Forschungsberichte aus dem zsh 06-3 - Zentrum für Sozialforschung ...
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Christina Buchwald (Hg.)<br />
Das Telefoninterview – Instrument der Zukunft?<br />
<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> <strong>06</strong>-3
<strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> Halle e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Emil-Abderhalden-Str. 6<br />
<strong>06</strong>108 Halle<br />
Telefon: 0345 / 5526600<br />
Fax: 0345 / 5526601<br />
E-Mail: info@<strong>zsh</strong>.uni-halle.de<br />
Internet: http://www.<strong>zsh</strong>-online.de<br />
Druck: Druckerei der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />
Satz: Denise Demnitz und Steffi Enkelmann<br />
ISSN 1617-299X<br />
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltverzeichnis<br />
Christina Buchwald<br />
1 Das CATI-System 7<br />
1.1 Einführung in das CATI-System 7<br />
1.2 Technische Realisierung von CATI-Befragungen 9<br />
1.3 Kontaktaufnahme 10<br />
1.4 Struktur des Fragebogens 13<br />
1.4.1 „Guten Tag mein Name ist …“ 13<br />
1.4.2 Konstruktion von CATI-Fragebögen 16<br />
1.4.3 Die Formulierung der Fragen 18<br />
1.5 Pretest 18<br />
1.6 Interviewerschulung 19<br />
1.7 Abschließende Bemerkungen 21<br />
Christian Koll<br />
2 Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen 22<br />
2.1 Einleitung 22<br />
2.2 Die organisatorische Vorbereitung von CATI-Betriebsbefragungen 22<br />
2.2.1 Stichprobenziehungen 23<br />
2.2.2 Informationsversand 24<br />
2.2.3 Interviewerschulung 24<br />
2.3 Ausschöpfungsstatistik und Kontaktverhalten 26<br />
2.3.1 Beschreibung möglicher Einflussfaktoren 26<br />
2.3.2 Ausschöpfungsquoten des Kompetenzentwicklungs-Projektes 29<br />
2.3.3 Interviewzeiten, Kontaktaufnahme und Anrufversuche 30<br />
2.3.4 Durchschnittliche Interviewdauer 36<br />
2.4 Zusammenfassung und Fazit 39<br />
Christina Buchwald<br />
3 Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview 42<br />
3.1 Einleitung 42<br />
3.2 Ausschöpfung bei telefonischen Bevölkerungsbefragungen 43<br />
3.2.1 Ausschöpfung bei CATI-Befragungen Jugendlicher 45<br />
3.2.1.1 Jugend-Panel-Befragung in Ostdeutschland 45<br />
3.2.1.2 Jugendbefragungen zur Teilnahme an Maßnahmen 47<br />
3.2.2 Ausschöpfung bei Befragungen der erwachsenen Bevölkerung 48<br />
3.2.2.1 Bevölkerungsbefragung zur Politikwahrnehmung 48<br />
3.2.2.2 H<strong>aus</strong>haltsbefragung in ländlichen Regionen 50<br />
3.2.2.3 Befragung von Betroffenen der Flutkatastrophe 52<br />
3.2.2.4 Befragung von Migranten 52<br />
3.2.2.5 Befragung von Existenzgründern 53<br />
3.2.3 Ausschöpfungen der CATI-Bevölkerungsbefragungen im Vergleich zu<br />
Unternehmensbefragungen 54<br />
1
Inhaltsverzeichnis<br />
3.3 Einschätzungen zum Interview – Warum nimmt man an einer Telefonbefragung<br />
teil? 57<br />
3.3.1 Geschätzte Interviewdauer 59<br />
3.3.2 Einschätzungen der Befragten zum Interview 61<br />
3.3.2.1 Wichtigkeit der Befragung 61<br />
3.3.2.2 Empfundene Belastung des Interviews 62<br />
3.3.2.3 Verständlichkeit der Fragen 62<br />
3.3.2.4 Erinnerungsschwierigkeiten 63<br />
3.3.2.5 Teilnahme an Befragungen zu einem früheren Zeitpunkt 63<br />
3.3.2.6 Offene Kommentare zum Interview 63<br />
3.3.3 Einschätzungen des Interviews von Seiten der Interviewer 64<br />
3.3.3.1 Wie interessant war das Interview <strong>für</strong> den Interviewer? 64<br />
3.3.3.2 Hatte der Befragte Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Fragen? 65<br />
3.3.3.3 Erinnerungsschwierigkeiten des Befragten <strong>aus</strong> Sicht des Interviewers 65<br />
3.3.3.4 Wie anstrengend war das Interview <strong>für</strong> den Interviewer? 65<br />
3.3.3.5 Offene Kommentare der Interviewer zum Interview 66<br />
3.4 Fazit und Ausblick 66<br />
Katja Lukanow<br />
4 Interviewereffekte im Telefoninterview 68<br />
4.1 Einleitung 68<br />
4.2 Das computergestützte Telefoninterview 68<br />
4.2.1 Die Kommunikationssituation im Telefoninterview 70<br />
4.2.2 Interviewereffekte im telefonischen Interview 73<br />
4.2.3 Sozio<strong>dem</strong>ographische Merkmale 75<br />
4.2.4 Persönlichkeitseigenschaften 76<br />
4.2.4.1 Stimmeigenschaften 77<br />
4.2.4.2 Rhetorische Fähigkeiten 78<br />
4.2.5 Bewusstes und unbewusstes Fehlverhalten 80<br />
4.2.6 Einstellungen und Erwartungen des Interviewers 81<br />
4.3 Rekrutierung und Schulung der Interviewer 82<br />
4.3.1 Rekrutierung der Interviewer 82<br />
4.3.2 Schulung der Interviewer 84<br />
4.3.3 Exkurs: Beispiel <strong>aus</strong> der Praxis 86<br />
4.4 Resümee 89<br />
Ralf Schünemann<br />
5 Schreiben <strong>für</strong>s Sprechen/Sprechdenken vs. Hör-verstehen 90<br />
5.1 Ein sprechwissenschaftlicher Impuls <strong>für</strong> die Arbeit im CATI-Labor 90<br />
5.2 Fazit 95<br />
6 Literatur 96<br />
7 Die Autorinnen und Autoren 102<br />
8 Bisher veröffentlichte „<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong>“ 103<br />
2
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Fortführung eines bereits begonnenen Interviews 8<br />
Abbildung 2: Interviewerproduktivität 9<br />
Abbildung 3: Organisation eines CATI-Labors 10<br />
Abbildung 4: Eröffnungsbildschirm 11<br />
Abbildung 5: Kontaktaufnahme 11<br />
Abbildung 6: Terminvereinbarung zum Interview 12<br />
Abbildung 7: Beispiel <strong>für</strong> die Vergabe von Dispositionscodes 13<br />
Abbildung 8: Beispiel <strong>für</strong> die erste Frage eines CATI-Interviews 14<br />
Abbildung 9: Beispiel <strong>für</strong> eine offene Frage 15<br />
Abbildung 10: Strukturelle Merkmale der Betriebe 27<br />
Abbildung 11: Merkmale der Befragten 28<br />
Abbildung 12: Merkmale und Eigenschaften der Interviewer 29<br />
Abbildung 13: Verteilung der Interviews nach Uhrzeit 31<br />
Abbildung 14: Verteilung erfolgreicher Interviews nach Kontaktversuchen 32<br />
Abbildung 15: Verteilung erfolgreicher Interviews nach Kontaktversuchen und<br />
Betriebsgrößen 33<br />
Abbildung 16: Verteilung erfolgreicher Interviews nach Kontaktversuchen und<br />
Betriebsgrößen 34<br />
Abbildung 17: Wahrnehmung der Befragung des Erhebungsinstruments 36<br />
Abbildung 18: Interviews nach Kontaktversuchen bei der Jugend-Panel-Befragung 47<br />
Abbildung 19: Interviews nach Kontaktversuchen bei Jugend-Maßnahme-Befragungen 48<br />
Abbildung 20: Interviews und Verweigerungen nach Kontaktversuchen bei einer<br />
Bevölkerungsbefragung des SFB 580 50<br />
Abbildung 21: Interviews nach Kontaktversuchen einer H<strong>aus</strong>haltsbefragung in ländlichen<br />
Regionen 51<br />
Abbildung 22: Interviews nach Kontaktversuchen bei Bevölkerungsumfragen (Erwachsene) 54<br />
Abbildung 23: Interviews nach Kontaktversuchen bei Unternehmensbefragungen 56<br />
Abbildung 24: Interviews nach Kontaktversuchen bei Elitenbefragungen 57<br />
Abbildung 25: Tatsächliche und geschätzte Interviewdauer bei den Jugend-Maßnahme-<br />
Befragungen 60<br />
Abbildung 26: Tatsächliche und geschätzte Interviewdauer bei Bevölkerungsbefragungen 60<br />
Abbildung 27: Wichtigkeit der Befragung 61<br />
Abbildung 28: Interviewer-Befragten-Interaktion im computergestützten Interview 72<br />
Abbildung 29: Das Interview als sozialer Prozess 74<br />
Abbildung 30: Komponenten der Persönlichkeitsbeurteilung 76<br />
Abbildung 31: Rekrutierung und Schulung der Interviewer 87<br />
Abbildung 32: Die Qualitätskontrolle der Telefoninterviewer 88<br />
Abbildung 33: Einflussfaktoren auf die Hörverständlichkeit 91<br />
Abbildung 34: Spontanes vs. gelesenes Sprechen 95<br />
3
Tabellenverzeichnis<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Feldvorbereitungen <strong>für</strong> telefonische Bevölkerungs- und Betriebs-<br />
befragungen im Vergleich 25<br />
Tabelle 2: Ausschöpfungsstatistik der Telefonbefragung zur „Kompetenz-<br />
entwicklung in deutschen Unternehmen“ 30<br />
Tabelle 3: Multiple Regression – Anzahl der Kontakte nach Betriebsstruktur,<br />
Befragtenmerkmalen und Interviewereigenschaften 35<br />
Tabelle 4: Multiple Regression – Interviewdauer in Minuten nach Anzahl<br />
abgearbeiteter Items, Betriebsstruktur, Befragtenmerkmalen,<br />
Interviewereigenschaften sowie Fragebogen-/ Interviewwahrnehmung 37<br />
Tabelle 5: Erhebungsplan <strong>für</strong> die Jugend-Panel-Befragung 2001 bis 2004 46<br />
4
Vorwort<br />
Vorwort<br />
Die telefonische Befragung stellt ein kostenminimierendes und schnelles Erhebungsverfah-<br />
ren in allen Gesellschaften mit einem entwickelten Fernmeldesystem dar. Aufgrund einer<br />
überwiegend anwendungsorientierten Forschung entwickelte sich die Telefonbefragung zu<br />
einer fortschrittlichen Erhebungstechnik. In der Bundesrepublik Deutschland gelangten Te-<br />
lefoninterviews nach Erreichen einer akzeptablen Telefondichte zu Beginn der 80er Jahre<br />
zunächst in der Marktforschung zum Einsatz (vgl. Schenk 1990, S. 379 f.; Fuchs 1994,<br />
S. 55). Kurze Zeit später bediente sich auch die wissenschaftliche Forschung des computer-<br />
gestützten Telefoninterviews. Heutzutage sind CATI-Erhebungen 1 sowohl <strong>aus</strong> der kommer-<br />
ziellen Forschung wie auch <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> wissenschaftlichen Bereich nicht mehr wegzudenken.<br />
In Ostdeutschland war die Telefonanschlussdichte nach <strong>dem</strong> Systemumbruch sehr gering.<br />
Seit Mitte der 90er Jahre jedoch haben sich die Anschlusszahlen in Ostdeutschland denen<br />
im Westen Deutschlands angeglichen.<br />
Durch die Einbeziehung der Computertechnologie in den Interviewprozess eröffneten sich<br />
neue Dimensionen <strong>für</strong> die Datengewinnung. Die Diskussion über methodische Fragen der<br />
Datenerhebung mittels Telefon und die Entwicklung bzw. der Einsatz dieses Umfrageverfah-<br />
rens ist von einer Dynamik geprägt, die nicht nur umwälzende Entdeckungen technischer<br />
Möglichkeiten, sondern auch methodische Her<strong>aus</strong>forderungen im Hinblick auf grundlegende<br />
theoretische Probleme der Umfrageforschung beinhaltet.<br />
Im Eröffnungsbeitrag wird eine Einführung in das System computerassistierter Telefoninter-<br />
views (CATI) gegeben. Christina Buchwald zeigt Vorteile telefonischer Befragungen auf und<br />
erläutert <strong>aus</strong>führlich den Prozess des Interviewens mittels der CATI-Methode. Der zweite<br />
Teil des Beitrags enthält praktische Hinweise zur Konstruktion von Fragebögen <strong>für</strong> CATI-<br />
Befragungen und <strong>für</strong> den Einsatz bzw. die Schulung von Interviewern.<br />
Empirische <strong>Sozialforschung</strong> steht und fällt mit den von ihr erhobenen Daten. Die zunehmen-<br />
de Bedeutung von Telefoninterviews bei Betriebsbefragungen bewegte Christian Koll, einige<br />
organisatorische und methodische Problemfelder aufzuzeigen. Von der Stichprobenziehung<br />
über den Informationsversand, Interviewerschulung bis hin zur Ausschöpfungsquote werden<br />
einzelne Schritte einer Telefonbefragung kritisch nachvollzogen. Da die Ausschöpfungsquote<br />
als ein Gütekriterium <strong>für</strong> Befragungen gilt, widmet er möglichen Einflussfaktoren seitens der<br />
befragten Unternehmen, der jeweiligen Interviewpartner und der Interviewer 2 besondere<br />
Aufmerksamkeit.<br />
Als wichtiges Qualitätsmaß standardisierter Telefoninterviews in der sozialwissenschaftlichen<br />
Forschung gilt die Ausschöpfungsquote, welche am stärksten vom Response- bzw. Non-<br />
response-Verhalten der potentiellen Interviewpartner abhängig ist. Christina Buchwald setzt<br />
sich in ihrem Beitrag zum einen mit der Ausschöpfungsquote bei telefonischen Bevölke-<br />
rungsfragen <strong>aus</strong>einander und stellt die Auswirkungen verschiedener Einflüsse wie die<br />
Lebensaltersphase (Jugendliche/r, Erwachsene/r) der zu Befragenden, Region und Thema<br />
1 CATI: Computer Assisted Telephone Interviewing<br />
2 Der Lesbarkeit halber wird im Folgenden auf die Benutzung weiblicher und männlicher Formen verzichten und<br />
<strong>aus</strong>schließlich die männliche Form verwenden. Leserinnen mögen sich bitte immer mit angesprochen fühlen.<br />
5
Christina Buchwald<br />
der Befragung gegenüber. Zum anderen diskutiert sie das Verhältnis von Response und<br />
Nonresponse, also die Motivation der Angerufenen, an <strong>dem</strong> angebotenen Telefoninterview<br />
teilzunehmen oder die Teilnahme abzulehnen. Schließlich verweist sie auf verschiedene Ein-<br />
flussfaktoren und stellt deren Bedeutung rückblickend <strong>aus</strong> Sicht der Interviewer und der In-<br />
terviewten her<strong>aus</strong>.<br />
Das – standardisierte – Interview ist ein sozialwissenschaftliches Instrument, und wie bei<br />
allen Instrumenten wird vor<strong>aus</strong>gesetzt, dass es gleichartig misst, ungeachtet der Person, die<br />
es anwendet. Bei computerassistierten Telefoninterviews stellt die Interaktion mit <strong>dem</strong> Be-<br />
fragten und <strong>dem</strong> Computer, sowie die Beschränkung auf den akustischen Kommunikations-<br />
kanal eine Besonderheit dar. Der Wegfall aller äußerlichen Stimuli hat den Vorteil, dass<br />
äußere Merkmale der Interviewer <strong>aus</strong>geblendet werden. Allerdings ergibt sich auch eine<br />
Reihe von neuen Anforderungen an den Interviewer. Aus der Vielzahl von Ansprüchen an<br />
den Interviewer resultiert eine Reihe von Fehlerquellen. Wie er mit seinen Eigenschaften,<br />
Merkmalen und Verhaltensweisen auf die Interviewsituation und somit auf das Befragtenver-<br />
halten wirken kann, ist Inhalt des Beitrages von Katja Lukanow.<br />
Im letzten Beitrag dieses Heftes greift Ralf Schünemann die Frage auf: „Wie kann die<br />
Sprachgestaltung in Richtung einer natürlichen Mündlichkeit aufgelöst werden?“ In diesem<br />
Zusammenhang werden die sprechwissenschaftlichen Prozesse des Sprechdenkens und<br />
Hörverstehens und ihr konkreter Einfluss auf das Formulieren von Texten näher betrachtet.<br />
Das Ziel der Diskussion besteht darin, Hilfestellungen <strong>für</strong> die Visualisierung von Texten zu<br />
geben, um damit den Interviewern im Rahmen von Telefonbefragungen ihre Tätigkeit zu er-<br />
leichtern, insbesondere in klassischen ‚outbound-Situationen’ mit uninformierten Gesprächs-<br />
partnern.<br />
Halle, Oktober 20<strong>06</strong> Christina Buchwald<br />
6
Christina Buchwald<br />
1 Das CATI-System<br />
1.1 Einführung in das CATI-System<br />
Das CATI-System<br />
Durch den Einsatz von CATI eröffneten sich bei der telefonischen Befragung nicht nur neue<br />
Möglichkeiten sondern auch eine Vielzahl von Vorteilen (vgl. Porst 2000, S. 125;<br />
Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 181 ff.).<br />
1 CATI erlaubt Sozialforschern, sehr komplexe Umfragen durchzuführen. Der Vorteil<br />
eines computergesteuerten Fragebogens liegt in der automatisierten Filterführung.<br />
Durch differenzierte, automatisierte Filterführungen (beispielsweise muss ein Betrieb,<br />
der keine Azubis hat, nicht nach <strong>dem</strong> Erhalt von Fördermitteln <strong>für</strong> Auszubildende be-<br />
fragt werden) wird der Interviewer 3 und auch der Befragte von dieser Aufgabe ent-<br />
lastet. Zugleich ist die Möglichkeit eines individualisierten Befragungsablaufs gegeben.<br />
2 CATI ermöglicht die Steuerung von Fragefolgen. Auswahllisten und Fragerotation wer-<br />
den durch den Computer erledigt. Dies erspart <strong>dem</strong> Interviewer die Aufgabe der Aus-<br />
wahl eines Zufallsstarts oder die spezielle Beschäftigung mit verschiedenen Designs<br />
des Fragebogens.<br />
3 Der programmierte Fragebogen kann eine vorangehende Antwort oder Stichpunkte in<br />
eine spätere Frage wieder einbauen. Das heißt, CATI-Systeme sind in der Lage,<br />
Kommentare festzuhalten und diese mit bestimmten Fragen zu verbinden.<br />
4 Konsistenzprüfungen im Laufe des Interviews, die Antwortmuster oder Widersprüche<br />
in den Antworten festhalten, können programmiert werden.<br />
Ein Beispiel <strong>aus</strong> der „Befragung <strong>aus</strong>bildender<br />
Betriebe in Sachsen-Anhalt“:<br />
Frage 1: „Wie viele Lehrlinge bilden Sie <strong>aus</strong>?“<br />
1a: „Wie viele davon sind männlich?“<br />
und/oder<br />
1b: „Wie viele sind weiblich?“<br />
Die Summe der männlichen und weiblichen Lehrlin-<br />
ge muss mit der angegebenen Gesamtzahl überein-<br />
stimmen, sonst erhält der Interviewer ein Signal.<br />
5 Die Anruflisten werden durch das System auf den neuesten Stand gebracht und sind<br />
dadurch eine <strong>aus</strong>gezeichnete Unterstützung <strong>für</strong> die Verwaltung der Stichprobe und die<br />
Auswahl der Untersuchungsteilnehmer, welche nach Priorität vorgelegt werden. Das<br />
3 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird auf die Benutzung weiblicher und männlicher Formen verzichtet und<br />
<strong>aus</strong>schließlich die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist immer mitgemeint.<br />
7
Christina Buchwald<br />
8<br />
heißt Rückrufe, erneute Anrufversuche und vereinbarte Termine werden automatisch<br />
mitgeteilt.<br />
6 CATI hilft <strong>dem</strong> Interviewer beim Teilnehmerrückruf. Die Interviewer brauchen sich<br />
nichts <strong>aus</strong> vorangegangenen Interviews zu merken, da der Computer die notwendigen<br />
Aufschlüsselungen und Fragefolgen berücksichtigt. Bei Fortführung eines Interviews<br />
startet er den Fragebogen an der Stelle, an der das Interview unterbrochen wurde (vgl.<br />
Abbildung 1).<br />
Abbildung 1: Fortführung eines bereits begonnenen Interviews<br />
7 Sofortige Rückkopplungen zur zeitbezogenen Realisierung von Stichproben sind durch<br />
die Überprüfung der Abschlussraten, der optimalen Zeit <strong>für</strong> Anrufe je nach Zielgruppe<br />
und der Rate von Abschlüssen je Interviewer möglich. Diese Informationen können <strong>für</strong><br />
eine effiziente Planung weiterer Anrufe benutzt werden.<br />
8 Die Daten werden unmittelbar nach der Erfassung gespeichert.<br />
9 Begrenzungen in der Stichprobengröße nach Reichweite und Umfang sind nicht<br />
notwendig.<br />
10 Mit CATI kann die Anonymität der Befragung bzw. der Befragungsperson gesichert<br />
werden.
Das CATI-System<br />
An die Nutzung des CATI-Systems sind bestimmte Vor<strong>aus</strong>setzungen gebunden. CATI-<br />
Programme verlangen eine hohe Funktionstüchtigkeit der Technik und stellen hohe<br />
Anforderungen an die Datensicherheit. Die Programmierung der Eingabemasken muss<br />
erlernt und ständig angewendet werden.<br />
1.2 Technische Realisierung von CATI-Befragungen<br />
Die Organisation eines CATI-Labors kann folgendermaßen veranschaulicht werden:<br />
Die Datenbank, welche die Telefonnummern, Namen u. a. enthält sowie der programmierte<br />
Fragebogen werden zentral und vom Supervisor-PC bereitgestellt. Das CATI-System er-<br />
möglicht eine zugriffsgesteuerte Verteilung von Interviews an die einzelnen Stationen. Je-<br />
<strong>dem</strong> Interviewer wird eine spezielle Interviewerkennung zugewiesen, so dass die Produkti-<br />
vität einzelner Interviewer kontrolliert werden kann (vgl. Abbildung 2).<br />
Abbildung 2: Interviewerproduktivität<br />
Nach Beendigung eines Interviews werden die gewonnenen Daten in einem zentralen Da-<br />
tensystem gesichert. Die Sicherung der Telefonstichproben und der erhobenen Daten erfolgt<br />
auf zwei verschiedenen Festplatten. Durch die unmittelbare Dateneingabe am Bildschirm<br />
verringert sich der Aufwand <strong>für</strong> die Datenaufbereitung, so dass Ergebnisse von Telefonum-<br />
fragen mit CATI schneller zur Verfügung stehen (vgl. Abbildung 3).<br />
Die Möglichkeit Zwischen<strong>aus</strong>wertungen vorzunehmen ist mittels CATI gegeben, da die Roh-<br />
daten direkt nach Abschluss des Interviews vorliegen. Die Exportfunktion des Programms<br />
ermöglicht eine leichte Integration in ein Statistikprogramm (bspw. SPSS). Im CATI-<br />
Programm selbst sind grundlegende Auswertungsmodule implementiert, so dass eine di-<br />
rekte Datenkontrolle möglich ist.<br />
9
Christina Buchwald<br />
Abbildung 3: Organisation eines CATI-Labors<br />
Quelle: Bayer (1998)<br />
1.3 Kontaktaufnahme<br />
Der Interviewer loggt sich mit seiner persönlichen Nummernkennung (ID) an seinem Ar-<br />
beitsplatz in die entsprechende Studie ein. Jeder Interviewerstation werden dann per Zu-<br />
fallsverfahren <strong>aus</strong> der Stichprobe Adressen bzw. Telefonnummern zugewiesen. Vor je<strong>dem</strong><br />
Interview zeigt CATI am Bildschirm die wichtigsten Informationen an, wie z. B. die zugewie-<br />
sene Record-Nummer, die Telefonnummer, die Firma bzw. den Namen der Zielperson. Aus<br />
dieser Tafel ist die bevorstehende Situation im Vorfeld ersichtlich, z. B. wie viele Kontaktver-<br />
suche bereits vorangegangen sind, wann diese erfolgten und mit welchem Ergebnis und ggf.<br />
eine notierte Nachricht.<br />
Über die ebenfalls angezeigte Interviewer-ID lassen sich die Interviewer den einzelnen Inter-<br />
views zuordnen. Somit erhält der Interviewer zu Beginn der Kontaktaufnahme alle relevan-<br />
ten Informationen. Startet der Interviewer den Fragebogen und wählt dann die angezeigte<br />
Telefonnummer, so hat er auf <strong>dem</strong> Eröffnungsbildschirm (vgl. Abbildung 4) neben <strong>dem</strong><br />
Einleitungsstatement die 3 möglichen Varianten (vgl. Abbildung 5):<br />
10<br />
Supervisor-PC<br />
Überwachung<br />
Datenpflege<br />
Polling<br />
Abfrage von Terminen<br />
Überprüfung von<br />
Interviewstatistiken<br />
1 Das Interview kommt zustande.<br />
2 Die Kontaktaufnahme soll zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen<br />
(Terminvereinbarung).<br />
3 Das Interview kommt nicht zustande.<br />
Zuordnung von<br />
Samples<br />
Verteilung von<br />
Termininterviews<br />
Daten-Server<br />
Datenspeicherung<br />
Samplespeicherung<br />
Hauptprogramme<br />
Stationsdaten<br />
ja<br />
nein<br />
Interview-Station<br />
Interview<br />
Dateneingabe<br />
Rückführung absolvierter<br />
Interviews<br />
Temporäres<br />
Zwischenlagern von<br />
Termininterviews<br />
später
Abbildung 4: Eröffnungsbildschirm<br />
Abbildung 5: Kontaktaufnahme<br />
Das CATI-System<br />
11
Christina Buchwald<br />
Kommt ein Interview zustande, so werden die Fragen in der vom Forscher gewünschten<br />
Reihenfolge einschließlich der automatisierten Filterführung am Bildschirm angezeigt. Der<br />
Interviewer gibt die Antworten in das Terminal ein. Die erhobenen Daten werden geprüft und<br />
Fehler (z. B. Eingabefehler) <strong>dem</strong> Interviewer signalisiert. Abgeschlossene Interviews werden<br />
vom Server gespeichert und stehen sofort zur Durchsicht und ersten Analysen zur Verfü-<br />
gung.<br />
Soll eine erneute Kontaktaufnahme zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen oder handelt es<br />
sich um eine Terminabsprache, öffnet sich ein entsprechendes Fenster (vgl. Abbildung 6), in<br />
das der vereinbarte Termin und evtl. eine Bemerkung eingetragen werden. Terminvereinba-<br />
rungen werden vom System zentral verwaltet und zur vereinbarten Zeit automatisch mit der<br />
entsprechenden Priorität an der Interviewerstation vorgelegt.<br />
Abbildung 6: Terminvereinbarung zum Interview<br />
Kommt das Interview nicht zustande, so erscheint nach Eingabe des da<strong>für</strong> vorgesehenen<br />
Antwortcodes auf <strong>dem</strong> nächsten Bildschirm eine Reihe von möglichen Gründen <strong>für</strong> das<br />
Nicht-Zustande-Kommen (z. B. „besetzt“ oder „Verweigerung“). Für diesen Zweck werden<br />
vor jeder Untersuchung sog. Dispositionscodes zur Verwaltung und Einordnung der Inter-<br />
views definiert (vgl. Abbildung 7). Diese entscheiden dann, ob ein Interview wieder vorgelegt<br />
wird (z. B. wenn besetzt war) oder nicht (z. B. bei Verweigerung).<br />
Der Supervisor hat die Möglichkeit, den Prozess der Feldphase in allen Punkten zu über-<br />
wachen und zu dokumentieren, d. h. konkret, dass die Nummerndatenbank (z. B. die Anzahl<br />
der Nummern im Sample, die Anzahl der Terminvereinbarungen usw.) jederzeit überprüft<br />
werden kann.<br />
12
Abbildung 7: Beispiel <strong>für</strong> die Vergabe von Dispositionscodes<br />
Code Disposition<br />
1 kein Anschluss<br />
2 besetzt<br />
3 kein Kontakt/Anrufbeantworter<br />
4 keine Firma oder kein Privath<strong>aus</strong>halt<br />
5 kein Interesse<br />
6 Fax<br />
7 Abbruch/Verweigerung<br />
15 Terminvereinbarung<br />
99 komplettes Interview<br />
1.4 Struktur des Fragebogens<br />
1.4.1 „Guten Tag mein Name ist …“<br />
Das CATI-System<br />
In der Einleitungsphase des Interviews ist es wichtig, das Vertrauen des Befragten zu gewin-<br />
nen und seine Teilnahmebereitschaft zu fördern, da ein Interviewabbruch erfahrungsgemäß<br />
zumeist nach der Einleitungsphase und vor der ersten Frage erfolgt. Der Erfolg einer telefo-<br />
nischen Erhebung hängt entscheidend von den ersten Minuten des Kontaktversuches ab.<br />
Eine erfolgreiche Kontaktphase liegt zwar in den Händen (oder besser in den Stimmen) der<br />
Interviewer, sie kann jedoch durch bestimmte Vorgaben erleichtert oder auch erschwert<br />
werden (vgl. Wüst 1998, S. 15; Friedrichs 1990b, S. 416 f.). Je nach Art der Stichprobe ist<br />
es möglich, den zu Befragenden vorab schriftlich über die geplante Umfrage in Kenntnis zu<br />
setzen. Die Bereitschaft, an der Erhebung teilzunehmen, steigt durch ein Anschreiben nach-<br />
weislich. Bei Zufallsstichproben auf der Grundlage von Telefonverzeichnissen ist eine öffent-<br />
liche Bekanntgabe der geplanten Untersuchung, z. B. durch die Presse, eine Möglichkeit der<br />
Information im Vorfeld.<br />
Das Einleitungsstatement sollte folgende Informationen enthalten:<br />
1 Den vollständigen Namen des Interviewers<br />
2 Die Quelle des Anrufes (Universität, Fakultät, Institut) und ggf. das Angebot eines<br />
Rückrufs zur Identifizierbarkeit<br />
3 Informationen über den Auftraggeber<br />
4 Das verwendete Auswahlverfahren<br />
5 Das Thema der Untersuchung<br />
6 Einen Verweis auf die Anonymitätszusicherung<br />
7 Einen Hinweis auf die Freiwilligkeit des Interviews<br />
8 Die Angabe über die vor<strong>aus</strong>sichtliche Länge des Interviews<br />
9 Die Möglichkeit, Fragen zu stellen<br />
13
Christina Buchwald<br />
Im Einleitungsstatement muss ggf. die H<strong>aus</strong>haltsgröße und die Zielperson ermittelt werden.<br />
Die Interviewer müssen auf Rückfragen der Zielperson vorbereitet sein. Den ersten Fragen<br />
eines beginnenden Telefoninterviews kommt eine entscheidende Bedeutung zu, da diese<br />
das geweckte Interesse des Befragten an der Themenstellung aufrechterhalten sollen.<br />
Folgende Strategie wird <strong>für</strong> die ersten Fragen vorgeschlagen (vgl. Dillmann 1978):<br />
Die erste Frage sollte:<br />
1 themenbezogen,<br />
2 interessant und<br />
3 als geschlossene Frage leicht zu beantworten sein, damit der Befragte mit der<br />
14<br />
Fragetechnik der vorgegebenen Antwortkategorien vertraut gemacht wird<br />
(vgl. Abbildung 8).<br />
Zu<strong>dem</strong> ist es wichtig einen inhaltlichen Bezug zum Thema der Befragung herzustellen (vgl.<br />
Schnell/Hill/Esser 1992, S. 382).<br />
Abbildung 8: Beispiel <strong>für</strong> die erste Frage eines CATI-Interviews
Das CATI-System<br />
Die zweite Frage hingegen sollte mit offenen Antwortmöglichkeiten formuliert werden, um<br />
den Befragten gleich zu Beginn des Interviews in eine natürliche Gesprächssituation einzu-<br />
binden und ihm somit die Möglichkeit zu geben, seine Meinung frei zu äußern<br />
(vgl. Abbildung 9).<br />
Abbildung 9: Beispiel <strong>für</strong> eine offene Frage<br />
Außer<strong>dem</strong> kann der Interviewpartner im Rahmen einer offenen Frage mit eigenen Worten<br />
ins Gespräch kommen und seine eigene „Telefonstimme“ finden (vgl. Frey/Kunz/Lüschen<br />
1990, S. 139). Die Platzierung der <strong>dem</strong>ographischen Fragen zu Beginn des Interviews führt<br />
erfahrungsgemäß zu einer erhöhten Abbruchwahrscheinlichkeit. Die sozialstatistischen Fra-<br />
gen sollten deshalb an das Ende des Fragebogens gelegt werden.<br />
15
Christina Buchwald<br />
1.4.2 Konstruktion von CATI-Fragebögen<br />
Bei der Konstruktion eines standardisierten Fragebogens <strong>für</strong> ein computergestütztes telefo-<br />
nisches Interview müssen folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden (vgl. Fuchs 1994,<br />
S. 63 f.):<br />
16<br />
1 Im Prozess der Operationalisierung müssen Forschungsfragen in kommunizierbare<br />
Erhebungsfragen <strong>für</strong> ein standardisiertes Interview übersetzt werden.<br />
2 Der Fragebogen muss die Bereitschaft des Befragten zur Teilnahme am<br />
Telefoninterview wecken. Im Interesse der Umfrage sollte der Untersuchungsteil-<br />
nehmer vor allem in zweierlei Hinsicht motiviert werden: teilzunehmen und „wahre“<br />
Antworten zu geben.<br />
3 Mit <strong>dem</strong> Fragebogen soll der Interviewer befähigt werden, die Aufmerksamkeit des<br />
Befragten <strong>für</strong> die Gesamtdauer des Interviews auf sich zu ziehen.<br />
4 Der Befragte soll <strong>dem</strong> gesamten Interview leicht folgen können.<br />
Die Planung und Konstruktion des CATI-Fragebogens stellt besondere Ansprüche an den<br />
Programmierer und den Interviewer. Insgesamt hängt die Antwortqualität weitgehend vom<br />
Vertrauen des Befragten gegenüber <strong>dem</strong> Umfrageinstitut, <strong>dem</strong> Befragungsthema, <strong>dem</strong> In-<br />
terviewer und auch der Art und Weise ab, wie die Fragen angeordnet und gestellt werden.<br />
Für das standardisierte Telefoninterview eignen sich in erster Linie geschlossene Fragen.<br />
Dabei ermöglicht die computergestützte Datenerfassung sowohl die vollkommen freie Erfas-<br />
sung gegebener Antworten als auch die Zuordnung der Antwort zu bereits festgelegten Ant-<br />
wortkategorien (Feldvercodung). Neben den Antwortkategorien „weiß nicht“ bzw. „keine An-<br />
gabe“ ist es mit CATI möglich, <strong>für</strong> die Kategorie „sonstiges“ oder „anderes“ ein sich öffnen-<br />
des Fenster zu programmieren, um kurze Antworten offen einzutragen. Ist es bei geschlos-<br />
senen Fragen nicht möglich, kurz und bündig zu formulieren, so werden zunächst alle Ele-<br />
mente der Frage im Detail dargestellt und in der eigentlichen Frage dann jedoch nur die<br />
Schlüsselbegriffe der einzelnen Teile aufgegriffen (vgl. Dillmann 1978, S. 2<strong>06</strong> f.). Häufig ist<br />
es von Vorteil, zweistufige oder mehrstufige Fragen zu formulieren (vgl. Wüst 1998, S. 23).<br />
Eine Beispielfrage <strong>aus</strong> einer „Befragung <strong>aus</strong>bildender Betriebe“ soll dies verdeutlichen. Die<br />
Frage: „Falls Ihr Betrieb Auszubildende hat, <strong>für</strong> wie viele Lehrlinge haben Sie Fördermittel<br />
beantragt und nach welchen Kriterien?“ lässt sich in folgender Stufenabfrage mittels CATI<br />
realisieren:
Das CATI-System<br />
Frage 1: Sind bei Ihnen derzeit Auszubildende im Betrieb, <strong>für</strong> die Sie Fördermittel<br />
beantragt haben?<br />
Sollen längere Antwortlisten abgefragt werden, so bietet sich eine Einzelabfrage der Items<br />
an. Die Struktur, in der geantwortet werden soll (z. B. fünf Antwortkategorien oder eine<br />
Skala) ist meistens nach <strong>dem</strong> zweiten Item eingeübt und kann bei einem anderen Frage-<br />
block wieder gut Verwendung finden.<br />
Bei der Verwendung von Antwortskalen ist zwar im Telefoninterview eine optische Unter-<br />
stützung nicht möglich, jedoch kann bei Einsatz einer überschaubaren Skala, bspw. der 5er<br />
Skala von „sehr gut“ bis „sehr schlecht“ oder einer Thermometerskala das gleiche Resultat<br />
wie bei der Verwendung von optisch unterstützten Antwortskalen im persönlich-mündlichen<br />
Interview erreicht werden.<br />
Auch Rankings sind einsetzbar. Dazu wird die Liste aller Items (in einer vom Rechner ge-<br />
steuerten Zufallsreihenfolge) vorgelegt und zunächst nach <strong>dem</strong> wichtigsten Item gefragt, in<br />
der Folge wird dann nach <strong>dem</strong> wichtigsten unter den jeweils verbliebenen Items gefragt.<br />
Offene Fragen können im Telefoninterview gestellt werden, jedoch sollte sich deren Anzahl<br />
in Grenzen halten. Es ist darauf zu achten, dass die Antworten telefonisch meist kürzer als<br />
im face-to-face-Interview sind.<br />
ja ................... 1<br />
nein ............... 2 (weiter mit Frage ....)<br />
weiß nicht ...... 3 (weiter mit Frage ....)<br />
k. A. .............. 4 (weiter mit Frage ....)<br />
Frage 2: Für wie viele Lehrlinge trifft dies zu? ...........<br />
Frage 3: Nach welchem Förderkriterium wurden diese Mittel beantragt? (Mehr-<br />
fachnennung möglich)<br />
❒ Erstmalige Ausbildung<br />
❒ Übernahme von Konkurslehrlingen<br />
❒ Übernahme <strong>aus</strong> einer überbetrieblichen Einrichtung<br />
❒ Förderung von Mädchen in männlich dominierten Berufen usw.<br />
Offene Fragen lassen sich mittels CATI gut praktizieren, wenn kurze und konkrete Antwor-<br />
ten erwünscht sind wie bspw. die Frage nach <strong>dem</strong> Beruf des Befragten oder nach den Aus-<br />
bildungsrichtungen eines Betriebes. Andernfalls sollten offene Fragen so angelegt sein,<br />
dass sich die Antworten in einen Schlüsselbegriff fassen lassen, der dann vom Interviewer<br />
eingetragen werden kann. Möglich ist auch, dass der Interviewer die offene Antwort selbst in<br />
ein bereits vorgegebenes Schema einordnet. Besteht die Notwendigkeit offene Fragen zu<br />
stellen, die einer <strong>aus</strong>führlicheren Antwort bedürfen, so sollte dies im Vorfeld abgesprochen<br />
17
Christina Buchwald<br />
werden, um evtl. ein Aufnahmegerät einzuschalten und längere Statements mitschneiden zu<br />
können. Dazu muss allerdings das Einverständnis des Befragten eingeholt werden.<br />
Grundsätzlich ist es von Vorteil, im inhaltlichen Teil die wichtigsten Fragen im zweiten Drittel<br />
des Fragebogens zu platzieren, während die sozialstatistischen Fragen an den Schluss ge-<br />
hören.<br />
Neben vielen erfahrungsdeterminierten Regeln existiert eine Reihe offener Fragen, welche<br />
Raum <strong>für</strong> die Entwicklung von weiteren verlässlichen Routinen gibt.<br />
1.4.3 Die Formulierung der Fragen<br />
Für die Formulierung von Fragen haben sich eine Reihe von Regeln als günstig erwiesen:<br />
18<br />
1 Die Fragen sollten nach Möglichkeit kurz und einfach formuliert sein.<br />
2 Die Fragen sollten jeweils am Ende eine Aufzählung der zulässigen Antwortalterna-<br />
tiven enthalten, wobei die Möglichkeit der Antwortverweigerung oder „weiß nicht“<br />
bzw. „keine Meinung“ nicht vorgelesen werden.<br />
3 Wichtig ist, dass zu viele Antwortmöglichkeiten vermieden werden, da dies die<br />
Erinnerungsleistung des Befragten überfordern könnte und der Interviewte ver-<br />
stärkt dazu neigt, die erste oder letzte Kategorie zu nennen („Response-Order-Ef-<br />
fekt“).<br />
4 Die Verwendung von fünf Antwortkategorien sollte nicht überschritten werden.<br />
5 Numerische Skalen mit wechselnden, verbalisierten Extrempunkten und Zahlwer-<br />
ten innerhalb eines leicht überschaubaren Vorstellungsraumes wie ein Kontinuum<br />
von 0 bis 10, Thermometerfragen von –5 bis +5 oder Schulnoten sind einsetzbar.<br />
6 Ein häufiger Wechsel der Antwortformate eines Fragebogens kann zu Verwirrun-<br />
gen bei den Befragten führen und die Qualität der Daten senken.<br />
7 Aufgrund möglicher Ermüdungseffekte ist es ratsam, den Fragebogen<br />
abwechslungsreich zu gestalten.<br />
8 Fragen sollten inhaltlich gruppiert werden und die Fragekomplexe mit überleiten-<br />
den Formulierungen eingeleitet werden.<br />
1.5 Pretest<br />
Bevor der entwickelte Fragebogen ins Feld geht, bevor also die ersten telefonischen Inter-<br />
views mit Hilfe des Instruments durchgeführt werden, muss der Fragebogen (wie bei allen<br />
anderen Erhebungstypen auch) hinsichtlich seiner Funktionstüchtigkeit getestet werden.<br />
Beim Pretest finden zwei Aspekte Beachtung:
Das CATI-System<br />
1. Der Fragebogen muss auf seine Kommunizierbarkeit mittels CATI getestet<br />
werden.<br />
Folgende Aspekte sollten dabei Berücksichtigung finden (vgl. Fuchs 1994, S. 130):<br />
Der Fragebogen sollte von Seiten der Interviewer als ein flüssiges und nicht stockendes<br />
Erhebungsgespräch handhabbar sein, d. h. auf einen durchgängigen Fluss des Interviews<br />
ist zu achten, um P<strong>aus</strong>en, Brücken u. Ä. zu vermeiden, da diese Anlass <strong>für</strong> einen Abbruch<br />
des Interviews bieten könnten.<br />
Die Einzelfragen müssen <strong>für</strong> ein telefonisches Interview geeignet und insbesondere<br />
telefonisch kommunikabel sein und in der vom Forscher intendierten Weise vom Befragten<br />
verstanden werden (Bedeutungsäquivalenz) (vgl. Fuchs 1994, S. 125).<br />
2. Der Fragebogen muss auf seine Filterführung hin getestet werden.<br />
Die Filterführung und die Gabelstruktur des Fragebogens müssen geprüft werden, damit<br />
alle antizipierten Interviewvarianten vollständig erfasst sind.<br />
Im Pretest des Erhebungsbogens sollte die zeitliche Dauer abgeschätzt und ggf. der<br />
Fragebogen gekürzt werden. Die Angaben über die optimale Länge eines Te-<br />
lefoninterviews variieren in der Literatur – es finden sich Angaben von 20 bis 30 Minuten,<br />
aber auch bis zu 60 und mehr Minuten <strong>für</strong> Unternehmens- oder Expertenbefragungen.<br />
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein inhaltlich identisches Telefoninterview ein<br />
Zehntel bis ein Fünftel oder sogar noch kürzer <strong>aus</strong>fällt als das entsprechende face-to-face-<br />
Interview (vgl. Groves 1990, S. 234; Fuchs 1994, S. 56).<br />
Für die Fragebogenkonstruktion und den Pretest muss genügend Zeit veranschlagt werden,<br />
da im Fragebogen enthaltene Fehler nach Abschluss der Feldzeit nur schwer zu beheben<br />
sind.<br />
1.6 Interviewerschulung<br />
Der Erfolg einer Befragung ist neben der Konstruktion des Fragebogens, der Verlässlichkeit<br />
der Antworten, der Ausschöpfung der Stichprobe usw. auch von der Qualität der Intervie-<br />
werschulung abhängig. Beim Einsatz der Interviewer 4 soll nach Möglichkeit das inhaltliche<br />
Interesse <strong>für</strong> eine bestimmte Studie oder ein bestimmtes Thema und auch die Eignung <strong>für</strong><br />
bestimmte Umfragetypen berücksichtigt werden. Die Vorbereitung der Interviewer umfasst<br />
folgende zwei Bereiche:<br />
4 Das <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> Halle e.V. (<strong>zsh</strong>) arbeitet derzeit mit etwa 100 Studenten zusammen.<br />
19
Christina Buchwald<br />
1. Grundschulung, dazu gehört:<br />
20<br />
• Vermittlung von Grundlagen bezüglich der Rolle des Interviewers in der<br />
Erhebungssituation sowie Besonderheiten der telefonischen Befragung,<br />
• Sprechtechniken,<br />
• Umgang mit der Interviewersoftware,<br />
• Umgang mit der Telefonanlage,<br />
• Richtlinien bezüglich des Datenschutzes und des Persönlichkeitsrechts der Befrag-<br />
ten.<br />
2. Umfragespezifische Schulung:<br />
• Einführung in das Thema der Befragung,<br />
• Vorstellung des Fragebogens (inklusive der zur Anwendung kommenden Filterführung<br />
bzw. Besonderheiten) und<br />
• Übungsinterviews. 5<br />
Es gibt gute Gründe, einen permanenten Interviewerstamm aufzubauen und zu erhalten. Da<br />
die Interviewer bei längerer Tätigkeit im Telefonlabor bereits mit <strong>dem</strong> CATI-System vertraut<br />
sind, kann bei jeder neuen Studie auf die Grundschulung verzichtet werden. Es erfolgt nur<br />
noch die jeweilige umfragespezifische Schulung.<br />
Diese Schulung sollte nicht in einem zu kurzen Zeitraum vor der tatsächlichen Feldphase<br />
liegen, damit eine gründliche Einarbeitung in die jeweilige Thematik erfolgen kann. Die<br />
Übungsphase mit <strong>dem</strong> fertigen Fragebogen sollte nicht zu kurz gehalten werden, um Einar-<br />
beitungsverzerrungen während der ersten Feldtage zu vermeiden. Aufgrund ihres Erfah-<br />
rungsschatzes sollen nach Möglichkeit, Interviewer des Interviewerstammes an der Ausar-<br />
beitung eines Fragebogens beteiligt werden, da sie ihre <strong>aus</strong> vielen Untersuchungen gewon-<br />
nenen Erfahrungen konstruktiv einbringen können.<br />
Erfahrungen haben gezeigt, dass es erhebliche Varianzen in Bezug auf Qualität und Quan-<br />
tität der Arbeit gibt. Diesem Problem muss durch Schulungsanstrengungen begegnet wer-<br />
den. In der Literatur wird auch immer wieder davon berichtet, dass es eine spezifische Inter-<br />
viewerpersönlichkeit gibt, die auch nicht erlernt werden kann. Wiederum gibt es <strong>für</strong> je spezi-<br />
fische Umfragetypen (Managerbefragungen, Bevölkerungsbefragungen, Experteninterviews)<br />
unterschiedliche Befähigungen.<br />
Wie bei jeder anderen Befragungsform sind auch im Rahmen von Telefoninterviews Inter-<br />
viewereinflüsse zu verzeichnen. Allerdings können diese aufgrund des zentral geführten<br />
Interviewereinsatzes vom Supervisor besser kontrolliert werden. (vgl. Schenk 1990, S. 381).<br />
5 Mehr hierzu bei Lukanow Kapitel 4.3.2.
1.7 Abschließende Bemerkungen<br />
Das CATI-System<br />
Die Vorteile einer Erhebung mittels CATI können folgendermaßen stichpunktartig zusam-<br />
mengefasst werden (vgl. Schnell/Hill/Esser 1999, S. 353):<br />
Computergeleitete Befragung sind per Telefon auch <strong>für</strong> komplexere Fragebogendesigns<br />
mit komplizierten Filterführungen geeignet<br />
Kostenreduzierung<br />
Höhere Ausschöpfungsquoten als bei schriftlichen Befragungen<br />
Realisierung größerer Stichproben in kürzerer Zeit und mit weniger Interviewern<br />
Verkürzung der Feld- und Bearbeitungsphase<br />
Schnellere Datenerfassung<br />
Hohe Qualität der Daten bei gleichzeitig komplexeren Befragungsmöglichkeiten<br />
Verwaltung der Anrufwiederholungen bei Nicht-Erreichen eines Anschlusses<br />
Aktuelle Informationen über die Zahl abgeschlossener Interviews bzw. über Ab-<br />
schlussraten (sind laufend präsent)<br />
Computergestützte Kontrolle der Interviewer durch einen Supervisor (Dadurch ist ein<br />
reduzierter bzw. besser kontrollierter Interviewereinfluss gegeben.)<br />
Ständige Überwachung des gesamten Interviewprozesses<br />
Jederzeitige Erstellung von Zwischenergebnissen<br />
Im Bereich der kommerziellen Umfrageforschung wie auch in der Wissenschaft gewinnt die<br />
Telefonbefragung immer mehr an Bedeutung. Untersuchungen mittels CATI können <strong>für</strong> ver-<br />
schiedene Umfrageformen (z. B. Unternehmens- oder Bevölkerungsbefragungen) eingesetzt<br />
werden und sind besonders effektiv bei Befragungen mit großen Fallzahlen und standardi-<br />
sierten Fragestellungen.<br />
Telefoninterviews sind auch bei Wiederholungsbefragungen, z. B. in Panelstudien, entweder<br />
allein oder in Kombination mit anderen Erhebungsverfahren nützlich. Es besteht zu<strong>dem</strong> die<br />
Möglichkeit, im Rahmen repräsentativer Telefonumfragen besondere Zielgruppen her<strong>aus</strong>zu-<br />
filtern, die später nachbefragt werden (sog. „screening“). Wird die computergestützte Tele-<br />
fonbefragung mit anderen Alternativen verglichen, so muss gesagt werden, dass jede Um-<br />
frageform in jeweils spezifischen Feldern ihre Berechtigung besitzt. Jede Form der Umfrage<br />
weist Vor- und Nachteile auf, so dass die Wahl des Erhebungsinstrumentes situationsbezo-<br />
gen erfolgen sollte.<br />
21
Christian Koll<br />
Christian Koll<br />
2 Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei<br />
Betriebsbefragungen 6<br />
2.1 Einleitung<br />
Interviews gelten in der <strong>Sozialforschung</strong> als anerkanntes Instrument der Datenerhebung.<br />
Insbesondere computergestützte telefonische Befragungen (CATI) erleben seit längerer Zeit<br />
einen Aufschwung (Sahner 2002; Schneid 1991). Und obwohl ein häufig genannter Vorteil<br />
der CATI-Methode in der höheren bzw. verbesserten Erreichbarkeit von Repräsentanten<br />
spezieller Befragungsgruppen liegt (z.B. Schnell/Hill/Esser 1995, S. 351), werden sie doch<br />
überwiegend <strong>für</strong> die Durchführung von allgemeinen Bevölkerungs- und H<strong>aus</strong>haltsbefra-<br />
gungen genutzt. Aus diesem Grund liegen <strong>für</strong> diesen Bereich mittlerweile auch zahlreiche<br />
Erkenntnisse über die methodischen Spezifika von CATI-Interviews vor, die insgesamt recht<br />
gut dokumentiert sind. Die Fragestellungen ranken sich bspw. dabei um technische und or-<br />
ganisatorische Effizienz von CATI-Erhebungen, Stichprobenprobleme und Ausschöpfungen<br />
sowie Interviewereffekte.<br />
Dagegen sind <strong>für</strong> telefonische Betriebsbefragungen viele Fragen noch offen und bedürfen<br />
der weiteren Erforschung. Der Beitrag möchte an <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen relevante<br />
Problemstellungen anknüpfen, weshalb sich die Gliederung an <strong>für</strong> telefonische Bevölke-<br />
rungsbefragungen typische Arbeitsfelder anlehnt. Ziel ist vor allem die Her<strong>aus</strong>stellung orga-<br />
nisatorischer Problemfelder, die mit der Durchführung von Betriebsbefragungen einherge-<br />
hen. Im ersten Teil soll es darum gehen, organisatorische Maßnahmen zu diskutieren, die<br />
zur Vorbereitung der Feldphase einer CATI-Befragung von Bedeutung sind. Im zweiten Teil<br />
werden neben den Ausschöpfungsquoten einige Befunde präsentiert, mit deren Hilfe die<br />
Phase der Kontaktaufnahme näher charakterisiert werden kann. Abschließend werden einige<br />
Fragen hinsichtlich der Interviewdauer sowie der Reaktions- bzw. Antwortzeiten zum Ge-<br />
genstand der Betrachtungen. Insbesondere in diesem Teil werden mittels multivariater Ana-<br />
lysen mögliche Einflüsse verschiedener als relevant zu erachtender Strukturmerkmale von<br />
Unternehmen, Befragten sowie Interviewern getestet und miteinander verglichen. Gleichzei-<br />
tig soll damit ein Bezug zu methodisch-inhaltlichen Fragestellungen und künftiger Forschung<br />
im Hinblick auf die Verbesserung der Qualität von Daten hergestellt werden.<br />
2.2 Die organisatorische Vorbereitung von CATI-Betriebsbefragungen<br />
Für Bevölkerungsbefragungen existiert eine Reihe von „Standardprozeduren“ zur effizienten<br />
Vorbereitung und Durchführung einer telefonischen Befragung. Als wesentliche Punkte sind<br />
hierbei die Ziehung geeigneter Stichproben sowie die Recherche von Telefonanschlüssen<br />
6 Dieser Text basiert auf <strong>dem</strong> Beitrag von Christian Koll „Überlegungen zur effizienten Durchführung von CATI-<br />
Betriebsbefragungen“ in <strong>dem</strong> Buch „Zehn <strong>aus</strong> Achtzig. Burkart Lutz zum 80.“ von Ingo Wiekert (Hg.).<br />
22
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
und der Versand von Informations- bzw. Ankündigungsschreiben hervorzuheben. Parallel<br />
dazu spielt die Schulung von Interviewern eine wichtige Rolle. Nachfolgend werden deshalb<br />
diese Felder <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen kurz beleuchtet, um anschließend einige Unter-<br />
schiede zu Befragungen von Unternehmen und Betrieben darzustellen.<br />
2.2.1 Stichprobenziehungen<br />
Vor einer telefonischen Befragung müssen Entscheidungen über die Auswahl der Stichprobe<br />
getroffen werden. Für repräsentative Bevölkerungsbefragungen werden in der methodischen<br />
Literatur zahlreiche Auswahlverfahren vorgeschlagen. Eine Methode besteht einerseits in der<br />
nach Quoten geschichteten Stichprobenziehung über Einwohnermelderegister. Allerdings<br />
können infolge einer zunehmend geringer werdenden Eintragsdichte in Telefonverzeichnisse<br />
bei der Recherche von Telefonanschlüssen systematische Verzerrungen auftreten (Schulte<br />
1997; von der Heyde 1997; Heckel 2002). Gut bewährt hat sich andererseits die Stichpro-<br />
benziehung nach <strong>dem</strong> sogenannten Häder-Gabler-Design, bei <strong>dem</strong> auch H<strong>aus</strong>halte in die<br />
Auswahl einbezogen werden, die nicht in offizielle Telefonverzeichnisse eingetragen sind<br />
(Häder/Gabler 1998). 7<br />
Für Unternehmensbefragungen erweisen sich diese Vorgehensweisen nur sehr einge-<br />
schränkt als sinnvoll und praktikabel. So existieren im Hinblick auf die Vorgehensweise <strong>für</strong><br />
die Bildung einer geeigneten Stichprobe unterschiedliche Möglichkeiten, die jeweils mit Vor-<br />
und Nachteilen behaftet sind. Eine gängige Variante ist die Stichprobenziehung mit Hilfe des<br />
Hoppenstedt-Verzeichnisses. Hier sind Adressen und Telefonnummern von Firmen sowie<br />
Informationen über zentrale strukturelle Merkmale von Betrieben enthalten. Der Eintrag <strong>für</strong><br />
die Unternehmen ist jedoch freiwillig und kostenpflichtig; zu<strong>dem</strong> liegt das primäre Ziel der<br />
Hoppenstedt-Datei in der Erstellung von Lieferverzeichnissen. Dies hat vor allem <strong>für</strong> kleine<br />
Firmen eine als zu gering zu erachtende Eintragungsdichte zur Folge. Aus diesem Grunde<br />
scheint es angemessener, nach relevanten Betriebsmerkmalen geschichtete Stichproben mit<br />
Hilfe der Betriebsnummerndatei der Bundesagentur <strong>für</strong> Arbeit zu ziehen und anschließend<br />
Telefonnummern nachzurecherchieren. Hier können dann sämtliche Informationsmedien –<br />
Hoppenstedt-Verzeichnis, Telefonbuch bzw. -CD-Rom sowie das Internet – herangezogen<br />
werden. 8<br />
7 Die beiden genannten Auswahlmethoden markieren das Spektrum einer Reihe weiterer, sich graduell<br />
voneinander unterscheidenden Verfahren der Zufalls<strong>aus</strong>wahl von Telefonstichproben. Einen kritischen Überblick<br />
geben Häder/Gabler (2000).<br />
8 Für eine detaillierte Analyse von Ausfallstatistiken wäre dann wichtig, Strukturmerkmale von Betrieben zu<br />
berücksichtigen, bei denen sich auf keinem Weg eine Telefonnummer ermitteln ließ.<br />
23
Christian Koll<br />
2.2.2 Informationsversand<br />
Hinsichtlich der Versendung von Anschreiben existieren Hinweise ebenfalls vor allem <strong>für</strong> den<br />
Bereich von Bevölkerungsumfragen. Gut belegt ist, dass die Versendung eines Anschrei-<br />
bens, in welchem die Befragung angekündigt und ihre Ziele sowie die verantwortliche Institu-<br />
tion genannt werden, die Teilnahmewilligkeit erhöht (Dillmann 1978, S. 245 ff.; Porst 1991;<br />
Hüfken 2000b). Insbesondere im Hinblick auf den Einsatz einer Zufallsstichprobe nach der<br />
Häder-Gabler-Methode kann alternativ über eine Ankündigung in der Presse nachgedacht<br />
werden, da in diesen Fällen nur wenige Adressdaten zur Verfügung stehen.<br />
Zwar kann auch <strong>für</strong> Betriebsbefragungen begründet vermutet werden, dass ein Anschreiben<br />
positive Effekte auf die Teilnahmebereitschaft <strong>aus</strong>übt, doch zeigt sich im Zuge der Feldarbeit<br />
von Unternehmensbefragungen, dass eine große Zahl der potenziellen Ansprechpartner die<br />
Anschreiben häufig nicht erhält oder zumindest nicht liest. Als sehr vorteilhaft erweist es sich<br />
in diesen Fällen, bei der ersten Kontaktaufnahme den Zielpersonen anzubieten, die<br />
Ankündigung der Befragung sowie die entsprechenden Informationen noch einmal<br />
postalisch, per E-Mail oder über das Fax-Gerät zu versenden (vgl. Sonderforschungsbereich<br />
580 (2004), S. 335 f.). Diese Maßnahmen erfordern zwar zunächst ein stark erhöhtes Maß<br />
an organisatorischem Aufwand. Da sie jedoch zu einem insgesamt wesentlich flüssigeren<br />
und effizienteren Studienverlauf beitragen, relativieren sich die zusätzlichen Kosten recht<br />
schnell. Ergänzend bietet es sich an, <strong>für</strong> die Ankündigung einer Studie und die Verbreitung<br />
von Informationen auf die Infrastrukturen von Verbänden oder Kammern zurückzugreifen<br />
und bspw. Mitgliederzeitschriften oder Informationsverteiler zu nutzen. Als problematisch<br />
kann sich jedoch die inhaltliche Gestaltung des Anschreibens erweisen, da einerseits die<br />
Informationen hinsichtlich der Studienziele und der die Befragung durchführenden Institution<br />
sowie zum Datenschutz möglichst umfassend <strong>aus</strong>fallen, andererseits aber auch kurz und<br />
übersichtlich gehalten sein sollten. 9<br />
2.2.3 Interviewerschulung<br />
Ein wesentlicher Bestandteil der Vorbereitung der Feldphase ist eine umfassende und an-<br />
gemessene Schulung der Interviewer. Die Schulungen <strong>für</strong> Betriebsbefragungen unterschei-<br />
den sich prinzipiell wenig von Schulungen <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen. Dass sie im Allge-<br />
meinen trotz<strong>dem</strong> aufwendiger <strong>aus</strong>fallen, liegt an einigen zentralen Besonderheiten von Be-<br />
triebsbefragungen im Gegensatz zu H<strong>aus</strong>halts- oder Bevölkerungsumfragen. In erster Linie<br />
müssen die Interviewer wie sonst auch mit der Thematik einer Studie vertraut gemacht wer-<br />
den. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Erläuterung von Fachtermini und Begriffs-<br />
definitionen und die Erörterung einzelner Items im Kontext des Gesamtfragebogens. In die-<br />
sem Zusammenhang kommt es auch darauf an, die Interviewer auf relevante Filterführungen<br />
vorzubereiten. Ein zentraler Unterschied zu H<strong>aus</strong>halts- und Bevölkerungsbefragungen<br />
9 Infolge praktischer Erfahrungen bei Befragungen in Betrieben und bei Führungskräften von Unternehmen wird<br />
inzwischen auch darüber nachgedacht, auf den Versand von Informationen vor Beginn einer Erhebung völlig<br />
zu verzichten (vgl. Ritter 20<strong>06</strong>, S. 90).<br />
24
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
besteht aber vor allem in der potentiellen Expertenrolle der Zielpersonen. Deshalb ist es<br />
nicht zuletzt auch notwendig, die Interviewer auf die mit den besonderen Stellungen im<br />
Betrieb verbundenen Funktionen sowie die dar<strong>aus</strong> resultierenden Probleme wie Zeitmangel<br />
und Unterbrechungen, aber auch gesteigertes Reflexionspotential der möglichen Inter-<br />
viewpartner vorzubereiten. Sinnvoll ist es, Schulungen in kleineren Gruppen und in mehreren<br />
Etappen durchzuführen, und vor allem an den späteren Schulungen bereits an einer Studie<br />
mitarbeitende Interviewer teilnehmen zu lassen. Damit wird zum einen Interviewern die<br />
Gelegenheit gegeben, praktische Eindrücke und Probleme im direkten Aust<strong>aus</strong>ch mit den<br />
Mitgliedern des Forscherteams zu diskutieren. Zum anderen erhalten die Forscher einen<br />
unvermittelten und anschaulichen Einblick in die Feldarbeit. Darüber hin<strong>aus</strong> kann gewähr-<br />
leistet werden, dass insbesondere Interviewer, die bislang keine Erfahrungen im Bereich<br />
Betriebs- oder Expertenbefragungen sammeln konnten, von einem höheren Wissens- und<br />
Erfahrungsstand <strong>aus</strong>gehend eingewiesen werden.<br />
Die wesentlichen Unterschiede zwischen telefonischen Betriebs- und Bevölkerungsbefragun-<br />
gen sind in Tabelle 1 in übersichtlicher Form zusammengefasst.<br />
Tabelle 1: Feldvorbereitungen <strong>für</strong> telefonische Bevölkerungs- und Betriebsbefragungen<br />
im Vergleich<br />
1. Stichprobenziehung Quotenverfahren mit Hilfe der<br />
Einwohnermelderegister mit<br />
anschließender Telefonnummernrecherche<br />
2. Ankündigungen und<br />
Informationen<br />
ODER<br />
Bevölkerungsbefragung Unternehmensbefragung<br />
Zufalls<strong>aus</strong>wahl nach Häder-<br />
Gabler-Design<br />
Versand nur bei bekannter<br />
Adresse möglich<br />
Ankündigungen in regionalen<br />
Medien<br />
3. Interviewerschulung Vorbereitung der Interviewer auf<br />
unterschiedliche kognitive und<br />
kommunikative Kompetenzen<br />
einzelner Zielpersonen<br />
Überlegene Position des Interviewers<br />
durch einseitig strukturierte<br />
Kommunikation<br />
Quotenverfahren nach IAB-<br />
Betriebsnummerndatei<br />
ODER<br />
Hoppenstedt-Datei<br />
(jeweils mit anschließender<br />
Telefonnummernrecherche)<br />
Versand bei bekannter<br />
Adresse (i. d. R. z. H. der<br />
Geschäftsleitung)<br />
Ankündigungen in Fachpresse<br />
oder über verbandliche<br />
Organisationen<br />
Vorbereitung auf unterschiedliche<br />
Positionen und<br />
Funktionen verschiedener<br />
Kontaktpersonen<br />
Abnehmende Überlegenheit<br />
der Interviewerposition mit<br />
zunehmenden Expertenstatus<br />
der Zielperson<br />
25
Christian Koll<br />
2.3 Ausschöpfungsstatistik und Kontaktverhalten<br />
Die Problematisierung von Ausschöpfungen ist insbesondere im Hinblick auf die Gewährleis-<br />
tung der Repräsentativität einer Befragung relevant. Deshalb konzentriert sich ein Schwer-<br />
punkt in der methodischen Diskussion von Bevölkerungsbefragungen auf die Problematik<br />
sinkender Ausschöpfungen und des Nonresponse (z. B. Schnell 1997). Hier werden unter<br />
anderem Fragen der Erreichbarkeit und der Teilnahmebereitschaft in den Blick genommen.<br />
Eine detaillierte Darstellung der Ausschöpfungsstatistik im Projekt zur „Kompetenzentwick-<br />
lung in deutschen Unternehmen: Formen, Vor<strong>aus</strong>setzungen und Veränderungsdynamik“ ist<br />
deshalb zunächst im Abschnitt 2.3.2 zu finden.<br />
Hinsichtlich der Kontaktaufnahme werden <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen üblicherweise die<br />
Nachmittags- oder frühen Abendstunden empfohlen, um eine möglichst hohe und<br />
repräsentative Ausschöpfung vor allem unter der mobilen und erwerbstätigen Bevölkerung<br />
zu gewährleisten. Darüber hin<strong>aus</strong> werden <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen durchschnittlich 8<br />
bis 10 Kontaktversuche als <strong>aus</strong>reichend angesehen. Dass diese Regeln <strong>für</strong> Betriebs- und<br />
Unternehmensbefragungen nicht in Anschlag gebracht werden können, wird unter Punkt<br />
2.3.3 gezeigt.<br />
Über die angemessene Dauer eines Telefoninterviews lassen sich in der methodischen<br />
Literatur keine einheitlichen Hinweise finden. Angemerkt wird zwar, dass mit zunehmender<br />
Interviewdauer die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit und Konzentration eines Befragten<br />
strapaziert wird, doch muss durch die Möglichkeit zur Unterbrechung eines Interviews hierin<br />
nicht zwangsläufig eine Beschränkung gesehen werden (vgl. Brückner 1993, S. 152 ff.). 10<br />
Mögliche Einflüsse auf die Interviewdauer sowie Antwort- und Reaktionszeiten werden<br />
abschließend in Abschnitt 2.3.4 erörtert.<br />
2.3.1 Beschreibung möglicher Einflussfaktoren<br />
Bei der Erklärung von Erreichbarkeit und Teilnahmebereitschaft wird eine Vielzahl verschie-<br />
dener Einflussfaktoren <strong>für</strong> bedeutsam erachtet. So wird bspw. <strong>für</strong> telefonische Bevölkerungs-<br />
befragungen konstatiert, dass Interviewer einen nicht unerheblichen Einfluss auf das<br />
Kontakt- und Teilnahmeverhalten von Befragungspersonen haben können (z.B.<br />
Groves/Kahn 1979; Groves/Fultz 1985; Oksenberg/Cannell 1988, S. 257 ff.; Friedrichs<br />
1990b, S. 416 f.). Darüber hin<strong>aus</strong> werden neben sozio<strong>dem</strong>ographischen auch Persönlich-<br />
keits- sowie Stimmeigenschaften als <strong>aus</strong>schlaggebend erachtet (Frey/Kunz/Lüschen 1990,<br />
S. 184 ff.; Hüfken/Schäfer 2003). Ein weiterer Faktor <strong>für</strong> die Erklärung von Varianzen im<br />
Teilnahmeverhalten ist möglicherweise auch eine mit der Funktion des Interviewers<br />
verbundene Kompetenz zur Rollenübernahme. Wenn bspw. erfahrene Interviewer geringere<br />
Verweigerungsraten produzieren (Groves/Fultz 1985, S. 36), kann angenommen werden,<br />
dass mit der Interviewerrolle verbundene Anforderungen mit zunehmender Erfahrung des<br />
Interviewers besser bewältigt werden können.<br />
10 Allerdings scheint die Annahme pl<strong>aus</strong>ibel, dass <strong>für</strong> Befragungen, bei denen die Erhebung von Einstellungen<br />
oder Werten zu einem bestimmten Zeitpunkt im Vordergrund steht, eine Unterbrechung und Vertagung eines<br />
bereits begonnenen Interviews durch<strong>aus</strong> nachteilige Effekte auf das Antwortverhalten haben kann.<br />
26
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
Es ist zwar nicht <strong>aus</strong>zuschließen, dass bei Unternehmensbefragungen die gleichen Einflüsse<br />
wirksam sein können wie bei Bevölkerungsumfragen. Dennoch bleibt unklar, in welcher<br />
Weise bei Expertenbefragungen dieselben Eigenschaften und Fähigkeiten von Interviewern<br />
relevant sind, oder ob nicht auch andere Einflussfaktoren von Bedeutung sein können. In<br />
Anlehnung an die frühen Untersuchungen Hymans zu Interviewereffekten (1954) und in<br />
Analogie zu <strong>dem</strong> <strong>für</strong> face-to-face-Befragungen entwickelten Modell der wechselseitigen Ein-<br />
flussnahme von Interviewern und Befragten (Cannell/Kahn 1968) ist nicht <strong>aus</strong>zuschließen,<br />
dass bei telefonischen Betriebsbefragungen zusätzlich sowohl von strukturellen Merkmalen<br />
der Unternehmen („Betriebs<strong>dem</strong>ographie“) als auch von strukturellen sowie persönlichen<br />
Eigenschaften der jeweiligen Positionsinhaber Effekte zu erwarten sind. Aus diesen Gründen<br />
werden in den nachfolgend dargestellten Analysen drei verschiedene Gruppen möglicher<br />
Einflussfaktoren berücksichtigt. Die anschließenden methodischen Vorgehensweisen haben<br />
teils hypothesentestenden Charakter; gleichzeitig wird eine eher explorative Strategie ver-<br />
folgt. 11<br />
(a) Strukturelle Merkmale der Betriebe<br />
Es ist zu vermuten, dass mehrere strukturelle Einflüsse von Unternehmen bei der Kontakt-<br />
aufnahme wirksam sind. Von besonderer Bedeutung kann diesbezüglich neben der Be-<br />
triebsgröße auch die Komplexität innerbetrieblicher Strukturen sein. Geklärt werden muss<br />
hierbei, in welche Richtung mögliche Effekte gehen. Einerseits kann sich mit zunehmender<br />
Betriebs- bzw. Unternehmensgröße die Suche nach einer geeigneten Zielperson (i .d. R.<br />
Geschäfts- oder Personalleitung) schwieriger gestalten; andererseits kann davon <strong>aus</strong>gegan-<br />
gen werden, dass größere Unternehmen eher über separate Bereiche oder Abteilungen<br />
verfügen, so dass die Suche nach einem Informanten zielgerichteter erfolgen kann. In den<br />
Modellen werden deshalb die innerbetrieblichen Strukturen sowohl mittels der Anzahl der<br />
Beschäftigten als auch der Anzahl der Abteilungen bzw. Bereiche des Unternehmens opera-<br />
tionalisiert. Darüber hin<strong>aus</strong> werden potentiell wirksame regionale Unterschiede und Einflüsse<br />
berücksichtigt.<br />
Abbildung 10: Strukturelle Merkmale der Betriebe<br />
Anzahl der Mitarbeiter absolute Anzahl bzw. gruppiert<br />
Anzahl unterschiedlicher Abteilungen/Bereiche absolute Anzahl bzw. gruppiert<br />
Region Ost vs. West<br />
(b) Merkmale der Befragten<br />
Analog zum Einfluss sozio<strong>dem</strong>ographischer Merkmale von Befragten in Bevölkerungsum-<br />
fragen kann vermutet werden, dass unmittelbar mit der betrieblichen Einbindung und<br />
Position des Befragten im Zusammenhang stehende Faktoren eine Wirkung entfalten.<br />
Deshalb werden neben <strong>dem</strong> Geschlecht und <strong>dem</strong> Bildungsstand der Befragten auch deren<br />
Position bzw. die Funktion im Betrieb sowie die Betriebszugehörigkeitsdauer in die Analyse<br />
einbezogen.<br />
11 Die Regressionsanalysen wurden mit der Methode des Einschlussverfahrens berechnet.<br />
27
Christian Koll<br />
Abbildung 11: Merkmale der Befragten<br />
28<br />
Geschlecht der Befragten männlich vs. weiblich<br />
Berufliches Qualifikationsniveau der Befragten ohne Abschluss<br />
Facharbeiterabschluss<br />
Fachschulabschluss<br />
Hochschulabschluss<br />
Position im Unternehmen (Dummy-Codierung) Geschäftsführer<br />
Personalleiter<br />
Assistent der Geschäftsführung bzw.<br />
Personalleitung<br />
sonstige<br />
Betriebszugehörigkeitsdauer in Jahren<br />
(c) Merkmale und Eigenschaften der Interviewer<br />
Eine Vielzahl möglicher Einflüsse der Interviewer auf das Teilnahme- und Antwortverhalten<br />
ist in verschiedenen Studien zu Interviewereffekten untersucht worden. Zum einen wird<br />
davon <strong>aus</strong>gegangen, dass sozio<strong>dem</strong>ographische Merkmale eine Rolle spielen, darüber<br />
hin<strong>aus</strong> werden aber auch Persönlichkeitseigenschaften als relevant erachtet. Deshalb<br />
wurden außer <strong>dem</strong> Interviewergeschlecht auch fünf primäre Persönlichkeitseigenschaften<br />
mit Hilfe des 16-Persönlichkeits-Faktoren-Tests erhoben, die geeignet schienen, neben<br />
allgemeinen Verhaltens- und Wesensmerkmalen die <strong>für</strong> Interaktions- und Kommuni-<br />
kationssituationen bedeutsamen sozialen Verhaltensstile, das Arbeitsverhalten sowie das<br />
Verhalten in Problemsituationen wiederzugeben. Für potentiell relevant können m. E.<br />
Verhaltensorientierungen auf den Dimensionen „Sach- vs. Kontaktorientierung“, „Emotinale<br />
Störbarkeit vs. Widerstandsfähigkeit“, „Zurückhaltung vs. Selbstsicherheit“, „Unbefangenheit<br />
vs. Überlegtheit“ sowie „Innere Ruhe vs. Gespanntheit“ (Schneewind et al. 1994) gehalten<br />
werden. 12 Als weitere Variable wurde zusätzlich die Interviewererfahrung – operationalisiert<br />
über die Dauer der Mitwirkung an der Studie – kontrolliert.<br />
12 Eine <strong>aus</strong>führliche Beschreibung der Primärfaktoren findet sich bei Schneewind et al. (1994, S. 30 ff.).
Abbildung 12: Merkmale und Eigenschaften der Interviewer<br />
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
Geschlecht des Interviewers männlich vs. weiblich<br />
Interviewererfahrung Dauer der Mitarbeit an der Studie in Stunden<br />
Persönlichkeitseigenschaften Sach- vs. Kontaktorientierung<br />
emotionale Störbarkeit vs. Widerstandsfähigkeit<br />
Zurückhaltung vs. Selbstsicherheit<br />
Unbefangenheit vs. Überlegtheit<br />
innere Ruhe vs. Gespanntheit<br />
Die nachfolgend dargestellten Daten und Informationen resultieren <strong>aus</strong> einer im CATI-Labor<br />
des <strong>Zentrum</strong>s <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> Halle e.V. durchgeführten telefonischen Befragung bei<br />
Personalverantwortlichen und Geschäftsführern von Unternehmen im Rahmen des Projektes<br />
„Kompetenzentwicklung in deutschen Unternehmen: Formen, Vor<strong>aus</strong>setzungen und Verän-<br />
derungsdynamik“. In dieser Befragung wurden in <strong>dem</strong> Zeitraum vom 1. August bis zum 13.<br />
Dezember 2002 auf der Grundlage von 9 997 Adressen 1 788 Interviews mit Geschäftsfüh-<br />
rern und Personalverantwortlichen von Unternehmen und Betrieben zur Problematik der<br />
Kompetenzentwicklung im jeweiligen Betrieb durchgeführt. Die Interviews dauerten im<br />
Durchschnitt 45 Minuten und lagen somit verhältnismäßig weit über <strong>dem</strong>, was als üblich und<br />
vertretbar erscheint. Der Fragebogen enthielt mehrere, über eine detaillierte Filterführung<br />
angesteuerte Themenkomplexe, von denen jeder geeignet schien, unter Berücksichtigung<br />
der Komplexität innerbetrieblicher Strukturen unterschiedliche Formen von Kompetenzent-<br />
wicklung in Unternehmen zu operationalisieren und somit zur Erhebung relevanter und ver-<br />
lässlicher Informationen beizutragen (vgl. Winge 2005).<br />
2.3.2 Ausschöpfungsquoten des Kompetenzentwicklungs-Projektes<br />
Im Hinblick auf die Ausschöpfungsquoten unterscheiden sich die Zahlen bei Betriebs-<br />
befragungen im Vergleich zu Bevölkerungsbefragungen sehr deutlich. Wird <strong>für</strong> Telefoninter-<br />
views bei der Bevölkerung oder bei H<strong>aus</strong>halten in der Regel eine Teilnahmebereitschaft von<br />
über 50 Prozent berichtet (z. B. Koll 2004; Hüfken 2000b; Schnell 1997; von <strong>dem</strong> Knese-<br />
beck/Lüschen 2000, S. 125; Reuband 2000, S. 204; Porst 1993, S. 27), beträgt die Netto-<br />
Ausschöpfung bei Unternehmens- und Betriebsbefragungen nur etwa 30 Prozent (vgl. z.B.<br />
Sonderforschungsbereich 580 2004, S. 337). 13 Die Ausschöpfungsquoten <strong>für</strong> die Befragung<br />
des Projektes „Kompetenzentwicklung in deutschen Unternehmen“ sind in Tabelle 2 dar-<br />
gestellt. Die Teilnahmequote liegt mit etwa 25 Prozent zwar unter, aber immer noch relativ<br />
nahe an den berichteten 30 Prozent. Gleichzeitig fällt auf, dass der Anteil expliziter<br />
13 Umgekehrt werden <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen explizite Verweigerungsquoten Werte zwischen 20 und<br />
30 Prozent dokumentiert (Hüfken 2000, S. 12). Für telefonische Unternehmensbefragungen liegen dagegen<br />
nur wenige Werte vor, die bei knapp 70 Prozent liegen (vgl. Sonderforschungsbereich 580 2004, S. 337).<br />
29
Christian Koll<br />
Verweigerungen mit beinahe 75 Prozent erheblich stärker <strong>aus</strong>fällt als bei Bevölkerungsum-<br />
fragen.<br />
Tabelle 2: Ausschöpfungsstatistik der Telefonbefragung zur „Kompetenzentwicklung in<br />
deutschen Unternehmen“<br />
30<br />
Brutto 1:<br />
Adressstichprobe<br />
nicht recherchierbare<br />
Nummern 1.291 12,9<br />
Brutto 2:<br />
Telefonstichprobe<br />
Netto-Stichprobe<br />
Absolut Prozent Absolut Prozent Absolut Prozent<br />
kein Anschluss, falsche<br />
Tel.-Nr. 396 3,9 396 4,5<br />
nicht zur Zielgruppe<br />
gehörig 162 1,6 162 1,9<br />
nicht Erreichte (AB, FAX,<br />
besetzt, nicht<br />
abgearbeitete Termine) 1.135 11,4 1.135 13,0<br />
kein Interesse /<br />
Verweigerung 5.187 51,9 5.187 59,6 5.187 74,0<br />
Abbrüche im Interview 38 0,38 38 0,44 38 0,54<br />
realisierte Interviews 1.788 17,9 1.788 20,5 1.788 25,5<br />
Gesamtzahl 9.997 100,0 8.7<strong>06</strong> 100,0 7.013 100,0<br />
2.3.3 Interviewzeiten, Kontaktaufnahme und Anrufversuche<br />
Effiziente Anrufzeiten bei CATI-Bevölkerungsbefragungen liegen in den frühen<br />
Abendstunden (Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 192; Lavrakas 1987, S. 125 f.). Im Gegensatz<br />
dazu werden Telefoninterviews bei Unternehmensbefragungen im allgemeinen zu den<br />
üblichen Geschäfts- und Betriebszeiten von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr durchgeführt. Eher<br />
vereinzelt werden Interviews auch außerhalb dieser Zeitspanne realisiert (Abbildung 13).
Abbildung 13: Verteilung der Interviews nach Uhrzeit<br />
Prozent<br />
10<br />
Quelle: eigene Berechung<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
Es sind zwei Extrempunkte feststellbar. Nach einem steilen Anstieg ab etwa 8:00 Uhr wird<br />
ein erster Höhepunkt in <strong>dem</strong> Bereich von 10:00 Uhr bis 10:30 Uhr erreicht. Für die Zeit von<br />
etwa 12:00 Uhr bis 13:00 Uhr – es handelt sich um eine typische Mittagsp<strong>aus</strong>enzeit – sinkt<br />
der Anteil der Interviews um mehr als die Hälfte ab, um anschließend wieder stark anzustei-<br />
gen, bis sich ein zweites, wenn auch schwächer <strong>aus</strong>geprägtes Maximum zwischen 14:30<br />
Uhr und 15:00 Uhr <strong>aus</strong>bildet. In der Folgezeit fällt die Anzahl der realisierten Interviews dann<br />
stetig ab und tendiert immer stärker gegen Null. Nichtsdestotrotz kommen auch in den frühen<br />
Abendstunden noch Interviews zustande, <strong>für</strong> die jedoch nur ein kleiner Bedarf an Intervie-<br />
wern vorgehalten werden braucht. Eine zusätzliche Kontrolle der Verteilung der Interview-<br />
zeiten nach Strukturmerkmalen der Betriebe sowie der Interviewpartner und der Interviewer<br />
brachte keine weiteren Erkenntnisse.<br />
07:00<br />
08:30<br />
10:00<br />
11:30<br />
13:00<br />
14:30<br />
16:00<br />
17:30<br />
19:00<br />
Zeitintervalle<br />
Interview zeit,<br />
gruppiert Prozent<br />
Neben den Ausschöpfungen und den Interviewzeiten folgen auch die Kontaktdaten einem<br />
völlig anderen Muster. Während Erhebungsverläufe <strong>für</strong> Bevölkerungsbefragungen einen<br />
starken Anstieg der realisierten Interviews bereits nach <strong>dem</strong> ersten Kontaktversuch<br />
verzeichnen (vgl. Drews/Götzinger 1998, S. 145), weist der Verlauf bei einer Betriebsbefra-<br />
gung eher ein wellenförmiges Muster auf (Abbildung 14). Insgesamt waren <strong>für</strong> die<br />
Durchführung der Interviews durchschnittlich 8 Kontaktversuche notwendig. Nur 4,5 Prozent<br />
aller Interviews wurden bereits beim ersten Kontaktversuch realisiert. Der größte Anteil von<br />
Interviews kam erst beim 3. Kontaktversuch zustande. Insgesamt streuen die Kontaktver-<br />
suche bei Unternehmensbefragungen sehr viel breiter, so dass bspw. das Maximum der<br />
Kontaktversuche bis zur endgültigen Realisierung eines Interviews bei 44 liegt.<br />
31
Christian Koll<br />
Abbildung 14: Verteilung erfolgreicher Interviews nach Kontaktversuchen<br />
Quelle: eigene Berechung<br />
Die vordergründigen Ursachen der im Vergleich zu Bevölkerungsbefragungen sehr viel<br />
höheren Anzahl notwendiger Kontaktversuche zur Realisierung einer akzeptablen Stichpro-<br />
ben<strong>aus</strong>schöpfung liegen insbesondere in der Suche nach einem geeigneten Ansprechpart-<br />
ner sowie in den aufgrund häufig geäußerten Zeitmangels auftretenden Schwierigkeiten bei<br />
der Terminabsprache. In vielen Fällen muss ein geeigneter Ansprechpartner erst im Zuge<br />
der Kontaktierung identifiziert werden, wobei der Interviewer oft ein „mehrstufiges Selektions-<br />
verfahren“ durchläuft: Häufig führt eine identifizierte Telefonnummer zunächst in eine Tele-<br />
fonzentrale eines Betriebes. Nach<strong>dem</strong> dort <strong>dem</strong> jeweiligen Gesprächspartner das Anliegen<br />
vorgetragen wurde, entscheidet dieser, ob und wohin ein Gespräch weitergeleitet wird. 14 Die<br />
weit<strong>aus</strong> größere Barriere stellen Sekretariate und Vorzimmer dar. Zum einen können die dort<br />
Beschäftigten weitgehend autonom und im Namen der Zielperson über die Wichtigkeit eines<br />
Anliegens entscheiden und haben somit Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit des Zustande-<br />
kommens eines Interviews. Zum anderen werden Verbindungen oft nicht sofort oder gar<br />
nicht hergestellt und statt dessen Termine vereinbart. Diese Bedingungen setzen ein<br />
beträchtliches Maß an Geduld, Flexibilität und Einfallsreichtum beim Interviewer vor<strong>aus</strong>. Zu-<br />
nächst muss er auf eine Vielzahl verschiedener Interaktionspartner auf unterschiedlichen Po-<br />
sitionen und mit jeweils unterschiedlichen kognitven Vor<strong>aus</strong>setzungen gefasst sein und an-<br />
gemessen (re-)agieren. Zu<strong>dem</strong> sind die Positionen in einem Betrieb häufig mit spezifischen<br />
Kompetenzen und Funktionen <strong>aus</strong>gestattet.<br />
Ein weiteres Problem resultiert dar<strong>aus</strong>, dass Betriebe mit eigenen Personalabteilungen zwar<br />
über spezielle Funktionsträger mit spezifischem Fachwissen im Bereich der innerbetrieb-<br />
lichen Personalarbeit und -entwicklung und somit über kompetente Informanten verfügen.<br />
Diese sind in der Regel aber nicht ohne weiteres ermächtigt, Auskünfte über innerbetrieb-<br />
14 In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich bereits zu Beginn einer Studie darüber klar zu werden, wer die<br />
relevante Zielperson bei der Kontaktaufahme ist. Gerade in größeren Unternehmen macht es <strong>für</strong> die telefonische<br />
Weitervermittlung einen Unterschied, ob eine Verbindung zur Geschäftsleitung oder zur Personalabteilung<br />
hergestellt werden soll.<br />
32<br />
Anteil der Interviews (Prozent)<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31<br />
Kontakte
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
liche Strukturen und Prozesse zu geben, so dass es meist einer zusätzlichen Erlaubnis zum<br />
Interview durch die Geschäftsleitung bedarf. In ungünstigen Fällen wiederholen sich dann die<br />
Prozeduren der Kontaktaufnahme und Terminabsprache zunächst mit der Geschäftsleitung<br />
und im Anschluss daran mit <strong>dem</strong> jeweiligen Personalverantwortlichen. In den Abbildungen<br />
15 und 16 sind <strong>aus</strong> diesem Grund die nach Größen- bzw. Strukturmerkmalen der Unterneh-<br />
men differenzierten Kontaktverläufe dargestellt. 15<br />
Der wichtigste Unterschied zwischen Betrieben mit vielen Mitarbeitern in Relation zu<br />
kleineren Betrieben besteht darin, dass der Anteil der realisierten Interviews etwa bis zum 4.<br />
Kontaktversuch kleiner <strong>aus</strong>fällt. Darüber hin<strong>aus</strong> nimmt der Anteil <strong>für</strong> die Betriebe mit weniger<br />
als 200 Mitarbeitern bis zum 3. Kontaktversuch stetig zu und sinkt anschließend relativ<br />
langsam, aber konstant ab; dagegen bleiben die Anteile der realisierten Interviews <strong>für</strong> die<br />
größeren Betriebe mit durchschnittlich 8 Prozent vom 3. bis zum 6. Kontaktversuch nahezu<br />
gleich hoch. Erst etwa ab <strong>dem</strong> 6. Kontakt gleichen sich die Erfolgsquoten an, auch wenn sie<br />
<strong>für</strong> größere Unternehmen im Durchschnitt leicht höher <strong>aus</strong>fallen. 16<br />
Auffällig bei der nach der Anzahl der betrieblichen Bereiche gegliederten Darstellung sind die<br />
beiden wesentlich stärker <strong>aus</strong>geprägten lokalen Maxima <strong>für</strong> stärker binnendifferenzierte Be-<br />
triebe beim 4. und 8. Kontaktversuch. Dagegen haben weniger stark gegliederte Betriebe<br />
ihre einzige maximale Ausprägung bereits beim 3. Kontaktversuch. Danach fallen die reali-<br />
sierten Interviews wellenförmig, aber stetig ab. Ab <strong>dem</strong> 9. Versuch gleichen sich beide Ver-<br />
läufe wieder an.<br />
Abbildung 15: Verteilung erfolgreicher Interviews nach Kontaktversuchen und<br />
Betriebsgrößen<br />
Anteil der Interviews<br />
(Prozent)<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
Quelle: eigene Berechnung<br />
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31<br />
Kontaktversuche<br />
bis 199<br />
Mitarbeiter<br />
ab 200<br />
Mitarbeiter<br />
15 Zur besseren Veranschaulichung wurden die Strukturmerkmale der Betriebe gruppiert. Vor allem größere<br />
Betriebe wiesen deutliche Unterschiede im Vergleich zum Rest der Stichprobe auf.<br />
16 Darin kommt gleichzeitig eine weitere Problematik bei der Durchführung von Telefoninterviews in Unternehmen<br />
zum Ausdruck. In der Kompetenzbefragung wurde zunächst nach der Geschäftsleitung oder einem Personalverantwortlichen<br />
gefragt. Insbesondere in größeren Unternehmen sind diese beiden Bereiche in unterschiedlichen<br />
Abteilungen angesiedelt. Aus diesem Grund wurde in einigen Fällen das Interview zunächst von<br />
der Geschäftsleitung in die Personalabteilung delegiert. Umgekehrt kam es vor, dass die Erlaubnis zur Durchführung<br />
eines Interviews erst von der Geschäftsleitung eingeholt werden musste.<br />
33
Christian Koll<br />
Abbildung 16: Verteilung erfolgreicher Interviews nach Kontaktversuchen und<br />
Betriebsgrößen<br />
Quelle: eigene Berechnung<br />
Die erkennbaren Unterschiede in den Mustern der Kontaktaufnahme scheinen die zuvor<br />
getroffenen Aussagen zu bestätigen, dass insbesondere <strong>für</strong> große Unternehmen mit mehr<br />
als 200 Mitarbeitern und mit einer relativ großen Anzahl unterschiedlicher betrieblicher<br />
Einheiten größere Schwierigkeiten bei der Suche eines geeigneten Ansprechpartners und<br />
bei den Terminabsprachen zutage treten. Die Unterschiede sind insbesondere zu Beginn der<br />
Kontaktaufnahme stark <strong>aus</strong>geprägt. Dennoch kann weitergehend vermutet werden, dass<br />
neben den beschriebenen Problemen noch weitere Einflussvariablen die Anzahl der Kon-<br />
takte, die zur Realisierung eines Interviews notwendig sind, beeinflussen können. Aus die-<br />
sem Grund wurde ergänzend zu der dargestellten bivariaten Auszählung eine multivariate<br />
Analyse durchgeführt. Entsprechend den genannten Gruppen von Einflussfaktoren wurden<br />
mehrere Variablen in das Modell aufgenommen und auf ihre Effekte hin überprüft. Die signi-<br />
fikanten Variablen sowie deren Effektstärken sind in Tabelle 3 dargestellt.<br />
Bei den Befragtenmerkmalen hat einerseits die Qualifikation einen leicht nachteiligen Ein-<br />
fluss auf die Anzahl notwendiger Kontakte. Mit steigen<strong>dem</strong> Qualifikationsniveau der Inter-<br />
viewpartner wird es folglich schwieriger, einen Interviewtermin zu vereinbaren, was vermut-<br />
lich im Zusammenhang steht mit der Position, die eine Zielperson in der hierarchischen<br />
Struktur eines Betriebs einnimmt. Parallel dazu wirkt es sich hinderlich auf die Kontaktauf-<br />
nahme bzw. Terminabsprache <strong>aus</strong>, wenn der relevante Interviewpartner die Position des<br />
Geschäftsführers im Betrieb bekleidet. Hier ist durchschnittlich mehr als ein zusätzlicher<br />
Kontaktversuch notwendig, bis ein Interview stattfinden kann.<br />
34<br />
Anteil der Interviews (Prozent)<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31<br />
Kontaktversuche<br />
bis zu 8<br />
Abteilungen<br />
9 Abteilungen<br />
und mehr
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
Tabelle 3: Multiple Regression – Anzahl der Kontakte nach Betriebsstruktur, Befragtenmerkmalen<br />
und Interviewereigenschaften 17<br />
Modellgüte: R = .25; R² = .<strong>06</strong><br />
N=899 B Beta T / Signifikanz<br />
Konstante 6,080 4,14 / .000<br />
Strukturelle Merkmale der Betriebe:<br />
Anzahl der Beschäftigten * 10 0,<strong>06</strong>8 0,21 4,42 / .000<br />
Anzahl der Bereiche/Abteilungen 0,200 0,19 3,21 / .000<br />
Interaktion: Anzahl der Beschäftigten<br />
und Anzahl der Bereiche<br />
- 0,0<strong>06</strong> - 0,30 - 4,02 / .000<br />
Region: alte Bundesländer 1,090 0,09 2,57 / .010<br />
Befragtenmerkmale:<br />
Höchste Qualifikation des Befragten 0,430 0,07 2,18 / .029<br />
Position des Befragten: Geschäftsführer<br />
(Dummy)<br />
Interviewereigenschaften:<br />
1,490 0,11 3,20 / .001<br />
Interviewergeschlecht: männlich - 1,460 - 0,08 - 2,51 / .012<br />
Persönlichkeitsfaktor: Emotionale Störbarkeit<br />
vs. Emotionale Widerstandsfähigkeit<br />
- 0,260 - 0,08 - 2,41 / .016<br />
Da die Methode des Schrittweisen Ausschlussverfahrens gewählt wurde, sind Variablen ohne signifikante<br />
Effekte nicht aufgeführt.<br />
Quelle: eigene Berechnungen<br />
Im Variablenvergleich fallen die Effekte der Interviewermerkmale insgesamt am geringsten<br />
<strong>aus</strong>, so dass sie nahezu vernachlässigbar scheinen. Doch können zumindest der Tendenz<br />
nach zwei Variableneinflüsse konstatiert werden. Zum einen scheint es so, als würden<br />
männliche Interviewer gegenüber ihren weiblichen Kollegen schneller in der Lage sein, Inter-<br />
views durchzuführen. Möglicherweise steht dies im Zusammenhang mit der inhaltlichen The-<br />
matik der Studie sowie der speziellen Population der überwiegend männlichen Zielpersonen.<br />
Zum anderen wird die Kontaktaufnahme darüber hin<strong>aus</strong> lediglich von der Persönlichkeits-<br />
eigenschaft „Emotionale Widerstandsfähigkeit“ begünstigt. Interviewer, die sich von Stö-<br />
rungen im Arbeitsablauf weniger leicht beeindrucken lassen, und die sich in kritischen Situa-<br />
tionen <strong>aus</strong>dauernder verhalten, sind der Tendenz nach erfolgreicher bei der Kontaktauf-<br />
nahme. Verworfen werden muss dagegen die Annahme, dass sich mit zunehmender<br />
17 Da <strong>aus</strong> organisatorischen Gründen bei 53 % der Interviewer die Daten zu den Persönlichkeitseigenschaften<br />
nicht erhoben werden konnten, wurden die von diesen Interviewern durchgeführten Interviews <strong>aus</strong> den multivariaten<br />
Analysen <strong>aus</strong>geklammert. Aus diesem Grund reduziert sich die Gesamtzahl der in die Berechnungen<br />
eingehenden Fälle um 45 % auf N = 956. Dieser Ausschluss hatte weder eine substantielle Veränderung der<br />
univariaten Verteilungen noch der bivariaten Korrelationen der restlichen betrachteten Variablen zur Folge,<br />
weshalb die Gültigkeit der Zusammenhänge <strong>für</strong> die gesamte Stichprobe angenommen werden kann.<br />
35
Christian Koll<br />
Interviewererfahrung die Kontaktaufnahme einfacher gestaltet – es scheinen sich keine<br />
nachweisbaren Lernprozesse im Studienverlauf einzustellen.<br />
2.3.4 Durchschnittliche Interviewdauer<br />
Die durchschnittliche Interviewdauer <strong>für</strong> die Befragung des „Kompetenz”-Projektes lag bei<br />
knapp 45 Minuten, variierte jedoch. Bei einer Standardabweichung von 13,7 Minuten wurden<br />
<strong>für</strong> das kürzeste Interview nur 14 Minuten benötigt, das längste Interview dauerte dagegen<br />
128 Minuten. Diese Varianz kann zu einem erheblichen Anteil auf die Anzahl der insgesamt<br />
durchlaufenen Schleifen und abgearbeiteten Fragen zurückgeführt werden (bivariate<br />
Korrelation mit R = .47, p < .000).<br />
In der weiterführenden Analyse wurden wiederum Einflussstärken hinsichtlich relevanter<br />
Merkmale der Betriebe, der Befragten sowie der Interviewer geprüft. Zusätzlich wurde außer-<br />
<strong>dem</strong> eine vierte Gruppe von Einflussfaktoren in die Betrachtung einbezogen. Ausschlagge-<br />
bend hier<strong>für</strong> waren Überlegungen, wonach die Relevanz des Interviewgegenstandes sowie<br />
die durch das Erhebungsinstrument strukturierte Kommunikation nicht ohne Wirkungen auf<br />
die Wahrnehmungen und das Verhalten der Beteiligten in der Interaktionssituation bleiben<br />
(zum Einfluss der Strukturierung von CATI-Fragebögen bzw. Anordnung von Items vgl. z. B.<br />
Fuchs 2000; zum Einfluss der Bedeutung von Befragungsthemen auf die Kooperationsnei-<br />
gung vgl. z. B. Koll 2004). Folgende Variablen wurden deshalb zusätzlich in die multivariate<br />
Analyse einbezogen: die eingeschätzte Wichtigkeit und Bedeutsamkeit des Themas der Be-<br />
fragung sowie die über die Einschätzung der Angemessenheit und aufgetretene Schwierig-<br />
keiten im Frageverständnis operationalisierte Qualität des Erhebungsinstrumentes <strong>aus</strong> der<br />
Wahrnehmung der Interviewpartner.<br />
Abbildung 17: Wahrnehmung der Befragung des Erhebungsinstruments<br />
36<br />
Wichtigkeit des Befragungsthemas 1 sehr wichtig<br />
Angemessene Erfassung des Themas<br />
Kompetenzentwicklung durch die<br />
Fragen<br />
2 eher wichtig<br />
3 eher unwichtig<br />
4 (sehr) unwichtig<br />
1 sehr gut<br />
2 <strong>aus</strong>reichend gut<br />
3 unzureichend<br />
Frageverständnis 1 einfach<br />
2 eher einfach<br />
3 eher schwierig<br />
4 schwierig<br />
Eine Hypothese lautete in diesem Zusammenhang, dass mit zunehmender Bedeutsamkeit,<br />
die Befragte der Thematik zubilligen, ihr Interesse an einem bzw. Engagement <strong>für</strong> einen<br />
reibungslosen Interviewverlauf zunimmt. Die gesteigerte Kooperationsneigung könnte sich<br />
dann in einem durchschnittlich kürzeren Interview niederschlagen. 18 Gleichzeitig können aber<br />
18 Da die Einschätzungen erst im Anschluss an die Interviews erhoben wurden, ist ebenfalls anzunehmen, dass<br />
positive Einschätzungen auch Mechanismen der Reduktion von Dissonanzen geschuldet sind: eine eher negative<br />
Einschätzung impliziert dann die Negation des eigenen Verhaltens des Befragten.
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
in der Wahrnehmung der Interviewpartner unsinnige oder unverständliche Fragen sowie fehlende<br />
Antwortvorgaben einen höheren Aufwand bei der Antwortgabe bewirken und insgesamt<br />
eine verlängernde Wirkung auf das Interview <strong>aus</strong>üben. 19 Das Ergebnis der multiplen<br />
Regression ist in Tabelle 4 dargestellt.<br />
Tabelle 4: Multiple Regression – Interviewdauer in Minuten nach Anzahl abgearbeiteter<br />
Items, Betriebsstruktur, Befragtenmerkmalen, Interviewereigenschaften sowie<br />
Fragebogen-/ Interviewwahrnehmung<br />
Modellgüte: R = .54; R² = .29<br />
N = 867 B Beta T / Signifikanz<br />
Konstante 8,63 1,91 / .057<br />
Anzahl abgearbeiteter Items 0,260 0,36 11,23 / .000<br />
Strukturelle Merkmale der Betriebe:<br />
Interaktion: Anzahl der Beschäftigten<br />
und Anzahl der Bereiche<br />
Interaktion: Anzahl der Beschäftigten<br />
und Anzahl abgearbeiteter Items<br />
Interaktion: Anzahl der Bereiche und<br />
Anzahl abgearbeiteter Items<br />
Befragtenmerkmale:<br />
- 0,0005 - 0,14 - 2,02 / .044<br />
0,000<strong>06</strong> 0,15 3,26 / .001<br />
0,002 0,16 2,81 / .005<br />
Position des Befragten: Geschäftsführer 2,370 0,08 2,85 / .005<br />
Interviewereigenschaften:<br />
Persönlichkeitsfaktor: Emotionale<br />
Störbarkeit vs. Emotionale Stabilität<br />
Persönlichkeitsfaktor: Zurückhaltung vs.<br />
Selbstsicherheit<br />
Persönlichkeitsfaktor: Unbefangenheit<br />
vs. Überlegtheit<br />
Interviewwahrnehmung bzw.<br />
Fragebogenbewertungen:<br />
Wichtigkeitseinschätzung des<br />
Befragungsthemas<br />
- 0,790 - 0,12 - 3,89 / .000<br />
- 0,590 - 0,<strong>06</strong> - 1,96 / .050<br />
0,840 0,10 3,28 / .001<br />
- 1,720 - 0,10 - 3,40 / .001<br />
Angemessenheit der Fragen 2,390 0,10 3,34 / .001<br />
Schwierigkeiten beim Frageverständnis 2,050 0,12 3,97 / .000<br />
Da die Methode des Schrittweisen Ausschlussverfahrens gewählt wurde, sind Variablen ohne signifikante<br />
Effekte nicht aufgeführt.<br />
Quelle: eigene Berechnungen<br />
Dass auch bei einer multiplen Gleichung der starke Effekt der Anzahl der abgearbeiteten<br />
Fragen erhalten bleibt, überrascht wenig, auch wenn er insgesamt etwas relativiert wird.<br />
Denn die Interaktionseffekte in der Gruppe der strukturellen Merkmale der Betriebe machen<br />
19 In Extremfällen kann eine solche Wahrnehmung zu Interviewabbrüchen führen.<br />
37
Christian Koll<br />
deutlich, dass der Einfluss der Fragebogenlänge auf die gesamte Interviewdauer in Ab-<br />
hängigkeit von den betrieblichen Strukturen schwankt. Demzufolge steigt das Einflussge-<br />
wicht der abzuarbeitenden Items an, wenn die Komplexität der Betriebsstrukturen und die<br />
Betriebsgröße zunehmen. Ausschlaggebend hier<strong>für</strong> sind vor allem inhaltliche, auf die Struk-<br />
tur des Fragebogens (Filterführung, Anschluss- und Nachfragen etc.), zurückführbare Grün-<br />
de. Zusätzlich wirken die betrieblichen Strukturen quasi eigenständig auf die Interviewlänge,<br />
auch wenn sie nur über einen Interaktionseffekt vermittelt sind. Interessant hierbei ist aber,<br />
dass die Wirkungen der beiden Strukturvariablen mit jeweils zunehmender Größe zuneh-<br />
mend negative Wirkungen im Hinblick auf die Interviewdauer entfalten.<br />
Von Bedeutung <strong>für</strong> die Interviewdauer sind neben der Fragebogenlänge und den damit im<br />
Zusammenhang stehenden strukturellen Merkmalen der Betriebe Eigenschaften und Merk-<br />
male der Befragten sowie der Interviewer. Bei den Befragtenmerkmalen ist wieder nur <strong>für</strong> die<br />
Position des Geschäftsführers ein signifikanter Einfluss feststellbar, auch wenn im Variablen-<br />
vergleich der Effekt insgesamt sehr niedrig ist. Nichtsdestotrotz dauern Interviews mit diesen<br />
Interviewpartnern im Durchschnitt knapp 2,5 Minuten länger als mit allen anderen<br />
Gesprächspartnern. Eine naheliegende Ursache hier<strong>für</strong> ist in der Vielzahl insbesondere<br />
organisatorischer Funktionen zu suchen, die in dieser Position gebündelt werden. 20 Dies<br />
kann einerseits zu einer relativ höheren Anzahl von, durch den Arbeitsalltag bedingten,<br />
Unterbrechungen der Interviews führen. Andererseits kann es sein, dass trotz ihrer formalen<br />
Ranghöhe diese Positionen mit einem geringeren Informations- und Kenntnisstand über<br />
betriebliche Prozesse und Mitarbeiterstrukturen im Detail verbunden sind. Infolgedessen<br />
mangelt es in der Interviewsituation zumindest punktuell an der Verfügbarkeit relevanter In-<br />
formationen, und die Beantwortung von Fragen dauert insgesamt länger.<br />
Abgesehen von einigen Persönlichkeitseigenschaften, erweisen sich Interviewermerkmale<br />
als vernachlässigbar. Für emotional widerstandsfähige und selbstsichere sowie <strong>für</strong> selbst-<br />
sicher agierende Interviewer ist eine kürzere Interviewdauer feststellbar. Diese Eigenschaf-<br />
ten charakterisieren Personen, die sich zum einen in sozialen Situationen insgesamt eher<br />
zielstrebig verhalten und weniger störungsanfällig sind, die sich zum anderen eher<br />
her<strong>aus</strong>fordernd und aktiv verhalten, mit Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Personen<br />
besser umgehen können. Dagegen benötigen eher „überlegt“ handelnde im Gegensatz zu<br />
eher „unbefangenen“ Interviewern mehr Zeit <strong>für</strong> die Durchführung ihrer Interviews. Mögli-<br />
cherweise kommt hierin eine besondere Spezifik von Betriebsbefragungen zum Ausdruck:<br />
die Durchführung eines Interviews erfordert neben einer fachlichen Kompetenz als Intervie-<br />
wer auch eine inhaltliche Affinität zum Interviewgegenstand sowie die Kenntnis von Fachter-<br />
mini. Diese tragen zu einer besseren Verständigung und zu einer flüssigen Kommunikation<br />
bei. Im Hinblick auf den identifizierten Effekt hieße dies vermutlich, dass unbefangene Inter-<br />
viewer besser mit der Thematik und der Zielgruppe zurechtkommen. Umgekehrt können<br />
aber Defizite und mangelndes Fachwissen durch „überlegtes“ Handeln kompensiert werden.<br />
Der höhere Abstimmungsbedarf verursacht dann jedoch Reibungsverluste und die Interviews<br />
20 Nach Leuschner (1991) realisieren sich Leitungs-Rollen im Schnittpunkt der Erwartungen von der Geschäftsleitung,<br />
von Mitarbeitern und Kunden sowie eigenen Erwartungen. Für die Position eines Geschäftsführers<br />
kann dann zumindest angenommen werden, dass die drei letztgenannten Bezüge ebenfalls wirksam sind.<br />
38
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
dauern länger. In welcher Weise hiervon möglicherweise die Verlässlichkeit der Daten<br />
tangiert wird, kann allerdings an dieser Stelle allerdings nicht geklärt werden. 21<br />
Relativ starke (absolute) Zusammenhänge ergeben sich im Hinblick auf die Wahrnehmung<br />
und Bewertung des Erhebungsthemas und die Qualität des Erhebungsinstrumentes.<br />
Befragte, die <strong>dem</strong> Thema generell eine geringere Bedeutung zuerkennen, haben im Mittel<br />
eine kürzere Interviewdauer zu verzeichnen als Befragte, die das Thema <strong>für</strong> wichtiger halten.<br />
Dass Antworten in diesen Fällen schneller gegeben werden, deutet auf einen schnelleren<br />
Abbruch des Such- und Verständigungsprozesses über die Relevanz und Korrektheit einer<br />
gegebenen Information infolge der eher flüchtigen und weniger verbindlichen Kommunikation<br />
am Telefon und ein damit einhergehendes geringer <strong>aus</strong>geprägtes Verpflichtungsgefühl hin. 22<br />
Außer<strong>dem</strong> haben negative Wahrnehmungen des Erhebungsinstrumentes eine interviewver-<br />
längernde Wirkung zur Folge. Je weniger angemessen der Fragebogen in der Einschätzung<br />
des Befragten das Thema erfasst und je größer die Schwierigkeiten beim Frageverständnis<br />
<strong>aus</strong>fallen, desto höhere Interviewdauern werden produziert. Dies ist vor allem auf den Ab-<br />
stimmungsprozess zwischen Befragtem und Interviewer zurückzuführen, in welchem sich die<br />
Beteiligten darüber verständigen, welchen Gegenstand eine Frage hat, in welcher Weise<br />
eine Frage oder Antwort <strong>für</strong> diesen Gegenstand angemessen und relevant sein kann und<br />
wann eine entsprechende Information als sinnvoll zu bewerten ist und verkodet werden<br />
muss. Je schwieriger und komplizierter zusätzlich die Formulierung der Fragen und Items<br />
<strong>aus</strong> der Perspektive des Befragten erscheinen, desto aufwendiger und langwieriger gestaltet<br />
sich dann dieser Koordinationsaufwand.<br />
2.4 Zusammenfassung und Fazit<br />
Insgesamt ist meines Erachtens nicht nur deutlich geworden, dass, sondern auch warum die<br />
Kosten <strong>für</strong> CATI-Betriebsbefragungen relativ weit über denen <strong>für</strong> H<strong>aus</strong>halts- und<br />
Bevölkerungsbefragungen liegen. Dennoch existieren Anhaltspunkte da<strong>für</strong>, wie telefonische<br />
Betriebsbefragungen vor allem unter den Gesichtspunkten Aufwand und Kosten effizienter<br />
organisiert und durchgeführt werden können, wie der vorliegende Aufsatz aufzuzeigen<br />
versucht hat. Zwei wesentliche Ziele wurden verfolgt: Zunächst ging es darum, einige<br />
zentrale Besonderheiten im Hinblick auf die Vorbereitung, Durchführung und Feldsteuerung<br />
von CATI-Befragungen bei Betrieben und Unternehmen aufzuzeigen. Darüber hin<strong>aus</strong> wurde<br />
der Versuch unternommen, einige Punkte, die vor allem das Teilnahmeverhalten der<br />
befragten Experten betreffen, genauer zu erörtern.<br />
21 An dieser Stelle wäre die Kontrolle des Einflusses fachlicher und inhaltlicher Kompetenzen von Interviewern<br />
auf das Antwortverhalten und den Interviewverlauf notwendig. Der Versuch, diese Kenntnisse über die Studienrichtung<br />
und Studiendauer zu operationalisieren, scheiterte an der zu geringen Varianz: von 81 Interviewern<br />
verfügten im Vorfeld nur 3 über eine besondere Vorbildung in der Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften.<br />
Die sich hier offenbarende Problematik der sozialen Homogenität von Interviewerstäben insbesondere im<br />
Bereich universitärer Umfragen stellt bereits seit längerer Zeit ein großes Problem dar (Reuband 1984). Weiterführende<br />
Analysen müssen daher anderen Studien überlassen bleiben.<br />
22 Für Bevölkerungsbefragungen konnte beobachtet werden, dass die flüchtigere Kommunikation am Telefon<br />
zu<strong>dem</strong> mit unterschiedlichem Antwortverhalten verbunden sein kann (z. B. Petersen 2000, S. 26; Reuband<br />
1990, S. 428 f.)<br />
39
Christian Koll<br />
Insbesondere <strong>für</strong> den Bereich der organisatorischen und vorbereitenden Maßnahmen<br />
wurden einige zentrale Unterschiede zu CATI-Bevölkerungsbefragungen deutlich. Dass es<br />
sich auch bei Betrieben als vorteilhaft erweist, eine Studie im Vorfeld anzukündigen, ist<br />
naheliegend. Hierbei muss zunächst das Dilemma der Kürze und der Informationsfülle gelöst<br />
werden. Ungleich schwieriger ist es aber, bereits im Vorfeld relevante Entscheider und<br />
Gesprächspartner im Unternehmen <strong>aus</strong>findig zu machen und einen gezielteren Informations-<br />
versand zu gewährleisten. Generell nehmen die Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme<br />
und der Terminabsprache mit der Größe sowie internen Komplexität und Differenzierung der<br />
Betriebe zu. Bei der Kontaktaufnahme mit einem kompetenten und <strong>aus</strong>kunftsfähigen<br />
Gesprächspartner bietet es sich daher an, vor allem bei Nicht-Vorliegen der Informationen<br />
zur Studie weitere Informationsmedien einzubeziehen bzw. auf diese zu verweisen. Infrage<br />
kommen neben <strong>dem</strong> Versand mittels Post oder Fax auch Informationsmedien wie E-Mail und<br />
das Internet. Somit werden mögliche Kosten unter Kontrolle gehalten. Hinsichtlich der<br />
Feldsteuerung und der Problematik der Kontaktaufnahme wurde darüber hin<strong>aus</strong> deutlich,<br />
dass im Gegensatz zu Bevölkerungsbefragungen die zentralen Interviewzeiten vor allem in<br />
den frühen Vor- und Nachmittagsstunden anzusiedeln sind. Unter Effizienzkriterien scheint<br />
es <strong>dem</strong>zufolge angebracht, die Hauptlast der Arbeitszeiten in diesen Zeiträumen zu konzen-<br />
trieren. Ergänzend hierzu ergaben sich Hinweise auf die Wirksamkeit von Interviewereigen-<br />
schaften bei der Kontaktaufnahme. Insbesondere männliche sowie <strong>aus</strong>dauernde und hart-<br />
näckigere Interviewer können <strong>dem</strong>zufolge die Kontaktaufnahme bei Betriebsbefragungen<br />
beschleunigen.<br />
Im Hinblick auf Probleme, die mit der Durchführung von Interviews im Zusammenhang ste-<br />
hen, wurden Interviewdauern thematisiert. Es wurde erkennbar, dass die eingangs genann-<br />
ten drei Gruppen von Einflussfaktoren – Betriebs<strong>dem</strong>ographie, Merkmale der Befragten so-<br />
wie Interviewereigenschaften – hierbei zumindest partiell eine Rolle spielen. Von den betrieb-<br />
lichen Strukturmerkmalen spielen insbesondere die Anzahl der Beschäftigten sowie die An-<br />
zahl betrieblicher Bereiche eine zentrale Rolle <strong>für</strong> das Antwortverhalten. Die Ergebnisse deu-<br />
ten darauf hin, dass mit zunehmender Komplexität innerbetrieblicher Strukturen die Anforde-<br />
rungen sowohl an die Befragten als auch an die Interviewer steigen. Der im Hinblick auf<br />
CATI-Interviews häufig genannte Vorteil der Entlastung der Beteiligten infolge einer<br />
komplexen und differenzierten Filterführung muss nach unserer Einschätzung relativiert wer-<br />
den, denn eine <strong>aus</strong>gefeilte Filterführung ist ihrerseits auf eine umfangreiche und detaillierte<br />
Kenntnis betrieblicher Zusammenhänge bereits im Vorfeld einer Befragung angewiesen. Be-<br />
sonderes Augenmerk ist deshalb auch auf die Qualität und inhaltliche Angemessenheit des<br />
Erhebungsinstrumentes im Hinblick auf Itemformulierungen und die Verwendung von Fach-<br />
termini zu legen. Des Weiteren wurde vermutet, dass wesentliche Merkmale der Befragten<br />
bei der Durchführung von Interviews eine besondere Rolle spielen. Doch konnten in allen an-<br />
gestellten Analysen lediglich <strong>für</strong> die Position der Geschäftsleiter signifikante Effekte iden-<br />
tifiziert werden. Die anderen Merkmale wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Quali-<br />
fikationsniveau sowie das Geschlecht der Interviewpartner wirkten sich in keiner Weise auf<br />
das Antwortverhalten <strong>aus</strong>. Auch auf Seiten der Interviewer wurden keine Merkmale wirksam.<br />
Dagegen scheinen aber einige zentrale Persönlichkeitseigenschaften das Geschehen im<br />
Interview zu beeinflussen. Die Resultate deuten darauf hin, dass insbesondere emotional<br />
stabile bzw. widerstandsfähige und selbstsichere Interviewer leichte Vorteile bei der<br />
40
Möglichkeiten und Grenzen der CATI-Methode bei Betriebsbefragungen<br />
Interviewdurchführung <strong>für</strong> sich verbuchen können. Ein weiterer Effekt ergab sich bei<br />
unbefangen bzw. überlegt handelnden Interviewern. Ob sich allerdings die höheren Inter-<br />
viewdauern und Antwortzeiten eher positiv auf die Qualität der verkodeten Antworten und<br />
Daten <strong>aus</strong>wirken, oder ob vielmehr Nachteile <strong>aus</strong> einer geringeren Affinität zum Befragungs-<br />
gegenstand resultieren, kann bis auf weiteres nicht geklärt werden.<br />
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Wirksamkeit einiger als zentral<br />
erachteter Einflussfaktoren bestätigt werden konnte. Es muss jedoch darauf hingewiesen<br />
werden, dass die beschriebenen Effekte insgesamt relativ gering <strong>aus</strong>fallen. Um detailliertere<br />
und vor allem verallgemeinernde Aussagen treffen zu können, werden daher auch in Zukunft<br />
noch weitere Forschungen und Analysen notwendig sein.<br />
41
Christina Buchwald<br />
Christina Buchwald<br />
3 Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview 23<br />
3.1 Einleitung<br />
Zu den wichtigsten praktischen Aufgaben im Rahmen standardisierter Datenerhebungen<br />
gehört das Problem der Ausschöpfungsquoten und der Nonresponse sozialwissenschaftli-<br />
cher Untersuchungen. Nonresponse bedeutet, dass nicht alle Personen, die laut Stichpro-<br />
benaufstellung zu befragen wären, auch tatsächlich an der Umfrage teilnehmen; es kommt<br />
zu Ausfällen. Besonders interessant unter den Nonresponse ist die explizite Verweigerung<br />
der Teilnahme am Interview durch die Zielperson. Für Deutschland werden Werte <strong>für</strong> Ver-<br />
weigerungen zur Befragung mit 20 bis 30 Prozent angegeben (Frey/Kunz/Lüschen 1990, S.<br />
40 sowie Hüfken 2000a, S. 12). Schnell (1997) hat festgestellt, dass der Anteil der Verweige-<br />
rungen in den untersuchten Surveys im Laufe der Zeit – seit Mitte der 70er-Jahre bis Mitte<br />
der 90er-Jahre – ansteigt (Schnell 1997, S. 91 f.).<br />
Ausschöpfung wird als das Gegenstück zu Nonresponse angesehen und über die Aus-<br />
schöpfungsrate oder Ausschöpfungsquote gemessen. Die Ausschöpfungsquote gilt als einer<br />
der wichtigsten Qualitätsmaßstäbe <strong>für</strong> Umfragen. Allgemein kann gesagt werden, dass sie<br />
den Grad der Realisierung einer Stichprobe beschreibt. Es gibt in der Literatur keine einheit-<br />
lichen Definitionen. So wie die Definitionen variieren auch die Operationalisierungen, d. h.<br />
„…bestimmte, <strong>für</strong> die Berechnung von Ausschöpfungsraten relevante Sachverhalte (wie z. B.<br />
die Frage, was denn alles ein stichprobenneutraler Ausfall sei) werden von unterschiedlichen<br />
Akteuren (Forschern, Instituten) unterschiedlich behandelt…“ (Porst 2000, S. 99). Allerdings<br />
haben sich gewisse Standards <strong>für</strong> die Berechnung von Ausschöpfungsquoten entwickelt.<br />
Danach wird die Ausschöpfung in Anlehnung an ZUMA 24 als das Verhältnis der Anzahl der<br />
<strong>aus</strong>gewerteten Interviews zur Größe der bereinigten Stichprobe definiert (Porst 1993, S. 5).<br />
Die Ausschöpfungsrate gilt als nur ein Merkmal <strong>für</strong> die Qualität einer Umfrage und somit<br />
auch ihrer Ergebnisse. In der Literatur werden <strong>für</strong> die Ausschöpfung bei face-to-face Befra-<br />
gungen Werte zwischen 50 Prozent bei sozialwissenschaftlichen Erhebungen und 70 Pro-<br />
zent in der Markt- und Meinungsforschung genannt. Telefoninterviews können annähernd<br />
gen<strong>aus</strong>o hohe Ausschöpfungsquoten wie face-to-face Befragungen haben, sie werden häu-<br />
fig mit 40 bis 60 Prozent angegeben (vgl. dazu Groves/Alexander 1988, Porst 1993, S.<br />
26 ff.). Für die USA wurden diese Werte bereits seit Ende der 70er Jahre konstatiert. In<br />
Deutschland wurde das Telefoninterview erst Anfang der 80er Jahre eingeführt, da bis zu<br />
diesem Zeitpunkt nicht alle H<strong>aus</strong>halte mit Telefonanschlüssen versorgt waren (vgl.<br />
Frey/Kunz/Lüschen 1990, Jung 1990). Seit Mitte der 80er Jahre hat die Erhebungsform des<br />
computergestützten Telefoninterviews (CATI) 25 immer mehr zugenommen (vgl. Jung 1990;<br />
23 Dieser Text basiert auf <strong>dem</strong> Beitrag von Christina Buchwald „Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview“<br />
in <strong>dem</strong> Buch „Zehn <strong>aus</strong> Achtzig. Burkart Lutz zum 80.“ von Ingo Wiekert (Hg.).<br />
24 ZUMA: <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> Umfragen, Methoden und Analysen<br />
25 CATI: Computer Assisted Telephone Interviewing<br />
42
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Schneid 1991; Fuchs 1994). Auch in Ostdeutschland ist die Telefonanschlussdichte seit<br />
Mitte der 90er-Jahre der im Westen Deutschlands angeglichen, so dass CATI-Unter-<br />
suchungen immer mehr an Bedeutung gewinnen.<br />
Die Ausschöpfungsquote sozialwissenschaftlicher Untersuchungen ist u. a. abhängig von:<br />
(1) der Art der Stichprobenziehung,<br />
(2) der Art der Befragung sowie<br />
(3) von der Qualität der Interviewer 26 bzw. bestimmter Interviewermerkmale.<br />
Beachtet werden muss außer<strong>dem</strong> die Tatsache, dass Telefonstudien nicht immer auf das<br />
Erzielen hoher Ausschöpfungsquoten <strong>aus</strong>gelegt sind, sondern häufig das rasche Bearbeiten<br />
festgelegter Fallzahlen erfordern (vgl. dazu auch Porst 1993, S. 26).<br />
Da die Forschung zu Ausschöpfungsquoten bei CATI-Erhebungen in der Bundesrepublik<br />
Deutschland – anders als in den USA – noch nicht sehr weit vorangeschritten ist (vgl. Porst<br />
1993, S. 29), sollen die folgenden Ausführungen einen weiteren Beitrag in diese Richtung<br />
leisten. Zur Auswertung werden Ergebnisse der computergestützten Bevölkerungsbefragun-<br />
gen herangezogen, welche im CATI-Labor des <strong>Zentrum</strong>s <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> Halle e. V.<br />
(<strong>zsh</strong>) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt wurden. 27<br />
3.2 Ausschöpfung bei telefonischen Bevölkerungsbefragungen<br />
Bei den in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführten CATI-Erhebungen wird von sehr<br />
unterschiedlichen Ausschöpfungsquoten berichtet, wobei diese u. a. auch von der Art und<br />
Weise der Stichprobenziehung abhängig sind. Bei einer Stichprobenziehung <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> amt-<br />
lichen Telefonbuch z. B. werden Ausschöpfungsquoten zwischen 40 und 60 Prozent (vgl.<br />
Porst 1993, S. 27) angegeben, können aber auch deutlich darunter oder darüber liegen 28 .<br />
Für Studien, bei denen das Random-Last-Digit-Dialing-Verfahren 29 angewandt wurde, wird<br />
sogar von Quoten zwischen 60 und 70 Prozent berichtet (vgl. Blasius/Reuband 1995, S. 67).<br />
Ausschlaggebend <strong>für</strong> die Ausschöpfungsquote ist ebenfalls die Art der Kontaktaufnahme mit<br />
der Zielperson. Das Versenden eines Anschreibens 30 im Vorfeld der Untersuchung mit der<br />
Ankündigung der Befragung und anderen wichtigen Informationen oder die Bekanntgabe der<br />
26<br />
Aufgrund der besseren Lesbarkeit werde ich auf die Benutzung weiblicher und männlicher Formen verzichten<br />
und <strong>aus</strong>schließlich die männliche Form verwenden. Die weibliche Form ist immer mitgemeint.<br />
27<br />
Zu Forschungsergebnissen dieser Thematik im Rahmen von Unternehmensbefragungen vgl. den Beitrag von<br />
Christian Koll in diesem Band<br />
28<br />
Porst (1991) bspw. berichtet im Rahmen einer Befragung in Mannheim von Ausschöpfungsquoten zwischen<br />
26 und 39 Prozent. Dabei wurden sogar verschiedene Möglichkeiten vorheriger Kontaktaufnahme angewandt<br />
(kein Anschreiben, kurzes Anschreiben, langes Anschreiben).<br />
29<br />
Mit Hilfe dieses Verfahrens sollen auch diejenigen H<strong>aus</strong>halte in die Auswahl einer Telefonbefragung gelangen,<br />
die nicht im Telefonbuch verzeichnet sind. Dabei werden unabhängig vom Telefonbuch Ziffernfolgen zufällig<br />
derart generiert, dass sie der Struktur von Telefonnummern entsprechen (RDD-Verfahren) bzw. werden die<br />
letzten Ziffern einer <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Telefonbuch gezogenen Nummer modifiziert (RLD-Verfahren). Vgl. zu diesem<br />
Verfahren Häder 1994 und Gabler/Häder/Hoffmeyer-Zlotnik 1998, S. 58 ff.<br />
30<br />
Bei sozialwissenschaftlichen CATI-Untersuchungen von Betrieben bietet sich die Möglichkeit des Versendens<br />
eines Anschreibens an, schwieriger gestaltet es sich bei Bevölkerungsumfragen, deren Stichprobe <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />
amtlichen Telefonbuch oder Telefon-CD-Rom gezogen wird. In diesem Fall kann die Ankündigung der Befragung<br />
über Medien, wie Funk, Fernsehen oder Presse erfolgen.<br />
43
Christina Buchwald<br />
Studie in den Medien kann die Ausschöpfungsquote erheblich erhöhen (vgl. Porst 1991,<br />
S. 10 f. und Porst 1993, S. 27).<br />
Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die Ausschöpfungsquote nach unse-<br />
ren Erfahrungen bei sog. „kalten Kontakten“ ohne jede Vorankündigung auch akzeptable<br />
Werte aufweisen kann, wenn der Befragungsperson das Thema der Befragung interessant<br />
erscheint.<br />
Um die Teilnahmebereitschaft bei telefonischen Befragungen zu fördern ist es wichtig, das<br />
Vertrauen der Befragten in den ersten Minuten der Kontaktaufnahme zu gewinnen. Die Inter-<br />
viewer müssen in der Lage sein, in den verschiedenen Gesprächssituationen – besonders<br />
aber in der Einleitungsphase – angemessen zu reagieren. Aus diesem Grund wird im <strong>zsh</strong><br />
eine inhaltliche Schulung <strong>für</strong> Interviewer vor jeder beginnenden Studie durchgeführt.<br />
In dieser Einführung in die jeweils neue CATI-Studie erhalten die Interviewer Informationen<br />
zum Inhalt der Studie, Hinweise zu Besonderheiten der Befragung und es wird beim gemein-<br />
samen Durchgehen des Fragebogens auf fachspezifische Begriffe und Fragen der Intervie-<br />
wer eingegangen. Außer<strong>dem</strong> erhalten die Interviewer ein Informationsblatt mit wichtigen In-<br />
formationen zur CATI-Untersuchung. Mit dieser Vorbereitung auf eine CATI-Befragung kön-<br />
nen beim Erstkontakt Rückfragen der Befragungsperson zum Inhalt und Ziel der Befragung<br />
schneller geklärt werden. Neben den inhaltlichen Einführungen erhalten die Interviewer<br />
Schulungen zum Führen von Telefoninterviews <strong>aus</strong> sprechwissenschaftlicher Sicht 31 .<br />
Mit dieser Vorbereitung auf eine CATI-Erhebung wird erstens eine höhere Professionalität<br />
der Interviewer und zweitens eine Erhöhung der Motivation der Befragten, an der Befragung<br />
teilzunehmen, angestrebt, was sich wiederum auf die Ausschöpfung <strong>aus</strong>wirkt.<br />
Ein weiterer Vorteil computergestützter Befragungen liegt in der Möglichkeit der ständigen<br />
Kontrolle durch den Supervisor, was zur korrekten Arbeit und schnellen Lösung von auftre-<br />
tenden Problemen beiträgt.<br />
An die Nutzung des CATI-Systems sind auch bestimmte Vor<strong>aus</strong>setzungen gebunden. CATI-<br />
Programme verlangen eine hohe Funktionstüchtigkeit der Technik und stellen hohe Anforde-<br />
rungen an die Datensicherheit. Die Programmierung der Eingabemasken muss erlernt und<br />
ständig angewendet werden. Außer<strong>dem</strong> führt bei einer CATI-Befragung die Beschränkung<br />
auf die verbal-akustische Kommunikation dazu, dass eine visuelle Einschätzung der Wohn-<br />
und Familiensituation und der Einsatz visueller Hilfsmittel nicht möglich sind. An den Intervie-<br />
wer wird die Anforderung gestellt, das Gespräch und die Motivation des Befragten aufrecht<br />
zu erhalten und dabei die Fragen möglichst neutral zu präsentieren (vgl. Fuchs 1994, S. 31).<br />
In den folgenden Kapiteln sollen Ausschöpfungsquoten 32 von Studien vorgestellt werden, die<br />
im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden.<br />
31 Inhaltliche Schwerpunkte dieser Weiterbildung sind beispielsweise eine Einführung in die Anatomie und Physiologie<br />
der Stimme, Elemente des Sprech<strong>aus</strong>drucks und die Kommunikation am Telefon.<br />
32 An der Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass im Rahmen der Auswertungen der <strong>zsh</strong>-Studien folgende<br />
Dispositionen zu den stichprobenneutralen Ausfällen gerechnet werden: Falsche Telefonnummern bzw. gar<br />
kein Anschluss unter der angewählten Nummer, Faxanschluss oder andere technische Probleme. Außer<strong>dem</strong><br />
beinhalten die stichprobenneutralen Ausfälle auch Verständigungsprobleme, Besetztzeichen, kein Kontakt<br />
bzw. Anrufbeantworter, Terminvereinbarungen zu einem späteren Zeitpunkt bzw. nicht genutzte Termine und<br />
„sonstiges“ (verstorben, in Haft o. ä.). Zur Netto-Stichprobe zählen die Verweigerungen wie „kein Interesse“,<br />
„überhaupt keine Zeit“, „kein telefonisches Interview“ und „ohne Antwort aufgelegt“, die Abbrüche im Verlauf<br />
des Interviews und die erfolgreichen Interviews. Andere Auswertungen zu Ausschöpfungen können in den An-<br />
44
3.2.1 Ausschöpfung bei CATI-Befragungen Jugendlicher<br />
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Bei Telefonumfragen, deren Zielgruppe Jugendliche sind, gibt es einige Unterschiede im<br />
Vergleich zu CATI-Befragungen der erwachsenen Bevölkerung. Jugendliche sind leichter als<br />
Erwachsene <strong>für</strong> eine Telefonbefragung zu gewinnen, was zu einem großen Teil daran liegen<br />
mag, dass diese Altersgruppe gern telefoniert. Ist das Thema der Befragung auch noch an-<br />
sprechend und interessant <strong>für</strong> die Jugendlichen – wie beispielsweise in einer Studie des <strong>zsh</strong>,<br />
in der es um den Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf von ostdeutschen Ju-<br />
gendlichen ging – können die jungen Leute sehr schnell <strong>für</strong> ein Interview gewonnen werden.<br />
Außer<strong>dem</strong> sind junge Teilnehmer noch nicht in <strong>dem</strong> Maße „befragungsmüde“ wie es bei der<br />
erwachsenen älteren Bevölkerung der Fall sein mag, zum großen Teil bedingt durch die vie-<br />
len Anrufe kommerzieller Institute (vgl. Porst 1993, S. 3 sowie Fuchs 1995, S. 284). Sind –<br />
wie bereits erwähnt – die Jugendlichen sehr schnell zu einem Interview bereit, so gilt es doch<br />
bei denen, die noch im Elternh<strong>aus</strong> wohnen, die Eltern davon zu überzeugen, das Gespräch<br />
an ihr Kind weiterzugeben.<br />
Eine weitere Besonderheit ist die Erreichbarkeit der Jugendlichen, welche zu einem immer<br />
größeren Teil über das Mobilfunknetz erfolgt. Abgesehen von den entstehenden Mehrkosten<br />
<strong>für</strong> die Telefongespräche sind Ausfälle durch den raschen Wechsel der Mobilfunkanbieter zu<br />
verzeichnen. Bedingt durch die Mobilität der Jugendlichen und damit verbundene Weg- und<br />
Umzüge gelten vorhandene Festnetz-Telefonnummern häufig schon nicht mehr zum Zeit-<br />
punkt des Anrufens.<br />
Die nachfolgenden Kapitel zeigen im <strong>zsh</strong> durchgeführte CATI-Befragungen von Jugendlichen<br />
mit den jeweiligen Zielen, Ausschöpfungsquoten und Besonderheiten auf.<br />
3.2.1.1 Jugend-Panel-Befragung in Ostdeutschland<br />
Eine im Rahmen einer Paneluntersuchung angelegten Längsschnittbefragung ostdeutscher<br />
Jugendlicher der Geburtsjahrgänge 1980 bis 1985 startete im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> mit der<br />
Erstbefragung im Frühjahr 2002. Bei dieser Befragung wurden Bildungs- und Erwerbsverläu-<br />
fe ostdeutscher Jugendlicher in den ersten Jahren nach <strong>dem</strong> Schul- bzw. Ausbildungsab-<br />
schluss erhoben. Das Ziel des Projektes bestand im Aufbau eines Berichtssystems mit zeit-<br />
naher und differenzierter Erfassung und Beschreibung von Mobilitätsprozessen und -ver-<br />
läufen auf <strong>dem</strong> ostdeutschen Arbeitsmarkt inklusive deren geschlechtsspezifischer Unter-<br />
schiede.<br />
Die Stichprobe im Jahr 2002 umfasste dabei die zwischen 1980 und 1983 Geborenen; diese<br />
Jugendlichen wurden bis zum Jahr 2004 dreimal im Abstand von je einem Jahr befragt. Im<br />
Jahr 2003 wurden ostdeutsche Jugendliche der Geburtsjahrgänge 1984 und 1985 zum<br />
ersten Mal befragt und 2004 zum zweiten Mal (vgl. Tabelle 5).<br />
gaben der Quote variieren, wenn die Zuordnung der Dispositionen zu den stichprobenneutralen Ausfällen bzw.<br />
zur Netto-Stichprobe in anderer Form gewählt wurde.<br />
45
Christina Buchwald<br />
Tabelle 5: Erhebungsplan <strong>für</strong> die Jugend-Panel-Befragung 2001 bis 2004<br />
2001 Stichprobenziehung (1980 bis 1983)<br />
2002 1. Welle<br />
Jahrgänge 1980-1983<br />
2003 2. Welle<br />
Jahrgänge 1980-1983<br />
2004 3. Welle<br />
Jahrgänge 1980-1983<br />
46<br />
Stichprobenziehung (1984/1985)<br />
1. Welle<br />
Jahrgänge 1984/1985<br />
2. Welle<br />
Jahrgänge 1984/1985<br />
Die erste Befragungswelle der Geburtsjahrgänge 1980 bis 1983 erbrachte 4.990 <strong>aus</strong>wert-<br />
bare Interviews, die erste Befragungswelle der 1984 und 1985 Geborenen insgesamt 5.263<br />
Interviews. Somit standen 10.253 Erstinterviews zur Auswertung zur Verfügung. Im Rahmen<br />
der Zweitbefragung der zwischen 1980 und 1983 Geborenen konnte eine Erfolgsquote des<br />
Zweitinterviews von 64 Prozent erreicht werden, was als <strong>aus</strong>gesprochen gut angesehen<br />
werden kann.<br />
Die Verweigerungsquoten in den drei Wellen der Befragung sind sehr gering und nahmen<br />
von Jahr zu Jahr in den Wiederholungsbefragungen ab. Wurden in der ersten Welle 15 Pro-<br />
zent der Netto-Stichprobe als Verweigerer registriert, so waren es in der zweiten Welle 2003<br />
nur noch 10 Prozent und in der letzten Erhebungswelle ganz und gar nur 7 Prozent.<br />
Wertet man die geführten Interviews nach der Anzahl der benötigten Kontaktversuche 33 <strong>aus</strong>,<br />
so waren in den ersten beiden Befragungswellen im Jahr 2002 und 2003 jeweils nach durch-<br />
schnittlich vier Kontaktierungen 80 Prozent der Interviews geführt und nach sechs Kontakt-<br />
versuchen 90 Prozent der Interviews vollständig. In der letzten Befragungswelle im Jahr<br />
2004 waren vier bis fünf Kontaktversuche nötig, um 70 Prozent der Interviews als geführt zu<br />
bewerten und erst nach acht bis neun Kontaktversuchen waren 90 Prozent aller Interviews<br />
komplett (vgl. Abbildung 18). Ein Grund da<strong>für</strong> ist im Befragungszeitraum zu sehen, welcher<br />
bei den ersten beiden Befragungswellen vor der Ferienzeit und bei der letzten Welle im Jahr<br />
2004 teilweise auch in der Urlaubszeit lag 34 . Des Weiteren war in der dritten Welle eine<br />
Klientel enthalten, welches schwer erreichbar war. D. h. Jugendliche wurden wieder befragt,<br />
die zwar in der ersten Welle interviewt wurden, im Jahr darauf aber nicht erreichbar waren.<br />
33 Im Rahmen aller CATI-Befragungen, die am <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden, zählen zu den Kontaktversuchen nicht<br />
nur diejenigen Kontaktierungen, bei denen mit einer Kontakt- bzw. mit der Zielperson gesprochen wurde, sondern<br />
auch alle Anwählversuche, bei denen der Angerufene den Hörer nicht abgenommen hat oder sich der<br />
Anrufbeantworter einschaltete oder besetzt war. Außer<strong>dem</strong> zählt jede Terminabsprache oder Terminverschiebung<br />
ebenfalls als ein Kontaktversuch. Aus diesem Grund kann bei den einzelnen Studien die Anzahl der<br />
Kontaktversuche relativ hoch sein (bis zu 15 und mehr Versuche).<br />
34 In der dritten Befragungswelle wurde bis Ende Juli interviewt.
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Abbildung 18: Interviews nach Kontaktversuchen bei der Jugend-Panel-Befragung<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15<br />
Kontaktversuche<br />
Jugend-Panel 2002<br />
Jugend-Panel 2003<br />
Jugend-Panel 2004<br />
Bezüglich der Verweigerungen ergibt sich bei der Jugend-Panel-Befragung folgendes Bild: In<br />
den Jahren 2002 und 2003 hatten 45 bzw. 43 Prozent der Jugendlichen, die nicht interviewt<br />
werden wollten, bereits nach <strong>dem</strong> zweiten Kontaktversuch verweigert. In diesen Jahren er-<br />
folgte jeweils eine Erstbefragung bestimmter Jahrgänge. In der dritten Befragungswelle im<br />
Jahr 2004, in der nur Wiederholungsbefragungen stattfanden, betrug die Zahl der Verweige-<br />
rer nach <strong>dem</strong> zweiten Kontaktversuch nicht einmal mehr ein Drittel und erst nach <strong>dem</strong> 14.<br />
Kontaktversuch wurden 95 Prozent der Verweigerungen registriert.<br />
3.2.1.2 Jugendbefragungen zur Teilnahme an Maßnahmen<br />
Etwas anders gelagert waren zwei bundesweite CATI-Befragungen Jugendlicher, die eben-<br />
falls am <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden. Die Jugendlichen hatten an zwei verschiedenen Maßnah-<br />
men zur besseren Eingliederung in den Beruf teilgenommen. Im Rahmen dieser Maßnah-<br />
men wurden die Jugendlichen bereits zweimal schriftlich zu diesem Lehrgang befragt. Die<br />
dritte Befragungswelle erfolgte mittels CATI sechs Monate nach Beendigung der Maßnahme<br />
mit <strong>dem</strong> Ziel, den Werdegang nach Abschluss der Maßnahme bis zum Befragungszeitpunkt<br />
zu erfassen. Die Maßnahmeteilnehmer hatten alle ihr Einverständnis gegeben und ihre Tele-<br />
fonnummer <strong>für</strong> diese CATI-Befragung zur Verfügung gestellt.<br />
Jedoch bedingt durch die Mobilität der jungen Menschen und durch einen häufigen Wechsel<br />
des Mobilfunkanbieters nach Ablauf des Handy-Vertrages wurde in der Jugend-Maßnahme-<br />
Befragung 1 ein Viertel der Befragten der Brutto-Stichprobe nicht mehr erreicht. In der Ju-<br />
gend-Maßnahme-Befragung 2 betrugen die neutralen Ausfälle sogar 55 Prozent. Die Aus-<br />
schöpfungsquoten der Netto-Stichproben der beiden Erhebungen sind mit 89 bzw. 87 Pro-<br />
zent sehr hoch. Die Verweigerungsraten der Befragungen liegen bei etwas über 10 Prozent,<br />
was als sehr gering angesehen werden kann. Die jeweils an 100 Prozent fehlenden Werte<br />
begründen sich durch Abbrüche in bereits begonnenen Interviews.<br />
47
Christina Buchwald<br />
Interessant ist an dieser Stelle die Anzahl der Kontaktversuche, die benötigt wurde, um ein<br />
Interview am Telefon zu führen. Fast identisch wie bei der Jugend-Panel-Befragung verhielt<br />
sich auch der Verlauf bei den beiden Befragungen der jugendlichen Maßnahmeteilnehmer.<br />
Nach vier Kontaktversuchen waren 70 Prozent der Interviews, nach acht Kontaktierungen<br />
90 Prozent der Interviews geführt. Ein Unterschied zwischen beiden Befragungen der Maß-<br />
nahmeteilnehmer ist in der Anzahl geführter Interviews nach <strong>dem</strong> ersten Kontaktversuch zu<br />
verzeichnen. Bei der Jugend-Maßnahme-Befragung 1 wurden bereits 40 Prozent der Inter-<br />
views beim ersten Anruf geführt, bei der Jugend-Maßnahme-Befragung 2 waren es ca. 20<br />
Prozent der Interviews (vgl. Abbildung 19). Ein Grund da<strong>für</strong> könnte im Befragungszeitraum<br />
gesehen werden. Die Jugend-Maßnahme Befragung 1 wurde von Januar bis April<br />
durchgeführt, die Jugendmaßnahme-Befragung 2 von August bis September – ein Zeitraum,<br />
in <strong>dem</strong> noch Sommerurlaubsreisen stattfinden.<br />
Etwa die Hälfte der Jugendlichen, die eine telefonische Befragung im Rahmen dieser beiden<br />
Projekte verweigert haben, tat dies bis zum vierten Kontaktversuch.<br />
Abbildung 19: Interviews nach Kontaktversuchen bei Jugend-Maßnahme-Befragungen<br />
48<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
Maßnahme 1<br />
Maßnahme 2<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16<br />
Kontaktversuche<br />
3.2.2 Ausschöpfung bei Befragungen der erwachsenen Bevölkerung<br />
Im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> wurden fünf unterschiedliche Bevölkerungsbefragungen durchge-<br />
führt, verschieden auch im Hinblick auf die Stichprobenziehung. Demnach sind auch die<br />
Ausschöpfungsquoten sehr divergent, wie im Folgenden <strong>aus</strong>geführt werden soll.<br />
3.2.2.1 Bevölkerungsbefragung zur Politikwahrnehmung<br />
Eine im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 580 angelegte CATI-Befragung der<br />
Bevölkerung in <strong>aus</strong>gewählten Orten 35 hatte als Thema die lokale Politik. Nach<strong>dem</strong> das<br />
35 In diesem Teilprojekt des SFB 580 wurden Personen der Städte Halle und Köln (je 450 Interviews), Dessau<br />
und Jülich (je 350 Interviews) und Personen des Saalkreises und des Oberbergischen Kreises (je 200 Interviews)<br />
befragt.
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Thema der Befragung im Einleitungstext genannt wurde, lehnte eine hohe Anzahl von Per-<br />
sonen die Teilnahme ab. So haben 64 Prozent der Personen, die nicht an der Befragung<br />
teilnehmen wollten, bereits beim ersten Kontaktversuch verweigert und 93 Prozent aller Ver-<br />
weigerungen waren bereits nach <strong>dem</strong> dritten Kontaktversuch zu verzeichnen (vgl. Abbildung<br />
20). Die Ursachen der Ablehnungen sind zum einen auch auf Erklärungen der Interviewer,<br />
dass es um Politikwahrnehmung im lokalen Bereich geht und zum anderen auf die<br />
Ankündigung der Dauer der Befragung mit 30 Minuten 36 zurückzuführen. Das Ziel des<br />
Projektes bestand darin, die Wahrnehmung der Bürger von und ihr Vertrauen in Demokratie<br />
und <strong>dem</strong>okratische Eliten in Bezug auf die Stabilität des politischen Systems zu erfragen.<br />
Durch die Generierung der Stichprobe nach einem modifizierten Gabler-Häder-Design führte<br />
das Anwählen einer Telefonnummer häufig zu „keinem Anschluss unter dieser Nummer“.<br />
Durch diese Art der Stichprobenziehung und die Anwendung der „last birthday method“ 37 war<br />
ein Versenden eines Anschreibens nicht möglich. Die Befragung wurde zwar durch eine<br />
Pressemitteilung publik gemacht, jedoch hatte ein Großteil der Kontakt- und Zielpersonen<br />
diese Mitteilung nicht wahrgenommen. Da jedoch die Stichprobengröße mehr als zehnmal so<br />
groß war 38 wie die angestrebte Anzahl der zu führenden Interviews konnte die Befragung mit<br />
der Realisierung der Anzahl angestrebter erfolgreicher Interviews weit vor <strong>dem</strong> völligen Aus-<br />
schöpfen der Stichprobe beendet werden.<br />
So ist eine Ausschöpfung der Netto-Stichprobe mit knapp 20 Prozent nicht verwunderlich,<br />
zumal mehr als 28 Prozent der in der Brutto-Stichprobe enthaltenen Fälle noch nicht ange-<br />
rufen oder noch nicht erreicht wurden bzw. Terminvereinbarungen noch offen standen.<br />
Eine Verweigerungsquote von knapp 79 Prozent erscheint relativ hoch, ist jedoch, wenn man<br />
die Art der Stichprobenziehung 39 und den „kalten Kontakt“ bedenkt, nicht ungewöhnlich.<br />
Der Erhebungsverlauf (vgl. Abbildung 20) zeigt sehr deutlich, dass bereits nach <strong>dem</strong> vierten<br />
Kontaktversuch etwa 90 Prozent aller Interviews durchgeführt wurden. Diese Erfahrungen<br />
und ähnliche Prozentzahlen (80 bis 90 Prozent) werden auch von anderen<br />
Bevölkerungsbefragungen berichtet.<br />
36 Die anderen Bevölkerungsbefragungen Jugendlicher und Erwachsener, die in diesem Rahmen zur Auswertung<br />
herangezogen wurden, dauerten im Durchschnitt 15 bis 20 Minuten, wohingegen die Befragung zur Politikwahrnehmung<br />
mit einer Dauer von 30 Minuten deutlich länger war.<br />
37 Bei dieser Methode soll diejenige Person im H<strong>aus</strong>halt, die als letztes Geburtstag hatte, befragt werden.<br />
38 Von Gabler und Häder selbst wird empfohlen, die Stichprobe zehnmal so groß zu halten wie die Anzahl der zu<br />
realisierenden Interviews, da bei ihrem Verfahren im Vorfeld mit sehr großen stichprobenneutralen Ausfällen<br />
zu rechnen ist.<br />
39 Durch die Anwendung des Gabler-Häder-Designs war in 35 Prozent der Fälle kein Anschluss unter der<br />
gewählten Nummer zu verzeichnen.<br />
49
Christina Buchwald<br />
Abbildung 20: Interviews und Verweigerungen nach Kontaktversuchen bei einer<br />
Bevölkerungsbefragung des SFB 580<br />
3.2.2.2 H<strong>aus</strong>haltsbefragung in ländlichen Regionen<br />
Eine ganz andersartig gelagerte H<strong>aus</strong>haltsbefragung wurde in drei ländlichen Regionen Ost-<br />
deutschlands von Februar bis Mai 2003 durchgeführt. Ziel des Projektes war es, Kenntnis<br />
über wichtige soziale Problemlagen einer ländlichen Krisenregion zu erlangen, die im Zuge<br />
der wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der letzten Jahre (nach der Wende) ent-<br />
standen sind. Der Fragebogen richtete sich an alle H<strong>aus</strong>halte von drei Gemeinden und sollte<br />
ein möglichst genaues Abbild der Sozialstruktur der Gemeinde liefern. Befragt wurde ein<br />
volljähriges Mitglied jedes H<strong>aus</strong>haltes, sofern die Kontaktperson Auskunft geben konnte über<br />
alle weiteren im H<strong>aus</strong>halt lebenden Personen.<br />
Im Vorfeld der CATI-Befragung wurden – in Absprache mit den jeweiligen Bürgermeistern –<br />
Ankündigungen mit Informationen zur Untersuchung an markanten und viel besuchten Stel-<br />
len der Orte <strong>aus</strong>gehangen. Außer<strong>dem</strong> wurde die Wichtigkeit an der Teilnahme der Befra-<br />
gung in einem Artikel der Tagespresse unterstrichen.<br />
In der Gemeinde, deren Bewohner zuerst befragt wurden, befindet sich der Sitz des wissen-<br />
schaftlichen Forschungsinstitutes, welches das Projekt bearbeitete. Diese Tatsache trug<br />
wohl entscheidend dazu bei, dass hier die Beteiligung durch den Bekanntheitsgrad am<br />
höchsten war. Mit einer Ausschöpfung von 56 Prozent und einer Verweigerungsquote von 40<br />
Prozent war das Ergebnis im Bereich der Erwartungen.<br />
In der zweiten Gemeinde, die <strong>für</strong> die H<strong>aus</strong>haltsbefragung <strong>aus</strong>gewählt wurde, war die Beteili-<br />
gung mit einer Ausschöpfungsquote von 43 Prozent anfangs nicht so zufrieden stellend. Aus<br />
diesem Grund wurde in der Presse erneut ein Artikel veröffentlicht mit der dringenden Bitte<br />
zur Teilnahme an der CATI-Erhebung. Die 56 Prozent der Personen der Netto-Stichprobe,<br />
die im ersten Anlauf verweigert hatten an der Befragung teilzunehmen, wurden erneut kon-<br />
taktiert. 17 Prozent der Verweigerer entschlossen sich doch zur Teilnahme an einem Inter-<br />
view.<br />
50<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
Kontaktversuche<br />
Interviews<br />
Verweigerungen
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Ähnlich war die Situation in der dritten Gemeinde. Die Ausschöpfungsquote betrug dort nur<br />
27 Prozent, wobei erwähnt werden muss, dass dieser Ort als ein <strong>Zentrum</strong> sozialer Problem-<br />
fälle einzuordnen ist. Auch hier wurde ein zweites Mal an die Bevölkerung über die Medien<br />
und über Aushänge zur dringenden Teilnahme an der Studie appelliert. Von den 71 Prozent<br />
der Personen, die beim ersten Anruf verweigert hatten, konnten 16 Prozent nun doch <strong>für</strong> das<br />
telefonische Interview gewonnen werden.<br />
Wird die Ausschöpfung nach der Anzahl der Kontaktversuche betrachtet, so lässt sich <strong>für</strong><br />
alle drei Gemeinden feststellen, dass 90 Prozent aller Interviews nach <strong>dem</strong> achten Kon-<br />
taktversuch geführt wurden. Unterschiedlich ist jedoch die Anzahl der kompletten Interviews<br />
nach <strong>dem</strong> vierten Kontaktversuch. In der ersten Gemeinde, in der die Ausschöpfungsrate<br />
insgesamt am höchsten ist, wurden nach vier Kontaktversuchen etwa 60 Prozent der<br />
Telefongespräche geführt (vgl. Abbildung 21). In den beiden anderen Gemeinden, deren<br />
Ausschöpfungsquote zwar insgesamt schlechter <strong>aus</strong>fällt, waren jedoch nach <strong>dem</strong> vierten<br />
Kontaktversuch bereits ca. 80 Prozent aller Interviews zustande gekommen (vgl.<br />
Abbildung 21). 40<br />
Bezüglich der Verweigerungen ergibt sich folgendes Bild: In der ersten Gemeinde, in der sich<br />
auch das Forschungsinstitut, welches das Projekt bearbeitet, befindet, wurden nach <strong>dem</strong><br />
dritten Kontaktversuch knapp 50 Prozent der Personen, die nicht an der Befragung teilneh-<br />
men wollten, registriert. In den beiden anderen Gemeinden waren es bereits knapp 50 Pro-<br />
zent beim ersten Kontaktversuch.<br />
Abbildung 21: Interviews nach Kontaktversuchen einer H<strong>aus</strong>haltsbefragung in ländlichen<br />
Regionen<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16<br />
Kontaktversuche<br />
Gemeinde 1<br />
Gemeinde 2<br />
Gemeinde 3<br />
40 Die Ausschöpfung nach der Anzahl der Kontaktversuche wurde nur <strong>für</strong> die 3 Gemeinden im Rahmen der Erstbefragung<br />
dargestellt. Die nochmalige Kontaktierung der Verweigerer in der zweiten und dritten Gemeinde<br />
und deren Ausschöpfung nach Kontaktversuchen wurde hier vernachlässigt.<br />
51
Christina Buchwald<br />
3.2.2.3 Befragung von Betroffenen der Flutkatastrophe<br />
Eine weitere Bevölkerungsbefragung richtete sich an die von der Flutkatastrophe betroffenen<br />
Personen in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die durch eine Zufallsstichprobe <strong>aus</strong> der<br />
Gesamtheit der von der Flut betroffenen Personen in Sachsen und Sachsen-Anhalt<br />
ermittelten Geschädigten erhielten im Vorfeld der Untersuchung ein Anschreiben, das den<br />
Zweck und das Ziel der Befragung beinhaltete und die Personen zur Teilnahme aufforderte.<br />
Die Betroffenen wurden danach befragt, wie sie die Flut erlebt haben, wie einschneidend<br />
sich ihr Leben dadurch änderte und wie sich die Situation zum Befragungszeitraum<br />
darstellte. Des Weiteren wurden die Befragten gebeten, die Arbeit der Hilfsorganisationen<br />
und die Hilfsprogramme einzuschätzen. Das Ziel der Erhebung bestand darin, anhand der<br />
Ergebnisse die Programme der Hilfsorganisation weiterzuentwickeln.<br />
Die Befragung gestaltete sich insofern nicht so einfach, als die betroffenen Personen zwar<br />
bereit waren ein Interview zu führen, die emotionale Belastung jedoch noch sehr hoch war.<br />
Das Versenden eines Anschreibens und die Einsicht der Befragten in die Zweckdienlichkeit<br />
der Teilnahme hinsichtlich der Optimierung von Hilfsprogrammen, bewegten die angerufenen<br />
Personen sehr schnell dazu, ein Interview zu führen.<br />
Die Ausschöpfung betrug 72 Prozent, allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass<br />
diese hätte noch gesteigert werden können, wenn die Befragung durch das Erreichen der<br />
angestrebten Fallzahl nicht beendet worden wäre.<br />
Mit knapp 27 Prozent ist die Verweigerungsquote zwar höher als bei den Jugendbefragun-<br />
gen, aber durch<strong>aus</strong> niedriger als beispielsweise bei den H<strong>aus</strong>haltsbefragungen in den drei<br />
ländlichen Regionen. Weit über die Hälfte (58 Prozent) der Personen, die ein Interview ver-<br />
weigert haben, tat dies bereits bis zum zweiten Kontaktversuch. Wird die Ausschöpfung nach<br />
Kontaktversuchen betrachtet, so kann konstatiert werden, dass 80 Prozent der angestrebten<br />
Fallzahl nach maximal vier Kontaktversuchen realisiert waren (vgl. Abbildung 22).<br />
3.2.2.4 Befragung von Migranten<br />
Ein ganz ähnliches Bild zeigt sich bei einer im <strong>zsh</strong> im Frühjahr 2004 durchgeführten CATI-<br />
Befragung, die sich an Personen richtete, die <strong>aus</strong> Sachsen-Anhalt abgewandert waren. Die<br />
Adressdaten wurden über die Einwohnermeldeämter gezogen, ein Anschreiben bekamen die<br />
zu befragenden Personen nicht. Kriterien der Auswahl waren eine Abwanderung <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />
Bundesland Sachsen-Anhalt zwischen 1998 und 2002 und das Alter der befragten Personen,<br />
welches zwischen 18 und 35 Jahren sein sollte. Das Forschungsprojekt untersuchte die re-<br />
gionalökonomischen Konsequenzen der Abwanderung junger Leute <strong>aus</strong> Ostdeutschland.<br />
Das Ziel des Forschungsvorhabens bestand darin, die Muster und Prinzipien des Migrations-<br />
prozesses, die Handlungsdispositionen und Motivationen sowie die Arbeits- und Lebensbe-<br />
dingungen der Migranten und eventuelle Rückkehrbestrebungen zu analysieren.<br />
Durch die Mobilität der Migranten konnten 15 Prozent der Brutto-Stichprobe nicht mehr er-<br />
reicht werden. Die Ausschöpfungsquote der Netto-Stichprobe dieser Erhebung betrug 75<br />
Prozent – ein sehr guter Wert, wenn man bedenkt, dass die Stichprobe damit noch nicht völ-<br />
lig <strong>aus</strong>geschöpft war, jedoch die angestrebte Fallzahl erreicht wurde.<br />
52
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Auch bei dieser Befragung waren die kontaktierten Personen sehr schnell bereit, ein Inter-<br />
view zu führen. Sie empfanden es als sehr sinnvoll, dass die Forschung an diesem Punkt<br />
ansetzt, um die massive Abwanderung <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Osten „unter die Lupe zu nehmen“. Außer-<br />
<strong>dem</strong> bestand eine hohe Bereitschaft, ein Stück des Lebensweges und die damit verbunde-<br />
nen Erfahrungen weiterzugeben. Nicht zuletzt haben Interviewer des CATI-Labors mit Sitz in<br />
Halle die Migranten <strong>aus</strong> Gründen der bleibenden Verbundenheit mit der Heimat zu einem<br />
Gespräch gewinnen können. So waren maximal vier Kontaktversuche notwendig, um 80<br />
Prozent der angestrebten Fallzahl zu erreichen und nach sechs Kontaktversuchen – ähnlich<br />
wie bei der Jugend-Panel-Befragung in den Jahren 2002 und 2003 – waren 90 Prozent der<br />
Interviews geführt (vgl. Abbildung 22) 41 .<br />
Die Verweigerungsrate von knapp 24 Prozent ist ähnlich der Prozentzahl bei der Befragung<br />
der Flutgeschädigten und liegt somit in <strong>dem</strong> <strong>für</strong> Deutschland allgemein angegebenen Be-<br />
reich der Verweigerungsraten (20 bis 30 Prozent). Von den Personen, die ein Interview ver-<br />
weigerten, hatten knapp 50 Prozent dies bereits bis zum zweiten Kontaktversuch und etwas<br />
mehr als drei Viertel bis zum fünften Kontaktversuch kundgetan.<br />
3.2.2.5 Befragung von Existenzgründern<br />
Eine Studie, die sich zwischen Bevölkerungs- und Unternehmensbefragungen bewegt, war<br />
die Untersuchung von Existenzgründern, welche im Jahr 2003 durch die Arbeitsagentur Hal-<br />
berstadt gefördert wurden. Die zu befragenden Existenzgründer wurden durch zwei unter-<br />
schiedliche Förderarten unterstützt, einerseits durch das Überbrückungsgeld, andererseits<br />
durch den Existenzgründerzuschuss (ICH-AG). Ziel der Studie war es, neben grundsätz-<br />
lichen Informationen über die Teilnehmer der Förderprogramme und insbesondere deren<br />
Verbleib, erklärende Wirkungsmechanismen <strong>für</strong> Erfolg oder Misserfolg der Unternehmens-<br />
gründungen zu analysieren.<br />
Angestrebt waren 230 komplette Interviews mit einer Länge von 10 Minuten, welche inner-<br />
halb kürzester Zeit (6 Tage) im Sommer 2004 realisiert waren. Die Befragten waren an der<br />
Teilnahme sehr interessiert und beurteilten es positiv, dass eine Nachfrage und Bewertung<br />
der Existenzgründungen vorgenommen wird. So ist es auch nicht verwunderlich, dass 60<br />
Prozent der Interviews nach <strong>dem</strong> ersten Kontaktversuch und 90 Prozent nach <strong>dem</strong> zweiten<br />
Kontaktversuch zustande kamen (vgl. Abbildung 22).<br />
41 Die Auswertung der Ausschöpfung nach Kontaktversuchen ist bei dieser Studie fast identisch mit der<br />
Ausschöpfung der Befragung von Betroffenen der Flutkatastrophe.<br />
53
Christina Buchwald<br />
Abbildung 22: Interviews nach Kontaktversuchen bei Bevölkerungsumfragen (Erwachsene)<br />
Die Ausschöpfungsquote der Netto-Stichprobe von 88 Prozent ist als sehr hoch zu bewerten.<br />
Dazu muss bemerkt werden, dass die Untersuchung aufgrund der erreichten angestrebten<br />
Fallzahl beendet wurde und 50 Prozent der zu Befragenden (der Brutto-Stichprobe) noch<br />
nicht erreicht wurden bzw. eine Terminvereinbarung <strong>für</strong> einen späteren Zeitpunkt (nach<br />
Beendigung der Befragung) getroffen wurde.<br />
Nur die geringe Zahl von 10 Prozent der Personen der Netto-Stichprobe hat ein Interview<br />
verweigert, wobei die Hälfte dieser Personen gleich beim ersten Kontaktversuch ablehnte.<br />
3.2.3 Ausschöpfungen der CATI-Bevölkerungsbefragungen im Vergleich zu Unter-<br />
54<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
nehmensbefragungen<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass mit verallgemeinernden Aussagen zu Aus-<br />
schöpfungsquoten sehr vorsichtig umgegangen werden muss. Es gibt keine einheitliche De-<br />
finition und Vorgabe der zu den stichprobenneutralen Ausfällen bzw. zur Netto-Stichprobe<br />
zuzuordnenden Dispositionen.<br />
Ausschöpfungsquoten müssen differenziert betrachtet werden, da sie von verschiedenen<br />
Faktoren abhängig sind, wie zum Beispiel von:<br />
• der Art der Ziehung und der Größe der Stichprobe,<br />
• der zu befragenden Zielgruppe,<br />
• <strong>dem</strong> Thema,<br />
• der Befragungszeit,<br />
0<br />
• der persönlichen Betroffenheit,<br />
• der gesellschaftlichen Brisanz,<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
• der gewünschten Anzahl der Interviews und <strong>dem</strong> (vorzeitigen) Beenden der Befra-<br />
gung nach <strong>dem</strong> Erreichen der geplanten Anzahl an Interviews,<br />
• Kalt- bzw. Warmkontaktierung sowie<br />
• der Tatsache, dass es sich um eine Panelbefragung mit Einverständnis zur<br />
Wiederholungsbefragung handelt.<br />
Kontaktversuche<br />
Flutgeschädigte<br />
Migranten<br />
Existenzgründer
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Die Heterogenität an Ausschöpfungsquoten bei CATI-Bevölkerungsbefragungen, die im<br />
CATI-Labor des <strong>zsh</strong> zu verzeichnen sind, gilt auch <strong>für</strong> die Unternehmensbefragungen. Hier<br />
sind Ausschöpfungen zwischen 25 und 75 Prozent zu verzeichnen. Aber auch bei dieser Art<br />
von telefonischer Erhebung muss bemerkt werden, dass die unterschiedlichen Quoten durch<br />
die Besonderheiten der einzelnen Untersuchungen bestimmt werden. Die Kontaktaufnahme<br />
gestaltet sich bei größeren Unternehmen weit<strong>aus</strong> schwieriger als bei Kleinbetrieben, da man<br />
zum Beispiel erst über eine Zentrale zur Kontaktperson verbunden wird. Das Zeitbudget der<br />
Mitarbeiter in Unternehmen ist in den meisten Fällen sehr knapp, wodurch Terminabspra-<br />
chen schwierig sind und Terminverschiebungen oft vorkommen. Wurde vor der Untersu-<br />
chung ein Anschreiben verschickt, so ist dieses häufig nicht bei der Zielperson angekom-<br />
men.<br />
Bei Unternehmensbefragungen empfiehlt es sich, bereits um 8.00 Uhr morgens mit <strong>dem</strong> Te-<br />
lefonieren zu beginnen. Im Gegensatz dazu ist die Ausschöpfung bei Bevölkerungsbefra-<br />
gungen und insbesondere auch bei Jugendbefragungen in den Nachmittags- und Abend-<br />
stunden am höchsten. In der Literatur wird die Zeit zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr als am<br />
günstigsten angegeben (vgl. Kreiselmaier/Porst 1989, S. 34), was sich mit unseren Erfah-<br />
rungen im CATI-Labor am <strong>zsh</strong> deckt.<br />
Sind bei den Bevölkerungsbefragungen (Jugend und Erwachsene) nach <strong>dem</strong> vierten Kon-<br />
taktversuch 70 bis 80 Prozent aller Interviews geführt worden und nach <strong>dem</strong> sechsten bis<br />
achten Anwählversuch zumeist 90 Prozent der Interviews komplett, so ergibt sich bei Unter-<br />
nehmensbefragungen doch ein ganz anderes Bild: Es sind deutlich mehr Anwählversuche<br />
bis zum Zustandekommen eines Interviews notwendig.<br />
Bei einer Befragung von Handwerksbetrieben ist es noch ähnlich wie bei den Bevölkerungs-<br />
befragungen: sechs Kontaktversuche waren notwendig, um 80 Prozent und 9 Versuche um<br />
90 Prozent der Interviews vollständig zu haben. Etwas schwieriger gestaltete es sich bei ei-<br />
ner Bildungsträgerbefragung in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin: 9 Kontaktie-<br />
rungen wurden benötigt um 80 Prozent der Interviews zu erhalten und bis zu 12 Versuche <strong>für</strong><br />
90 Prozent. Im Rahmen einer bundesweiten Unternehmensbefragung von mittleren und<br />
Kleinbetrieben (KMU) waren erst nach 12 Kontaktversuchen 80 Prozent der Interviews ge-<br />
führt und nach weiteren drei Versuchen 90 Prozent (vgl. Abbildung 23). Der Grund da<strong>für</strong> ist<br />
in der komplizierten Erreichbarkeit der Gesprächspartner zu sehen.<br />
Die Ansprechpartner bei der Bildungsträger-Befragung und der Befragung in den kleinen und<br />
mittleren Unternehmen, die ein Interview verweigert hatten, taten dies in etwa der Hälfte der<br />
Fälle bis zum vierten Kontaktversuch. Bei der Befragung in den Handwerksbetrieben hatten<br />
bereits 70 Prozent der Verweigerer bis zum vierten Kontaktversuch ihre Nicht-Teilnahme<br />
angeführt.<br />
55
Christina Buchwald<br />
Abbildung 23: Interviews nach Kontaktversuchen bei Unternehmensbefragungen<br />
Wird bei der Durchführung von Telefonumfragen die Effizienz beurteilt, so kann im Rahmen<br />
der am <strong>zsh</strong> durchgeführten CATI-Bevölkerungsstudien bestätigt werden, was in der Literatur<br />
bereits zu lesen ist: Spätestens nach <strong>dem</strong> vierten Kontaktversuch ist der größte Teil der In-<br />
terviews durchgeführt und weitere Kontaktversuche könnten zu einer Ineffizienz führen. Zur<br />
Reduzierung objektiver Ausfälle sollten allerdings mehrere Kontaktversuche unternommen<br />
werden. Kreiselmaier/Porst (1989, S. 34) berichten, dass in Studien, in denen die Zahl der<br />
Kontaktversuche erhöht worden ist, die Nicht-Erreichbarenquote gesenkt werden konnte.<br />
Aus ökonomischen Gründen sollte dies aber nicht beliebig <strong>aus</strong>gedehnt werden (vgl.<br />
Brückner et al. 1982, S. 27). Brückner et al. (1982) verweisen darauf, dass nach <strong>dem</strong> vierten<br />
Kontaktversuch eine deutliche Ineffizienz feststellbar ist, andere Angaben in der Literatur<br />
deuten darauf hin, dass die Ausschöpfung bereits nach <strong>dem</strong> dritten Kontaktversuch sinkt.<br />
Jedoch wird die Abhängigkeit der Ausschöpfung von der Anzahl der Kontaktversuche bei<br />
einer Studie auch von den jeweiligen Kontexten beeinflusst. So stellen – im Gegensatz zu<br />
den oben vorgestellten Ergebnissen – z. B. Hormuth/Brückner (1985) fest, dass in einer<br />
Studie 45 Prozent der Telefonnummern nach <strong>dem</strong> ersten Versuch abgearbeitet waren und<br />
dass eine Erhöhung der Kontaktversuche weiteren Erfolg zeigt. Nach <strong>dem</strong> sechsten Kontakt-<br />
versuch waren in dieser Studie 95 Prozent der Telefonnummern bearbeitet. Eine größere<br />
Anzahl von Kontaktversuchen wird nur dann empfohlen, wenn man schwer erreichbare Per-<br />
sonen unbedingt erreichen will. Die Ergebnisse der CATI-Erhebungen des <strong>zsh</strong> bestätigen<br />
damit grundsätzlich die bereits in der Literatur beschriebenen Tendenzen, wobei die beson-<br />
deren Anforderungen im Rahmen jeder Studie nicht außer Acht gelassen werden dürfen.<br />
In diesem Zusammenhang soll kurz auf drei Eliten-Befragungen verwiesen werden, die im<br />
CATI-Labor des <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden. Im Rahmen des SFB 580 wurden aktuelle Abge-<br />
ordnete von Landtagen, des Bundestages und des Europaparlamentes befragt sowie poli-<br />
tische und administrative Amtsinhaber auf lokaler Ebene. Da das Zeitbudget der aktuellen<br />
Abgeordneten besonders eng ist und sich die Erreichbarkeit aufgrund der erforderlichen Mo-<br />
bilität sehr schwierig gestaltet, musste die Anzahl der Kontaktversuche entsprechend erhöht<br />
56<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20<br />
Kontaktversuche<br />
Bildungsträger<br />
Handwerk<br />
KMU
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
werden. So waren bei der Befragung der aktuellen Abgeordneten erst nach 17 Versuchen<br />
80 Prozent der Interviews geführt und nach 27 Versuchen 90 Prozent der Interviews (vgl.<br />
Abbildung 24). Hier zeigt sich deutlich, dass eine wesentlich größere Anzahl von Kontaktver-<br />
suchen nötig und sinnvoll war, um die schwer erreichbaren Personen <strong>für</strong> ein Interview zu ge-<br />
winnen.<br />
Wesentlich einfacher gestalteten sich die Terminabsprache und das Zustandekommen eines<br />
Interviews bei den ehemaligen Abgeordneten, die zumeist über mehr Zeit verfügen und gern<br />
von ihren Erfahrungen während der Tätigkeit als Abgeordneter berichten. So konnten nach<br />
maximal vier Kontaktversuchen bereits 80 Prozent der Interviews geführt werden und nach<br />
fünf bis sechs Kontaktversuchen 90 Prozent der Telefoninterviews (vgl. Abbildung 24). Die<br />
politischen und administrativen Amtsinhaber der lokalen Politik liegen im Rahmen dieser<br />
Auswertung zwischen den beiden eben genannten Elitebefragungen. Nach maximal 6<br />
Kontaktierungen waren 80 Prozent der Interviews zustande gekommen und nach insgesamt<br />
10 Versuchen 90 Prozent (vgl. Abbildung 24).<br />
Abbildung 24: Interviews nach Kontaktversuchen bei Elitenbefragungen<br />
Prozent (kumuliert)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass je nach Zielgruppe und Schwierigkeitsgrad<br />
der Erreichbarkeit entschieden werden muss, wie viele Kontaktversuche erwünscht und zu-<br />
gelassen sind – im Hinblick auf die Effizienz der Ausschöpfung und natürlich auch <strong>aus</strong> öko-<br />
nomischen Gründen.<br />
0<br />
1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29<br />
Kontaktversuche<br />
Ehemalige Abgeordnete<br />
Aktuelle Abgeordnete<br />
Lokalpolitiker<br />
3.3 Einschätzungen zum Interview – Warum nimmt man an einer Telefonbefragung<br />
teil?<br />
Immer wieder stellt sich die Frage, warum Personen zur Teilnahme an einer Befragung<br />
motiviert sind. Eine einheitliche Theorie des Interviews gibt es auch nach jahrelanger<br />
Methodenforschung noch nicht. Zur Erklärung des Teilnahmeverhaltens an Befragungen<br />
werden zunehmend Rational-Choice-Theorien herangezogen (vgl. u. a. Schnell/Hill/Esser<br />
57
Christina Buchwald<br />
1995, S. 328-332) 42 . Demnach wird das Verhalten des Befragten im Interview als Ergebnis<br />
einer nach Kosten-Nutzen-Erwägungen erfolgten Entscheidung zwischen Handlungs-<br />
alternativen beschrieben (vgl. z. B. Dillmann 1978, S. 12-16). „Personen wählen die ihnen<br />
vorstellbare Handlungsalternative, die am ehesten angesichts der vorfindbaren<br />
Situationsumstände bestimmte Ziele zu realisieren verspricht“ (Esser 1986, S. 321). Es<br />
handelt sich dabei immer um subjektiv vorstellbare Handlungsalternativen, um subjektiv<br />
jeweils definierte Handlungssituationen und Handlungsziele. Diese handlungstheoretische<br />
Erklärung basiert auf der Annahme, dass Personen in jeder Situation so reagieren, wie es<br />
ihnen am besten geeignet erscheint und die Situation wählen, die ihnen die stärkste<br />
Bedürfnisbefriedigung bringt (vgl. Schnell 1997). Die Entscheidung über die Teilnahme an<br />
einer Befragung kann als rationale Handlungswahl interpretiert werden. Die<br />
Teilnahmebereitschaft ist – neben personalen Eigenschaften – abhängig von der Einschät-<br />
zung der Wichtigkeit und der Höhe des persönlichen Nutzens <strong>für</strong> die befragte Person, z. B.<br />
die Aussicht auf Verbesserung einer Situation, die den Befragten betrifft (vgl. Kaase 1999,<br />
S. 38).<br />
Jede Befragung als Prozess der Aufnahme von Antworten auf gestellte Fragen stellt eine<br />
soziale Situation dar. Diese soziale Situation erhält – besonders bei Telefonumfragen – ihre<br />
Struktur über eine verbale Kommunikation. „Telefonieren bedeutet nicht alleine das sachge-<br />
mäße Bedienen einer technischen Apparatur, sondern auch und vor allem soziale Interak-<br />
tion, die bestimmten normativen Regeln unterliegt und auch selbst neue Kommunikations-<br />
normen produziert. Demzufolge ist das Telefoninterview nicht alleine unter technischen<br />
Aspekten zu betrachten, sondern als Teil eines kommunikations-normativen Systems, das<br />
<strong>dem</strong> Gespräch am Telefon allgemein zugrunde liegt, es beeinflusst und selbst wiederum von<br />
ihm beeinflusst wird.“ (Kreiselmaier/Porst 1989, S. 4)<br />
Die Situation bei einer Telefonbefragung ist somit ein mikrosoziales Interaktionssystem, im<br />
Rahmen dessen die Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Antworten von bestimmten Effekten<br />
abhängig sind. Diese Effekte können durch die Fragen selbst erzeugt werden, sind des<br />
Weiteren abhängig vom Einfluss des Interviewers und von den Merkmalen der Befragten<br />
(vgl. dazu Schnell/Hill/Esser 1995, S. 299-303 sowie Schnell 1997).<br />
In den folgenden Abschnitten werden diesbezüglich Auswertungen von Einschätzungen zum<br />
Interview im Rahmen der bereits oben angeführten Bevölkerungsbefragungen des <strong>zsh</strong> vor-<br />
genommen. Im Anschluss an die jeweilige Befragung wurden einige Fragen zum Interview<br />
selbst an den Befragten und auch an den Interviewer gerichtet. Dabei spielt die Frage nach<br />
der Belastung des Befragten (d. h. die Kosten im Sinne der Rational-Choice-Theorie) durch<br />
das Interview eine besondere Rolle. Schnell (1997, S. 166) beschreibt drei wesentliche Ur-<br />
sachen <strong>für</strong> Belastungen:<br />
58<br />
• die mögliche Verletzung der Privatsphäre,<br />
• Be<strong>für</strong>chtungen über die Verwendung des Datenmaterials sowie<br />
• Belastungen durch den Befragungsvorgang selbst.<br />
42 Eine andere Theorie des Interviews zur Erklärung des Teilnahmeverhaltens beispielsweise basiert auf<br />
sozialpsychologischen Ansätzen.
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Zur Messung der Belastung wurden an den Interviewten Fragen gestellt, z. B. zur geschätz-<br />
ten Dauer der Befragung, zur empfundenen Anstrengung während des Interviews, zur Ver-<br />
ständlichkeit der Fragen und zu Erinnerungsschwierigkeiten, beispielsweise vergangene<br />
Lebensabschnitte betreffend.<br />
Der Interviewer hatte im Anschluss an das Gespräch ebenfalls Fragen zur geschätzten<br />
Länge des Interviews, zu Schwierigkeiten des Befragten bei der Beantwortung und zu Erin-<br />
nerungsschwierigkeiten zu beantworten. Außer<strong>dem</strong> sollte der Interviewer angeben, wie<br />
anstrengend das Interview <strong>für</strong> ihn war und hatte die Möglichkeit, offene Kommentare zu<br />
geben.<br />
Um den Nutzen der Befragung zu messen, wurden den Personen im Anschluss an das In-<br />
terview Fragen zur Einschätzung der Wichtigkeit der Befragung, zur Interessantheit der Fra-<br />
gen und des Themas gestellt und die Möglichkeit offeriert, offene Kommentare zum Interview<br />
zu geben. 43<br />
3.3.1 Geschätzte Interviewdauer<br />
Über die optimale und maximale Länge telefonischer Interviews gehen die Meinungen sehr<br />
weit <strong>aus</strong>einander. In der Literatur finden sich Angaben von 20 bis 30 Minuten, aber auch bis<br />
zu 60 Minuten und mehr (vgl. Fuchs 1994, S. 56). Nach den Erfahrungen fast aller im <strong>zsh</strong><br />
durchgeführten Studien hat die Dauer eines Interviews keinen direkten Einfluss auf das Teil-<br />
nahmeverhalten. Die Interviewdauer wird nach <strong>dem</strong> Telefongespräch sowohl von den Be-<br />
fragten als auch von den Interviewern in fast allen Studien, die im CATI-Labor des <strong>zsh</strong><br />
durchgeführt wurden, unterschätzt.<br />
Werden die Mittelwerte der Dauer der Befragungen differenziert nach Kohorten betrachtet,<br />
so ergibt sich folgendes Bild: In der Jugend-Maßnahme-Befragung 1 wurde die Dauer des<br />
Gesprächs durch die Befragten unterschätzt und bei der Jugend-Maßnahme-Befragung 2<br />
überschätzt. Ein möglicher Grund könnte darin gesehen werden, dass die befragten Jugend-<br />
lichen der Maßnahme 2 nicht so viel interessante Inhalte zu berichten hatten und deshalb die<br />
Fragen der Interviewer bzw. das Gespräch als langwieriger empfanden.<br />
Die Interviewer haben bei beiden Befragungen die Gesprächsdauer kürzer eingeschätzt als<br />
sie tatsächlich war (vgl. Abbildung 25). Bei der Jugend-Panel-Befragung im Jahr 2003 unter-<br />
schätzten die befragten Jugendlichen die Interviewdauer um etwa ein Drittel, bei den Inter-<br />
viewern war der Wert zwar geringer, jedoch wurde die Dauer auch kürzer, als es tatsächlich<br />
der Fall war, eingeschätzt. Gründe da<strong>für</strong> sind z. B. in der Interessantheit und Wichtigkeit des<br />
Befragungsthemas, in der angenehmen Interviewsituation und in der Beliebtheit des Telefo-<br />
nierens bei Jugendlichen zu sehen.<br />
43 Von den bereits oben aufgeführten Studien, die im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden, konnten bei<br />
folgenden Bevölkerungsbefragungen keine Fragen an den Befragten zum Interview angeschlossen werden:<br />
Bei der Befragung von Flutbetroffenen erschien es aufgrund der emotionalen Betroffenheit nicht möglich, Fragen<br />
zum Interview zu stellen. Bei der Befragung der Existenzgründer wurde wegen der Kürze des Interviews<br />
insgesamt darauf verzichtet, Fragen hinten anzustellen und bei der Bevölkerungsbefragung zur Politikwahrnehmung<br />
wurden <strong>aus</strong> projektinternen Gründen keine Fragen zum Interview gestellt. In der Jugend-Panel-Befragung<br />
im Jahr 2004 wurde nur den Interviewern die Möglichkeit gegeben, offene Kommentare einzutragen.<br />
Die in den Jahren 2002 und 2003 gestellten Fragen zum Interview wurden bereits an anderer Stelle gesondert<br />
<strong>aus</strong>gewertet. Insgesamt kann jedoch auch im Rahmen dieser Studie festgehalten werden, dass die Jugendlichen<br />
die Befragung und das Thema als wichtig erachteten und begrüßten.<br />
59
Christina Buchwald<br />
Abbildung 25: Tatsächliche und geschätzte Interviewdauer bei den Jugend-Maßnahme-<br />
Befragungen<br />
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch <strong>für</strong> die Untersuchungen der erwachsenen Bevölkerung.<br />
Die befragten Migranten haben die Interviewlänge ein wenig überschätzt. Jedoch war die<br />
Tendenz bezüglich der Bereitschaft, Fragen zu beantworten, sehr hoch und die Befragten<br />
gaben häufig über die gestellten Fragen hin<strong>aus</strong> Informationen zu der erfragten Situation.<br />
Möglicherweise ließ dieser Sachverhalt die geschätzte Interviewdauer bei den Teilnehmern<br />
etwas höher erscheinen. Die Befragten der H<strong>aus</strong>halte der ländlichen Regionen haben die In-<br />
terviewdauer wesentlich unterschätzt. 44 Die Interviewer gaben durchweg <strong>für</strong> alle Studien we-<br />
niger Zeit <strong>für</strong> ein geführtes Interview an, als real zu verzeichnen war (vgl. Abbildung 26).<br />
Abbildung 26: Tatsächliche und geschätzte Interviewdauer bei Bevölkerungsbefragungen<br />
44 Wie bereits erwähnt, wurden den Personen bei der Flutbefragung und der Befragung zur Existenzgründung<br />
60<br />
Minuten<br />
Minuten<br />
20<br />
18<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
keine Fragen zum Interview gestellt.<br />
Jugend-Maßnahme 1 Jugend-Maßnahme 2<br />
Tatsächliche Interviewdauer Durch Befragte geschätzte Interviewdauer<br />
Durch Interviewer geschätzte Interviewdauer<br />
Flutbefragung Existenzgründerbefragung Migrantenbefragung H<strong>aus</strong>haltsbefragung<br />
Tatsächliche Interviewdauer Durch Befragte geschätzte Interviewdauer<br />
Durch Interviewer geschätzte Interviewdauer
3.3.2 Einschätzungen der Befragten zum Interview<br />
3.3.2.1 Wichtigkeit der Befragung<br />
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Sind die Gesprächspartner zu einem Interview bereit, so kann auch davon <strong>aus</strong>gegangen<br />
werden, dass die Studie als wichtig eingeschätzt wird.<br />
Auf die Frage „Für wie wichtig erachten Sie es, dass solche Befragungen zu diesem Thema<br />
durchgeführt werden?“ antwortete etwa ein Drittel der Befragten der einzelnen im <strong>zsh</strong> durch-<br />
geführten Bevölkerungsbefragungen, dass sie es <strong>für</strong> sehr wichtig erachten, Umfragen zu<br />
<strong>dem</strong> jeweiligen Thema durchzuführen. Und weiterhin knapp die Hälfte der Befragten befand<br />
die Durchführung von Befragungen eher wichtig. Insgesamt beurteilten somit über 80 Pro-<br />
zent der befragten Personen auf einer Skala von 1 bis 5 die Erhebung als sehr und eher<br />
wichtig. Lediglich zwischen 1 und 3 Prozent der Interviewten gaben an, dass derartige Befra-<br />
gungen äußerst unwichtig sind.<br />
Ein Unterschied zwischen jugendlichen Teilnehmern und Erwachsenen lässt sich bei dieser<br />
Fragestellung nicht feststellen, so dass davon <strong>aus</strong>gegangen werden kann, dass ein Großteil<br />
derjenigen, die an CATI-Befragungen des <strong>zsh</strong> teilgenommen haben, die Wichtigkeit der<br />
Durchführung von Telefonbefragungen im Rahmen wissenschaftlicher Studien bestätigen.<br />
Die befragten Personen gehen – wird zur Erklärung der Teilnahme an der Befragung die<br />
Rational-Choice-Theorie herangezogen – davon <strong>aus</strong>, dass sie mit ihrer Teilnahme einen<br />
wichtigen Beitrag <strong>für</strong> das Forschungsprojekt leisten und eine Veränderung in eine positive<br />
Richtung beeinflussen können.<br />
Abbildung 27 zeigt beispielhaft die Einschätzung der Wichtigkeit der Befragung der beiden<br />
Studien bezüglich der Maßnahmen <strong>für</strong> Jugendliche und der Befragung von Migranten.<br />
Abbildung 27: Wichtigkeit der Befragung<br />
Prozent<br />
55<br />
50<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
sehr wichtig eher wichtig eher unwichtig äußerst<br />
unwichtig<br />
Jugend-Maßnahme 1<br />
Jugend-Maßnahme 2<br />
Migranten-Befragung<br />
weiß nicht keine Angabe<br />
61
Christina Buchwald<br />
3.3.2.2 Empfundene Belastung des Interviews<br />
Mit der Frage „Wie anstrengend war das Interview?“ sollten die befragten Personen auf einer<br />
Skala von 1 bis 5 45 einschätzen, wie anstrengend das Interview <strong>für</strong> sie war. Bei den Jugend-<br />
befragungen zu Maßnahmen beurteilten jeweils knapp zwei Drittel, dass das Interview über-<br />
haupt nicht anstrengend war und ein weiteres Viertel jeweils kaum bzw. wenig anstrengend.<br />
Die Prozentzahl der befragten Jugendlichen, die das Interview äußerst anstrengend empfan-<br />
den, lag bei beiden Erhebungen unter einem Prozent. Bei der Befragung der Migranten wa-<br />
ren es sogar knapp drei Viertel, die das Interview überhaupt nicht anstrengend fanden und<br />
etwa weitere 20 Prozent beurteilten es als kaum bzw. wenig anstrengend. Dass die prozen-<br />
tuale Einschätzung eines überhaupt nicht anstrengenden Interviews bei den Jugendbefra-<br />
gungen leicht unter den Zahlen der Befragung von Migranten liegt, hängt damit zusammen,<br />
dass die Jugendlichen ihre Erwerbsepisoden nacheinander zeitgemäß angeben sollten. Da-<br />
bei wurde von den Jugendlichen eine relativ große Erinnerungsleistung abverlangt, was die<br />
Anstrengung erhöhte.<br />
Etwas anders gestaltete sich der Grad der Anstrengung bei der H<strong>aus</strong>haltsbefragung in den<br />
drei ländlichen Regionen. Bei dieser Befragung sollten die Personen auf einer Skala von 0<br />
bis 10 einschätzen, wie anstrengend das Interview war, wobei 0 „überhaupt nicht anstren-<br />
gend“ und 10 „äußerst anstrengend“ bedeutete. In diesem Fall bewerteten 56 Prozent der<br />
Befragten den Grad der Anstrengung mit 0 (= überhaupt nicht anstrengend) und weitere 13<br />
Prozent mit 1. Der höchste angegebene Wert auf der Skala von 0 bis 10 war der Wert 5. Die<br />
Erklärung, dass im Vergleich zu den eben angeführten Studien weniger Befragte das Inter-<br />
view mit „überhaupt nicht anstrengend“ bewerteten ist auch in der inhaltlichen Gestaltung der<br />
Erhebung zu sehen. Die im jeweiligen H<strong>aus</strong>halt befragte Person sollte im Rahmen dieser<br />
Studie Auskunft über alle weiteren H<strong>aus</strong>haltsmitglieder und deren soziale Lage geben.<br />
3.3.2.3 Verständlichkeit der Fragen<br />
Die große Mehrheit der Befragten antwortete auf die Frage „Empfanden Sie es als einfach<br />
oder als schwierig, die Fragen zu verstehen?“ mit „einfach“ und „eher einfach“ 46 . Bei den<br />
Jugendbefragungen zu Maßnahmen waren es zwei Drittel der Befragten, welche die Fragen<br />
einfach verstanden haben und etwa ein weiteres Viertel gab an, dass die Fragen „eher ein-<br />
fach“ zu verstehen waren. Bei der Befragung der Migranten und der H<strong>aus</strong>haltsbefragung in<br />
ländlichen Regionen waren es sogar jeweils etwa 80 Prozent der Befragten, die die Ver-<br />
ständlichkeit der Fragen in die Kategorie „einfach“ einordneten. Im Rahmen dieser beiden<br />
Befragungen sind es immerhin fast 100 Prozent der Personen, welche die Verständlichkeit<br />
der Fragen „einfach“ oder „eher einfach“ beurteilten. Von den vier zur Auswahl stehenden<br />
Antworten bei dieser Fragestellung gab es in keiner Befragung eine einzige Person, die mit<br />
„sehr schwierig“ antwortete und ganz wenige Befragte, die „schwierig“ angaben.<br />
45 Auf der Skala von 1 bis 5 bedeutete 1 = überhaupt nicht anstrengend, 2 = kaum bzw. wenig anstrengend, 3 =<br />
teilweise anstrengend, 4 = überwiegend anstrengend und 5 = äußerst anstrengend.<br />
46 Zur Auswahl wurde eine Skala mit folgenden Kategorien angeboten: „einfach“, „eher einfach“, „eher schwie-<br />
62<br />
rig“, „sehr schwierig“.
3.3.2.4 Erinnerungsschwierigkeiten<br />
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Bei den Jugendbefragungen zu Maßnahmen und bei der Befragung von Migranten wurden<br />
die Teilnehmer nach bestimmten Begebenheiten <strong>aus</strong> ihrem bisherigen Leben befragt. Auf die<br />
Frage „Hatten Sie Schwierigkeiten, sich an einzelne Episoden bzw. an einzelne Details zu<br />
erinnern?“ gab es <strong>für</strong> die Interviewteilnehmer folgende Antwortoptionen: „hatte (überhaupt)<br />
keine Schwierigkeiten“, „hatte manchmal Schwierigkeiten“ und „hatte häufig Schwierig-<br />
keiten“.<br />
Die Befragten der beiden Jugendstudien und die der Erhebung zur Migration gaben mit je-<br />
weils über 95 Prozent an, überhaupt keine oder nur manchmal Erinnerungsschwierigkeiten<br />
zu haben. Wenn auch die Anstrengung – wie bereits aufgezeigt – differenziert nach den Stu-<br />
dien unterschiedlich <strong>aus</strong>fällt, so gaben doch die meisten Personen, die im Rahmen dieser<br />
drei Studien befragt wurden, keine Erinnerungsschwierigkeiten an.<br />
3.3.2.5 Teilnahme an Befragungen zu einem früheren Zeitpunkt<br />
Als Belastung – und somit im Sinne der Rational-Choice-Theorie den Kosten zuzurechnen –<br />
wird von Personen die häufige Aufforderung zur Teilnahme an einer Befragung, besonders<br />
auch am Telefon, erlebt. Aus diesem Grund wurden die Interviewten der Studien des <strong>zsh</strong><br />
gefragt, ob sie bereits früher einmal an telefonischen, schriftlichen oder mündlichen Befra-<br />
gungen teilgenommen haben. Etwa die Hälfte der Interviewten, sowohl der Jugendbefragun-<br />
gen zu Maßnahmen als auch der Befragungen der erwachsenen Bevölkerung gab an, noch<br />
nie an Befragungen teilgenommen zu haben und lediglich bis zu jeweils 2 Prozent konnten<br />
sich nicht mehr erinnern oder wussten es nicht mehr genau. Von den 50 Prozent der Perso-<br />
nen, die bereits an Umfragen teilgenommen haben, gab der Großteil der Jugendlichen an, im<br />
Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen mitgewirkt zu haben, während der größere Teil<br />
der erwachsenen Bevölkerung eher <strong>für</strong> die Marktforschung an Umfragen teilnahm. Dieses<br />
Ergebnis könnte zu der Annahme führen, dass die Zielpersonen wissenschaftlicher Unter-<br />
suchungen besonders häufig Jugendliche bzw. junge Menschen sind, zum Beispiel in Ost-<br />
deutschland im Rahmen von Erhebungen in Bezug auf die erste bzw. zweite Schwelle.<br />
3.3.2.6 Offene Kommentare zum Interview<br />
Zum Ende des Interviews hatten die befragten Personen die Möglichkeit, ganz allgemein<br />
Kommentare oder Anmerkungen zum Interview oder zur Befragung zu geben. Im Rahmen<br />
der beiden Jugendbefragungen zu Maßnahmen haben 12 bzw. knapp 17 Prozent der Ju-<br />
gendlichen die Möglichkeit genutzt, eine oder mehrere Bemerkungen abzugeben. Dabei<br />
handelte es sich bei über drei Viertel der Kommentare um Aussagen zum Thema der Befra-<br />
gung bzw. zur Befragung an sich. Knapp 10 Prozent der Angaben enthielten Aussagen über<br />
die Interviewsituation und die restlichen Aussagen bezogen sich auf den Fragebogen bzw.<br />
auf sonstige Gegebenheiten. Bei den Jugendbefragungen begrüßten 35 bzw. 16 Prozent der<br />
Interviewten nochmals die Befragung. Einige Jugendliche nutzten an dieser Stelle die Gele-<br />
genheit, um die Maßnahme selbst zu beurteilen.<br />
Des Weiteren wurden allgemeine Erfahrungen der Teilnehmer während der Maßnahme<br />
weitergegeben und in einigen wenigen Anmerkungen Verbesserungsvorschläge <strong>für</strong> den<br />
63
Christina Buchwald<br />
Fragebogen. 14 bzw. 6 Prozent der Interviewten verwiesen auf eine angenehme Interview-<br />
situation und auf ein interessantes Gespräch. Auch Sympathiebekundungen <strong>für</strong> den<br />
Interviewer wurden in einigen Fällen als Kommentar hinterlegt.<br />
Bei der Erhebung zur Migration nahmen 17 Prozent der Befragten die Möglichkeit in<br />
Anspruch, einen oder mehrere Kommentare abzugeben. 35 Prozent derjenigen, die eine An-<br />
merkung gaben, begrüßten die Befragung und von nur 0,4 Prozent wurde diese trotz Teil-<br />
nahme abgelehnt. Knapp 30 Prozent hatten einen Nachtrag inhaltlicher Art festzuhalten. Er-<br />
freulich ist auch im Rahmen dieser Studie, dass mehr als 12 Prozent nochmals die angeneh-<br />
me Interviewsituation und das interessante Gespräch bemerkten. Auch Kritik und Anregun-<br />
gen bezüglich des Fragebogens wurden geäußert (6,5 Prozent).<br />
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der H<strong>aus</strong>haltsbefragung in den drei ländlichen Regionen. 19<br />
Prozent der Befragten gaben einen oder mehrere Kommentare zum Interview ab. Jeweils ein<br />
Viertel derer hatten einen Nachtrag inhaltlicher Art bzw. einen Kommentar zum Fragebogen.<br />
Wenn 16 Prozent der Teilnehmer, die einen offenen Kommentar abgaben, die Befragung be-<br />
grüßen und als sinnvoll ansehen, ist <strong>dem</strong>gegenüber die Anzahl von etwas über 2 Prozent,<br />
welche die Befragung ablehnen und als sinnlos einstufen, als gering einzuschätzen. Immer-<br />
hin 11 Prozent sind der Ansicht, dass die Befragung am Status quo nichts ändern wird, was<br />
den Pessimismus der Personen dieser Regionen und die zum Befragungszeitpunkt schlech-<br />
te Aussicht auf Verbesserung, z. B. in Bezug auf Arbeitsplätze, zum Ausdruck bringt.<br />
3.3.3 Einschätzungen des Interviews von Seiten der Interviewer<br />
3.3.3.1 Wie interessant war das Interview <strong>für</strong> den Interviewer?<br />
Über alle betrachteten Studien hinweg kann festgehalten werden, dass die Interviewer die<br />
Telefongespräche zu mehr als drei Viertel sehr und eher interessant 47 bewerten. Im Rahmen<br />
der Befragung zur Existenzgründung und zur Migration schätzten mehr als die Hälfte der<br />
Interviewer die Befragung mit „sehr interessant“ und etwa weitere 40 Prozent mit „eher in-<br />
teressant“ ein, so dass in diesen beiden Befragungen ein Wert von über 90 Prozent <strong>für</strong> beide<br />
Kategorien zu verzeichnen ist. Dieser Wert ist auch <strong>für</strong> die Befragung von Flutopfern zutref-<br />
fend, wobei etwas über 40 Prozent mit „sehr interessant“ bewerteten und knapp die Hälfte<br />
mit eher interessant. Bei den beiden Jugendbefragungen zu Maßnahmen und bei der H<strong>aus</strong>-<br />
haltsbefragung empfanden etwa 80 Prozent der Interviewer die Gespräche als sehr bzw.<br />
eher interessant.<br />
Lediglich bei der Flutopferbefragung wurden die Interviewer gebeten, die Wichtigkeit der<br />
Befragung auf einer Skala von 1 bis 4 einzuschätzen. 71 Prozent der Interviewer befanden<br />
die Befragung <strong>für</strong> sehr wichtig und 29 Prozent <strong>für</strong> eher wichtig. Zu den beiden entgegenge-<br />
setzten Kategorien gab es überhaupt keine Nennungen.<br />
47 Bei adäquaten Fragestellungen <strong>für</strong> Befragte und Interviewer gelten auch die gleichen Skaleneinteilungen.<br />
64
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
3.3.3.2 Hatte der Befragte Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Fragen?<br />
Bei den Bevölkerungsbefragungen der jugendlichen und erwachsenen Personen, die im<br />
CATI-Labor des <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden, gab es laut Einschätzung der Interviewer bei min-<br />
destens drei Viertel der Befragten überhaupt keine Schwierigkeiten bei der Beantwortung der<br />
Fragen. Rechnet man dazu noch die Nennung „gelegentlich Schwierigkeiten“, so sind es in<br />
jeder Studie mindestens 94 Prozent, die keine oder nur gelegentlich Probleme bei der<br />
Beantwortung der Fragen hatten. Diese Angaben decken sich etwa mit den Selbstein-<br />
schätzungen der Befragten diesbezüglich.<br />
Nur ein geringer Prozentsatz (6 Prozent und weniger) der Interviewer gab an, dass Probleme<br />
auftraten. In diesem Fall wurden die Interviewer aufgefordert, in einer offenen Frage (im<br />
Rahmen der an die Interviewer im Anschluss an das Interview gestellten Fragen) an-<br />
zugeben, welcher Art die Schwierigkeiten waren. In fast allen Fällen handelte es sich dabei<br />
um Verständnis- und Verständigungsprobleme sowie Sprachprobleme. Einige der befragten<br />
Personen beispielsweise waren Ausländer und häufig der deutschen Sprache nicht in <strong>aus</strong>-<br />
reichen<strong>dem</strong> Maß mächtig bzw. die Interviewer konnten mit ihren Fremdsprachenkenntnissen<br />
nicht in je<strong>dem</strong> Fall ein Interview führen.<br />
3.3.3.3 Erinnerungsschwierigkeiten des Befragten <strong>aus</strong> Sicht des Interviewers<br />
Im Rahmen der beiden Jugendbefragungen zu Maßnahmen und bei der Befragung von<br />
Migranten wurden die Teilnehmer nach bestimmten Episoden oder Details <strong>aus</strong> ihrem bishe-<br />
rigen Leben befragt. Deshalb lautete eine Frage an die Interviewer: „Hatte der/die Befragte<br />
Schwierigkeiten, sich an einzelne Episoden oder Details zu erinnern?“. Die Interviewer soll-<br />
ten einschätzen, ob die Teilnehmer keine, gelegentlich oder häufig Erinnerungsschwierig-<br />
keiten hatten. Dabei wurden nach Einschätzung der Interviewer bei etwa jeweils drei Viertel<br />
der Befragten keine Erinnerungsschwierigkeiten verzeichnet. Nimmt man dazu noch die Ein-<br />
schätzung „gelegentlich Schwierigkeiten“ so waren es in allen drei genannten Studien knapp<br />
100 Prozent. D. h. der Prozentsatz derer, die häufiger Erinnerungsschwierigkeiten aufwie-<br />
sen, lag in je<strong>dem</strong> Fall unter 3 Prozent. Diese Einschätzungen der Interviewer decken sich<br />
auch bei dieser Frage mit den Selbsteinschätzungen der Befragten.<br />
3.3.3.4 Wie anstrengend war das Interview <strong>für</strong> den Interviewer?<br />
Am wenigsten anstrengend empfanden die Interviewer diejenigen Befragungen, die von den<br />
meisten auch als interessante Interviews beurteilt wurden. Bei der Existenzgründerbefragung<br />
und der Befragung von Migranten gaben jeweils etwa drei Viertel an, dass das Interview<br />
überhaupt nicht anstrengend war und weitere knapp 20 Prozent fanden es wenig oder kaum<br />
anstrengend. Werden diese beiden Kategorien zusammengefasst, so waren bei den Jugend-<br />
befragungen bzw. bei der Flutopferbefragung jeweils mindestens 80 Prozent der Meinung,<br />
das Interview war überhaupt nicht oder nur wenig anstrengend. Gründe <strong>für</strong> diese sehr positi-<br />
ven Einschätzungen sind in der langjährigen Erfahrung der meisten Interviewer des Intervie-<br />
werstammes des <strong>zsh</strong> zu suchen, in der Interessantheit des Themas, in der Einfachheit der<br />
Handhabung des computergestützten Fragebogens und in der Auskunftsbereitschaft der be-<br />
fragten Personen. Die Einschätzungen der Interviewer zur Anstrengung im Interview<br />
65
Christina Buchwald<br />
stimmen auch hier wieder fast überein mit den Angaben der befragten Personen zu dieser<br />
Fragestellung.<br />
Eine gesonderte Auswertung zu dieser Frage an die Interviewer ist bei der H<strong>aus</strong>haltsbefra-<br />
gung in ländlichen Regionen notwendig, da auch hier wieder – wie schon bei der Frage an<br />
die Teilnehmer – eine Skala von 0 bis 10 zur Einschätzung verwendet wurde. Etwas mehr<br />
als die Hälfte der Interviewer bewerteten die Anstrengung mit 0 und weitere knapp 10 Pro-<br />
zent mit 1. Dieses adäquate Ergebnis zu der gleichen Frage, die den Befragten gestellt<br />
wurde und die somit etwas höhere Einschätzung einer größeren Anstrengung ist – wie be-<br />
reits oben erwähnt – in der Thematik der Studie zu suchen.<br />
3.3.3.5 Offene Kommentare der Interviewer zum Interview<br />
Zwischen 15 und 25 Prozent der Interviewer machten an dieser Stelle von der Möglichkeit<br />
Gebrauch, offene Kommentare zum Schluss abzugeben. In den meisten Fällen handelt es<br />
sich dabei um einen inhaltlichen Nachtrag zum Interview, in einigen wenigen Fällen um einen<br />
technischen Nachtrag. Des Weiteren wurden Aussagen über Probleme anderer Art, die nicht<br />
in der <strong>für</strong> Schwierigkeiten vorgesehenen offenen Frage (siehe 3.3.3) erfasst wurden, fest-<br />
gehalten. In einigen wenigen Fällen wurden Kommentare zur (meistens sehr angenehmen)<br />
Gesprächssituation und zu <strong>dem</strong> Wunsch der Befragten, Ergebnisse zu erhalten, aufgenom-<br />
men.<br />
In allen Studien wurde die Mehrzahl der Interviews (60 bis 80 Prozent) von weiblichen Stu-<br />
denten des Interviewerstammes des <strong>zsh</strong> geführt. Dies ist natürlich <strong>dem</strong> Umstand geschuldet,<br />
dass mehr weibliche als männliche Interviewer im CATI-Labor tätig sind.<br />
3.4 Fazit und Ausblick<br />
Seit <strong>dem</strong> Beginn von Telefonumfragen war zu beobachten, dass CATI-Erhebungen immer<br />
mehr zugenommen haben und in der Forschung diskutiert werden. (vgl. Frey/Kunz/Lüschen<br />
1990, S. 198 f.).<br />
Im Rahmen der Methodenforschung existieren zum Thema „Telefon-Interview“ immer noch<br />
sehr divergierende empirische Ergebnisse. Mit <strong>dem</strong> Beitrag wurden folgende Themen an-<br />
hand von CATI-Befragungen, die am <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden, untersucht:<br />
66<br />
• Wie beeinflusst die Art der Stichprobenziehung und eine Vorgabe <strong>für</strong> das Erzielen bestimmter<br />
Fallzahlen die Ausschöpfungsquote?<br />
• Wie wirkt sich das Versenden eines Anschreibens auf die Response bzw. Nonresponse<br />
<strong>aus</strong>?<br />
• Wie lang sollte ein Telefoninterview im optimalen Fall oder maximal sein?<br />
• Welche Unterschiede gibt es zwischen CATI-Befragungen von Jugendlichen im Vergleich<br />
zur erwachsenen Bevölkerung?<br />
• Wie viele Kontaktversuche sollten unternommen werden, bevor der Fall abgelegt<br />
wird?<br />
• Wie wirken sich die Eigenschaften des Interviewers auf das Verhalten des Befragten<br />
<strong>aus</strong>?<br />
• Wie schätzen die Befragten und die Interviewer die Befragung ein?
Telefoninterview ist nicht gleich Telefoninterview<br />
Die Ausschöpfungsquote gilt als ein wichtiger Qualitätsmaßstab <strong>für</strong> Umfragen. Allerdings<br />
müssen die Ausschöpfungsquoten von CATI-Erhebungen sehr differenziert betrachtet wer-<br />
den, da sie immer vom Kontext der jeweiligen Studie und den Vorgaben im Rahmen des<br />
Projektes abhängig sind. So konnten bei CATI-Befragungen im <strong>zsh</strong> zum großen Teil gute<br />
Ausschöpfungsquoten erreicht werden. Jedoch hätte die Ausschöpfungsquote in einigen<br />
Studien noch gesteigert werden können, wenn nicht durch das Erreichen der angestrebten<br />
Fallzahl die Befragung beendet werden musste. Im Hinblick auf die Effizienz der Ausschöp-<br />
fung lässt sich konstatieren, dass je nach Zielperson und Schwierigkeitsgrad der Erreichbar-<br />
keit entschieden werden muss, wie viele Kontaktversuche maximal erwünscht und zugelas-<br />
sen sind, bis ein Interview stattfindet. Im Rahmen von Bevölkerungsbefragungen sind durch-<br />
schnittlich weniger Anwählversuche da<strong>für</strong> notwendig als bei Unternehmensbefragungen. Die<br />
schwierige Erreichbarkeit der Zielpersonen in Unternehmen oder im Rahmen von<br />
Elitenbefragungen bedingt eine höhere Anzahl von Kontaktversuchen bis zur Durchführung<br />
eines Interviews.<br />
Weiterreichende Informationen über die Nonresponse bzw. die Verweigerer wurden in die-<br />
sem Rahmen nicht behandelt. Interessant wäre an dieser Stelle, warum Kontaktpersonen<br />
sich nicht an Befragungen beteiligen und welchen Einfluss die Interviewer in diesem Zu-<br />
sammenhang <strong>aus</strong>üben. Die Forschung hat noch viele offene Fragen zu beantworten, um<br />
<strong>dem</strong> CATI-Instrument die Zukunftsrichtung zu weisen!<br />
Anhand der Ergebnisse zu den Einschätzungen der befragten Personen zum Interview bei<br />
Erhebungen, die im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> durchgeführt wurden, lässt sich ein fast durchweg<br />
positives Bild aufzeigen. Der überwiegende Teil der Befragten befindet die Forschungspro-<br />
jekte <strong>für</strong> wichtig. Schwierigkeiten beim Verstehen der Fragen und beim Antworten sind nur<br />
sehr wenig zu verzeichnen. Durch die Möglichkeit, offen Kommentare zum Interview oder zur<br />
Studie zu geben, können die Befragten Informationen <strong>für</strong> die Projektmitarbeiter anmerken,<br />
die sonst verloren gehen würden. Die Angaben der Befragten zum Interview stimmen weit-<br />
gehend überein mit den Einschätzungen und <strong>dem</strong> positiven Echo der Interviewer.<br />
Die Interviewer bewerten die Telefongespräche zum größten Teil als interessant. Die<br />
Anstrengung während der Befragung wird von Seiten der Interviewer als relativ gering einge-<br />
schätzt, da langjährige Erfahrungen der meisten Interviewer ein professionelles Arbeiten<br />
aufweisen. Auch wird von vielen Interviewern die Möglichkeit genutzt, in einer offenen Frage<br />
Kommentare zum Interview abzugeben, um Informationen weiterzuleiten, die außerhalb des<br />
standardisierten Interviews wichtig sein könnten.<br />
Die Forschungen zur Interviewsituation und den Effekten beim Telefoninterview sollen auch<br />
im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> weiter verfolgt werden. So wurden bisher noch keine Auswirkungen<br />
der äußerlichen Merkmale des Interviewers (Geschlecht, Alter, Ethnizität, Erfahrungen und<br />
Dauer der Beschäftigung der Interviewer) und der nichtsichtbaren Merkmale (Beginn des<br />
Telefongesprächs, d. h. Kontaktaufnahme, Gesprächsführung) bezüglich des Interviews <strong>aus</strong>-<br />
gewertet. Gerade und besonders im Bereich des Telefoninterviews gibt es noch viele offene<br />
Forschungsfelder <strong>für</strong> die Zukunft.<br />
67
Katja Lukanow<br />
Katja Lukanow<br />
4 Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
4.1 Einleitung<br />
Markt-, Meinungs- und <strong>Sozialforschung</strong> ist in unserer Gesellschaft unverzichtbar geworden.<br />
Eine Vielzahl von Entscheidungen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft werden heute durch<br />
Umfragedaten fundiert. In der Vergangenheit setzte man, neben postalischen Befragungen,<br />
vor allem das persönliche Interview, den „Königsweg“ der <strong>Sozialforschung</strong>, ein. Das Tele-<br />
foninterview stellt seit den siebziger Jahren eine neue Erhebungstechnik dar, die zunehmend<br />
öfter eingesetzt wird und zum Teil schon das face-to-face Interview ersetzt hat (Vgl.<br />
Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 7). So werden heute in der Marktforschung überwiegend telefo-<br />
nische Befragungen verwendet. Sie sind relativ kostengünstig, können schnell durchgeführt<br />
werden und erreichen den Befragten ohne größeren Aufwand.<br />
Neben solchen Aspekten sollten alle Erhebungstechniken sicherstellen, dass die Forschung<br />
valide ist. In diesem Zusammenhang ist die Befragungssituation von wesentlicher Bedeu-<br />
tung, die sich jedoch bei der telefonischen Befragung ganz neu gestaltet. Die Befragungssi-<br />
tuation, in welcher der Interviewer eine ganz zentrale Rolle spielt, wirft neue Fragen und<br />
Probleme auf. Der Interviewer wirkt, ob in persönlichen oder telefonischen Befragungen, auf<br />
die Antworten des Befragten ein. Inhalt dieser Arbeit soll es sein, diese Einwirkungen im te-<br />
lefonischen Interview zu erörtern.<br />
Zu Beginn des Beitrags wird das Telefoninterview in seinen Grundzügen dargestellt: seine<br />
Etablierung, die Verbindung des Telefoninterviews mit <strong>dem</strong> Computer sowie die Besonder-<br />
heiten der Kommunikationssituation.<br />
Im nachfolgenden Kapitel steht der Interviewer mit seinen Merkmalen, Eigenschaften und<br />
Verhaltensweisen, die zu Verzerrungen der Antworten des Befragten führen können, im Vor-<br />
dergrund. Da sich die beteiligten Akteure nur über das Telefon verständigen und somit <strong>aus</strong>-<br />
schließlich über die Stimme kommunizieren, werden die Stimmeigenschaften und rheto-<br />
rischen Fähigkeiten im Besonderen untersucht.<br />
Um Interviewereffekte auf ein geringes Maß reduzieren zu können, müssen sich die Inter-<br />
viewer einer Rekrutierung und Schulung unterziehen. Die Forscher und Projektleiter haben<br />
die Aufgabe, geeignete Bewerber her<strong>aus</strong>zufiltern und zu schulen. Wie diese Rekrutierungen<br />
und Schulungen in der Praxis gehandhabt werden und worauf dabei zu achten ist, wird im<br />
letzten Abschnitt erläutert.<br />
4.2 Das computergestützte Telefoninterview<br />
Das Telefoninterview hat sich in den letzten Jahren in der Markt-, Meinungs- und Sozialfor-<br />
schung rapide verbreitet und etabliert. Vor nicht so langer Zeit wurde diese Methode der<br />
Datenerhebung noch als „quick and dirty“ abgewertet. Anlass <strong>für</strong> dieses schlechte Image gab<br />
die Fehlprognose bezüglich des Ausgangs der amerikanischen Präsidentschaftswahl von<br />
68
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
1936, <strong>aus</strong> der Theodor Roosevelt als Gewinner hervorging. Der Fehler lag in der Verzerrung<br />
der Stichprobenrealisierung (vgl. Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 24). Auch der frühe Einsatz<br />
von Telefonbefragungen zu Meinungsumfragen, welche bereits in den 40er Jahren in den<br />
USA stattfanden, förderte diesen schlechten Ruf. Zu dieser Zeit war diese neue<br />
Erhebungsmethode methodisch noch wenig fundiert und kam <strong>für</strong> die „seriöse“ Forschung<br />
nicht in Frage. Ein weiterer wesentlicher Einwand gegen das Einsetzen des Telefoninter-<br />
views zur Datenerhebung, war die Repräsentativität von Stichproben, solange die Telefon-<br />
versorgung in den privaten H<strong>aus</strong>halten als nicht <strong>aus</strong>reichend gelten konnte. In den USA kon-<br />
nte man bereits in den 70er Jahren von einer Vollversorgung der Privath<strong>aus</strong>halte mit Telefo-<br />
nen sprechen. Demzufolge konnte diese Form der Befragung dort schon viel früher einge-<br />
setzt werden. Gegen Ende der 70er Jahre wurden telefonische Befragungen in den USA,<br />
England und der Schweiz als ebenbürtig neben schriftlichen und face-to-face Interviews<br />
anerkannt (vgl. Hormuth/Brückner 1985, S. 527).<br />
In Deutschland erfolgten 1960 die ersten Erfahrungen mit telefonischen Interviews. Zunächst<br />
wurden fast <strong>aus</strong>schließlich Ärzte- und Betriebsbefragungen sowie Trendbeobachtungen in<br />
Vorwahlzeiten am Telefon durchgeführt (vgl. Anders 1990, S. 426). Die dennoch zögerliche<br />
Entwicklung in Deutschland ist, neben <strong>dem</strong> ehemals schlechten Ansehen telefonischer<br />
Umfragen, auch auf die bis in die 80er Jahre hinein mangelnde Vollversorgung der<br />
Privath<strong>aus</strong>halte mit Telefonanschlüssen zurückzuführen. Heute kann man in Ost- wie auch in<br />
Westdeutschland von einer Vollversorgung sprechen, die den Einsatz von Telefonumfragen<br />
als sinnvoll erscheinen lässt (vgl. Statistisches Bundesamt 2005, S. 139).<br />
Die Vollversorgung der privaten H<strong>aus</strong>halte mit Telefonen ist nur ein Grund <strong>für</strong> die Durch-<br />
setzung telefonischer Befragungen. Die steigenden Kosten und die sinkende Ausschöp-<br />
fungsquote bei persönlichen Interviews tragen ebenso einiges dazu bei. Aufgrund der Da-<br />
tenschutzdiskussionen in den letzten Jahren und der zunehmenden Mobilität spezieller<br />
Bevölkerungsgruppen (vor allem junger Menschen), resultieren Probleme bezüglich der Teil-<br />
nehmerquote und Erreichbarkeit dieser Befragungsart (vgl. Hippler/Schwarz 1990, S. 439).<br />
Durch die große Anzahl von Vorteilen, die das Telefoninterview bietet, wird es heute als<br />
gleichwertig gegenüber der schriftlichen und persönlichen Befragung angesehen.<br />
Zu den Vorzügen der telefonischen Befragung zählen (vgl. Fuchs, 1994, S. 32):<br />
Geographisch weitgestreute Stichproben können kostengünstiger realisiert werden.<br />
Personen, die <strong>für</strong> persönliche Interviews kaum kontaktiert werden können, sind leichter zu<br />
erreichen.<br />
Durch die zunehmend schwindende Akzeptanz von persönlichen und schriftlichen Be-<br />
fragungen (sinkende Teilnahmebereitschaft, ca. 1 Prozent pro Jahr) stellt die telefonische<br />
Befragung eine neue gleichwertige Variante dar, die solche Akzeptanzprobleme leichter<br />
überwindet.<br />
Die Erhebungszeit einer Umfrage wird erheblich verkürzt.<br />
Durch die Verbindung des Telefons mit <strong>dem</strong> Computer ergeben sich spezifische Vorteile<br />
<strong>für</strong> die Reduzierung von Fehlerquellen.<br />
Die meisten Vorteile dieser Befragungsart resultieren jedoch erst <strong>aus</strong> der Verbindung von<br />
Telefon und Computer.<br />
69
Katja Lukanow<br />
Telefonische Befragungen werden heute fast <strong>aus</strong>schließlich mit CATI-Systemen (Computer<br />
Assisted Telephone Interviewing) durchgeführt. Das telefonische Interview zeichnete sich<br />
erst durch die Verknüpfung von Telefon und Computer <strong>aus</strong> und ist heute vor allem ein<br />
computergestütztes Telefoninterview.<br />
Aus der Anwendung von CATI resultiert eine Reihe von Vorteilen <strong>für</strong> die Interviewer. Bei der<br />
Durchführung von face-to-face Interviews kommen eine Fülle von Aufgaben auf den In-<br />
terviewer zu. Er muss sich im Fragebogen und dessen Filterführungen zurechtfinden, anste-<br />
hende Fragen wörtlich rezitieren, Antworten richtig protokollieren, bei offenen Fragen sinn-<br />
gemäß mitschreiben und natürlich auch auf sein Interviewverhalten achten, um von ihm <strong>aus</strong>-<br />
gehende Effekte <strong>aus</strong>zuschalten. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben kann <strong>dem</strong> Interviewer<br />
eine Vielzahl von Fehlern unterlaufen. Es besteht die Gefahr, dass er sich in der Filter-<br />
führung des Fragebogens „verirrt“, unabsichtlich Fragen <strong>aus</strong>lässt oder doppelt stellt, Anwei-<br />
sungen zur Rotation der Antwortvorgaben nicht befolgt oder Intervieweranweisungen miss-<br />
achtet (vgl. ebenda). Im computergestützten Interview kann die Arbeit des Interviewers<br />
erheblich erleichtert werden. 48<br />
4.2.1 Die Kommunikationssituation im Telefoninterview<br />
Eine Befragung, ob face-to-face oder telefonisch, stellt eine sehr spezifische Situation dar.<br />
Es handelt sich um eine soziale Situation, die durch eine streng formale Kommunikations-<br />
struktur gekennzeichnet ist. „Die Befragungssituation wird dabei als strukturierte Kommuni-<br />
kation zwischen <strong>dem</strong> Forscher und <strong>dem</strong> Befragten verstanden, die durch ein Erhebungs-<br />
instrument (Fragebogen) vorstrukturiert und durch einen Interviewer vermittelt und geleitet<br />
wird.“ (Fuchs 1994, S. 20)<br />
Die Kommunikation in einer Befragung läuft wie folgt ab:<br />
Der Forscher formuliert eine Erhebungsfrage.<br />
Der Interviewer liest <strong>dem</strong> Befragten die vom Forscher vorformulierte Frage wortgemäß vor.<br />
Der Befragte hört diese Frage und versucht die Bedeutung zu entschlüsseln.<br />
Der Befragte findet gedanklich eine Antwort.<br />
Er formuliert seine Antwort und ordnet sie in die gegebenen Antwortkategorien ein.<br />
Der Interviewer hört und verarbeitet die Antwort und protokolliert diese.<br />
Der Forscher interpretiert die Antwort.<br />
Der Interviewer ist während dieser Kommunikation nur verfügt, Fragen zu stellen und mög-<br />
lichst keine weiteren Erläuterungen zu geben. Vom Befragten wird verlangt, kurz und prä-<br />
zise, ohne Abschweifungen zu antworten. Zu<strong>dem</strong> handelt es sich bei einer standardisierten<br />
Befragung um „(...) eine stark reglementierte und asymmetrische Kommunikation zwischen<br />
zwei Personen.“ (Fuchs, 1994, S. 22) Von einer asymmetrischen Kommunikation muss ge-<br />
sprochen werden, weil <strong>dem</strong> Interviewer der Fragebogen und die Befragungssituation bereits<br />
vorher bekannt sind, der Befragte sich allerdings in einer fremden und ungewohnten<br />
Situation befindet.<br />
48 siehe den Beitrag von Christina Buchwald „Das CATI-System“ in diesem Heft<br />
70
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
Bei <strong>dem</strong> Versuch diese formale und asymmetrische Kommunikationsstruktur in eine soziale<br />
Gesprächssituation einzubinden, kommt <strong>dem</strong> Interviewer eine Reihe von Aufgaben zu. Er<br />
hat den Auftrag, den Befragten in seine Rolle als Interviewpartner einzuführen sowie einen<br />
guten Rapport herzustellen und aufrechtzuerhalten. Da er selbst aber auch ein Teil der<br />
strukturierten Kommunikation ist, werden unterschiedliche Ansprüche an sein Verhalten ge-<br />
stellt. Das bedeutet, dass der Interviewer sich zum einen veranlasst fühlen sollte, ein positi-<br />
ves Gesprächsklima herzustellen, um somit den Befragten in seine Rolle einzuführen sowie<br />
seine Antwortbereitschaft und Motivation zu unterstützen. Zum anderen wird von ihm ver-<br />
langt, sich weitgehend neutral zu verhalten. Der Interviewer muss <strong>dem</strong>nach die vorgezeich-<br />
nete Kommunikation abarbeiten und darüber hin<strong>aus</strong> die soziale Situation organisieren. „Der<br />
Befragte darf nicht den Eindruck gewinnen, es handele sich um eine Prüfungssituation.“<br />
(Friedrichs, 1990a, S. 216)<br />
Eine Besonderheit der telefonischen Befragung ist die Beschränkung auf den akustischen<br />
Kommunikationskanal. In einer normalen Kommunikation zwischen Menschen, in der man<br />
sich persönlich von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht, werden Informationen nicht nur<br />
über Worte <strong>aus</strong>get<strong>aus</strong>cht, sondern auch über nicht-verbale Kommunikation, also Gesten,<br />
Mimik und die Art des Auftretens. Während der Kommunikation über das Telefon findet die-<br />
ser Aust<strong>aus</strong>ch <strong>aus</strong>schließlich über die Stimme statt. „Das Telefongespräch vermittelt alle<br />
sozialen Beziehungen über den Draht zwischen zwei Anschlüssen und geht direkt vom Mund<br />
über die Sprechmuschel und den Hörer ins Ohr des anderen Telefonteilnehmers – und um-<br />
gekehrt.“ (Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 20) Aufgrund des Wegfallens aller äußerlichen<br />
Stimuli müssen sich Interviewer und Befragter mehr als in einer face-to-face Befragung<br />
aufeinander konzentrieren. Bei dieser Kommunikation fallen Gefahren der Ablenkung, die<br />
während einer normalen Interaktion gegeben sind, zum Beispiel das Hinzukommen eines<br />
Dritten, weg. „Störungen durch Geräuschkulissen, insbesondere durch die Einmischung<br />
anderer anwesender Personen, versuchen die Befragten oft spontan selbst abzustellen.“<br />
(Hormuth/Brückner 1985, S. 540)<br />
Im Telefoninterview entsteht zwar durch die Abwesenheit Dritter eine „Intimität der Ge-<br />
sprächssituation“ aber gleichzeitig auch eine „Distanz zur (...) relativ anonymen Person des<br />
Interviewers“ (ebenda, S. 540) Einerseits könnte sich der Befragte durch die räumliche und<br />
optische Distanz freier fühlen und <strong>dem</strong>nach unbeschwerter und ehrlicher antworten,<br />
andererseits wird die Interaktion über das Telefon dadurch belastet, dass Befragte die<br />
telefonische Variante anonymer und somit weniger angenehm empfinden. Da die<br />
Kommunikationssituation anonymer ist als in einem persönlichen Interview, ist es über das<br />
Telefon um einiges schwieriger, einen angemessenen Konversationston zu finden. Unter-<br />
suchungen haben ergeben, dass bei Telefoninterviews eine geringere Auskunftsbereitschaft<br />
bei Fragen nach sensiblen Themen besteht, als in face-to-face Befragungen. Es wurde eine<br />
höhere Anzahl der „keine Angabe“ und „weiß nicht“ Kategorien verzeichnet. Vor allem be-<br />
züglich der Einkommensangaben mussten höhere Verweigerungsraten in Kauf genommen<br />
werden. „Über ihr Geschlechtsleben, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse, etwaigen Missbrauch<br />
von Genuss- oder Betäubungsmitteln (...) äußern sich viele Menschen nur ungern. Ganz<br />
besonders ungern aber sprechen sie darüber.“ (Habermehl 1992, S. 163) Bei der schrift-<br />
lichen Befragung löst sich diese Schwierigkeit von selbst, in<strong>dem</strong> die entsprechende Antwort<br />
71
Katja Lukanow<br />
nicht mündlich wiedergegeben wird. Auch bei persönlichen Interviews kann man Hilfsmittel,<br />
wie beispielsweise Kartenspiele, verwenden.<br />
Bei der computergestützten telefonischen Befragung kommt hinzu, dass der Interviewer nicht<br />
nur mit <strong>dem</strong> Befragten interagieren muss, sondern auch mit <strong>dem</strong> Computer, wie in Abbildung<br />
28 erkennbar ist. Der Computer stellt einen zusätzlichen „Akteur“ in der Erhebungssituation<br />
dar, da er wesentlich an der Durchführung des Interviews beteiligt ist. Der Computer präsen-<br />
tiert Fragen und Antworten, speichert die eingegebenen Daten und gibt <strong>dem</strong> Interviewer An-<br />
weisungen. Dabei beeinflusst das Interface des Computers (z. B. Benutzeroberfläche, An-<br />
weisungen, Möglichkeiten der Dateneingabe) das Verhalten der beteiligten Akteure. „D. h.<br />
selbst bei gleichen Frageformulierungen und identischen Antwortvorgaben wirken unter-<br />
schiedliche Bildschirmdesigns differenziert auf das Verhalten des Interviewers <strong>dem</strong> Befrag-<br />
ten gegenüber und damit möglicherweise auf die Datenqualität.“ (Fuchs 2000, S. 72) Die<br />
Gestaltung des Bildschirms kann den Kommunikationsablauf beeinflussen, in<strong>dem</strong> sie es <strong>dem</strong><br />
Interviewer erschwert oder erleichtert, diesen Ablauf ohne Störungen zu befolgen.<br />
Abbildung 28: Interviewer-Befragten-Interaktion im computergestützten Interview<br />
Quelle: Fuchs (2000), S. 73.<br />
Fehler, die bei der Bildschirmgestaltung auftreten können sind unübersichtliche Bildschirm-<br />
designs, unklare Trennungen zwischen den Fragen, Antwortkategorien und Intervieweran-<br />
weisungen, notwendiges scrollen oder die Verteilung wichtiger Informationen auf mehreren<br />
Bildschirmen (ebenda, S. 74). Der Interviewer sollte eine Benutzeroberfläche vorfinden, die<br />
es ihm ermöglicht, Fragen optimal zu erfassen und wörtlich vorzulesen sowie die Interviewer-<br />
anweisungen (z. B. durch farbliches Abheben) wahrzunehmen. Sind diese Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />
gegeben, kann der Interviewer seine Aufmerksamkeit auf den Kommunikationsablauf und<br />
somit auch auf den Befragten richten. Besteht diese Vor<strong>aus</strong>setzung nicht, gilt seine<br />
Konzentration zunehmend <strong>dem</strong> Fragebogen. Das Bildschirmdesign beeinflusst <strong>dem</strong>nach die<br />
Administration des Fragebogens durch den Interviewer und somit das Befragtenverhalten.<br />
72<br />
CAI-Instrument<br />
- Frage/Item - Frage/Item<br />
- Interface<br />
Interview<br />
Interviewer<br />
Befragter
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
Die Interaktion mit <strong>dem</strong> Befragten und <strong>dem</strong> Computer sowie die Beschränkung auf den<br />
akustischen Kommunikationskanal, stellen eine Reihe von Anforderungen an den Intervie-<br />
wer. Gleichzeitig soll gewährleistet werden, dass sich jeder Befragte – unabhängig von der<br />
Person, welche die Befragung durchführt – in einer gleich gestalteten Interviewsituation be-<br />
findet.<br />
Aus dieser Vielzahl von Ansprüchen an den Interviewer resultiert eine Reihe von Fehler-<br />
quellen. Wie er mit seinen Eigenschaften, Merkmalen und Verhaltensweisen auf die Inter-<br />
viewsituation und somit auf das Befragtenverhalten wirken kann, soll Inhalt des folgenden<br />
Abschnitts sein.<br />
4.2.2 Interviewereffekte im telefonischen Interview<br />
„Das – standardisierte – Interview ist ein sozialwissenschaftliches Instrument, und wie bei<br />
allen Instrumenten wird vor<strong>aus</strong>gesetzt, dass es gleichartig misst, ungeachtet der Person, die<br />
es anwendet.“ (Friedrichs 1990b, S. 414) Diese Forderung entspricht jedoch einem Ideal,<br />
welches unerfüllbar ist. Antwortverzerrungen im Interview können viele unterschiedliche Ur-<br />
sachen haben. Der Fragebogen (Frageformulierung, Antwortkategorien, Fragereiheneffekte),<br />
der Befragte (soziale Erwünschtheit, Response-Set, Meinungslosigkeit), die Interviewsitua-<br />
tion (Anwesenheit Dritter) aber auch der Interviewer selbst sind Fehlerquellen <strong>für</strong> systemati-<br />
sche Antwortverzerrungen. Unerwünschte Einflüsse auf die Ergebnisse, die von den Intervie-<br />
wern <strong>aus</strong>gehen werden als Interviewereinflüsse oder Interviewereffekte bezeichnet (vgl.<br />
Reinecke 1991, S. 35). Vom Interviewer wird verlangt, seinen Einfluss auf die Antworten des<br />
Befragten möglichst <strong>aus</strong>zuschalten.<br />
In zahlreichen Untersuchungen bezüglich persönlicher Interviews wurde analysiert, dass der<br />
Interviewer durch Geschlecht, Alter, Statur, Kleidung aber auch durch Mimik, Gestik, Blick-<br />
kontakt, Paralinguistik sowie sein Verhalten auf den Befragten wirken kann.<br />
Das Modell von Cannell/Kahn (siehe Abbildung 29) zeigt deutlich, wie sich die Merkmale,<br />
Einstellungen, Erwartungen etc. des Interviewers auf die Interviewsituation <strong>aus</strong>wirken.<br />
Die Einflüsse sind den Forschern schon seit geraumer Zeit bekannt, doch das Ausmaß die-<br />
ser Einwirkungen konnte bei persönlichen Interviews nur schwer eingeschätzt werden, weil<br />
der Interviewer in der Regel allein mit <strong>dem</strong> Befragten ist. Bei der telefonischen Befragung –<br />
sofern sie in einem zentralen Telefonlabor stattfindet- sind die Interviewer der Kontrolle des<br />
Forschers oder des Supervisors <strong>aus</strong>gesetzt. Durch deren Anwesenheit sowie die Möglichkeit<br />
des Mitschneidens mittels eines Tonbandgerätes kann nun die Gesprächssituation unter-<br />
sucht werden. „Wir ahnen erst durch die telefonischen Interviews, wie stark Interviewer bis-<br />
her in face-to-face Interviews durch die Art ihrer Gesprächsführung das Instrument verän-<br />
dert, d. h. nicht neutral administriert haben.“ (Friedrichs 1990b, S. 414)<br />
Bei telefonischen Befragungen entfallen sichtbare Interviewermerkmale, wobei Sprache,<br />
Stimme, Geschlecht sowie verbal vermittelte Erwartungshaltungen und Einstellungen des In-<br />
terviewers die Antworten der Befragten ebenso verzerren können. „Die genaue Formulierung<br />
der Frage, der Tonfall, in <strong>dem</strong> sie gestellt wird, die P<strong>aus</strong>en (vor allem bei offenen Fragen),<br />
bestärkende Partikel wie ‚Hmm’ oder Stirnrunzeln verändern das Instrument.“ (ebenda,<br />
S. 414)<br />
73
Katja Lukanow<br />
Abbildung 29: Das Interview als sozialer Prozess<br />
Quelle: Friedrichs (1990a)<br />
Folgende Merkmale des Interviewers können als bedeutsam erachtet werden, da sie einen<br />
wesentlichen Einfluss auf die Administration des Fragebogens haben:<br />
Sozio<strong>dem</strong>ographische Merkmale des Interviewers (Alter, Geschlecht, Status, Erfahrung<br />
etc.),<br />
Persönlichkeitseigenschaften des Interviewers (z. B. Stimmeigenschaften, rhetorische<br />
Fähigkeiten, Selbstvertrauen, Empathie etc.),<br />
bewusstes und unbewusstes Fehlverhalten,<br />
Erwartungshaltungen des Interviewers an den Befragten und Einstellungen des Inter-<br />
viewers zum Gegenstand der Befragung.<br />
Durch Anleitung und Vorbereitung der Interviewer sowie durch die Standardisierung der Be-<br />
fragung wird versucht, die Einflüsse weitgehend zu neutralisieren. Die Wirkung bestimmter<br />
individueller Merkmale kann jedoch trotz hochgradiger Standardisierung des Fragebogens<br />
nicht verhindert werden.<br />
74<br />
Befragter Interviewer<br />
Demographische<br />
Merkmale<br />
Persönlichkeit<br />
Information/<br />
Erfahrung<br />
Einstellungen<br />
Erwartungen<br />
Motive<br />
Wahrnehmung<br />
Verhalten Verhalten<br />
Interview-<br />
Ergebnis<br />
Demographische<br />
Merkmale<br />
Persönlichkeit<br />
Information/<br />
Erfahrung<br />
Einstellungen<br />
Erwartungen<br />
Motive<br />
Wahrnehmung
4.2.3 Sozio<strong>dem</strong>ographische Merkmale<br />
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
Das Geschlecht zählt wohl zu den offensichtlichsten Merkmalen eines Interviewers. Die<br />
Auswirkungen des Geschlechtseffektes auf die Befragungsergebnisse werden als relativ<br />
gering eingeschätzt. Dieser Effekt liegt meist nur dann vor, wenn geschlechtsspezifische<br />
Verhaltensweisen, wie beispielsweise Familienentwicklung oder Rollenverteilung im H<strong>aus</strong>-<br />
halt, Inhalt der Befragung sind (vgl. Reinecke 1991, S. 118). Hyman (1954) begründet diese<br />
Annahme damit, dass männliche Interviewer die weiblichen Befragten veranlassen, typisch<br />
männliche Antwortmuster zu geben und umgekehrt. Zu dieser Erkenntnis gelangte man<br />
allerdings in persönlichen Interviews.<br />
Bezüglich der Interviewerdauer konnte Nealon (1983) feststellen, dass männliche Interviewer<br />
im Durchschnitt mehr Zeit <strong>für</strong> ihre Befragungen benötigten, als ihre weiblichen Mitarbeiterin-<br />
nen (vgl. Nealon 1983). Diese Beobachtung kann durch erste Auswertungen der Be-<br />
fragungslänge in Abhängigkeit vom Interviewergeschlecht in verschiedenen telefonischen<br />
Befragungen des CATI-Labors des <strong>zsh</strong> nicht bestätigt werden. Hier zeigte sich bei einer<br />
ersten Analyse, dass eher die weiblichen Interviewer mehr Zeit <strong>für</strong> Ihre Interviews benötigen.<br />
Bezüglich der vom Interviewergeschlecht abhängigen Verweigerungsquote kam Habermehl<br />
(1992) zu <strong>dem</strong> Ergebnis, dass Frauen bei telefonischen Befragungen weniger Verweigerun-<br />
gen produzierten (vgl. Habermehl 1992). Bei geschlechtsspezifischen Untersuchungen muss<br />
allerdings berücksichtigt werden, dass die Interviewerstäbe meist nur eine geringe Anzahl<br />
männlicher Interviewer aufweisen.<br />
Die Stimme transportiert auch das Alter. Untersuchungen zum Einfluss des Intervieweralters<br />
sind sehr dürftig. Interviewer besitzen vorwiegend ein Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Von<br />
<strong>dem</strong> Alter des Interviewers wird meist auch auf seine Erfahrung geschlossen, da junge Inter-<br />
viewer größtenteils Studenten sind und somit als unerfahren und ältere, welche diese Tätig-<br />
keit meist professionell <strong>aus</strong>üben, als erfahren gelten. Es ist jedoch zu vermuten, dass ältere<br />
Interviewer weniger Antwortverzerrungen produzieren als jüngere (vgl. Reinecke 1991,<br />
S. 119).<br />
Bei Untersuchungen, in denen Interviewerfehler auf die soziale Herkunft der Interviewer<br />
zurückgeführt werden sollten, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen (vgl.<br />
Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 184). Der Status eines Interviewers ist kein direkt wahrnehmba-<br />
res Merkmal und kann deshalb auch kaum nachgeprüft werden.<br />
Der Einfluss der Interviewererfahrung konnte in vergangenen Analysen ebenfalls nur schwer<br />
nachgewiesen werden. Eine Untersuchung von Bailar (1977) konnte einen Zusammenhang<br />
zwischen der Interviewererfahrung und der Angabe zum Einkommen feststellen (vgl.<br />
Bailar/Bailey/Stevens 1977). Dort zeigte sich, dass die Interviewer mit viel Erfahrung Angst<br />
davor hatten, die Frage nach <strong>dem</strong> Einkommen könne den Interviewablauf gefährden und<br />
erhielten infolgedessen meist keine Antwort. Aber auch hier konnte nicht genau festgestellt<br />
werden, inwieweit der Interviewer mit seiner Erfahrung die befragte Person beeinflusst hat.<br />
Es ist schwierig, den Effekt der Interviewererfahrung – losgelöst von anderen Merkmalen –<br />
zu untersuchen. Zum einen besteht eine hohe Korrelation zwischen <strong>dem</strong> Intervieweralter und<br />
seiner Erfahrung, und zum anderen wird dieser Effekt durch bestimmte Verhaltensweisen<br />
vermittelt (z. B. Gelassenheit) (vgl. Reinecke 1991, S. 126). Das sind jedoch Ergebnisse, die<br />
75
Katja Lukanow<br />
<strong>aus</strong> face-to-face Interviews gewonnen wurden und müssen deshalb in telefonischen<br />
Befragungen, bei denen das äußere Erscheinungsbild nicht wahrnehmbar ist, neu untersucht<br />
werden.<br />
4.2.4 Persönlichkeitseigenschaften<br />
Da im telefonischen Interview alle sichtbaren Persönlichkeitsmerkmale <strong>aus</strong>geschaltet wer-<br />
den, kommen vor allem die paralinguistischen Merkmale eines Interviewers wie Stimmhöhe,<br />
Modulation und Lautstärke der Stimme, Sprechgeschwindigkeit und P<strong>aus</strong>en, zum tragen<br />
(vgl. auch Kapitel 5 Schünemann in diesem Band). „Die Stimme ist eines der wesentlichen<br />
Merkmale des Interviewers im telefonischen Interview und sie hat ihre Auswirkungen auf das<br />
Messinstrument: den Fragebogen.“ (Fuchs 1994, S. 179)<br />
Stimme und Sprechweise sind <strong>aus</strong>schlaggebend beim Telefonieren, denn sie entscheiden<br />
über die Wirkung, Ausstrahlung, Überzeugungskraft und auch über die Glaubwürdigkeit des<br />
Interviewers. Die Stimme gibt <strong>dem</strong> Gesprächspartner nicht nur Auskunft darüber, ob er es<br />
mit einer Frau oder einem Mann zu tun hat, sondern lässt ihn auch Vermutungen über sein<br />
Alter oder seine geographische Herkunft anstellen. Ebenfalls können der Gefühlszustand<br />
oder die Persönlichkeit, wie beispielsweise Selbstbewusstsein oder Schüchternheit des<br />
Sprechers eingeschätzt werden. Wie stark manche Menschen von anderen bezüglich ihrer<br />
Persönlichkeit – neben der Optik und <strong>dem</strong> Sprachinhalt – durch ihre Stimme beurteilt<br />
werden, zeigt die Abbildung 30.<br />
Abbildung 30: Komponenten der Persönlichkeitsbeurteilung<br />
Quelle: Amon (2000), S.15.<br />
Hier wird sichtbar, welche Bedeutung die Stimme <strong>für</strong> die Einschätzung der Persönlichkeit<br />
eines Menschen hat. Allein das Gesicht und die Kleidung werden als wichtiger erachtet.<br />
Um die Bereitschaft <strong>für</strong> ein Interview zu erlangen, muss der Interviewer einen positiven Ein-<br />
druck bei <strong>dem</strong> Befragten erzeugen, der bei CATI-Befragungen <strong>aus</strong>schließlich über die Kom-<br />
munikation durch das Telefon hergestellt werden kann. „Als Zuhörer haben wir an den Spre-<br />
cher eine Reihe von Wünschen. Wir möchten ihn akustisch verstehen und seinen Worten<br />
folgen können. Dazu bedarf es einer deutlichen Artikulation, einer tragfähigen Stimme und<br />
76<br />
Komponenten einer positiven persönlichen Ausstrahlung<br />
38%<br />
55%<br />
7%<br />
Optik<br />
Sprachinhalt<br />
Stimme
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
vor allem einer Gestaltungsweise, die mitreißt, (...), jedoch keinesfalls belastet.“<br />
(Coblenzer/Muhar 1989, S. 8)<br />
4.2.4.1 Stimmeigenschaften<br />
Die Stimme jedes Einzelnen zeichnet sich durch unterschiedliche Stimmeigenschaften <strong>aus</strong>,<br />
die vom Hörer registriert und als angenehm oder unangenehm empfunden werden.<br />
Stimmhöhe und Modulation:<br />
Jede Person hat einen individuell vorgegebenen Stimmumfang. Eine besonders günstige<br />
Tonhöhe, die am wenigsten anstrengt und der Konstitution des Sprechers entspricht, liegt im<br />
unteren Drittel des gesamten Stimmumfangs. Diesen Bereich nennt man Indifferenzlage.<br />
Vom Hörer wird diese Stimmhöhe als natürlich und angenehm empfunden. „Je weiter sich<br />
die Stimme gewohnheitsgemäß von der Indifferenzlage entfernt, als desto unnatürlicher wird<br />
sie vom Hörer empfunden und entsprechend negativ eingeschätzt.“ (Eckert/Laver 1994, S.<br />
39) Spricht man immer in dieser Indifferenzlage, würde man in einen Monotonismus verfal-<br />
len, der vom Hörer sehr negativ bewertet wird. Während monotones Sprechen sehr unnatür-<br />
lich und unpersönlich wirkt und zu<strong>dem</strong> kein Interesse erzeugt, ruft eine gute Modulation –<br />
das heißt deutliches Anheben und Senken der Stimme – Aufmerksamkeit hervor und wirkt<br />
lebendiger. Das Anheben und Absenken der Stimme sollte jedoch um die Indifferenzlage<br />
pendeln (vgl. Coblenzer/Muhar 1989, S. 12). Hörer bevorzugen meist eine etwas tiefere<br />
Stimmlage und schätzen Sprecher mit deutlichen Tonhöhenvariationen als kompetenter,<br />
selbstbewusster, kommunikationsfreudiger und wohlwollender ein (vgl. Eckert/Laver 1994, S.<br />
39). Auch situationsbedingte Stimmungen, wie Aufregung, Freude, Stress oder Frust, führen<br />
zur Veränderung der Indifferenzlage. Möchte der Sprecher beispielsweise sehr höflich<br />
klingen, tut er das oft mit erhöhter Stimmlage. Gebraucht der Sprecher jedoch permanent<br />
eine erhöhte oder viel zu tief gewählte Sprechlage, wird das vom Hörer als störend und<br />
unnatürlich empfunden und weckt sogar den Eindruck von Inkompetenz.<br />
Lautstärke:<br />
Welche Lautstärke der Sprecher zu wählen hat ist von der gegenwärtigen Situation abhän-<br />
gig. In einem Zwiegespräch mit einer geringen Distanz zwischen den Personen, wird man<br />
eher leise sprechen. In einer Rede oder einer Auseinandersetzung, in der man bestrebt ist<br />
seine individuelle Meinung zu vertreten, ist dagegen eine leise Stimme weniger angebracht.<br />
Eine unangemessene Lautstärke wird negativ beurteilt, da zu lautes Sprechen sehr hektisch<br />
und aufdringlich und unangemessenes leises Sprechen sehr unsicher sowie inkompetent<br />
wirken kann. „Eine kräftige, laute aber nicht zu laute Stimme wird meist als Zeichen von<br />
Vitalität, Dominanz und Extravertiertheit angesehen.“ (ebenda, S. 429) Während der telefoni-<br />
schen Befragung sollte der Interviewer <strong>dem</strong>nach laut und deutlich reden, um es <strong>dem</strong> Befrag-<br />
ten einerseits möglich zu machen die Fragestellungen akustisch gut zu verstehen und ande-<br />
rerseits, um einen kompetenten, interessierten und kontaktfreudigen Eindruck zu machen.<br />
Der Interviewer muss jedoch eine Lautstärke wählen, die es seinen Mitarbeitern ermöglicht,<br />
ungestört zu arbeiten.<br />
77
Katja Lukanow<br />
Sprechtempo:<br />
Vom Interviewer wird ebenfalls verlangt, eine angemessene Sprechgeschwindigkeit zu<br />
gebrauchen. Zu schnelles Sprechen führt zu Schwierigkeiten bezüglich der akustischen und<br />
inhaltlichen Verständlichkeit der Fragen und kann <strong>dem</strong>zufolge Missverständnisse zwischen<br />
Hörer und Sprecher verursachen. Zu langsames Reden hingegen wirkt oft gelangweilt und<br />
zu wenig engagiert und erzeugt häufig beim Zuhörer nur kurzfristig Aufmerksamkeit (vgl.<br />
Amon 2000, S. 113).<br />
Damit die als positiv eingeschätzten Stimmeigenschaften völlig zum Tragen kommen, hat der<br />
Sprecher beziehungsweise der Interviewer auf seine Körperhaltung zu achten. Der Ge-<br />
sprächspartner sieht den Interviewer zwar nicht, aber er hört dessen Körperhaltung, weil<br />
diese nachhaltig die Stimme beeinflusst. Sitzt ein Interviewer krumm oder gelangweilt in sei-<br />
nem Stuhl, wirkt die Stimme gepresst und angespannt. Sitzt er hingegen gerade und ent-<br />
spannt, klingt die Stimme voller und etwas tiefer.<br />
Die Wirkung der Stimme kann nicht nur durch die Körperhaltung, sondern auch durch das<br />
Telefon an sich negativ beeinflusst werden. Die Stimme am Telefon klingt „blechern“ und<br />
somit unfreundlicher und unpersönlicher. Man muss davon <strong>aus</strong>gehen, dass das Telefon „(...)<br />
zwei Drittel Ihrer Intensität wegfiltert.“ (ebd. S. 140) Das heißt <strong>für</strong> den Interviewer, stets zu<br />
lächeln und die Intensität seiner Stimme zu steigern, in<strong>dem</strong> er beispielsweise gestikuliert.<br />
Die Beurteilung der angeführten Stimmeigenschaften und Sprechweisen zeigen sich auch in<br />
den Analysen bezüglich telefonischer Interviews. Untersuchungen haben ergeben, dass zö-<br />
gerndes Sprechen und eine leise, drucklose Stimme eher zu Verweigerungen führen (vgl.<br />
Friedrichs 1990b, S. 416). Eine der wenigen Untersuchungen über den Einfluss paralinguisti-<br />
scher Merkmale des Interviewers auf den Verlauf des Erhebungsgesprächs, wurde von<br />
Oksenberg/Cannell (1988) durchgeführt. Sie fanden her<strong>aus</strong>, dass die Rate der Verwiegerun-<br />
gen sinkt, wenn der Interviewer mit einer relativ hohen Sprechgeschwindigkeit und einer an-<br />
genehmen Lautstärke spricht und seine Stimme hohes Vertrauen erweckt. Zu<strong>dem</strong> sinkt die<br />
Verweigerungsrate, wenn mit einer hohen Sprechgeschwindigkeit begonnen und mit einer<br />
geringeren geendet wurde und stieg im umgekehrten Fall. Bei Untersuchungen dieser Art<br />
wurde festgestellt, dass die positive und negative Beurteilung der Merkmale der Stimme sehr<br />
einheitlich erfolgte und nach relativ kurzer Zeit stattfanden. So konnte auch geklärt werden<br />
warum 40 Prozent der Verweigerungen bereits während der ersten Sätze, 50 Prozent vor der<br />
ersten Frage und nur 10 Prozent während des Interviews stattfanden (vgl. Friedrichs 1990b,<br />
S. 417). Hier wird deutlich, dass die paralinguistischen Merkmale des Interviewers die<br />
Befragung in besonderer Weise steuern. „Die Stimme wirkt in der Kommunikation wie ein<br />
Schlüsselreiz, der innerhalb von Sekunden darüber entscheidet, ob und wie wir beim<br />
anderen ankommen.“ (Amon 2000, S. 23)<br />
4.2.4.2 Rhetorische Fähigkeiten<br />
In der Präsentation der Fragestellung sind weitere, vom Interviewer <strong>aus</strong>gehende Fehler-<br />
quellen zu sehen. Von ihm wird erwartet, dass er die vom Forscher vorformulierten Fragen<br />
ohne Modifikationen rezitiert. Aufgrund dessen wird von ihm verlangt, die Fragenstellungen<br />
und auch Antwortkategorien wortwörtlich, flüssig und ohne größere P<strong>aus</strong>en vorzulesen. Da<br />
jedoch das Vorlesen weniger authentisch ist als das freie Sprechen, sollte der Interviewer<br />
78
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
versuchen es so zu gestalten, dass es <strong>dem</strong> freien Sprechen sehr nahe kommt. Um diese<br />
Anforderung erfüllen zu können, ist darauf zu achten, die folgenden Probleme beim Vorlesen<br />
zu vermeiden (vgl. Wachtel 1998, S. 30 ff.):<br />
Häufige unbeabsichtigte Betonungen: Die Ursache da<strong>für</strong> ist meist die Betonung eines<br />
Satzes in sinnwidrigen Schritten. Es scheint als erkenne der Sprecher selbst den Sinn erst<br />
beim Vortragen.<br />
Unangemessenes überhöhtes Sprechtempo: Ein hohes Sprechtempo ist nur angemessen,<br />
wenn die Betonung und die P<strong>aus</strong>en exakt auf den Inhalt und Sinn der Frage oder des<br />
vorzutragenden Textes abgestimmt sind.<br />
Bewusstloses Vorlesen: Das erfolgt, wenn der Text heruntergelesen wird, ohne dass der<br />
Sprecher den Inhalt erfasst.<br />
Atemnot: Bei falscher Atmung werden die Sätze anfangs intensiv, laut und schnell vor-<br />
getragen und verlieren am Ende ihre Intensität.<br />
Gleich klingende Satzmelodie: Zu kurze Atemp<strong>aus</strong>en lassen die Tonhöhe der Stimme<br />
stetig absinken und bewirken eine permanent gleiche Melodiebewegung.<br />
Gleichartige Betonung: Hier erfolgt das Absenken und Anheben der Stimme grundsätzlich<br />
und nicht auf den Sinn bezogen.<br />
Fehlende P<strong>aus</strong>en: Die Aussparung von P<strong>aus</strong>en vernachlässigt die Gliederung zwischen<br />
den verschiedenen Sinnschritten eines Textinhaltes.<br />
Zu kurze P<strong>aus</strong>en: Dem Sprecher kommen seine P<strong>aus</strong>en meist länger vor als <strong>dem</strong> Hörer<br />
selbst und fallen <strong>dem</strong>nach sehr knapp <strong>aus</strong>. Zu kurze P<strong>aus</strong>en machen es <strong>dem</strong> Sprecher<br />
jedoch nicht möglich, sich auf den nächsten Satz vorzubereiten.<br />
Gutes Vorlesen beherrschen heißt in erster Linie darauf zu achten, immer <strong>dem</strong> Sinn ent-<br />
sprechend vorzutragen, um <strong>dem</strong> Befragten die Verständlichkeit der Frage zu erleichtern.<br />
Wichtig dabei ist die Fähigkeit, den Text in P<strong>aus</strong>en gliedern zu können. „Nur diese richtige<br />
Gliederung – nach je<strong>dem</strong> Sinnschritt eine P<strong>aus</strong>e – lässt den Hörer verstehen.“ (Wachtel<br />
1998, S. 51) Solche Sinnp<strong>aus</strong>en sind gleichzeitig auch Atemp<strong>aus</strong>en. Sind die formulierten<br />
Sätze jedoch sehr lang, kann der Sprecher auch während eines Sinnschrittes oder Satzes<br />
sehr kurze Atemp<strong>aus</strong>en einschieben, die aber nicht den Sinnschritt unterbrechen dürfen. Wie<br />
bereits erwähnt ist auch die Modulation der Stimme beim Vortragen der Fragen von wesentli-<br />
cher Bedeutung. Um durch übermäßige und falsche Betonung nicht in einen ‚Singsang’ zu<br />
verfallen, muss diese <strong>dem</strong> ursprünglich gemeinten Sinn entsprechen. Die Melodie sollte <strong>dem</strong><br />
Befragten dabei zeigen, ob es sich um eine Aussage oder eine Frage handelt.<br />
Es zeigt sich, dass die oberste Prämisse <strong>für</strong> gutes Vorlesen ein sinnerfassendes und somit<br />
vor<strong>aus</strong>schauendes Lesen ist. Das verlangt vom Interviewer ein genaues Studium des Frage-<br />
bogeninhaltes. Kann er die hier angegebenen Vor<strong>aus</strong>setzungen erfüllen, ist es ihm möglich,<br />
die Fragen optimal zu rezitieren und trotz des wortwörtlichen Vorlesens ein angenehmes und<br />
lockeres Gesprächsklima schaffen? Natürlich sollte auch der Forscher bei der Frageformulie-<br />
rung darauf achten, diese nicht allzu kompliziert zu gestalten, um eine Modifikation der Frage<br />
durch den Interviewer nicht her<strong>aus</strong>zufordern. „Es muss eine ‚gesprochene Sprache’ ver-<br />
79
Katja Lukanow<br />
wendet werden.“ (Anders 1990, S. 430) Werden die Fragen verständlich, kurz und präzise<br />
formuliert, erhöht sich die Chance auf ihre exakte Wiedergabe und kann <strong>dem</strong>zufolge<br />
Antwortverzerrungen, welche durch die Modifikation der Fragen entstehen, reduzieren. Den<br />
P<strong>aus</strong>en kommt im Telefoninterview eine besondere Bedeutung zu. Sie sollen nicht nur den<br />
Text in Sinnschritte gliedern, sondern auch <strong>dem</strong> Befragten die Möglichkeit zum Nachdenken<br />
geben. Längere P<strong>aus</strong>en im Telefoninterview, die beispielsweise offenen Fragen folgen,<br />
werden vom Interviewer meist zu kurz gehalten. Dem Befragten bleibt zu wenig Zeit, seine<br />
Antwort zu überdenken bzw. zu ergänzen. In der persönlichen Befragung ist es leichter,<br />
längere P<strong>aus</strong>en durch Mimik und Gestik zu überbrücken. Da dies im telefonischen Interview<br />
nicht möglich ist, weiß der Interviewer meist nicht, ob er abwarten oder nachfragen soll. Das<br />
hat zur Folge, dass bei Befragungen am Telefon die Anzahl der Angaben bei offenen Fragen<br />
geringer <strong>aus</strong>fällt (vgl. Friedrichs 1990b, S. 418).<br />
Zur richtigen Präsentation der Fragen gehört es jedoch auch, keine Fragen <strong>aus</strong>zulassen<br />
oder doppelt zu stellen. Diese Fehlerquelle wird bei <strong>dem</strong> computergestützten Telefoninter-<br />
view weitgehend minimiert. Auch während der Protokollierung der Antworten können die<br />
Interviewer wesentlich zu Verzerrungen der Antworten beitragen, wie im folgenden Abschnitt<br />
deutlich wird.<br />
4.2.5 Bewusstes und unbewusstes Fehlverhalten<br />
Der Interviewer kann bewusst oder unbeabsichtigt seine eigene Meinung auf den Befragten<br />
übertragen. „Unter bewusstem oder unbewusstem Fehlverhalten des Interviewers wird eine<br />
Handlung verstanden, die unabhängig von der Befragtenreaktion ist (...)“ (Reinecke 1991, S.<br />
126)<br />
Bewusstes Fehlverhalten<br />
Bewusstes Fehlverhalten eines Interviewers liegt vor, wenn die Antworten des Befragten<br />
absichtlich durch falsche Protokollierung, manipuliert werden. Die Gefahr <strong>für</strong> Fälschungen<br />
ganzer Interviews ist jedoch relativ selten. Häufiger sind Teilfälschungen, welche nur schwer<br />
kontrollierbar sind. Bei Teilfälschungen werden die Interviews abgekürzt, in<strong>dem</strong> der Inter-<br />
viewer <strong>dem</strong> Befragten nur einige Fragen stellt, um die verbleibenden Antworten selber zu<br />
vervollständigen. Dieser Interviewereffekt tritt in der Regel dann auf, wenn die Interviewer<br />
einen Akkordlohn <strong>für</strong> die Anzahl vollständiger Interviews erhalten. „Die Gefahr <strong>für</strong> derartige<br />
Fälschungen ist dann am größten, wenn die Aufgabenorientierung <strong>für</strong> den Interviewer gering<br />
ist aber die äußeren Reize (z. B. <strong>aus</strong> ökonomischen Gründen in möglichst kurzer Zeit<br />
möglichst viele Interviews zu erheben) die Feldarbeit bestimmen.“ (ebenda, S. 127)<br />
Durch Kontrollanrufe beim Befragten kann versucht werden, derartige Fälschungen nachzu-<br />
weisen, wobei Teilfälschungen nur schwer aufzudecken sind. Telefonischen Befragungen,<br />
die wie üblich in einem zentralen Telefonlabor unter Aufsichtsführenden durchgeführt wer-<br />
den, sind relativ sicher vor dieser Art des bewussten Fehlverhaltens. Zu<strong>dem</strong> kann eine Be-<br />
zahlung mittels Stundenlohn solchen Fälschungen vorbeugen.<br />
Unbewusstes Fehlverhalten<br />
Unbewusstes Fehlverhalten, wie beispielsweise die erwartungsgemäße Fehlvercodung (vgl.<br />
Hyman 1954) durch einen Interviewer liegt vor, wenn dieser unabhängig von der Antwort-<br />
80
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
reaktion des Befragten die Antworten nach seinen persönlichen Erwartungen protokolliert.<br />
Während der Befragung macht sich der Interviewer ein Bild vom Befragten und entwickelt<br />
gewisse Vorstellungen über dessen Einstellungen und Verhaltensweisen und nimmt<br />
daraufhin unbewusst eine erwartungsgemäße Vercodung vor. Bekennt sich zum Beispiel ein<br />
Befragter während eines Interviews zur Fremdenfeindlichkeit, könnte diese Tatsache beim<br />
Interviewer die Annahme erwecken, dass der Befragte eine rechtsextremistische Meinung<br />
inne hat, welche er dann auch unbewusst in der Protokollierung festhält (z. B. bei Fragen zur<br />
Toleranz).<br />
4.2.6 Einstellungen und Erwartungen des Interviewers<br />
Jede Person und somit auch jeder Interviewer hat Einstellungen und Meinungen zu unter-<br />
schiedlichen Themen sowie gewisse Erwartungshaltungen. Vom Interviewer wird verlangt,<br />
diese während der Erhebung zu unterdrücken, um somit <strong>dem</strong> Befragten in seinen Antworten<br />
nicht zu beeinflussen. Es wird allerdings angenommen, dass der Interviewer seine eigenen<br />
Erwartungen und Einstellungen nicht immer <strong>aus</strong>reichend verbergen kann und dadurch den<br />
Befragten dazu verleitet, sich seiner Meinung durch Antwortübereinstimmung anzunähern.<br />
Es besteht <strong>dem</strong>nach die Möglichkeit, dass der Befragte die Überzeugungen und Erwartun-<br />
gen des Interviewers übernimmt und sich diese auch bei genauer Protokollierung im Ergeb-<br />
nis zeigen. Hyman (1954) unterscheidet verschiedene Erwartungshaltungen des Intervie-<br />
wers, welche diese Verzerrungen verursachen können.<br />
1. Rollenerwartungen (role expectations):<br />
Der Interviewer glaubt, dass sich Einstellungen und Verhalten der Befragten <strong>aus</strong> einer be-<br />
stimmten Gruppenzugehörigkeit entwickeln. Somit richtet der Interviewer seine Erwartungen<br />
nach der von ihm wahrgenommenen Gruppenzugehörigkeit des Befragten <strong>aus</strong>.<br />
2. Attitüdenstrukturierte Erwartungen (attitude-structure expectations):<br />
Der Interviewer geht davon <strong>aus</strong>, dass die späteren Antworten des Befragten im Verlauf des<br />
Interviews ähnlich den Vorhergehenden sind. Ausgangspunkt dieser Vorstellung ist die An-<br />
nahme „(...), dass die Einstellung eines Befragten einheitlich oder in einer organisierten<br />
Struktur zusammengefasst sind.“ (Reinecke 1991, S. 129)<br />
3. Wahrscheinlichkeitserwartungen (probability expectations):<br />
Diese Erwartungshaltungen hat der Interviewer bereits vor der Befragung inne, während sich<br />
die attitüdenstrukturierten Erwartungen im Verlauf der Befragung entwickeln. Er hat be-<br />
stimmte Vorstellungen darüber, wie die wahrscheinliche Antwort des Befragten lauten<br />
könnte. Verschiedene Studien, z. B. von Wyatt/Campbell 1950 und Clark 1949 belegten,<br />
dass die später erhobene Antwortverteilung mit den vorhergehenden Schätzungen der Inter-<br />
viewer bezüglich der Verteilung übereinstimmte.<br />
Während Einflüsse der Erwartungshaltungen der Interviewer nachgewiesen werden konnten,<br />
wurde die Wirkung der Einstellungen der Interviewer auf die Antwortreaktion des Befragten<br />
in der Vergangenheit überbewertet (vgl. Meulemann/Reuband 1984). Jüngere Untersuchun-<br />
gen zeigen einen geringeren Einfluss als ursprünglich angenommen wurde, wobei es meist<br />
vom Thema oder <strong>dem</strong> Inhalt der Befragung abhängt, wie stark dieser Einfluss zur Wirkung<br />
kommt. Die Gefahr der Antwortverzerrung durch die Einstellung des Interviewers besteht vor<br />
81
Katja Lukanow<br />
allem bei schwierigen offenen Fragen und unvorhergesehenen Situationen im Interview, bei<br />
denen der Interviewer zusätzliche Erläuterungen und Erklärungen abgeben muss. Ein stan-<br />
dardisierter Fragebogen sowie eine genaue Frageformulierung helfen das Ausmaß dieser Art<br />
von Interviewereffekten auf einem geringen Niveau zu halten. Um Effekte durch Erwartungs-<br />
haltungen zu minimieren, sollten <strong>dem</strong> Interviewer keine Vorinformationen über den Befragten<br />
zugänglich sein und die Abfolge der Fragen gründlich überdacht werden. „Die zu Beginn<br />
eines Fragebogens oder Fragebogenteils platzierten Fragen sollten bei der Fragebogenkon-<br />
zeption genauestens dahingehend überprüft werden, ob sie nicht geeignet sind, Erwartungen<br />
beim Interviewer zu induzieren (z. B. Filterfragen).“ (B<strong>aus</strong>ke 1984, S. 113) Zu<strong>dem</strong> müssen<br />
die Interviewer <strong>aus</strong>führlich geschult werden, um solchen Effekten entgegenzuwirken.<br />
4.3 Rekrutierung und Schulung der Interviewer<br />
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt erläutert wurde, hat der Interviewer einen maß-<br />
geblichen Anteil am Antwortverhalten sowie der Kooperationsbereitschaft der Befragten. Um<br />
Interviewereffekte weitgehend zu neutralisieren und auf einem möglichst geringen Niveau zu<br />
halten, um somit eine hohe Datenqualität und Ausschöpfungsrate zu erlangen, werden die<br />
Interviewer von den Supervisoren und Projektleitern nach bestimmten Kriterien rekrutiert und<br />
geschult. Auch hier liegt ein wesentlicher Vorteil von Telefoninterviews und <strong>dem</strong> zentrali-<br />
sierten Interviewereinsatz. Die Rekrutierung und Schulung von Interviewern <strong>für</strong> telefonische<br />
Befragungen erweisen sich als wesentlich kostengünstiger und auch effektiver als <strong>für</strong> per-<br />
sönliche Interviews.<br />
4.3.1 Rekrutierung der Interviewer<br />
Kommerzielle Umfrageinstitute versuchen meist durch Zeitungsannoncen geeignete Bewer-<br />
ber zu finden. Die Inserate sollten psychologisch so verfasst sein, dass sie kontaktfreudige<br />
Menschen <strong>aus</strong> allen sozialen Schichten und Altersgruppen ansprechen (von Kirschhofer-<br />
Bozenhardt/Kaplitza 1991, S. 127). Das CATI-Labor des <strong>zsh</strong>, welches nahezu <strong>aus</strong>schließlich<br />
Studenten <strong>für</strong> Interviewertätigkeiten rekrutiert, versucht beispielsweise durch Aushänge in<br />
zentralen universitären Einrichtung sowie durch eine gezielte Kontaktaufnahme mit Teilneh-<br />
mern methodisch orientierter Veranstaltungen, Bewerber zu gewinnen. Die Mundpropaganda<br />
zwischen den Interviewern und anderen Studierenden spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.<br />
Die meisten der rekrutierten Interviewer sind Frauen. Das liegt unter anderem daran, dass ihr<br />
Interesse an flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitjobs sehr groß ist. Männer hingegen gehen<br />
meistens einer geregelten Arbeit nach, die es ihnen nicht möglich macht, tagsüber verfügbar<br />
zu sein. Auch im universitären Bereich, wo solche Gründe keine Rolle spielen, ist eine Domi-<br />
nanz der Frauen zu verzeichnen. Bei intensiver Beobachtung des Interviewerstamms im<br />
CATI-Labor des <strong>zsh</strong> kann allerdings beobachtet werden, dass der Anteil der männlichen In-<br />
terviewer in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. Pl<strong>aus</strong>ible Gründe <strong>für</strong> die Überreprä-<br />
sentativität der Frauen könnten zum einen in <strong>dem</strong> größeren Anteil weiblicher Studentinnen<br />
liegen oder zum anderen in der Annahme, dass Telefonieren im weitesten Sinn als Frauen-<br />
arbeit gilt.<br />
82
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
Für die Projektleiter empfiehlt es sich, möglichst viele Interviewer zu rekrutieren, damit alle<br />
Erhebungszeiten auch tatsächlich abgedeckt werden können. Erfahrungen zeigen, dass die<br />
Interviewer aufgrund der abnehmenden Konzentration, nicht länger als vier Stunden hinter-<br />
einander arbeiten sollten. Das setzt natürlich einen großen Interviewerstab vor<strong>aus</strong>. Des Wei-<br />
teren ist dieser auch von Vorteil, um beispielsweise bei sehr anspruchsvollen Projekten, die<br />
Qualifiziertesten unter den Interviewern <strong>aus</strong>wählen zu können. In der Regel sollten min-<br />
destens zwei- bis dreimal soviel Interviewer zur Verfügung stehen, wie Telefonplätze im<br />
CATI-Labor eingerichtet sind (vgl. Frey/Kunz/Lüschen 1990).<br />
Bei der Auswahl der Interviewer haben die Projektleiter auf eine Reihe von Merkmalen zu<br />
achten. Um welche Merkmale es sich dabei handelt ist bisher noch umstritten. „Die Eigen-<br />
schaften eines wirklich guten Telefoninterviewers müssen noch entdeckt werden; (...)“<br />
(Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 185) Eine der wichtigsten Vor<strong>aus</strong>setzung <strong>für</strong> die Eignung als<br />
Interviewer ist jedoch die Stimme. „Der Ton einer Stimme sollte so sein, dass sie klar über<br />
das Telefon verständlich ist, selbst dann, wenn Nebengeräusche vorkommen, wie das vor<br />
allem bei Ferngesprächen der Fall ist.“ (ebenda, S. 185)<br />
Damit es <strong>dem</strong> Befragten möglich ist die Fragen akustisch gut zu verstehen und ihnen folgen<br />
zu können, muss der Bewerber während des Telefongesprächs in der Lage sein, laut und<br />
deutlich zu sprechen. Eine deutliche Aussprache, das Sprechtempo sowie Klang und Modu-<br />
lation der Stimme sind wesentliche Merkmale <strong>für</strong> die Eignung des Bewerbers bezüglich te-<br />
lefonischer Befragungen. Zu<strong>dem</strong> sollte es sich bei der Interviewerstimme um eine freund-<br />
liche und möglichst akzentfreie Stimme handeln. Die beste Möglichkeit, diese Anforderungen<br />
zu prüfen ist – neben einem persönlichen Vorstellungsgespräch – ein reales Telefon-<br />
gespräch durchzuführen. Anders (1990) schlägt vor, die Bewerbungen grundsätzlich telefo-<br />
nisch entgegenzunehmen, um sich einen ersten Eindruck machen zu können. Ein anderer<br />
Vorschlag von Dillman (1978) sieht vor, diese Anforderungen in einem Telefongespräch<br />
zwischen Interviewer und einer ihm unbekannten Person zu überprüfen, in<strong>dem</strong> anschließend<br />
die Stimme des Bewerbers <strong>aus</strong>gewertet wird. Während eines Probeinterviews kann unte-<br />
rsucht werden, ob der Bewerber in der Lage ist, Fragestellungen flüssig und ohne größere<br />
P<strong>aus</strong>en abzulesen, Antworten und wichtige Anmerkungen genau zu protokollieren sowie An-<br />
weisungen zu befolgen, ohne dass der Interviewverlauf dabei gestört wird. „Diese<br />
Probeinterviews haben Schulungs- und Testcharakter und sagen sehr viel über die Person<br />
des Bewerbers <strong>aus</strong>, ohne dass man ihn persönlich kennen muss.“ (von Kirschhofer-<br />
Bozenhardt/Kaplitza 1991, S. 131)<br />
Eine Persönlichkeitseigenschaft, die jeder Interviewer besitzen sollte, ist das Selbstbewusst-<br />
sein. Da sich dies – wie schon erwähnt – in der Stimme manifestiert, ist bei der Rekrutierung<br />
darauf zu achten, dass die Bewerber eine gewisse Selbstsicherheit besitzen. In Situationen,<br />
in denen Interviewer mit unerwarteten Fragen konfrontiert werden und dann sofort eine über-<br />
zeugende Antwort bereit haben müssen, ist das Selbstbewusstsein besonders wichtig. Zu-<br />
<strong>dem</strong> bereitet die Schulung vor der jeweiligen Erhebung darauf vor, in schwierigen Situatio-<br />
nen angemessenen reagieren zu können.<br />
Da Telefoninterviews zum größten Teil computergestützt ablaufen, müssen die Bewerber<br />
EDV-Grundkenntnisse besitzen. Es werden zwar in der Interviewerschulung Anweisungen<br />
<strong>für</strong> den Umgang mit <strong>dem</strong> CATI-Programm gegeben, dennoch sollten sie im Umgang mit der<br />
83
Katja Lukanow<br />
EDV erfahren sein. Nur unter dieser Vor<strong>aus</strong>setzung ist es möglich, sich allein auf das Inter-<br />
view konzentrieren zu können.<br />
Die tatsächliche Qualität des Interviewers lässt sich meist erst während der Erhebung ein-<br />
schätzen. Erst dann können sich die Supervisoren ein Bild über die Verlässlichkeit, Disziplin,<br />
Motivation und Produktivität des Interviewers machen. Es ist ihnen möglich, die jeweilige<br />
individuelle Ausschöpfungsquote des Interviewers, Freundlichkeit und Höflichkeit im Umgang<br />
mit <strong>dem</strong> Befragten, das Protokollieren von offenen Fragen usw. zu prüfen.<br />
4.3.2 Schulung der Interviewer<br />
Bewerber, welche die nötigen Anforderungen, die während der Rekrutierung geprüft wurden,<br />
erfüllen, erhalten eine Interviewerschulung. Diese erfüllt den Zweck, die Interviewer auf die<br />
Erhebungssituation vorzubereiten.<br />
Interviewerschulungen laufen zeitlich und inhaltlich sehr unterschiedlich ab. Werden Tele-<br />
foninterviews mit Hilfe des CATI-Systems durchgeführt, müssen die Interviewer zusätzlich<br />
mit den technischen Gegebenheiten sowie mit <strong>dem</strong> programmierten Fragebogen vertraut<br />
gemacht werden. Im CATI-Labor des <strong>zsh</strong> teilt sich die Schulung der Interviewer in zwei Ty-<br />
pen: Grundschulung und umfragespezifische Schulung. 49 Während die Grundschulung den<br />
Interviewern eine Einführung in die spezifische Arbeit im Rahmen von CATI-Befragungen<br />
gibt und einmalig stattfindet, wird die umfragespezifische Schulung vor jeder neuen Befra-<br />
gung durchgeführt. Hier führt der Forscher die Interviewer in das jeweilige Befragungsthema<br />
ein und vermittelt das nötige spezifische Hintergrundwissen.<br />
Nach einem Modell von Frey/Kunz/Lüschen (1990) verläuft die Interviewerschulung in drei<br />
Phasen.<br />
In der ersten Phase findet ein allgemeines Training statt. Darin werden zum einen ganz all-<br />
gemeine Probleme und Besonderheiten des telefonischen Interviews besprochen. Dazu ge-<br />
hört in erster Linie, den Interviewern deutlich zu machen, dass es sich bei dieser Art der Be-<br />
fragung um eine Situation handelt, die allein auf den Kommunikationskanal beschränkt ist.<br />
Andererseits ist eine Einweisung in die Interviewtechniken notwendig. Dazu werden bei-<br />
spielsweise das Beachten der Wortfolge einer Frage, die Fragewiederholung, die Aus-<br />
sprache und Präsentation der Fragen oder das Proben, d.h. die möglichst neutrale Bitte um<br />
mehr Informationen, trainiert. Die Interviewer müssen lernen, einen angemessenen Konver-<br />
sationston, balancierten Rapport, zu finden. „Es muss also eine Beziehung aufgebaut wer-<br />
den, die nicht zu unvollständigen oder verzerrten Antworten anreizt, weil auf der einen Seite<br />
zu guter Rapport oder auf der anderen Seite ‚mechanischer Interviewerstil’ praktiziert wer-<br />
den.“ (Frey/Kunz/Lüschen 1990, S. 209) In dieser Phase werden die Interviewer auf ihre<br />
Rolle, welche sie in der Erhebungssituation einnehmen, vorbereitet. „Der Interviewer ist ein<br />
neutrales Medium, durch das Fragen und Antworten übermittelt werden.“ (ebenda, S. 208)<br />
Diese erste Phase kann verkürzt oder abgesetzt werden, wenn es sich um erfahrene Inter-<br />
viewer handelt. Frey/Kunz/Lüschen (1990) geben mit den „Grundlagen <strong>für</strong> die Schulung der<br />
Interviewer“ Informationen und Hilfen <strong>für</strong> die Einarbeitung von Interviewern <strong>für</strong> diese und die<br />
folgende Phase.<br />
49 Mehr dazu bei Buchwald in Kapitel 1.6 in diesem Band.<br />
84
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
In der zweiten Phase, <strong>dem</strong> studienspezifischen Training, werden die Interviewer in die anlie-<br />
gende Studie eingeweiht. Sie werden inhaltlich geschult und somit mit der Thematik vertraut<br />
gemacht. Schließlich müssen die Interviewer Grundkenntnisse zum jeweiligen Thema be-<br />
sitzen, um kompetent auf den Befragten wirken zu können. Vor allem in der Eröffnungs-<br />
phase, auch wenn diese zum größten Teil standardisiert ist, sollten die Interviewer den Be-<br />
fragten entsprechende zusätzliche Informationen geben können. Häufig wird zum Beispiel<br />
nachgefragt, wie die Telefonnummer des Befragten ermittelt wurde oder welchem Zweck die<br />
Untersuchung dient. Informationen zum Sinn und Zweck der Studie helfen <strong>dem</strong> Interviewer<br />
den Befragten von seiner Teilnahme zu überzeugen.<br />
Nach<strong>dem</strong> die inhaltlichen Aspekte der Untersuchung geklärt wurden, wird im zweiten Teil<br />
dieser Phase auf den Fragebogen selbst eingegangen. Dieser sollte möglichst der letzten<br />
Fassung entsprechen, bevor er <strong>für</strong> die Untersuchung freigegeben wird. Da<strong>für</strong> werden jede<br />
einzelne Frage und die dazugehörigen Antwortkategorien gelesen, besprochen und erläutert.<br />
Bei Telefoninterviews, die nicht computergestützt ablaufen, ist es besonders wichtig, dabei<br />
die Gabel- und Filterstrukturen des Erhebungsinstruments zu besprechen. Dies ist jedoch<br />
auch bei computergestützten Telefoninterviews nötig, damit die Interviewer einen Einblick in<br />
alle möglichen Fragenstellungen bekommen, um Unsicherheiten zu vermeiden.<br />
Nach<strong>dem</strong> der Fragebogen <strong>aus</strong>führlich besprochen und analysiert worden ist, kann er durch<br />
Rollenspiele zwischen Interviewern geprobt werden. Dazu spielt jeder Interviewer mit einem<br />
Partner den Fragebogen durch. Versucht der Interviewte dabei verschiedene Verhaltens-<br />
muster zu imitieren, beispielsweise jemanden der stets von den Fragen abweicht oder häufig<br />
einer zusätzlichen Erläuterung der Fragen bedarf, werden die Interviewer auf zukünftige<br />
Probleme während der Befragung vorbereitet. Dabei lernt der Interviewer flexibel und auf<br />
unerwartete Situationen zu reagieren. Während dieser Testphase kann das Interview <strong>für</strong><br />
auftretende Fragen unterbrochen werden und Problemen oder Verbesserungsvorschlägen<br />
nachgegangen werden.<br />
Im dritten und letzten Teil werden die Interviewer mit <strong>dem</strong> technischen Equipment vertraut<br />
gemacht. Der Umgang mit EDV und <strong>dem</strong> CATI-Programm steht dabei im Mittelpunkt. Außer-<br />
<strong>dem</strong> wird auf das allgemeine Verhalten im CATI-Labor eingegangen. Die Interviewer müssen<br />
ebenfalls wissen, an wen sie sich zu wenden haben, falls Probleme auftauchen oder wem<br />
sie Bericht erstatten müssen usw. Auch werden hier Anleitungen zum Protokollieren einzel-<br />
ner Anrufe gegeben. Das ist jedoch nur in Ausnahmefällen notwendig, wenn man mit <strong>dem</strong><br />
CATI-System arbeitet.<br />
Durch die zentrale Umfrageeinrichtung, die in der telefonischen Befragung gegeben ist, wird<br />
es möglich, die Qualität der Interviewer während der Erhebung zu kontrollieren. Stellt sich<br />
dabei her<strong>aus</strong>, dass bei einigen Interviewern Schwächen bezüglich der Ausschöpfung, Argu-<br />
mentation oder ihrem Verhalten gegenüber den Befragten auftreten, kann jederzeit eine<br />
Nachschulung stattfinden.<br />
85
Katja Lukanow<br />
4.3.3 Exkurs: Beispiel <strong>aus</strong> der Praxis<br />
Da es bisher keine festen Kriterien <strong>für</strong> die Rekrutierung und Vorgehensweisen <strong>für</strong> die Schu-<br />
lungen der Interviewer gibt, werden in der Praxis unterschiedliche Methoden angewandt.<br />
Anders (1990) schildert eine Schulungsmaßnahme, wie sie in der professionellen Markt- und<br />
Meinungsforschung durchgeführt wurde (vgl. Anders 1990).<br />
Eine erste Entscheidung bezüglich der Eignung eines Interviewers <strong>für</strong> telefonische Befra-<br />
gungen wird bei einer telefonischen Bewerbung getroffen. Während dieses Telefon-<br />
gesprächs wird bereits auf die Stimme, das Sprechtempo und einen eventuellen Dialekt<br />
geachtet. Schätzt man den Bewerber als geeignet ein, bekommt er einen Personalbogen zu-<br />
gesandt und wird zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Erweist er sich darin als<br />
kompetent, lässt ihm das Unternehmen schriftliche Schulungsunterlagen zukommen, welche<br />
in einer folgenden <strong>aus</strong>führlichen Grundschulung erläutert werden. Dort erhalten sie Informa-<br />
tionen über die erforderlichen Fähigkeiten und Tätigkeiten eines Interviewers. Vertieft werden<br />
die Inhalte durch Einweisungstagungen und praktische Beispiele, in denen Muster <strong>für</strong> richti-<br />
ges und falsches Vorgehen und deren Auswirkungen besprochen werden. Anhand von Test-<br />
fragebögen und Übungen an CATI-Interviews, werden die Kompetenzen der Interviewer<br />
nochmals geprüft. Erscheint der Interviewer auch hier als geeignet, folgt die Einweisung und<br />
inhaltliche Schulung <strong>für</strong> das jeweilige Projekt. Die Abbildung 31 veranschaulicht die Prozesse<br />
der Rekrutierung und Schulung von Telefoninterviewern, wie sie bei der Firma Infratest<br />
durchgeführt werden.<br />
86
Abbildung 31: Rekrutierung und Schulung der Interviewer<br />
laufende Kontrolle<br />
Fehler oder<br />
Schwächen?<br />
Bewerbungsablauf und Grundschulung von Telefoninterviewern<br />
Quelle: Anders (1990), S. 432.<br />
Ja<br />
Bewerbung am Telefon<br />
- Stimme<br />
- Sprechtempo<br />
- Dialekt<br />
Geeignet<br />
Ja<br />
Personalbogen<br />
Vorstellungsgespräch<br />
Geeignet<br />
Ja<br />
Schulungsunterlagen<br />
Grundschulungstagung<br />
Geeignet<br />
Ja<br />
Projekteinweisung<br />
Interview<br />
Nachschulung<br />
Nein<br />
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
Nein<br />
Absage<br />
Absage-Brief<br />
Nein Absage-Brief<br />
87
Katja Lukanow<br />
Neben der Rekrutierung neuer Interviewer wird der bestehende Interviewerstab ständig wei-<br />
tergeschult. Um eine hohe Interviewerqualität und somit auch Datenqualität zu erzielen,<br />
werden die Interviewer während der Erhebung ständig kontrolliert. Dies erfolgt nach drei<br />
Kriterien:<br />
88<br />
1 nach der Effektivität anhand der Interviews pro Stunde,<br />
2 hinsichtlich der realisierten Ausschöpfung der ihnen zugewiesenen Interviews und<br />
3 durch eine Note von zwei Supervisoren <strong>für</strong> die Interviewqualität.<br />
Erfüllt ein Interviewer die vor<strong>aus</strong>gesetzten Anforderungen nicht bzw. liegt er unter <strong>dem</strong><br />
Durchschnitt des Interviewerstabes, wird eine Nachschulung angeordnet.<br />
Abbildung 32: Die Qualitätskontrolle der Telefoninterviewer<br />
Interviews<br />
Supervisor 1<br />
laufende Kontrolle<br />
Fehler oder<br />
Schwächen?<br />
Anzahl pro<br />
Stunde<br />
Ausschöp<br />
fung<br />
Supervisor 2<br />
laufende Kontrolle<br />
Qualität Qualität<br />
Ja<br />
Nachschulung<br />
Quelle: Anders (1990), S. 434.<br />
Nein<br />
Note<br />
Ausschöpfung<br />
Note<br />
Effektivität<br />
Note<br />
Interview-<br />
Qualität<br />
Ende<br />
Datenbank Telefon-Interviewer<br />
Bevölkerung Industrie Ärzte<br />
Note unter <strong>dem</strong><br />
Schnitt des Stabes
4.4 Resümee<br />
Interviewereffekte im Telefoninterview<br />
Das Telefoninterview hat sich in den letzten Jahren zu einer eigenständigen und gleichwerti-<br />
gen Erhebungsform neben persönlichen und schriftlichen Befragungen entwickelt und stellt<br />
als relativ neue Erhebungsart auch ganz neue Anforderungen an die Forscher und vor allem<br />
an die Interviewer. Anlass gibt unter anderen die Erhebungssituation, die sich durch die Be-<br />
schränkung auf den akustischen Kommunikationskanal charakterisiert. Die Kommunikation<br />
zwischen den am Interview beteiligten Akteuren, verläuft <strong>aus</strong>schließlich über die Stimme.<br />
Das Wegfallen aller äußerlichen Stimuli, bringt den Vorteil mit sich, dass äußere Intervie-<br />
wermerkmale, die in persönlichen Befragungen die Antworten der Befragten beeinflussen<br />
können, <strong>aus</strong>geblendet werden. Infolgedessen kommt der Stimme eine erhebliche Bedeutung<br />
zu. Sie gehört untrennbar zum Erscheinungsbild und zum Auftreten einer Person, denn die<br />
Stimme und die Sprache stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Persönlichkeit.<br />
Über die Stimme werden Persönlichkeitsmerkmale, wie Geschlecht und Alter, und vor allem<br />
auch Persönlichkeitseigenschaften, wie Selbstbewusstsein und Kompetenz, transportiert.<br />
Stimmeigenschaften und rhetorische Fähigkeiten können das Befragtenverhalten im starken<br />
Maße beeinflussen. Untersuchungen ergaben, dass eine entspannte Stimmlage, eine gute<br />
Modulation, eine relativ schnelle Sprechgeschwindigkeit sowie eine angemessene Laut-<br />
stärke einen positiven, kompetenten und vertrauenswürdigen Eindruck beim Befragten hin-<br />
terlassen. Die Stimme muss klar und verständlich sein und möglichst ohne Akzent. Diese<br />
Anforderungen sind Vor<strong>aus</strong>setzung <strong>für</strong> die Zustimmung des Befragten zur Teilnahme an der<br />
Befragung und zur Vermeidung von Verweigerungen sowie Abbrüchen im Verlauf eines<br />
Interviews.<br />
Während der computergestützten telefonischen Befragung werden <strong>dem</strong> Interviewer eine<br />
Reihe von Aufgaben abgenommen. Dadurch können vom Interviewer <strong>aus</strong>gehende Fehler bei<br />
der Administration des Fragebogens minimiert werden.<br />
Durch den zentralisierten Interviewereinsatz kann die Arbeit der Interviewer kontrolliert und<br />
die Effekte analysiert werden. Weitere Untersuchungen und Analysen solcher Intervieweref-<br />
fekte sind jedoch in Zukunft noch notwendig, um das Ausmaß dieser Einflüsse einschätzen<br />
zu können. Somit hätte man die Möglichkeit, bei der Rekrutierung und Schulung der Inter-<br />
viewer nach eindeutigeren Kriterien vorzugehen.<br />
89
Ralf Schünemann<br />
Ralf Schünemann<br />
5 Schreiben <strong>für</strong>s Sprechen/Sprechdenken vs. Hörverstehen<br />
5.1 Ein sprechwissenschaftlicher Impuls <strong>für</strong> die Arbeit im CATI-Labor<br />
Grundlage <strong>für</strong> diesen Artikel sind Vorträge am <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> Halle e.V. (<strong>zsh</strong>)<br />
sowie im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 580 der Universitäten Halle und Jena, in<br />
denen ich versucht habe, der Arbeit im CATI-Labor – insbesondere <strong>dem</strong> FORMULIEREN DER<br />
FRAGEBÖGEN <strong>für</strong> telefonische Befragungen – <strong>aus</strong> der Sicht der Sprechwissenschaft einen<br />
Impuls zu geben.<br />
Die Ergebnisse <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> jeweils angeschlossenen Meinungs<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch sowie die Erfah-<br />
rungsberichte der Supervisoren bzw. Interviewer werden in diesen Ausführungen berück-<br />
sichtigt, so dass nicht alle Vortragsinhalte einfließen. Auch über diesen Artikel hin<strong>aus</strong> hoffe<br />
ich auf eine rege Auseinandersetzung und Diskussion.<br />
Die wissenschaftliche Disziplin Sprechwissenschaft und Phonetik und ihre Auseinanderset-<br />
zung mit den Facetten der verbalen Kommunikation liefern immer wieder <strong>für</strong> die unterschied-<br />
lichsten Tätigkeitsfelder Anregungen. Die theoretische Basis <strong>für</strong> den Impuls an die Arbeit im<br />
CATI-Labor basiert auf der Grundlage einer SPRECHWISSENSCHAFTLICHEN (sog. ‚Höheren’)<br />
LESELEHRE – einer Theorie und Didaktik des Vorlesens. „Unter Vorlesen versteht man in der<br />
Sprechwissenschaft eine Form reproduzierenden Sprechdenkens: einen Prozess, bei <strong>dem</strong><br />
eine adäquate Schallform […] <strong>für</strong> eine gegebene Sprachgestalt […] entwickelt wird, so daß<br />
eine Sinnintention <strong>aus</strong>gedrückt werden kann, die <strong>für</strong> diese Textgestalt möglich ist“ (Guten-<br />
berg 2000a, S. 405).<br />
Die Tätigkeit eines Interviewers, der mit <strong>dem</strong> CATI-System arbeitet, beinhaltet zu einem<br />
großen Teil das Vorlesen. Im Rahmen dieses Artikels möchte ich in Anlehnung an die Er-<br />
kenntnisse <strong>aus</strong> der ‚Höheren Leselehre’ eine Hilfestellung aufzeigen, wie eine vorgegebene<br />
Sprachgestalt aufgelöst und somit vermündlicht werden könnte, um die Arbeit der Interviewer<br />
zu vereinfachen. Meine Intention ist in diesem Zusammenhang nicht die wissenschaftliche<br />
Diskussion der Thematik – Leselehre wird auch innerhalb der Sprechwissenschaft kontro-<br />
vers diskutiert (vgl. Apel 2005, S. 28 ff.) – sondern die Vorstellung eines präzisen Ansatzes,<br />
um den Eröffnungsbildschirm <strong>für</strong> ein Telefoninterview ‚aufzuräumen’. Die Beschränkung auf<br />
Textb<strong>aus</strong>teine der Eröffnungs- und Zwischensequenzen erscheint sinnvoll, da hier die we-<br />
sentlichen Schwierigkeiten des CATI-Interviews liegen. Der hauptsächliche Anteil, d. h. die<br />
Bildschirme mit Fragen und Antworten, lassen sich in ihrer Sprachgestalt auf Grund des An-<br />
spruchs der Vergleichbarkeit der einzelnen Interviews nicht auflösen.<br />
Meines Erachtens besteht die hauptsächliche Schwierigkeit eines CATI-Interviews in der<br />
Kontaktaufnahme mit ‚outbound-Charakter’, d.h. der Gesprächspartner ist nicht vorinformiert<br />
(sog. Kaltaquise). Das Ziel einer effektiven Kommunikation zu Beginn ist somit die schnellst-<br />
mögliche Klärung, ob der potentielle Gesprächspartner an der Befragung teilnehmen möchte<br />
90
Schreiben <strong>für</strong>s Sprechen/Sprechdenken vs. Hörverstehen<br />
oder nicht. Die Aufgabe des Interviewers ist es, ihn über die Befragung zu informieren, so<br />
dass der Gesprächspartner überzeugt – im Gegensatz zu überredet – teilnimmt.<br />
Insbesondere in Zeiten, da sich ‚Telefonmarketing’ allgemein keiner großen Beliebtheit er-<br />
freut, sollte sich der wissenschaftliche Anspruch bzw. die entsprechende Referenz schon in<br />
der Kontaktaufnahme niederschlagen. Ich meine damit, dass der Interviewer in der Lage ist,<br />
ruhig, souverän und kompetent über Art und Zielsetzung der Studie zu informieren und <strong>dem</strong><br />
Gesprächspartner eine mögliche Motivation zur Teilnahme an der Befragung zu liefern. In<br />
einem sprechwissenschaftlichen Verständnis von Sprech<strong>aus</strong>druck und den zugehörigen<br />
Rollen ist Sachlichkeit das vorrangige Ziel.<br />
Ein Weg, um dieses Ziel der Sachlichkeit und ein damit verbundenes höheres Maß an<br />
HÖRVERSTÄNDLICHKEIT zu erreichen besteht darin, an den Punkten Sprach- und Sprechge-<br />
stalt anzusetzen. Beide Aspekte – das Schreiben und das Sprechen – folgen festen Regeln<br />
(Text- bzw. Prosodieregeln), deren Ziele als Sprechbarkeit bzw. Leseverständlichkeit und<br />
Sinnvermittlung bzw. Hörverständlichkeit bezeichnet werden. Die folgende Abbildung ver-<br />
deutlicht die einzelnen Einflussfaktoren auf die Hörverständlichkeit (vgl. Bose 2003, S. 55 f.).<br />
Abbildung 33: Einflussfaktoren auf die Hörverständlichkeit<br />
HÖRVERSTÄNDLICHKEIT<br />
Folgende Fragen werde ich nun erörtern, um eine Lösungsmöglichkeit <strong>für</strong> die Problematik<br />
der ‚künstlichen Mündlichkeit’ 50 , zu zeigen:<br />
1. Wie sollte <strong>für</strong>s Sprechen geschrieben werden?<br />
2. Wie kann die entstandene Sprachgestalt aufgelöst werden?<br />
3. Wie spricht man <strong>für</strong>s Hören?<br />
Vielleicht ist das Phänomen bekannt, dass ein Text laut (vor)gelesen werden soll und der<br />
Inhalt am Ende nur unsicher wiedergeben werden kann. In diesem Moment wurde der Text<br />
vermutlich ‚nur reproduziert aber nicht mitgedacht’ – ein Defizit, das bei spontanen Äußerun-<br />
gen seltener zu beobachten ist. An dieser Stelle ist es nun notwendig, die Begriffe SPRECH-<br />
DENKEN UND HÖRVERSTEHEN kurz zu erläutern. „Forschungen zu Hörverstehen und<br />
50 d. h. ein vorgegebener Text wird lediglich verbal reproduziert<br />
TEXT<br />
SPRECHER<br />
HÖRER<br />
91
Ralf Schünemann<br />
Sprachplanung sind außerordentlich schwierig, weil diese Prozesse zwar real aber<br />
intrapsychisch ablaufen, also der Beobachtung nicht unmittelbar zugänglich sind“ (Bose<br />
2003, S. 59).<br />
Der Sprechwissenschaftler Norbert Gutenberg definiert im Metzler-Lexikon-Sprache diese<br />
Modellvorstellungen wie folgt: „SPRECHDENKEN: In der Sprechwissenschaft und der Sprech-<br />
erziehung übl. Bez. <strong>für</strong> die psych. Vor<strong>aus</strong>setzungen und Planungen von konkreten sprachl.<br />
Äußerungen. Diese Vor<strong>aus</strong>setzungen und Planungsprozesse sind direkter Beobachtung<br />
nicht zugängl.; der Ausdruck Sprechdenken bezeichnet folglich Modelle von bzw. Hypothe-<br />
sen über diese(n) Vorgänge(n). […] (Gutenberg 2000b, S. 680 f.)<br />
Der Komplementärprozeß zum Sprechdenken ist das HÖRVERSTEHEN, eine Einheit von audi-<br />
tiver Perzeption des geäußerten Sprechschalls, von Verstehen des Gesagten […] auf der<br />
Grundlage von Hörmustern und Verstehen des Gemeinten. […] Ihr Gelingen hängt im<br />
wesentl. davon ab, daß Sprech- und Hörmuster beider Kommunikationspartner komple-<br />
mentär sind. Sprechdenken und Hörverstehen sind Elementarprozesse, die sowohl als<br />
Sprechoperationen als auch als Sprechhandlungen vollzogen werden, also alle Stufen von<br />
perzeptivem Hören und reflektor. Sprechen bis zu Hörhandeln und Sprechdenkhandeln<br />
einnehmen können“ (Gutenberg 2000b, S. 680 f.).<br />
Zielsetzung ist es also, den Prozess des Sprechdenkens auch beim Vorlesen zu aktivieren<br />
und somit den parallelen Vorgang des Hörverstehens zu unterstützen.<br />
Beim Schreiben <strong>für</strong> das Sprechen ist die Satzlänge das zentrale Hindernis. Eine mögliche<br />
Regel könnte lauten: ‚Schreiben Sie kurze Sätze!’. Da unsere Spontansprache im Durch-<br />
schnitt <strong>aus</strong> sechs Wörtern pro Äußerung besteht und bis zu 13 Wörter pro Äußerung noch<br />
als leicht verständlich eingestuft werden, könnte die Regel – entsprechend erweitert – lauten:<br />
‚Schreiben Sie Sätze mit 6-13 Wörtern!’.<br />
Die Größe ‚Satz’ ist im Zusammenhang mit verbaler Kommunikation jedoch problematisch,<br />
da es sich bei unseren verbalen Äußerungen nicht immer um grammatikalisch vollständige<br />
Sätze handelt. Ebenso verdeutlicht das folgende Beispiel, dass die formulierten Regeln nicht<br />
weit genug greifen. Beide der folgenden Sätze bestehen <strong>aus</strong> acht Wörtern; lassen sich aller-<br />
dings unterschiedlich gut vorlesen:<br />
92<br />
Ich sah wie ein Blitz den Baum traf.<br />
Der Schnellzugzuschlagsverkauf im fahrenden Reisezug sollte unterbunden<br />
werden.
Schreiben <strong>für</strong>s Sprechen/Sprechdenken vs. Hörverstehen<br />
Die Schritte zur Auflösung bzw. Vermündlichung der Sprachgestalt möchte ich nun an einem<br />
konkreten Beispiel <strong>aus</strong> einer CATI-Befragung 51 erläutern. Dem Interviewer wurde im Eröff-<br />
nungsbildschirm u. a. folgender Textb<strong>aus</strong>tein angeboten:<br />
[…] Wir führen im Auftrag des Bundesministeriums <strong>für</strong> Bildung und For-<br />
schung eine wissenschaftliche Studie bei allen Bildungs- und Maßnahmeträ-<br />
gern in den neuen Bundesländern und Berlin zum Thema: „Ostdeutsche Ju-<br />
gendliche an der ersten und zweiten Schwelle“ durch.<br />
Umfang und Gliederung dieses Satzes würden in einem wissenschaftlichen Umfeld nicht<br />
beanstandet werden. Versucht man aber diesen Satz einmal laut (vor)zulesen, so sind die<br />
Schwierigkeiten offensichtlich. Es wird deutlich, dass dieser Satz im Grunde <strong>aus</strong> drei inhaltli-<br />
chen Mitteilungen besteht. Folgende Dreiteilung ist meines Erachtens ohne Informationsver-<br />
lust möglich:<br />
Im Auftrag des Bundesministeriums <strong>für</strong> Bildung und Forschung führen wir<br />
eine wissenschaftliche Studie durch.<br />
Befragt werden Bildungs- und Maßnahmeträger in den neuen<br />
Bundesländern und Berlin.<br />
Das Thema ist: ‚Ostdeutsche Jugendliche an der ersten und zweiten<br />
Schwelle’.<br />
Mit dieser Aufteilung hat nun eine erste Annäherung an eine ‚künstliche Mündlichkeit’ statt-<br />
gefunden und kann mit der weiteren Auflösung der Sprachgestalt noch fortgeführt werden.<br />
Das in meinen Vorträgen an dieser Stelle vorgestellte und auch in der sprechwissenschaftli-<br />
chen Leselehre diskutierte Prinzip der TREPPENMETHODE (vgl. Geißner 2000, S. 173 ff.) hat<br />
sich in der Praxis und speziell <strong>für</strong> die technischen Möglichkeiten in der CATI-Software nicht<br />
bewährt und soll daher hier nicht mit aufgegriffen werden. Allerdings ähnelt die ‚simple’<br />
AUFLÖSUNG DER AUSSAGEN NACH STICHPUNKTEN dieser Methode und scheint mir als Kom-<br />
promiss ebenso erfolgreich. Es unterstützt ebenfalls die Prozesse des Sprechdenkens und<br />
Hörverstehens.<br />
Mögliche STICHPUNKTE <strong>für</strong> das von mir <strong>aus</strong>gewählte Beispiel könnten folgende sein:<br />
- Auftrag: Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung<br />
- Wer?: Bildungs- und Maßnahmeträger<br />
- Wo?: Neue Bundesländer und Berlin<br />
- Thema: ‚Ostdeutsche Jugendliche an der ersten und zweiten Schwelle’<br />
Es findet eine ‚Rücksichtnahme’ auf den Hörer und auf den Interviewer gleichermaßen statt.<br />
Der Interviewer ist aufgefordert ‚mitzudenken’ und aktiv Äußerungen zu formulieren, die <strong>für</strong><br />
den Gesprächspartner natürlicher klingen und leichter verständlich sind.<br />
51 Diese CATI-Befragung von Bildungs- und Maßnahmeträgern in den neuen Bundesländern und Berlin war<br />
Bestandteil eines Projektes im Auftrag des Bundesministeriums <strong>für</strong> Bildung und Forschung zum Thema: „Ostdeutsche<br />
Jugendliche an der ersten und zweiten Schwelle“.<br />
93
Ralf Schünemann<br />
Eine solche Präsentation bietet sich <strong>für</strong> alle Informationen an, die <strong>dem</strong> Interviewer im Eröff-<br />
nungsbildschirm oder in überleitenden Zwischenbildschirmen zur Verfügung gestellt werden<br />
müssen, damit dieser seinen Gesprächspartner überzeugen kann und <strong>aus</strong>reichende<br />
Argumentationshilfen hat. Der Interviewer kann sich Argumente bzw. Informationen <strong>aus</strong>-<br />
wählen, auf Höreräußerungen gezielt reagieren, mit seinen Denk- und Planungsp<strong>aus</strong>en den<br />
Prozess des Hörverstehen erleichtern und diese P<strong>aus</strong>en in Hinblick auf Stimmhygiene 52 als<br />
Atemp<strong>aus</strong>en nutzen. Letztlich schildern Erfahrungsberichte der Interviewer, die ich in <strong>dem</strong><br />
Seminar ‚Sprecherziehung <strong>für</strong> CATI-Interviewer’ gehäuft sammeln konnte, dass diese den<br />
vorgegebenen Text mit steigender Routine verlassen und unbewußt mit Stichpunkten<br />
arbeiten oder sich diese sogar extra notieren. Der Gesprächspartner auf der anderen Seite<br />
kann jederzeit ‚höflich’ Unterbrechen und ist nicht einem Monolog und der häufig damit<br />
verbundenen ‚typischen’ Melodieführung des Interviewers <strong>aus</strong>gesetzt.<br />
Ich möchte die Möglichkeit noch anhand der klassischen Gesprächseröffnung 53 illustrieren.<br />
Die bisherige Präsentation steht einer in ihrer Sprachgestalt aufgelösten gegenüber:<br />
94<br />
Guten Tag. Mein Name ist …vom <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> <strong>Sozialforschung</strong> an der<br />
Martin-Luther-Universität Halle.<br />
- Tagesgruß<br />
- <strong>zsh</strong> - MLU<br />
- Vor-, Zuname<br />
Abschließend möchte ich nun noch kurz den sprecherischen Vorteil beim Umgang mit Stich-<br />
punkten erläutern. Eine Untersuchung von Gutenberg (1994, S. 26 ff.) hat die wesentlichen<br />
Unterschiede zwischen spontanem und gelesenem Sprechen verdeutlicht. Ein Anstieg der<br />
Betonungen ist signifikant und insbesondere beim Vorlesen von Märchen <strong>für</strong> Kinder gut zu<br />
beobachten (‚Märchenton’). Das spontane Sprechen lenkt durch reduzierte Betonungen die<br />
Aufmerksamkeit unbewusst auf das Wesentliche der Aussage (vgl. Abbildung 34).<br />
Die Tendenz zur Steigerung der Betonungen hat den ‚charakteristischen Call-Center-Klang’<br />
zur Folge und erschwert das Hörverstehen. Eine mögliche Diskussion könnte an dieser<br />
Stelle die Frage sein: Was schreckt am Telefon eher ab – der Inhalt oder die Form? Vermut-<br />
lich verhindert diese typische Form (‚Singsang’) das Einlassen auf den Inhalt. Auch in die-<br />
sem Aspekt bedingt die Darbietung der Informationen in Form von Stichpunkten ein höheres<br />
Maße an ‚spontaner Betonung’.<br />
52 Der Aspekt der Stimmhygiene am Telefon sei in diesem Zusammenhang nur am Rande erwähnt. Es wäre<br />
durch<strong>aus</strong> denkbar diesem Thema einen eigenständigen Artikel zu widmen.<br />
53 Wie schon der Aspekt der Stimmhygiene ist auch eine umfassendere Diskussion von Begrüßung bzw. Namensnennung<br />
– Vor- und Zuname, Nennung vor/nach der Institution – vorstellbar.
Abbildung 34: Spontanes vs. gelesenes Sprechen<br />
Spontan Gelesen<br />
Schreiben <strong>für</strong>s Sprechen/Sprechdenken vs. Hörverstehen<br />
- 250 Silben pro Minute - 295 Silben pro Minute<br />
- 6 Sekunden pro Satz - 20 Silben pro Satz<br />
- 1-2 Betonungen pro Satz - 6-13 Betonungen pro Satz<br />
Es wäre sogar denkbar, bei z. B. schwierigen Begriffen durch eine Notation eine Hilfestellung<br />
anzubieten. Das klassische Notationsprinzip der ‚Höheren Leselehre’ (vgl. Winkler 1973)<br />
oder das Notationssystem nach Eberhardt Stock (1998) erscheinen in diesem Zusammen-<br />
hang zu umfangreich. Meines Erachtens ist allein die Markierung der wesentlichen Inhalte<br />
<strong>aus</strong>reichend. Technisch ließe sich das mit der CATI-Software in Form von Unterstreichung<br />
oder Fettdruck umsetzen. Für die von mir angeführten Beispiele würde sich folgende Um-<br />
setzung ergeben:<br />
5.2 Fazit<br />
- Auftrag: Bundesministerium <strong>für</strong> Bildung und Forschung<br />
- Wer?: Bildungs- und Maßnahmeträger<br />
- Wo?: Neue Bundesländer und Berlin<br />
- Thema: ‚Ostdeutsche Jugendliche an der ersten und zweiten Schwelle’<br />
- Tagesgruß<br />
- <strong>zsh</strong> - MLU<br />
- Vor-, Zuname<br />
Der vorliegende Artikel versucht zu zeigen, dass eine pragmatische Auflösung von<br />
komplexen Textb<strong>aus</strong>teinen in Stichpunkte ein höheres Maß an Sprechbarkeit und Verstehen<br />
auf der Seite des Gesprächspartners zur Folge haben kann. Die Erkenntnisse <strong>aus</strong> der<br />
sprechwissenschaftlichen Leselehre haben sich bisher hauptsächlich in der Produktion und<br />
Präsentation von Hörfunknachrichten niedergeschlagen. Vielleicht ermöglicht der Beitrag<br />
diesbezüglich auch einen Eingang in die <strong>Sozialforschung</strong>, speziell im Rahmen von<br />
computerassistierten Telefoninterviews.<br />
95
Literatur<br />
6 Literatur<br />
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101
Die Autorinnen und Autoren<br />
7 Die Autorinnen und Autoren<br />
Christina Buchwald, geb. 1964, Diplomsoziologin, Studium der Soziologie an der Martin-<br />
Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin des <strong>zsh</strong>.<br />
Arbeitsschwerpunkte: wissenschaftliche und organisatorische Betreuung des CATI-Labors.<br />
Christian Koll, geb. 1972, Diplomsoziologe, Studium der Soziologie an der Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg. Von 2001 bis 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter des <strong>zsh</strong>.<br />
Arbeitsschwerpunkte: wissenschaftliche und organisatorische Betreuung des CATI-Labors,<br />
Seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Sonderforschungsbereiches 580 am Institut <strong>für</strong><br />
Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Teilprojekt A4: „Lokale<br />
politisch-administrative Eliten - Lebensverläufe zwischen Kontinuität und Neupositionierung“.<br />
Katja Lukanow, geb. 1978, Diplomsoziologin, Studium der Soziologie an der Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg. Seit 2005 wissenschaftliche Mitarbeiterin des <strong>zsh</strong>. Arbeits-<br />
schwerpunkte: wissenschaftliche und organisatorische Betreuung des CATI-Labors.<br />
Ralf Schünemann, geb. 1973, Diplomsprechwissenschaftler, Studium der Sprechwissen-<br />
schaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2004 Tätigkeit als studentische<br />
Hilfskraft im CATI-Labor des <strong>zsh</strong>. Arbeitsschwerpunkte: organisatorische Betreuung des<br />
CATI-Labors und Schulung der Interviewer zum Thema: „Sprechwissenschaftliche Einfüh-<br />
rung <strong>für</strong> das Arbeiten im CATI-Labor“.<br />
102
Bisher veröffentlichte „<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong>“<br />
8 Bisher veröffentlichte „<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong>“<br />
Ketzmerick, Thomas (2001): Ostdeutsche Frauen mit instabilen Erwerbsverläufen am<br />
Beispiel Sachsen-Anhalt. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 01-1.<br />
Lutz, Burkart (2001): Im Osten ist die zweite Schwelle hoch. Fehlende Arbeitsplätze und<br />
Nachwuchsstau vor den Toren des Arbeitsmarktes. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>zsh</strong> 01-2.<br />
Böttcher, Sabine; Meier, Heike; Wiener, Bettina (2001): Alters- und Qualifikationsstruktur in<br />
der ostdeutschen Industrie am Beispiel der Chemie. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>zsh</strong> 01-3.<br />
Meier, Heike; Pauli, Hanns; Wiener, Bettina (2002): Der Nachwuchskräftepool als<br />
Sprungbrett in Beschäftigung. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 02-1.<br />
Neue Aufgaben an der Schnittstelle von Ingenieur- und Sozialwissenschaften -<br />
Dokumentation eines Dialogs - Redaktion: Burkart Lutz, Heike Meier, Bettina Wiener.<br />
<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 02-2.<br />
Grünert, Holle; Lutz, Burkart; Wiekert, Ingo (2002): Betriebliche Erst<strong>aus</strong>bildung in Sachsen-<br />
Anhalt. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 02-3.<br />
Grünert, Holle; Steiner, Christine (2002): Geförderte Berufs<strong>aus</strong>bildung in Ostdeutschland –<br />
Materialien <strong>aus</strong> der Forschung. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 02-4.<br />
Meier, Heike; Weiß, Antje; Wiener, Bettina (Red.) (2002): Generationen<strong>aus</strong>t<strong>aus</strong>ch in<br />
industriellen Unternehmensstrukturen. Dokumentation zum Forschungs-Praxis-<br />
Kolloquium „Personal und Führung“ am 22. Oktober in Chemnitz. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 02-5.<br />
Lutz, Burkart; Meier, Heike, Wiener, Bettina (2003): Personalstrukturerhebung 2002.<br />
<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 03-1.<br />
Steiner, Christine; Böttcher, Sabine; Prein, Gerald; Terpe, Sylvia (2004): Land unter.<br />
Ostdeutsche Jugendliche auf <strong>dem</strong> Weg ins Beschäftigungssystem. <strong>Forschungsberichte</strong><br />
<strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 04-1.<br />
Wiener, Bettina; unter Mitarbeit von Richter, Thomas; Teichert, Holger (2004): Abschätzung<br />
des Bedarfs landwirtschaftlicher Fachkräfte unter Berücksichtigung der <strong>dem</strong>ographischen<br />
Entwicklung (Schwerpunkt neue Bundesländer). <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 04-2.<br />
Meier, Heike (Hg.) (2004): Kompetenzentwicklung in deutschen Unternehmen. Formen,<br />
Vor<strong>aus</strong>setzungen und Veränderungsdynamik – Dokumentation zur Fachtagung am 23.<br />
Juni 2004 in Halle. <strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 04-3.<br />
Kompetenzentwicklung in Unternehmen – Ergebnisse einer Betriebsbefragung.<br />
<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 05-1.<br />
Lutz, Burkart; Wiener, Bettina (Red.) (2005): Ladenburger Diskurs. Personalmanagement<br />
und Innovationsfähigkeit in kleinen und mittelständischen Unternehmen.<br />
<strong>Forschungsberichte</strong> <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>zsh</strong> 05-2.<br />
103