befragten Betrieben mit Hilfe einer<br />
Clusteranalyse ohne flagranten Verlust an Realitätsgehalt auf sieben Typen zu reduzieren.<br />
Dies legte der Versuch nahe, mit Hilfe dieser Typologie eindeutige Zusammenhänge<br />
zwischen den entsprechenden betrieblichen Maßnahmen und Aktivitäten auf der einen Seite,<br />
wichtigen Strukturmerkmalen, Ressourcen und Problemlagen der in den Typen zusammen-<br />
gefassten Betriebe andererseits offen zu legen. Es ist evident, dass dieser Versuch die<br />
Auswahl bzw. Definition eines durchgängigen Ordnungsschemas ebenso wie ein aus diesem<br />
159
Burkart Lutz<br />
abzuleitenden Maßstab erfordert, auf dem sich sowohl die Beziehungen der Typen zuein-<br />
ander wie die Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihnen abbilden lassen.<br />
In Übereinstimmung mit dem Großteil der einschlägigen Forschung und Diskussion bot sich<br />
hier<strong>für</strong> ein „vertikales“ Ordnungsschema an, das die Typen (und die in ihnen zusammen-<br />
gefassten Betriebe) gemäß der Häufigkeit reiht, mit der sie die abgefragten Formen von<br />
organisierter Weiterbildung und informellem Lernen insgesamt oder <strong>für</strong> die jeweils stärkste<br />
Mitarbeitergruppe nutzen. Der als „Niveau“ von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
bezeichnete Maßstab schien hier<strong>für</strong> besonders geeignet. Er ist als Mittelwert aus einer grö-<br />
ßeren Zahl von Prozentwerten leicht zu berechnen und ordinal skaliert. Er variiert zwischen<br />
den gebildeten sieben Typen von Betrieben mit Extremwerten von 54 Prozent und 20<br />
Prozent ausgesprochen stark.<br />
Im Laufe der Analysen (die im Detail in Kapitel III vorgestellt werden) verstärkte sich aller-<br />
dings die Vermutung, dass dieses eindimensional-vertikale Ordnungsschema, das aus ihm<br />
abgeleitete Messkriterium des relativen Niveaus von Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung und die hierauf basierende Rangreihe der Typen nach „mehr“ oder „weniger“ formellem<br />
und informellem Lernen nur von begrenztem Nutzen sind.<br />
Zwei Erkenntnisse waren hierbei wesentlich:<br />
Zum einen zeigte sich, dass viele Zusammenhänge zwischen den in die Analyse ein-<br />
bezogenen Strukturmerkmalen der Betriebe und ihren Aktivitäten der Kompetenzentwicklung<br />
weniger deutlich ausgeprägt sind, als mit der Entscheidung <strong>für</strong> das vertikale Ordnungs-<br />
schema vereinbar wäre. Eine ganze Reihe wichtiger Zusammenhänge konnte überhaupt<br />
nicht nachgewiesen werden.<br />
So sprechen an sich gute Gründe <strong>für</strong> die Erwartung, dass bei häufiger Einschätzung der<br />
Ertragslage des eigenen Betriebes als „gut“ und „sehr gut“ dank verfügbarer Ressourcen ein<br />
höheres Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung zu verzeichnen ist. In<br />
Wirklichkeit gibt es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Rangplatz des Typus<br />
gemäß dem Niveaukriterium und der überwiegenden Einschätzung der eigenen Ertragslage<br />
durch die jeweiligen Betriebe. Obgleich es hoch plausibel ist, dass wirtschaftliche Schwierig-<br />
keiten auch zu Investitionen in die Kompetenz der Mitarbeiter Anlass geben, werden kaum<br />
Indizien <strong>für</strong> einen solchen Zusammenhang sichtbar.<br />
Zum anderen ist es nicht selten unmöglich, von einem einheitlichen, alle Typen übergrei-<br />
fenden Muster des Zusammenhangs bestimmter betrieblicher Merkmale mit dem Niveau der<br />
Kompetenzentwicklung zu sprechen. Besondere Schwierigkeiten bieten hierbei insbeson-<br />
dere die Typen 3, 4 und 5, denen fast zwei Fünftel der befragten Betriebe angehören. Ob-<br />
gleich der durchschnittliche Niveauindex dieser drei Typen nur wenig differiert, weisen sie<br />
dennoch mehrfach bei wichtigen Kennziffern stark unterschiedliche Werte auf.<br />
Die Grenzen dessen, was analytisch mit dem eindimensionalen Ordnungsschema zu leisten<br />
ist, werden besonders deutlich erkennbar, wenn man versucht, den Realitätsgehalt von zwei<br />
– als „Bedarfshypothese“ und als „Ressourcenhypothese“ zu bezeichnenden – Hypothesen<br />
zur Erklärung des betrieblichen Geschehens von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
160
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
zu testen: Zwar erscheint alles in allem die Plausibilität der Bedarfshypothese größer, die<br />
postuliert, dass die entsprechenden betrieblichen Aktivitäten im Wesentlichen bedarfsbe-<br />
zogen, also umso häufiger sind, je nachdrücklicher die Befunde auf Kompetenzdefizite ver-<br />
weisen, deren Überwindung einem hohen betrieblichen Interesse entspricht. Doch gibt es<br />
zugleich nicht wenige Indikatoren, die eher <strong>für</strong> die – konkurrierende – Ressourcenhypothese<br />
sprechen, die annimmt, dass Bedarf an Weiterbildung und Kompetenzentwicklung mehr oder<br />
minder endemisch vorhanden sei, aber von den betrieblichen Instanzen nur dann und in dem<br />
Maße perzipiert und in entsprechende Maßnahmen und Praktiken umgesetzt werde, in dem<br />
der Betrieb über ausreichende Ressourcen hierzu verfügt.<br />
Diese Erfahrungen und Erkenntnisse legen die Vermutung nahe, dass sich die Besonder-<br />
heiten der typenspezifischen Weiterbildungsaktivitäten vielfach nur gebrochen und nur mit<br />
Überlagerungen durch andere Einflüsse mit dem eindimensionalen Index des Niveaus fas-<br />
sen und mit Hilfe des durch diesen Index zugewiesenen Rangplatzes beschreiben und er-<br />
klären lassen.<br />
Damit drängt sich die Frage auf, ob nicht mit einem auf das Niveaukriterium reduzierten<br />
Ordnungsschema der Typen (und der in diesen sich ausdrückenden Formen organisierter<br />
Weiterbildung und informellen Lernens) wichtige Zusammenhänge eher verborgen als offen-<br />
gelegt werden und ob nicht seine Ergänzung durch eine oder mehrere weitere Dimensionen<br />
erheblich zur Erhöhung des Erklärungspotentials beitragen könnte.<br />
Bei einer etwas detaillierteren Analyse der typenspezifischen Formen von organisierter Wei-<br />
terbildung und informellem Lernen trat recht bald eine zweite Dimension hervor, in der sich<br />
die Typen gleichfalls und unabhängig von ihrem jeweiligen Niveau der Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung ordnen lassen. Diese Dimension entspricht der vorrangigen Orien-<br />
tierung und Funktionalität der jeweiligen betrieblichen Aktivitäten und lässt sich durch die<br />
beiden Extremwerte vollständiger Binnen- und vollständiger Außenorientierung markieren.<br />
5.2 Binnenorientierung, Außenorientierung und ausgeglichene<br />
Orientierung - Drei Profile von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Auf dieser Dimension wird es möglich, unabhängig von bzw. komplementär zur Dimension<br />
des Niveaus drei recht klar gegeneinander abgrenzbare Profile von Weiterbildung und Kom-<br />
petenzentwicklung zu definieren:<br />
(1) Bei reiner Binnenorientierung steht funktional das Interesse an Wissensdiffusion im<br />
Betrieb im Vordergrund. Hier spielen nur die Formen von organisierter Weiterbildung und<br />
informellem Lernen eine Rolle, die ausschließlich betriebsbezogen und binnenorientiert<br />
sind. Hierzu gehören sowohl innerbetrieblich organisierte Weiterbildung wie die stark<br />
arbeitsintegrierten und organisatorisch gestützten oder initiierten Formen informellen<br />
Lernens: Lernen in Gruppenarbeit oder in Qualitätszirkeln, bei Coaching oder im Rahmen<br />
von Job-Rotation.<br />
161
Burkart Lutz<br />
(2) Bei reiner Außenorientierung steht funktional die Akquisition neuen Wissens von außen<br />
162<br />
im Vordergrund. Organisierte Weiterbildung erfolgt extern, in Seminaren und Kursen<br />
außerhalb des Betriebes. Informelles Lernen konzentriert sich auf die eher traditionellen,<br />
bildungsnahen Formen des Wissenserwerbs, also vor allem Lesen von Fachliteratur so-<br />
wie Besuch von Vorträgen, Messen und Ausstellungen.<br />
(3) Zusätzlich zu diesen beiden Extremformen, denen jeweils ein Profil der Weiterbildung<br />
und Kompetenzentwicklung entspricht, kristallisierte sich ein drittes Profil heraus, das<br />
einer mittleren Lage auf der idealen Achse entspricht, welche die Extreme reiner Binnen-<br />
und reiner Außenorientierung miteinander verbindet, und Elemente von Binnen- wie von<br />
Außenorientierung kombiniert.<br />
Bezogen auf die Betriebstypologie ist offenkundig der Realitätsgehalt dieser Profile hoch.<br />
Jedem der drei Profile lassen sich zweifelsfrei jeweils zwei oder drei der gebildeten Typen<br />
(mit jeweils zwischen 24 Prozent und 45 Prozent der befragten Betriebe) zuordnen. Bei<br />
keinem Typus war unklar, welchem Profil er zugehören soll. Zugleich zeigte sich, dass sich<br />
die Typen eines Profils teilweise sehr stark durch ihren Niveauindex unterscheiden.<br />
Das damit definierte zweidimensionale Ordnungsschema betrieblicher Aktivitäten von Wei-<br />
terbildung und informellem Lernen lässt (wie im Vorstehenden gezeigt) eine Reihe von Zu-<br />
sammenhängen zwischen betrieblichen Strukturmerkmalen und Problemlagen auf der einen<br />
Seite, den betriebstypischen Formen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung auf der<br />
anderen Seite klarer zu Tage treten, als eine nur eindimensionale Betrachtung der Einzel-<br />
typen und ihrer Rangreihe gemäß dem Niveauindex.<br />
Dies gilt sowohl im Profilvergleich wie im Vergleich der zwei oder drei Typen eines Profils,<br />
über dessen Ergebnisse weiter unten (5.3) sehr knapp zu berichten ist.<br />
Im Profilvergleich, bei der Gegenüberstellung der Mittelwerte über die zwei bzw. drei Typen<br />
je Profil, zeigen sich vor allem Unterschiede zweifacher Art, die möglicherweise auf gemein-<br />
same, freilich in der Befragung allenfalls sehr unscharf gefasste Ursachen verweisen:<br />
In der Branchenstruktur variieren vor allem die Anteile der als gehoben zu bezeichnenden<br />
Dienstleistungen (Kredit- und Versicherungswesen sowie Sozial- und Gesundheitsdienst-<br />
leistungen), denen weit über die Hälfte aller Betriebe des Profils ausgeglichener Orientie-<br />
rung, aber nur gut ein Drittel aller Betriebe des Profils ausgeprägter Binnenorientierung an-<br />
gehören. Komplementär hierzu variiert vor allem der Anteil der Betriebe des Wirtschaftsbe-<br />
reichs Handel, Verkehr, Gaststätten, der im Profil ausgeprägter Binnenorientierung nahezu<br />
das Doppelte des Profils ausgeglichener Orientierung beträgt.<br />
Ähnlich stark variieren die Anteile der Betriebe, die bestimmte, von ihren Mitarbeitern zu<br />
erfüllende Arbeitsanforderungen als hoch bewerten, oder die über wesentliche Personal-<br />
probleme berichten. Fünf als besonders sensibel ausgewählte Arbeitsanforderungen werden<br />
im Profil ausgeglichener Orientierung von – im Mittelwert – 53 Prozent aller Betriebe als hoch<br />
bezeichnet, im Profil vorrangiger Außenorientierung von nur 38 Prozent. Dem entspricht,<br />
dass hier nur 32 Prozent der Betriebe Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Führungskräften auf dem Arbeitsmarkt als wichtiges Personalproblem nennen, dort jedoch<br />
48 Prozent.<br />
Hervorzuheben ist sicherlich auch der Tatbestand, dass sich die beiden Typen vorrangiger<br />
Binnenorientierung im Vergleich zum Profil vorrangiger Außenorientierung durch einen deut-<br />
lich höheren Anteil von mittleren und größeren Betrieben charakterisieren – was sehr wohl<br />
als Beleg da<strong>für</strong> dienen kann, dass eine verstärkte Internalisierung von Problemlösungen<br />
zumeist eine Mindestgröße des Betriebes voraussetzt.<br />
5.3 Der Ertrag eines erweiterten Ordnungsschemas: Hohe Kontextabhängigkeit<br />
von betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Überraschender als die Unterschiede zwischen den Mittelwerten der drei Profile und mög-<br />
licherweise von nicht unerheblicher praktisch-politischer Bedeutung sind die Zusammen-<br />
hänge, die beim Vergleich der jeweils zu einem Profil zusammengefassten Typen sichtbar<br />
werden und teilweise noch deutlich ausgeprägter sind. Überblickt man die Unterschiede, die<br />
sich innerhalb der drei als „Profile“ bezeichneten Gruppen von Betriebstypen erkennen<br />
lassen, so fallen vor allem drei wesentliche Sachverhalte ins Auge. Sie verweisen jeweils<br />
mehr oder weniger direkt auf die Tatsache, dass Anlässe und Möglichkeiten, ebenso wie An-<br />
forderungen an Formen organisierten und informellen Lernens sehr eng in den Kontext<br />
betrieblicher Strukturen und betrieblicher Strategie integriert sind.<br />
(1) Zum einen variiert das generelle Niveau von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
zwischen den Typen eines Profils meist erheblich.<br />
Dies gilt besonders ausgeprägt bei dem Profil ausgeglichener Orientierung, dem die beiden<br />
Extremtypen mit dem höchsten Indexwert (Typus 1) und dem niedrigsten Indexwert (Typus<br />
7) angehören.<br />
Dies gilt jedoch in etwas geringerem Maße auch <strong>für</strong> die beiden anderen Profile. Für die ihnen<br />
zugehörigen Typen errechnen sich jeweils Differenzen im Indexwert von 10 Prozentpunkten.<br />
(2) Weiterhin spielen die ausgewerteten Indikatoren zur Struktur, zur wirtschaftlichen Lage<br />
und zur Personalwirtschaft in den drei Profile eine deutlich verschiedene Rolle.<br />
Hier<strong>für</strong> zwei Beispiele:<br />
Die Anteile der Betriebe des produzierenden Gewerbes, einschließlich Landwirtschaft und –<br />
als Gegengruppe – des Wirtschaftsbereichs Banken, Versicherungen und Vermietung, differ-<br />
ieren in allen drei Profilen im gleichen Sinne: Das generelle Niveau an formeller und infor-<br />
meller Weiterbildung liegt umso höher, je geringer die Bedeutung des produzierenden Ge-<br />
werbes und je größer das Gewicht von Kredit- und Versicherungswesen ist. Doch ist es nicht<br />
möglich, von einem durchgängigen Zusammenhang zu sprechen: Hohe Anteile des pro-<br />
duzierenden Gewerbes finden sich auch in Typen mit relativ hohem generellen Niveau (so in<br />
Typus 3), während ein sehr hoher Anteil von Kredit- und Versicherungswesens im Falle von<br />
Typus 4 mit eher mittlerem Gesamtniveau zusammentrifft.<br />
163
Burkart Lutz<br />
Zwar werden die Arbeitsanforderungen im Betrieb des Befragten in allen drei Profilen jeweils<br />
in den Typen deutlich häufiger als „hoch“ bezeichnet, die auch das höhere generelle Niveau<br />
aufweisen. Doch ist dieser Zusammenhang im Falle des Profils vorrangiger Außenorien-<br />
tierung wesentlich schwächer als in den beiden anderen Profilen.<br />
(3) In einigen Fällen wird sogar erkennbar, dass die Einflüsse bestimmter Strukturmerkmale<br />
auf Weiterbildung und Kompetenzentwicklung in verschiedenen Profilen in kontrastierender<br />
Richtung verlaufen.<br />
Die Größe der Betriebe, gemessen durch den Anteil der Betriebe mit mehr als 50 sozialver-<br />
sicherungspflichtigen Beschäftigten, kovariiert weitgehend überraschungsfrei sowohl im Pro-<br />
fil ausgeglichener Orientierung wie im Profil vorrangiger Außenorientierung recht eng mit<br />
dem generellen Niveau. Ganz anders ist das Bild im Profil vorrangiger Binnenorientierung.<br />
Hier trifft überraschend ein mit 12,5 Prozent (Typus 2) zu 21,5 Prozent (Typus 3) spürbar<br />
höherer Anteil größerer Betriebe mit deutlich niedrigerem generellen Niveau von Weiter-<br />
bildung und Kompetenzentwicklung (52 Prozent zu 42 Prozent) zusammen.<br />
Wie sind diese hier nur sehr knapp resümierten Befunde zu interpretieren?<br />
Ganz offenkundig, so lassen sich diese (im Vorstehenden detaillierter dargestellten) Befunde<br />
zusammenfassen, ist das betriebliche Geschehen der Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung wesentlich stärker, als dies bisher in der Forschung gesehen wird, betriebsbezogen,<br />
betriebsgebunden und kontextabhängig. Bei organisiertem Lernen, vor allem jedoch bei den<br />
Arten informellen Lernens, die eng mit der Arbeitsorganisation und den aus ihr resul-<br />
tierenden Anforderungen an Kompetenz und Lerngelegenheiten verbunden sind, handelt es<br />
sich um Formen betrieblichen Handeln und betrieblicher Struktur, die sehr hohe Vielfalt auf-<br />
weisen und in sehr unterschiedlicher Art und Weise in die strategischen Perspektiven der<br />
Betriebe eingebunden sind.<br />
Kontextabhängigkeit in diesem Sinne hat zumindest drei Implikationen:<br />
Die Wahrscheinlichkeit da<strong>für</strong>, dass ein bestimmtes generelles Niveau von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung erreicht wird und dass bestimmte Formen organisierten oder aber<br />
informellen Lernens stattfinden, ist stark von den jeweiligen betrieblichen Bedingungen und<br />
der aktuellen Lage des Betriebes abhängig – ohne dass es legitim wäre, hieraus unmittel-<br />
bare Schlüsse auf die Weiterbildungsbereitschaft des Betriebes und seine Disposition zur Er-<br />
leichterung informellen Lernens zu ziehen. Auch wird verständlich, warum der Versuch, den<br />
Realitätsgehalt von zwei Hypothesen, der Bedarfshypothese und der Ressourcenhypothese,<br />
zu testen, auf dem Hintergrund eines eindimensional-vertikalen Ordnungsschemas wenig<br />
erfolgreich war, da ein wesentlicher Effekt der Kontextabhängigkeit von Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung genau darin besteht, dass in verschiedenen Betrieben gleiche Ein-<br />
flüsse sehr unterschiedliche Wirkungen haben können.<br />
Ein und die gleiche Maßnahme, z.B. ein Schulungskurs oder ein Fachbuch, kann, je nach<br />
den konkreten betrieblichen Verhältnisse und den personalen Wirkungsvoraussetzungen des<br />
jeweiligen Mitarbeiters, ganz unterschiedliche Effekte haben. Sie kann sich als bloße<br />
Routineangelegenheit darstellen, deren Nutzen sehr streng mit anderen Formen der<br />
164
Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Zeitverwendung verglichen werden muss, oder in einer bestimmten betrieblichen Situation<br />
erheblich zur Lösung eines eben anstehenden Problems beitragen.<br />
Veränderungen und Entwicklungen in Form und Intensität der betrieblichen Aktivitäten zur<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung von Mitarbeitern können sehr verschiedene Ur-<br />
sachen haben. Dies kann sehr wohl auch bedeuten, dass ihre Bewertung mit Blick auf<br />
positive oder aber negative Effekte <strong>für</strong> die Beschäftigten und die Humanressourcen des Be-<br />
triebes mit großer Vorsicht und nicht nur an Hand einfacher, vielseitig verwendbarer Kriterien<br />
der Wünschbarkeit bzw. des Erfolges geschehen sollte.<br />
5.4 Erste Konsequenzen <strong>für</strong> Politik und Praxis<br />
Will man eine erste Bilanz ziehen, so erscheinen vier Punkte besonderer Aufmerksamkeit<br />
wertvoll:<br />
(1) Offenkundig herrschte zum Zeitpunkt der Befragung in großen Teilen der deutschen<br />
Wirtschaft, trotz der alles in allem eher unfreundlichen konjunkturellen Lage und Perspektive,<br />
eine <strong>für</strong> Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ausgesprochen positive Stimmung.<br />
Eine solche Stimmung ist gerade in kleinen und mittleren Betrieben, in denen ganz über-<br />
wiegend kein professionelles Personalmanagement und nur wenig dauerhafte betriebliche<br />
Strukturen der Aus- und Weiterbildung existieren, von hoher Bedeutung <strong>für</strong> den Grad und die<br />
zu erwartende Dauerhaftigkeit entsprechender Aktivitäten. Sie bedarf, will man langfristige<br />
Effekte und ausreichende Effizienz sichern, aus dem betrieblichen Umfeld der Anregung, der<br />
Pflege und der Unterstützung – durch Hilfe beim betriebsübergreifenden Erfahrungsaus-<br />
tausch, durch Bereitstellung von Arbeits- und Lehrmaterialien, die auch im Arbeitsalltag pro-<br />
blemlos – zwischendurch oder wenn akut Bedarf an neuem Wissen entsteht – nutzbar ist,<br />
durch sichtbare Vorbilder und Ähnliches.<br />
(2) In Betrieben der Größenordnung, wie sie vom zsh zu ihren Aktivitäten der Weiterbildung<br />
und der Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter befragt wurden, sind offenkundig sowohl der<br />
zu deckende Bedarf wie die Anlässe und Formen der Manifestation dieses Bedarfs wie die<br />
zu seiner Deckung mobilisierbaren Ressourcen stark durch den jeweiligen betrieblichen<br />
Kontext geprägt. Deshalb kann es keinen allgemein gültigen „Masterplan“ von Weiterbildung<br />
und Kompetenzentwicklung geben, der überall einsetzbar wäre, der sich überall im Wesent-<br />
lichen gleichartiger Instrumente bedienen könnte und dessen Effekte sich an einfach hand-<br />
habbaren, verlässlichen Kriterien messen ließen.<br />
(3) Hieraus resultiert auch, dass die Instrumente und Formen, mit denen insbesondere kleine<br />
Betriebe dabei unterstützt werden sollen, ihren Bedarf an Weiterbildung und vor allem an<br />
informellem Lernen ihrer Mitarbeiter frühzeitig wahrzunehmen und rechtzeitig zu decken,<br />
weitgehend kontextbezogen, von Anfang an auf die jeweiligen betrieblichen Verhältnisse<br />
abgestimmt oder doch zumindest schnell in den jeweiligen betrieblichen Kontext integrierbar<br />
sein müssen. Entsprechend hohe Anforderungen werden an die Aktualität und Qualität der<br />
auch kleinen Betrieben und ihren Leitern ohne längeres Suchen verfügbaren<br />
165
Burkart Lutz<br />
Handreichungen und Vorbilder gestellt. Häufig wird sich hierbei ein etablierter zwischen-<br />
betrieblicher Erfahrungsaustausch als sehr hilfreich erweisen.<br />
(4) Mit einer stark kontextbezogenen Förderung und Unterstützung von Aktivitäten der orga-<br />
nisierten Weiterbildung und der Kompetenzentwicklung durch informelles Lernen verbinden<br />
sich auch beträchtliche Risiken, die in mehr als einer Hinsicht der erwünschten und zu er-<br />
wartenden Effektivität spiegelbildlich sein dürften.<br />
Risiken gelten zum einen <strong>für</strong> die Beschäftigten. Ein nennenswerter Teil der Vorteile, die sich<br />
gerade bei kleinen Betrieben ohne professionelles Personalmanagement und Bildungswesen<br />
mit sehr arbeitsprozessnahen Formen organisierter Weiterbildung und/oder informellen<br />
Lernens verbinden können, beruht ja nicht zuletzt darauf, dass es – auch bei erheblichen<br />
Lerneffekten - möglich ist, die entstehenden Kosten und Unsicherheiten in erheblichem Um-<br />
fang als Eigenleistung der Beschäftigten auszuweisen und auf diese zu verlagern. Völlig<br />
offen bleibt die Frage, wie – einige Jahre später oder in einem anderen Betrieb – der<br />
hierdurch gestiegene berufliche Wert zur Geltung gebracht werden kann und ob nicht gerade<br />
die Beschäftigten, denen bedeutende Lerngelegenheiten geboten wurden, hierdurch in eine<br />
Falle hoher Betriebsgebundenheit geraten.<br />
Komplementäre Risiken gelten jedoch auf <strong>für</strong> die Betriebe: Je besser es ihnen gelingt, durch<br />
gezielte Förderung von betriebsinterner Weiterbildung und arbeitsnahen Formen informellen<br />
Lernens auf kostengünstige Weise das Kompetenzniveau aller oder vieler Beschäftigter<br />
nachhaltig zu erhöhen, den Wert des in diesen Beschäftigten inkorporierten Humankapitels<br />
zu steigern und sich damit wesentliche Vorteile an Flexibilität, Kundennähe oder Innovations-<br />
kraft zu sichern, desto schwieriger wird es, größere Marktturbulenzen durch Austausch –<br />
Einstellungen und Entlassungen – mit dem externen Arbeitsmarkt abzufangen, desto mehr<br />
ist der Betrieb bei Weggang von Mitarbeitern der Gefahr unerwünschten Know-How-Ab-<br />
flusses ausgesetzt, desto mehr stellen sich auch kleinen Betrieben die charakteristischen<br />
Probleme interner Arbeitsmärkte, obwohl ihnen ein Großteil der Ressourcen fehlt, die große<br />
Betriebe zur Lösung dieser Probleme einsetzen können.<br />
Wege zur Kontrolle solcher Risiken zu explorieren und damit die Kosten und Unsicherheiten<br />
erfolgreichen Lernens in der Arbeit deutlich zu reduzieren, scheint eine Aufgabe hoher<br />
Dringlichkeit zu sein.<br />
166
Teil C<br />
Kompetenzentwicklung und betriebliche<br />
Innovationen<br />
Susanne Winge<br />
Vorbemerkungen<br />
Kompetenzentwicklung und betriebliche Innovationen<br />
Das betriebliche Innovationsgeschehen – das auch in Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit<br />
immer stärker vor dem Hintergrund der Leistungs- und Erfolgsfähigkeit der deutschen<br />
Wirtschaft diskutiert wird – soll im Mittelpunkt dieses Berichtsteils stehen. Zentrale Stellung<br />
wird dabei das Zusammenspiel von Kompetenzentwicklung und Weiterbildung auf der einen<br />
Seite sowie betriebliche Innovationsprozesse auf der anderen Seite einnehmen. Kompe-<br />
tenzen stellen in mehrerer Hinsicht eine wichtige Basis <strong>für</strong> Innovationen dar, wovon einige<br />
Aspekte im folgenden Berichtsteil näher beleuchtet werden.<br />
Eine der Grundannahmen des Projektes war, dass sich Kompetenzen zu einem großen Teil<br />
unterschwellig und kontextbezogen entwickeln, weshalb es notwendig war, die Befragung<br />
auf konkrete Ereignisse auszurichten. Darunter verstehen wir Ereignisse, bei denen <strong>für</strong> den<br />
Betrieb die Kompetenzen der Mitarbeiter relevant werden. Das kann der Fall sein, wenn<br />
Kompetenzdefizite sichtbar werden, Kompetenzen verbessert bzw. neu aufgebaut werden<br />
sollen oder Betriebe die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter diagnostizieren müssen. Konkrete Er-<br />
eignisse ergeben konkrete Probleme und Lösungen. Innovationen stellen ein solches Ereig-<br />
nis dar. Denn insbesondere bei Innovationen in den verschiedenen Spielarten ist der Bedarf<br />
an Mitarbeiterkompetenzen häufig größer als normal, weshalb sie als ein wichtiger Zugang<br />
<strong>für</strong> die Betrachtung von Kompetenzentwicklung in ihrer betrieblichen Gesamtheit gesehen<br />
werden dürfen.<br />
In einem ersten deskriptiv angelegten Schritt wird die Gesamtheit des betrieblichen Innova-<br />
tionsgeschehens der befragten Betriebe in den Jahren 2000 bis 2002 dargestellt (Kapitel I),<br />
womit Fragen nach den Arten von Innovationen, dem Umfang sowie der Bedeutung von<br />
Innovationen im Fokus dieses Kapitels stehen. Die dabei beobachteten Zusammenhänge<br />
legen den Schluss nahe, dass die Art der Innovation ein starkes Unterscheidungsmerkmal<br />
ist.<br />
Dementsprechend werden in den anschließenden Kapiteln die Innovationsarten auf unter-<br />
schiedliche Art und Weise in Bezug zu den Aktivitäten der Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung gesetzt. Es kristallisieren sich zwei unterschiedliche Ansätze bzw. Vorge-<br />
hensweisen heraus, die in den Kapiteln II und III verfolgt werden. Dabei werden die<br />
167
Susanne Winge<br />
unterschiedlichen Ansätze als zwei komplementäre Perspektiven, die sowohl die Sache als<br />
auch die Fragestellung nahe legen, betrachtet.<br />
Innovationen als Einzelereignis ist der zentrale Ansatzpunkt des Kapitels II, in dem davon<br />
ausgegangen wird, dass bei konkreten Ereignissen Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung vornehmlich im Sinne der raschen Anpassung der Mitarbeiterfähigkeiten betrieben wird.<br />
Da aus diesem Grund die jeweilige Innovationsart ein wichtiges Unterscheidungskriterium ist,<br />
werden die Charakteristika der einzelnen Innovation herausgearbeitet. Auf die Trennung zwi-<br />
schen organisatorischen und technologischen Innovationen wird dabei besonderes Augen-<br />
merk gelegt.<br />
Ausgangspunkt des dritten Kapitels ist das gesamtbetriebliche Innovationsgeschehen, dass<br />
in Beziehung zum betrieblichen Weiterbildungs- und Kompetenzentwicklungsengagement<br />
gesetzt wird. Dazu werden mittels einer Clusteranalyse Typen betrieblichen Innovations-<br />
verhaltens erarbeitet, die hinsichtlich ihrer strukturellen Merkmale, Wettbewerbsbedingungen<br />
aber vor allem bezogen auf den Einsatz von Lernformen und Lernarrangements im Betrieb<br />
verglichen werden. Zu prüfen ist, in welcher Beziehung Unterschiede zwischen Betrieben mit<br />
hohen Innovationsaktivitäten und Betrieben mit geringeren Innovationsaktivitäten auftreten.<br />
168
I Innovationen in den Betrieben<br />
Innovationen in den Betrieben<br />
Betriebliche Innovationen stellen die Weichen <strong>für</strong> die Entwicklung eines Betriebes. Sie<br />
dienen einerseits der Anpassung an technische und technologische Entwicklungen wie auch<br />
der Anpassung der betrieblichen Arbeitsorganisation an Markterfordernisse. Andererseits<br />
können durch Innovationen neue Marktsegmente erschlossen, neue Produkte angeboten<br />
bzw. bereits angebotene Produkte weiterentwickelt werden, was wiederum Wettbewerbsvor-<br />
sprünge ermöglicht. Allerdings gehen betriebliche Innovationen mit beträchtlichen Anfor-<br />
derungen an die Mitarbeiter einher. Aus diesem Grund kann dieser Aspekt bei Fragen nach<br />
Strategien und Profilen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung nicht unbe-<br />
rücksichtigt bleiben.<br />
In diesem einleitenden Kapitel wird zunächst <strong>für</strong> die Gesamtheit der befragten Betriebe ein<br />
Überblick über das Innovationsgeschehen <strong>für</strong> den Befragungszeitraum 2000 bis 2002 ge-<br />
geben und in Beziehung zu den Strukturvariablen Sektorzugehörigkeit, Größe und Region<br />
gesetzt. Während im ersten Abschnitt Innovationen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden,<br />
fokussiert der zweite Abschnitt auf die von den Betrieben als wichtigste genannte Innovation.<br />
1 Überblick über das Innovationsgeschehen in den Jahren<br />
2000 bis 2002<br />
Die Betriebe wurden nach allen Veränderungsaktivitäten in den drei Jahren 2000 bis 2002<br />
befragt. Ein erstes, in diesem Umfang kaum zu erwartendes, Ergebnis war, dass nur 27 Be-<br />
triebe von insgesamt 1686 befragten Betrieben keine Veränderungen in diesen Jahren<br />
angegeben haben. Darunter finden sich 9 ostdeutsche und 18 westdeutsche Betriebe. Die<br />
Verteilung dieser 27 Betriebe über die Sektorzugehörigkeit ergibt neun Betriebe aus dem<br />
verarbeitendem Gewerbe und 18 Betriebe aus dem Dienstleistungssektor. 25 Betriebe<br />
haben weniger als 50 Mitarbeiter, ein Betrieb hat 50 bis 199 Mitarbeiter und ein weiterer<br />
Betrieb mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Als ersten, bemerkenswerten und wichtigen Befund gilt es festzuhalten, dass das Innova-<br />
tionsgeschehen 22 insgesamt betrachtet erstaunlich hoch ist. Allerdings sind die genannten<br />
Innovationen (Tabelle 1) sehr unterschiedlicher Art.<br />
Auf den ersten Blick fällt ins Auge, dass Innovationen wie Computerausstattung erneuert,<br />
verbessert, Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen und auch die Verbesserung<br />
der technischen Ausrüstung das Veränderungsgeschehen in den Jahren 2000 bis 2002 do-<br />
minieren. Die Häufigkeitsnennungen liegen hier bei weit über 50 Prozent, wohingegen etwa<br />
22 Prozent der Betriebe die Einführung neuer Arbeitsformen und weniger als 20 Prozent die<br />
22 Über die Reichweite des Innovationsbegriffes wird in Literatur und Praxis viel diskutiert. Es scheint sich<br />
allerdings zunehmend ein eher weitgefasster Innovationsbegriff durchzusetzen, dem auch in diesem Bericht<br />
gefolgt werden soll. Unter Innovationen werden demnach nicht nur Produktinnovationen und technische bzw.<br />
technologische Neuerungen subsumiert, sondern auch betriebliche Restrukturierungen und arbeitsorganisatorische<br />
Veränderungen.<br />
169
Susanne Winge<br />
Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen sowie Veränderungen durch Fusion,<br />
Übernahme oder Outsourcing anführen.<br />
Tabelle 1: Innovationen in den letzten drei Jahren<br />
Frage: Nun interessiert uns, ob es in den letzten 3 Jahren konkrete Veränderungen in Ihrem<br />
Betrieb gegeben hat. ... Bitte sagen Sie uns, ob die folgenden Aussagen auf Ihren Betrieb<br />
zutreffen oder nicht.“<br />
Arten von Innovation 23 (N=1686) n Prozent<br />
Computerausstattung erneuert/verbessert/Internet 1222 72,5<br />
Neue Produkte/Dienstleistungen eingeführt 1068 63,4<br />
Technische Ausrüstung verbessert 948 56,2<br />
Neue Arbeitsformen eingeführt 363 21,5<br />
Abteilungen/Bereiche zusammengelegt 287 17,0<br />
Fusion/Übernahme/Outsourcing 233 13,8<br />
Neue Materialien eingeführt 221 13,1<br />
Sonstiges 178 10,5<br />
Die drei am häufigsten genannten Innovationen können unter dem Begriff der technologisch<br />
geprägten Innovationen zusammengefasst werden, während die Einführung neuer Arbeits-<br />
formen, die Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen aber auch Veränderungen<br />
durch Übernahme, Fusion oder Outsourcing als Spielarten organisatorischer Innovationen<br />
angesehen werden können. Fasst man diese Gegenüberstellung zusammen, so zeigt sich,<br />
dass technologische Innovationen von den befragten Betrieben erheblich häufiger genannt<br />
wurden als organisatorische Innovationen. Auf diese unterschiedliche Ausrichtung betrieb-<br />
licher Innovationsaktivitäten wird auch im weiteren ein besonderes Augenmerk gelegt.<br />
1.1 Einfluss der Strukturvariablen<br />
Bei der Frage nach dem Einfluss von Strukturmerkmalen interessieren vor allem die Be-<br />
triebsgröße, unterteilt in kleine Betriebe mit 5 bis 49 Mitarbeitern, mittlere Betriebe mit 50 bis<br />
199 Mitarbeitern und größere Betriebe mit 200 und mehr Mitarbeitern, Sektorenzugehörigkeit<br />
und regionale Besonderheiten, wobei hier der Schwerpunkt auf den Vergleich von alten und<br />
neuen Bundesländern gesetzt wird. In Tabelle 2 sind zunächst die Strukturvariablen Region<br />
und Betriebsgröße abgebildet.<br />
Regionale Unterschiede im Sinne des Ost-West-Vergleichs beim Innovationsverhalten der<br />
Betriebe sind nicht festzustellen. Die auftretenden Differenzen sind marginal.<br />
23 Die konkreten Formulierungen im Fragebogen waren: „Wir haben unsere Computerausstattung erneuert oder<br />
nutzen jetzt das Internet zur Kooperation mit Kunden und Geschäftspartnern.“ „Wir haben Abteilungen oder<br />
Bereiche zusammengelegt.“ „Wir haben neue Arbeitsformen wie Projekt-, Gruppen- oder Teamarbeit eingeführt.“<br />
„Wir haben neue Produkte bzw. Leistungen ins Angebot aufgenommen.“ „Wir haben die technische Ausrüstung<br />
in unserem Betrieb wesentlich verbessert.“ „Wir haben <strong>für</strong> uns völlig neue Materialien eingeführt.“ und<br />
„Unsere Betriebsstruktur hat sich durch Fusion, Übernahme oder Outsourcing verändert.“<br />
170
Innovationen in den Betrieben<br />
Tabelle 2: Betriebliche Innovationen und Strukturmerkmale (Anteile in Prozent, jeweils<br />
Angabe „trifft zu“)<br />
Computer erneuert,<br />
verbessert<br />
Neue Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen<br />
Technische<br />
Ausstattung<br />
Gesamt<br />
N=1686<br />
NBL<br />
N=671<br />
Region Betriebsgröße<br />
ABL<br />
N=1015<br />
bis 49 MA<br />
N=1429<br />
50-199 MA<br />
N=213<br />
200 + MA<br />
N=44<br />
72,5 70,5 73,8 71,9 74,5 81,4<br />
63,4 62,9 63,7 63,2 63,8 65,1<br />
56,2 54,8 57,2 55,2 60,6 68,2<br />
Neue Arbeitsformen 21,5 20,7 22,2 18,9 34,9 43,2<br />
Bereiche, Abteilungen<br />
zusammengelegt<br />
Fusion, Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
17,0 17,3 16,8 13,9 31,0 52,3<br />
13,8 12,8 14,5 11,9 22,5 34,1<br />
Neue Materialien 13,1 14,0 12,5 13,4 11,7 14,0<br />
Die Differenzierung nach Betriebsgröße zeigt einen eindeutigen, allerdings auch erwartbaren<br />
Zusammenhang. Organisatorische Innovationen, also Fusion, Übernahme, Outsourcing oder<br />
Zusammenlegung von Abteilungen bzw. Bereichen und auch die Einführung neuer<br />
Arbeitsformen fanden in Betrieben mit 200 und mehr Mitarbeitern deutlich häufiger statt als in<br />
den Kleinbetrieben. Dabei sind Prozentsatzdifferenzen von über 20 Prozentpunkten zwi-<br />
schen den verschiedenen Betriebsgrößen zu verzeichnen. Technische Innovationen, mit<br />
Ausnahme der Produktinnovationen, werden ebenfalls von den größeren Betrieben deutlich<br />
häufiger angegeben, die Differenzen sind hierbei allerdings nicht so ausgeprägt.<br />
Die Tatsache, dass bei der Häufigkeit von Produktinnovationen keine größenklassenbe-<br />
dingten Unterschiede auftreten, macht eine tiefergehende Differenzierung dieser Innova-<br />
tionsart lohnenswert. Die Einführung von neuen Produkten bzw. Dienstleistungen kann noch<br />
einmal in drei Arten unterteilt werden: a) eine Neuaufnahme von bereits bestehenden<br />
Produkten oder Dienstleistungen ins Angebot, b) eine Weiterentwicklung bereits bestehender<br />
Produkte oder Dienstleistungen oder c) eine komplette Neuentwicklung von Produkten bzw.<br />
Dienstleistungen. Größere Betriebe nennen eine Neuaufnahme von Produkten ins Angebot<br />
deutlich seltener als kleine Betriebe und dementsprechend tendenziell häufiger Weiterent-<br />
wicklungen und Neuentwicklungen. Die Differenzen sind aber nur bei dem Merkmal Neuauf-<br />
nahme in das Angebot erheblich. Es lässt sich also festhalten, dass vor allem die größere<br />
Bedeutung organisatorischer Innovationen die mittleren und größeren Betriebe von den<br />
kleinen Betrieben unterscheidet.<br />
Tabelle 3 bietet einen Überblick über die Sektorenzugehörigkeit 24 der Betriebe.<br />
24 Die Branchenangaben der Betriebe wurden in vier Branchen zusammengefasst: Land- und Forstwirtschaft,<br />
Bergbau, Steine, Erden; verarbeitendes Gewerbe; Energie- und Wasserversorgung sowie Bau zählen zur<br />
Branche „verarbeitendes Gewerbe“. Außerdem werden die drei Dienstleistungssektoren „Gastgewerbe; Handel,<br />
Reparatur und Instandhaltung, Verkehr- und Nachrichtenübermittlung“, „Kredit- und Versicherungs-, das<br />
Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher Sachen“ sowie „Gesundheits-, Sozial- und<br />
Veterinärwesen und die sonstigen öffentlichen und privaten Dienstleistungen“ betrachtet.<br />
171
Susanne Winge<br />
Tabelle 3: Betriebliche Innovationen und Sektorenzugehörigkeit (Anteile in Prozent, jeweils<br />
Angabe „trifft zu“)<br />
Computer erneuert,<br />
verbessert<br />
Neue Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen<br />
Technische<br />
Ausstattung<br />
172<br />
Verarbeitendes<br />
Gewerbe<br />
N=348<br />
Verkehr,<br />
Handel,<br />
Gastgewerbe<br />
N=485<br />
Kredit,<br />
Versicherung,<br />
Vermietung<br />
N=444<br />
Gesundheit,<br />
Soziales,<br />
Veterinär<br />
N=409<br />
Gesamt<br />
73,5 74,0 76,6 65,3 72,5<br />
56,6 64,1 61,3 70,2 63,4<br />
61,2 52,6 62,4 49,6 56,2<br />
Neue Arbeitsformen 22,1 19,6 17,8 27,4 21,5<br />
Bereiche, Abteilungen<br />
zusammengelegt<br />
Fusion, Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
22,7 15,5 18,7 12,2 17,0<br />
12,9 14,6 15,5 12,0 13,8<br />
Neue Materialien 13,8 7,0 8,3 24,9 13,1<br />
Auffällig ist, dass Betriebe des verarbeitenden Gewerbes seltener als Betriebe des Dienst-<br />
leistungssektors die Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen nennen, hingegen die<br />
Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen teilweise deutlich häufiger. Betriebe des<br />
Gesundheits-, Sozial- und Veterinärwesens setzen stärker auf die Einführung neuer Arbeits-<br />
formen, investieren nach eigenen Angaben aber deutlich seltener in Technik.<br />
1.2 Umfang betrieblicher Innovationsaktivitäten<br />
Während im vorherigen Abschnitt nur die Häufigkeiten der einzelnen Nennungen im Vorder-<br />
grund standen, interessiert in diesem Abschnitt die Gesamtzahl also der Umfang der Inno-<br />
vationsaktivitäten des einzelnen Betriebes. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob sich die Be-<br />
triebe in der Vielfalt ihrer Innovationsaktivitäten, hier als Umfang betrieblicher Innovations-<br />
aktivitäten bezeichnet, unterscheiden.<br />
Tabelle 4: Innovationsaktivitäten nach Region und Betriebsgröße (Spaltenprozente)<br />
Zahl der Innovationen<br />
Region Betriebsgröße<br />
NBL ABL bis 49 MA 50-199 MA 200 + MA<br />
Gesamt<br />
N=596 N=916 N=1275 N=195 N=42 N=1512<br />
Ein bis zwei 39,1 38,9 40,9 30,8 16,7 38,9<br />
Drei 30,4 32,3 32,3 27,7 26,2 31,5<br />
Vier und mehr 30,5 28,8 26,8 41,5 57,1 29,5<br />
In Tabelle 4 sind, gruppiert unter Berücksichtigung des Medianes, drei Gruppen von<br />
Betrieben mit unterschiedlichem Umfang an Innovationsaktivitäten dargestellt: Betriebe mit<br />
einer oder zwei Innovationen, Betriebe mit drei Innovationen und Betriebe mit mehr als drei<br />
Innovationen.
Innovationen in den Betrieben<br />
Insgesamt betrachtet, zeigt sich ein leichtes anteilmäßiges Übergewicht der Gruppe mit ein<br />
bis zwei Innovationen gegenüber den anderen beiden Gruppen. Knapp 40 Prozent aller<br />
Betriebe geben an ein bis zwei Innovationen in den Jahren 2000 bis 2002 durchgeführt zu<br />
haben. Jeweils knapp 30 Prozent der Betriebe nannten entweder drei oder vier und mehr<br />
Innovationen in diesem Zeitraum. Einer Gruppe von Betrieben mit vereinzelten oder eher iso-<br />
lierten Innovationen steht also eine relativ große Gruppe von Betrieben gegenüber, die durch<br />
ein breites Spektrum an Innovationsaktivitäten hervortreten.<br />
Wiederum sind keine regionalen Unterschiede zu verzeichnen, wohl aber weist der Umfang<br />
der Innovationsaktivitäten einen eindeutigen Größenzusammenhang auf. Kleine Betriebe<br />
nehmen eher vereinzelt Innovationen in Angriff, während mittlere und vor allem größere Be-<br />
triebe über Innovationen im größeren Umfang berichten. Diese Ergebnisse können zum<br />
einen sicherlich als Hinweis auf das Ressourcenproblem, welches kleinere Betriebe eher da-<br />
von abhält umfangreiche Innovationen zu initiieren, verstanden werden. Zum anderen aber<br />
könnte <strong>für</strong> kleinere Betriebe zur Erreichung ihrer wirtschaftlichen Ziele eine kleinschrittige<br />
Strategie durchaus sinnvoll und angemessen sein.<br />
Die Aufteilung der Betriebe über die Sektoren in Tabelle 5 zeigt wenige und wenn, dann eher<br />
schwach ausgeprägte Unterschiede, die nicht systematisch auftreten.<br />
Tabelle 5: Innovationsaktivitäten und Sektorenzugehörigkeit (Spaltenprozente)<br />
Zahl der<br />
Innovationen<br />
Verarbeitendes<br />
Gewerbe<br />
Verkehr, Handel,<br />
Gastgewerbe<br />
Kredit,<br />
Versicherung,<br />
Vermietung<br />
Gesundheit,<br />
Soziales,<br />
Veterinär<br />
N=308 N=432 N=406 N=367<br />
Ein bis zwei 35,4 44,7 38,9 35,4<br />
Drei 34,4 31,0 33,5 27,2<br />
Vier und mehr 30,2 24,3 27,6 37,3<br />
Zwei Grundmuster des Umfangs der Innovationsaktivitäten sind zwischen den verschiede-<br />
nen Sektoren zu erkennen. So gibt es innerhalb der Sektoren verarbeitendes Gewerbe und<br />
Gesundheit, Soziales, Veterinär etwa ähnlich viele Betriebe, die eine bis zwei Innovationen<br />
im Befragungszeitraum angeben wie auch Betriebe mit vier und mehr Innovationen. In den<br />
beiden anderen Sektoren Verkehr, Handel, Gastgewerbe und Kredit, Versicherung, Ver-<br />
mietung hingegen ist der Anteil der Betriebe mit einem geringen Innovationsumfang deutlich<br />
höher als der Anteil der Betriebe mit hohem Innovationsumfang.<br />
1.3 Kombination von Umfang und Art von Innovationsaktivitäten<br />
Wie bereits der erste Überblick über das betriebliche Innovationsgeschehen aufzeigt, er-<br />
geben sich im Hinblick auf die Arten von Innovationen zwei Grundmuster mit den sehr häufig<br />
genannten eher technologisch ausgerichteten Innovationsaktivitäten auf der einen Seite und<br />
den vergleichsweise selten auftretenden organisatorischen Innovationen auf der anderen<br />
Seite. Die Vermutung liegt nahe, dass sich dahinter unterschiedliche Innovationsarrange-<br />
ments, im Sinne der Kombination unterschiedlicher Innovationsarten, verbergen. Tabelle 6<br />
173
Susanne Winge<br />
bestätigt den unterschiedlichen Stellenwert von technologischen und organisatorischen Inno-<br />
vationen im gesamtbetrieblichen Innovationsgeschehen.<br />
Tabelle 6: Kombination von Umfang und Art der Innovationen von 2000 bis 2002<br />
(Zeilenprozente)<br />
Erneuerung/Verbesserung der<br />
Computerausstattung<br />
Einführung neuer Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen<br />
Verbesserung der technischen<br />
Ausrüstung, Einführung neuer Materialien<br />
174<br />
Gesamtbetriebliches Innovationsgeschehen<br />
Eine bis zwei<br />
Innovationen<br />
N=589<br />
Drei<br />
Innovationen<br />
N=477<br />
Vier und mehr<br />
Innovationen<br />
N=446<br />
31,3 34,2 34,5<br />
25,4 37,0 37,7<br />
21,7 38,5 39,8<br />
Einführung neuer Arbeitsformen 8,3 14,4 77,3<br />
Zusammenlegung von<br />
Abteilungen/Bereichen<br />
Innovationen durch Fusion, Übernahme<br />
oder Outsourcing<br />
Zwei Schlussfolgerungen lassen sich aus dieser Tabelle ziehen:<br />
10,5 19,2 70,3<br />
6,9 27,5 65,7<br />
• Zum einen finden sich nur bei einer ausgesprochenen Minderheit der Betriebe mit einer<br />
oder zwei Innovationen organisatorische Innovationen.<br />
• Zum anderen treten technologische Innovationen in verschiedenen Häufigkeiten auf, d.h.<br />
es gibt deutliche Unterschiede zwischen den Arten von technologischen Innovationen.<br />
Zur ersten Schlussfolgerung: Alle organisatorischen Innovationen, seien es die Zusammenle-<br />
gung von Abteilungen oder Bereichen, die Einführung neuer Arbeitsformen und Innovationen<br />
durch Fusion, Übernahme, Outsourcing werden um so häufiger genannt, je mehr Innova-<br />
tionsaktivitäten in einem Betrieb stattfinden. Darin unterscheiden sie sich von den techno-<br />
logischen Innovationen, <strong>für</strong> die kein so eindeutiger Zusammenhang erkennbar ist. Je höher<br />
der Umfang betrieblicher Innovationen desto größer ist also der Anteil von organisatorischen<br />
Innovationen. Sie treten, im Gegensatz zu den technologischen Innovationen, nur bei einer<br />
Minderheit der Betriebe als einzelnes Innovationsereignis auf.<br />
Die zweite Schlussfolgerung verweist auf Unterschiede zwischen den technologischen<br />
Innovationen. So ist <strong>für</strong> die Innovation Verbesserung bzw. Erneuerung der Computeraus-<br />
stattung, die in allen drei Gruppen des Innovationsgeschehens etwa gleich häufig angeben<br />
wird, kein Zusammenhang zum Umfang des gesamtbetrieblichen Innovationsgeschehens<br />
erkennbar. Sie kann sowohl als singuläres Ereignis als auch in einem größeren Innovations-<br />
kontext auftreten. Hingegen weisen die Innovationen neue Produkte bzw. Dienstleistungen<br />
wie auch neue Technik bzw. Materialien eingeführt einen schwachen Zusammenhang zwi-<br />
schen Art der Innovation und Innovationsumfang auf. Diese werden in der Gruppe von vier
Innovationen in den Betrieben<br />
und mehr Innovationen im Vergleich zur Gruppe mit einer bis zwei Innovationen häufiger<br />
genannt.<br />
Als Zwischenfazit sind drei Tatbestände hervorzuheben:<br />
• Die Gesamtzahl der Innovationsaktivitäten in den Betrieben ist sehr hoch, dabei werden<br />
technologische Innovationen deutlich häufiger genannt als organisatorische Innova-<br />
tionen.<br />
• Der Umfang der gesamten betrieblichen Innovationsaktivitäten weist einen eindeutigen<br />
Größenzusammenhang auf. Größere Betriebe nennen mehr Innovationen im Untersu-<br />
chungszeitraum als kleine Betriebe.<br />
• Organisatorische Innovationen treten zumeist in Verbindung mit anderen Innovations-<br />
arten und nur sehr selten als singuläres Ereignis auf.<br />
2 Die Bedeutung von Innovationen<br />
Innovationen können auf einen Betrieb unterschiedliche Auswirkungen haben. Einige Innova-<br />
tionen stören den Betriebsablauf nur marginal, so dass ihre Umsetzung während des Ar-<br />
beitsalltages praktikabel ist. Andere Innovationen hingegen weisen ein hohes Störpotential<br />
auf, welches vorab nur schwer abzuschätzen ist und stellen so den Betrieb vor erhebliche<br />
Probleme. Zudem haben Innovationen auch einen unterschiedlichen Stellenwert <strong>für</strong> den<br />
Betrieb: bestimmte Innovationen besitzen eine Schlüsselfunktion und andere nicht.<br />
Ausgehend von der Annahme, dass Kompetenzdefizite vor allem beim nichtalltäglichen Inno-<br />
vationsgeschehen sichtbar werden und der Betrieb dann gezwungen ist schnell zu reagieren,<br />
sollten sich die Interviewpartner <strong>für</strong> eine ‚wichtigste’ betriebliche Innovation entscheiden. Die<br />
Frageformulierung: „Welche dieser Innovationen war <strong>für</strong> Ihren Betrieb die wichtigste?“<br />
beinhaltete keine weiteren Kriterien als Vorgabe.<br />
Von den 1686 Betrieben, die Innovationen in den letzten drei Jahren angegeben haben,<br />
haben 174 Betriebe diese Frage nicht beantwortet und können somit nicht in die folgenden<br />
Auswertungen einbezogen werden. Hauptsächlich zwei Gründe <strong>für</strong> die Nichtbeantwortung<br />
dieser Frage können festgehalten werden: einige Gesprächspartner gaben an, diese Frage<br />
allein nicht beantworten zu können und andere konnten sich einfach nicht auf eine Inno-<br />
vation festlegen, sondern befanden zwei oder mehr Innovationen als gleich wichtig <strong>für</strong> den<br />
Betrieb.<br />
2.1 Rangreihe der wichtigsten Innovation<br />
Tabelle 7 liefert einen Überblick über die Rangreihe der wichtigsten Innovationen. Es er-<br />
scheint legitim in diesem Zusammenhang die Häufigkeit der wichtigsten Innovation im Sinne<br />
ihrer Bedeutung zu interpretieren.<br />
So betrachtet spielen die technologischen Innovationen nicht nur in ihrer Häufigkeit eine<br />
große Rolle in den Betrieben, sondern sie besitzen auch eine große Bedeutung.<br />
175
Susanne Winge<br />
Organisatorische Innovationen weisen neben einer geringeren Häufigkeit auch eine<br />
geringere Bedeutung auf. Dieser Umstand ist sicherlich zu einem großen Teil auf die Zu-<br />
sammensetzung der Betriebsgrößenklassen unserer Stichprobe zurückzuführen. Demnach<br />
kann also resümiert werden, dass kleine und mittlere Betriebe in einem hohen Maße techno-<br />
logische Innovationen anstreben und umsetzen. Organisatorische Innovationen, denen in<br />
großen Betrieben erhebliche Bedeutung zugemessen wird, sind <strong>für</strong> kleine und mittlere Be-<br />
triebe eher von nachrangiger Wichtigkeit.<br />
Tabelle 7: Rangreihe der wichtigsten Innovation<br />
Frage: Welche dieser Innovationen war <strong>für</strong> Ihren Betrieb die wichtigste?<br />
Wichtigste Innovation (N=1512) n Prozent<br />
Computerausstattung erneuert/verbessert/Internet 448 29,6<br />
Neue Produkte/Dienstleistungen eingeführt 432 28,5<br />
Technische Ausrüstung verbessert, neue Materialien eingeführt 25 297 19,7<br />
Fusion/Übernahme/Outsourcing 119 7,9<br />
Neue Arbeitsformen eingeführt 90 5,9<br />
Abteilungen/Bereiche zusammengelegt 69 4,6<br />
Sonstiges 57 3,8<br />
Vergleicht man die Rangreihe des gesamten Innovationsgeschehens aus Tabelle 1 mit der<br />
Rangreihe der wichtigsten Innovation in Tabelle 7 miteinander, so zeigt sich <strong>für</strong> die dominie-<br />
renden technologischen Innovationen keine Veränderung. Allerdings und das ist hervor-<br />
zuheben, hat sich der Abstand zwischen den Merkmalen Computerausstattung erneuert/ver-<br />
bessert/ Internet und Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen nahezu aufgehoben.<br />
Während insgesamt 72,5 Prozent der Betriebe die Verbesserung/Erneuerung der Computer-<br />
ausstattung nannten, lag die Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen mit 63,4 Pro-<br />
zent knapp zehn Prozentpunkte tiefer. In Tabelle 7 ist mit einem Prozentpunkt Unterschied<br />
der Abstand zwischen den beiden Innovationsarten marginal.<br />
Bei den organisatorischen Innovationen verändert sich die Rangreihe <strong>für</strong> die wichtigste<br />
Veränderung etwas. Während bei den Nennungen zum Gesamtgeschehen (in Tabelle 1)<br />
Veränderungen durch Fusion, Übernahme oder Outsourcing insgesamt am seltensten ange-<br />
geben werden, sind sie die meistgenannte wichtigste Veränderung unter den organisato-<br />
rischen Innovationen. Während sich an der Rangreihe der Innovationsarten auf den ersten<br />
Blick scheinbar nicht viel ändert, lohnt sich ein Blick auf die Bedeutung, die der jeweiligen<br />
Innovation im Rahmen des gesamtbetrieblichen Innovationskontextes zugemessen wird. Aus<br />
diesem Grund wird die Häufigkeit der Nennung in Tabelle 1 mit die Häufigkeit der Nennung<br />
in Tabelle 7 dividiert. Der daraus entstehende Faktor kann als ein Bedeutungsindikator inter-<br />
pretiert werden, der angibt, <strong>für</strong> wie viele Betriebe die jeweilige Innovation auch die wichtigste<br />
und damit bedeutendste Innovation war (siehe Abbildung 1). Beispielhaft dazu die Berech-<br />
nung des Faktors <strong>für</strong> die Verbesserung der technischen Ausführung bzw. Einführung neuer<br />
25 Die Einführung neuer Materialien spielt mit 3 Prozent nur eine marginale Rolle und wird deshalb in den folgenden<br />
Auswertung mit dem Merkmal technische Ausrüstung verbessert zu einem Item zusammengefasst.<br />
176
Innovationen in den Betrieben<br />
Materialien: Insgesamt hatten 1008 Betriebe diese Veränderung angegeben und von 297<br />
Betrieben wird sie als wichtigste Veränderung genannt. Daraus berechnet sich der Faktor<br />
3,4. Demzufolge bezeichnet nur mehr als jeder dritte Betrieb diese Veränderung als die <strong>für</strong><br />
den Betrieb wichtigste Veränderung. Der Faktor <strong>für</strong> die Verbesserung der Computer-<br />
ausstattung beträgt 2,7 und der <strong>für</strong> die Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen 2,5.<br />
Die Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen nimmt also insgesamt einen höheren<br />
Stellenwert als die anderen technologischen Innovationen ein: denn der vergleichsweise<br />
höchste Anteil von Betrieben, die diese Innovationen genannt haben, hat sie auch als wich-<br />
tigste Innovation eingestuft.<br />
Bei Berechnung der Faktoren <strong>für</strong> die organisatorischen Innovationen bietet sich folgendes<br />
Bild: Für Veränderungen durch Fusion, Übernahme, Outsourcing ergibt sich ein Faktor von<br />
2,0, <strong>für</strong> die Einführung neuer Arbeitsformen ein Faktor von 4,0 und <strong>für</strong> die Zusammenlegung<br />
von Abteilungen und Bereichen ein Faktor von 4,2. Für jeden zweiten Betrieb mit Fusion,<br />
Übernahme, Outsourcing war dies auch die wichtigste Veränderung. Damit wird dieser<br />
Innovationen auch im Vergleich zu den technologischen Innovationen die höchste Bedeu-<br />
tung zugesprochen. Die beiden anderen organisatorischen Innovation werden nur von jedem<br />
vierten Betrieb als wichtigste Innovationen angegeben. Darin bestätigt sich noch einmal die<br />
vergleichsweise geringe Bedeutung arbeitsorganisatorischer Veränderungen <strong>für</strong> kleine und<br />
mittlere Betriebe. Die Rangreihe der Innovationen hinsichtlich ihrer Bedeutung unterscheidet<br />
sich also sehr stark von den vorherigen Rangreihen.<br />
Abbildung 1: Rangreihe der Bedeutung von Innovationen<br />
Wichtigste Innovation (N=1512) Faktor<br />
Fusion/Übernahme/Outsourcing 2,0<br />
Neue Produkte/Dienstleistungen eingeführt 2,5<br />
Computerausstattung erneuert/verbessert/Internet 2,7<br />
Technische Ausrüstung verbessert, neue Materialien eingeführt 3,4<br />
Neue Arbeitsformen eingeführt 4,0<br />
Abteilungen/Bereiche zusammengelegt 4,2<br />
2.2 Einfluss der Strukturmerkmale<br />
Ähnlich wie bei den Betrachtungen des gesamten Innovationsgeschehens treten keine regio-<br />
nalen Unterschiede bei der wichtigsten Innovation auf. Tabelle 8 bezieht sich auf die Häufig-<br />
keitsverteilungen der wichtigsten Innovation aus Tabelle 7.<br />
Ebenso gleichen sich die ausgeprägten Unterschiede zwischen den Betriebsgrößenklassen.<br />
Die Angabe zur wichtigsten Innovation der letzten drei Jahre zeichnet, bezogen auf die orga-<br />
nisatorisch, strukturellen Maßnahmen, ein ähnliches Bild wie bei den Innovationen allgemein<br />
(vgl. Tabelle 2): organisatorische Innovationen werden von den Betrieben mit 200 und mehr<br />
Mitarbeitern tendenziell häufiger angegeben. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Inno-<br />
vation Einführung neuer Arbeitsformen keinen Größenklassenzusammenhang aufweist. Hier<br />
scheint sich ein hoher Stellenwert dieser Innovation auch <strong>für</strong> kleine Betriebe abzuzeichnen,<br />
177
Susanne Winge<br />
denn diese Innovation trat, wie erinnerlich, im Vergleich der Häufigkeiten zwischen den<br />
Betriebsgrößen fast doppelt so oft in den großen Betrieben auf.<br />
Tabelle 8: Wichtigste Innovation und Strukturmerkmale (Anteile in Prozent, jeweils<br />
Angabe „trifft zu")<br />
Computer erneuert, verbessert,<br />
Internet<br />
Neue Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen<br />
Technische Ausstattung/neue<br />
Materialien<br />
178<br />
NBL<br />
N=595<br />
Region Betriebsgröße<br />
ABL<br />
N=916<br />
bis 49 MA<br />
N=1275<br />
50-199 MA<br />
N=195<br />
200 + MA<br />
N=42<br />
27,7 30,9 30,7 25,1 19,0<br />
29,7 27,7 29,3 24,6 21,4<br />
20,8 19,0 20,1 17,9 14,3<br />
Fusion, Übernahme, Outsourcing 7,7 8,0 6,8 12,3 19,0<br />
Neue Arbeitsformen 6,6 5,6 5,7 7,2 7,1<br />
Bereiche zusammengelegt 4,0 4,9 4,1 6,2 11,9<br />
Kleinere Betriebe weisen zudem höhere Werte bei neue Produkte bzw. Dienstleistungen,<br />
neue Computer und Verbesserung der technischen Ausstattung bzw. Einführung neuer Ma-<br />
terialien auf. Insbesondere die deutlich höheren Werte bei der Verbesserung oder Erneu-<br />
erung der Computerausstattung könnten auf einen ‚Nachhole-Bedarf’ der kleinen Betriebe<br />
hinweisen.<br />
Die verschiedenen in Tabelle 9 dargestellten Sektoren weisen wie bereits festgehalten ein<br />
voneinander differierendes Innovationsverhalten auf, angepasst an die jeweiligen Bedarfe.<br />
Dieses Bild wiederholt sich auch bei der wichtigsten Innovation. Deshalb erscheint es hier<br />
sinnvoll, die Rangreihen der einzelnen Wirtschaftszweige kurz zu kommentieren: Innerhalb<br />
der technologischen Innovationen verläuft die Rangreihe <strong>für</strong> die Betriebe des verarbeitenden<br />
Gewerbes inklusive Land- und Forstwirtschaft genau umgekehrt zur Gesamtreihung. Die<br />
wichtigste Innovation ist hier die Verbesserung der technischen Ausstattung bzw. Einführung<br />
neuer Materialien, gefolgt von der Einführung neuer Produkte und der Verbesserung oder<br />
Erneuerung der Computerausstattung. Bei den organisatorischen Innovationen spielt die<br />
Einführung neuer Arbeitsformen eine marginale Rolle.<br />
Die Betriebe der Sektoren Verkehr, Handel und Gastgewerbe sowie Kredit, Versicherung<br />
und Vermietung folgen bei den technologischen Innovation der Gesamtrangreihe. Hervorzu-<br />
heben ist in beiden Sektor die große Bedeutung der Erneuerung bzw. Verbesserung der<br />
Computerausstattung. Während im Sektor Verkehr, Handel, Gastgewerbe zudem die Ein-<br />
führung neuer Arbeitsformen die wichtigste organisatorische Innovation ist, verweisen die<br />
Betriebe des Sektors Kredit, Versicherung und Vermietung auf eine hohe Bedeutung von<br />
Fusionen, Übernahmen oder Outsourcing.
Innovationen in den Betrieben<br />
Tabelle 9: Wichtigste Innovation und Sektorenzugehörigkeit (Anteile in Prozent, jeweils<br />
Angabe „trifft zu“)<br />
Computer erneuert, verbessert,<br />
Internet<br />
Neue Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen<br />
Technische Ausstattung/neue<br />
Materialien<br />
Fusion, Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Verarbeitendes<br />
Gewerbe,<br />
Landwirtschaft<br />
N=307<br />
Verkehr,<br />
Handel,<br />
Gastgewerbe<br />
N=431<br />
Kredit,<br />
Versicherung,<br />
Vermietung<br />
N=405<br />
Gesundheit,<br />
Soziales,<br />
Veterinär<br />
N=368<br />
21,5 38,5 31,1 24,5<br />
25,7 27,4 30,4 30,2<br />
32,6 14,9 16,1 18,5<br />
7,2 5,8 12,8 5,4<br />
Neue Arbeitsformen 2,9 8,6 2,2 9,5<br />
Bereiche zusammengelegt 6,2 2,3 5,4 4,9<br />
Die Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen hingegen ist die wichtigste Innovation<br />
<strong>für</strong> Betriebe des Gesundheits-, Sozial- und Veterinärwesens, erst dann folgt die Verbes-<br />
serung bzw. Erneuerung der Computerausstattung. Ähnlich wie beim Sektor Verkehr, Handel<br />
und Gastgewerbe ist die Einführung neuer Arbeitsformen unter den organisatorischen<br />
Innovationen die wichtigste.<br />
3 Berichtsstrukturierende Schlussfolgerungen<br />
Aus den Darstellungen dieses ersten Kapitels ergeben sich mehrere Schlussfolgerungen und<br />
daraus abgeleitet zwei Annahmen <strong>für</strong> den Zusammenhang von Innovation und Kompetenz-<br />
entwicklung in Betrieben, denen im weiteren Bericht nachgegangen wird.<br />
Festzuhalten ist vor allem:<br />
• Zwischen technologischen und organisatorischen Innovationen bestehen sowohl in Häu-<br />
figkeit als auch in Wichtigkeit erhebliche Unterschiede: technologische Innovationen<br />
werden häufiger genannt und sind <strong>für</strong> die hier befragten Betriebe von größerer Bedeu-<br />
tung.<br />
• Während technologische Innovationen als singuläres Ereignis auftreten können, finden<br />
sich organisatorische Innovationen fast ausschließlich eingebettet in ein umfangreicheres<br />
betriebliches Innovationsbestreben.<br />
• Größenklasseneffekte treten in mehrer Hinsicht auf: größere Betriebe weisen in Summe<br />
mehr Innovationsaktivitäten und vor allem auch mehr arbeitsorganisatorische Innova-<br />
tionen auf.<br />
• In den einzelnen Wirtschaftszweigen finden sich, entsprechend den Bedarfen, unter-<br />
schiedliche Schwerpunktsetzungen im Innovationsgeschehen. Das bezieht sich sowohl<br />
179
Susanne Winge<br />
180<br />
auf die Häufigkeit von Innovationen als auch auf die Einschätzung der Wichtigkeit be-<br />
stimmter Innovationen.<br />
Eine der zentralen Fragestellungen des Projektes zielt auf die Wechselwirkungen von Kom-<br />
petenzentwicklung und betrieblicher Innovationsfähigkeit ab. Die Beschreibung dieser Wech-<br />
selwirkungen erfordert eine zweigeteilte Betrachtung dieses Zusammenhanges, wobei beide<br />
Perspektiven unterschiedliche Sachverhalte in den Vordergrund rücken. Anhand dieser zwei<br />
Perspektiven wird in den beiden folgenden Kapiteln dem Zusammenhang von Innovation und<br />
Kompetenzentwicklung einmal in der Analyse der verschiedenen Innovationsspielarten als<br />
konkretes Ereignis und daran anschließend unter der Beachtung des gesamtbetrieblichen<br />
Innovationsgeschehens nachgegangen.<br />
Kapitel II stellt also Innovation als ein singuläres Ereignis und damit unabhängig vom be-<br />
trieblichen Gesamtgeschehen in den Mittelpunkt. Da bei einer Innovation als Einzelereignis –<br />
also dem konkreten Fall – das Hauptbestreben der Betriebe in einer schnellen Anpassung<br />
von Mitarbeiterfähigkeiten liegt, sollen Unterschiede zwischen den verschiedenen Innova-<br />
tionsarten herausgearbeitet und analysiert werden. Zum einen wird sich dies auf die Frage<br />
richten, ob sich die Unterschiede zwischen organisatorischen und technologischen Innova-<br />
tionen auch bei Aspekten der Kompetenzdefizite und Kompetenzentwicklung manifestieren.<br />
Zum anderen ist zu prüfen, ob bestimmte Innovationsarten besonders hervortreten.<br />
Betrachtet man Kompetenzentwicklung vor dem Hintergrund von Innovationsaktivitäten als<br />
Teil einer betrieblichen Strategie, so muss die Gesamtheit betrieblicher Innovationsaktivi-<br />
täten in den Fokus gerückt werden. Diese Betrachtungsebene oberhalb eines Einzelereig-<br />
nisses wird Gegenstand von Kapitel III werden. Aufbauend auf einer Typologie betrieblichen<br />
Innovationsverhaltens werden neben strukturellen Einflüssen das jeweils betriebstypische<br />
Kompetenzentwicklungs- und Weiterbildungsverhalten abgebildet und diskutiert.
II Innovation als Einzelereignis<br />
Innovation als Einzelereignis<br />
Die Bewältigung bzw. Umsetzung der wichtigsten betrieblichen Innovation aus den Jahren<br />
2000 bis 2002 steht im Mittelpunkt dieses Kapitels. Dabei wird von der Annahme ausge-<br />
gangen, dass sich aus dem Bewältigungsverhalten bei konkreten Ereignissen Rückschlüsse<br />
auf eine Schwerpunktsetzung der Betriebe auf bestimmte Formen der Weiterbildung und<br />
Kompetenzentwicklung ziehen lassen. Geprüft werden soll der Einfluss der Art der wich-<br />
tigsten Innovation im Allgemeinen und die Unterschiede der Einflüsse von organisatorischen<br />
Innovationen gegenüber technologischen Innovationen im Besonderen.<br />
Zu Beginn dieses Kapitels werden die Veränderungen der Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> eine <strong>für</strong><br />
den Betrieb repräsentative Mitarbeitergruppe abgebildet. Die daraus abgeleiteten Problem-<br />
lagen bilden die Grundlage <strong>für</strong> die anschließend zu diskutierenden Maßnahmen zur Pro-<br />
blembewältigung. Die Frage nach den Zusammenhängen von ergriffenen Maßnahmen und<br />
Erfolg der Innovation schließt dieses Kapitel ab.<br />
1 Die besonderen Anforderungen organisatorischer Innovationen<br />
1.1 Veränderungen der Arbeitsanforderungen als Herausforderung<br />
<strong>für</strong> die Mitarbeiter<br />
Eine Vorstellung über die Komplexität betrieblicher Innovationen kann aus den Aussagen zu<br />
den veränderten Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> die betroffenen Mitarbeiter gewonnen werden. Da<br />
verschiedene Mitarbeitergruppen in unterschiedlichem Ausmaß von solchen Veränderungen<br />
betroffen sein können, wurde aus Repräsentativitätsgründen die zahlenmäßig stärkste Mitar-<br />
beitergruppe ausgewählt. Folgende Mitarbeitergruppen werden unterschieden:<br />
• Führungskräfte und hochqualifizierte Angestellte,<br />
• Fachangestellte,<br />
• Facharbeiter sowie<br />
• un- und angelernte Mitarbeiter.<br />
Wie aber haben sich nun die Arbeitsbedingungen durch die wichtigste Innovation verändert?<br />
Tabelle 1 bietet einen ersten allgemeinen Überblick:<br />
Wenig überraschend ist sicherlich der Umstand, dass mehr als zwei Drittel aller Betriebe<br />
eine gestiegene Anforderung an das Lernen – egal ob fachlich oder allgemein – angeben.<br />
Das bestätigt den Lerndruck <strong>für</strong> Mitarbeiter in Veränderungssituationen. Bemerkenswert ist<br />
der hohe Prozentsatz der Betriebe, die eine gestiegene Anforderung an die Wissensver-<br />
mittlung bzw. Wissensweitergabe an Kollegen nennen. Hierin zeigt sich unter anderem die<br />
181
Susanne Winge<br />
hohe Bedeutung von Wissensdiffusion, wobei hier die Motivation der Mitarbeiter eine ent-<br />
scheidendende Komponente darstellt.<br />
Eigenverantwortung, die Anforderung Kenntnisse aus verschiedenen Gebieten zu nutzen,<br />
die Möglichkeit selbstständiger Arbeit, die Anforderung an das Reagieren auf überraschende<br />
Situationen sowie die Anforderung an die Nutzung bereits vorhandenen Wissens wird von<br />
über 50 Prozent der Betriebe als gestiegen angegeben.<br />
Tabelle 1: Veränderungen der Arbeitsanforderungen (Zeilenprozente)<br />
Frage: Bitte sagen Sie, ob die folgenden Anforderungen und Möglichkeiten aufgrund dieser<br />
Innovation abgenommen haben, gleich geblieben sind oder zugenommen haben.<br />
182<br />
N abgenommen gleich zugenommen<br />
Neues lernen – allgemein 1485 1,0 30,3 68,8<br />
Neues lernen - fachlich 1496 3,4 30,7 66,0<br />
Wissen an Kollegen weitergeben 1479 1,0 41,2 57,8<br />
Eigenverantwortung 1486 2,0 41,4 56,6<br />
Verschiedene Kenntnisse nutzen 1460 1,4 43,4 55,2<br />
Bereits erworbenes Wissen nutzen 1474 1,0 46,9 52,2<br />
Reaktion auf überraschende Situationen 1458 1,6 46,7 51,8<br />
Möglichkeit selbständiger Arbeit 1498 1,8 47,0 51,2<br />
Zeitliche Belastung oder Druck 1495 14,0 45,8 40,2<br />
Soziale Kompetenz 1443 3,9 63,1 32,9<br />
Hervorzuheben ist zudem das Merkmal zeitliche Belastung oder zeitlicher Druck. Während<br />
vergleichsweise wenig Betriebe einen Anstieg verzeichnen, geben mit 14 Prozent überdurch-<br />
schnittlich viele Betriebe an, den zeitlichen Druck bzw. die zeitliche Belastung durch die<br />
Innovationen minimiert zu haben. [Hinter den Betrieben, die eine Zunahme des zeitlichen<br />
Drucks nennen, stehen vor allem größere Betriebe des Dienstleistungssektors mit organi-<br />
satorischen Innovation oder der Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen. Bei der<br />
Erneuerung der Computerausstattung und der Verbesserung der technischen Ausstattung in<br />
kleineren Betrieben scheint sich der zeitliche Druck eher zu minimieren.]<br />
Insgesamt betrachtet ist zu resümieren, dass Innovationen, egal welcher Art, die<br />
Anforderungen an die Mitarbeiter erheblich steigern, denn mehr als jeder zweite Betrieb gibt<br />
an, dass acht von zehn spezifische Anforderungen aufgrund der erfolgten Innovation zuge-<br />
nommen haben.<br />
Nach dem Gesamtblick auf die veränderten Arbeitsbedingungen wird nun der Blick auf die<br />
Einflüsse der unterschiedlichen Innovationsarten gerichtet. Dabei hebt sich in Tabelle 2<br />
besonders die organisatorische Innovation Einführung neuer Arbeitsformen hervor, die häu-<br />
fig mit überdurchschnittlichen gestiegenen Anforderungen an das Lernen, Soft Skills und<br />
Kommunikationsanforderungen verbunden ist. Hier zeigt sich auch die Komplexität dieser<br />
Innovationsart, die zudem nicht auf wenige Bereiche eines Betriebes zu begrenzen und stark<br />
von der Motivation und den Kompetenzen der Mitarbeiter eines Betriebes abhängig ist. In
Innovation als Einzelereignis<br />
abgeschwächter Form kann dies auch <strong>für</strong> die Innovation Zusammenlegung von Abteilungen<br />
und Bereichen konstatiert werden.<br />
Tabelle 2: Veränderung der Arbeitsbedingungen und wichtigste Innovation (Anteile in<br />
Prozent, jeweils Angabe „Anforderung zugenommen“)<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
Lernen - allgemein 72,7 66,8 69,7 54,2 91,1 65,2<br />
Lernen - fachlich 67,9 70,5 63,0 47,0 83,1 63,8<br />
Wissensweitergabe<br />
an Kollegen<br />
58,5 51,6 58,9 51,3 86,5 74,6<br />
Eigenverantwortung 54,6 55,2 54,0 43,2 84,4 76,8<br />
Verschiedene<br />
Kenntnisse nutzen<br />
Nutzung bereits<br />
erworbenen Wissens<br />
Reaktion überraschende<br />
Situationen<br />
Selbstständiges<br />
Arbeiten<br />
49,1 56,3 53,0 54,3 80,9 67,6<br />
54,2 54,0 49,0 35,6 75,3 52,9<br />
52,3 53,5 41,1 47,9 76,7 61,8<br />
52,1 44,7 46,6 53,4 71,9 73,9<br />
Zeitlicher Druck 31,4 33,1 33,7 39,3 46,6 63,8<br />
Soziale Kompetenz 23,0 38,6 20,1 33,1 67,8 51,5<br />
Gesamt 51,5 52,4 48,9 45,9 76,4 65,2<br />
Auffällig bei der Betrachtung der Unterschiede zwischen technologischen und organisato-<br />
rischen Innovationen ist auch, dass sich bei technologischen Innovationen weniger über-<br />
durchschnittlich gestiegene Arbeitsanforderungen finden. Insbesondere die bereits oben<br />
angeführten organisatorischen Innovationen haben somit erhebliche Auswirkungen auf die<br />
Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter.<br />
Exkurs: Die betriebliche Schlüsselgruppe<br />
Die Aktivitäten eines Betriebes bezogen auf konkrete Innovationen wurden in der Befragung<br />
nicht <strong>für</strong> den Betrieb allgemein, sondern differenziert nach Mitarbeitergruppen abgefragt. Da-<br />
mit können die Ergebnisse <strong>für</strong> jede Mitarbeitergruppe gesondert dargestellt werden, was<br />
aber den Nachteil einer erheblichen Länge mit unnötigen Wiederholungen impliziert. Deshalb<br />
liegt es nahe die folgenden Analysen je befragten Betrieb auf eine Mitarbeitergruppe zu kon-<br />
zentrieren, von der angenommen werden darf, dass sie <strong>für</strong> den Betrieb besonders wichtig<br />
und demzufolge ihre Betrachtung besonders aufschlussreich <strong>für</strong> betriebliche Akzentset-<br />
zungen ist. Diese jeweils ausgewählte Mitarbeitergruppe sei als Schlüsselgruppe bezeichnet.<br />
Ein solches Vorgehen setzt ein einfach handhabbares Instrument zur Bestimmung der<br />
Schlüsselgruppe des jeweiligen Betriebes voraus. Auswahlkriterien waren die zahlen-<br />
mäßigen Stärke der Mitarbeitergruppe und der durch die Innovation entstandene<br />
183
Susanne Winge<br />
Qualifizierungsbedarf. Der Qualifizierungsbedarf wird dabei als Indikator der Betroffenheit<br />
der Mitarbeiter gewertet und gewinnt unter dem Aspekt des Zeitdrucks bei der Anpassung<br />
von Mitarbeiterfähigkeiten noch zusätzlich an Bedeutung.<br />
Die verschiedenen Mitarbeitergruppen weisen, wie aus Tabelle 3 ersichtlich, recht unter-<br />
schiedlich große Qualifizierungsbedarfe auf.<br />
Tabelle 3: Qualifizierungsbedarfe der Mitarbeitergruppen (Spaltenprozente)<br />
Frage: Betriebliche Innovationen haben häufig Auswirkungen auf den Qualifizierungsbedarf<br />
der Mitarbeiter. Bitte sagen Sie uns, ob anlässlich dieser [wichtigsten] Innovation <strong>für</strong> die<br />
folgenden Gruppen Qualifizierungsbedarf bestand und wie groß er war.“ Antwortmöglichkeiten:<br />
„kein Qualifizierungsbedarf“, „geringer Qualifizierungsbedarf“ oder „großer Qualifizierungsbedarf<br />
Merkmal Führungskräfte/<br />
Hochqualifizierte<br />
N=1464<br />
184<br />
Fachangestellte<br />
N=1342<br />
Facharbeiter<br />
N=804<br />
Un- und<br />
Angelernte<br />
N=839<br />
kein Qualifizierungsbedarf 33,4 29,1 43,4 62,0<br />
geringer<br />
Qualifizierungsbedarf<br />
42,4 41,2 28,5 22,3<br />
großer Qualifizierungsbedarf 24,2 29,7 28,1 15,7<br />
Auffällig ist vor allem, dass <strong>für</strong> die Gruppe der un- und angelernten Mitarbeiter überdurch-<br />
schnittlich häufig kein Qualifizierungsbedarf und der Logik folgend eher selten ein hoher<br />
Qualifizierungsbedarf angegeben wurde. Diese Besonderheit könnte zwei Ursachen haben:<br />
Ein Grund liegt möglicherweise in dem Umstand, dass un- und angelernte Mitarbeiter mit<br />
den direkten Auswirkungen betrieblicher Innovationsprozesse seltener und wenn in ge-<br />
ringerem Ausmaß konfrontiert sind als andere Mitarbeitergruppen. Zum anderen ist aber<br />
auch denkbar, dass sich Probleme, die Un- und Angelernte mit betrieblichen Innovationen<br />
haben, aufgrund der Hierarchieebenen weniger störend auf den betrieblichen Ablauf aus-<br />
wirken und somit weniger wahrgenommen werden.<br />
Des Weiteren ist bemerkenswert, dass <strong>für</strong> Führungskräfte und Hochqualifizierte sowie <strong>für</strong><br />
Fachangestellte seltener kein Qualifizierungsbedarf, sondern verglichen mit den beiden an-<br />
deren Mitarbeitergruppen häufiger ein geringer Qualifizierungsbedarf angegeben wird.<br />
Die weiter zu verfolgende Schlüsselgruppe wurde nun wie folgt ausgewählt: Gab es in einem<br />
Betrieb nur eine Mitarbeitergruppe mit großem Qualifizierungsbedarf, so stellt diese die<br />
Schlüsselgruppe dar. Bei mehreren Mitarbeitergruppen mit hohem Qualifizierungsbedarf<br />
wurde die zahlenmäßig stärkste Gruppe des entsprechenden Betriebes als Schlüsselgruppe<br />
ausgewählt.<br />
Mit fast 44 Prozent stellen die Fachangestellten den größten Anteil innerhalb der Schlüssel-<br />
gruppe, gefolgt von Facharbeitern sowie Führungskräften und hochqualifizierten Angestellten<br />
mit 23 Prozent bzw. 21 Prozent. Mit 12 Prozent nehmen die un- und angelernten Mitarbeiter<br />
das geringste Gewicht in der Schlüsselgruppe ein.<br />
Die auf diese Weise ermittelten Schlüsselgruppen werden in zum Teil erheblich variierender<br />
Weise von den verschiedenen, als wichtigste bezeichneten, Innovationsarten betroffen. Bei
Innovation als Einzelereignis<br />
zwei Innovationsarten ist der Anteil der Führungskräfte und hochqualifizierten Angestellten<br />
an der Schlüsselgruppe nach Angaben der Betriebe unterdurchschnittlich (siehe Tabelle 4):<br />
sie sind offenbar bei Veränderungen durch Fusion, Übernahme oder Outsourcing wie auch<br />
bei der Einführung neuer Arbeitsformen deutlich seltener betroffen.<br />
Tabelle 4: Art der wichtigsten Innovation und ermittelte Schlüsselgruppe (Zeilenprozente,<br />
jeweils Angabe „hoher Qualifizierungsbedarf“)<br />
Computer erneuert,<br />
verbessert<br />
Neue Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen<br />
Technische<br />
Ausstattung/Material<br />
Fusion, Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Führungskräfte/<br />
Hochqualifizierte<br />
N=318<br />
Fachangestellte<br />
N=663<br />
Facharbeiter<br />
N=348<br />
Un- und<br />
Angelernte<br />
N=182<br />
Gesamt<br />
21,0 49,8 20,5 8,7 100<br />
26,6 41,4 20,8 11,1 100<br />
13,4 35,6 30,5 20,5 100<br />
8,6 50,0 29,3 12,1 100<br />
Neue Arbeitsformen 11,2 49,4 24,7 14,6 100<br />
Bereiche, Abteilungen<br />
zusammengelegt<br />
20,3 60,9 13,0 5,8 100<br />
Hervorhebenswert bei den Fachangestellten ist vor allem der hohe Anteil bei der<br />
organisatorischen Innovation Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen, hier zeigen<br />
sich zugleich <strong>für</strong> Facharbeiter und un- und angelernten Mitarbeiter tendenziell geringere An-<br />
teile. Im Gegensatz dazu weisen die Facharbeiter und auch die un- und angelernten Mitar-<br />
beiter tendenziell höhere Werte bei der Erneuerung der technischen Ausstattung bzw. der<br />
Einführung neuer Materialien auf. Bei dieser Innovationsart sind dementsprechend Füh-<br />
rungskräfte und Fachangestellte leicht unterrepräsentiert. Diese Tendenzen wiederspiegeln<br />
allerdings auch die Haupttätigkeitsschwerpunkte der jeweiligen Mitarbeitergruppe.<br />
Die Schlüsselgruppe bildet jeweils die Grundlage <strong>für</strong> die Fragen zu den Problemlagen und<br />
den Maßnahmen zur Bewältigung der wichtigsten Innovation, auch wenn die tabellarischen<br />
Darstellungen aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht nach den ermittelten Schlüsselgrup-<br />
pen differenzieren.<br />
1.2 Fachkompetenzen und Organisationskompetenzen: Die Kopplung<br />
zweier Problemlagen<br />
Durch welche beobachteten Probleme und in welchem Ausmaß sich die Veränderungen der<br />
Arbeitsbedingungen <strong>für</strong> die betroffenen Mitarbeiter im Arbeitsalltag niederschlagen, soll im<br />
Folgenden betrachtet werden. Dabei könnte erwartet werden, dass sich die organisa-<br />
torischen Innovationen auch in diesem Aspekt von den technologischen Innovationen ab-<br />
heben, da sie, wie in Tabelle 2 festgehalten, größere Auswirkungen auf die Mitarbeiter<br />
haben.<br />
185
Susanne Winge<br />
Tabelle 5 bietet einen Überblick über Kompetenzdefizite, die bei der Umsetzung spezifischer<br />
Innovationen auftraten.<br />
Tabelle 5: Wichtigste Innovation und Kompetenzdefizite der betrieblichen Schlüsselgruppe<br />
(Mehrfachnennung möglich, Anteile in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Frage: Wenn Sie an den Veränderungsprozess insgesamt denken, auf welchen der folgenden<br />
Gebiete zeigten sich bei Ihren [die entsprechende Schlüsselgruppe] fehlende Kenntnisse?<br />
Beherrschung<br />
Technik,<br />
Verfahren<br />
Koordination<br />
neuer Aufgaben<br />
Anwendung<br />
neuer Regeln<br />
Verstehen neuer<br />
betrieblicher<br />
Abläufe<br />
Erlernen neuer<br />
Formen der<br />
Zusammenarbeit<br />
Umgang mit<br />
Kunden, ...<br />
186<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
51,3 63,8 43,7 63,9 31,1 32,2 40,6<br />
36,5 28,4 31,4 38,9 42,9 59,6 60,9<br />
33,3 25,3 30,4 37,1 35,1 47,8 47,8<br />
30,4 29,9 23,9 27,0 53,4 27,8 50,7<br />
21,0 9,9 19,0 15,3 45,8 42,7 44,9<br />
20,0 16,5 21,3 17,7 22,5 21,1 37,7<br />
Mehr als die Hälfte der Betriebe verweist insgesamt auf Defizite bei der Fachkompetenz<br />
Beherrschung von Technik und Verfahren, gefolgt von Problemen bei der Koordination neuer<br />
Aufgaben wie auch von Problemen der Anwendung neuer Regelungen, die neben dem<br />
Merkmal Verstehen betrieblicher Abläufe zu den organisatorischen Kompetenzen zählen.<br />
Erstaunlich ist die mit 20 Prozent vergleichsweise seltene Problemnennung des Umgangs<br />
mit Kunden. Gerade in Anbetracht der großen Zahl von Betrieben aus dem Dienstleistungs-<br />
sektor wäre hier ein größerer Anteil erwartbar gewesen. Alles in allem zeigt sich, dass vor<br />
allem das parallele Auftreten von Defiziten bei den Fach- und den Organisationskompe-<br />
tenzen die Betriebe vor Probleme stellt. Sozial-kommunikative Kompetenzen, wie das Erler-<br />
nen neuer Formen der Zusammenarbeit und auch der Umgang mit Kunden bilden ein eher<br />
nachrangiges Problem.<br />
Organisatorische Innovationen ziehen insgesamt betrachtet deutlich verzweigtere Defizit-<br />
bilder nach sich als technologische Innovationen. So nennen insbesondere Betriebe mit der<br />
Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen alle Defizite bis auf die Beherrschung von<br />
Technik und Verfahren überdurchschnittlich häufig. Hier wirken sich also die Veränderungen<br />
in verschiedene Richtungen aus, wodurch die Arbeitsvorgänge im Betrieb auf unterschied-<br />
liche Weise gestört werden können. Besonders deutlich wird das bei dieser Innovationsart<br />
durch die – im Vergleich zu den anderen Innovationsarten einzige – überdurchschnittlich<br />
hohe Betonung von Problemen im Umgang mit Kunden.
Innovation als Einzelereignis<br />
Die Einführung neuer Arbeitsformen verweist auf ähnliche Problemlagen, die aber nicht ganz<br />
so stark ausgeprägt sind. Wird allerdings in Betracht gezogen, dass bei dieser Innovation im<br />
Vergleich zu den anderen Innovationsarten die meisten Arbeitsbedingungen erheblich ge-<br />
stiegen sind, wäre eine noch schärfere Problemlage durchaus erwartbar gewesen.<br />
Verglichen mit den beiden anderen organisatorischen Innovationen ziehen Veränderungen<br />
durch Fusion, Übernahme oder Outsourcing deutlich weniger Probleme nach sich. Treten<br />
Probleme in überdurchschnittlichem Maß auf, so konzentrieren sie sich auf das Verstehen<br />
betrieblicher Abläufe und das Erlernen neuer Formen der Zusammenarbeit.<br />
Über alle drei organisatorischen Innovationsarten hinweg kombinieren sich die Defizite bei<br />
Organisationskompetenzen und sozial-kommunikativen Kompetenzen in besonderem Aus-<br />
maß, wodurch sich der Eindruck der Komplexität und Reichweite dieser Innovationsarten<br />
noch verstärkt.<br />
Bei den technologischen Innovation hingegen, wie Erneuerung der Computerausstattung<br />
und Verbesserung der technischen Ausrüstung bzw. Einführung neuer Materialien, finden<br />
sich deutlich höhere Werte bei der Beherrschung von Techniken, Verfahren, Materialien. Das<br />
ist grundsätzlich kaum überraschend, da diese Innovationen die Notwendigkeit einer Wei-<br />
terentwicklung des technischen Know-Hows der Mitarbeiter quasi implizieren. Für alle an-<br />
deren Defizitbilder zeigen sich keine gravierenden Auffälligkeiten. Technologische Innova-<br />
tionen sind demnach durch eher punktuell auftretende und in gewissem Umfang vermutlich<br />
durchaus abschätzbare Problemlagen im Bereich der Fachkompetenzen gekennzeichnet.<br />
Die unterschiedliche Komplexität von technologischen und organisatorischen Innovationen<br />
kann durch die Addition der Angaben zu den Kompetenzdefiziten (hier ohne tabellarische<br />
Darstellung) noch einmal hervorgehoben werden: Zwischen einem Viertel und einem Drittel<br />
der Betriebe mit technologischen Innovationen haben drei und mehr Kompetenzdefizite bei<br />
ihren Mitarbeitern angegeben. Hingegen ist es fast die Hälfte der Betriebe mit organisa-<br />
torischen Innovationen, die drei und mehr Kompetenzdefizite bei ihren Mitarbeitern ver-<br />
zeichnen.<br />
Die Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse deutet auf unterschiedliche Problemlagen<br />
bei den Innovationsarten hin:<br />
• Obwohl sich bei allen Innovationsarten viele Arbeitsanforderungen erheblich erhöhen,<br />
lassen sich <strong>für</strong> technologische Innovationen weder überdurchschnittlich hohe Arbeits-<br />
anforderungen noch überdurchschnittliche Problemlagen festhalten. Hier konzentrieren<br />
sich die Probleme auf die technischen Fertigkeiten.<br />
• Im Gegensatz dazu stellen die organisatorischen Innovationen und dabei besonders die<br />
Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen sowie die Einführung neuer Arbeits-<br />
formen einen Betrieb vor größere Herausforderungen. Das bestätigt sich sowohl bei den<br />
Arbeitsanforderungen als auch bei den Kompetenzdefiziten.<br />
Es treten also ganz unterschiedliche Defizitbilder bei den verschiedenen Innovationen auf,<br />
die darauf schließen lassen, dass es auch unterschiedliche Vorgehensweisen bei der Be-<br />
hebung der Probleme geben müsste. Damit stellt sich die Frage, ob sich nur die Art der<br />
187
Susanne Winge<br />
Bewältigung der Kompetenzdefizite im Sinne unterschiedlicher Lernstrategien unterscheidet<br />
oder ob es auch Differenzen im Umfang der eingesetzten Lernstrategien gibt.<br />
2 Herausforderung Innovation: Wie unterstützen Betriebe<br />
ihre Mitarbeiter?<br />
Nachdem im vorherigen Teil dieses Kapitels deutlich gemacht werden konnte, dass die<br />
einzelnen Innovationsarten von ganz unterschiedlichen Problemen begleitet werden, stehen<br />
nun im zweiten Teil die Maßnahmen zur Bewältigung der jeweiligen Innovationen im Mittel-<br />
punkt. Dabei werden verschiedene Aspekte von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
zu beachten und betrachten sein. Zum einen sollen die bereits erwähnten unterschiedlichen<br />
Lernstrategien herausgearbeitet werden, zum anderen interessieren aber auch flankierende<br />
Maßnahmen.<br />
2.1 Insgesamt hohe Unterstützungsbereitschaft der Betriebe ...<br />
Das bereits im Teil B dieses Forschungsberichtes konstatierte hohe Weiterbildungsengage-<br />
ment der befragten Betriebe bestätigt sich auch bei der wichtigsten Innovationen. Mehr als<br />
80 Prozent der Betriebe bejahten die Frage: „Wurden Ihre Mitarbeiter durch Information,<br />
Schulung oder ähnliches mit dieser Innovation vertraut gemacht?“. Allerdings zeigen sich<br />
durchaus sogenannte Hierarchieeffekte im Sinne der Bevorteilung betrieblicher Kerngrup-<br />
pen. So liegt bei den un- und angelernten Mitarbeitern als Schlüsselgruppe der Anteil der Be-<br />
triebe, die keine Informationen, Schulungen oder ähnliches durchführten bei 25 Prozent, <strong>für</strong><br />
die Fachangestellten als Schlüsselgruppe hingegen nur bei 12 Prozent.<br />
Tabelle 6: betriebliche Unterstützung und wichtigste Innovation (Spaltenprozent)<br />
Frage: Wurden Ihre Mitarbeiter durch Information, Schulung oder ähnliches mit dieser Innovation<br />
vertraut gemacht?<br />
Keine<br />
Maßnahmen<br />
188<br />
Gesamt<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
15,3 18,2 8,9 16,7 16,1 20,0 20,6<br />
Maßnahmen 84,7 81,8 91,1 83,3 83,9 80,0 79,4<br />
Erstaunlich ist, dass gerade die Betriebe mit den komplexesten organisatorischen Inno-<br />
vationen, also der Zusammenlegung von Abteilungen und Bereichen und der Einführung<br />
neuer Arbeitsformen, ihre Mitarbeiter seltener bei dieser Innovation unterstützten (siehe<br />
Tabelle 6). Zwar sind diese Differenzen nicht gravierend, aber vor dem Hintergrund der im<br />
vorigen Absatz beschriebenen Problemlagen erscheint ein näherer Blick auf die Betriebe<br />
ohne Information bzw. Unterstützung angebracht. Möglicherweise steht hinter dieser Ten-<br />
denz eine Strategie, die stark auf Selbstlernen der Mitarbeiter setzt und unterstellt, dass sich<br />
diese Probleme im Zeitverlauf ohne weitere geplante Unterstützung „von allein“ aufheben. Es
Innovation als Einzelereignis<br />
ist aber auch denkbar, dass den Betrieben die Komplexität und Reichweite der Innovation<br />
nicht bewusst ist.<br />
Deshalb vorab ein kurzer Blick auf diese 225 Betriebe. Mehr als die Hälfte dieser Betriebe<br />
betont, dass die Mitarbeiter auftretende Probleme durch Learning by Doing selbst bewältigt<br />
haben, 48 Prozent der Betriebe geben gegenseitige Mitarbeiterschulungen 26 an und in 39<br />
Prozent der Betriebe waren die Mitarbeiter bereits qualifiziert genug. In Tabelle 7 sind die<br />
vier häufigsten Gründe dargestellt.<br />
Auffällig ist, dass alle Betriebe, die neue Arbeitsformen eingeführt haben und keine ge-<br />
planten Unterstützungsleistungen angeben, gegenseitige Mitarbeiter-Schulung als Grund <strong>für</strong><br />
das Fehlen anderer betrieblicher Unterstützung anführen. Weder fehlen zeitliche noch finan-<br />
zielle (in der Tabelle nicht dargestellt) Ressourcen. Gleichzeitig schätzen drei Viertel dieser<br />
Betriebe ihre Mitarbeiter als qualifiziert genug ein.<br />
Tabelle 7: Gründe <strong>für</strong> das Fehlen betrieblicher Unterstützungsleistungen (Mehrfachnennungen<br />
waren möglich, Anteile in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Frage: Warum nicht?<br />
Learning by<br />
doing<br />
Gegens. MA-<br />
Schulung<br />
MA qualifiziert<br />
genug<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
52,8 61,7 47,2 54,2 21,1 38,9 46,7<br />
47,9 48,8 31,4 57,3 15,8 100,0 20,0<br />
38,6 13,8 50,0 38,6 31,6 76,5 35,7<br />
Zeit fehlte 16,6 3,8 16,7 20,6 31,6 5,9 33,3<br />
Insgesamt spielen also weder der Zeitaspekt noch der finanzielle Aspekt eine Rolle <strong>für</strong> die<br />
Entscheidung keine, in dem hier abgefragten Sinne, Angebote <strong>für</strong> die von der Innovation<br />
betroffenen Mitarbeiter vorzuhalten. Eher finden sich Hinweise auf eine „laissez faire“<br />
Strategie, bei welcher die Betriebe von den Mitarbeitern eigene – nicht unterstützte – Ein-<br />
arbeitungs-, Bewältigungs- oder Lernleistungen erwarten. Diese Betriebe sehen offenbar den<br />
Hauptteil der Verantwortung <strong>für</strong> die Umsetzung der Innovation bei den Mitarbeitern.<br />
26 In der Befragung wurde das Item ‚Mitarbeiter haben sich gegenseitig geschult’ in beiden Nachfragen<br />
angeboten: Zum einen bei den Gründen, warum keine Schulung, Information oder ähnliches stattfand und zum<br />
anderen bei der weiteren Nachfrage, wie die Mitarbeiter mit der Innovation vertraut gemacht wurden. Damit<br />
hätten diese 108 Betriebe auch den, im erweiterten Sinne, weiterbildenden Betrieben zugeordnet werden<br />
können. Allerdings kann aufgrund der Frageführung in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass keine<br />
planerischen Aktivitäten seitens des Betriebes vorliegen, was demnach eher <strong>für</strong> eine „Das löst sich schon von<br />
selbst“-Mentalität spricht. Deshalb wurden diese Betriebe nicht umgeordnet.<br />
189
Susanne Winge<br />
2.2 ... bei gleichzeitig hohem Interesse an Aufwandsminimierung<br />
Im weiteren Verlauf des Kapitels stehen nun die Betriebe im <strong>Zentrum</strong> der Analyse, die an-<br />
geben, ihre Mitarbeiter durch Information, Schulung oder Ähnliches mit der wichtigsten Inno-<br />
vation vertraut gemacht zu haben.<br />
Befragt nach der Art der Information (Tabelle 8) wird deutlich, dass insgesamt mehr als die<br />
Hälfte aller Betriebe auf Einführungen durch Experten aus dem eigenen Betrieb setzten, fast<br />
die Hälfte der Betriebe gaben eine gegenseitige Schulung der Mitarbeiter an und etwas mehr<br />
als ein Drittel eine Einführung durch sonstige externe Experten. Mitarbeiter von koope-<br />
rierenden Firmen, Lieferanten oder Herstellern wurden von 25 Prozent der Betriebe zur Infor-<br />
mation der eigenen Mitarbeiter herangezogen. Etwas weniger als ein Fünftel der Betriebe<br />
verweist auf betrieblich veranlasstes Selbststudium.<br />
Deutliche Unterschiede zwischen den technologischen und organisatorischen Innovationen<br />
zeigen sich bei dem Einsatz der verschiedenen Experten. Zwar spielen <strong>für</strong> alle Inno-<br />
vationsarten die betriebseigenen Experten, wie bereits hervorgehoben, die größte Rolle,<br />
dennoch setzen Betriebe mit technologischen Innovationen und hier vor allem bei der<br />
Verbesserung der Computerausstattung und der Verbesserung der technischen Ausstattung<br />
bzw. Einführung neuer Materialien in fast ebenso starkem Maße auch auf externe Experten.<br />
Einzige Ausnahme ist die Innovation Einführung neuer Produkte, bei der der Einsatz be-<br />
triebseigener Experten überwiegt. Im Vergleich dazu favorisieren Betriebe mit organisato-<br />
rischen Innovationen betriebseigene Experten überdurchschnittlich stark, anderen Experten<br />
hingegen wird eher geringe Bedeutung zugemessen.<br />
Tabelle 8: Art der Unterstützungsleistungen und wichtigste Innovation (Mehrfachnennungen<br />
möglich, Anteile in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Experten aus<br />
dem eigenen<br />
Betrieb<br />
Gegenseitige<br />
Mitarbeiterschulung<br />
Sonstige<br />
externe<br />
Experten<br />
Experten<br />
kooperierender<br />
Firmen<br />
Betrieblich<br />
veranlasstes<br />
Selbststudium<br />
190<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
54,2 49,7 55,8 45,3 59,6 63,4 70,9<br />
47,3 50,4 45,1 42,0 50,5 45,8 54,5<br />
36,1 42,8 33,8 44,9 18,2 25,4 20,4<br />
24,9 25,1 24,6 33,5 17,2 12,5 29,6<br />
18,6 22,0 21,8 11,4 19,0 9,9 23,6
Innovation als Einzelereignis<br />
Diese Unterschiede im Einsatz vor allem von Experten, die nicht aus dem Betrieb kommen,<br />
können als Ausdruck verschiedener benötigten Wissensarten interpretiert werden. Während<br />
bei organisatorischen Innovationen eine Umverteilung bzw. Neuverteilung von Wissen auf<br />
alle betroffenen Mitarbeiter von hoher Bedeutung ist, müssen Betriebe mit technologischen<br />
Innovationen vordringlich bestrebt sein, zunächst neues Wissen in den Betrieb zu „holen“ um<br />
dann die Mitarbeiter mit den entsprechenden Neuerungen vertraut zu machen.<br />
Die Mehrzahl der Betriebe offeriert den Mitarbeitern in hohem Maße Unterstützungen, setzt<br />
dabei aber auch sehr stark auf betriebseigene Ressourcen, wie Experten aus dem eigenen<br />
Betrieb und gegenseitige Mitarbeiterschulung. Zudem zeigen alle Innovationsarten keine<br />
Häufigkeitsunterschiede bei Unterstützungsangeboten ohne besonderen Ressourcenauf-<br />
wand, wie selbstständiges Lernen in Form von Selbststudium und Wissensweitergabe unter<br />
den Mitarbeitern.<br />
Aber welche Lernformen werden genutzt, die Mitarbeiter mit dieser Innovation vertraut zu<br />
machen? Sind es formale Kurse, arbeitsintegrierte Lernformen oder auch Formen des selbst-<br />
gesteuerten Lernens, die je nach Innovationsart im Vordergrund stehen? Anzunehmen ist<br />
sicherlich, dass sich verschiedene Lernkonstellationen oder Lernarrangements herauskristal-<br />
lisieren, die zwischen den Innovationsarten differenzieren.<br />
Die Einweisung der Mitarbeiter durch eine oder mehrere Schulungs-, Seminar- oder Trai-<br />
ningsveranstaltungen stellt die von allen Betrieben am meisten genutzte Lernform dar, ge-<br />
folgt von mündlichen Erläuterungen am Arbeitsplatz mit mehr als einem Drittel der Betriebe<br />
(siehe Tabelle 9). Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe setzen zudem auf Vorführungen<br />
am Objekt und Demonstrationen bzw. auf die Ausgabe schriftlicher Unterlagen. Computer-<br />
gestützte Lernprogramme kommen eher selten zum Einsatz.<br />
Tabelle 9: genutzte Lernformen und wichtigste Innovation (Mehrfachnennungen, Anteile<br />
in Prozent, jeweils Angabe “trifft zu“)<br />
Schulung, Training,<br />
Seminar<br />
Mündliche Erläute-<br />
rungen am<br />
Arbeitsplatz<br />
Demonstration am<br />
Objekt<br />
Ausgabe schriftlicher<br />
Unterlagen<br />
Computergestützte<br />
Lernprogramme<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
76,7 78,4 75,0 73,0 68,3 96,2 81,4<br />
68,4 66,2 68,9 71,0 61,9 51,9 81,0<br />
62,9 76,4 52,9 85,1 25,0 32,1 48,8<br />
59,6 52,8 58,0 71,0 51,6 54,7 73,8<br />
12,8 14,1 12,4 9,5 14,3 11,3 30,2<br />
Bei Betrachtung der verschiedenen Lernformen ergeben sich differierende Lernarran-<br />
gements, die nicht der dichotomen Unterteilung in technologische und organisatorische<br />
191
Susanne Winge<br />
Innovationen entsprechen. Deshalb ist es sinnvoll auf die einzelnen Innovationsarten einzu-<br />
gehen.<br />
Die Erneuerung oder Verbesserung der Computerausstattung ist gekennzeichnet durch eine<br />
überdurchschnittlich hohe Nutzung von Demonstrationen am Objekt, die einen fast ebenso<br />
großen Stellenwert einnehmen wie Schulungs-, Seminar- oder Trainingsveranstaltungen.<br />
Während die Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen keine Akzentsetzungen <strong>für</strong><br />
einzelne Lernformen erkennen lässt, nutzen die Betriebe, die ihre technische Ausstattung<br />
verbessert bzw. neue Materialien eingeführt haben, sowohl Demonstrationen am Objekt als<br />
auch die Ausgabe schriftlicher Unterlagen überdurchschnittlich häufig. Hier kombiniert sich<br />
also arbeitsintegriertes Lernen mit Möglichkeiten bzw. Anforderungen des selbstgesteuerten<br />
Lernens im Sinne des eigenständigen Durcharbeitens der Unterlagen. Veränderungen durch<br />
Fusion, Übernahme oder Outsourcing zeichnen sich nicht durch Schwerpunktlegungen auf<br />
bestimmte Lernformen aus, zudem nennen diese Betriebe Schulungen, Trainings oder Semi-<br />
nare tendenziell seltener als der Durchschnitt der Betriebe 27 . Das Gegenteil ist bei Betrieben<br />
mit Einführung neuer Arbeitsformen zu beobachten: Der Einsatz von Schulungs-, Trainings-<br />
oder Seminarmaßnahmen erfolgt – mit Werten knapp unter einhundert Prozent –<br />
überdurchschnittlich häufig. Auf der anderen Seite aber spielen mündliche Erläuterungen am<br />
Arbeitsplatz eine untergeordnete Rolle. Diesen wiederum wird bei der Zusammenlegung von<br />
Abteilungen bzw. Bereichen ein in etwa gleich großes Gewicht wie der formalen Lernform<br />
Schulung, Training, Seminar zugeschrieben. Gleichzeitig geben überdurchschnittlich viele<br />
Betriebe mit dieser Innovation die Ausgabe schriftlicher Unterlagen wie auch die Nutzung<br />
computergestützter Lernprogramme an.<br />
Insgesamt wird deutlich, dass bei fast allen Innovationsarten den verschiedenen arbeitsin-<br />
tegrierten Lernformen ein ähnlich hoher Stellenwert zugesprochen wird wie dem formalen<br />
Lernen. Das lässt den Schluss zu, dass zur schnellen Bewältigung bzw. Umsetzung der in<br />
Angriff genommenen Innovationen der Rückgriff auf nur eine Lernform wenig effektiv ist,<br />
sondern vielmehr ein Zusammenspiel verschiedener Lernformen erfolgen muss. Gestärkt<br />
wird diese Vermutung durch den Umstand, dass insgesamt mehr als 80 Prozent der<br />
befragten Betriebe zwei und mehr und noch über vierzig Prozent vier oder fünf Lernformen<br />
genannt haben. Zudem haben arbeitsintegrierte Lernformen den Vorteil der größeren Nähe<br />
zu den tatsächlichen Arbeitsinhalten, so dass flexibel und vor allem auch schnell auf neue<br />
Problemlagen eingegangen werden kann. Gerade in Anbetracht des Zeitdrucks unter dem<br />
betriebliche Veränderungen ablaufen, ist diese Nähe zu den ablaufenden Arbeitsprozessen<br />
von hoher Bedeutung.<br />
Es gibt neben dem Einsatz verschiedener Lernformen auch noch andere Möglichkeiten<br />
seitens des Betriebes Innovationen zu begleiten und ihren Erfolg – auch unter dem Zeit-<br />
aspekt – zu sichern. Das können Umstrukturierungen ebenso sein wie die Erhöhung oder<br />
Reduzierung des Arbeitspensums. In Tabelle 10 ist die Nutzung zusätzlicher Maßnahmen<br />
dargestellt.<br />
27 Demonstrationen am Objekt sind <strong>für</strong> organisatorische Innovationen in der hier abgefragten Form weniger<br />
relevant, die unterdurchschnittlichen Werte werden aus diesem Grund nicht kommentiert.<br />
192
Innovation als Einzelereignis<br />
Umstrukturierung von Zuständigkeiten wie auch die Versetzung von Mitarbeitern sind<br />
Maßnahmen, die vor allem die Umsetzung organisatorischer Innovationen flankieren. Auch<br />
bei der Steuerung des Arbeitspensums zeigen sich Unterschiede zwischen technologischen<br />
und organisatorischen Innovationen: So erwarten Betriebe mit organisatorischen Verände-<br />
rungen deutlich häufiger Mehrarbeit und nutzen, bis auf Betriebe mit der Einführung neuer<br />
Arbeitsformen, eher seltener eine Arbeitsentlastung. Allerdings ist bei Betrieben mit Verän-<br />
derungen bei der technischen Ausstattung bzw. der Computerausstattung schon aufgrund<br />
des zeitweiligen Stillstands der Technik zumindest während der Umsetzungsphase ein<br />
Durcharbeiten nicht möglich, so dass es automatisch zu einer gewissen - eher in Kauf ge-<br />
nommenen, denn als Unterstützung geplanten - Arbeitsentlastung kommt.<br />
Tabelle 10: Flankierende Maßnahmen und wichtigste Innovation (Mehrfachnennungen<br />
möglich, Anteile in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Frage: Haben Sie im Rahmen der betrieblichen Innovation eine oder mehrere der folgenden<br />
Maßnahmen unternommen?<br />
Umstrukturierung<br />
von Zu-<br />
ständigkeiten<br />
Mehrarbeit von<br />
Mitarbeitern<br />
Versetzung von<br />
Mitarbeitern<br />
Arbeitsentlastung<br />
von<br />
Mitarbeitern<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
49,7 36,4 50,6 38,1 70,6 74,4 91,3<br />
44,6 35,7 49,9 37,4 58,8 57,3 56,5<br />
32,8 17,4 27,4 37,2 66,4 46,1 68,1<br />
30,1 38,2 17,3 38,4 23,5 40,4 24,6<br />
2.3 Unterschiedliche Wissensbedarfe erfordern unterschiedliche<br />
Lernarrangements. Eine Zwischenbilanz<br />
In der Zusammenfassung aller hier angeführten Komponenten der Unterstützung bzw. der<br />
ergriffenen Maßnahmen zur Umsetzung der wichtigsten Innovation sind folgende Sach-<br />
verhalte zu betonen:<br />
• Die Betriebe sind sich der Notwendigkeit der Unterstützung ihrer Mitarbeiter bewusst<br />
dabei aber gleichzeitig bestrebt, den - vor allem finanziellen Aufwand – so gering wie<br />
möglich zu halten.<br />
• Bei technologischen Innovationen ist neben der Wissensweitergabe im Betrieb die<br />
Erarbeitung neuen – bisher nicht im Betrieb vorhandenen - Wissens von hoher Be-<br />
deutung. Das zeigt sich insbesondere in der starken Nutzung betriebsfremder Experten,<br />
die zum Teil sogar mit dem Einsatz betriebseigener Experten gleich zu setzen ist.<br />
193
Susanne Winge<br />
• Organisatorische Innovationen stehen eher vor dem Problem der „Umverteilung“<br />
194<br />
betrieblichen Wissens. Wissensweitergabe durch betriebseigene Experten nimmt dabei<br />
eine Schlüsselstellung ein. Parallel dazu werden bei organisatorischen Innovationen<br />
überdurchschnittlich häufig Versetzungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen ergriffen.<br />
• Für alle Innovationsarten ist zu konstatieren, dass Selbstlernanforderungen bzw. Wis-<br />
sensaustausch zwischen den Mitarbeitern gleichermaßen betont werden.<br />
• Zudem wird verschiedenen Formen des arbeitsintegrierten Lernens bei fast allen Inno-<br />
vationsarten ein ähnlicher Stellenwert wie formaler Weiterbildung zugesprochen. Aller-<br />
dings unterscheiden sich die Formen des arbeitsintegrierten Lernens nach der jeweiligen<br />
Innovationsart.<br />
3 Herausforderung Innovation: Wie erfolgreich sind die<br />
Betriebe?<br />
Innovationen sind Teil einer betrieblichen Strategie, sie können u.a. zur der Optimierung von<br />
Arbeitsabläufen, zur Qualitätsverbesserung oder zur Stärkung bzw. Erweiterung der Markt-<br />
position eingesetzt werden. Im letzen Abschnitt dieses Kapitels stehen aus diesem Grund die<br />
Bewertungen der durchgeführten Innovationen im Mittelpunkt des Interesses. Neben der Be-<br />
trachtung der verschiedenen Innovationsarten soll der Blick auch auf die Differenzen zwi-<br />
schen den Betrieben mit und ohne Information der Mitarbeiter gerichtet werden.<br />
3.1 Wichtigstes Ziel und deutlichster Erfolg: Qualitätsverbesserungen<br />
Die Frageformulierung sah auch als Möglichkeit vor, dass ein bestimmtes Ziel nicht ange-<br />
strebt, d.h. durch die Innovation nicht intendiert, war 28 . Zur Beschreibung der Zielerreichung<br />
(in Tabelle 11) sind allerdings dann auch nur die Betriebe in die Betrachtung eingeflossen,<br />
die das jeweilige Ziel auch angestrebt hatten.<br />
Durch die erfolgte Innovation erreichten etwa neun von zehn befragten Betrieben eine<br />
Qualitätsverbesserung und mehr als drei Viertel aller Betriebe den geplanten wirtschaftlichen<br />
Nutzen sowie eine starke Verbesserung der Kunden- bzw. Lieferantenbeziehungen. Zieht<br />
man in Betracht, dass eine Verbesserung der Qualität von nahezu 90 Prozent der Betriebe<br />
auch angestrebt war, so kann resümiert werden, dass dieses Ziel eines der wichtigsten <strong>für</strong><br />
die Betriebe war und durch die Innovationen auch sehr häufig erreicht wurde. Etwas mehr<br />
als zwei Drittel der Betriebe verzeichneten eine reibungslosere Zusammenarbeit im Betrieb<br />
28 So geben insgesamt 40 Prozent der Betriebe an, mit der Innovation keine Kostenverringerung angestrebt zu<br />
haben, etwa jeder zehnte Betrieb plante keine Qualitätsverbesserung. Für 15 Prozent war die Verbesserung der<br />
Kundenbeziehungen kein Ziel und eine reibungslosere Zusammenarbeit im Betrieb stand <strong>für</strong> 19 Prozent der<br />
Betriebe nicht im Vordergrund. Etwa 18 Prozent der Betriebe strebten keine Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen durch die Innovation an. Mit weniger als zehn Prozent ist der Anteil der Betriebe, die keine<br />
Verbesserung des wirtschaftlichen Nutzens angestrebt hatten, am geringsten.
Innovation als Einzelereignis<br />
nach Abschluss der Innovation und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen bzw. eine<br />
Kostenreduzierung geben 50 Prozent bzw. 44 Prozent der Betriebe an.<br />
In Anbetracht der unterschiedlichen Intentionen, die den verschiedenen Innovationsarten<br />
vorausgehen, kann es kaum verwundern, dass die Zielerreichung – ähnlich wie die ergrif-<br />
fenen Maßnahmen – <strong>für</strong> jede Innovationsart variiert und nur wenig Gemeinsamkeiten inner-<br />
halb der technologischen wie auch der organisatorischen Innovationen erkennbar werden.<br />
Bei den technologischen Innovationen heben sich wiederum Betriebe mit der Einführung<br />
neuer Produkte bzw. Dienstleistungen von den beiden anderen Innovationsarten ab. Sie<br />
geben überdurchschnittlich häufig eine Verbesserung der Kundenbeziehung an, allerdings<br />
werden Verbesserung der Zusammenarbeit, der Arbeitsbedingungen und auch eine Kosten-<br />
reduzierung deutlich seltener erreicht. Die beiden anderen technologischen Innovationsarten<br />
sind hingegen in ihrer Zielerreichen mit je einem überdurchschnittlich häufig erreichtem Ziel<br />
und ansonsten durchschnittlichen Werten eher unauffällig.<br />
Tabelle 11: Zielerreichung und Art der wichtigsten Innovation (Anteile in Prozent, jeweils<br />
Angabe „trifft zu“, Betriebe, die das jeweilige Ziel nicht angestrebt hatten, wurden<br />
rausgerechnet)<br />
Frage: Wir möchten Sie nun um eine abschließende Bewertung dieser betrieblichen<br />
Veränderung und ihrer Implementierung bitten. Zunächst zur betrieblichen Veränderung selbst.<br />
Deutliche Qualitätsverbesserung<br />
Wirtschaftlicher<br />
Nutzen<br />
Verbesserung der<br />
Kundenbeziehungen<br />
bessere Zusammenarbeit<br />
im<br />
Betrieb<br />
Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen<br />
Kosten spürbar<br />
verringert<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
87,8 87,9 88,7 92,6 72,4 95,2 73,7<br />
78,4 78,5 76,8 76,4 78,6 84,9 90,7<br />
76,4 70,4 85,7 78,5 60,4 74,7 71,4<br />
67,2 75,7 49,1 66,9 60,6 87,2 80,3<br />
50,5 63,7 24,8 60,2 46,0 67,5 34,7<br />
44,3 41,5 23,4 57,1 53,4 36,1 77,8<br />
Eine ähnliche Sonderrolle nehmen auch Betriebe mit Veränderungen durch Fusion, Über-<br />
nahme oder Outsourcing, mit deutlich seltener angegebener Qualitätsverbesserung, sel-<br />
tenerer Verbesserung der Kundenbeziehungen und ansonsten eher durchschnittlicher Ziel-<br />
erreichung ein. Es ist allerdings denkbar, dass der Beobachtungszeitraum <strong>für</strong> diese or-<br />
ganisatorische Innovation einfach zu kurz ist und damit die geplanten Verbesserungen noch<br />
nicht sichtbar waren. Gleiches kann sicher auch <strong>für</strong> die Einführung neuer Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen angenommen werden. Betriebe mit der Einführung neuer Arbeitsformen<br />
verzeichnen eine überdurchschnittliche bessere Zusammenarbeit und eine Verbesserung<br />
195
Susanne Winge<br />
der Arbeitsbedingungen. Die Zusammenlegung von Abteilungen oder Bereichen führt in den<br />
entsprechenden Betrieben überdurchschnittlich häufig zu einer Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen, einer spürbaren Kostenreduktion und dementsprechend auch zu einer<br />
überdurchschnittlichen Erreichung des gewünschten wirtschaftlichen Nutzens.<br />
3.2 Der Zusammenhang von betrieblichen Unterstützungsleistungen<br />
und dem Erfolg der Innovation<br />
Dem Zusammenhang von Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben und ihrem Engagement in<br />
betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung soll hier anhand der Unterstützungs-<br />
bereitschaft der Betriebe im allgemeinen sowie anschließend an bestimmten Lernarrange-<br />
ments, hierbei interessiert besonders die Kombination von formalen Lernen und arbeitsinte-<br />
grierten Lernen, nachgegangen werden (Tabelle 12).<br />
Zunächst zur betrieblichen Unterstützung im Allgemeinen. Dabei interessiert die Gegenüber-<br />
stellung von Betrieben, die keine Information, Schulung oder ähnliches <strong>für</strong> ihre Mitarbeiter<br />
angeboten haben und den Betrieben, die entsprechende Maßnahmen ergriffen haben.<br />
Tabelle 12: Zielerreichung und betriebliche Unterstützung bzw. Lerntypen (Anteile in<br />
Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Deutliche Qualitätsverbesserung<br />
Wirtschaftlicher<br />
Nutzen<br />
Verbesserung der<br />
Kundenbeziehungen<br />
bessere Zusammenarbeit<br />
im<br />
Betrieb<br />
Verbesserung der<br />
Arbeitsbedingungen<br />
Kosten spürbar<br />
verringert<br />
196<br />
Betriebliche Unterstützung Lerntypen<br />
nein ja<br />
Nur<br />
Schulung<br />
Nur<br />
arbeitsintegriert Kombination<br />
73,7 90,0 87,3 89,4 93,1<br />
68,3 79,9 88,3 82,8 81,5<br />
72,9 77,0 62,3 79,8 83,4<br />
58,2 69,5 58,0 59,1 79,6<br />
42,1 52,9 49,0 52,2 59,8<br />
52,3 42,9 25,8 61,9 50,8<br />
Allein das Merkmal Verringerung der Kosten wird von den Betrieben ohne Information,<br />
Schulung oder Ähnliches deutlich häufiger angegeben. Für alle anderen Merkmale zeigt sich<br />
eine deutliche Tendenz zur Besserstellung der Betriebe, die Angebote <strong>für</strong> ihre Mitarbeiter<br />
bereitgehalten und geplant haben. Insbesondere eine Verbesserung der Qualität wird von<br />
diesen Betrieben häufiger erreicht. Hier wird deutlich, dass bereits bei der Betrachtung von<br />
Innovationen als singuläres Ereignis Zusammenhänge zwischen Erhöhung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit und dem betrieblichen Engagement <strong>für</strong> Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung sichtbar werden.
Innovation als Einzelereignis<br />
Zur Darstellung des Zusammenhangs zwischen bestimmten Lernformen oder auch<br />
Lernarrangements und der Zielerreichung wurden drei Lerntypen gebildet. Der Typ „Nur<br />
Schulung“ umfasst 179 Betriebe, die Schulung, Seminar oder ähnliches aber keine der<br />
beiden arbeitsintegrierten Lernformen, mündliche Erläuterungen und Demonstration am Ob-<br />
jekt, angegeben haben 29 . 127 Betriebe nutzten nur diese beiden arbeitsintegrierten Lern-<br />
formen ohne zusätzliche Schulungs-, Trainings- oder Seminarveranstaltungen und werden<br />
dem Typ „arbeitsintegriertes Lernen“ zugeordnet. Eine Verknüpfung beider Lernformen findet<br />
sich bei den 386 Betrieben des Typus „Kombination“. Für diese Lerntypen sind in Tabelle 12<br />
ebenfalls die Werte <strong>für</strong> die Zielereichung dargestellt. Trotz der Tatsache, dass einige Zusam-<br />
menhänge eher als Tendenzen interpretiert werden sollten, lässt sich doch der Schluss<br />
ziehen, dass eine Kombination unterschiedlicher Lernstrategien mehr Erfolg verspricht. Be-<br />
sonders deutlich wird der Einfluss kombinierter Lernformen auf die Verbesserung der Kun-<br />
denbeziehung sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit im Betrieb. Insofern haben<br />
arbeitsintegrierte Lernformen als Ergänzung – und nicht als Ersatz – zu formalen Lernformen<br />
einen sichtbaren Einfluss auf das Ergebnis von Innovationsprozessen.<br />
Insgesamt zeigt sich hier deutlich, dass eine Unterstützung der Mitarbeiter durch betriebliche<br />
Angebote den Erfolg von Innovationsprozessen beeinflussen kann, auch wenn dazu der<br />
Einsatz von finanziellen und personellen Ressourcen notwendig ist.<br />
3.3 Der Faktor Zeit bei Innovationsprozessen<br />
Neben der Zielerreichung kann auch die Bewertung des Ablaufs des gesamten Innovations-<br />
prozesses Aufschluss über ausreichende Vorbereitung und Unterstützungsangebote geben.<br />
Deshalb sind auch der Zeitaufwand und die Organisation der Umsetzungsphase von Inte-<br />
resse.<br />
Mehr als 80 Prozent der befragten Betriebe konnten den aufgestellten Zeitplan der Um-<br />
setzung einhalten (Tabelle 13). Aber immerhin mehr als ein Drittel der Betriebe gibt an, zu<br />
Beginn den Aufwand der Implementierung unterschätzt zu haben. Bei 84 Prozent der Be-<br />
triebe wurde die Umsetzung regelmäßig durch die Geschäftsführung überprüft und die Hälfte<br />
der Betriebe richtete <strong>für</strong> die Bewältigung der Innovation regelmäßig tagende Gremien zur<br />
Bearbeitung von Problemen ein.<br />
Die Einhaltung des Zeitplans gelingt bei der Verbesserung der technischen Ausstattung bzw.<br />
Einführung neuer Materialien im Betrieb am besten, <strong>für</strong> die anderen technologischen Inno-<br />
vation wird dies vergleichsweise seltener angegeben.<br />
Der Einbezug der Geschäftsführung in den Implementierungsprozess hat in Betrieben mit<br />
Fusion, Übernahme oder Outsourcing einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert. Des<br />
Weiteren werden in Betrieben mit organisatorischen Innovationen häufiger Gremien zur Pro-<br />
blembearbeitung eingerichtet. Auch bei diesen Einschätzungen ist zu erkennen, dass eine<br />
29 Die beiden anderen Lernformen Ausgabe schriftlicher Unterlagen sowie computergestütztes Lernen gehen<br />
einher mit Schulungsangeboten, wohingegen das arbeitsintegrierte Lernen umso höher ist, wenn keine<br />
Schulungen angeboten wurden. Aus diesem Grund werden diese beiden Lernformen nicht mit in die Typisierung<br />
einbezogen.<br />
197
Susanne Winge<br />
Gegenüberstellung von technologischen und organisatorischen Innovationen nicht sinnvoll<br />
ist, vielmehr müssen die Innovationen wiederum einzeln betrachtet werden.<br />
Tabelle 13: Bewertung der Implementierung und wichtigste Innovation (Anteile in<br />
Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Frage: Und nun zur Implementierung. Bitte antworten Sie hier nur mit "ja" oder "nein<br />
Zeitplan wurde<br />
eingehalten<br />
Aufwand wurde<br />
unterschätzt<br />
Überprüfung<br />
durch<br />
Geschäftsführung<br />
Gremien zur Problembearbeitung<br />
198<br />
Gesamt<br />
Computer<br />
erneuert<br />
Technologische Innovationen Organisatorische Innovationen<br />
Neue<br />
Produkte<br />
Technik/<br />
Material<br />
Fusion,<br />
Übernahme,<br />
Outsourcing<br />
Neue<br />
Arbeitsformen<br />
Bereiche<br />
zusammengelegt<br />
80,2 74,5 75,6 92,5 82,4 82,2 82,6<br />
35,7 32,9 33,5 36,5 42,0 41,6 35,3<br />
84,4 79,4 81,9 91,1 95,0 75,3 89,7<br />
50,0 37,9 54,1 45,4 66,4 56,2 63,2<br />
Zusammenfassend kann <strong>für</strong> die Bewertung des Erfolgs der wichtigsten Innovation resümiert<br />
werden:<br />
• Die bloße Gegenüberstellung von technologischen und organisatorischen Innovationen<br />
kann der Komplexität und Variabilität der einzelnen Innovationsarten nicht genügen.<br />
• In Parallele zu den Lernformen müssen die Innovationen einzeln betrachtet werden. Es<br />
zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zur Primärintention der einzelnen Innovationen.<br />
• Auffällig ist die deutliche schwächere Zielerreichung von Betrieben mit Fusion, Übernah-<br />
me und Outsourcing im Vergleich zu den anderen Innovationsarten.<br />
• Der Vergleich von Betrieben mit und ohne Information, Schulung oder Ähnliches zeigt<br />
einen tendenziell positiven Zusammenhang von Weiterbildungsengagement und Erfolg<br />
der Innovation.<br />
• Ebenso kann ein Einfluss der Kombination von formalen mit arbeitsintegrierten Lern-<br />
formen auf die Zielerreichung aufgezeigt werden.<br />
4 Fazit<br />
Die Betrachtung von Innovation als Einzelereignis brachte erhebliche Aufschlüsse über die<br />
unterschiedlichen Anforderungen der Innovationsarten. Insbesondere bei den Folgen der<br />
Innovation <strong>für</strong> die Mitarbeiter zeigen sich <strong>für</strong> die organisatorischen Innovationen deutliche<br />
Anforderungssteigerungen. Des Weiteren zeichnet sich bei den ergriffenen Maßnahmen<br />
bzw. den eingesetzten Lernformen die Unterschiedlichkeit der Problemlagen und daraus<br />
resultierend auch verschiedene Ansätze zur Umsetzung der Innovationen ab. Vor allem <strong>für</strong><br />
die organisatorischen Innovationen, Zusammenlegung von Bereichen und Abteilungen sowie
Innovation als Einzelereignis<br />
die Einführung neuer Arbeitsformen, konturierten sich im Vergleich zu den anderen Inno-<br />
vationstypen wesentlich komplexere Problemlagen.<br />
Dennoch gibt es auch gute Gründe da<strong>für</strong> Innovationen als Teil der betrieblichen Strategie zu<br />
betrachten. So lässt zum Beispiel die Betrachtung von Kompetenzentwicklung und Weiter-<br />
bildung bei isolierten Innovationsereignissen nicht hinreichend auf betriebliche Weiter-<br />
bildungs- und Kompetenzentwicklungsstrategien schließen und ermöglicht damit nur im An-<br />
satz Aussagen zum Zusammenspiel von Innovationsfähigkeit, Kompetenzentwicklung und<br />
Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb werden im dritten Kapitel Innovationen in ihrem betrieblichen<br />
Gesamtkontext betrachtet.<br />
199
Susanne Winge<br />
III Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Bei der Betrachtung von Innovationen als Einzelereignis konnte der Natur der Sache ent-<br />
sprechend nur nach konkreten Maßnahmen gefragt werden. Dabei bleibt der kontinuierliche<br />
Weiterbildungs- und Kompetenzentwicklungsprozess außen vor. Wenn man das Weiter-<br />
bildungsgeschehen im Gesamtkontext erfassen will, darf man nicht nur einzelne Innovations-<br />
arten – und sei es die Wichtigste – abstellen, sondern muss die Aufmerksamkeit auf das<br />
gesamtbetriebliche Innovationsgeschehen richten. Dabei rücken dann neben den einzelnen<br />
Innovationen wieder die in Kapitel I beschriebenen Kombinationen von Innovationsarten und<br />
Umfänge von Innovationsaktivitäten in den Vordergrund.<br />
Grundlegend ist hierbei die Annahme, dass wenn Innovationen als Teil einer betrieblichen<br />
Strategie zur Sicherung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den Fokus rücken, diese<br />
Strategie sich auch in den betrieblichen Akzentsetzungen bei Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung niederschlägt. Damit können im Vergleich betrieblicher Innovationstypen auch<br />
verschiedene Weiterbildungstypen zumindest skizziert werden.<br />
Auf Grund dieser Überlegungen werden im ersten Teil dieses Kapitels fünf Betriebstypen mit<br />
unterschiedlichem Innovationsverhalten mittels clusteranalytischer Verfahren herausgear-<br />
beitet. Diese können vereinfacht in Typen mit vielseitigen Innovationen und Typen mit eher<br />
punktuellen Innovationen zusammengefasst werden. Im Anschluss an die Vorstellung dieser<br />
Typen und ihrer Beschreibung durch die strukturellen Merkmale wird anhand mehrerer Teil-<br />
fragestellungen dem Zusammenhang zwischen Innovationen, Kompetenzentwicklung und<br />
Wettbewerbsfähigkeit nachgegangen.<br />
Von besonderer Bedeutung sind dabei:<br />
• die Beschreibung der wirtschaftlichen Lage und der Position im Wettbewerb,<br />
• die Personalprobleme der Innovationstypen,<br />
• unterschiedliche Formen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung sowie<br />
• direkt daran anschließend die Skizzierung unterschiedlicher Lernarrangements.<br />
Abschließend sollen Fragen zur Richtung der Zusammenhänge diskutiert werden: Lässt sich<br />
aus der wirtschaftlichen Lage der Betriebe auf das Innovationsverhalten schließen oder um-<br />
gekehrt? Welche Marktstrategien werden sichtbar? Können Hinweise auf die reziproke Be-<br />
einflussung von Innovationsfähigkeit und betrieblichen Weiterbildungsengagement gefunden<br />
werden?<br />
Unbestritten ist, dass viele Faktoren diese Zusammenhänge determinieren, die in ihrer Viel-<br />
falt nahezu unmöglich abgebildet und in empirische Analysen einbezogen werden können.<br />
Der hier gewählte Ansatz kann nicht <strong>für</strong> alle, aber doch <strong>für</strong> einige wichtige Faktoren weitere<br />
Erkenntnisse bringen.<br />
200
1 Fünf Typen betrieblicher Innovationen<br />
1.1 Clusteranalyse als Methode<br />
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Die Erarbeitung einer Typologie unterschiedlichen Innovationsverhaltens legt die Nutzung<br />
clusteranalytischer Verfahren, deren Ziel in der Herausarbeitung einer empirischen Klassifi-<br />
kation besteht, nahe.<br />
Einbezogen wurden die bereits in den vorherigen Kapiteln vorgestellten Items Erneuerung<br />
bzw. Verbesserung der Computerausstattung, Zusammenlegung von Abteilungen/Bereichen,<br />
Einführung neuer Arbeitsformen, Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen,<br />
Verbesserung der technischen Ausrüstung bzw. Einführung neuer Materialien und<br />
Innovationen durch Fusion, Übernahme, Outsourcing - jeweils mit den Ausprägungen ‚0’ –<br />
„trifft nicht zu“ und ‚1’ – „trifft zu“.<br />
Die Vorschaltung einer Hauptkomponentenanalyse der einzubeziehenden Variablen und<br />
eine daran anschließende Clusteranalyse der gebildeten Faktoren diente zur Lösung des<br />
Problems, dass korrelierende Variablen bzw. Merkmale bei einer Clusteranalyse uneinheit-<br />
lich gewichtet werden. In die Hauptkomponentenanalyse wurden Faktoren mit einem Eigen-<br />
wert von über ‚1’ einbezogen. Diese vier Faktoren erklären 75 Prozent der Varianz. Die Kom-<br />
munalitäten <strong>für</strong> die einzelnen Variablen weisen nach Extraktion folgende Werte auf:<br />
Abbildung 1: Kommunalitäten nach Extraktion<br />
Einbezogene Variablen<br />
Kommunalität nach<br />
Extraktion<br />
Neue Computerausstattung .951<br />
Zusammenlegung von Abteilungen bzw. Bereichen .577<br />
Einführung neuer Arbeitsformen .547<br />
Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen .987<br />
Bessere technische Ausstattung, Einführung neuer Materialien .869<br />
Fusion, Übernahme, Outsourcing .588<br />
Vier Hauptkomponenten wurden extrahiert. Diese lassen sich nach Varimaxrotation fol-<br />
gendermaßen beschreiben: Komponente 1 wird geprägt durch die Variablen mit eher orga-<br />
nisatorischer Ausprägung Zusammenlegung von Abteilungen oder Bereichen, Fusion, Über-<br />
nahme, Outsourcing und Einführung neuer Arbeitsformen. Komponente 2 lässt sich be-<br />
schreiben durch einen starken Einfluss der Variable Bessere technische Ausstattung, Ein-<br />
führung neuer Materialien und einen etwas schwächeren Einfluss des Merkmals Einführung<br />
neuer Arbeitsformen. Dahingegen wird Komponente 3 durch die Variable Einführungen<br />
neuer Produkte oder Dienstleistungen charakterisiert. Mit der Variable Neue Computeraus-<br />
stattung lässt sich Komponente 4 beschreiben. Die nunmehr unkorrelierten Faktoren bilden<br />
dann die Basis <strong>für</strong> die Clusteranalyse.<br />
Ausgewählt wurde das Ward-Verfahren als hierarchischer Cluster-Algorithmus. In diesem<br />
Verfahren werden Objekte zu Gruppen vereinigt, die die Varianz einer Gruppe möglichst<br />
201
Susanne Winge<br />
wenig erhöhen. Dadurch entstehen homogene und ähnlich große Gruppen. Aufgrund der<br />
Zuordnungsübersicht wurde ein inverses Screeplot erstellt. Anhand des Elbow-Kriteriums<br />
und einer Inspektion der gebildeten Cluster erschien eine Fünf-Cluster-Lösung sinnvoll.<br />
1.2 Fünf Typen von Innovationen<br />
Im Ergebnis der Fünf-Cluster-Lösung entstanden fünf Typen betrieblicher Innovationen, die<br />
den zentralen Ausgangspunkt der weiteren Analysen bilden. In Tabelle 1 sind diese fünf Ty-<br />
pen betrieblicher Innovationen mit den durchschnittlichen Merkmalsausprägungen der einbe-<br />
zogenen Ausgangsvariablen dargestellt.<br />
Tabelle 1: Fünf Cluster von Innovationen (Anteil jeweils ‚trifft zu’ in Prozent)<br />
Erneuerung/Verbesserung<br />
der Computerausstattung<br />
Einführung neuer Produkte<br />
bzw. Dienstleistungen<br />
Verbesserung der<br />
technischen Ausrüstung,<br />
Einführung neuer Materialien<br />
Fusion, Übernahme oder<br />
Outsourcing<br />
Zusammenlegung von<br />
Abteilungen/Bereichen<br />
Einführung neuer<br />
Arbeitsformen<br />
202<br />
Cluster 1 Cluster 2 Cluster 3 Cluster 4 Cluster 5 Gesamt<br />
N= 198 323 232 488 272 1512<br />
94,4 100,0 95,9 100,0 0,0 80,6<br />
82,2 0,0 100,0 100,0 67,1 70,4<br />
74,9 65,0 0,0 100,0 58,6 66,4<br />
65,4 7,2 14,4 6,0 6,5 15,4<br />
83,4 7,8 8,6 6,7 15,7 18,9<br />
83,6 10,3 6,9 18,3 21,5 23,9<br />
Zugeordnet zu Cluster 1 wurden 198 Betriebe. Dieser Cluster ist gekennzeichnet durch<br />
überdurchschnittlich hohe Werte bei den organisatorischen Innovationsarten Bereiche und<br />
Abteilungen zusammengelegt, neue Arbeitsformen eingeführt mit jeweils 83 Prozent sowie<br />
Innovationen durch Fusion, Übernahme und Outsourcing mit 65 Prozent. Insbesondere die<br />
Innovationen Abteilungen und Bereiche zusammengelegt und neue Arbeitsformen eingeführt<br />
treten mit etwa 60 Punkten Prozentsatzdifferenz zum Durchschnittswert der jeweiligen<br />
Innovation in diesem Cluster hervor. Das bestätigt noch einmal den bereits festgehaltenen<br />
Umstand, dass organisatorische Innovationen häufig innerhalb eines umfassenden Innova-<br />
tionsprozesses stattfinden. Die technischen Innovationen, Erneuerung der Computeraus-<br />
stattung oder Einführung neuer Technik und Material, sowie auch die Einführung neuer<br />
Produkte und Dienstleistungen sind durchschnittlich repräsentiert. Es ist also festzuhalten,<br />
dass die organisatorischen Innovationen in diesem Cluster einen überdurchschnittlich gro-<br />
ßen Anteil haben, weshalb er in den weiteren Ausführungen als Innovationstypus „Reorga-<br />
nisation“ bezeichnet wird.<br />
Cluster 2 mit 323 Betrieben hat einen eindeutigen Schwerpunkt auf der Innovation<br />
Erneuerung bzw. Verbesserung der Computerausstattung. Alle diesem Cluster zugeordneten<br />
Betriebe nennen diese Innovation. Mit 65 Prozent ist der Anteil der Innovation Erneuerung
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
der technischen Ausstattung bzw. Einführung neuer Materialien als durchschnittlich anzu-<br />
sehen. Alle anderen Innovationsarten sind in diesem Cluster unterdurchschnittlich häufig<br />
vertreten. Wobei keiner der diesem Cluster zugeordneten Betriebe die Einführung neuer<br />
Produkte bzw. Dienstleistungen als Innovationsaktivität angibt. In diesem Cluster sammeln<br />
sich also Betriebe, deren Innovationsaktivitäten auf eher Technikinnovationen abzielen. Als<br />
Bezeichnung dieses Innovationstyps bietet sich daher „Computer“ an.<br />
In Cluster 3 (232 Betriebe) liegt zwar der Anteil der Betriebe mit Erneuerung der<br />
Computerausstattung mit knapp 96 Prozent ebenfalls etwas über dem Durchschnitt, do-<br />
miniert wird er aber von der Einführung neuer Produkte bzw. Dienstleistungen mit 100<br />
Prozent - was bedeutet, dass alle in diesem Cluster vertretenen Betriebe Produkte bzw.<br />
Dienstleistungen entweder neu entwickelt, weiterentwickelt oder aber neu ins Angebot<br />
aufgenommen haben. Durchschnittlich häufig finden sich Innovationen durch Fusion, Über-<br />
nahme oder Outsourcing mit etwas über 14 Prozent. Alle weiteren Innovationen nennen<br />
Betriebe in diesem Cluster vergleichsweise selten bis gar nicht, so ist zum Beispiel in diesem<br />
Cluster kein Betrieb mit Verbesserung der technischen Ausstattung oder Einführung neuer<br />
Materialien vertreten. Dieser Cluster wird im Weiteren als Typus „neue Produkte“ be-<br />
zeichnet.<br />
Eine Kombination aus mehreren überdurchschnittlich vertretenen technischen Innovationen<br />
weist der Cluster 4 auf. Alle der 488 zugeordneten Betriebe geben an, in den Jahren 2000<br />
bis 2002 ihre Computerausstattung verbessert oder erneuert, neue Produkte oder Dienst-<br />
leistungen eingeführt und die technische Ausstattung verbessert bzw. neue Materialien ein-<br />
geführt zu haben. Alle anderen Innovationen sind schwach bis stark unterdurchschnittlich<br />
repräsentiert, mit Werten zwischen 6 und 7 Prozent <strong>für</strong> Bereiche und Abteilungen zusam-<br />
mengelegt und Innovationen durch Fusion, Übernahme oder Outsourcing. Leicht unter dem<br />
Durchschnitt liegt die Einführung neuer Arbeitsformen. Betriebe in diesem Cluster betreiben<br />
Produkt- und Prozessinnovationen im eher technischen Sinne. Demzufolge, in Abgrenzung<br />
zu den beiden vorherigen Kapiteln, auch die Benennung als „technische Innovationen“.<br />
Ein Cluster ohne hervorstechenden Innovationstypus ist Cluster 5. Keiner der 272 zuge-<br />
ordneten Betriebe gibt die Erneuerung bzw. Verbesserung der Computerausstattung an,<br />
obwohl mehr als 80 Prozent der insgesamt in die Clusteranalyse eingegangenen Betriebe<br />
diese Innovation aufweisen. Die anderen Innovationsarten sind durch die in diesem Cluster<br />
vertretenen Betriebe nur durchschnittlich bis leicht unterdurchschnittlich repräsentiert. Aus<br />
diesem Grund auch die Bezeichnung „unspezifisch“.<br />
Bei Bildung einer Rangreihe unter den Clustern wäre <strong>für</strong> den Cluster Reorganisation ein-<br />
deutig Platz 1 zu vergeben. Der Cluster verzeichnet in zweierlei Hinsicht Spitzenwerte: zum<br />
einen beim Umfang betrieblicher Innovationsaktivitäten und zum anderen bei der Dichte der<br />
Kombination. Platz 2 würde der Cluster technische Innovationen, mit jeweils hundertpro-<br />
zentigen Anteilswerten <strong>für</strong> die drei charakterisierenden Merkmale Produktinnovation, Verbes-<br />
serung der Computerausstattung sowie Verbesserung der technischen Ausstattung und Ein-<br />
führung neuer Materialien, einnehmen. Danach folgen auf den Plätzen drei und vier die<br />
Cluster neue Produkte und Computer mit den eher punktuellen Innovationen.<br />
203
Susanne Winge<br />
Der Cluster unspezifisch lässt sich in die Rangreihe nicht so einfach einordnen. Bei aus-<br />
schließlicher Betrachtung des Mittelwertes über alle Innovationsarten hinweg bildet der<br />
Cluster das Schlusslicht auf Grund des niedrigsten Mittelwertes. Allerdings findet sich in<br />
diesem Cluster eine höhere Kombinationsvielfalt als in den Clustern neue Produkte und<br />
Computer. Daher ist dem Cluster unspezifisch eine Zwitterstellung zwischen den innova-<br />
tionsvielseitigen und den eher innovationseinseitigen Clustern zuzugestehen.<br />
Als Fazit der Clusteranalyse gilt es mehrere Aspekte hervorzuheben und festzuhalten:<br />
(1) Innovationen organisatorischen Charakters finden sich in großem Ausmaß in Betrieben,<br />
204<br />
die ein ganzes Paket von Innovationen in Angriff nehmen. Sie stehen bei diesen Betrieb-<br />
en nicht hinter den anderen Innovationsarten zurück. Dahingegen spielen sie bei Inno-<br />
vationsprofilen mit Spezialisierung auf ein oder zwei Arten von Innovationen oder Kon-<br />
zentration auf fast ausschließlich produkt- und technikorientierte Innovationen eine eher<br />
untergeordnete Rolle. Betriebe mit umfangreichen organisatorischen Innovationen stellen<br />
allerdings im Vergleich zu den anderen Betriebsgruppierungen eine quantitativ kleine<br />
Gruppe dar.<br />
(2) Es existiert eine relativ große Gruppe von Betrieben, die die Einführung von neuen Pro-<br />
dukten oder Dienstleistungen, also Produktinnovationen, in starkem Grade mit der Ver-<br />
besserung der technischen Ausstattung bzw. der Einführung neuer Materialien sowie<br />
auch mit der Erneuerung bzw. Verbesserung der Computerausstattung kombiniert, dabei<br />
aber offenbar wenig Anlass oder Bedarf <strong>für</strong> organisatorische Innovationen sieht.<br />
(3) In zwei weiteren Gruppen von Betrieben konzentrieren sich die Innovationsaktivitäten auf<br />
jeweils eine bis zwei Hauptinnovationen, die dann von wenigen anderen Innovationsarten<br />
in deutlich geringerem Maße flankiert werden.<br />
(4) Da in die Clusterbildung keine Betriebe ohne Innovationen eingegangen sind, kann es<br />
auch keinen Cluster geben, der sozusagen durch Null-Aktivität gekennzeichnet ist. Den-<br />
noch gibt es eine Zahl von Betrieben, die in den Jahren 2000 bis 2002 in deutlich ge-<br />
ringerem Umfang Innovationen initiiert und umgesetzt haben, wobei sich keine Innova-<br />
tionsart von den anderen abhebt.<br />
Mit dem Cluster Reorganisation und dem Cluster technische Innovationen treten zwei<br />
Gruppen von Betrieben hervor, bei denen im Befragungszeitraum sehr viele – sicherlich<br />
auch miteinander zusammenhängende – Innovationsaktivitäten statt fanden. Die Cluster<br />
Computer und neue Produkte hingegen sind charakterisiert durch Betriebe mit eher spezi-<br />
fischen bzw. punktuellen Innovationsaktivitäten. Dem gegenüber ist der Cluster unspe-<br />
zifisch eher unauffällig – <strong>für</strong> keine spezielle Art der Innovation ist hier ein höheres Gewicht<br />
zu verzeichnen.<br />
Vier der Cluster lassen sich demnach eindeutig den zwei Polen innovationsvielseitig und<br />
innovationseinseitig zuordnen. Die Orientierung des Clusters unspezifisch ist ungeklärt,<br />
damit steht er zwischen den beiden Polen der anderen Cluster.
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Um einen genaueren Einblick in die Zusammensetzung der einzelnen Cluster zu erhalten, ist<br />
es im ersten Schritt angebracht die Cluster hinsichtlich der Strukturmerkmale Betriebsgröße,<br />
Sektorzugehörigkeit und Region zu untersuchen.<br />
1.3 Strukturmerkmale der einzelnen Cluster<br />
Im allgemeinen Verständnis ist die Vorstellung weit verbreitet, dass die Innovationsaktivitäten<br />
und -strategien der Betriebe durch Strukturmerkmale konditioniert werden. Dieser Vorstel-<br />
lung folgend werden zunächst die Einflüsse der Strukturmerkmale geprüft.<br />
1.3.1 Betriebsgröße, Region und Typen von Innovation<br />
Bereits im ersten Kapitel zeigte sich <strong>für</strong> die größeren Betriebe mit 200 und mehr Mitarbeitern<br />
eine Tendenz zu umfangreicheren und komplexeren Innovationsvorhaben. Tabelle 2 be-<br />
stätigt diesen Zusammenhang. Dabei sind die Typen von Innovation in der Reihenfolge ihrer<br />
Charakteristika bezüglich innovationsvielseitige Typen und innovationseinseitige Typen dargestellt,<br />
wobei der Cluster unspezifisch in seiner Zwischenstellung hinten eingeordnet<br />
wurde.<br />
Tabelle 2: Fünf Innovationstypen und Betriebsgröße (Zeilenprozente)<br />
Cluster Bis 49<br />
Mitarbeiter<br />
Betriebsgröße Region<br />
50-199<br />
Mitarbeiter<br />
Mehr als 200<br />
Mitarbeiter<br />
Neue<br />
Bundesländer<br />
Alte<br />
Bundesländer<br />
Reorganisation 67,5 23,9 8,6 32,8 67,2<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
87,3 10,9 1,8 40,6 59,4<br />
neue Produkte 88,4 10,3 1,3 35,8 64,2<br />
Computer 86,3 11,5 2,2 40,9 59,1<br />
unspezifisch 85,3 12,5 2,2 43,8 56,2<br />
Gesamt 84,3 12,9 2,8 39,4 60,0<br />
Für vier der fünf Cluster ergibt die Analyse der Betriebsgröße keine nennenswerten<br />
Unterschiede. Einzig der Cluster Reorganisation weicht von der durchschnittlichen Gesamt-<br />
verteilung ab. Mit einem erheblich höheren Anteil an mittleren und großen Betrieben in die-<br />
sem Cluster wird die deutlich größere Bedeutung von arbeitsorganisatorischen Innovationen<br />
<strong>für</strong> Betriebe dieser Größe wiederholt belegt.<br />
Bezogen auf die regionale Zuordnung der Betriebe zeigen sich nur vereinzelte, schwach<br />
ausgeprägte, Auffälligkeiten. Den höchsten Anteil an Betrieben aus den alten Bundesländern<br />
weist der Cluster Reorganisation auf, den höchsten Anteil an Betrieben der neuen Bundes-<br />
länder verzeichnet der Cluster unspezifisch.<br />
Drei Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen:<br />
205
Susanne Winge<br />
(1) Dem Cluster Reorganisation sind anteilig weniger Kleinbetriebe zugeordnet. Sie sind mit<br />
mehr als 15 Punkten Prozentsatzdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt und zu den<br />
anderen Clustern deutlich seltener vertreten.<br />
(2) Der Ost-West-Vergleich zeigt – mit einem niedrigeren Anteil ostdeutscher Betriebe im<br />
Cluster Reorganisation und einem etwas höheren Anteil ostdeutscher Betriebe im<br />
Cluster unspezifisch – eine geringe Trennkraft zwischen den Clustern auf.<br />
(3) Die vorgenommene Polarisierung der Cluster, durch die Unterscheidung zwischen<br />
innovations- und weniger innovationsaktive Cluster erfährt durch die Betriebsgröße und<br />
die regionale Aufteilung keine Stärkung. Es zeichnet sich kein Muster ab, nach dem aus<br />
diesen Strukturmerkmalen die Clusterzugehörigkeit und damit auch die Polarisierung<br />
herausgearbeitet werden kann.<br />
1.3.2 Typen von Innovation und Sektorenzugehörigkeit<br />
Wie aber stellt sich die Verteilung der Sektorenzugehörigkeit <strong>für</strong> die einzelnen Cluster dar?<br />
Tabelle 3 bietet einen Überblick, wobei die Unterteilung in die vier Sektoren verarbeitendes<br />
Gewerbe mit Land- und Forstwirtschaft; Handel, Verkehr sowie Hotel und Gaststättenge-<br />
werbe; Kredit, Versicherung sowie Vermietung beweglicher Sachen und Gesundheits-, So-<br />
zial- und Veterinärwesen aus dem erstem Kapitel beibehalten wird.<br />
Tabelle 3: Fünf Innovationstypen und Sektorenzugehörigkeit (Zeilenprozente)<br />
Cluster<br />
Verarbeitendes<br />
Gewerbe, Land- u.<br />
Forstwirtschaft<br />
Handel,<br />
Verkehr,<br />
Gastgewerbe<br />
Kredit,<br />
Versicherung,<br />
Vermietung<br />
Gesundheit,<br />
Soziales,<br />
Veterinär<br />
Gesamt<br />
Reorganisation 23,2 31,3 26,3 19,2 100,0<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
21,3 26,6 26,2 25,8 100,0<br />
neue Produkte 11,2 34,3 30,0 24,5 100,0<br />
Computer 26,0 28,2 30,7 15,2 100,0<br />
unspezifisch 18,3 25,4 20,6 35,7 100,0<br />
Gesamt 20,3 28,6 26,8 24,3 100,0<br />
Deutlich tritt vor allem der Cluster neue Produkte hervor, der sich in höherem Maße als die<br />
anderen Cluster aus Dienstleistungsbetrieben zusammensetzt. Betriebe des verarbeitenden<br />
Gewerbes sind im Vergleich zu den anderen Cluster nahezu um die Hälfte seltener vertreten.<br />
Dieser Cluster kann als „Dienstleistungscluster“ mit einem hohen Anteil von Betrieben des<br />
Wirtschaftszweiges Handel, Verkehr und Gastgewerbe bezeichnet werden.<br />
Hingegen weist der Cluster Computer einen hohen Anteil an Betrieben des verarbeitenden<br />
Gewerbes bei einem relativ geringen Anteil an Betrieben des Wirtschaftszweiges Gesund-<br />
heits-, Sozial- und Veterinärwesen auf.<br />
Während sich also die beiden eben betrachteten Cluster mit einseitiger oder punktueller<br />
Innovationsorientierung deutlich in ihrer Zusammensetzung der Wirtschaftszweige unter-<br />
scheiden, kann dies <strong>für</strong> die innovationsvielseitigen Cluster nicht beobachtet werden. Für die<br />
206
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Cluster Reorganisation und technische Innovationen ergeben sich keine starken Ab-<br />
weichungen von der durchschnittlichen Verteilung der Wirtschaftszweige.<br />
Im Cluster unspezifisch hingegen variieren die Anteile der Dienstleistungsbetriebe. Wäh-<br />
rend Betriebe des Sektors Kredit, Versicherung und Vermietung im Vergleich zum Durch-<br />
schnitt seltener vertreten sind, gibt es in diesem Cluster einen überdurchschnittlich hohen<br />
Anteil an Betrieben des Gesundheits-, Sozial- und Veterinärwesens.<br />
Bei Zusammenfassung der bisherigen isolierten Betrachtung der Strukturmerkmale Größe,<br />
Sektor und Region bilden sich <strong>für</strong> die einzelnen Cluster zum Teil verschiedene Muster und<br />
Charakteristika aus:<br />
(1) Die Größenklasseneinordnung der dem Cluster Reorganisation zugeordneten Betriebe<br />
ergibt eine Tendenz hin zu den mittleren bzw. größeren Betrieben. Des Weiteren finden<br />
sich unter diesen Betrieben im Verhältnis etwas mehr Betriebe aus den alten Bundes-<br />
ländern, dieser Zusammenhang ist allerdings nicht signifikant. Die Sektorenzusammen-<br />
setzung des Clusters entspricht in etwa der des Durchschnitts aller befragten Betriebe.<br />
(2) Die Beschreibung der Strukturmerkmale <strong>für</strong> den Cluster technische Innovationen lässt<br />
keinerlei Auffälligkeiten erkennen. Die Verteilung über die Betriebsgröße, die Branche<br />
und die Region folgt der Durchschnittsverteilung der untersuchten Betriebe.<br />
(3) Die Größenklassenverteilung im Cluster neue Produkte entspricht der Aufteilung der<br />
befragten Betriebe. Allerdings ist in diesem Cluster ein leicht geringerer Anteil von Be-<br />
trieben aus den neuen Bundesländern zu verzeichnen. Außerdem stellt sich dieser Clus-<br />
ter als Dienstleistungscluster mit verhältnismäßig wenig Betrieben des verarbeitenden<br />
Gewerbes bei einem relativ hohen Betriebsanteil aus dem Sektor Handel, Verkehr bzw.<br />
Hotel- und Gaststättenwesen dar.<br />
(4) Kaum vom Durchschnitt weichen die Betriebe des Clusters Computer hinsichtlich ihrer<br />
Größenzusammensetzung und der regionalen Zuordnung ab. Allerdings variiert hier das<br />
Verhältnis der Branchen zueinander. So sind etwas weniger Betriebe aus dem Sektor<br />
Gesundheits-, Sozial- bzw. Veterinärwesen bei etwas mehr Betrieben des verarbeitenden<br />
Gewerbes in diesem Cluster vertreten.<br />
(5) Ähnlich den drei vorherigen Clustern sind auch beim Cluster unspezifisch keine<br />
Auffälligkeiten in der Größenzusammensetzung zu verzeichnen. Kennzeichen dieses<br />
Clusters ist allerdings ein höherer Anteil an Betrieben aus den neuen Bundesländern<br />
sowie eine relativ starke Konzentration von Betrieben des Gesundheits-, Sozial- bzw.<br />
Veterinärwesens.<br />
Zwischen den gegensätzlichen Polen innovationsvielseitig und innovationseinseitig kann kein<br />
einheitliches Differenzierungsmuster gezeichnet werden. Vielmehr unterscheiden sich die<br />
Cluster innerhalb der Pole. Die Cluster mit vielseitigem Innovationsgeschehen weisen keine<br />
Unterschiede in der Zusammensetzung der Wirtschaftszweige auf, die beiden anderen<br />
Cluster hingegen keine Unterschiede bei der Betrachtung der Betriebsgröße und Region.<br />
207
Susanne Winge<br />
1.3.3 Kombination einzelner Strukturmerkmale<br />
Konturierter wird das Bild bei der Kombination von Strukturmerkmalen. Zunächst wird in<br />
Tabelle 4 die Clusterzugehörigkeit der Betriebe des verarbeitenden Gewerbes und des<br />
Dienstleistungssektors <strong>für</strong> ostdeutsche und westdeutsche Betriebe getrennt gegenüberge-<br />
stellt. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die Sektoren Handel, Verkehr, Gastgewerbe;<br />
Kredit, Versicherung und Vermietung sowie Gesundheit, Soziales und Veterinär unter der<br />
Bezeichnung Dienstleistungssektor zusammengefasst.<br />
Tabelle 4: Fünf Typen von Innovation und Kombination der Strukturvariablen Region<br />
und Sektorenzugehörigkeit (Spaltenprozente)<br />
Cluster Verarbeitendes<br />
Gewerbe<br />
208<br />
Neue Bundesländer Alte Bundesländer<br />
Dienstleistung Verarbeitendes<br />
Gewerbe<br />
Dienstleistung<br />
N= 138 458 169 748<br />
Reorganisation 10,1 11,1 18,3 13,6<br />
Technische Innovationen 34,8 32,8 33,1 31,3<br />
neue Produkte 12,3 14,4 5,3 18,9<br />
Computer 26,1 20,7 27,8 19,3<br />
unspezifisch 16,7 21,0 15,4 17,0<br />
Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Die vergleichende Betrachtung der Sektorenzugehörigkeit <strong>für</strong> ostdeutsche und westdeutsche<br />
Betriebe zeigt <strong>für</strong> die Cluster Reorganisation, neue Produkte und unspezifisch einige Be-<br />
sonderheiten.<br />
So ist der Anteil von Betrieben des verarbeitenden Gewerbes im Cluster Reorganisation in<br />
den alten Bundesländern mit 18 Prozent zu 10 Prozent deutlich höher als in den neuen Bun-<br />
desländern. Wie erinnerlich sind in diesem Cluster etwas mehr westdeutsche Betriebe<br />
vertreten. Offensichtlich wird diese leichte Gewichtsverschiebung durch Betriebe des verar-<br />
beitenden Gewerbes erzeugt.<br />
Der Cluster neue Produkte weist <strong>für</strong> beide Sektoren leichte bis starke Abweichungen auf.<br />
So ist der Anteil ostdeutscher Betriebe des verarbeitenden Gewerbes mit 12 Prozent im<br />
Vergleich zu 5 Prozent deutlich höher als der Anteil westdeutscher Betriebe des ver-<br />
arbeitenden Gewerbes. Wenn man in Betracht zieht, dass dieser Sektor insgesamt bei<br />
diesem Cluster deutlich unterrepräsentiert ist, so scheint das vor allem auf den sehr geringen<br />
Anteil der entsprechenden Betriebe der alten Bundesländer zurückzuführen sein. In Umkeh-<br />
rung dazu sind etwas mehr Dienstleistungsbetriebe aus den alten Bundesländern diesem<br />
Cluster zugeordnet worden.<br />
In dem Cluster unspezifisch sind, wie aus Tabelle 2 ersichtlich wurde, ostdeutsche Betriebe<br />
leicht überrepräsentiert. Dies ist durch die ostdeutschen Betriebe des Dienstleistungssektors<br />
bestimmt, die einen leicht höheren Anteil haben als westdeutsche Dienstleistungsbetriebe.
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Aus der isolierten Betrachtung des Einflusses der Strukturmerkmale Größe und Sektorenzugehörigkeit<br />
war einzig <strong>für</strong> den Cluster Reorganisation ein Größeneinfluss zu ver-<br />
zeichnen, die Sektorenzugehörigkeit hingegen zeigte einige Besonderheiten. Die Kombi-<br />
nation beider Strukturmerkmale in Tabelle 5 lässt deutlich mehr Besonderheiten hervor-<br />
treten. Dargestellt sind jeweils getrennt <strong>für</strong> die beiden Sektoren verarbeitendes Gewerbe und<br />
Dienstleistung die Größenklassenanteile der fünf Innovationstypen.<br />
Tabelle 5: Fünf Typen von Innovation und Kombination der Strukturvariablen Sektorenzugehörigkeit<br />
und Größe (Spaltenprozente)<br />
Verarbeitendes Gewerbe Dienstleistung<br />
Bis 49 MA<br />
50-199<br />
MA<br />
Mehr als<br />
200 MA<br />
Bis 49 MA<br />
50-199<br />
MA<br />
Mehr als<br />
200 MA<br />
N= 213 76 18 1061 118 24<br />
Reorganisation 9,9 25,0 33,3 10,7 24,6 45,8<br />
Technische Innovationen 34,7 31,6 27,8 33,1 23,7 16,7<br />
neue Produkte 8,9 6,6 5,6 17,4 16,1 8,3<br />
Computer 30,0 22,4 16,7 20,2 16,9 16,7<br />
unspezifisch 16,4 14,5 16,7 18,7 18,6 12,5<br />
Gesamt 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Für vier der fünf Cluster können im Sektorenvergleich Unterschiede bezüglich der Betriebsgrößenzusammensetzung<br />
konstatiert werden. So sind im Cluster Reorganisation anteilig<br />
mehr große Dienstleistungsbetriebe als Betriebe des verarbeitenden Gewerbes mit mehr als<br />
200 Mitarbeitern vertreten.<br />
Interessant ist dieser Vergleich vor allem <strong>für</strong> den Cluster technische Innovationen. Wäh-<br />
rend die isolierte Betrachtung von Betriebsgröße und Sektor keinerlei Zusammenhänge auf-<br />
wies, so wird in oben stehender Tabelle deutlich, dass der Anteil der mittleren und größeren<br />
Betriebe dieses Clusters unter den Betrieben des verarbeitenden Gewerbes deutlich höher<br />
ist als der der mittleren und großen Dienstleistungsbetriebe.<br />
Hingegen gehören dem Cluster neue Produkte anteilig deutlich weniger kleine und mittlere<br />
Betriebe des verarbeitenden Gewerbes als des Dienstleistungssektors an.<br />
Mit 30 zu 20 Prozent ist der Anteil der kleinen Betriebe des verarbeitenden Gewerbes im<br />
Cluster Computer höher als der Anteil der kleinen Dienstleistungsbetriebe.<br />
Zusammenfassend ist also <strong>für</strong> die Cluster Reorganisation und neue Produkte <strong>für</strong> einzelne<br />
Betriebsgrößen eher ein höherer Anteil von Dienstleistungsbetrieben zu konstatieren, wohingegen<br />
in den Clustern technische Innovationen und Computer Betriebe des verarbei-<br />
tenden Gewerbes in einzelnen Größenklassen anteilig überrepräsentiert sind.<br />
209
Susanne Winge<br />
1.4 Keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Clusterzugehörigkeit<br />
und Strukturmerkmalen. Ein Zwischenfazit.<br />
Die nach den betrieblichen Innovationsaktivitäten ermittelten Cluster weisen zwar sichtbare,<br />
aber keineswegs starke Zusammenhänge zu den Strukturmerkmalen Betriebsgröße, Region<br />
und Wirtschaftszweig auf. Es zeigt sich also, dass der Einfluss der Strukturmerkmale wenig<br />
ausgeprägt ist. Offensichtlich bestehen doch erhebliche Gestaltungsspielräume <strong>für</strong> die Be-<br />
triebe.<br />
Deshalb wird im Folgenden die wirtschaftliche Lage und damit verbunden die Wettbewerbs-<br />
situation im <strong>Zentrum</strong> der Aufmerksamkeit stehen. Es ist zu vermuten, dass sich in den Kenn-<br />
ziffern zum betrieblichen Output durchaus Zusammenhänge zur Clusterzugehörigkeit er-<br />
kennen lassen, da die wirtschaftliche Lage einen hohen Einfluss auf betriebsstrategische<br />
Entscheidungen hat.<br />
2 Die wirtschaftliche Lage der Betriebe<br />
Im Wettbewerb zwischen den Betrieben, der über die Stellung am Markt entscheidet, hat<br />
neben dem Preiswettbewerb der Produkt- und technische Innovationswettbewerb deutlich an<br />
Bedeutung gewonnen. Innovationen in diesem Sinne wirken sich nicht in jedem Fall direkt<br />
auf den Preiswettbewerb aus. Betriebliche Umstrukturierungen hingegen zielen häufig auf<br />
kostensenkende Rationalisierungen ab. Sie werden aber auch zunehmend eingesetzt um<br />
bessere Rahmenbedingungen <strong>für</strong> Produkt- und Technologieinnovationen zu schaffen, was<br />
sich auch in dem relativ jungen Begriff der organisatorischen Innovationen ausdrückt.<br />
Die Betrachtung der wirtschaftlichen Lage und der Wettbewerbsstellung der fünf Innovations-<br />
cluster wird in mehrerer Hinsicht vorgenommen:<br />
Eine erste These lautet: Ein harter Wettbewerb oder spätestens die Gefahr einer wirt-<br />
schaftliche Krise zwingt Betriebe zu Innovationen. Da<strong>für</strong> braucht es aber geeignete Rahmen-<br />
bedingungen personalpolitischer und organisatorischer Art. Daneben gibt es allerdings auch<br />
Betriebe, die ohne einen äußeren Anlass, sondern vielmehr auf Grund strategischer Pla-<br />
nungen Innovationen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit oder zur Gewinnmaximierung<br />
initiieren und umsetzen. Es steht also die Frage nach dem Warum? im Vordergrund.<br />
Die zweite These betrachtet den Zeitfaktor. Reagieren die Betriebe ausreichend früh auf sich<br />
abzeichnende Entwicklungen, so stehen ihnen mehr materielle Ressourcen zur Verfügung.<br />
Wird erst bei Auftreten einer Krise reagiert, sind finanzielle Ressourcen oftmals sehr knapp<br />
und die Umsetzung der notwendigen Innovationen ist mit erheblich mehr Schwierigkeiten<br />
verbunden.<br />
Grundlegende Voraussetzung <strong>für</strong> ein möglichst vorausplanendes Agieren der Betriebe ist –<br />
drittens – die Frage, ob die Betriebe eine Beurteilung ihrer eigenen wirtschaftlichen Lage und<br />
auch der Marktentwicklungen vornehmen um daraus antizipierend eine Strategie zu<br />
entwickeln. Vor allem den KMU wird eine schwach ausgeprägte Antizipationsfähigkeit<br />
unterstellt. Allerdings besteht nicht <strong>für</strong> alle Betriebe die Notwendigkeit stetiger<br />
210
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Innovationsanstrengungen. So verspüren Unternehmen in wenig turbulenten Märkten mit nur<br />
schwach ausgeprägten Wettbewerbsbedingungen nicht den Zwang zu kontinuierlichen An-<br />
passungen und Veränderungen, wie es <strong>für</strong> Betriebe auf offenen Märkten Vorrausetzung ist.<br />
Zu prüfen ist, welche These oder aber welche Kombinationen der Thesen sich in den<br />
Betrieben der fünf Innovationscluster wiederspiegeln. Die fünf Cluster sollen zum einen<br />
unabhängig voneinander betrachtet werden, zum anderen interessieren aber auch die<br />
Unterschiede zwischen den innovationsvielseitigen Clustern (Reorganisation und tech-<br />
nische Innovationen) und den weniger innovationsaktiven Clustern, im Sinne einer Dicho-<br />
tomie.<br />
2.1 Einschätzung der Entwicklung der letzten drei Jahre<br />
Einen ersten Anhaltspunkt dazu bieten die Merkmale Entwicklung des Geschäfts- und des<br />
Investitionsvolumens 2001 im Vergleich zum Vorjahr sowie die Selbsteinschätzung der Be-<br />
triebe zur Entwicklung der Ertragslage. In Tabelle 6 sind dabei nur die Betriebsangaben zum<br />
gestiegenen Geschäfts- bzw. Investitionsvolumen sowie zu guter und sehr guter Ertragslage<br />
aufgeführt. Auf markante Auffälligkeiten bei den Merkmalen gesunken oder gleichgeblieben<br />
bzw. mangelhafte oder ungenügende Ertragslage wird nur im Text hingewiesen.<br />
Tabelle 6: Fünf Typen von Innovationen und Entwicklung der wirtschaftlichen Lage<br />
(Anteile in Prozent, jeweils Angabe „gestiegen“ oder „trifft zu“)<br />
Geschäftsvolumen<br />
Gestiegen<br />
Investitionsvolumen<br />
Gestiegen<br />
Ertragslage<br />
Sehr gut, gut<br />
Reorganisation Technische<br />
Innovationen<br />
Auffällig sind vor allem drei Tatbestände:<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272<br />
Gesamt<br />
43,8 47,1 37,9 32,0 44,8 41,6<br />
42,7 43,0 19,8 36,8 41,9 37,8<br />
30,3 36,9 35,5 35,2 31,4 34,4<br />
1. das unterdurchschnittlich selten als gestiegen eingeschätzte Geschäftsvolumen der<br />
Betriebe des Clusters Computer,<br />
2. der extrem niedrige Anteil an Betrieben des Clusters neue Produkte, deren Investi-<br />
tionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist und<br />
3. die positive Bewertung der wirtschaftlichen Lage durch die Betriebe des Clusters<br />
unspezifisch.<br />
In den Clustern neue Produkte und Computer gibt es außerdem einen relativ hohen Anteil<br />
an Betrieben, die ein gleich gebliebenes Geschäftsvolumen angeben. Die Betriebe beider<br />
Cluster zeichnen allerdings in ihrer Selbsteinschätzung der betrieblichen Ertragslage durch-<br />
aus ein positives Bild. Das könnte als Indiz <strong>für</strong> eine ‚Produktivitätserhaltungs’-Strategie<br />
gedeutet werden, nach der die Betriebe mit der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage<br />
211
Susanne Winge<br />
zufrieden scheinen und ihre Bemühungen auf den Erhalt des erreichten Standes konzen-<br />
trieren.<br />
Eine weitere Besonderheit charakterisiert die Betriebe des Clusters Reorganisation. Auf der<br />
einen Seite geben sie durchschnittlich oft ein gestiegenes Geschäftsvolumen an. Anderer-<br />
seits gibt es aber mit 34 Prozent einen großen, wenn auch nur leicht über dem Gesamt-<br />
durchschnitt liegenden, Anteil von Betrieben in diesem Cluster, der ein gesunkenes<br />
Geschäftsvolumen angibt. Nahezu 80 Prozent der Betriebe dieses Clusters nennen also<br />
entweder ein gesunkenes oder ein gestiegenes Geschäftsvolumen. Bei der Betrachtung des<br />
Investitionsvolumens wiederholt sich diese Tendenz. Auch hier findet sich ein hoher Anteil an<br />
Betrieben mit gestiegenem Investitionsvolumen neben einem hohen Anteil an Betrieben mit<br />
gesunkenem Investitionsvolumen. Die Einschätzung der Ertragslage hingegen ist eindeu-<br />
tiger. Der Anteil der Betriebe mit positiver Selbsteinschätzung der Ertragslage ist etwas<br />
geringer als der der anderen Cluster. Zudem ist der Anteil der Betriebe mit eingeschätzter<br />
schlechter Ertragslage mit 17 Prozent zum Teil deutlich höher als der Anteil in den anderen<br />
Clustern. Es zeigt sich also eine ähnlich starke Negativbetonung wie bei den anderen Merk-<br />
malen, allerdings bei gleichzeitigem Fehlen einer gleichstark ausgeprägten positiven Ein-<br />
schätzung der Ertragslage.<br />
Vergleichend betrachtet schätzen die Betriebe der Cluster technische Innovationen und<br />
unspezifisch ihre wirtschaftliche Entwicklung der letzten drei Jahre vor der Befragung eher<br />
positiv ein, die Betriebe der Cluster neue Produkte und Computer scheinen sich eher in<br />
einer Stagnationsphase zu befinden, die allerdings nicht unbedingt negativ beurteilt wird.<br />
Eine einheitliche Tendenz ist bei den Betrieben des Clusters Reorganisation nicht zu ver-<br />
zeichnen, die Entwicklung der wirtschaftliche Lage wird von nahezu zwei gleich großen<br />
Gruppen von Betrieben als entweder positiv oder negativ eingeschätzt. In diesem Cluster<br />
sind also Betriebe mit stark differierenden wirtschaftlichen Lagen vertreten.<br />
2.2 Erfolge und Schwierigkeiten: Der besonders erfolgreiche<br />
Cluster technische Innovationen<br />
Nun bietet die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage nur einen Anhaltspunkt <strong>für</strong> den<br />
Gesamtkontext, in dem die Betriebe agieren. Die Situation der Betriebe kann aber noch<br />
durch andere Faktoren gekennzeichnet werden. Deshalb sollen im Folgenden mit den<br />
Erfolgen und Schwierigkeiten, denen sich Betriebe in den letzten Jahren gegenübergestellt<br />
sahen, weitere Merkmale in die Betrachtung einbezogen werden.<br />
Zunächst zu den Erfolgen: Die Cluster technische Innovationen und neue Produkte geben<br />
Gewinne deutlich häufiger an als die anderen Cluster, wobei im Cluster unspezifisch am<br />
seltensten regelmäßige Gewinne zu verzeichnen sind (siehe Tabelle 7). Hier wiederholen<br />
sich zum Teil die Einschätzungen zur Entwicklung der Ertragslage. Die Cluster mit einer<br />
besseren Einschätzung der Ertragslage geben im Vergleich zu den anderen Clustern<br />
häufiger an regelmäßig Gewinne gemacht zu haben. Der Vergleich der Mittelwerte der drei<br />
Merkmale zeigt, dass die innovationsaktiven bzw. innovationsvielseitigen Betriebe der Clus-<br />
ter Reorganisation und technische Innovationen insgesamt häufiger Erfolge verzeichnen<br />
212
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
als die Betriebe der anderen drei Cluster. Darin drückt sich ein erster Zusammenhang zwi-<br />
schen der Häufigkeit von berichteten Erfolgen und dem Umfang von Innovationsaktivitäten<br />
aus.<br />
Nun zu den Schwierigkeiten, mit denen sich die Betriebe im Befragungszeitraum ausein-<br />
andersetzen mussten. Eine hohe Aussagekraft kann dem Merkmal viele neue Wettbewerber<br />
zugeschrieben werden, da eine neue Konkurrenzsituation Betriebe zwingt ihre bisherige<br />
Strategie zumindest zu überdenken, auf neue Geschäftsfelder auszuweiten oder aber auf<br />
bisherige Geschäftsfelder zu verzichten. Betriebe mit plötzlich auftretender starker Konkur-<br />
renzsituation sehen sich einer schwer einschätzbaren Situation gegenüber und das wirkt sich<br />
unter anderem auf das Innovationsverhalten aus.<br />
Tabelle 7: Fünf Typen von Innovation und Erfolge und Schwierigkeiten in den Jahren<br />
2000 bis 2002 (Anteile in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Reorganisation Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
Erfolge N=198 N=488 N=232 N=323 N=272 N=1512<br />
Investition in<br />
neue Technik<br />
Regelmäßig<br />
Gewinne<br />
72,7 72,9 47,0 69,3 53,8 64,7<br />
53,5 63,9 65,5 55,1 50,7 58,5<br />
Personalaufbau 29,8 22,6 14,7 13,0 22,8 20,3<br />
Mittelwert 52,0 53,1 42,4 45,8 42,4 47,8<br />
Schwierigkeiten<br />
Viele neue<br />
Wettbewerber<br />
Deutliche<br />
Umsatzeinbußen<br />
59,1 36,9 44,4 39,6 44,5 42,9<br />
40,4 34,4 38,8 40,9 25,6 35,7<br />
Personalabbau 59,1 30,6 44,4 45,8 34,6 40,4<br />
Mittelwert 52,9 34,0 42,5 42,1 34,9 39,7<br />
Vor diesem Hintergrund betrachtet, kann in dem hohen Anteil von Betrieben des Clusters<br />
Reorganisation, die eine gestiegene Anzahl von direkten Konkurrenten angeben, eine Be-<br />
gründung <strong>für</strong> die hohen Anteile negativer Einschätzungen der Betriebe dieses Clusters<br />
liegen. Für die Cluster technische Innovationen und Computer sind eher wenig Wettbe-<br />
werbsturbulenzen auf dem Markt zu verzeichnen.<br />
Deutliche Umsatzeinbrüche in den letzten drei Jahren verzeichnen Betriebe der Cluster Re-<br />
organisation und Computer am häufigsten. Beide Aussagen bestätigen den hohen Anteil<br />
von Betrieben mit gesunkenem Geschäftsvolumen (siehe vorherige Tabelle) in eben diesen<br />
Clustern. Umsatzeinbußen finden sich ebenso wie gesunkene Geschäftsvolumen im Cluster<br />
unspezifisch seltener.<br />
Alle Betriebe nennen insgesamt häufiger Personalabbau als Personalaufbau. Der geringste<br />
Abstand zwischen beiden Merkmalen ergibt sich <strong>für</strong> die Cluster technische Innovationen<br />
und unspezifisch. Es wird zwar etwas mehr Personalabbau als –aufbau angegeben, aber<br />
213
Susanne Winge<br />
die Differenz ist nicht so groß wie bei den anderen drei Clustern, <strong>für</strong> die ein deutliches Übergewicht<br />
von Personalabbau festgehalten werden muss. Betriebe des Clusters Reorganisa-<br />
tion nennen zwar am häufigsten Personalaufbau, aber auch am häufigsten Personalabbau.<br />
In den Clustern neue Produkte und Computer wird Personalaufbau, wie bereits erwähnt,<br />
eher selten Personalabbau dagegen relativ häufig genannt.<br />
Die Betrachtung der Mittelwerte über alle drei Schwierigkeiten hinweg zeichnet ein klares<br />
Bild: mit den meisten Schwierigkeiten haben die Betriebe des Clusters Reorganisation zu<br />
kämpfen, mit den wenigsten Schwierigkeiten die Betriebe der Cluster technische Innova-<br />
tionen und unspezifisch.<br />
Wird der Durchschnittswert der Erfolge dem Durchschnittswert der genannten Schwierig-<br />
keiten gegenübergestellt, entsteht eine Gruppierung der fünf Innovationscluster, die nicht der<br />
Gruppierung nach den Innovationsaktivitäten entspricht. Bei den Betrieben der Cluster tech-<br />
nische Innovationen und unspezifisch überwiegen die Erfolge gegenüber den Schwierig-<br />
keiten, wobei der größte Abstand mit fast 20 Punkten Prozentsatzdifferenz (Mittelwert Erfolge:<br />
53,1 Prozent – Mittelwert Schwierigkeiten: 34,0 Prozent) im Cluster technische Inno-<br />
vationen auftritt. Auf der anderen Seite halten sich Erfolge und Schwierigkeiten in den Be-<br />
trieben der Cluster Reorganisation, neue Produkte und Computer in etwa die Waage. Ins-<br />
besondere <strong>für</strong> den Cluster Reorganisation bestätigt sich darin die, anhand der ambivalenten<br />
Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung vermuteten zwei Typen von Betrieben mit<br />
gegensätzlichen wirtschaftlichen Lagen. So werden einerseits im Clustervergleich von den<br />
Betrieben des Clusters Reorganisation die meisten Erfolge angegeben, aber auch der<br />
Mittelwert der Schwierigkeiten ist überdurchschnittlich hoch.<br />
2.3 Position im Wettbewerb<br />
Wie bereits kurz umrissen, spielt die Wettbewerbssituation der Betriebe bei der Einschätzung<br />
ihrer wirtschaftlichen Stellung eine große Rolle. Deshalb muss es auch von Interesse sein,<br />
wie sich die Betriebe der einzelnen Cluster im Vergleich zu ihren direkten Wettbewerbern<br />
positionieren und dabei vor allem, welche Verbesserungen sie erzielten.<br />
Vergleicht man die gesamten Nennungen besserer Wettbewerbspositionen der einzelnen<br />
Cluster in Tabelle 8 miteinander, so fällt besonders auf, dass Betriebe des Clusters Com-<br />
puter bis auf den Wettbewerbsfaktor Flexibilität überall am seltensten eine bessere Wett-<br />
bewerbsposition angeben, also bei 5 von 6 Merkmalen. Dem folgend verzeichnet dieser<br />
Cluster auch den geringsten Mittelwert über alle Wettbewerbspositionen hinweg. Stellt man<br />
den Zusammenhang zur wirtschaftlichen Lage der Betriebe her, die ja als relativ gleich-<br />
bleibend mit leichter Tendenz zur Verschlechterung gesehen werden muss, so könnten <strong>für</strong><br />
die nächsten Jahre <strong>für</strong> diese Betriebe durchaus mehr Schwierigkeiten, denen sich diese Be-<br />
triebe stellen müssen, prognostiziert werden.<br />
Ebenso auffällig ist, dass sich Betriebe des Clusters Reorganisation in allen Merkmalen<br />
durchschnittlich oft besser gegenüber direkten Konkurrenten gestellt sehen. Zieht man die<br />
Häufigkeit mit der von diesen Betrieben das Auftreten neuer Wettbewerber angegeben<br />
214
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
wurde mit in Betracht, so kann unterstellt werden, dass <strong>für</strong> diese Betriebe eine neue Konkur-<br />
renzsituation eingetreten ist, die sie zu einer Neuausrichtung ihrer Strategie zwingt.<br />
Der Cluster technische Innovationen verzeichnet bei den Wettbewerbsfaktoren Qualität,<br />
Innovation und Flexibilität im Clustervergleich am häufigsten bessere Wettbewerbspositionen,<br />
der Cluster neue Produkte bei den Faktoren Termintreue und Service/Beratung und<br />
der Cluster unspezifisch bei den Merkmalen Preis und Qualität.<br />
Tabelle 8: Fünf Typen von Innovation und Einschätzung der Wettbewerbsposition<br />
(Anteil in Prozent, dargestellt jeweils „Wettbewerbsposition besser“)<br />
Reorganisation<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272<br />
Qualität 65,8 67,0 64,3 44,7 67,0 61,6<br />
Service/Beratung 62,1 61,4 71,7 51,3 55,5 59,9<br />
Flexibilität 54,2 68,6 51,3 53,8 55,9 58,6<br />
Termintreue 40,1 47,4 64,6 35,2 58,4 48,4<br />
Innovation 46,9 51,2 44,2 29,6 44,0 43,8<br />
Preis 29,2 30,2 30,7 19,5 32,8 28,4<br />
Mittelwert 49,7 54,3 54,5 39,0 52,3 50,1<br />
Noch aufschlussreicher ist die Frage, ob sich die Betriebe in den einzelnen Wettbewerbs-<br />
positionen entscheidend gegenüber den Mitwettbewerbern verbessern konnten. Zu fragen<br />
wäre z.B., ob sich die Bemühungen der Betriebe des Clusters Reorganisation, sich durch<br />
umfangreiche Umstrukturierungs- und Innovationsprozesse Wettbewerbsvorteile zu erarbei-<br />
ten, in den Angaben zur Verbesserung in einzelnen Wettbewerbspositionen manifestieren.<br />
Oder aber, ob <strong>für</strong> den Innovationstyp Computer erfolgreiche Bemühungen zur Verbesserung<br />
von Wettbewerbspositionen erkennbar sind. Ein entsprechendes Bild findet sich in Tabelle 9.<br />
So konzentrieren sich alle Höchstwerte an deutlichen Verbesserungen einzelner Wett-<br />
bewerbsfaktoren auf die Cluster Reorganisation und technische Innovationen. Bezogen<br />
auf die Wettbewerbsfaktoren Preis, Innovation und Service/Beratung weist der Cluster Reor-<br />
ganisation die höchsten Verbesserungsraten auf, bei den anderen Wettbewerbsfaktoren<br />
sind es die Betriebe des Clusters technische Innovationen.<br />
Es gelingt demnach den Betrieben des Clusters Reorganisation sich gegenüber ihren un-<br />
mittelbaren Konkurrenten nach eigener Einschätzung zu verbessern, wodurch die Annahme<br />
gestärkt wird, dass diese Verbesserungen geplant und angestrebt werden.<br />
Der Cluster technische Innovationen verzeichnet mit den Merkmalen Innovation und Quali-<br />
tät zwei seiner Verbesserungshöchstwerte tatsächlich auch bei Wettbewerbsfaktoren, die<br />
bereits in Tabelle 8 als Vorteil <strong>für</strong> die Betriebe dieses Cluster genannt wurden. Beim Merkmal<br />
Termintreue, sind deutliche Verbesserungen zu verzeichnen, obwohl die Betriebe sich ak-<br />
tuell gegenüber direkten Konkurrenten nicht übermäßig besser gestellt sehen.<br />
215
Susanne Winge<br />
Tabelle 9: Fünf Typen von Innovation und deutliche Verbesserung bezüglich... (Anteil<br />
in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
216<br />
Reorganisation<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272 N=1492<br />
Service/Beratung 65,5 55,5 49,6 47,9 47,8 52,9<br />
Qualität 54,3 57,7 53,9 38,8 48,1 51,0<br />
Flexibilität 42,1 48,6 46,5 36,9 46,6 44,6<br />
Innovation 58,9 51,4 32,6 33,3 36,3 42,9<br />
Termintreue 20,3 36,5 33,9 24,0 25,0 29,2<br />
Preis 20,3 16,3 19,1 14,5 15,3 16,7<br />
Mittelwert 43,6 44,3 39,3 32,6 36,5 39,5<br />
Schon fast erwartungsgemäß bilden die Betriebe des Clusters Computer bei den Angaben<br />
zu den Verbesserungen das Schlusslicht. Dies bestätigt auch der vergleichsweise niedrige<br />
Mittelwert über alle Verbesserungen hinweg. Mit diesem Cluster hat sich offenbar ein Typ<br />
von Betrieben herausgebildet, der auf bloße Bestandswahrung ausgerichtet ist und dem da-<br />
mit möglicherweise ein Verschlafen von <strong>für</strong> die Betriebe wichtigen Entwicklungen droht.<br />
Überraschend ist, dass die Betriebe des Clusters unspezifisch fast nur durchschnittliche<br />
Verbesserungsraten aufweisen. Sie sehen sich bei den zwei am höchsten bewerteten Wett-<br />
bewerbsfaktoren Preis und Qualität zwar häufig in einer besseren Wettbewerbspositionen,<br />
aber eine überdurchschnittliche Verbesserung bei bestimmten Wettbewerbsfaktoren ist nicht<br />
erkennbar.<br />
Deutliche Verbesserungen der Betriebe des Clusters neue Produkte sind nur durchschnitt-<br />
lich oft zu verzeichnen. Auffällig ist, dass <strong>für</strong> den Wettbewerbsfaktor Innovation im Vergleich<br />
zum Durchschnitt seltener Verbesserungen genannt werden.<br />
2.4 Mehr Verbesserungserfolge <strong>für</strong> die innovationsvielseitigen<br />
Betriebe<br />
In der Zusammenfassung der Darstellungen, unter Bezugnahme auf die eingangs formu-<br />
lierten Annahmen, ergeben sich folgende Zusammenhänge zwischen dem Innovationsge-<br />
schehen der einzelnen Cluster und ihrer wirtschaftlichen Lage. Zur Erinnerung noch einmal<br />
eine kurze Skizzierung der drei Thesen. These 1 stellte die Frage, aus welchen Gründen In-<br />
novationen initiiert werden. Sind es sich abzeichnende Krisen oder langfristig ausgerichtete<br />
strategische Planungen? These 2 zielte auf den Zeitfaktor, da angenommen werden kann,<br />
dass je eher die Betriebe reagieren, desto mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. These 3<br />
wirft die Frage nach der Fähigkeit der Vorwegnahme sich abzeichnender Entwicklungen auf,<br />
wobei sich diese Frage nicht zwingend <strong>für</strong> alle Betriebe stellen muss.<br />
(1) Cluster Reorganisation: Diesem Innovationstypus gehören offenbar zwei Gruppen von<br />
Betrieben mit gegensätzlicher wirtschaftlichen Lagen an. Zum einen sind das Betriebe,<br />
die ihre wirtschaftliche Situation als gut einschätzen, zum anderen Betriebe, die mit
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Für diese Betriebe kann angenom-<br />
men werden, dass eine schlechte wirtschaftliche Lage in Verbindung mit oder auch ver-<br />
stärkt durch das Auftreten neuer Wettbewerber zur Initiierung tiefgreifender Verände-<br />
rungsprozesse in organisatorischer und technischer Hinsicht geführt hat (siehe These 1).<br />
Es kann vermutet werden, dass eine Senkung der Kosten durch Reorganisationen zuerst<br />
das Überleben der Betriebe sichern soll, parallel dazu aber auch eine längerfristig<br />
ausgerichtete Neupositionierung das Ziel ist. Diesen Betrieben ist es im Sinne von These<br />
2 noch rechtzeitig gelungen sich auf neue Entwicklungen einzustellen.<br />
(2) Cluster technische Innovationen: Diese Betriebe bezeichnen im Vergleich zu allen an-<br />
deren Clustern ihre wirtschaftliche Lage deutlich häufiger als gut, sie nennen tendenziell<br />
seltener Schwierigkeiten und sind alles in allem am zufriedensten mit ihrer Lage. Außer-<br />
dem nennen sie bei drei von sechs Wettbewerbsfaktoren häufiger eine bessere Wettbe-<br />
werbsposition im Vergleich zu direkten Konkurrenten sowie ebenfalls bei drei Merkmalen<br />
deutliche Verbesserungen. Denkbar ist, dass sich diese Betriebe eine gute Wettbewerbs-<br />
position erarbeitet haben, die mit den verfügbaren Ressourcen über weitere Innovations-<br />
prozesse gesichert werden soll. Strategische Planungen gehen hier also dem Innova-<br />
tionsgeschehen voraus.<br />
(3) Cluster neue Produkte: Diese Betriebe zeichnen sich durch eine relativ stabile wirt-<br />
schaftliche Lage aus, die als moderat positiv eingeschätzt wird. Erfolge und Schwierig-<br />
keiten in den letzten drei Jahren werden gleich oft genannt. Diese Betriebe sehen sich<br />
vor allem bei den Wettbewerbsfaktoren Termintreue und Service sowie Beratung im Ver-<br />
gleich zu den direkten Konkurrenten besser gestellt, allerdings sind keine übermäßigen<br />
Verbesserungen zu erkennen. Es kann unterstellt werden, dass <strong>für</strong> diese Betriebe zum<br />
Zeitpunkt der Befragung keine Notwendigkeit bestand, über das Kerninnovationsge-<br />
schehen hinaus Veränderungsprozesse zu initiieren (siehe These 3).<br />
(4) Cluster Computer: Auch diese Betriebe weisen eine ziemlich stabile wirtschaftliche Lage<br />
auf, allerdings im Vergleich zum Cluster neue Produkte mit leicht stärkerer Tendenz zur<br />
Verschlechterung. Zwischen Erfolgen und Schwierigkeiten besteht ein ausgewogenes<br />
Verhältnis. Auffällig ist allerdings, dass sowohl die Einschätzung der aktuellen Wettbe-<br />
werbsposition als auch die Verbesserungen der Position bei den einzelnen Wettbewerbs-<br />
faktoren stark unterdurchschnittlich ist. In beiden Fällen liegt der gebildete Mittelwert<br />
deutlich unter dem Gesamtmittelwert. Für die Betriebe dieses Clusters wird im Rahmen<br />
der vorgenommenen Betrachtung keine strategische Ausrichtung entsprechend einer Be-<br />
wertung der eigenen Situation deutlich. Hier zeigt sich die Bedeutung von These drei.<br />
(5) Cluster unspezifisch: Die diesem Cluster zugeordneten Betriebe zeichnen ein über-<br />
raschend positives Bild der wirtschaftliche Lage. Während die Entwicklung des Ge-<br />
schäfts- und Investitionsvolumens eher positiv verlaufen ist, wird die Ertragslage zwar<br />
nicht allzu schlecht, aber auch nicht allzu positiv eingeschätzt. In den letzten drei Jahren<br />
werden deutlich häufiger Erfolge als Schwierigkeiten angegeben. Für ein Merkmal – Ter-<br />
mintreue – wird überdurchschnittlich oft eine bessere Position im Wettbewerb, <strong>für</strong> alle<br />
anderen Wettbewerbsfaktoren eine durchschnittliche Einordnung genannt. Ähnlich wie <strong>für</strong><br />
217
Susanne Winge<br />
218<br />
den Cluster neue Produkte kann vermutet werden, dass keine Notwendigkeit zur mehr<br />
Innovationsaktivitäten besteht.<br />
Für die ermittelten Cluster sind zwar keine eindeutigen Zuordnungskriterien hinsichtlich der<br />
Strukturmerkmale zu erkennen, aber die Betrachtung der wirtschaftlichen Lage und der Wett-<br />
bewerbsposition zeigt erste Charakteristika der fünf Cluster auf. Die Dichotomisierung der<br />
Cluster in innovationsvielseitig und innovationseinseitig verweist bei den Merkmalen der Ver-<br />
besserung von Wettbewerbsfaktoren auf einen deutlichen Vorteil der innovationsvielseitigen<br />
Betriebe, wenn auch die wirtschaftlichen Ausgangslagen sehr unterschiedlich sind.<br />
3 Personalprobleme und Arbeitsanforderungen als betriebliche<br />
Kontextfaktoren<br />
Nach dem in den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitels zunächst die fünf Typen betrieb-<br />
lichen Innovationsverhaltens vorgestellt und anhand ihrer Strukturmerkmale sowie der wirt-<br />
schaftlichen Lage und Wettbewerbspositionen beschrieben wurden, stehen die Zusammen-<br />
hänge zwischen den fünf Innovationstypen und Aspekten der Kompetenzentwicklung und<br />
Weiterbildung im Mittelpunkt des dritten und vierten Abschnittes. Zunächst werden betrieb-<br />
liche Personalprobleme und Arbeitsanforderungen <strong>für</strong> die fünf Cluster analysiert und im An-<br />
schluss daran, in Abschnitt vier, verschiedene Weiterbildungsarten und Lernformen<br />
vorgestellt und diskutiert.<br />
3.1 Die Rolle von Personalproblemen<br />
Das Auftreten bzw. die Häufigkeit betrieblicher Personalprobleme kann als wichtiger<br />
Indikator <strong>für</strong> die Notwendigkeit betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ge-<br />
wertet werden. Insbesondere in den innovationsstarken Betrieben können durch die mit einer<br />
hohen Wissensintensität verbundenen Anforderungen an die Anpassungs- und Lernfähigkeit<br />
der Mitarbeiter spezielle Personalprobleme auftreten. Andererseits kann angenommen<br />
werden, dass sich bereits bestehende Personalprobleme als Hemmnis im Innovationspro-<br />
zess erweisen. Tabelle 10 bietet einen Überblick über die Personalprobleme der fünf Inno-<br />
vationscluster in absteigender Reihenfolge nach der Häufigkeit ihrer Nennung.<br />
Erstaunlicherweise ist bei dem insgesamt am häufigsten genannten Personalproblem<br />
Fachkräfte vom Arbeitsmarkt zu bekommen keine erhebliche Differenzierung zwischen den<br />
Clustern zu verzeichnen. Nur die Extremwerte der Cluster neue Produkte mit 66 Prozent<br />
und Computer mit 76 Prozent weisen eine größere Differenz auf. Dies spricht da<strong>für</strong>, dass es<br />
sich um ein generelles Personalproblem handelt.<br />
Bei allen anderen Merkmalen nimmt der Cluster Reorganisation eine Sonderstellung ein.<br />
Die Probleme der Führungskräfterekrutierung aber auch der Abwanderung von Fachkräften<br />
treten in diesem Cluster deutlich häufiger auf als in den anderen Clustern. Dabei scheint das<br />
Problem der Führungskräfterekrutierung <strong>für</strong> diesen Cluster eine besondere Rolle zu spielen,<br />
das mindestens von jedem zweiten Betrieb in diesem Cluster – und damit im Vergleich zu<br />
den anderen Clustern deutlich häufiger – angegeben wird. In etwas abgeschwächter Form
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
wird das auch bei den Problemen der Überalterung und der Qualifizierungsdefizite deutlich,<br />
hier weist der Cluster Reorganisation mit die höchsten Werte auf. Hervorzuheben ist der<br />
Umstand, dass Betriebe des Clusters neue Produkte noch stärker als Betriebe des Clusters<br />
Reorganisation auf Qualifizierungsdefizite verweisen.<br />
Tabelle 10: Fünf Typen von Innovation und Personalprobleme (Anteil in Prozent, jeweils<br />
„Angabe trifft zu“)<br />
Fachkräfte vom Arbeitsmarkt<br />
rekrutieren<br />
Führungskräfte vom<br />
Arbeitsmarkt rekrutieren<br />
Reorganisation<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch<br />
Gesamt<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272 N=1512<br />
70,2 69,2 65,9 75,9 71,1 70,6<br />
54,5 40,2 36,9 42,4 38,8 41,8<br />
Nachwuchsmangel 37,1 35,9 35,3 28,6 34,9 34,2<br />
Qualifizierungsdefizite 38,4 34,0 41,4 25,8 25,0 32,3<br />
Abwanderung von<br />
Fachkräften<br />
35,0 27,5 20,3 28,0 21,7 26,4<br />
Überalterung 26,4 14,6 25,0 21,1 14,0 19,0<br />
Fluktuation 14,1 12,9 13,4 11,5 13,6 13,0<br />
Kumulation der Personalprobleme<br />
Drei und mehr 58,6 42,6 49,1 39,6 39,7 44,5<br />
Noch stärker verdeutlicht sich diese Sonderolle, wenn die Kumulation der betrieblichen<br />
Personalprobleme in die Betrachtung einbezogen wird. Betriebe des Clusters Reorgani-<br />
sation geben im Vergleich zu den anderen Clustern doppelt bis dreifach so selten gar keine<br />
Personalprobleme an. Hingegen nennen fast 60 Prozent dieser Betriebe drei und mehr Per-<br />
sonalprobleme. Interessant ist, dass immerhin noch knapp die Hälfte der Betriebe des Clusters<br />
neue Produkte drei und mehr Personalprobleme aufweisen, wohingegen der Cluster<br />
Computer keine besonderen Auffälligkeiten zeigt.<br />
Während also die anderen Cluster bei vereinzelten Personalproblemen besondere Schwierigkeiten<br />
angeben, ist bei den Betrieben des Cluster Reorganisation eine Vielzahl großer<br />
Personalprobleme anzutreffen. Für die beiden am stärksten vom Durchschnitt abweichenden<br />
Probleme kann nur spekuliert werden, ob sie eine Folge der tiefgreifenden Veränderungen<br />
(denkbar hier die Abwanderung von Fachkräften als Problem) oder ein bereits bestehendes<br />
Problem <strong>für</strong> die Bewältigung von Innovationen (hier vermutlich die Probleme bei der<br />
Rekrutierung von Führungskräften) darstellen.<br />
Im Gegensatz dazu unterstreichen die Betriebe des Clusters technische Innovationen noch<br />
einmal ihre gute Position. Nachdem weder wirtschaftliche Schwierigkeiten in besonderem<br />
Maße genannt werden, scheinen auch personelle Probleme kein gravierendes – <strong>für</strong> diesen<br />
Cluster kennzeichnendes – Problem darzustellen.<br />
219
Susanne Winge<br />
3.2 Lernen <strong>für</strong> und in Arbeitsprozesse(n)<br />
Die betriebliche Arbeitsorganisation und daraus resultierende Arbeitsanforderungen spielen<br />
bei der Kompetenzentwicklung eine nicht unerhebliche Rolle. Denn bereits durch den Ar-<br />
beitsalltag können <strong>für</strong> die Mitarbeiter erhebliche Lernanforderung entstehen, die die Fähig-<br />
keiten von Mitarbeitern fordern gleichzeitig aber auch fördern. Deshalb sollen im Folgenden<br />
die fünf Typen hinsichtlich ihrer als hoch bezeichneten Arbeitsanforderungen <strong>für</strong> die quanti-<br />
tativ stärkste Mitarbeitergruppe verglichen werden, wobei geprüft wird, ob sich die Unter-<br />
schiede der Höhe der Innovationsaktivitäten der einzelnen Cluster in Arbeitsanforderungen<br />
wiederspiegeln. Die Ausrichtung auf die quantitativ stärkste Mitarbeitergruppe wurde ge-<br />
wählt, um eine gewisse Repräsentativität der Arbeitsanforderungen <strong>für</strong> den jeweiligen Be-<br />
trieb zu erzielen. Insgesamt werden sechs von elf Arbeitsanforderungen von über 50 Prozent<br />
der Betriebe als hoch eingestuft und weitere zwei von immer noch über 40 Prozent der Be-<br />
triebe. Die entsprechenden Clusterangaben differieren nur wenig. Angesichts dieses Bildes<br />
scheint es sinnvoll sich auf die drei von den jeweiligen Clustern am höchsten bewerteten<br />
Arbeitsanforderungen zu konzentrieren (siehe Abbildung 2).<br />
Die Kombination der drei wichtigsten Arbeitsanforderungen ist <strong>für</strong> jeden der fünf Innova-<br />
tionstypen unterschiedlich. Als einzigstes Merkmal wird unter den drei wichtigsten Arbeits-<br />
anforderungen das Wissen über betriebliche Abläufe von allen Clustern genannt. Ansonsten<br />
ergeben sich unterschiedliche Anforderungsprofile, die sich teilweise durch die Innovations-<br />
spezifika der Cluster teilweise aber auch durch ihre strukturelle Zusammensetzung erklären<br />
lassen. So sind die wichtigsten Arbeitsanforderungen des Clusters Reorganisation unter der<br />
Beachtung des erheblich größeren Anteils mittlerer und größerer Betriebe in diesem Cluster<br />
mit deutlich differenzierterer Arbeitsteilung als in kleinen Betrieben und dem vielfältigen<br />
Innovationsgeschehen zu interpretieren. Daraus erklärt sich zu einem großen Teil die hohe<br />
Betonung der Selbstorganisations- und der Selbstinformationsanforderungen an die Mitar-<br />
beiter.<br />
Abbildung 2: Die drei am höchsten bewerteten Arbeitsanforderungen<br />
Reorganisation Technische<br />
Innovationen<br />
Ständiges Lernen<br />
220<br />
Wissen über<br />
betriebliche<br />
Abläufe<br />
neue Produkte Computer unspezifisch<br />
Wissen über<br />
betriebliche<br />
Abläufe<br />
Zusammenarbeit<br />
mit anderen<br />
Bereichen<br />
Ständiges Lernen<br />
66,0 % 73,4% 73,1% 60,1% 64,2%<br />
Wissen über<br />
betriebliche<br />
Abläufe<br />
Vielfältige<br />
Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten<br />
Zusammenarbeit<br />
mit anderen<br />
Bereichen<br />
Vielfältige<br />
Fähigkeiten und<br />
Fertigkeiten<br />
Selbständige<br />
Regelung von<br />
Spannungen<br />
65,2% 64,0% 67,4% 53,1% 63,3%<br />
Selbständige<br />
Arbeitseinteilung<br />
Zusammenarbeit<br />
mit anderen<br />
Bereichen<br />
Selbständige<br />
Regelung von<br />
Spannungen<br />
Wissen über<br />
betriebliche<br />
Abläufe<br />
Wissen über<br />
betriebliche<br />
Abläufe<br />
63,1% 62,6% 61,2% 52,8% 62,1%
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Hohe Kooperationsanforderungen, die die Beherrschung von oder zumindest das Eindenken<br />
in ganz verschiedenen Arbeitsprozessen voraussetzen oder implizieren, sind <strong>für</strong> die Betriebe<br />
des Clusters technische Innovationen sehr wichtig. In vergleichbarer Form finden sich<br />
diese Anforderungen auch bei den beiden Clustern mit punktuellen technischen Innovationen,<br />
dem Cluster neue Produkte und dem Cluster Computer.<br />
Für Betriebe des Clusters unspezifisch spielen neben Selbstinformations- und Lernanforde-<br />
rungen auch sozial-kommunikative Fähigkeiten eine große Rolle.<br />
Insgesamt betrachtet, scheint es weniger die Vielfalt an Innovationsaktivitäten zu sein, die<br />
eine Auswirkung auf die Arbeitsanforderungen hat, vielmehr ist es die Art der Innovations-<br />
aktivitäten. So erfordern technologische Innovationen, egal welcher Art, offensichtlich häu-<br />
figer einen umfassenden Überblick über betriebliche Vorgänge sowie eine Zusammenarbeit<br />
zwischen einzelnen Abteilungen oder Bereichen. Des Weiteren lassen sich <strong>für</strong> die Cluster-<br />
typen mit eher vielseitiger Innovationsausrichtung unabhängig von der Intensität, also <strong>für</strong> den<br />
Cluster Reorganisation aber auch <strong>für</strong> den Cluster unspezifisch, stärkere Lern- und Selbst-<br />
organisationsanforderungen festhalten.<br />
4 Betriebliche Weiterbildung, Kompetenzentwicklung und<br />
Innovationsstrategien<br />
In diesem Abschnitt interessieren bestimmte Lernarrangements am Arbeitsplatz sowie die<br />
Kombinationen mit formaler Weiterbildung. Es ist zu prüfen, ob sich <strong>für</strong> die unterschiedlichen<br />
Innovationstypen verschiedene Arrangements betrieblicher Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung herauskristallisieren. In Anlehnung an Teil B dieses Forschungsberichts wird die<br />
Vorgehensweise zur betrieblichen Weiterbildung und Kompetenzentwicklung analysiert. Hier-<br />
bei steht nicht mehr die betriebliche Schlüsselgruppe im <strong>Zentrum</strong> der Aufmerksamkeit,<br />
sondern die zahlenmäßig stärkste Mitarbeitergruppe als Kerngruppe.<br />
4.1 Starke Nutzung verschiedener Arten formaler Weiterbildung<br />
Zunächst zu den verschiedenen Formen formaler Weiterbildung (Tabelle 11), wobei zwi-<br />
schen rein internen und rein externen Kursen sowie der Kombination beider Kursarten – hier<br />
Kombination formaler Weiterbildung genannt – unterschieden wird.<br />
Alles in allem ist das Engagement der Betriebe bezogen auf die formale Weiterbildung<br />
außerordentlich hoch. Bei Aufaddierung der einzelnen Werte wird deutlich, dass knapp ein<br />
Drittel der Betriebe des Clusters Computer keine formalen Weiterbildungsaktivitäten ange-<br />
ben. Hingegen sind es bei den anderen Clustern nur zwischen 20 und 15 Prozent der Be-<br />
triebe.<br />
Aber lassen sich <strong>für</strong> die einzelnen Innovationstypen bestimmte Präferenzen <strong>für</strong> einzelne<br />
Formen formeller Weiterbildung erkennen? Der Vergleich der rein internen Weiterbildung in<br />
Form von Kursen, Schulungen oder Seminaren ergibt keine deutlichen Unterschiede in der<br />
Häufigkeit der Nutzung zwischen den einzelnen Innovationsclustern. Allerdings weisen die<br />
221
Susanne Winge<br />
Cluster Reorganisation und neue Produkte eine leicht höhere Präferenz dieser Weiter-<br />
bildungsform auf.<br />
Tabelle 11: Teilnahme der quantitativ stärksten Mitarbeitergruppe an formaler Weiterbildung<br />
(Zeilenprozente, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
222<br />
Reorganisation<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272 N=1512<br />
Nur interne Kurse 26,9 21,3 28,0 20,1 19,4 22,5<br />
Nur externe Kurse 6,6 20,1 13,4 23,5 17,2 17,5<br />
Kombination formaler<br />
Weiterbildung<br />
52,0 44,8 41,4 28,2 46,5 42,0<br />
Gesamt 85,5 86,2 82,2 71,8 83,1 82,0<br />
Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn die ausschließliche Nutzung externer Kurse,<br />
Schulungen oder Seminare betrachtet wird. Hier fällt auf, dass Betriebe des Clusters Re-<br />
organisation die Nutzung externer Seminare etc. in alleiniger Form mit etwa 7 Prozent am<br />
seltensten angeben, hingegen die Betriebe des Clusters Computer mit etwa 24 Prozent am<br />
häufigsten. Weiterhin auffällig ist, dass die Cluster Reorganisation und neue Produkte,<br />
wenn sie keine Kombination formaler Weiterbildung präferieren, eher auf interne als auf ex-<br />
terne Angebote zurückgreifen. Bei allen anderen Clustern ist keine Tendenz hin zu einer<br />
Weiterbildungsform zu erkennen.<br />
Eine Kombination von internen und externen Seminaren weisen Betriebe des Clusters Re-<br />
organisation mit 52 Prozent am häufigsten und Betriebe des Clusters Computer mit 28<br />
Prozent am seltensten auf.<br />
Drei Tendenzen lassen sich aus der Verbreitung formeller Weiterbildung in den Betrieben<br />
der einzelnen Cluster <strong>für</strong> die jeweils zahlenmäßig stärkste Mitarbeitergruppe festhalten:<br />
(1) Insgesamt findet sich sehr hohes Maß an formalen Weiterbildungsaktivitäten in den<br />
Betrieben.<br />
(2) Ausschließlich externe Weiterbildungsmaßnahmen werden von Betrieben der Cluster Re-<br />
organisation und neue Produkte deutlich seltener genutzt.<br />
(3) Betriebe des Clusters Computer nennen eine Kombination von internen und externen<br />
Kursen vergleichsweise selten und fallen insgesamt durch ein weniger starkes Weiter-<br />
bildungsengagement auf.<br />
4.2 Formen des Lernens<br />
Neben der formellen Weiterbildung interessieren vor allem auch verschiedene Formen infor-<br />
mellen Lernens zur Erarbeitung unterschiedlicher Typen betrieblicher Kompetenzentwick-<br />
lung. Gerade diese Lernformen haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen<br />
und es wird angenommen, dass sie in innovativen Betrieben eine besondere Rolle spielen,<br />
da in diesen Betrieben ein breiter Zugang zu Wissen ein Erfolgsfaktor im Innovationsprozess
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
darstellt. Dies kann durch verschiedene Formen des informellen Lernens gewährleistet<br />
werden. Zunächst ein erster Überblick über die einzelnen Formen des informellen Lernens<br />
abgebildet in Tabelle 12.<br />
Die beiden, bereits bei formaler Weiterbildung als sich gegenüberstehend festgehaltenen,<br />
Cluster Reorganisation und Computer unterscheiden sich auch bezogen auf die Nutzungs-<br />
häufigkeit der informellen Weiterbildung. Während sich der Cluster Reorganisation durch<br />
eine durchweg hohe Nutzungshäufigkeit auszeichnet, bildet der Cluster Computer bei nahe-<br />
zu allen Merkmalen das Schlusslicht. Besonders auffällig wird die Gegensätzlichkeit der<br />
beiden Cluster bei der Betrachtung des Mittelwertes. Die Differenz liegt hier knapp oberhalb<br />
der 20 Prozent-Marke.<br />
Tabelle 12: Teilnahme der quantitativ stärksten Mitarbeitergruppe an informeller Weiterbildung<br />
(Anteil in Prozent, jeweils Angabe „trifft zu“)<br />
Reorganisation<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272 N=1512<br />
Unterweisung 84,8 78,7 88,4 67,8 81,3 79,2<br />
Lesen von<br />
Fachzeitschriften<br />
73,7 67,4 59,1 62,8 75,0 67,3<br />
Gruppenarbeit 68,2 50,8 51,9 32,9 47,4 48,9<br />
Vorträge, Messen 39,1 54,8 50,0 36,6 48,9 47,1<br />
Qualitätszirkel 66,5 44,6 36,6 32,5 43,8 43,5<br />
Lernen am<br />
Computer<br />
33,3 41,0 30,2 19,2 19,9 29,9<br />
Patenschaften 36,9 24,8 22,8 7,1 22,4 21,9<br />
Jobrotation 27,8 29,7 16,4 8,7 11,8 16,8<br />
Mittelwert 53,8 49,0 44,4 33,5 43,8 44,3<br />
Des Weiteren gibt es mit den Merkmalen Qualitätszirkel, Patenschaften und Gruppenarbeit<br />
eine ganze Reihe von Lernformen, die von den Betrieben des Clusters Reorganisation im<br />
Vergleich zu den anderen Clustern deutlich häufiger genutzt werden.<br />
Für die drei anderen Cluster technische Innovationen, neue Produkte und unspezifisch<br />
sind bei vielen Merkmalen ähnliche Häufigkeiten zu konstatieren, obwohl der Cluster tech-<br />
nische Innovation einen etwas höheren Mittelwert der Nutzungshäufigkeit verglichen mit<br />
den beiden anderen Clustern aufweist. Größere Unterschiede zwischen den Clustern treten<br />
bei Unterweisung durch Vorgesetzte, Jobrotation, Lernen am Computer und Lesen von<br />
Fachzeitschriften auf.<br />
Es ist an dieser Stelle lohnenswert einen genaueren Blick auf diese drei Cluster zu richten.<br />
Bezogen auf die formelle Weiterbildung unterscheiden sich die Cluster technische Inno-<br />
vationen und unspezifisch nur sehr unwesentlich voneinander, einzig der Cluster neue<br />
Produkte weist ein stärkere Tendenz zu ausschließlich internen Weiterbildungsoptionen auf.<br />
Die informellen Lernformen Qualitätszirkel, Patenschaften, Gruppenarbeit sowie Besuch von<br />
223
Susanne Winge<br />
Vorträgen, Messen und Tagungen werden von den drei Clustern etwa gleich häufig genutzt.<br />
Dabei kommen in den Betrieben des Clusters technische Innovationen Jobrotation und<br />
Lernen am Computer, in den Betrieben des Clusters neue Produkte Unterweisungen durch<br />
Vorgesetzte und in den Betrieben des Clusters unspezifisch Lesen von Fachzeitschriften<br />
deutlich häufiger im Vergleich der drei Cluster zur Anwendung. Für den Cluster neue Pro-<br />
dukte lässt sich daraus auf eine stärkere Ausrichtung auf innerbetriebliche Lernarrange-<br />
ments schließen, wohingegen Betriebe des Clusters technische Innovationen durch eine<br />
Nutzung vielfältiger Lernformen gekennzeichnet sind.<br />
Die einzelnen Merkmale können zwei Gruppen des informellen Lernens zugeordnet werden.<br />
Die erste Gruppe umfasst Formen des arbeitsintegrierten Lernens. Dazu gehören die Merk-<br />
male Qualitätszirkel, Unterweisung durch Vorgesetzte, Patenschaften, Jobrotation sowie<br />
Gruppenarbeit. Der zweiten Gruppe können die Merkmale Lernen am Computer, Lesen von<br />
Fachzeitschriften und Besuch von Vorträgen und Messen zugeordnet und als Formen<br />
selbstgesteuerten Lernens bezeichnet werden (siehe Tabelle 13).<br />
Beim Cluster Reorganisation haben die Formen des arbeitsintegrierten Lernens, ermittelt<br />
durch den Durchschnitt aller fünf einbezogen Merkmale, einen höheren Stellenwert als die<br />
Formen des selbstgesteuerten Lernens, hier ebenfalls ermittelt über den Durchschnitt der<br />
drei Lernformen. Dieser Cluster weist also eine sehr starke Orientierung auf Kompetenzent-<br />
wicklung durch tätigkeitsnahe Lernformen auf.<br />
Tabelle 13: Formen des Lernens und der Wissensbedarfe (Mittelwert prozentuiert über<br />
die zugeordneten Merkmale)<br />
Arbeitsintegriertes<br />
Lernen<br />
Selbstgesteuertes<br />
Lernen<br />
224<br />
Reorganisation Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272<br />
56,8 45,7 43,2 29,8 41,3<br />
48,7 54,4 46,4 39,5 47,9<br />
Wissensverteilung 74,2 41,7 45,9 28,2 37,7<br />
Wissensbeschaffung 39,8 47,4 40,8 41,0 47,0<br />
Für die Cluster neue Produkte und unspezifisch sind zwar tendenzielle Präferenzen er-<br />
kennbar, aber nicht sehr ausgeprägt. Die Nutzung beider Lernformen erfolgt etwa gleich<br />
gewichtig, obwohl bei den Betrieben beider Cluster selbstgesteuertes Lernen eine etwas grö-<br />
ßere Rolle als arbeitsintegrierte Lernformen spielt.<br />
Ein Übergewicht selbstgesteuerter Lernformen gegenüber arbeitsintegrierter Lernformen verzeichnen<br />
die Cluster technische Innovationen und Computer.<br />
Die in die Betrachtungen eingegangenen Merkmale können auch hinsichtlich ihrer Wissens-<br />
bedarfe zusammengefasst und verglichen werden. Das kann als ein Indiz da<strong>für</strong>, welche<br />
Wissensarten in den Betrieben der einzelnen Cluster von großer Bedeutung sind, gewertet
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
werden. Eine interne Orientierung zeichnet sich durch Wissensverteilung innerhalb eines Be-<br />
triebes aus. Hierunter wären die Merkmale nur interne Weiterbildung, Unterweisung, Paten-<br />
schaften, Jobrotation, Qualitätszirkel und Gruppenarbeit zu subsumieren. Die Formen des<br />
arbeitsintegrierten Lernens werden also ergänzt um die internen Kurse und Seminare. Eine<br />
externe Orientierung zielt auf Wissensbeschaffung von außen. Sie umfasst die Merkmale<br />
ausschließlich externe Weiterbildung, Lesen von Fachzeitschriften sowie Besuch von Vor-<br />
trägen, Messen, Tagungen. Im Teil B wird diese Form der Wissensbeschaffung auch als<br />
‚bildungsaffine’ Form bezeichnet.<br />
Die größte Differenz zwischen den beiden Orientierungen entsteht im Cluster Reorgani-<br />
sation mit eindeutigem Schwerpunkt auf der Verteilung des Wissens im Betrieb. Eine stär-<br />
kere Betonung einer Orientierung an Maßnahmen zur Wissensbeschaffung ist charakteristisch<br />
<strong>für</strong> die Betriebe der Cluster Computer und unspezifisch. Die Differenzen zwischen<br />
den beiden Arten von Wissensbedarfen sind bei den Betrieben der Cluster technische<br />
Innovationen und neue Produkte geringer und liegen unter der zehn Prozent-Marke. Den-<br />
noch weist der Cluster technische Innovationen eine stärkere Orientierung hin zur Wis-<br />
sensbeschaffung und im Gegensatz dazu der Cluster neue Produkte eine Orientierung hin<br />
zur Wissensverteilung auf.<br />
4.3 Die Extrempositionen der Cluster Reorganisation und Computer.<br />
Eine Zwischenbilanz<br />
Es lassen sich <strong>für</strong> die einzelnen Cluster unterschiedliche Vorgehensweisen bei Aspekten der<br />
betrieblichen Weiterbildung und Kompetenzentwicklung skizzieren. Dabei muss zunächst<br />
festgehalten werden, dass die Betriebe der fünf Innovationscluster ein breites Spektrum an<br />
Lernformen nutzen, jedoch Unterschiede bei der Verbreitung einzelner Formen auftreten.<br />
Deutlich wird, dass es Zusammenhänge zwischen Innovationsstrategien und Formen von<br />
Kompetenzentwicklung gibt, diese laufen aber in den einzelnen Innovationsclustern in ver-<br />
schiedene Richtungen. Eingeführt wurde bereits die Unterscheidung zwischen Clustern mit<br />
hohen Innovationsaktivitäten und Clustern mit punktuellen Innovationsaktivitäten, aber es ist<br />
festzustellen, dass auch innerhalb dieser Gruppen Unterschiede auftreten.<br />
(1) Cluster Reorganisation: Dieser Innovationstyp engagiert sich überdurchschnittlich stark<br />
<strong>für</strong> arbeitsplatznahe Lernformen, ergänzt durch relativ häufige Kombination beider for-<br />
maler Weiterbildungsformen. Er ist stark innenorientiert, was sich durch den hohen Stel-<br />
lenwert von Maßnahmen zur Wissensverteilung ausdrückt.<br />
(2) Cluster technische Innovationen: Betriebe dieses Clusters nutzen arbeitsplatznahe<br />
Lernformen häufig aber nicht überdurchschnittlich oft. Im Gegensatz dazu wird dem<br />
selbstgesteuerten Lernen in diesen Betrieben ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Die-<br />
ser Cluster weist zwar eine leichte Tendenz zur Wissensbeschaffung auf, aber eine ein-<br />
deutige Zuordnung zu einer der beiden Orientierungen ist nicht möglich.<br />
(3) Cluster neue Produkte: Keine eindeutige Positionierung lässt dieser Cluster erkennen.<br />
Relativ ausgewogen bewegen sich die Betriebe zwischen den Lernformen und auch<br />
zwischen den Wissensbedarfen.<br />
225
Susanne Winge<br />
(4) Cluster Computer: Ein im Vergleich zu den anderen Cluster eher schwaches Weiter-<br />
226<br />
bildungsengagement ist Kennzeichnen dieses Clusters. Selbstgesteuertes Lernen wird<br />
deutlich häufiger genutzt als arbeitsintegriertes Lernen und eine stärkere Fokussierung<br />
der Wissensbeschaffung ist zu erkennen.<br />
(5) Cluster unspezifisch: Obwohl dieser Cluster die verschiedenen Lernformen ausge-<br />
wogen nutzt, wird eine stärkere Außenorientierung durch Wissensbeschaffung deutlich.<br />
Die verschiedenen Formen des informellen Lernens nutzen die vielseitigen Innovationstypen<br />
deutlich häufiger als die anderen Cluster. Wenn man in Betracht zieht, dass sich die Cluster<br />
Reorganisation und technische Innovationen durch eine größere Bandbreite von Inno-<br />
vationsaktivitäten von den anderen beiden Clustern unterscheiden, bestätigt sich als eine<br />
Schlussfolgerung, dass informelles Lernen umso wichtiger wird je vielseitiger die Innova-<br />
tionen sind. Noch zugespitzter kann man formulieren, dass Betriebe, die auch arbeitsorga-<br />
nisatorische Innovationen in Angriff nehmen, die verschiedenen Spielarten informellen Ler-<br />
nens deutlich häufiger nutzen, auch wenn dabei Unterschiede in der Art der informellen<br />
Lernformen auszumachen sind.<br />
4.4 Bedeutungszunahme verschiedener Formen von Weiterbildung<br />
und Kompetenzentwicklung<br />
In den letzten Jahren hat sich das Weiterbildungsverhalten der Betriebe verändert. So haben<br />
bestimmte Lernformen an Bedeutung gewonnen, andere wiederum von denen vermutet<br />
wurde, dass sie eine große Rolle spielen könnten, haben nur geringere Bedeutung erlangt.<br />
Interessant ist bei den Fragen zur Weiterbildung und Kompetenzentwicklung, ob bestimmte<br />
Lernformen im Vergleich zu anderen stärker an Bedeutung <strong>für</strong> die Betriebe gewonnen<br />
haben. Vorstellbar sind zwei Zusammenhänge, die geprüft werden sollen: Zum einen können<br />
Lernformen an Bedeutung gewinnen, die von dem Betrieb bereits genutzt werden. Oder aber<br />
es wird zweitens Lernformen, die bisher wenig verwendet wurden, mehr Bedeutung zuge-<br />
messen.<br />
Wie sieht das <strong>für</strong> die einzelnen Cluster aus? Lassen sich <strong>für</strong> die unterschiedlichen Lernprofile<br />
auch entsprechende Bedeutungszunahmen verzeichnen oder nicht? In Tabelle 14 sind die<br />
Bedeutungszunahmen <strong>für</strong> verschiedene Formen der Kompetenzentwicklung und Weiter-<br />
bildung dargestellt. Dabei wurden nur die Betriebe um eine Einschätzung gebeten, die ange-<br />
geben hatten diese Lernform zu nutzen.<br />
Zunächst fällt auf, dass bei sechs von zehn Lernformen mindestens jeder zweite Betrieb, der<br />
Erfahrungen mit dieser Lernform gesammelt hat, eine Bedeutungszunahme angibt. Insge-<br />
samt bestätigt sich damit der hohe Stellenwert von Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung in den Betrieben.<br />
In der Mehrheit der befragten Betriebe wird angegeben, dass genau die Lernformen an<br />
Bedeutung gewonnen haben, mit denen die Betriebe bereits stark arbeiten. Das ist ein Hin-<br />
weis darauf, dass das zunehmende Interesse der Betriebe den Lernformen zugute kommt,
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
die <strong>für</strong> den Betrieb charakteristisch sind. Insofern scheint es verbreitet einen Selbstlern- und<br />
Selbstverstärkungsprozess zu geben.<br />
Tabelle 14: Bedeutungszunahme der Weiterbildungs- und Lernformen (Anteil in Prozent,<br />
jeweils Angabe „Trifft zu“)<br />
Lernen am<br />
Computer<br />
Reorganisation Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
44,6 66,7 54,8 51,4 56,4 57,3<br />
Interne Kurse 55,1 54,6 59,9 58,0 53,7 56,0<br />
Gruppenarbeit 65,8 55,3 59,1 36,9 55,0 54,9<br />
Qualitätszirkel 66,9 43,4 49,6 53,3 62,3 53,5<br />
Unterweisung 59,9 50,3 50,9 49,6 57,0 52,9<br />
Externe Kurse 41,8 50,4 44,2 54,9 54,7 50,1<br />
Patenschaften 55,7 43,8 44,3 54,5 49,3 48,6<br />
Lesen von<br />
Fachzeitschriften<br />
34,9 47,0 27,1 40,2 36,3 39,0<br />
Jobrotation 29,3 34,8 35,7 46,8 57,9 38,6<br />
Vorträge,<br />
Messen<br />
29,7 37,2 35,1 25,0 36,9 33,3<br />
Eine Ausnahme bildet die Bewertung der Lernform Jobrotation durch die Betriebe des Clusters<br />
Computer. Trotz der eher vereinzelten Nutzung dieser Lernform, wird ein deutlicher Be-<br />
deutungsgewinn angegeben.<br />
Um das aufgezeigte Bild noch weiter zu schärfen, werden abschließend die Einschätzungen<br />
der Betriebe der einzelnen Cluster zum Stellenwert formaler Weiterbildung und betrieblicher<br />
Kompetenzentwicklung in Tabelle 15 gegenübergestellt.<br />
Besonders auffällig ist zunächst die hohe Betonung der Eigeninitiative von Mitarbeitern durch<br />
die Betriebe aller Cluster, wobei aber doch erhebliche Unterschiede zwischen den Clustern<br />
zu verzeichnen sind. Dreiviertel der Betriebe des Clusters Reorganisation schätzen die<br />
Eigeninitiative der Mitarbeiter als wichtig ein, im Gesamtdurchschnitt sind es knapp 64 Prozent.<br />
Deutlich seltener hingegen nennen Betriebe des Clusters Computer diese Einschät-<br />
zung, allerdings stellen diese Betriebe auch geringere Partizipations- und Selbstorganisa-<br />
tionsanforderungen an ihre Mitarbeiter.<br />
Mit einem insgesamt ähnlich hohen Prozentwert sehen die Betriebe auch sich selbst in der<br />
Verantwortung Lernprozesse in die Arbeit zu integrieren. Allerdings erreichen bei diesem<br />
Merkmal die Spitzenwerte nur bei Betrieben des Clusters neue Produkte das Niveau der<br />
Einschätzung zur Eigeninitiative der Mitarbeiter.<br />
Der Aussage, dass Angebote formalisierter Weiterbildung, wie z.B. Kurse und Seminare eine<br />
große Rolle spielen, stimmen nur noch etwas mehr als ein Drittel der Betriebe völlig zu und<br />
im Schnitt jeder vierte Betrieb bejaht den hohen Stellenwert arbeitsnaher Formen des<br />
227
Susanne Winge<br />
Lernens. Die Einschätzungen durch die Betriebe aller Cluster weichen bei diesen Merkmalen<br />
nicht gravierend voneinander ab.<br />
Tabelle 15: Einschätzung zum Stellenwert der Weiterbildung (Anteil in Prozent, jeweils<br />
Angabe „Trifft völlig zu“)<br />
Hohes Maß an<br />
Eigeninitiative<br />
Integration von<br />
Lernen in Arbeit<br />
Große Rolle<br />
formaler<br />
Weiterbildung<br />
Hoher Stellenwertarbeitsnahen<br />
Lernens<br />
228<br />
Reorganisation<br />
Technische<br />
Innovationen<br />
neue<br />
Produkte<br />
Computer unspezifisch Gesamt<br />
N=198 N=488 N=232 N=323 N=272 N=1512<br />
75,6 70,2 67,5 49,5 57,2 63,8<br />
67,7 66,6 68,8 51,4 58,7 62,4<br />
38,4 37,0 36,4 25,7 37,6 34,9<br />
30,8 25,6 26,4 26,3 25,1 26,4<br />
Insgesamt wird deutlich, dass von Seiten der Betriebe in starkem Maße den Mitarbeitern<br />
eine Verantwortung <strong>für</strong> ihre eigene Weiterbildung zugesprochen aber gleichzeitig auch das<br />
betriebliche Bemühen betont wird. Dabei sind es wiederum die arbeitsnahen Lernformen, auf<br />
die die Betriebe ihren Schwerpunkt legen.<br />
5 Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Die in diesem Kapitel vorgestellten Typen betrieblichen Innovationsverhaltens verweisen auf<br />
die Vielfalt und die hohe Komplexität der erklärenden Kontextfaktoren. Insbesondere die wirt-<br />
schaftliche Lage der Betriebe verbunden mit ihrer Position im Wettbewerb sowie auch die<br />
Nutzung verschiedener Lernformen unterscheidet die Betriebe der fünf Innovationscluster<br />
voreinander. Strukturmerkmale hingegen haben eher geringe Bedeutung. Zusammenfas-<br />
send seien die Hauptunterschiede zwischen den Clustern noch einmal skizziert:<br />
(1) Cluster Reorganisation: Die betrieblichen Rahmenbedingungen dieses Clusters sind<br />
durch vielfältige Schwierigkeiten gekennzeichnet. Die Nutzung ausschließlich externer for-<br />
maler Weiterbildung erfolgt eher nachrangig, eine große Bedeutung hingegen hat die Kom-<br />
bination der formalen Weiterbildungsarten interne und externe Kurse. Zudem zeichnen sich<br />
diese Betriebe durch eine hohe Nutzungshäufigkeit bei den verschiedenen Spielarten des<br />
informellen Lernens aus, wobei besondere Aufmerksamkeit auf arbeitsintegrierte Lernfor-<br />
men, <strong>für</strong> die auch ein hoher Bedeutungszuwachs zu konstatieren ist, gelegt wird. Nicht ein<br />
Gewinn an neuen Wissen, sondern vielmehr die Verteilung des Wissens unter den Mitar-<br />
beitern scheint <strong>für</strong> Betriebe mit derart vielfältigem Innovationsgeschehen hauptsächlich. Aus<br />
einem „Leidensdruck“ heraus versuchen sich diese Betriebe sich unter ihren Konkurrenten<br />
neu zu positionieren. Dabei wird verstärkt auf eine effizientere Organisation der Arbeitsab-<br />
läufe gesetzt.
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
(2) Cluster technische Innovationen: Die wirtschaftliche Lage dieser Betriebe ist als positiv<br />
einzuschätzen, Verbesserungserfolge stärken das positive Bild noch. Hauptaugenmerk wird<br />
von diesen Betrieben eher auf die Erarbeitung neuen Wissens gelegt, Wissensverteilung<br />
spielt dahingegen eine deutlich kleinere Rolle. Die verschiedenen Formen der formalen Wei-<br />
terbildung werden entsprechend dem Gesamtdurchschnitt eingesetzt und stehen neben<br />
einer überdurchschnittlich starken Nutzung von Lernformen des selbstgesteuerten Lernens.<br />
Im Fall dieses Clusters spricht die gute und stabile Wettbewerbslage bei hohem und viel-<br />
seitigen Weiterbildungsengagement <strong>für</strong> eine Zukunftsinvestition als Basis <strong>für</strong> die Sicherung<br />
von Wettbewerbsvorsprüngen.<br />
(3) Cluster neue Produkte: Betriebe dieses Clusters beurteilen ihre wirtschaftliche Lage mo-<br />
derat positiv, bei leichter Stagnation des Geschäftsvolumens. Eine Kombination beider for-<br />
maler Weiterbildungsformen wird durchschnittlich oft genutzt, des Weiteren werden eher rein<br />
interne als rein externe Kurse eingesetzt. Bei durchschnittlicher Nutzung informeller Lern-<br />
formen lässt sich keine Präferenz <strong>für</strong> arbeitsintegriertes oder selbstgesteuertes Lernen fest-<br />
halten. Insgesamt hat die Verteilung von Wissen eine höhere Bedeutung <strong>für</strong> diese Betriebe<br />
als die Beschaffung neuen Wissens.<br />
(4) Cluster Computer: Trotz einer guten Beurteilung der Ertragslage, ist das Geschäftsvo-<br />
lumen dieser Betriebe seltener angestiegenen und auch die Stellung im Wettbewerb wird<br />
nicht sehr positiv eingeschätzt. Bei den Aspekten der Weiterbildung und Kompetenzentwick-<br />
lung stellen diese Betriebe oftmals das Schlusslicht dar. Formale Weiterbildung wird ver-<br />
gleichsweise wenig angeboten und die verschiedenen Formen des informellen Lernens er-<br />
setzen die formale Weiterbildung nicht, sondern werden ähnlich selten eingesetzt. Selbstge-<br />
steuerte Lernformen haben dabei den höheren Stellenwert.<br />
(5) Cluster unspezifisch: Die wirtschaftliche Lage, mit insgesamt mehr Erfolgen als Schwie-<br />
rigkeiten, wird relativ gut beurteilt, obwohl die Einschätzung der Ertragslage nicht so gut ist.<br />
Die verschiedenen Spielarten formaler Weiterbildung und informellen Lernens finden sich<br />
durchschnittlich oft bei diesen Betrieben, wobei eine Akzentsetzung auf Formen des selbst-<br />
gesteuerten Lernens deutlich wird. Eine besondere Bedeutungszunahme erfahren die Lern-<br />
formen Jobrotation und Qualitätszirkel, was insofern beachtenswert ist, als dass dies arbeits-<br />
integrierte Lernformen sind und sich in dieser Einschätzung möglicherweise ein Richtungs-<br />
wechsel beim Einsatz informeller Lernformen der Betriebe abzeichnet.<br />
Betriebe initiieren demnach Innovationen aus ganz unterschiedlichen Motivationen, die<br />
letztlich aber alle das langfristige Ziel verfolgen, den Platz des Unternehmens am Markt zu-<br />
mindest zu behaupten. Es konnte gezeigt werden, dass auch die innovationsaktiven Betriebe<br />
ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen aufweisen. Während <strong>für</strong> den Cluster Reorga-<br />
nisation eine verstärkte Konkurrenzsituation bei, zumindest <strong>für</strong> einen Teil der Betriebe, wirt-<br />
schaftlichen Schwierigkeiten Hauptantriebskraft ist, zielen die Innovationsprozesse im Cluster<br />
technische Innovationen auf Verbesserungen von Wettbewerbspositionen ohne<br />
direkten wirtschaftlichen Druck. Eine wichtige Voraussetzung ist <strong>für</strong> alle Betriebe die Fähig-<br />
keit, die eigenen aktuellen Bedingungen in Beziehung zu allgemeinen und <strong>für</strong> den Betrieb<br />
relevanten wirtschaftlichen Entwicklungen zu setzen und daraus Strategien <strong>für</strong> die Zukunft zu<br />
entwickeln.<br />
229
Susanne Winge<br />
Die Betriebe der einzelnen Cluster nutzen ein breites Spektrum der verschiedenen Lern-<br />
formen, dennoch treten die innovationsaktiven Betriebe der Cluster Reorganisation und<br />
Innovation insbesondere durch die deutlich stärkere Nutzung informeller Lernformen hervor.<br />
Hierin zeigt sich, dass durch eine hohe Innovationsaktivität in den Betrieb ein Bedarf an<br />
Wissen entsteht, der nicht über alleinige formale Weiterbildung zu decken ist. Dabei ist es<br />
abhängig von der Art des Innovationsgeschehens, welche Lernformen stärker ausgeprägt<br />
sind.<br />
Es sind also mindestens zwei Aspekte des Zusammenhangs von Innovation und Kompe-<br />
tenzentwicklung festzuhalten. In erster Linie spielt die Häufigkeit von Innovationen eine gro-<br />
ße Rolle. In Betrieben mit vielfältigem Innovationsgeschehen scheint ein Bedarf an Wissen<br />
und auch ein Bedarf an breiter Verankerung des Wissens zu entstehen, der vor allem durch<br />
Lernen in der Arbeit bewältigt werden kann. Traditionelle Weiterbildungsmaßnahmen können<br />
diesen Bedarfen nicht genügen. Der zweite zu berücksichtigende Aspekt ist die Art der<br />
Innovation. Organisatorische Innovationen erzeugen andere Wissensbedarfe als technolo-<br />
gische Innovationen und führen dementsprechend zur Nutzung anderer Lernformen.<br />
6 Schlussfolgerungen und Ausblick<br />
Ziel dieses Berichtsteils war den Zusammenhang zwischen betrieblichen Innovationen und<br />
Kompetenzentwicklung unter verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Einige Forschungs-<br />
fragen, die den Rahmen <strong>für</strong> das Projekt und die Befragung bildeten, stehen folglich im<br />
Mittelpunkt des Interesses des Teil C dieses Forschungsberichtes. Dies sind Fragen, wie:<br />
• Welche Beziehungen gibt es zwischen den Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben und<br />
230<br />
ihrem Innovationsverhalten?<br />
• Setzen innovative Betriebe in besonderem Maße auf bestimmte oder bestimmte Kom-<br />
binationen von Lehr- und Lernarrangements in der Arbeit?<br />
Im ersten Kapitel standen zunächst betriebliche Innovationsaktivitäten in ihrer Gesamtheit<br />
und in ihrer Bedeutung im Vordergrund. Es zeigte sich ein hohes Maß an Innovationsaktivi-<br />
täten auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen, auch wenn Größenklasseneffekte auf<br />
mehr Innovationsaktivitäten der größeren Betriebe verweisen. Technologische Innovationen<br />
treten dabei insgesamt deutlich häufiger auf als organisatorische Innovationen. Allerdings<br />
finden organisatorische Innovationen und das ist ein erstes wichtiges Ergebnis vornehmlich<br />
im Rahmen eines umfangreichen betrieblichen Innovationsgeschehens statt. Diese Er-<br />
kenntnis führte zu der Frage, worin die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von<br />
Innovationsarten liegen, die den Rahmen des zweiten Kapitels bildet.<br />
Insbesondere bei der Veränderung der Anforderungsprofile und dem damit sichtbaren Bedarf<br />
an Kompetenzentwicklung durch eine konkrete Innovation entweder technologischer oder<br />
organisatorischer Art verdeutlichen sich die besonderen – nicht zu unterschätzenden –<br />
Herausforderungen, die organisatorische Innovationen an die Betriebe stellen. Das ist ein<br />
zweites wichtiges Ergebnis. Die Problemlagen, die diese Innovationsarten aufwerfen sind<br />
wesentlich komplexer und <strong>für</strong> die Betriebe damit deutlich schwerer handhabbar als dies bei<br />
den Produkt- und Technikinnovationen der Fall ist. Zugleich zeigte sich die Notwendigkeit,
Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Innovationen in ihrem betrieblichen Gesamtkontext zu betrachten, da bei der Herangehens-<br />
weise des Vergleichs singulärer, konkreter Innovationen wichtige Aspekte betrieblicher Wei-<br />
terbildung und Kompetenzentwicklung offen blieben.<br />
Aus diesem Grund wurden im dritten abschließenden Kapitel unter Verwendung einer Clus-<br />
teranalyse ermittelte Typen des betrieblichen Innovationsgeschehens betrachtet. Dabei kris-<br />
tallisieren sich mit den Clustern Reorganisation und technische Innovationen zwei Typen<br />
von Betrieben heraus, deren Innovationsintensität und -vielfalt sich deutlich von den anderen<br />
drei Clustern absetzt. Hervorgehoben wurde die Bedeutung der wirtschaftlichen Lage einer-<br />
seits als Initiator umfangreicher betrieblicher Veränderungen aufgrund schlechter wirtschaft-<br />
licher Lage und andererseits als förderliche Rahmenbedingung durch höhere Ressourcen-<br />
verfügbarkeit bei guter wirtschaftlicher Lage. Ein weiteres wichtiges Ergebnis findet sich in<br />
der Beziehung zwischen der Nutzung informeller Lernformen und den Innovationsaktivitäten.<br />
Betriebe mit weitreichendem Innovationsgeschehen nutzen informelle Lernformen teils<br />
deutlich häufiger. Die Bedeutung dieser Lernformen ist noch erheblich größer, wenn umfang-<br />
reiche organisatorische Innovationen umgesetzt werden. Dabei unterscheiden sich die ein-<br />
gesetzten Lernformen wiederum nach der Art der Innovationen.<br />
Bemerkenswert und von hohem Interesse <strong>für</strong> künftige Forschungen ist die sehr hoher Zahl<br />
innovationsstarker kleiner und mittlerer Betriebe, wobei zu beobachten ist, dass sich diese<br />
Betriebe vornehmlich auf Produkt- und Technikinnovationen konzentrierten. Organisa-<br />
torische Innovationen hingegen werden von Betrieben dieser Größe vernachlässigt. Dabei<br />
sind sie notwendig um bessere Rahmenbedingungen <strong>für</strong> das Innovationsgeschehen der Be-<br />
triebe zu schaffen. Notwendig wäre hier eine stärkere Unterstützung der Betriebe. Eine reine<br />
Fokussierung auf die Förderung der betrieblichen Fort- und Weiterbildung kann deshalb nur<br />
von begrenzter Wirksamkeit sein. Vielmehr müssen die Betriebe auch bei der Veränderung<br />
der Organisationsformen der Arbeitsprozesse unterstützt werden. Dazu gehört auch die Be-<br />
reitstellung von Instrumentarien zur Förderung organisatorischer Innovationen, die die Rah-<br />
menbedingungen <strong>für</strong> lernunterstützende Arbeitsprozesse schaffen können.<br />
231
Silvio Buchheim<br />
Teil D<br />
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Silvio Buchheim<br />
1 Einleitend<br />
Die Einstellung neuer Mitarbeiter gehört zu dem Bereich unternehmerischer Entscheidungen,<br />
mit denen die Personal- und Qualifikationsstruktur der Betriebe an veränderte Anforderungen<br />
des Marktes angepasst werden kann. In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen<br />
werden, welche Strategien kleine und mittlere Betriebe bei Neueinstellungen verfolgen,<br />
welchen Einfluss hierbei Faktoren wie die Betriebsgröße, der Sektor oder die Region haben<br />
und welche Unterschiede im Verhalten der Betriebe gegenüber den verschiedenen Mitar-<br />
beitergruppen zu beobachten sind.<br />
Typische Fragen, denen nachgegangen werden soll, sind: Gibt es Betriebe, die verstärkt auf<br />
informelle und kostengünstige Suchmethoden zurückgreifen? Welche Eigenschaften muss<br />
der neue Mitarbeiter <strong>für</strong> bestimmte Betriebstypen mitbringen? Werden Facharbeiter nach<br />
anderen Kriterien ausgewählt und eingearbeitet als Fachangestellte? Sind die Unternehmen<br />
mit der gewählten Strategie auch erfolgreich? Gibt es bestimmte voneinander abgrenzbare<br />
Unternehmenstypen, und durch welche Merkmale sind diese gekennzeichnet?<br />
Empirische Grundlage sind die Antworten von 1.188 der insgesamt rund 1.800 befragten Be-<br />
triebe, in denen nach eigener Auskunft in den vergangenen 12 Monaten vor der Befragung<br />
Neueinstellungen vorgenommen wurden. Tabelle 1 zeigt den Anteil der einstellenden Be-<br />
triebe an allen befragten Betrieben und die Verteilung dieser Betriebe nach regionaler Lage<br />
und Betriebsgröße.<br />
Tabelle 1: Betriebe mit Neueinstellungen in den vergangenen 12 Monaten nach Region<br />
und Größe<br />
232<br />
Anteil der Betriebe mit Neueinstellungen in Prozent<br />
Gesamt 69,4<br />
Region<br />
Größe (Mitarbeiterzahl)<br />
Ost 67,2<br />
West 70,9<br />
bis 49 66,3<br />
50-199 85,5<br />
ab 200 93,2
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Im Vergleich zwischen den alten und neuen Bundesländern ist eine etwas höhere Ein-<br />
stellungsaktivität in Westdeutschland festzustellen. Da aber die Wahrscheinlichkeit einer<br />
Neueinstellung in den letzten 12 Monaten in großen Unternehmen naturgemäß höher ist als<br />
in Kleinbetrieben, kann dieser Unterschied auch eine Folge der Betriebsgrößenstruktur sein,<br />
die in Ostdeutsachland durch einen größeren Anteil von Kleinbetrieben gekennzeichnet ist.<br />
Betrachtet man in Tabelle 2 die einstellenden Betriebe nach dem Anteil der vier in der Be-<br />
fragung unterschiedenen Mitarbeitergruppen an den neuen Beschäftigten, so fallen sehr<br />
starke Unterschiede ins Auge. Während in den westdeutschen Betrieben Facharbeiter nur<br />
geringfügig häufiger stärkste Gruppe unter den neu Eingestellten sind als hochqualifizierte<br />
Angestellte und Führungskräfte, ist dies in über einem Drittel aller ostdeutschen Betriebe der<br />
Fall. Hingegen liegen in Ostdeutschland die Anteile der Betriebe, die vor allem Fachange-<br />
stellte oder vor allem An- und Ungelernte eingestellt haben, deutlich niedriger als im Westen.<br />
Tabelle 2: Anteil der Mitarbeitergruppen als größte Gruppe unter den Neueingestellten<br />
(in Prozent, Mehrfachnennungen möglich)<br />
Frage: Bitte nennen Sie uns die größte Gruppe unter den in ihrem Betrieb neu eingestellten<br />
Mitarbeitern.<br />
Mitarbeitergruppe<br />
(größte Gruppe pro Betrieb)<br />
Führungskräfte/<br />
Hochqualifizierte<br />
Gesamt<br />
N=1.188<br />
Ost<br />
N=456<br />
Region Größe des Betriebes<br />
West<br />
N=732<br />
bis 49<br />
N= 963<br />
50-199<br />
N=183<br />
ab 200<br />
N=42<br />
13,8 14,5 13,4 13,9 13,1 14,3<br />
Fachangestellte 38,4 32,2 42,2 39,5 32,8 38,1<br />
Facharbeiter 23,5 34,6 16,5 22,2 31,1 19,0<br />
An-/ungelernte Mitarbeiter 24,3 18,6 27,9 24,4 23,0 28,6<br />
2 Wie wurde der neue Mitarbeiter gesucht und gefunden?<br />
Betriebe mit Neueinstellungen wurden zunächst gefragt, wie sie den zuletzt in der größten<br />
Gruppe von Neueinstellungen rekrutierten Mitarbeiter gefunden haben. 30 Ihre Antworten sind<br />
in Abbildung 1 dargestellt.<br />
2.1 Suchformen<br />
Über alle Betriebe mit Neueinstellungen ist eine eindeutige Rangreihe der Suchmedien bzw.<br />
Suchstrategien erkennbar: Mit Abstand an der Spitze stehen Stellenausschreibungen (36<br />
Prozent der Betriebe), gefolgt von drei Suchformen, die eher informellen Charakter tragen<br />
und deren Anteile nur wenig differieren: Die Einstellung einer dem Betrieb bereits bekannten<br />
30 Es wurde gefragt: „Wir möchten nun anhand einer konkreten Neueinstellung aus der jüngsten Vergangenheit<br />
Fragen zum Qualifikationsaufbau in ihrem Betrieb nachgehen. Wir greifen deshalb die letzte Einstellung bei den<br />
[größte Gruppe unter den neu Eingestellten] heraus, bei der es sich nicht um eine Übernahme nach einer<br />
Berufsausbildung im Betrieb handelte“.<br />
233
Silvio Buchheim<br />
Person (27 Prozent), der Rückgriff auf Eigenbewerbungen potentieller Mitarbeiter (26 Pro-<br />
zent) und Vertrauen in Empfehlungen (24 Prozent). Hingegen spielt die Arbeitsagentur, die<br />
nur von jedem sechsten Betrieb genannt wird, lediglich eine nachrangige Rolle.<br />
Abbildung 1: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? (Angaben in Prozent, N=1188)<br />
Das Vorgehen der Betriebe bei der Auswahl neuen Personals variiert, wie Tabelle 3 er-<br />
kennen lässt, erheblich, je nachdem welcher Mitarbeitergruppe der Neuzugang angehört.<br />
Tabelle 3: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? (Anteil „trifft zu“ in Prozent, Mehrfachantworten<br />
möglich)<br />
Frage: Wir interessieren uns nun da<strong>für</strong>, wie diese Person gefunden wurde. Bitte sagen Sie uns,<br />
was aus der folgenden Liste dabei eine Rolle gespielt hat.<br />
Suchwege<br />
234<br />
Stellenausschreibungen<br />
Person war Betrieb bekannt<br />
Initiativbewerbungen<br />
Empfehlungen<br />
Arbeitsagentur<br />
private Arbeitsvermittler<br />
Sonstiges<br />
1,8%<br />
3,6%<br />
Gesamt<br />
N=1.188<br />
Führungskräfte<br />
N=161<br />
Fachangestellte<br />
N=445<br />
Facharbeiter<br />
N=274<br />
An- und<br />
Ungelernte<br />
N=285<br />
Stellenausschreibungen 36,2 41,0 41,1 32,5 29,8<br />
War Betrieb bekannt 26,9 31,7 28,8 28,1 19,7<br />
Initiativbewerbung 26,1 15,5 22,1 31,8 33,0<br />
Empfehlungen 23,9 23,0 23,6 25,9 22,8<br />
Arbeitsagentur 15,7 12,3 12,4 16,4 21,4<br />
private Arbeitsvermittler 3,5 5,6 3,6 4,4 1,8<br />
Sonstiges 1,8 8,1 1,3 0,0 0,7<br />
Der Neueinstellung lag sowohl bei Führungskräften als auch bei Fachangestellten in 41<br />
Prozent der Fälle eine Stellenausschreibungen zugrunde. Facharbeiter sowie An- und Unge-<br />
lernte wurden nicht selten aufgrund von Initiativbewerbungen eingestellt (ca. 32 Prozent),<br />
15,7%<br />
23,9%<br />
26,9%<br />
26,1%<br />
36,2%<br />
0 5 10 15 20 25 30 35 40
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
während die Bedeutung von Initiativbewerbungen bei Führungskräften erheblich abnimmt<br />
(15,5 Prozent).<br />
Während Führungskräfte nur zu 12 Prozent über die Arbeitsagenturen vermittelt werden,<br />
steigt dieser Anteil bis zur Gruppe der an- und ungelernten Beschäftigten auf 22 Prozent.<br />
Demgegenüber bedient man sich bei der Anwerbung von Führungskräften häufiger als bei<br />
anderen Mitarbeitergruppen privaten Arbeitsvermittlern.<br />
2.2 Der Einfluss von Betriebsgröße und regionaler Lage auf das<br />
(erfolgreiche) Suchverhalten?<br />
Wie Tabelle 4 und Schaubild 2 zeigen, bestehen erhebliche Unterschiede im Suchverhalten,<br />
sowohl zwischen ost- und westdeutschen Betrieben wie zwischen Betrieben verschiedener<br />
Größe.<br />
Im Ost-West-Vergleich tritt mit einem Anteil von 23 Prozent eine deutlich größere Bedeutung<br />
der Arbeitsagenturen in den neuen Bundesländern gegenüber nur 11 Prozent in west-<br />
deutschen Betrieben zutage.<br />
Auch haben informelle Formen des Suchens und der Kontaktaufnahme in Ostdeutschland<br />
ein wesentlich größeres Gewicht: Der Neueingestellte war hier in 34 Prozent der Fälle dem<br />
Betrieb bereits bekannt, was im Westen nur bei 23 Prozent der Betriebe der Fall war. Auch<br />
Empfehlungen spielen in den neuen Bundesländern eine größere Rolle.<br />
Tabelle 4: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? (Anteil „trifft zu“ in Prozent, Mehrfachnennung<br />
möglich)<br />
Gesamt<br />
N=1.166<br />
Ost<br />
N=441<br />
Region Größe des Betriebes<br />
West<br />
N=725<br />
bis 49 MA<br />
N=946<br />
50-199 MA<br />
N=180<br />
ab 200 MA<br />
N=40<br />
Stellenausschreibungen 36,2 27,5 41,5 34,6 41,3 52,5<br />
War Betrieb bekannt 26,9 33,9 22,7 27,6 24,0 22,5<br />
Initiativbewerbung 26,1 25,2 26,6 26,4 24,6 25,0<br />
Empfehlungen 23,9 26,5 22,4 24,3 22,8 20,0<br />
Arbeitsagentur 15,7 23,1 11,2 15,2 18,9 12,8<br />
private Arbeitsvermittler 3,5 1,8 4,7 3,2 5,0 5,1<br />
Andererseits nutzen westdeutsche Betriebe mit 42 Prozent deutlich mehr die Möglichkeit,<br />
über Stellenausschreibungen geeignete Mitarbeiter zu finden.<br />
Diese ausgeprägten Ost-West-Unterschiede könnten mit dem - etwas - größeren Gewicht<br />
kleinerer Betriebe in Ostdeutschland zusammenhängen. Sie dürfen in jedem Falle als Beleg<br />
<strong>für</strong> eine vielfach engere Verbindung ostdeutscher Betriebe mit ihrem jeweiligen Standort und<br />
der dort lebenden Bevölkerung im Sinne sozialer Einbettung und informeller Netzwerke<br />
gewertet werden.<br />
235
Silvio Buchheim<br />
Auch der Vergleich - in Tabelle 4 und in Abbildung 2 - zwischen den Betriebsgrößenklassen<br />
liefert aufschlussreiche Ergebnisse:<br />
Abbildung 2: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? (Angaben in Prozent, N=1460)<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
Dass der Neueingestellte dem Betrieb bereits bekannt gewesen sei, erklären 28 Prozent der<br />
Kleinbetriebe, 24 Prozent der mittleren und 22 Prozent der größeren Betriebe.<br />
Auch Empfehlungen spielten in kleinen Betrieben (mit einer Häufigkeit von 24 Prozent) eine<br />
etwas wichtigere Rolle als in mittleren und größeren Betrieben (mit 23 Prozent und 20 Pro-<br />
zent).<br />
Dem steht gegenüber, dass die Bedeutung von Stellenausschreibungen mit steigender Un-<br />
ternehmensgröße erheblich zunimmt. Auf diesem Weg fanden nur 35 Prozent aller Klein-<br />
betriebe, hingegen 41 Prozent der mittleren und 52 Prozent der größeren Betriebe ihren<br />
zuletzt neu eingestellten Mitarbeiter.<br />
2.3 Mit der Neueinstellung verbundene Erwartungen der Betriebe<br />
Die Betriebe, die in den letzten 12 Monaten eingestellt hatten, wurden gefragt, welche Ziel-<br />
setzungen sie mit der Neueinstellung verfolgt hatten. Ihnen wurden vom Interviewer drei<br />
mögliche Zielformulierungen vorgelesen. Die Interviewpartner wurden gebeten, anzugeben,<br />
welche der drei Aussagen „am ehesten“ <strong>für</strong> die letzte Neueinstellung zutrifft. Die Antworten<br />
sind – nach Betriebsgröße und Sektor – in Tabelle 5 dargestellt.<br />
71 Prozent aller befragten Unternehmen mit Neueinstellungen in den letzten 12 Monaten<br />
erwarteten von den neuen Mitarbeitern in erster Linie eine effiziente Bewältigung der ihnen<br />
übertragenen Aufgaben. Dieser Wert variiert unter dem Einfluss der Betriebsgröße eher ge-<br />
ringfügig zwischen 70 Prozent bei allen kleinen und 74 Prozent bei den größeren Betrieben.<br />
236<br />
34,6<br />
27,6<br />
24,3<br />
41,3<br />
24,0<br />
bis 49 Mitarbeiter 50-199 Mitarbeiter ab 200 Mitarbeiter<br />
Stellenausschreibungen Person war bekannt Empfehlungen<br />
22,8<br />
52,5<br />
22,5<br />
20,0
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Er liegt im produzierenden Gewerbe mit 68 Prozent etwas niedriger als im Dienstleistungs-<br />
sektor mit 72 Prozent.<br />
Deutlich aufschlussreicher sind die Unterschiede bezüglich der beiden anderen Aussagen.<br />
So wird eine Verbesserung des Qualifikationsprofils eher von Kleinbetrieben (mit 16 Prozent)<br />
erwartet als von den größeren Betrieben (10 Prozent), die statt dessen relativ mehr Wert auf<br />
effiziente Aufgabenbewältigung legen.<br />
Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass dieser Betriebsgrößeneffekt lediglich im<br />
produzierenden Gewerbe auftritt. Zwar hat die Verbesserung des Qualifikationsprofils der<br />
Belegschaft bei Neueinstellungen im produzierenden Gewerbe insgesamt eine etwas höhere<br />
Bedeutung als im Dienstleistungssektor. Doch ist der Einfluss der Betriebsgröße innerhalb<br />
des produzierenden Gewerbes deutlich größer: In den Kleinbetrieben dieses Sektors hat die<br />
Verbesserung des Qualifikationsprofils mit 21 Prozent der Nennungen eine vergleichsweise<br />
hohe Relevanz, während in den mittleren und größeren Betrieben mit 50 und mehr Mit-<br />
arbeitern dieser Aspekt bei der Neueinstellung eine eher untergeordnete Rolle spielt (mit 10<br />
Prozent) und vor allem das Gewicht auf effiziente Aufgabenbewältigung liegt.<br />
Die Ursachen hier<strong>für</strong> können sowohl in Unterschieden in der Arbeitsorganisation wie darin<br />
liegen, dass kleine Betriebe des produzierenden Gewerbes kaum Möglichkeiten zu längerer<br />
Einarbeitung neuer Mitarbeiter haben und entsprechend verstärkt darauf angewiesen sind,<br />
qualifikatorisch genau passende Mitarbeiter einzustellen.<br />
Tabelle 5: Mit der Einstellung verbundene Erwartungen (in Prozent)<br />
Frage: Uns interessiert, welche Erwartungen Sie an die Einstellung dieser Person geknüpft<br />
haben. Welche der folgenden Aussagen trifft am ehesten <strong>für</strong> diesen Fall zu?<br />
Verbesserung des<br />
Qualifikationsprofils<br />
der Belegschaft<br />
neue Impulse <strong>für</strong><br />
Weiterentwicklung<br />
des Unternehmens<br />
Effiziente<br />
Aufgabenbewältigung<br />
Gesamt<br />
N=1.147 bis<br />
49<br />
MA<br />
Größe des<br />
Betriebes<br />
50-<br />
199<br />
MA<br />
über<br />
200<br />
MA<br />
prod. Gewerbe<br />
N=231<br />
bis<br />
49<br />
MA<br />
über<br />
50<br />
MA<br />
Ø<br />
Sektor<br />
Dienstleistungen<br />
N=913<br />
bis<br />
49<br />
MA<br />
über<br />
50<br />
MA<br />
16,0 16,5 14,4 10,3 20,8 10,3 17,3 16,0 14,8 15,6<br />
13,2 13,1 13,2 15,4 14,3 14,3 14,3 12,9 13,3 12,9<br />
70,9 70,4 72,4 74,4 64,9 75,4 68,4 71,1 71,9 71,5<br />
Ø<br />
237
Silvio Buchheim<br />
3 Als „besonders wichtig“ bezeichnete Eigenschaften<br />
neuer Mitarbeiter<br />
Abbildung 3: Welche Eigenschaften waren <strong>für</strong> die Einstellung besonders wichtig? (Angaben<br />
in Prozent, N=1147, Mehrfachantworten möglich)<br />
Betriebe mit Neueinstellungen wurden gefragt, wie sie bestimmte Eigenschaften und Fähig-<br />
keiten der eingestellten Person bewerten. Die befragten Betriebe sollten die ihnen genannten<br />
Eigenschaften als bei der letzten Neueinstellung „besonders wichtig“, „mitentscheidend“ oder<br />
„unwichtig“ einstufen. Abbildung 3 konzentriert sich, ebenso wie die weiteren Darstellungen<br />
dieses Abschnitts, auf die Einstufung als „besonders wichtig“.<br />
Die wichtigste von dem Bewerber geforderte Eigenschaft ist mit 68 Prozent der Nennungen<br />
die Fähigkeit, im Team arbeiten zu können. Ähnlich hoch in der Rangreihe der Anfor-<br />
derungen rangieren mit 62 Prozent und 60 Prozent Lernbereitschaft und Selbständigkeit. Die<br />
branchenüblichen Fachkenntnisse folgen erst mit einigem Abstand (53 Prozent). Sprachen-<br />
kenntnisse sind nur selten besonders wichtig.<br />
3.1 Besonders wichtige Eigenschaften nach Mitarbeitergruppen<br />
Erwartungsgemäß variieren, wie Abbildung 4 <strong>für</strong> vier charakteristische Eigenschaften im<br />
Überblick erkennen lässt, die als besonders wichtig bezeichneten Anforderungen je nach der<br />
Mitarbeitergruppe, <strong>für</strong> die rekrutiert wurde.<br />
Bei Führungskräften stehen neben den branchenüblichen Fachkenntnissen und Lernbereit-<br />
schaft vor allem die Eigenschaften Selbstständigkeit, Teamfähigkeit sowie Durchsetzungs-<br />
vermögen und Konfliktfähigkeit im Vordergrund. So bezeichnen drei Viertel der befragten<br />
Betriebe die Fähigkeit zu selbständigem Arbeiten als eine besonders wichtige Eigenschaft<br />
bei einer Führungskraft; der Rest der Betriebe bewertet sie bei Führungskräften als<br />
238<br />
Teamfähigkeit<br />
Lernbereitschaft<br />
Selbstständigkeit<br />
branchenübliche Fachkenntnisse<br />
Erfahrungen in der auszuführenden Tätigkeit<br />
Disziplin<br />
Durchsetzungsvermögen und Konfliktfähigkeit<br />
körperliche Leistungsfähigkeit<br />
besondere technische Fähigkeiten<br />
Fremdsprachenkenntnisse<br />
8,3<br />
20,3<br />
25,7<br />
0 10 20 30 40 50 60 70 80<br />
39,7<br />
43<br />
47,9<br />
53,1<br />
61,8<br />
60,2<br />
68,4
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
mitentscheidend. Bei diesen drei Eigenschaften zeigt sich, besonders ausgeprägt bei Selbst-<br />
ständigkeit und Durchsetzungsvermögen, ein klares Gefälle der hervorgehobenen Bedeu-<br />
tung von den Führungskräften zu den drei anderen unterschiedenen Mitarbeitergruppen.<br />
Abbildung 4: Besonders wichtige Eigenschaften – Mitarbeitergruppen (Angaben in Prozent,<br />
n=1147, Mehrfachantworten möglich)<br />
80,0<br />
70,0<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
74,4<br />
58,1<br />
59,3<br />
56,0<br />
55,0<br />
Gegenläufig sind – wiederum weitgehend überraschungsfrei – die Differenzen zwischen<br />
Mitarbeitergruppen bei den Eigenschaften Disziplin und körperliche Leistungsfähigkeit.<br />
Deren Bewertung als „besonders wichtig“ steigt von Führungskräften über Fachangestellte<br />
und Facharbeiter bis zu den An- und Ungelernten. Disziplin wird bei den ungelernten oder<br />
angelernten gewerblichen Mitarbeitern von rund der Hälfte der Betriebe (gegenüber 43<br />
Prozent im Durchschnitt aller Mitarbeitergruppen) als besonders wichtig bezeichnet, körper-<br />
liche Leistungsfähigkeit immerhin noch von 34 Prozent bei Facharbeitern und 38 Prozent bei<br />
An- und Ungelernten (gegenüber 26 Prozent im Mittelwert aller Mitarbeitergruppen).<br />
Anzumerken ist noch, dass sich auch bei der Bewertung von Sprachenkenntnissen ein<br />
gleiches Gefälle von den Führungskräften zu den gewerblichen Mitarbeitern erkennen lässt,<br />
allerdings auf einem, insgesamt gegenüber den bisher betrachteten Eigenschaften, wesent-<br />
lich niedrigeren Niveau. Immerhin betrachten 16 Prozent aller Betriebe Fremdsprachen-<br />
kenntnisse bei Führungskräften als „besonders wichtig“, gegenüber 8 Prozent im Durch-<br />
schnitt der vier Mitarbeitergruppen.<br />
44,6<br />
31,4<br />
3.2 Besonders wichtige Eigenschaften nach Betriebsgröße<br />
30,6<br />
Selbstständigkeit Durchsetzungsvermögen<br />
und Konfliktfähigkeit<br />
Bei der Einstufung einiger Eigenschaften von neu Eingestellten als „besonders wichtig“ sind<br />
deutliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Betriebsgröße festzustellen. Teilweise kann<br />
man sogar von einem größentypischen Profil von Eigenschaften sprechen. Abbildung 5 zeigt<br />
28,1<br />
40,5<br />
46,0<br />
52,8<br />
10,0<br />
19,7<br />
33,6<br />
36,7<br />
Disziplin körperliche<br />
Leistungsfähigkeit<br />
Führungskräfte und Hochqualifizierte Fachangestellte Facharbeiter An- und Ungelernte<br />
239
Silvio Buchheim<br />
die Einstufung als „besonders wichtig“ von drei typischen Eigenschaften bei kleinen mittleren<br />
und größeren Betrieben.<br />
Branchenübliche Fachkenntnisse werden insgesamt als, bei neuen Mitarbeitern, besonders<br />
wichtig bezeichnet, jedoch in größeren Betrieben mit 46 Prozent (gegenüber 53 Prozent in<br />
der gesamten Stichprobe) deutlich weniger als in kleinen und mittleren Betrieben.<br />
Noch stärker nimmt mit steigender Betriebsgröße die Bedeutung von Durchsetzungs-<br />
vermögen und Konfliktfähigkeit ab. Diese Eigenschaft wird von 46 Prozent der kleinen, 38<br />
Prozent der mittelgroßen und nur 33 Prozent der größeren Betrieben als bei der letzten<br />
Neueinstellung besonders wichtig bezeichnet.<br />
Abbildung 5: Besonders wichtige Eigenschaften – Betriebsgröße (Angaben in Prozent,<br />
N=1143, Mehrfachantworten möglich)<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
53,5<br />
Im Gegensinne variiert die Einschätzung von Sprachkenntnissen. Diese Fähigkeit war nach<br />
Aussage der Befragten nur in 7 Prozent der kleinen Betriebe, jedoch in 13 Prozent der<br />
größeren Betriebe bei der letzten Einstellung besonders wichtig.<br />
3.3 Besonders wichtige Eigenschaften nach Sektor<br />
Noch markanter sind die sektoralen Unterschiede im Profil der Anforderungen an neu ein-<br />
gestellte Mitarbeiter.<br />
40,2<br />
6,8<br />
52,9<br />
37,9<br />
bis 49 Mitarbeiter 50-199 Mitarbeiter ab 200 Mitarbeiter<br />
branchenübliche Fachkenntnisse Durchsetzungsvermögen Fremdsprachenkenntnisse<br />
Abbildung 6 stellt <strong>für</strong> fünf, im Sektorvergleich besonders aufschlussreiche, Eigenschaften die<br />
Häufigkeiten gegenüber, mit der sie von Betrieben des produzierenden Gewerbes und des<br />
Dienstleistungssektors als bei der letzten Einstellung besonders wichtig bezeichnet wurden.<br />
Zwei dieser Eigenschaften werden im Dienstleistungssektor deutlich häufiger als besonders<br />
wichtig bezeichnet: Die Differenz beträgt bei Teamfähigkeit 59 Prozent im produzierenden<br />
Gewerbe gegenüber 72 Prozent im Dienstleistungssektor und bei Durchsetzungsvermögen<br />
und Konfliktfähigkeit 30 Prozent zu 41 Prozent. Ganz offenkundig spielen in nicht wenigen<br />
240<br />
9,3<br />
46,2<br />
33,3<br />
12,7
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Dienstleistungsbetrieben Verhaltenskompetenzen eine deutlich wichtigere Rolle als im pro-<br />
duzierenden Gewerbe.<br />
Abbildung 6: Besonders wichtige Eigenschaften – Branche (Angaben in Prozent,<br />
N=1141, Mehrfachantworten möglich)<br />
80,0<br />
70,0<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
29,7<br />
41,0<br />
Konfliktfähigkeit und<br />
Durchsetzungsvermögen<br />
Im produzierenden Gewerbe legen die Betriebe hingegen – erwartungsgemäß – größeren<br />
Wert auf Eigenschaften, die in der Tätigkeit, die dem neuen Mitarbeiter übertragen werden<br />
soll, unmittelbar produktivitätsrelevant sind. Hierbei spielt körperliche Leistungsfähigkeit, die<br />
im produzierenden Gewerbe von 33 Prozent gegenüber 28 Prozent der Dienstleistungs-<br />
betriebe als besonders wichtig bezeichnet wird, nur eine nachgeordnete Rolle.<br />
Deutlich wichtiger sind im produzierenden Gewerbe Erfahrungen in der zu übernehmenden<br />
Tätigkeit (besonders wichtig <strong>für</strong> 57 Prozent der Betriebe im produzierenden Gewerbe und <strong>für</strong><br />
46 Prozent der Dienstleistungsbetriebe) und vor allem besondere technische Fähigkeiten.<br />
Diese Eigenschaft war in 35 Prozent der Betriebe des produzierenden Gewerbes, hingegen<br />
nur in 17 Prozent der Dienstleistungsbetriebe bei der letzten Neueinstellung von großer<br />
Bedeutung, wobei zu beachten ist, dass der Dienstleistungssektor eine Reihe von Wirt-<br />
schaftsbereichen bzw. Wirtschaftszweigen, wie Transport und Verkehr, IT-Technik sowie das<br />
gesamte Kfz-Gewerbe, umfasst, die erhebliche technische Kompetenzen vieler Mitarbeiter<br />
voraussetzen.<br />
59,1<br />
71,8<br />
33,3<br />
Nicht ohne Interesse ist im Übrigen, dass der Einfluss der Betriebsgröße auf die Ein-<br />
schätzung von Eigenschaften eines neu Eingestellten als besonders wichtig im<br />
produzierenden Gewerbe deutlich größer ist, während es im Dienstleistungssektor kaum<br />
Unterschiede zwischen kleinen und größeren Betrieben gibt. So fällt die Nennung von<br />
Disziplin als einer besonders wichtigen Eigenschaft im produzierenden Gewerbe von 47 Pro-<br />
zent bei kleinen Betrieben auf 38 Prozent bei größeren Betrieben, während im Dienstleis-<br />
tungssektor in der Bewertung dieser Eigenschaften kein nennenswerter Unterschied zwi-<br />
schen kleinen und größeren Betrieben besteht. Auch besondere technische Fähigkeiten<br />
werden im produzierenden Gewerbe nur von 31 Prozent der größeren Betriebe, hingegen<br />
von 38 Prozent der kleinen und 41 Prozent der mittelgroßen Betriebe als besonders wichtig<br />
241<br />
27,7<br />
Teamfähigkeit körperliche<br />
Leistungsfähigkeit<br />
35,2<br />
17,0<br />
57,4<br />
45,5<br />
technische Fähigkeiten Erfahrungen in der<br />
Tätigkeit<br />
produzierendes Gewerbe Dienstleister
Silvio Buchheim<br />
bezeichnet, während im Dienstleistungssektor die entsprechenden Werte mit steigender Be-<br />
triebsgröße nur geringfügig – von 16 Prozent auf 18 Prozent – zunehmen.<br />
Abbildung 7: Besonders wichtige Eigenschaften – Betriebsgröße und Branche (Angaben<br />
in Prozent, N=1141, Mehrfachantworten möglich)<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Unterschiede zwischen Betrieben des produzie-<br />
renden Gewerbes und des Dienstleistungssektors nicht nur unmittelbarer Ausdruck der<br />
materiell verschiedenen Wertschöpfungsprozesse in beiden Sektoren und der hieraus resul-<br />
tierenden Kompetenzanforderungen sind, sondern Teil einer mehr oder minder komplexen<br />
Arbeitskräfte- und Arbeitspolitik, die zwar sicherlich nicht <strong>für</strong> alle Betriebe eines Sektors cha-<br />
rakteristisch ist, aber doch mit erheblicher Wahrscheinlichkeit in beiden Sektoren unter-<br />
schiedliches Gewicht hat. Hinweise hier<strong>für</strong> liefern die in Tabelle 6 dargestellten Antworten<br />
auf eine Frage, die gleichfalls allen Betrieben mit Neueinstellungen in den letzten 12 Mo-<br />
naten gestellt wurde.<br />
Tabelle 6: Vorgehensweise bei der Einstellung von Fachkräften (Anteile „trifft zu“ in<br />
Prozent, Mehrfachnennung möglich)<br />
Frage: In welchem der folgenden Bereiche wurden bei dem neuen Mitarbeiter fehlende<br />
Kenntnisse deutlich?<br />
242<br />
47,1<br />
44,4<br />
Produzierendes Gewerbe<br />
37,5<br />
22,2<br />
35,5<br />
25,0<br />
Disziplin Durchsetzungsvermögen<br />
37,7<br />
41,3<br />
Gesamt<br />
N=1.137<br />
43,9<br />
42,2 42,9<br />
40,9 40,9<br />
39,3<br />
produzierendes<br />
Gewerbe<br />
N=231<br />
Dienstleistungen<br />
N=905<br />
Einstellung fachfremder Kräfte 29,0 33,8 27,9<br />
Ausbildung der Fachkräfte im Betrieb 53,4 58,4 52,1<br />
Einstellung qualifizierter Fachkräfte 56,3 46,8 58,7<br />
Die Tabelle lässt erhebliche Unterschiede zwischen beiden Sektoren erkennen:<br />
31,3<br />
technische<br />
Fähigkeiten<br />
Dienstleistungssektor<br />
Disziplin Durchsetzungsvermögen<br />
15,7 16,2 18,2<br />
technische<br />
Fähigkeiten<br />
bis 49 Mitarbeiter 50-199 ab 200 Mitarbeiter
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Fachfremde Kräfte einzustellen, die dann in aller Regel im Betrieb angelernt werden müssen,<br />
ist insgesamt nicht sehr weit verbreitet, jedoch im produzierenden Gewerbe häufiger als im<br />
Dienstleistungssektor. Die Gewinnung von Fachkräften durch eigene Ausbildung ist im pro-<br />
duzierenden Gewerbe weiter verbreitet. Demgegenüber verlassen sich Dienstleistungsbe-<br />
triebe erheblich häufiger darauf, dass sie die benötigten Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt<br />
finden und einstellen können.<br />
Es ist evident, dass mit diesen Differenzen in der Politik der Arbeitskräftebeschaffung auch<br />
zumindest ein guter Teil der eben dargestellten Unterschiede in den Anforderungsprofilen an<br />
Neueinstellungen zu erklären sind.<br />
4 Kompetenzdefizite und Einarbeitung neuer Mitarbeiter<br />
Die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters kann ein maßgeblicher Faktor <strong>für</strong> Erfolg und<br />
Effizienz der Neueinstellung sein. Dies könnte sich einerseits auf das einzelne Beschäfti-<br />
gungsverhältnis auswirken, andererseits auch einen mittelbaren Einfluss auf wirtschaftlichen<br />
Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmens haben. Ein besonderer<br />
Stellenwert kommt der Einarbeitung dann zu, wenn bei der Arbeitsaufnahme Kompetenzde-<br />
fizite oder ein Mangel an Fähigkeiten und Erfahrungen auftreten und diese ausgeglichen<br />
werden müssen.<br />
4.1 Fehlende Kenntnisse und Kompetenzdefizite bei neu eingestellten<br />
Mitarbeitern<br />
Untersucht man die bei den neuen Mitarbeitern wahrgenommenen Defizite, so zeigen sich<br />
fehlende Kenntnisse und Fähigkeiten vorrangig in den Bereichen, in denen die jeweiligen<br />
Mitarbeitergruppen in erster Linie tätig sind (Tabelle 7). An- und ungelernten Mitarbeitern<br />
sowie Facherbeitern fehlen in 28,1 Prozent der befragten Betriebe Fähigkeiten zur Be-<br />
herrschung von Techniken und Verfahren sowie Kenntnisse über Materialien. Doch auch bei<br />
den übrigen Mitarbeitergruppen liegt dieser Anteil mit über 20 Prozent noch recht hoch.<br />
Weiterhin sind Defizite beim Verstehen betrieblicher Abläufe und Zusammenhänge angeführt<br />
worden, wobei auch hier die an- und ungelernten Mitarbeiter mit 26,0 Prozent und die<br />
Facharbeiter mit 29,2 Prozent verstärkt Unzulänglichkeiten aufweisen. Obgleich von den<br />
befragten Betrieben bei Führungskräften im Vergleich der Mitarbeitergruppen in der Regel<br />
weniger Mängel beobachtet wurden, treten in dieser Gruppe häufig Schwierigkeiten in der<br />
Zusammenarbeit mit anderen Kollegen und beim Umgang mit Kunden und Kooperations-<br />
partnern auf. Daraus kann sicher nicht der Schluss gezogen werden, dass Führungskräfte in<br />
diesem Bereich weniger qualifiziert wären als andere Mitarbeitergruppen, sondern das<br />
Ergebnis ist eher auf das typische Tätigkeitsfeld der Führungskräfte zurückzuführen, welches<br />
vorrangig die Kommunikation mit Kollegen und Geschäftspartnern beinhaltet.<br />
Obwohl die Defizite im Vergleich der Mitarbeitergruppen in verschiedenen Ausprägungen<br />
auftreten, liegen die Werte dennoch recht dicht beieinander. Alle Mangel-Kategorien bleiben<br />
243
Silvio Buchheim<br />
in ihrer Ausprägung zudem unter der 30 Prozent-Grenze, so dass insgesamt ein recht<br />
niedriges Niveau an aufgetretenen Defiziten konstatiert werden kann.<br />
Tabelle 7: Fehlende Kenntnisse bei Mitarbeitern (Spaltenprozente, Mehrfachnennung<br />
möglich)<br />
Frage: In welchen der folgenden Bereiche wurden bei dem neuen Mitarbeiter fehlende<br />
Kenntnisse deutlich?<br />
fehlende Kenntnisse und<br />
Mängel:<br />
Beherrschung von Techniken,<br />
Verfahren, Materialen<br />
Verstehen betrieblicher Abläufe<br />
oder Zusammenhänge<br />
Anwendung relevanter<br />
Regelungen oder Vorschriften<br />
244<br />
Gesamt<br />
N=1.164<br />
Führungskräfte<br />
N=161<br />
Fachangestellte<br />
N=444<br />
Facharbeiter<br />
N=274<br />
An-/<br />
ungelernte<br />
Mitarbeiter<br />
N=285<br />
27,2 23,6 27,4 28,1 28,1<br />
25,8 24,2 24,3 29,2 26,0<br />
20,1 20,5 20,4 21,5 18,0<br />
Zusammenarbeit mit Kollegen 8,5 16,1 6,3 9,5 6,7<br />
Umgang mit Kunden und<br />
Kooperationspartnern<br />
8,5 10,5 8,8 4,0 11,2<br />
Sonstiges 1,6 0,0 1,4 2,2 2,5<br />
Die Einarbeitung neuer Mitarbeiter und der Anteil aufgetretener Defizite bei den neu<br />
eingestellten Arbeitnehmern stehen zwar miteinander in Zusammenhang, allerdings unter-<br />
scheiden sich die Ergebnisse sehr deutlich nach den Sektoren (Tabelle 8). Fehlende Kennt-<br />
nisse bei der Beherrschung von Techniken, Verfahren und Materialien treten im produzie-<br />
renden Gewerbe in denjenigen Betrieben seltener auf, in denen keine Einarbeitung durch-<br />
geführt wurde (11,1 Prozent).<br />
Tabelle 8: Fehlende Kenntnisse neu eingestellter Mitarbeiter in Abhängigkeit von<br />
Einarbeitungsmaßnahmen (Angaben in Prozent, Anteil „trifft zu“)<br />
Gesamt<br />
N=1.136<br />
produzierendes Gewerbe Dienstleister<br />
alle Größen<br />
N=231<br />
bis 49<br />
Mitarbeiter<br />
N=154<br />
alle Größen<br />
N=904<br />
bis 49<br />
Mitarbeiter<br />
N=770<br />
Einarbeitung: nein ja nein ja nein ja nein ja nein ja<br />
Beherrschung von<br />
Techniken,<br />
Verfahren, Materialen<br />
Verstehen betrieblicher<br />
Abläufe oder<br />
Zusammenhänge<br />
Anwendung relevanter<br />
Regelungen<br />
oder Vorschriften<br />
21,1 31,6 11,1 31,7 10,7 31,9 24,7 31,6 27,4 33,3<br />
21,6 27,7 25,9 17,1 28,9 14,3 19,7 29,7 20,5 30,1<br />
20,8 19,1 4,6 17,1 4,8 17,1 26,8 19,2 27,9 18,8
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
In allen anderen Unternehmen liegt dieser Anteil bei 25 Prozent - 33 Prozent. Das Ergebnis<br />
könnte darauf zurückzuführen sein, dass in den Fällen, in denen eine Einarbeitung<br />
unterbleibt, diese aufgrund der passgenauen Auswahl der neuen Mitarbeiter oder wegen<br />
standardisierter Tätigkeiten und entsprechenden Fachkenntnissen der Mitarbeiter auch nicht<br />
erforderlich ist. Gleiches gilt in ähnlicher Ausprägung <strong>für</strong> die Anwendung relevanter Rege-<br />
lungen und Vorschriften.<br />
Demgegenüber treten im produzierenden Gewerbe gerade dort Probleme beim Verstehen<br />
betrieblicher Abläufe oder Zusammenhänge auf, wo keine Einarbeitung durchgeführt wurde.<br />
Diese Abläufe und Zusammenhänge sind in der Regel nicht in dem Maße standardisierbar,<br />
wie es bei der Beherrschung von Techniken, Verfahren und Materialien möglich ist. Im<br />
Dienstleistungsbereich wurden durchweg mehr Defizite bei den neu eingestellten Mitar-<br />
beitern wahrgenommen. Vermutlich sind die anzuwendenden Regelungen und betrieblichen<br />
Abläufe hier vielschichtiger und weniger standardisierbar.<br />
4.2 Gab es eine Einarbeitung des neuen Mitarbeiters?<br />
Die Frage, ob neu eingestellte Mitarbeiter am neuen Arbeitsplatz über eine kurze Einweisung<br />
hinaus eingearbeitet wurden, bejahten durchschnittlich 64,6 Prozent der Betriebe (Tabelle 9).<br />
Wenn die Häufigkeit von Einarbeitungsmaßnahmen in Abhängigkeit von der Betriebsgröße<br />
betrachtet wird, zeigt sich, dass mit steigender Mitarbeiterzahl häufiger eine Einarbeitung am<br />
neuen Arbeitsplatz erfolgt. Somit steigt der Anteil von 63,0 Prozent bei den Kleinbetrieben<br />
auf einen Wert von 76,3 Prozent in den Betrieben mit mindestens 200 Mitarbeitern.<br />
Tabelle 9: Gab es eine Einarbeitung am Arbeitsplatz? (Spaltenprozente)<br />
Gesamt<br />
N=1.137<br />
OST<br />
N=433<br />
Region Größe des Betriebes<br />
WEST<br />
N=704<br />
u. 50<br />
N=924<br />
50-199<br />
N=174<br />
ab 200<br />
N=39<br />
ja 64,6 67,0 63,1 63,0 70,7 76,3<br />
nein 35,4 33,0 36,9 37,0 29,3 23,7<br />
Erhebliche Unterschiede sind zwischen kleinen und großen Betrieben des produzierenden<br />
Gewerbes erkennbar (Abbildung 8). Genauer betrachtet, lassen sich die oben beschriebenen<br />
größenabhängigen Unterschiede sogar auf das produzierende Gewerbe beschränken. Der<br />
Anteil an Einarbeitung fällt hier mit abnehmender Betriebsgröße beträchtlich ab, so dass<br />
zwar 81,3 Prozent der Betriebe ab 200 Mitarbeitern Einarbeitungsmaßnahmen durchführen,<br />
demgegenüber jedoch nur 45,8 Prozent der Kleinbetriebe mit weniger als 50 Mitarbeitern. Im<br />
Dienstleistungsbereich sind derartige Unterschiede zwischen den Betriebsgrößen nicht<br />
vorhanden.<br />
245
Silvio Buchheim<br />
Abbildung 8: Gab es eine Einarbeitung am Arbeitsplatz? (Anteil der Ja-Antworten in<br />
Prozent, N=1134)<br />
Diese bereits auffälligen Unterschiede zwischen produzierendem Gewerbe und Dienstleis-<br />
tungsbereich verstärken sich weiter, wenn eine Betrachtung der Einarbeitungshäufigkeit in<br />
Abhängigkeit von Betriebsgröße und Mitarbeitergruppen erfolgt (Tabelle 10). Die Dienst-<br />
leistungsunternehmen liegen hier verhältnismäßig dicht beieinander. Der Anteil der Neuein-<br />
stellungen, der durch Einarbeitungsmaßnahmen flankiert wird, bewegt sich mit einer Ab-<br />
weichung von nicht mehr als ±12 Prozent um einen Mittelwert von 68,0 Prozent.<br />
Die Werte driften im produzierenden Gewerbe dagegen weit mehr auseinander. Insbeson-<br />
dere bei den Facharbeitern sind erhebliche Abweichungen in Abhängigkeit von den verschie-<br />
denen Betriebsgrößen erkennbar. Nur 39,5 Prozent der Facharbeiter in den Kleinstbetrieben<br />
(unter 50 Mitarbeiter) werden nach der Einstellung eingearbeitet, da<strong>für</strong> aber 62,9 Prozent der<br />
Facharbeiter in den größeren Unternehmen mit 50 und mehr Mitarbeitern.<br />
Tabelle 10: Ja, es gab eine Einarbeitung (nach Betriebsgröße, Sektor und Mitarbeitergruppe;<br />
Angaben in Prozent)<br />
246<br />
100,0<br />
90,0<br />
80,0<br />
70,0<br />
60,0<br />
50,0<br />
40,0<br />
30,0<br />
20,0<br />
10,0<br />
0,0<br />
N=1.135 Führungskräfte<br />
bis 49<br />
Mitarbeiter<br />
mehr als 49<br />
Mitarbeiter<br />
Produzierendes Gewerbe<br />
45,8<br />
65,6<br />
produzierendes Gewerbe Dienstleistungssektor<br />
Fachangestellte<br />
81,3<br />
Facharbeiter<br />
An-/ Ungelernte <br />
Führungskräfte<br />
Dienstleister<br />
bis 49 Mitarbeiter 50-199 Mitarbeiter ab 200 Mitarbeiter<br />
Fachangestellte <br />
Facharbeiter<br />
An-/ Ungelernte<br />
66,7 52,9 39,5 48,6 72,6 63,9 72,0 63,3<br />
77,8 70,6 62,9 76,5 70,0 80,4 67,9 68,8<br />
Die Gründe <strong>für</strong> dieses deutliche Auseinanderfallen von produzierendem Gewerbe und<br />
Dienstleistungssektor sind sicher vielfältig. Es ist denkbar, dass kleineren Unternehmen des<br />
produzierenden Gewerbes häufiger die Möglichkeiten <strong>für</strong> eine Einarbeitung neuer Mitarbeiter<br />
66,4<br />
73,5<br />
72,7
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
fehlen. Dementsprechend setzen gerade diese Betriebe die <strong>für</strong> die Tätigkeit erforderlichen<br />
Kenntnisse voraus.<br />
Kleinbetriebe des produzierenden Gewerbes gehen häufig davon aus, der neu<br />
einzustellende Mitarbeiter besäße bereits die notwendigen Fähigkeiten (Abbildung 9). Mit<br />
sinkender Betriebsgröße steigt der Anteil der Unternehmen, die angeben, der Mitarbeiter<br />
habe die Tätigkeit schon einmal ausgeübt, die Kenntnisse gehören zum Standardrepertoire<br />
des Berufsstandes oder der Arbeitsplatz erfordere keine weiteren Qualifikationen. Dem-<br />
gegenüber ergaben sich im Dienstleistungsbereich keine betriebsgrößenabhängigen Unter-<br />
schiede.<br />
Abbildung 9: Warum gab es keine Einarbeitung? - produzierendes Gewerbe (Angaben<br />
in Prozent, N=109, Mehrfachantworten möglich)<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Der niedrige Anteil an Einarbeitungsmaßnahmen in den Kleinbetrieben des produzierenden<br />
Gewerbes könnte mit einheitlichen Produktionsabläufen und technischen Standards in Zu-<br />
sammenhang stehen. Facharbeiter, die das duale Ausbildungssystem durchlaufen haben,<br />
sind möglicherweise in der Lage, Defizite bei der Einarbeitung durch fundierte Kenntnisse<br />
standardisierter Produktionsprozesse und durch ein hohes Maß an Lernbereitschaft auszu-<br />
gleichen.<br />
64<br />
50<br />
Die Fachkenntnisse und Erfahrungen werden von den Kleinbetrieben auch eingefordert. An<br />
dieser Stelle können wieder die Erwartungen an die neu eingestellten Mitarbeiter und die<br />
abverlangten Fähigkeiten in Bezug genommen werden. Es ist deutlich erkennbar, dass<br />
Unternehmen, die keine Einarbeitung durchführen, häufiger Erfahrungen und Fachkennt-<br />
nisse vom neuen Mitarbeiter verlangen, als Betriebe mit Einarbeitungsmaßnahmen. Außer-<br />
dem versprechen sich gerade Betriebe ohne Einarbeitung von der Neueinstellung eine<br />
Verbesserung ihres Qualifikationsprofils.<br />
50<br />
60<br />
41<br />
Schon der Vergleich der Kleinbetriebe (bis 49 Mitarbeiter) im produzierenden Gewerbe zeigt<br />
deutliche Unterschiede in Abhängigkeit von der Bereitschaft zur Einarbeitung (Tabelle 11).<br />
52<br />
33 32 33<br />
Tätigkeit schon ausgeübt Standardrepertoire keine weiteren Qualifikationen<br />
nötig<br />
bis 49 Mitarbeiter 50-199 Mitarbeiter ab 200 Mitarbeiter<br />
247
Silvio Buchheim<br />
Nur 45 Prozent der kleinen Unternehmen mit Einarbeitung bewerten Erfahrungen in der<br />
Tätigkeit als „besonders wichtig“, demgegenüber jedoch 68 Prozent der Kleinbetriebe ohne<br />
Einarbeitung. Diese Tendenz verstärkt sich, wenn lediglich die Mitarbeitergruppe der Fach-<br />
arbeiter betrachtet wird. Hier stufen gar 72 Prozent der Kleinbetriebe ohne Einarbeitung die<br />
Erfahrungen in der Tätigkeit als eine „besonders wichtige“ Eigenschaft ein.<br />
Tabelle 11: Erwartungen und besonders wichtige Eigenschaften im produzierenden<br />
Gewerbe (Angaben in Prozent)<br />
verbessertes<br />
Qualifikationsprofil<br />
Erfahrungen in der<br />
Tätigkeit besonders<br />
wichtig<br />
branchenübliche<br />
Fachkenntnisse<br />
besonders wichtig<br />
Lernbereitschaft<br />
besonders wichtig<br />
248<br />
Gesamt<br />
n=1188<br />
Einarbeitung: JA Einarbeitung: NEIN<br />
bis 49<br />
Mitarbeiter<br />
n=122<br />
über 50<br />
Mitarbeiter<br />
n=77<br />
bis 49<br />
Mitarbeiter<br />
n=108<br />
bis 49<br />
Mitarbeiter nur<br />
Facharbeiter<br />
n=53<br />
16,0 13 13 27 36<br />
47,9 45 51 68 72<br />
53,1 49 46 55 54<br />
61,5 61 68 46 48<br />
Die Angaben der Betriebe zur Einarbeitung fördern somit einen – vorrangig im produ-<br />
zierenden Gewerbe existierenden - Unternehmenstypus zutage, der nicht bereit ist, in die<br />
Einarbeitung des neuen Mitarbeiters zu investieren, da<strong>für</strong> aber ein hohes Niveau an Kennt-<br />
nissen und Fähigkeiten voraussetzt, und zwar insbesondere bei Facharbeitern. Es handelt<br />
sich hierbei in erster Linie um Kleinbetriebe. Andererseits gibt es gerade im Bereich der<br />
Kleinbetriebe auch einen Anteil von Unternehmen, die der Einarbeitung einen hohen<br />
Stellenwert zuschreiben und im Gegenzug gemäßigtere Ansprüche an die Vorkenntnisse<br />
und Fähigkeiten der neuen Mitarbeiter stellen. Dies geht dann aber regelmäßig einher mit<br />
der Erwartung, dass der neue Mitarbeiter ein hohes Maß an Lernbereitschaft mitbringt.<br />
4.3 Lernformen und Unterstützungsmaßnahmen bei der Einarbeitung<br />
Diejenigen Betriebe, die ihren neu eingestellten Mitarbeiter über eine kurze Einweisung<br />
hinaus eingearbeitet haben, wurden gebeten, Auskunft über wichtige Lernformen der Ein-<br />
arbeitung zu geben (Tabelle 12). Die organisierte Einarbeitung am Arbeitsplatz wurde mit<br />
durchschnittlich 90 Prozent am häufigsten genannt. Aber auch die schrittweise Aufgaben-<br />
zuteilung (82,0 Prozent) und das selbstständige Lernen am Arbeitsplatz spielen eine ent-<br />
scheidende Rolle (69,9 Prozent).<br />
Erhebliche Unterschiede tauchen im Vergleich der Mitarbeitergruppen bei der Frage nach<br />
der Teilnahme an einzelnen Schulungen und Seminaren auf. Immerhin 49,6 Prozent der<br />
Führungskräfte werden auf diese Weise <strong>für</strong> die Anforderungen am neuen Arbeitsplatz
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
vorbereitet, jedoch nur 39,9 Prozent der Fachangestellten. Bei den an- und ungelernten<br />
Mitarbeitern sind es mit 29,3 Prozent sogar noch weniger. Obwohl Führungskräften häufiger<br />
als anderen Mitarbeitergruppen längere Schulungsphasen gewährt werden, wird von ihnen<br />
selbstständiges Lernen am Arbeitsplatz mit 84,5 Prozent auch in besonderes hohem Maße<br />
erwartet.<br />
Tabelle 12: Wichtige Lernformen bei Einarbeitung (Angaben in Prozent, Anteil „trifft zu“,<br />
Mehrfachnennung möglich)<br />
Frage: Bitte sagen Sie uns, welche der folgenden Lernformen hierbei eine wichtige Rolle<br />
gespielt haben.<br />
selbstständiges Lernen<br />
am Arbeitsplatz<br />
informelles Lernen mit<br />
Hilfe<br />
Teilnahme an einzelnen<br />
Schulungen oder<br />
Seminaren<br />
längere<br />
Schulungsphasen<br />
Gesamt<br />
N=734<br />
Führungskräfte<br />
N=116<br />
Fachangestellte<br />
N=287<br />
Facharbeiter<br />
N=164<br />
An-/<br />
ungelernte<br />
Mitarbeiter<br />
N=167<br />
69,5 84,5 68,4 76,2 54,5<br />
49,8 59,5 51,0 47,6 43,1<br />
39,4 49,6 38,9 43,6 29,3<br />
21,4 32,8 25,3 12,3 15,6<br />
Für die Kompetenzentwicklung ist auch der Anteil außerbetrieblicher Angebote bei der Ein-<br />
arbeitung neuer Mitarbeiter von Bedeutung. Hierbei können u.a. Kenntnisse vermittelt<br />
werden, die im Erfahrungsschatz der Belegschaft noch nicht vorhanden sind. Im Ost-West-<br />
Vergleich öffnen sich westdeutsche Betriebe etwas häufiger außerbetrieblichen Einar-<br />
beitungsformen (Tabelle 13).<br />
Tabelle 13: Anteil außerbetrieblicher Angebote bei Einarbeitung (Spaltenprozente)<br />
Frage: Wenn Sie einmal schätzen sollten, wie hoch war in diesem Fall der Anteil außerbetrieblicher<br />
Angebote bei der Einarbeitung des neuen Mitarbeiters?<br />
Häufigkeit der Nutzung:<br />
Gesamt<br />
N=720<br />
Ost<br />
N=280<br />
Region Größe des Betriebes<br />
West<br />
N=440<br />
u. 50<br />
N=573<br />
50-199<br />
N=118<br />
ab 200<br />
N=29<br />
0 64,3 67,3 62,1 63,7 66,1 69,0<br />
1-5 Prozent 8,8 7,8 9,3 9,3 5,9 10,3<br />
6-10 Prozent 9,3 7,5 10,7 8,7 11,9 10,3<br />
11 Prozent und mehr 17,6 17,4 17,9 18,3 16,1 10,4<br />
Auffälliger sind die Unterschiede bei den verschiedenen Betriebsgrößen. Kleine Betriebe<br />
nutzen die Angebote außerbetrieblicher Einrichtungen bei der Einarbeitung der neuen<br />
Mitarbeiter (Anteil 11 Prozent und mehr: 18,3 Prozent) in größerem Umfang. In Betrieben mit<br />
200 und mehr Mitarbeitern liegt dieser Wert nur noch bei 10,3 Prozent. Dieses Ergebnis<br />
249
Silvio Buchheim<br />
überrascht angesichts der Tatsache, dass größeren Unternehmen ein größerer finanzieller<br />
Spielraum bei der Auswahl derartiger Angebote zur Verfügung stehen sollte. Offensichtlich<br />
besteht in kleineren Betrieben ein höherer Bedarf an externem Know-how, weil die<br />
personellen oder sachlichen Mittel <strong>für</strong> eine effektive Einarbeitung nicht ausreichen. Zum<br />
anderen könnte sich in Ostdeutschland auch eine intensivere Nutzung von Weiterbildungs-<br />
angeboten der Arbeitsagenturen bemerkbar machen. In der Gesamtbetrachtung greift die<br />
Mehrzahl der befragten Betriebe nur sehr selten oder überhaupt nicht auf außerbetriebliche<br />
Angebote zurück.<br />
Auch wenn der Anteil außerbetrieblicher Angebote bei der Einarbeitung gering ist, ergeben<br />
sich noch Unterschiede innerhalb der Mitarbeitergruppen (Tabelle 14). Einen Anteil von 11<br />
Prozent und mehr findet man bei 20,5 Prozent der neu eingestellten Führungskräfte und bei<br />
24,2 Prozent der Facharbeiter, jedoch nur bei 14,7 Prozent der an- und ungelernten Mit-<br />
arbeiter. Entsprechend hoch ist die Zahl der neu eingestellten An- und Ungelernten, denen<br />
keinerlei außerbetriebliche Angebote vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden (68,7<br />
Prozent gegenüber 57,1 Prozent bei Führungskräften).<br />
Tabelle 14: Anteil außerbetrieblicher Angebote bei Einarbeitung (Spaltenprozente)<br />
250<br />
Gesamt<br />
N=722<br />
Führungskräfte<br />
N=112<br />
Fachangestellte<br />
N=285<br />
Facharbeiter<br />
N=161<br />
An-/ungelernte<br />
Mitarbeiter<br />
N=164<br />
0 64,1 57,1 63,7 65,8 68,7<br />
1-5 Prozent 8,7 9,8 9,9 6,2 8,6<br />
6-10 Prozent 9,3 12,5 12,0 3,7 8,0<br />
11 Prozent und mehr 17,6 20,5 14,4 24,2 14,7<br />
4.4 Dauer der Einarbeitung<br />
Diejenigen Betriebe, die eine Einarbeitung des neuen Mitarbeiters durchführten, wurden<br />
weiterhin gebeten, Angaben zur Dauer der Einarbeitungszeit zu machen. Es ergibt sich hier<br />
ein sehr heterogenes Bild. Mit 29,5 Prozent arbeitet die Mehrzahl der befragten Unter-<br />
nehmen die neuen Mitarbeiter zwischen drei bis fünf Wochen ein. In einem beachtlichen<br />
Anteil der Betriebe von 22,1 Prozent dauert die Einarbeitung sogar vier bis sechs Monate.<br />
Eindeutige Zusammenhänge zwischen Einarbeitungsdauer einerseits, Betriebsgröße, Re-<br />
gion, Sektor andererseits sind kaum erkennbar. Sehr lange Einarbeitungszeiten von mehr als<br />
4 Monaten sind bei Betrieben mit über 200 Mitarbeiten etwas häufiger als in kleineren<br />
Unternehmen zu finden.<br />
Eine Differenzierung nach Mitarbeitergruppen führt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass höher<br />
qualifizierte Mitarbeiter längere Einarbeitungszeiten benötigen bzw. diese von den Betrieben<br />
gewährt werden (Abbildung 10). Ein Drittel der Führungskräfte wird länger als sechs Monate<br />
eingearbeitet (33 Prozent). Bei noch 23,4 Prozent beträgt die Einarbeitungszeit zwischen vier<br />
und sechs Monaten. Bei den Fachangestellten und Facharbeitern verkürzt sich die
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
durchschnittliche Einarbeitungszeit. So werden ca. 50 Prozent der Facharbeiter innerhalb<br />
von fünf Wochen eingearbeitet. An- und ungelernte Mitarbeiter werden in wesentlichen<br />
kürzeren Zeiträumen mit ihrem neuen Arbeitsplatz vertraut gemacht. Nur noch 11,8 Prozent<br />
der An und Ungelernten werden vier bis sechs Monate lang eingearbeitet, da<strong>für</strong> aber 24,8<br />
Prozent innerhalb von 3 Wochen.<br />
Abbildung 10: Wie lange dauerte die Einarbeitung insgesamt? (Angaben in Prozent,<br />
N=682)<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
27,6<br />
56,4<br />
Führungskräfte und<br />
Hochqualifizierte<br />
4.5 Effektivität von Einarbeitungsmaßnahmen<br />
Um eine Aussage über die Effizienz der verschiedenen Einarbeitungsmaßnahmen treffen zu<br />
können, sollten die befragten Unternehmen die von ihnen tatsächlich genutzten Elemente<br />
der Einarbeitung mittels eines vorgegebenen Bewertungsmaßstabes einschätzen (Tabelle<br />
15). Dabei konnten die Einarbeitungsmaßnahmen als ausschlaggebend, unterstützend, wir-<br />
kungslos und hemmend eingestuft werden. Bei der Auswertung zeigte sich, dass der Anteil<br />
der Betriebe, die ihre Vorgehensweise bei der Einarbeitung als wirkungslos oder hemmend<br />
beurteilten, sehr gering ausfällt. Aus diesem Grund wurden diese Nennungen in Tabelle 15<br />
zusammengefasst. Bei den hier beschriebenen Angaben zur Effektivität, geht es nicht um<br />
den erwarteten Erfolg oder um eine allgemeine Einschätzung der Einarbeitungsmaßnahme,<br />
sondern um die Bewertung der Einarbeitung bei einer konkreten Neueinstellung. Der ausge-<br />
wählte Fall ist hierbei die jeweils letzte Einstellung aus der größten Gruppe (Führungskräfte/<br />
Hochqualifizierte; Fachangestellte, Facharbeiter, An- und Ungelernte) der im befragten Be-<br />
trieb neu eingestellten Mitarbeiter.<br />
40,4<br />
46,4<br />
Die organisierte Einarbeitung am Arbeitsplatz ist die effektivste Möglichkeit, den neuen<br />
Mitarbeiter mit seinem Arbeitsplatz vertraut zu machen. Durchschnittlich 59,7 Prozent der<br />
49,7<br />
39,4<br />
58,3<br />
29,8<br />
Fachangestellte Facharbeiter An- und Ungelernte<br />
bis 5 Wochen 4 Monate und länger<br />
251
Silvio Buchheim<br />
Unternehmen betrachten diese Einarbeitungsform als den ausschlaggebenden Faktor <strong>für</strong><br />
eine erfolgreiche Einarbeitung.<br />
Tabelle 15: Bewertung der Einarbeitungsmaßnahmen (Spaltenprozente)<br />
Frage: Bitte bewerten Sie nun diese Elemente und sagen Sie uns, ob Sie <strong>für</strong> die Einarbeitung<br />
ausschlaggebend, unterstützend, wirkungslos waren oder sich hemmend ausgewirkt haben.<br />
252<br />
Gesamt Führungskräfte<br />
Organisierte Einarbeitung am Arbeitsplatz Gesamt N = 657<br />
Fachangestellte <br />
Facharbeiter<br />
An-/<br />
ungelernte<br />
Mitarbeiter<br />
ausschlaggebend 59,6 65,4 67,9 56,8 45,9<br />
unterstützend 40,2 34,6 31,7 43,2 54,1<br />
wirkungslos/hemmend 0,2 0,0 0,4 0,0 0,0<br />
Zusammenarbeit alter/neuer Mitarbeiter Gesamt N = 153<br />
ausschlaggebend 44,4 63,0 60,0 11,9 36,8<br />
unterstützend 51,7 37,0 38,5 88,1 36,8<br />
wirkungslos/hemmend 3,9 0,0 1,5 0,0 26,4<br />
Selbständiges Lernen am Arbeitsplatz Gesamt N = 506<br />
ausschlaggebend 38,9 35,7 50,5 29,5 30,0<br />
unterstützend 58,7 59,2 48,5 68,9 66,7<br />
wirkungslos/hemmend 2,4 5,1 1,0 1,6 3,3<br />
Schrittweise steigende Aufgabenzuteilung Gesamt N = 597<br />
ausschlaggebend 36,9 19,8 48,9 34,6 31,4<br />
unterstützend 61,1 72,9 49,8 65,4 67,2<br />
wirkungslos/hemmend 2,0 7,3 1,3 0,0 1,4<br />
Längere Schulungsphasen Gesamt N = 154<br />
Ausschlaggebend 34,4 37,8 29,2 25,0 52,0<br />
Unterstützend 59,7 51,4 66,7 70,0 44,0<br />
wirkungslos/hemmend 5,9 10,8 4,1 5,0 4,0<br />
Mitarbeiter durchlief das Unternehmen Gesamt N = 175<br />
Ausschlaggebend 28,6 12,5 31,2 22,6 37,2<br />
unterstützend 65,7 79,1 67,5 74,2 48,8<br />
wirkungslos/hemmend 5,7 8,4 1,3 3,2 14,0<br />
Informelles Lernen mit Hilfe Gesamt N = 364<br />
ausschlaggebend 14,5 46,9 23,4 42,3 34,9<br />
unterstützend 85,5 44,9 68,8 57,7 60,2<br />
wirkungslos/hemmend 0,0 8,2 7,8 0,0 4,9<br />
Teilnahme an Schulungen oder Seminaren Gesamt N=287<br />
ausschlaggebend 18,2 24,6 17,9 11,4 20,8<br />
unterstützend 78,7 73,7 76,8 87,2 77,1<br />
wirkungslos/hemmend 3,1 1,7 5,3 1,4 2,1
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Von erheblicher Bedeutung ist ebenfalls die Zusammenarbeit zwischen dem alten und neuen<br />
Arbeitsplatzinhaber. Dies wird von 44,4 Prozent der Unternehmen als ausschlaggebend be-<br />
wertet. Allerdings ergeben sich hier beachtliche Unterschiede zwischen den Mitarbeitergrup-<br />
pen. Als ausschlaggebendes Element der Einarbeitung erweist sich die Zusammenarbeit<br />
zwischen altem und neuem Stelleninhaber vor allem bei Führungskräften und Fachange-<br />
stellten (ca. 60 Prozent). Die Bedeutung dieser Einarbeitungsform nimmt in auffälliger Weise<br />
bei den Facharbeitern sowie an- und ungelernten Mitarbeitern ab.<br />
Für die Mitarbeitergruppe der Fachangestellten erwies es sich in 48,9 Prozent der Fälle als<br />
sehr hilfreich, eine schrittweise steigende Aufgabenteilung vorzunehmen. Mit durchschnittlich<br />
39,1 Prozent gilt dies im Grundsatz auch <strong>für</strong> die anderen Mitarbeitergruppen.<br />
Nach der Einschätzung der Unternehmen sind längere Schulungsphasen ein ausschlagge-<br />
bendes (34,4 Prozent) oder zumindest unterstützendes Element (59,7 Prozent) der Einar-<br />
beitung. Für an- und ungelernte Mitarbeiter ergibt sich die Besonderheit, dass längere<br />
Schulungsphasen überdurchschnittlich oft als ausschlaggebend bewertet werden.<br />
Die Teilnahme an Schulungen und Seminaren wird in erster Linie als unterstützendes Ele-<br />
ment der Einarbeitung angesehen.<br />
Häufiger als bei anderen Arten der Einarbeitung bleiben die mit Durchlaufen des Unter-<br />
nehmens erzielten Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Bei 14 Prozent der an- und<br />
ungelernten Mitarbeiter blieb diese Einarbeitungsmethode wirkungslos bzw. wirkte kontrapro-<br />
duktiv. Dies trifft auch <strong>für</strong> 8,4 Prozent der Führungskräfte zu. In der Masse sind die Betriebe<br />
jedoch auch von der Effektivität dieser Form der Einarbeitung überzeugt, sei es als aus-<br />
schlaggebendes oder als unterstützendes Element.<br />
Für mehr als ein Drittel der neuen Mitarbeiter war das informelle Lernen am Arbeitsplatz eine<br />
ausschlaggebende Lernmethode, die insbesondere bei an- und ungelernten Mitarbeitern<br />
(ausschlaggebend: 42,3) und Fachangestellten positive Effekte zeigte (ausschlaggebend:<br />
46,9 Prozent).<br />
5 Zusammenfassung<br />
Betriebsgröße und Branche sind maßgebliche Einflussfaktoren <strong>für</strong> die Herausbildung von<br />
Strategien zur Suche neuer Mitarbeiter und deren Integration in das Unternehmen. Darüber<br />
hinaus passen die Unternehmen ihre Vorgehensweise bei Neueinstellungen an die Be-<br />
sonderheiten und Qualifikationen den jeweiligen Mitarbeitergruppen an. Auffällige Ost-West-<br />
Unterschiede konnten im Rahmen dieser Untersuchung nicht nachgewiesen werden. Sofern<br />
Abweichungen zwischen Ost- und Westdeutschland bestehen, können diese zumeist auf die<br />
regionalspezifischen Unternehmensstrukturen, insbesondere auf die Häufigkeit bestimmter<br />
Unternehmensgrößen zurückgeführt werden.<br />
Bereits bei der Suche nach neuen Mitarbeitern gibt es in Abhängigkeit von der Betriebsgröße<br />
verschiedene Strategien. Auf kostenintensive Auswahlmethoden, wie die Veröffentlichung<br />
von Stellenausschreibungen verzichten Klein- und Kleinstbetriebe vergleichsweise häufig<br />
253
Silvio Buchheim<br />
zugunsten informeller Suchmöglichkeiten. Die Neueinstellung aufgrund von Empfehlungen<br />
sowie das Zurückgreifen auf bereits bekannte Personen gewinnen damit einen höheren<br />
Stellenwert als in Unternehmen mit 200 und mehr Mitarbeitern. Mit ca. 26 Prozent der Neu-<br />
einstellungen haben Initiativbewerbungen über alle Betriebsgrößen hinweg einen beacht-<br />
lichen Stellenwert.<br />
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass bei der Auswahl neuer Mitarbeiter den sog. Soft<br />
Skills, wie z.B. Teamfähigkeit, Selbstständigkeit und Durchsetzungsvermögen eine wesent-<br />
liche Bedeutung zukommt. Hier ergeben sich jedoch deutliche Abweichungen zwischen des<br />
Betrieben des produzierenden Gewerbes und den Dienstleistungsunternehmen. So spielen<br />
in der verarbeitenden Industrie technische Fähigkeiten und körperliche Leistungsfähigkeit<br />
eine größere Rolle. Zudem erwarten gerade Kleinbetriebe, dass der neue Mitarbeiter bran-<br />
chenübliche Fachkenntnisse und Erfahrungen in der Tätigkeit mitbringt und auf diese Weise<br />
auch das Qualifikationsprofil des Unternehmens verbessert. Größere Unternehmen hin-<br />
gegen, insbesondere solche des Dienstleistungssektors, scheinen verstärkt auf einen Aus-<br />
gleich zwischen spezifischen Fachkenntnissen und sozialen Kompetenzen Wert zu legen.<br />
Im Bereich der Einarbeitung neuer Mitarbeiter gibt es eine deutliche Zweiteilung zwischen<br />
produzierendem Gewerbe und Dienstleistungssektor. Dienstleistungsunternehmen<br />
entscheiden sich in etwa 68 Prozent der Fälle <strong>für</strong> eine Einarbeitung – und zwar relativ unab-<br />
hängig von den Einflussfaktoren Betriebsgröße und Mitarbeitergruppe. Demgegenüber<br />
wirken sich diese beiden Kriterien in bemerkenswertem Umfang auf die Einarbeitungshäu-<br />
figkeit in Betrieben des produzierenden Gewerbes aus, die sich nur in durchschnittlich 53<br />
Prozent der Fälle <strong>für</strong> eine Einarbeitung entscheiden. Mit abnehmender Betriebsgröße sinkt<br />
hier auch die Häufigkeit von Einarbeitungsmaßnahmen rapide. Besonders im Bereich der<br />
Facharbeiter sehen produzierende Kleinbetriebe sehr oft von einer Einarbeitung ab. Dem-<br />
gegenüber führen größere Unternehmen im produzierenden Gewerbe gerade ihre neuen<br />
Facharbeiter über Einarbeitungsmaßnahmen an den neuen Arbeitsplatz heran.<br />
Zieht man die Erwartungen an die Neueinstellung und die von dem neuen Mitarbeiter ge-<br />
forderten Eigenschaften in die Betrachtung mit ein, so lassen sich im produzierenden Ge-<br />
werbe zwei Unternehmenstypen nachweisen: diejenigen, die auf Einarbeitung verzichten und<br />
da<strong>für</strong> passgenaue Qualifikationen einfordern und andere, vorrangig größere Betriebe, die in<br />
Einarbeitungsmaßnahmen investieren und im Gegenzug mehr Zugeständnisse bei den<br />
Fachkenntnissen und einschlägigen Berufserfahrungen machen können.<br />
254
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis<br />
Das Wichtigste in Kürze<br />
Tabelle 1: Innovationen in den Jahren 2000 bis 2002 ..........................................................12<br />
Abbildung 1: Fünf Innovationstypen .....................................................................................13<br />
Abbildung 2: Besonders wichtige Eigenschaften nach Branche ...........................................15<br />
Einleitung<br />
Tabelle 1: Bruttostichprobe I – nach Betriebsgröße und regionaler Lage .............................29<br />
Tabelle 2: Ausschöpfung der Adressendatei und Ausfallgründe...........................................30<br />
Abbildung 1: Aufbau des Fragebogens ................................................................................33<br />
Abbildung 2: Ankündigungsbrief...........................................................................................35<br />
Tabelle 3: Brutto- und Nettostichproben nach Größenklassen..............................................37<br />
Tabelle 4: Brutto- und Nettostichproben nach Wirtschaftszweigen .......................................38<br />
Teil A<br />
Thomas Ketzmerick, Ingo Wiekert<br />
Untersuchungsfeld und Stichprobe. Ergebnisse der Sekundäranalyse des IAB-<br />
Betriebspanels<br />
Tabelle 1: Bildung der Weiterbildungstypen und Anteil des jeweiligen Typs an<br />
allen Betrieben....................................................................................................46<br />
Tabelle 2: Betriebsgröße nach Weiterbildungsaktivitäten (Zeilenprozent).............................47<br />
Tabelle 3: Bildung der Personalproblemtypen ......................................................................48<br />
Tabelle 4: Personalprobleme nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent) .................................49<br />
Tabelle 5: Bildung der Strukturinnovationstypen...................................................................51<br />
Tabelle 6: Betriebsstrukturelle Innovationen nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)...........52<br />
Tabelle 7: Produktinnovation nach Weiterbildungstyp (Zeilenprozent)..................................53<br />
Tabelle 8: Investitionstyp und Weiterbildungstyp (Zeilenprozent) .........................................54<br />
Tabelle 9: Mittlere Anteile unterschiedlicher Qualifikationsgruppen in den Betrieben<br />
nach Weiterbildungstyp.......................................................................................55<br />
Tabelle 10: Beschäftigungswachstum und -schrumpfung nach Weiterbildungstyp ...............56<br />
Tabelle 11: Anteil der Churning-Mobilität* an Gesamt Mobilität ............................................57<br />
Tabelle 12: Anteil der „ge-churnten“ Stellen an allen Stellen ................................................57<br />
Tabelle 13: Kreuztabelle Weiterbildungstyp 1997 und 1999 .................................................59<br />
Tabelle 14: Weiterbildungscluster nach Produktinnovation (ordinal) – Ost ...........................62<br />
Tabelle 15: Weiterbildungscluster nach Produktinnovation (ordinal) – West.........................63<br />
255
Teil B<br />
Burkart Lutz<br />
Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
I Zur Lage der befragten Betriebe<br />
Tabelle 1: Erfolge und Schwierigkeiten in den letzten drei Jahren........................................68<br />
Tabelle 2: Geschäftsvolumen und aktuelle Ertragslage........................................................70<br />
Tabelle 3: Die Wettbewerbsposition und ihre Entwicklung....................................................71<br />
Tabelle 4: Wirtschaftliche Lage und Strukturmerkmale.........................................................72<br />
Tabelle 5: Wirtschaftliche Lage ausgewählter Gruppen von Betrieben .................................74<br />
II Organisierte Weiterbildung und informelles Lernen im Überblick<br />
Tabelle 1: Personalprobleme der Betriebe ...........................................................................81<br />
Tabelle 2: Beteiligung an interner und externer Weiterbildung..............................................83<br />
Tabelle 3: Wichtigkeit informeller Lernformen <strong>für</strong> die Mitarbeitergruppen .............................85<br />
Tabelle 4: Teilnahme der jeweils stärksten Mitarbeitergruppe an interner und<br />
256<br />
externer Weiterbildung........................................................................................90<br />
Tabelle 5: Beziehung zwischen formeller Weiterbildung und informellem Lernen.................92<br />
Tabelle 6: Formen der Förderung von Weiterbildung............................................................94<br />
Tabelle 7: Wesentlicher Bedeutungsgewinn von Formen der Kompetenzentwicklung..........96<br />
Tabelle 8: Prinzipien betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung......................97<br />
III Typen betrieblicher Weiterbildung und Kompetenzentwicklung<br />
Tabelle 1: Kommunalitäten nach Extraktion .......................................................................102<br />
Abbildung 1: Inverses Screeplot.........................................................................................102<br />
Tabelle 2: Sieben Typen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ...........................104<br />
Tabelle 3: Strukturkennziffern der sieben Typen ................................................................108<br />
Tabelle 4: Sektorale und regionale Einflüsse......................................................................110<br />
Tabelle 5: Typen nach Größe und Sektorzugehörigkeit......................................................111<br />
Tabelle 6: Branchenstruktur der Typen ..............................................................................113<br />
Tabelle 7: Einschätzung der Wettbewerbsposition und der Ertragslage des<br />
eigenen Unternehmens.....................................................................................116<br />
Tabelle 8a: Schwierigkeiten der letzten drei Jahre .............................................................118<br />
Tabelle 8b: Erfolge und positive Entwicklungen der letzten drei Jahre ...............................119<br />
Tabelle 9: Bedeutsame Personalprobleme je Typus ..........................................................122<br />
Tabelle 10: Als hoch eingestufte Arbeitsanforderungen je Typus .......................................124<br />
Tabelle 11: Bewertung von Anforderungen als „hoch“........................................................126<br />
IV Niveau und Profil betrieblicher Kompetenzentwicklung<br />
Tabelle 1: Sieben Typen von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung ...........................131<br />
Abbildung 1: Kennziffern der Binnen- und Außenorientierung ............................................138<br />
Tabelle 2: Binnenorientierung und Außenorientierung der Typen.......................................139<br />
Abbildung 2: Typen nach Außen- und Binnenorientierung..................................................140<br />
Tabelle 3: Kennziffern zu Niveau und Profil von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung.......................................................................................................142<br />
Tabelle 4 : Kennziffern der drei Profile von Weiterbildung und Kompetenz-<br />
entwicklung (jeweils in Prozent aller Betriebe je Profil)......................................145
Tabelle 5: Anteil der Profile an den Betrieben der vier Wirtschaftsbereiche........................146<br />
Tabelle 6a: Ausgeglichene Orientierung – Strukturmerkmale.............................................150<br />
Tabelle 6b: Ausgeglichene Orientierung – wirtschaftliche Lage..........................................151<br />
Tabelle 6c: Ausgeglichene Orientierung – Arbeitsanforderungen und Personal .................152<br />
Tabelle 7a: Vorrangige Binnenorientierung – Strukturmerkmale.........................................154<br />
Tabelle 7b: Vorrangige Binnenorientierung – wirtschaftliche Lage .....................................155<br />
Tabelle 7c: Vorrangige Binnenorientierung – Arbeitsanforderungen und Personal .............156<br />
Tabelle 8a: Vorrangige Außenorientierung − Strukturmerkmale .........................................157<br />
Tabelle 8b: Vorrangige Außenorientierung – wirtschaftliche Lage ......................................158<br />
Tabelle 8c: Vorrangige Außenorientierung – Arbeitsanforderungen und Personal..............159<br />
Teil C<br />
Susanne Winge<br />
Kompetenzentwicklung und betriebliche Innovationen<br />
I Innovationen in den Betrieben<br />
Tabelle 1: Innovationen in den letzten drei Jahren .............................................................170<br />
Tabelle 2: Betriebliche Innovationen und Strukturmerkmale...............................................171<br />
Tabelle 3: Betriebliche Innovationen und Sektorenzugehörigkeit........................................172<br />
Tabelle 4: Innovationsaktivitäten nach Region und Betriebsgröße......................................172<br />
Tabelle 5: Innovationsaktivitäten und Sektorenzugehörigkeit .............................................173<br />
Tabelle 6: Kombination von Umfang und Art der Innovationen von 2000 bis 2002 .............174<br />
Tabelle 7: Rangreihe der wichtigsten Innovationen ............................................................176<br />
Abbildung 1: Rangreihe der Bedeutung von Innovationen..................................................177<br />
Tabelle 8: Wichtigste Innovation und Strukturmerkmale .....................................................178<br />
Tabelle 9: Wichtigste Innovation und Sektorenzugehörigkeit..............................................179<br />
II Innovation als Einzelereignis<br />
Tabelle 1: Veränderungen der Arbeitsanforderungen.........................................................182<br />
Tabelle 2: Veränderung der Arbeitsbedingungen und wichtigste Innovation.......................183<br />
Tabelle 3: Qualifizierungsbedarfe der Mitarbeitergruppen ..................................................184<br />
Tabelle 4: Art der wichtigsten Innovation und ermittelte Schlüsselgruppe...........................185<br />
Tabelle 5: Wichtigste Innovation und Kompetenzdefizite der betrieblichen<br />
Schlüsselgruppe ...............................................................................................186<br />
Tabelle 6: betriebliche Unterstützung und wichtigste Innovation.........................................188<br />
Tabelle 7: Gründe <strong>für</strong> das Fehlen betrieblicher Unterstützungsleistungen..........................189<br />
Tabelle 8: Art der Unterstützungsleistungen und wichtigste Innovation ..............................190<br />
Tabelle 9: genutzte Lernformen und wichtigste Innovation .................................................191<br />
Tabelle 10: flankierende Maßnahmen und wichtigste Innovation........................................193<br />
Tabelle 11: Zielerreichung und Art der wichtigsten Innovation............................................195<br />
Tabelle 12: Zielerreichung und betriebliche Unterstützung bzw. Lerntypen ........................196<br />
Tabelle 13: Bewertung der Implementierung und wichtigste Innovation .............................198<br />
III Innovation als Teil der betrieblichen Strategie<br />
Abbildung 1: Kommunalitäten nach Extraktion ...................................................................201<br />
Tabelle 1: Fünf Cluster von Innovationen ...........................................................................202<br />
257
Tabelle 2: Fünf Innovationstypen und Betriebsgröße .........................................................205<br />
Tabelle 3: Fünf Innovationstypen und Sektorenzugehörigkeit.............................................206<br />
Tabelle 4: Fünf Typen von Innovation und Kombination der Strukturvariablen<br />
258<br />
Region und Sektorenzugehörigkeit ...................................................................208<br />
Tabelle 5: Fünf Typen von Innovation und Kombination der Strukturvariablen<br />
Sektorenzugehörigkeit und Größe ....................................................................209<br />
Tabelle 6: Fünf Typen von Innovationen und Entwicklung der wirtschaftlichen Lage..........211<br />
Tabelle 7: Fünf Typen von Innovation und Erfolge und Schwierigkeiten in den Jahren<br />
2000 bis 2002 ...................................................................................................213<br />
Tabelle 8: Fünf Typen von Innovation und Einschätzung der Wettbewerbsposition............215<br />
Tabelle 9: Fünf Typen von Innovation und deutliche Verbesserung....................................216<br />
Tabelle 10: Fünf Typen von Innovation und Personalprobleme ..........................................219<br />
Abbildung 2: Die drei am höchsten bewerteten Arbeitsanforderungen ...............................220<br />
Tabelle 11: Teilnahme der quantitativ stärksten Mitarbeitergruppe an formaler<br />
Weiterbildung.................................................................................................222<br />
Tabelle 12: Teilnahme der quantitativ stärksten Mitarbeitergruppe an informeller<br />
Weiterbildung.................................................................................................223<br />
Tabelle 13: Formen des Lernens und der Wissensbedarfe ................................................224<br />
Tabelle 14: Bedeutungszunahme der Weiterbildungs- und Lernformen .............................227<br />
Tabelle 15: Einschätzung zum Stellenwert der Weiterbildung ............................................228<br />
Teil D<br />
Silvio Buchheim<br />
Neueinstellung und Einarbeitung von Mitarbeitern<br />
Tabelle 1: Betriebe mit Neueinstellungen in den vergangenen 12 Monaten<br />
nach Region und Größe....................................................................................232<br />
Tabelle 2: Anteil der Mitarbeitergruppen als größte Gruppe unter den Neuein-<br />
gestellten ..........................................................................................................233<br />
Abbildung 1: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? ...................................................234<br />
Tabelle 3: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? .......................................................234<br />
Tabelle 4: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? .......................................................235<br />
Abbildung 2: Wie wurde der neue Mitarbeiter gefunden? ...................................................236<br />
Tabelle 5: Mit der Einstellung verbundene Erwartungen.....................................................237<br />
Abbildung 3: Welche Eigenschaften waren <strong>für</strong> die Einstellung besonders wichtig? ............238<br />
Abbildung 4: Besonders wichtige Eigenschaften – Mitarbeitergruppen...............................239<br />
Abbildung 5: Besonders wichtige Eigenschaften – Betriebsgröße ......................................240<br />
Abbildung 6: Besonders wichtige Eigenschaften – Branche ...............................................241<br />
Abbildung 7: Besonders wichtige Eigenschaften − Betriebsgröße und Branche .................242<br />
Tabelle 6: Vorgehensweise bei der Einstellung von Fachkräften........................................242<br />
Tabelle 7: Fehlende Kenntnisse bei Mitarbeitern................................................................244<br />
Tabelle 8: Fehlende Kenntnisse neu eingestellter Mitarbeiter in Abhängigkeit von<br />
Einarbeitungsmaßnahmen ................................................................................244<br />
Tabelle 9: Gab es eine Einarbeitung am Arbeitsplatz? .......................................................245<br />
Abbildung 8: Gab es eine Einarbeitung am Arbeitsplatz? ...................................................246
Tabelle 10: Ja, es gab eine Einarbeitung (nach Betriebsgröße, Sektor und<br />
Mitarbeitergruppe)............................................................................................246<br />
Abbildung 9: Warum gab es keine Einarbeitung? - produzierendes Gewerbe ....................247<br />
Tabelle 11: Erwartungen und besonders wichtige Eigenschaften im produzierenden<br />
Gewerbe ..........................................................................................................248<br />
Tabelle 12: Wichtige Lernformen bei Einarbeitung .............................................................249<br />
Tabelle 13: Anteil außerbetrieblicher Angebote bei Einarbeitung .......................................249<br />
Tabelle 14: Anteil außerbetrieblicher Angebote bei Einarbeitung.........................................250<br />
Abbildung 10: Wie lange dauerte die Einarbeitung insgesamt? ..........................................251<br />
Tabelle 15: Bewertung der Einarbeitungsmaßnahmen.......................................................252<br />
259