Folien zum Vortrag - DIJuF
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Vormundschaft<br />
– eine Zeitreise<br />
Bundesforum Vormundschaft<br />
Dr. Thomas Meysen<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht<br />
(<strong>DIJuF</strong>) e.V.<br />
Dresden, 1.-3. Dezember 2010<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Zeitreise<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Antike<br />
500 v. Chr: attisches Recht<br />
Vormundschaft <strong>zum</strong> Schutz von Waisen<br />
rechtliche Vertretung und Sorge um das Wohl<br />
familiäre Angelegenheit und Männersache<br />
Archon entscheidet bei Streit über die Sorge<br />
Weniger persönliche, sondern Vermögenssorge im<br />
Vordergrund<br />
(Schwanhäußer 1927)<br />
bis <strong>zum</strong> 4. Jh. n. Chr.<br />
Kindestötung weder<br />
gesetzlich noch<br />
gesellschaftlich etwas<br />
Unrechtes<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Antike<br />
Römisches Recht<br />
Bestellung des Vormunds durch Prätor<br />
reine innerfamiliäre Angelegenheit<br />
Männersache<br />
älteste Bruder des Vaters, älteste Bruder der<br />
Mutter, Vettern des Vaters, Vettern der Mutter<br />
Zwölftafelgesetz<br />
Verbot, missgebildete<br />
Kinder<br />
aufzuziehen<br />
Folge: Männer-/<br />
Jungenüberschuss<br />
(ca. 1,6 : 1)<br />
(Bange 2005, S. 13)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Germanien<br />
Vormundschaft<br />
Sippe bzw. Geschlecht zuständig für<br />
vaterlose Kinder<br />
Muntgewalt ist Männersache<br />
nach innen:<br />
Herrschaftsverhältnis<br />
nach außen:<br />
Schutzaufgaben<br />
(Hodermann 1927)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Frühes Mittelalter<br />
Einmischung des Staates<br />
familiäre Zuordnung von Vormundschaft<br />
nicht mehr ausreichend, insbesondere in<br />
Städten<br />
Witwen, Waisen und Behinderte stehen<br />
unter Schutz des Königs<br />
königliche Beamte<br />
bestimmen<br />
Vormund<br />
(Hansbauer 2002)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Mittelalter<br />
ab 13. Jh. in Städten/<br />
16. Jh. in ländlichen Gebieten<br />
Obervormundschaft<br />
(Aufsicht) durch<br />
Richter/königliche<br />
Beamte<br />
Ernennungsrecht in<br />
allen Fällen<br />
von einer Familien- zur<br />
öffentlichen Angelegenheit<br />
(Schwanhäußer 1927)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Übergang in die Neuzeit<br />
1604: Fundationsakte der Hamburger<br />
Waisenhauses<br />
vormundschaftliche Pflichten des Vorstehers in<br />
tatsächlicher Hinsicht<br />
18./19. Jh. beginnende Industrialisierung<br />
Ballung des Bedarfs an Vormundschaften in<br />
Armuts- und Elendsvierteln<br />
1796 in Frankreich<br />
erstmalige Einführung einer<br />
Anstaltsvormundschaft<br />
1805 in Frankreich<br />
Vormundschaft kraft Gesetzes<br />
auf Verwaltungskommission<br />
der Anstalt übertragen<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
19. Jahrhundert<br />
1875: preußische<br />
Vormundschaftsordnung<br />
(§ 13)<br />
Übertragung auf<br />
Anstaltsvormund<br />
Vormundschaft im weiteren Sinne: Jedes auf<br />
staatlicher Anordnung beruhende Recht <strong>zum</strong> Schutz<br />
und zur Vertretung einer Person, welche sich nicht<br />
selbst gehörig vertreten kann und der väterlichen<br />
Gewalt nicht untersteht oder in ihr keinen<br />
ausreichenden Schutz findet (Dernburg 1875)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
19. Jahrhundert<br />
1883 Leipziger Stiftung<br />
zur Aufsicht über<br />
unehelige Kinder von<br />
1824<br />
Ziehkinderaufsicht<br />
für Leiter der Anstalt<br />
vom Gericht im Voraus<br />
übertragen<br />
(Klumker 1907; Dernburg 1875)<br />
Ausbildung einer Berufsvormundschaft<br />
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19. Jahrhundert<br />
Entwicklung von staatlichem Kinderschutz<br />
Humboldt 1851: Staat wacht darüber, „daß die väterliche<br />
Gewalt nicht über ihre Grenzen hinausschreite.“<br />
Preußisches Allgemeines Landrecht (ALR II 2 §§ 90, 91):<br />
Verwirkung der „patria potestas“ bei „hilfs- und<br />
aussichtlosem Verlassen“ der Kinder<br />
Entzug der Sorge, wenn „Aeltern<br />
ihre Kinder grausam misshandeln,<br />
oder <strong>zum</strong> Bösen verleiten; oder ihnen den<br />
nothdürftigen Unterhalt versagen.“<br />
Es kann „nach Befund der Umstände den<br />
Aeltern die Erziehung genommen, und auf<br />
ihre Kosten andern zuverlässigen Personen<br />
anvertraut“ werden.<br />
(Richter 2010)<br />
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19. Jahrhundert<br />
Entwicklung von staatlichem Kinderschutz<br />
„verwahrlostes Kind“ als Anlass für<br />
ordnungspolizeiliche Eingriffsbefugnisse<br />
liberale Selbstbeschränkung staatlicher<br />
Machtenfaltung<br />
Vorrang privatwohltätiger Jugendfürsorge<br />
aber staatliche Intervention bei Straffälligkeit und<br />
Verwahrlosung Jugendlicher<br />
seit 1880<br />
Entwicklung von Sozialstaatlichkeit<br />
Aufbau eines Zwangserziehungswesens<br />
(Richter 2010)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Beginn 20. Jahrhundert<br />
1900: Bürgerliches Gesetzbuch<br />
(erarbeitet 1877)<br />
Annahme: Berufsvormundschaft ohne<br />
praktische Relevanz<br />
Annahme: Einzelvormundschaft vorrangig<br />
und zahlenmäßig dominant<br />
Öffnungsklausel für Länder, abweichend<br />
regeln zu können<br />
„Vormundschaft als Grundlage des<br />
Kinderschutzes“ (Roller-Brünn 1913)<br />
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Beginn 20. Jahrhundert<br />
Kategorien hilfsbedürftiger Kinder unter<br />
Vormundschaft<br />
Familie fehlt vollständig: Vollwaise und Findelkinder<br />
Familie fehlt teilweise: Vaterlose und uneheliche<br />
Kinder<br />
Familie vollständig, aber<br />
funktioniert ungenügend<br />
Kinder in öff. Zwangs- und<br />
Fürsorgeerziehung<br />
Straffällige Kinder<br />
Legitimierte, adoptierte<br />
Kinder, Pflegekinder<br />
arbeitende Kinder<br />
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Beginn 20. Jahrhundert<br />
1906: Archiv deutscher Berufsvormünder<br />
Zusammenschluss der Berufsvormünder im<br />
deutschsprachigen Raum<br />
bereits 1912 waren alle Berufsvormünder<br />
im „Archiv“ organisiert<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
1922<br />
1922: Reichsjugendwohlfahrtsgesetz<br />
Streichung des Landesrechtsvorbehalts<br />
bundeseinheitliche Neuordnung der<br />
Berufsvormundschaft<br />
Einführung der Jugendamtsvormundschaft<br />
Vormund insb. für uneheliche Kinder<br />
Staat als Wahrer u. Förderer des<br />
Gemeinwohls<br />
Abstammung,<br />
Unterhalt,<br />
Vermögensverwaltung<br />
im<br />
Vordergrund<br />
(Graf 1926)<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
1922<br />
Eingliederung der Berufsvormundschaft ins<br />
Jugendamt:<br />
Übergang der Erziehungs- und<br />
Versorgungspflicht auf Staat<br />
Entstehung und Ausdifferenzierung des<br />
Sozialstaats<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
1922<br />
Vormundschaftsformen des<br />
Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes<br />
Amtsvormundschaft<br />
gesetzliche (§§ 35-40 RJWG)<br />
uneheliche Geburt<br />
bestellte (§ 41 RJWG)<br />
Kinder, die nicht unter elterlicher Gewalt stehen<br />
Jugendamt als Mit- oder Gegenvormund,<br />
Beistand oder Pfleger (§ 46 RJWG)<br />
Anstalts- und Vereinsvormundschaft<br />
(§ 47 RJWG)<br />
(Portykus 1956)<br />
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Nachkriegszeit<br />
Heimerziehung von 1945 bis 1970 West<br />
Amtsvormund/Amtspfleger<br />
als Beitreiber von Unterhalt<br />
als Unterschriftsnotar<br />
„Vater an Vaters Statt“ (Suhr 1955)<br />
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Jahrtausendwende 20./21. Jh.<br />
Jahrtausendwende 20./21. Jh.<br />
Leistungsprofile Amtsvormund<br />
Dresdner und Kölner Erklärung<br />
personelle Trennung von Leistungsbehörde<br />
und Amtsvormundschaft/<br />
-pflegschaft<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
aktueller Regierungsentwurf<br />
diffuses Rollenbild für<br />
Vormund/Ergänzungspflegerin<br />
als Bezugsperson für Kind/Jugendliche<br />
als Kinderschützer/in<br />
wachen über Heimerziehung und Pflegeeltern<br />
Besuchsonkel/-tante oder Vertrauensperson?<br />
als Manager/in für die Förderung des<br />
Kindes/Jugendlichen und für die<br />
Gewährleistung der Erziehung<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)
Zukunft der Vormundschaft<br />
Deutsches Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (<strong>DIJuF</strong>)