Das Magazin für Vermögen, Sinn und Glück - avesco Financial ...
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ESTSPIELHAUS<br />
AFRIKA<br />
WIE ÜBERLEBT EINE IDEE IHREN VISIONÄR?<br />
Am besten lässt sich das Thema geistiges Erbe an<br />
einem absolut irren Beispiel verdeutlichen. Der Theatermacher<br />
Christoph Schlingensief hatte die verrückte<br />
Vision, mitten in Afrika ein Festspielhaus zu bauen.<br />
Bereits schwer an Lungenkrebs erkrankt, reist Schlingensief<br />
durch den Kontinent, um den richtigen Ort <strong>für</strong><br />
seine Oper zu finden. Vierzig Kilometer östlich von Ouagadougou<br />
fand er den richtigen Hügel <strong>und</strong> begann<br />
- zusammen mit dem Architekten Francis Kéré - seine<br />
Ideen umzusetzen. Gr<strong>und</strong>satz der Vision ist der Blick<br />
der Menschen in Burkina, sagt seine Weggefährtin<br />
Aino Laberenz.<br />
Ohne richtig <strong>und</strong> falsch<br />
„Es ging Christoph nicht darum, noch eine weitere<br />
Idee nach Afrika zu bringen, sondern die Möglichkeit<br />
zu schaffen, dass die Menschen in Burkina ihr eigenes<br />
Bild formulieren <strong>und</strong> produzieren“, sagt Laberenz. Tatsächlich<br />
sind neunzig Prozent aller Bilder, die wir in<br />
Deutschland von Afrika sehen, nicht von Afrikanern<br />
produziert. Schlingensief wollte, dass unsere Sicht<br />
auf Afrika nicht gleich unser Afrika ist. Zum <strong>Sinn</strong>bild<br />
dieser Haltung wurden die Fotos von Kindern, denen<br />
Schlingensief Einwegkameras in die Hand drückte <strong>und</strong><br />
sie bat, ihre Umgebung zu fotografieren. Ohne richtig<br />
<strong>und</strong> falsch.<br />
<br />
eine Plattform <strong>für</strong> Begegnungen zwischen Kunst <strong>und</strong><br />
Leben sein. Ein Ort, an dem sich Kulturen begegnen,<br />
ohne zu urteilen oder zu bewerten“, erklärt Frau Laberenz.<br />
Drumherum sollte ein ganzes Dorf mit Schule,<br />
Krankenstation <strong>und</strong> Wohnhäusern entstehen.<br />
Was passiert, wenn der Antreiber eines Tages<br />
nicht mehr da ist?<br />
Bereits nach der Gr<strong>und</strong>steinlegung verstarb Schlingensief<br />
<strong>und</strong> Laberenz erzählt davon, wie die Ur-Vision<br />
8<br />
<strong>Sinn</strong>stiftendes<br />
laufen lernte. Laberenz begleitet als Geschäftsführerin<br />
der gemeinnützigen Operndorf GmbH die Bauarbeiten,<br />
die sie regelmäßig dem wachsenden Kreis von Unterstützern<br />
präsentiert. Von Anfang an dabei sind Kéré,<br />
Kunstförderer <strong>und</strong> Rechtsanwalt, Peter Raue, Amelie<br />
Deuflhard, Intendantin der Kampnagel Fabrik in Hamburg,<br />
die Künstleragentin Claudia Kaloff, Matthias Lilienthal,<br />
Intendant Theater der Welt Mannheim <strong>und</strong><br />
Antje Vollmer, Grünen Politikerin <strong>und</strong> ehemalige Vizepräsidentin<br />
des B<strong>und</strong>estages. Es ist auch gelungen,<br />
den ehemaligen B<strong>und</strong>espräsidenten Horst Köhler als<br />
Schirmherr zu gewinnen.<br />
Die schönste Opernmelodie<br />
Inzwischen ist die Schule eröffnet, eine Kantine erbaut<br />
<strong>und</strong> bald werden auch die Häuser <strong>für</strong> die Lehrer bereitstehen<br />
<strong>und</strong> ein Künstlergremium aus Burkina arbeitet<br />
am Kulturprogramm. „<strong>Das</strong> Geld ist <strong>für</strong> das nächste Betriebsjahr<br />
vorhanden“, sagt Peter Raue. Und irgendwann<br />
wird es auch ein Festspielhaus geben. Aber zunächst<br />
wird die Krankenstation fertiggestellt, „denn<br />
wenn dort ein Kind geboren wird, ist sein erster Schrei<br />
doch die schönste Opernmelodie“, sagt Laberenz auf<br />
einer Pressekonferenz.<br />
Der Tod des Visionärs ist Programm<br />
„Christophs Vision war eine sehr weitsichtige. Eine<br />
sehr Reale, die immer das Leben mit einbezogen hat.<br />
Er konnte sich auf Land <strong>und</strong> Menschen einlassen <strong>und</strong><br />
hatte nie versucht, seine Vision als absolut darzustellen“,<br />
weist Laberenz darauf hin, wie Authentizität die<br />
Überlebenschance einer Idee sein kann. Vielleicht können<br />
Unternehmer vom Geist Schlingensiefs lernen,<br />
sich zurückzunehmen <strong>und</strong> zuzulassen, dass eine Vision<br />
von denen weiterentwickelt werden kann, <strong>für</strong> die sie<br />
ursprünglich gedacht gewesen ist.<br />
© PerfectShotFilms