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Begründung und Beendigung einer Beistandschaft vom 7 ... - DIJuF

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<strong>DIJuF</strong>-Themengutachten<br />

<strong>Begründung</strong> <strong>und</strong> <strong>Beendigung</strong> <strong>einer</strong> <strong>Beistandschaft</strong><br />

– Häufig gestellte Fragen <strong>und</strong> die Antworten –<br />

Inhalt<br />

1. Beantragung <strong>einer</strong> <strong>Beistandschaft</strong> bei gemeinsamer Sorge<br />

2. Begriff der Obhut<br />

3. Obhut im Fall eines Internatsaufenthalts des Kindes<br />

4. Auswirkungen <strong>einer</strong> Betreuung durch Verwandte (zB Großeltern)<br />

4.a) <strong>Beistandschaft</strong> oder Ergänzungspflegschaft für ein Kind in Familienpflege<br />

bei der Großmutter nach Sorgerechtsübertragung<br />

mit Zustimmung der Mutter<br />

5. Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts <strong>und</strong> Unterbringung<br />

des Kindes bei Pflegeeltern; Fortbestand der <strong>Beistandschaft</strong><br />

5.a) Gemeinsame Sorge <strong>und</strong> einvernehmlicher Aufenthalt des Kindes<br />

bei einem Elternteil nach Entzug seines Aufenthaltsbestimmungsrechts<br />

6. Fälle geteilter Mitbetreuung<br />

7. Wechsel der Obhut bei gemeinsamer Sorge<br />

8. Unterhaltsrechtliche Beurteilung des Monats des Wechsels<br />

9. Obhutswechsel gegen den Willen eines Elternteils<br />

10. Obhutswechsel auf Probe<br />

11. Obhutswechsel <strong>und</strong> vorliegender Titel<br />

12. Beantragung <strong>einer</strong> <strong>Beistandschaft</strong> durch den Betreuer eines<br />

Elternteils<br />

13. Aufgabe der Obhut eines Elternteils <strong>und</strong> Ende der <strong>Beistandschaft</strong><br />

J 2.300 Dl/K<br />

07.11.2011,<br />

zuletzt geändert<br />

16.04.2012


- 2 -<br />

14. Anhaltspunkte für die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts<br />

ins Ausland, Vorgehensweise des Beistands zur Klärung<br />

15. Tod des Unterhaltspflichteten, Empfangszuständigkeit des Beistands<br />

für Rückstände<br />

16. Ende der <strong>Beistandschaft</strong> durch Aufgabenerledigung


- 3 -<br />

1. Wer ist bei gemeinsamer Sorge befugt, eine <strong>Beistandschaft</strong> zu beantragen?<br />

Die Berechtigung, eine <strong>Beistandschaft</strong> zu beantragen, stand bei Inkrafttreten des<br />

§ 1713 BGB zum 01.07.1998 nur demjenigen Elternteil zu, der die alleinige Sorge hat.<br />

Nachdem der Gesetzgeber erkannt hatte, dass durchaus ein Bedürfnis dafür besteht,<br />

den Unterhalt des Kindes mit Unterstützung durch das Jugendamt als Beistand auch in<br />

Fällen gemeinsamer Sorge geltend zu machen, wurde im Jahr 2002 durch das „Kinder-<br />

rechteverbesserungsgesetz“ die Antragsbefugnis in § 1713 Abs. 1 BGB entsprechend<br />

erweitert: Sie steht nach Satz 2 der Vorschrift bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern<br />

demjenigen Elternteil zu, der die Obhut über das Kind hat <strong>und</strong> es deshalb auch iSv<br />

§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB in Unterhaltsbelangen vertreten kann.<br />

2. Was bedeutet der Begriff der Obhut?<br />

Der Begriff der Obhut stammt nicht aus dem Familienrecht; er ist § 51 Abs. 2 JWG aF<br />

entlehnt, ohne dort definiert zu sein. Gemeint ist die tatsächliche Personensorge <strong>und</strong><br />

Fürsorge für das Kind, die Situation, in der die Versorgung <strong>und</strong> Betreuung des Kindes<br />

durch einen Elternteil sichergestellt ist, der sich tatsächlich um den Unterhalt kümmert<br />

(OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 290; Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB, Neubearbei-<br />

tung 2007, Rn 336 zu § 1629 BGB, vgl auch Meysen JAmt 2008, 120, 122). Obhut iSv §<br />

1713 Abs. 1 S. 2 BGB bedeutet – wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 1629 Abs.<br />

2 S. 2 BGB – die tatsächliche Fürsorge für das Kind, also die Befriedigung s<strong>einer</strong> ele-<br />

mentaren Bedürfnisse durch Pflege, Verköstigung, Gestaltung des Tageablaufs, Er-<br />

reichbarkeit bei Problemen <strong>und</strong> emotionale Zuwendung (vgl OLG Frankfurt Fa-<br />

mRZ1992, 575; OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 67; Diederichsen, in: Palandt, BGB, 70. Aufl.,<br />

§ 1629 Rn 31).<br />

3. Welcher Elternteil hat die Obhut im Fall eines Internatsaufenthalts des Kindes?<br />

Vordergründig scheint es nahe zu liegen, dass ein Elternteil nicht die Obhut über das<br />

Kind ausübt (<strong>und</strong> damit auch keine <strong>Beistandschaft</strong> beantragen kann), wenn es au-<br />

ßerhalb seines Haushalts in einem Internat untergebracht ist. Hätte allerdings das Kind<br />

zuvor bei diesem Elternteil gelebt <strong>und</strong> würde an Wochenenden <strong>und</strong> zu Ferienzeiten in<br />

seinen Haushalt zurückkehren, könnte auf den Meinungsstand verwiesen werden, den


- 4 -<br />

das OLG Brandenburg in einem PKH-Beschluss (FamRZ 2005, 2094) – im Zusammen-<br />

hang mit der Privilegierung nach § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB – wie folgt beschrieben hat:<br />

„Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass von <strong>einer</strong> Haushaltsgemein-<br />

schaft nur ausgegangen werden könne, wenn das Kind bei den Eltern <strong>und</strong><br />

in deren Haushalt seinen Alltag verbringe, was nicht der Fall sei, wenn das<br />

Kind in einem Internat sei <strong>und</strong> die Eltern nur am Wochenende besuche (so<br />

Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 3209). Dem-<br />

gegenüber wird aber auch die Ansicht vertreten, dass die Haushaltsge-<br />

meinschaft in der Regel dann fortbestehe, wenn das Kind in einem Inter-<br />

nat lebe, aber am Wochenende <strong>und</strong> in den Ferien nach Hause zurück-<br />

kehre (so Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen<br />

Praxis, 6. Aufl., § 2, Rz. 456; Luthin/Schumacher, Handbuch des Unterhalts-<br />

rechts, 9. Aufl., Rz. 3203; Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., §<br />

1603, Rz. 8 a).“<br />

Zur Ergänzung sei auf ein Urteil des OLG Köln <strong>vom</strong> 15.06.2010 (JAmt 2011, 111 mit An-<br />

merkungen für die Praxis) hingewiesen, welches sogar bei einem fast einjährigen Aus-<br />

landsschuljahr eines Kindes ohne zwischenzeitliche Rückkehr in den Haushalt der Mut-<br />

ter von einem uneingeschränkten Fortbestand der Betreuung ausgeht. Der Senat hat<br />

aaO ausgeführt:<br />

„Der Umstand, dass der Kl. für etwa 10 Monate im Ausland in den USA im<br />

Rahmen eines Schüleraustausches aufhältig war, lässt die Aufteilung zwi-<br />

schen den Elternteilen, Barunterhaltspflicht des Vaters <strong>und</strong> Betreuungsleis-<br />

tung der Kindesmutter nicht entfallen. Zu beachten ist, dass durch den vo-<br />

rübergehenden Auslandsaufenthalt die Frage der Betreuung nicht entfal-<br />

len ist. Vielmehr ist die Kindesmutter gehalten, auch aus der Ferne die<br />

Pflege <strong>und</strong> insbesondere Erziehung des Sohnes weiter auszuführen. Zu be-<br />

rücksichtigen ist insoweit insbesondere, dass bei älteren Kindern wie dem<br />

Kl. die eigentliche Betreuungsleistung ohnehin in den Hintergr<strong>und</strong> tritt.<br />

Gleichwohl ist die Kindesmutter gehalten, als betreuender Elternteil sich<br />

mit den Problemen zu befassen, die sich alltäglich stellen können. ‘


- 5 -<br />

Insoweit muss eine Wertung getroffen werden, die allerdings auch davon abhängen<br />

dürfte, wie sich die Vorgeschichte des Falles <strong>und</strong> die nunmehrigen konkreten Bezie-<br />

hungen zwischen Elternteil <strong>und</strong> Kind darstellen.<br />

a) Befand sich das Kind zuvor tatsächlich in der konkreten Obhut des einen Elternteils,<br />

der die <strong>Beistandschaft</strong> beantragt, <strong>und</strong> lebt es nunmehr nur während der Wochentage<br />

in einem Internat mit häufiger Rückkehr in seinen Haushalt, erscheint die Annahme<br />

eines Fortbestandes dieser Obhut durchaus vertretbar. Wenn man den <strong>vom</strong> OLG Köln<br />

aaO angesprochenen Gesichtspunkt zusätzlich einbezieht, könnte sogar eine auf sel-<br />

tenere Anlässe beschränkte Rückkehr des Kindes in die elterliche Wohnung ggf noch<br />

ausreichen.<br />

b) Sollte es hingegen so sein, dass das Kind aus dem Haushalt des anderen Elternteils<br />

oder womöglich aus <strong>einer</strong> Betreuung durch Dritte (zB die Großeltern) unmittelbar in ein<br />

Internat gewechselt wäre <strong>und</strong> es den beantragenden Elternteil nunmehr auch kaum<br />

an Wochenenden usw aufsucht, fiele es deutlich schwerer, so zu argumentieren. Denn<br />

die Annahme <strong>einer</strong> Obhut durch den Elternteil ließe sich umso weniger überzeugend<br />

begründen, je weniger an herkömmlichen Elementen des persönlichen Betreuungs-<br />

verhältnisses im vorstehend beschriebenen Sinne in Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart<br />

nachweisbar wären.<br />

c) Deshalb sollte in solchen Fällen das Jugendamt zunächst durch Rückfrage beim<br />

Elternteil versuchen, den Sachverhalt aufzuklären <strong>und</strong> sodann eine wertende Beurtei-<br />

lung anhand des vorstehend dargelegten Maßstabs vornehmen. Ausschlaggebend ist<br />

allein die Frage, ob im Fall des etwaigen Bestreitens <strong>einer</strong> Obhut seitens des anderen<br />

Elternteils die Argumentation für eine dennoch aufgr<strong>und</strong> eines Antrags des Elternteils<br />

eingetretene <strong>Beistandschaft</strong> <strong>einer</strong> gerichtlichen Überprüfung standhalten könnte.<br />

d) Sollte das Jugendamt zum Ergebnis kommen, dass eine <strong>Beistandschaft</strong> nicht einge-<br />

richtet werden könnte, muss dem Elternteil ggf angeraten werden, beim Familienge-<br />

richt eine Ergänzungspflegschaft zu beantragen. Es erscheint nicht völlig fernliegend,<br />

dass zum Ergänzungspfleger wiederum das Jugendamt bestellt wird.<br />

Allerdings ist die dann abweichende örtliche Zuständigkeit des Jugendamts zu beach-<br />

ten. Während für die <strong>Beistandschaft</strong> der gewöhnliche Aufenthalt des antragsbefugten<br />

Elternteils maßgebend ist (vgl § 87c Abs. 5 S. 1 iVm Abs. 1 S. 1 SGB VIII), kommt es für<br />

die Pflegschaft auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes an (§ 87c Abs. 3 S. 1 SGB


- 6 -<br />

VIII). Dieser bestimmt auch die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts (§ 152 Abs. 2<br />

FamFG).<br />

4. Welche Auswirkung hat insoweit die Betreuung durch Verwandte (zB Großel-<br />

tern)?<br />

Bei Vorliegen alleiniger elterliche Sorge kann dieser Elternteil auch dann noch seine<br />

Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes iSv § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB erfüllen, wenn<br />

er erwerbstätig ist <strong>und</strong> sich deshalb bei der Versorgung des Kindes der Hilfe Dritter, zB<br />

Verwandter oder Nachbarn bzw Personal, als „Betreuungshelfer“ bedient. Entschei-<br />

dend ist, dass dem Kind ausreichende elterliche Zuwendung <strong>und</strong> Pflege zuteil wird,<br />

sodass es nicht darauf ankommt, wann, sondern dass der für die tatsächliche Sorge<br />

verantwortliche Elternteil s<strong>einer</strong> Betreuungspflicht nachkommt (vgl Diederichsen, in:<br />

Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1606 Rn 13 mwN).<br />

Die Befreiung von der Barunterhaltspflicht gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB entfällt dage-<br />

gen bei völliger Übertragung der Pflege <strong>und</strong> Erziehung des Kindes auf einen Dritten<br />

(KG Berlin FamRZ 1989, 778), was der Fall ist, wenn nicht einmal ein nennenswerter Rest<br />

an eigenen Betreuungsleistungen verbleibt (OLG Hamm FamRZ 1091, 104). Das kann<br />

auch bei Unterbringung des Kindes außerhalb des Hauses zB bei den Großeltern anzu-<br />

nehmen sein. Ist die Betreuung des Kindes dem Elternteil nicht als eigene Leistung zuzu-<br />

rechnen, hat er selbst dann, wenn ihm das Sorgerecht allein zusteht, s<strong>einer</strong> Unterhalts-<br />

pflicht gem. § 1606 Abs. 3 S.1 BGB nachzukommen (Diederichsen aaO Rn 14 mwN.).<br />

Sollte es also beispielsweise der Fall sein, dass ein allein sorgeberechtigter Elternteil sei-<br />

ne Betreuungsaufgabe im vorgenannten Sinne vollständig an einen Verwandten de-<br />

legiert hat, würde das demnach wohl zur <strong>Beendigung</strong> der Obhut führen. Denn die<br />

genannten Kriterien (vor allem tatsächliche Fürsorge, Erreichbarkeit bei Problemen<br />

<strong>und</strong> emotionale Zuwendung) wären dann nicht <strong>vom</strong> Elternteil, sondern von dem Ver-<br />

wandten erfüllt. Falls dieser Elternteil hingegen seine Verantwortung für die Pflege <strong>und</strong><br />

Erziehung noch persönlich in <strong>einer</strong> Weise nachkommt, die den Begriff „Obhut bzw Be-<br />

treuung“ rechtfertigt (mögliche Indizien zB: Umfang der persönlichen Kontakte zum<br />

Kind? Wahrnehmung s<strong>einer</strong> schulischen Belange wie Elternabende? Begleitung des<br />

Kindes zu Arztbesuchen? uam) <strong>und</strong> der Verwandte demgemäß nur als „Obhutshelfer“<br />

bzw „Betreuungshelfer“ anzusehen wäre, könnte das anders beurteilt werden.


- 7 -<br />

Zur Verdeutlichung <strong>und</strong> Veranschaulichung der Problematik sei hier ein Auszug aus<br />

<strong>einer</strong> <strong>DIJuF</strong>-Stellungnahme dargestellt:<br />

„Das Jugendamt schildert folgenden Sachverhalt:<br />

Das Kind ist zusammen mit seinem Vater <strong>und</strong> s<strong>einer</strong> Großmutter väterlicher-<br />

seits in unserem Bereich seit 2005 mit einzigem Wohnsitz polizeilich gemeldet.<br />

Der Vater bat dieser Tage um Beratung <strong>und</strong> Unterstützung bezüglich des Un-<br />

terhaltsanspruchs des Kindes an seine Mutter. Die Eltern haben das gemein-<br />

same Sorgerecht durch Sorgeerklärung. Der Rechtsanwalt der Mutter hat<br />

dem Jugendamt zwar Auskunft erteilt, bezweifelt aber unsere Legitimation<br />

bzw den Anspruch des Vaters auf eine Beratung oder <strong>Beistandschaft</strong>. Er ver-<br />

tritt die Auffassung, dass das Kind tatsächlich nicht beim Vater, sondern viel-<br />

mehr bei der Großmutter, also der Mutter des Vaters, lebt. Der Vater sei zwar<br />

melderechtlich unter derselben Adresse erfasst, tatsächlich lebe er jedoch<br />

bei s<strong>einer</strong> Lebensgefährtin in F <strong>und</strong> besuche das Kind allenfalls in unre-<br />

gelmäßigen Abständen. Da der Anwalt seine Mandantin für leistungsunfähig<br />

hält, wäre eine gerichtliche Entscheidung mittels <strong>einer</strong> <strong>Beistandschaft</strong> herbei-<br />

zuführen. Die Mutter verdient ca 1.074 EUR netto monatlich, arbeitet aber nur<br />

30 St<strong>und</strong>en. Sie hat kein weiteres Kind. Es ist also zu klären, ob das Jugendamt<br />

das Kind im gerichtlichen Verfahren vertreten kann.<br />

Bei <strong>einer</strong> Rücksprache erklärte der Vater dem Jugendamt, dass er in E seinen<br />

Wohnsitz habe, zusammen mit seinem Kind <strong>und</strong> s<strong>einer</strong> Mutter. Er habe aber<br />

mit s<strong>einer</strong> Fre<strong>und</strong>in ein weiteres Kind. Beide leben in F. Er besuche sie öfter, so<br />

zwei- bis dreimal die Woche, manchmal auch über Nacht. Sein Lebensmit-<br />

telpunkt sei aber in E.<br />

Das Jugendamt hat dem Anwalt seine Ansicht mitgeteilt. Er bleibt aber bei<br />

s<strong>einer</strong> Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 1713 BGB für eine Bei-<br />

standschaft nicht vorliegen.<br />

Auf Nachfrage beim Familiengericht hat das Jugendamt erfahren, dass der<br />

Vater im Juli die alleinige elterliche Sorge beantragt hat. Die Mutter hat ei-<br />

nen Gegenantrag gestellt. Sie möchte ebenfalls die alleinige elterliche Sorge<br />

haben.<br />

Das Jugendamt fragt:


- 8 -<br />

1. Könnten wir unter den vorhandenen Voraussetzungen das Kind im Rah-<br />

men<strong>einer</strong> <strong>Beistandschaft</strong> vertreten? (…)<br />

Zusammenfassend kommt es zunächst auf folgende Vorfrage an:<br />

a) Ist die Großmutter nur als „Betreuungshelferin“ des Vaters zu betrachten<br />

oder besteht faktisch ein echtes Verwandtenpflegeverhältnis, bei dem sich<br />

der Kontakt des Vaters zum Kind im Ergebnis allenfalls auf einen Umgang be-<br />

schränkt?<br />

Das ist hier schon tatsächlich strittig, weil sich widersprechende Angaben<br />

bzw Behauptungen des Vaters <strong>und</strong> auf der Gegenseite der Mutter hierzu vor-<br />

liegen. Das Jugendamt könnte sich intern hierzu Klarheit verschaffen, indem<br />

es die Großmutter befragt, ob die Meldeadresse des Vaters in ihrem Anwe-<br />

sen nur ein Scheinwohnsitz ist oder ob er sich tatsächlich zu nennenswerten<br />

Zeitanteilen dort aufhält <strong>und</strong> deshalb auch eine tatsächliche Betreuung des<br />

Kindes wahrnimmt, diese also nicht in vollem Umfang auf die Großmutter<br />

übertragen hat. In einem etwaigen gerichtlichen Streitfall könnte diese als<br />

Zeugin benannt werden, wenn sie die tatsächlichen Voraussetzungen <strong>einer</strong><br />

Obhut des Vaters bestätigen kann.<br />

Fehlte es hingegen hier bei gemeinsamer Sorge schon an der Obhut des Va-<br />

ters, hätte dies zur Folge, dass seine Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2<br />

S. 2 BGB <strong>und</strong> auch das Recht, eine <strong>Beistandschaft</strong> gem. § 1713 Abs. 1 S. 2<br />

BGB zu beantragen, erloschen wäre.<br />

b) Allgemein ist zwar richtig, dass sich das Jugendamt in der Regel auf die<br />

Angaben eines Elternteils verlassen muss. Wenn aber schon von Anfang an<br />

absehbar ist, dass die Gegenseite die Voraussetzungen der Vertretungsbe-<br />

fugnis des anderen Elternteils <strong>und</strong> damit auch den wirksamen Bestand der<br />

<strong>Beistandschaft</strong> nachdrücklich bestreitet, kommt das Jugendamt nicht umhin,<br />

sich nach Möglichkeit um eine weitere Aufklärung des Sachverhalts zu be-<br />

mühen.<br />

c) Sollte tatsächlich nur von einem Verwandtenpflegeverhältnis auszugehen<br />

sein, dürfte allerdings dann – was häufig in dieser Fallkonstellation übersehen<br />

wird – ein Vertretungsrecht der Großmutter bezüglich der Unterhaltsansprü-<br />

che des Kindes gegenüber beiden Elternteilen aus § 1688 Abs. 1 S. 2 BGB fol-<br />

gen. Falls die Großmutter damit überfordert wäre oder aus gutem Gr<strong>und</strong>


- 9 -<br />

nicht in eine Konfliktstellung zu Sohn <strong>und</strong> Schwiegertochter gebracht werden<br />

will oder soll, bietet sich die Bestellung des Jugendamts zum Ergänzungspfle-<br />

ger für die Geltendmachung des Unterhalts nach § 1909 Abs. 1 BGB als Aus-<br />

weg an.<br />

2. Sollte die Entscheidung des Sorgerechtsverfahrens abgewartet werden?<br />

Das würde sich dann empfehlen, wenn nicht im Sinne des Vaters geklärt<br />

werden könnte, dass er tatsächlich die Obhut über das Kind hat, maW, wenn<br />

er sich nicht nachweislich regelmäßig – wenngleich nicht ständig – bei sei-<br />

nem Kind aufhalten würde <strong>und</strong> alles dafür spräche, dass er die Betreuung im<br />

Wesentlichen auf die Großmutter delegiert hätte.<br />

3. Wenn der Vater das alleinige Sorgerecht bekommen sollte, könnte ohne<br />

weiteres eine <strong>Beistandschaft</strong> errichtet werden, gleich, ob das Kind bei<br />

ihm oder s<strong>einer</strong> Mutter untergebracht ist? Wir sind doch auf die Meldeda-<br />

ten <strong>und</strong> die Angaben unserer Partei angewiesen. Näheres können wir in<br />

der Regel gar nicht wirklich klären.<br />

Bei alleiniger Sorge eines Elternteils spielt es keine Rolle, ob er das Kind auch<br />

tatsächlich in Obhut hat. Sowohl bei der Befugnis zur Vertretung in Unter-<br />

haltsbelangen als auch beim Antrag auf eine <strong>Beistandschaft</strong> kommt es dann<br />

nur auf die formale Sorgerechtsposition an. Der Begriff der ‚Obhut‘ dient le-<br />

diglich als Zuordnungsmerkmal bei gemeinsamer Sorge der Eltern.“<br />

4.a) <strong>Beistandschaft</strong> oder Ergänzungspflegschaft für ein Kind in Familienpflege<br />

bei der Großmutter nach Sorgerechtsübertragung mit Zustimmung der Mutter?<br />

In einem begutachteten Fall erbat das JA einen Hinweis, wie es <strong>einer</strong> Großmutter, der<br />

das Sorgerecht mit Zustimmung der allein sorgeberechtigten Kindesmutter (= ihrer ei-<br />

genen Tochter) gem. § 1630 Abs. 3 BGB übertragen wurde, bei der Geltendmachung<br />

des Kindesunterhalts helfen könne. Da das JA die Großmutter nicht als Beistand vertre-<br />

ten könne, sah es auf Gr<strong>und</strong> der vorstehenden Hinweise dieses Themengutachtens die<br />

Lösung in s<strong>einer</strong> Bestellung als Ergänzungspfleger.Das FamG erwiderte hierzu, es sei<br />

„nicht ersichtlich, weshalb für das Unterhaltsfestsetzungsverfahren ein Ergänzungspfleger durch


- 10 -<br />

das Gericht eingesetzt werden soll. Ein Ergänzungspfleger werde durch das Gericht nur ein-<br />

gesetzt, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes von der Vertretung ausgeschlossen ist<br />

(§ 1795 BGB). Dies wäre nur der Fall, wenn die sorgeberechtigte Großmutter mit dem Unter-<br />

haltsschuldner in gerader Linie verwandt wäre. Dies liegt nach Aktenlage offensichtlich<br />

nicht vor. Da die Großmutter die Vorm<strong>und</strong>schaft über das Kind besitzt (Anm.: Tatsächlich<br />

wurde das Sorgerecht gem. § 1630 Abs. 3 BGB übertragen!), muss sie diese auch im Prozess<br />

vertreten.“<br />

(1) Der Gesetzgeber der Kindschaftsrechtsreform 1998 bzw des Kinderrechteverbesse-<br />

rungsgesetzes aus dem Jahr 2002 hat bedauerlicherweise die Antragsbefugnis für eine<br />

<strong>Beistandschaft</strong> auf sorge- bzw vertretungsberechtigte Elternteile <strong>und</strong> auf den nach<br />

§ 1776 BGB benannten Vorm<strong>und</strong> beschränkt.<br />

Aufgr<strong>und</strong> verschiedentlicher Rückmeldungen aus der Praxis hat das Institut zwar wie-<br />

derholt das B<strong>und</strong>esministerium der Justiz darauf hingewiesen, dass auch sonstige Vor-<br />

m<strong>und</strong>e bei der Geltendmachung des Unterhalts durchaus auf Unterstützung durch<br />

das Jugendamt als Beistand angewiesen sein können. Leider hat dies bisher zu k<strong>einer</strong><br />

gesetzgeberischen Abhilfe geführt.<br />

Erst recht fehlt die Antragsbefugnis <strong>einer</strong> Pflegeperson, auch wenn ihr das Familienge-<br />

richt Angelegenheiten der elterlichen Sorge nach § 1630 Abs. 3 BGB übertragen hat.<br />

Deshalb legt das Jugendamt zutreffend zugr<strong>und</strong>e, dass im vorliegenden Fall seine Be-<br />

rufung zum Beistand von Gesetzes wegen auf Antrag der Großmutter ausscheidet.<br />

(2) Andererseits ist aber in dieser Fallkonstellation eine Unterstützung durch das Ju-<br />

gendamt auch nicht etwa unbesehen in der Weise möglich, dass es zum Ergänzungs-<br />

pfleger bestellt wird. Dies würde voraussetzen, dass die Großmutter rechtlich gehindert<br />

wäre, im Rahmen der ihr zustehenden Sorgerechtsbefugnisse die Aufgabe der Unter-<br />

haltsgeltendmachung für das Kind wahrzunehmen.<br />

Die Bezugnahme auf die unter Ziff. 4 gegebenen Hinweise ist insoweit nicht weiterfüh-<br />

rend, als die Fallkonstellationen nicht unmittelbar vergleichbar sind. Dort ging es um<br />

ein das Kindeswohl gefährdendes Fehlverhalten der Mutter, welches erst Anlass zu ei-<br />

nem Eingriff in die elterliche Sorge gem. § 1666 BGB <strong>und</strong> – zur Ausfüllung der hierdurch<br />

entstandenen Sorgerechtslücke – der anschließenden Bestellung eines Ergänzungs-<br />

pflegers gibt. Hier besteht aber eine lückenlose elterliche Sorge, nämlich zunächst der<br />

Kindesmutter, die vernünftigerweise <strong>einer</strong> Übertragung auf die Großmutter zugestimmt


- 11 -<br />

hat, sowie anschließend der Großmutter selbst infolge der vorgenommenen Übertra-<br />

gung durch das Familiengericht nach § 1630 Abs. 3 BGB.<br />

(3) Der Rechtspflegerin ist auch insoweit beizupflichten, als die Großmutter im Verhält-<br />

nis zum Kindesvater nicht gehindert ist, von den ihr übertragenen Sorgerechtsbefugnis-<br />

sen Gebrauch zu machen. Ein normtypischer Interessenkonflikt, der nach § 1795 Abs. 1<br />

BGB zum Ausschluss ihrer Vertretungsbefugnis führen würde, so dass dann die Bestel-<br />

lung eines Ergänzungspfleger zwingend wäre, liegt gegenüber dem Vater nicht vor,<br />

weil k<strong>einer</strong> der im Gesetz genannten Fälle gegeben ist. Die genannte Vorschrift betrifft<br />

im Wortsinne den Vorm<strong>und</strong>; sie ist aber über § 1915 Abs. 1 BGB auch auf die Pflegs-<br />

chaft anwendbar. Der spezielle Fall der Übertragung von Sorgeangelegenheiten auf<br />

die Pflegeperson wird im Ergebnis ebenfalls hiervon erfasst, weil diese im entsprechen-<br />

den Umfang die Rechte <strong>und</strong> Pflichten eines Pflegers hat (§ 1630 Abs. 3 S. 3 BGB).<br />

(4) Allerdings hat die Rechtspflegerin offenbar folgendes nicht hinreichend bedacht:<br />

a) Wenn das Kind sich hier offensichtlich in der Obhut der Großmutter befindet <strong>und</strong><br />

diese ausweislich der vorgenommenen Sorgerechtsübertragung die volle Verantwor-<br />

tung für die Pflege <strong>und</strong> Erziehung des Kindes trägt, so dass sie nicht etwa nur als „Be-<br />

treuungshelferin“ der Mutter anzusprechen wäre, schuldet im Gr<strong>und</strong>satz auch die Mut-<br />

ter dem Kind Barunterhalt. Denn sie kann nicht mehr gem. § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB ihrer<br />

Unterhaltspflicht durch Pflege <strong>und</strong> Erziehung des Kindes nachkommen. Die Folge ist,<br />

dass im Ausgangspunkt beide Elternteile anteilig für den Barunterhalt haften. Der Be-<br />

darf des Kindes richtet sich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider El-<br />

tern. Die Haftungsquote folgt aus dem Verhältnis der anrechenbaren Einkommen zu-<br />

einander.<br />

Die näheren Einzelheiten hierzu dürfen wir als bekannt voraussetzen. Sie sind im Übri-<br />

gen in den Leitlinien der Oberlandesgerichte im Abschnitt „Kindesunterhalt“ unter Nrn.<br />

12 <strong>und</strong> 13 ausführlich erläutert. Sämtliche Leitlinien - auch des im vorliegenden Fall zu-<br />

ständigen Thüringischen Oberlandesgerichts - sind auf dem Internetportal des Deut-<br />

schen Familiengerichtstages e.V (unter www.dfgt.de) abzurufen.<br />

b) Wenn aber die Großmutter bei der Geltendmachung des Kindesunterhalts tatsäch-<br />

lich Auskunft gem. § 1605 Abs. 1 BGB von der Mutter fordern muss, diese ggf. gericht-<br />

lich zu erzwingen hat <strong>und</strong> zudem im Streitfall den von der Mutter anteilmäßig geschul-<br />

deten Barunterhalt durch das Familiengericht festsetzen lassen muss, sind die Voraus-<br />

setzungen des entsprechend anwendbaren § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB erfüllt. Die Groß-<br />

mutter müsste dann nämlich ihr Enkelkind als „Pflegling“ in einem Rechtsstreit gegen


- 12 -<br />

seine eigene Mutter vertreten, die zugleich – als Abkömmling der Großmutter – mit<br />

dieser in gerader Linie verwandt ist. Dem gesetzlichen Vertretungsverbot kann nur<br />

durch Bestellung eines Ergänzungspflegers gem. § 1909 Abs. 1 BGB abgeholfen wer-<br />

den.<br />

c) Fraglich kann somit im vorliegenden Fall allein sein, welcher „Anfangsverdacht“ für<br />

das mögliche Vorliegen <strong>einer</strong> anteiligen Barunterhaltspflicht der Mutter <strong>und</strong> für das<br />

hieraus folgende Konfliktpotential mit der Wahrscheinlichkeit eines Rechtsstreits vorlie-<br />

gen muss, damit die Bestellung eines Ergänzungspflegers gerechtfertigt werden kann.<br />

Höchstwahrscheinlich wird die Rechtspflegerin die entsprechende Frage stellen, schon<br />

um nach der von ihr zuvor entschieden vertretenen engen Rechtsansicht, bei der sie<br />

offenbar diesen Punkt übersehen hat, nicht sofort die Segel streichen zu müssen.<br />

Wenn das Jugendamt dann mitteilen muss, dass eine anteilige Barunterhaltspflicht der<br />

Mutter auf längere Sicht nicht infrage kommt, etwa weil diese sich noch in <strong>einer</strong> Aus-<br />

bildung befindet oder weil Krankheit bzw Behinderung ihrer dauerhaften Erwerbstätig-<br />

keit im Weg stehen, wird die Rechtspflegerin im Ergebnis wohl zu Recht an ihrer bishe-<br />

rigen Meinung festhalten.<br />

Sollte aber infolge <strong>einer</strong> Erwerbsobliegenheit oder sogar Erwerbstätigkeit der Mutter<br />

nicht auszuschließen sein, dass sie für den Barunterhalt mithaftet <strong>und</strong> deshalb von der<br />

Großmutter im Namen des Kindes hierauf in Anspruch genommen werden könnte,<br />

sollten die Voraussetzungen <strong>einer</strong> Pflegerbestellung bejaht werden. Denn es wäre mit<br />

dem Sinn der entsprechenden Regelung schwerlich vereinbar, hiermit abzuwarten, bis<br />

ein konkretes familiengerichtliches Verfahren ansteht. Schließlich kann schon allein das<br />

verwandtschaftliche Näheverhältnis zu ihrer eigenen Tochter die Großmutter daran<br />

hindern, die Unterhaltsinteressen des Kindes sachgerecht auch gegenüber dessen<br />

eigener Mutter geltend zu machen.<br />

Hinzu kommt, dass in einem Rechtsstreit gegen den Kindesvater, welchen die Groß-<br />

mutter für sich genommen ohne weiteres führen könnte, dieser den Einwand der Mit-<br />

haftung der Kindesmutter für den Barunterhalt erheben könnte <strong>und</strong> für diesen Fall die<br />

Großmutter in der Lage sein muss, ohne weiteres rechtlich auch gegen ihre eigene<br />

Tochter vorgehen zu können. Erst zu diesem Zeitpunkt einen Pfleger zu bestellen wäre<br />

wenig sinnvoll <strong>und</strong> unökonomisch. Denn der Unterhalt für das Kind muss bei in Erwä-<br />

gung zu ziehender Barunterhaltspflicht beider Eltern „aus <strong>einer</strong> Hand <strong>und</strong> aus einem<br />

Guss“ geltend gemacht werden. Es kann nicht angehen, die Großmutter erst ein Ver-<br />

fahren gegen den Vater beginnen zu lassen <strong>und</strong> ihr dieses mit der Pflegerbestellung


- 13 -<br />

für das Kind aus der Hand zu nehmen, sobald der von Anfang an naheliegende Ein-<br />

wand <strong>einer</strong> Mithaftung der Kindesmutter tatsächlich erhoben wird.<br />

d) Mit dieser <strong>Begründung</strong> sollte es möglich sein, die rechtlichen Voraussetzungen <strong>einer</strong><br />

Pflegerbestellung schlüssig darzulegen. Das setzt allerdings – daran sei nochmals erin-<br />

nert – voraus, dass nach den tatsächlichen Gegebenheiten überhaupt eine finanzielle<br />

Beteiligung der Mutter am Barunterhalt in Betracht kommt.<br />

e) Nur am Rande sei auf folgendes hingewiesen: Die Übertragung der Sorgeberechti-<br />

gung auf die Großmutter als Pflegeperson beruht auf <strong>einer</strong> freiwilligen Entscheidung<br />

der Mutter, welche diese jederzeit widerrufen kann. In diesem Fall muss das Familien-<br />

gericht einem Antrag auf Rückübertragung der Sorgeangelegenheit entsprechen<br />

(vgl. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1630 Rn. 12 m.w.N.). Hieraus ist<br />

aber kein Argument gegen die oben skizzierte <strong>Begründung</strong> abzuleiten, etwa in dem<br />

Sinne, dass die Mutter auf diese Weise ohnehin verhindern könne, dass die Großmutter<br />

gegen sie vorgeht. Wäre dies der Fall <strong>und</strong> würde die Mutter in für das Kindeswohl<br />

schädlicher Weise einen eigenen Unterhaltsbeitrag oder gar die Weiterleitung des<br />

<strong>vom</strong> Vater gezahlten Kindesunterhalts verweigern, wäre dann erst recht ein Gr<strong>und</strong> für<br />

die Bestellung eines Ergänzungspflegers - nach entsprechendem Sorgerechtseingriff -<br />

gegeben. Insoweit schließt sich der gedankliche Kreis hin zu der Fallkonstellation, die in<br />

dem in der Anfrage angesprochenen Themengutachten behandelt wurde.<br />

5. Einer alleinsorgeberechtigten Mutter wird das Aufenthaltsbestimmungs-<br />

recht entzogen <strong>und</strong> das Kind bei Pflegeeltern untergebracht. Bleibt eine Bei-<br />

standschaft bestehen?<br />

Ist der Mutter lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden, ver-<br />

bleibt ihr im Gr<strong>und</strong>satz die Befugnis, den Unterhalt für das Kind geltend zu ma-<br />

chen. Dies wird nach herkömmlichem Verständnis, das auf eine frühere Fassung<br />

des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB („ ... wenn eine Regelung der Sorge für die Person des<br />

Kindes noch nicht getroffen ist ...“) zurückgeht, der Personensorge zugerechnet<br />

(vgl Huber, in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, § 1626 Rn 32 mwN; Peschel-<br />

Gutzeit, in: Staudinger, BGB, [2007], § 1626 Rn 58).<br />

Damit ist die <strong>Beistandschaft</strong> hier nicht etwa deshalb beendet, weil die Mutter als<br />

Antragstellerin nicht mehr im einschlägigen Umfang sorgeberechtigt wäre (vgl<br />

§ 1715 Abs. 2 iVm § 1713 BGB). Denn ihr Sorgerecht besteht – mit Ausnahme des<br />

ihr entzogenen Aufenthaltsbestimmungsrechts – unverändert fort. Dass sie dieses


- 14 -<br />

Sorgerecht tatsächlich nicht ausübt, ist ohne Belang. Anders wäre dies nur, wenn<br />

der Rechtspfleger des FamG eine entsprechende Feststellung über das Ruhen<br />

der elterlichen Sorge wegen tatsächlicher Verhinderung ihrer Ausübung getrof-<br />

fen hätte (§ 1674 Abs. 1 BGB).<br />

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Pflegeeltern gem.<br />

§ 1688 Abs. 1 S. 2 BGB berechtigt seien, Unterhaltsansprüche für das Kind geltend<br />

zu machen <strong>und</strong> dass diese Befugnis weder von der Mutter noch <strong>vom</strong> FamG im<br />

Sinne des Abs. 3 der Vorschrift ausgeschlossen oder eingeschränkt worden sei.<br />

Denn die entsprechende Befugnis tritt nicht etwa an die Stelle der elterlichen<br />

Sorge, zumal die Pflegeeltern hierbei auch nicht zu <strong>einer</strong> unmittelbaren Vertre-<br />

tung des Kindes befugt sind. Sie vertreten vielmehr insoweit ihrerseits die gesetz-<br />

lich vertretungsberechtigten Eltern, was sich nicht zuletzt bei der Geltendma-<br />

chung von Unterhaltsansprüchen des Kindes auswirkt: Die Pflegeeltern können<br />

Kindesunterhalt nur von Dritten einfordern, nicht aber von sorgeberechtigten El-<br />

tern bzw Elternteilen (vgl hierzu Diederichsen, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012,<br />

§1688 Rn 5 <strong>und</strong> 8).<br />

5.a) Bei gemeinsamer Sorge wurde dem Vater das Aufenthaltsrecht übertragen. Mit<br />

s<strong>einer</strong> Zustimmung lebt das Kind gleichwohl bei der Mutter. Kann sie den Unterhalt<br />

beim Vater einfordern <strong>und</strong> eine <strong>Beistandschaft</strong> beantragen?<br />

Es ist eine etwas ungewöhnliche Situation, wenn der Vater zwar das Aufenthaltsbe-<br />

stimmungsrecht hat, gleichwohl aber in dessen Ausübung mit dem Aufenthalt des<br />

Kindes bei der Mutter einverstanden ist. (Das wirft allgemein die Frage auf, mit welcher<br />

<strong>Begründung</strong> überhaupt der Eingriff in die Mitsorge der Mutter vorgenommen wurde<br />

bzw aufrechterhalten wird. Wenn sich das Kind seit längerer Zeit einvernehmlich <strong>und</strong><br />

beanstandungsfrei bei ihr aufhält, kann sie ja kaum so „schlimm“ sein, dass das Kin-<br />

deswohl dauerhaft die Entscheidungsbefugnis des Vaters über den Aufenthalt gebie-<br />

tet – vorbehaltlich besonderer Gegebenheiten des Einzelfalles).<br />

Als selbstverständliche Folge aus dieser Sachverhaltsgestaltung ergibt sich die - im Re-<br />

gelfall - alleinige Barunterhaltspflicht des Vaters. Zu deren Geltendmachung ist die<br />

Mutter bereits aufgr<strong>und</strong> ihrer Obhut bei gr<strong>und</strong>sätzlich bestehender gemeinsamer Sor-<br />

ge berechtigt (§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB). Der Verlust des Aufenthaltsbestimmungsrechts<br />

bedeutet demgegenüber keine derart tiefgreifende Beschneidung dieser gemeinsa-<br />

men Sorge – va Hinblick auf die verbliebene Substanz des Personensorgerechts ein-


- 15 -<br />

schließlich der Berechtigung zur Geltendmachung des Unterhalts –, dass es gerecht-<br />

fertigt wäre, ihr diese Befugnis abzusprechen. Insoweit gelten die Hinweise unter Ziff. 5<br />

entsprechend.<br />

Insbesondere wäre die Meinung nicht überzeugend, dass bei Ausklammerung des<br />

Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht mehr von „gemeinsamer Sorge“ gesprochen<br />

werden könne. In der spiegelbildlichen Konstellation eines beim mitsorgeberechtigten<br />

Vater mit Zustimmung der zur Aufenthaltsbestimmung berechtigten Mutter lebenden<br />

Kindes, bezweifelte einmal ein FamG, dass noch eine gemeinsame Sorge bestehe. Als<br />

Argumentationshilfe für das Jugendamt hatten wir folgende Ausführungen vorge-<br />

schlagen:<br />

„Die in dem Beschluss geäußerte Ansicht, dass es an <strong>einer</strong> ordnungsgemäßen<br />

Vertretung der Antragsteller fehle, weil ihr Vater nicht berechtigt sei, sie gem.<br />

§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB in Unterhaltsbelangen zu vertreten <strong>und</strong> eine Beistand-<br />

schaft zu beantragen (§ 1713 Abs. 1 S. 2 BGB), wird nicht geteilt.<br />

(1) Den Eltern steht hier das Sorgerecht gr<strong>und</strong>sätzlich gemeinsam zu. Außerdem<br />

hat der Vater die Obhut über beide Kinder. Damit sind die Voraussetzungen der<br />

vorgenannten BGB-Vorschriften erfüllt.<br />

(2) (a) Dass die gemeinsame elterliche Sorge in einem Teilbereich, nämlich der<br />

Aufenthaltsbestimmung, aufgehoben <strong>und</strong> einem der beiden Elternteile allein<br />

zugewiesen wurde, ändert nichts daran, dass im Übrigen weiterhin von <strong>einer</strong><br />

gemeinsamen Sorge gesprochen werden kann.<br />

Beispielhaft sei aus einem Beschluss des OLG Düsseldorf <strong>vom</strong> 1.3.2004, Az. 8 UF<br />

51/03, nach juris wie folgt zitiert:<br />

„Nach ausgiebiger Erörterung des Sach- <strong>und</strong> Streitstandes im Senatstermin <strong>vom</strong><br />

18.02.2004 haben die Parteien erklärt, dass sie damit einverstanden sind, dass das Auf-<br />

enthaltsbestimmungsrecht für J. auf die Antragstellerin übertragen wird, <strong>und</strong> es im übri-<br />

gen bei der gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts für J. durch beide Parteien ver-<br />

bleibt. Diese von beiden Parteien befürwortete Regelung entspricht - unter Berücksich-<br />

tigung der derzeit im wesentlichen unproblematischen Ausübung der Umgangskontak-<br />

te <strong>und</strong> der wenigen, nach dem Ergebnis der Erörterung im Senatstermin eher neben-<br />

sächlichen <strong>und</strong> lösbaren Streitpunkte der Parteien im Rahmen der fortbestehenden ge-<br />

meinsamen elterlichen Sorge - den Vorschriften der §§ 1626 ff., 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB<br />

<strong>und</strong> dem Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz, wonach bei einem weiterhin vorhandenen


- 16 -<br />

Gr<strong>und</strong>konsens beider Elternteile in maßgeblichen Erziehungsfragen <strong>und</strong> fortbestehender<br />

Kooperationsbereitschaft beider Elternteile in Angelegenheiten von erheblicher Bedeu-<br />

tung Teilentscheidungen zu bevorzugen sind, insbesondere die Beschränkung der Al-<br />

leinsorge eines Elternteils auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht <strong>und</strong> die damit verbun-<br />

dene alleinige Entscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens (OLG<br />

München NJW 2000, 368; vgl. auch: Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. 2003, § 1671,<br />

Rn 4/5/18 m. w. N.).“<br />

Das zieht offensichtlich auch das Amtsgericht nicht gr<strong>und</strong>sätzlich in Zweifel,<br />

wenn es von den „(bis auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam sor-<br />

geberechtigten) Kindeseltern“ spricht.<br />

Dann ist es aber widersprüchlich <strong>und</strong> auch nicht zutreffend, insoweit lediglich<br />

von <strong>einer</strong> „Teilsorge“ zu sprechen, die nicht von § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB „gere-<br />

gelt“ werde. Vielmehr ist das Gegenteil richtig: Ungeachtet der Ausklammerung<br />

des Aufenthaltsbestimmungsrechts besteht nach wie vor eine gemeinsame el-<br />

terliche Sorge im Sinne der Vorschrift. Die Behauptung, der Fall eines von der<br />

gemeinsamen Sorge ausgenommenen Aufenthaltsbestimmungsrechts falle<br />

nicht in den Anwendungsbereich des § 1629 Abs. 2 S.2 BGB, ist eine argumenta-<br />

tiv nicht haltbare „petitio principii“, bei der das erst noch zu Begründende be-<br />

reits als Ergebnis vorausgesetzt wird.<br />

(b) Nach alldem zwingt schon der Gesetzeswortlaut nicht etwa zu der Ausle-<br />

gung, dass das in Rede stehende Vertretungs- bzw Antragsrecht entfalle, wenn<br />

die gemeinsame Sorge nicht uneingeschränkt besteht, sondern ein Teilbereich,<br />

der keinen Bezug zu der Geltendmachung des Unterhaltsrechts hat, dem ande-<br />

ren Elternteil – also dem Anspruchsgegner – übertragen wurde.<br />

Dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht nichts mit der Geltendmachung des<br />

Unterhalts zu tun hat, bedarf an sich k<strong>einer</strong> näheren <strong>Begründung</strong>. Vorsorglich<br />

wird aber hierzu aus dem Beschluss des OLG Zweibrücken <strong>vom</strong> 26.9.1996 (Fa-<br />

mRZ 1997, 550) wie folgt zitiert:<br />

„Zwar ist die Befugnis zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes kein<br />

Bestandteil der Vermögenssorge, sondern der Personensorge, innerhalb dieses Bereichs<br />

aber kein Bestandteil des Aufenthaltsbestimmungsrechts.“<br />

c) Auch der Sinn der gesetzlichen Regelung steht der Annahme eines Vertre-<br />

tungsrechts des Vaters unter diesen Umständen nicht entgegen. Wie das OLG


- 17 -<br />

Düsseldorf a.a.O. in völliger Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des<br />

BVerfG (vgl. z.B. BVerfGE 107, 150, 169 <strong>und</strong> FF 2009, 416) <strong>und</strong> des BGH (FamRZ<br />

2005, 1167) betont hat, sind Eingriffe in die elterliche Sorge am Maßstab des<br />

Verhältnismäßigkeitsprinzips zu messen.<br />

Der Gesetzgeber wollte in Übereinstimmung hiermit durch § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB<br />

gerade vermeiden, dass bei gemeinsamer elterlicher Sorge, deren Förderung<br />

im Übrigen seit der Kindschaftsrechtsreform 1998 ein offensichtliches gesetzge-<br />

berisches Anliegen ist, stets ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss, um die<br />

Vertretung des Kindes in Unterhaltsbelangen sicherzustellen. Es würde diesem<br />

Ziel <strong>und</strong> auch dem Verhältnismäßigkeitsgr<strong>und</strong>satz eindeutig zuwiderlaufen,<br />

wenn man verlangen wollte, dass bei <strong>einer</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich fortbestehenden ge-<br />

meinsamen Sorge, von der lediglich ein untergeordneter <strong>und</strong> mit dem Unterhalt<br />

nicht in Berührung stehender Teilaspekt ausgenommen wurde, ein weiterer Ein-<br />

griff in die Elternautonomie vorzunehmen sei, nämlich durch einen Teilentzug<br />

der Sorge gegenüber beiden Eltern <strong>und</strong> durch die Bestellung eines Ergänzungs-<br />

pflegers zur Durchsetzung des Kindesunterhaltsanspruchs.<br />

Hierbei ist anzumerken, dass die anders lautende strikte Behauptung in dem<br />

familiengerichtlichen Beschluss sogar folgendes bedeuten würde: Selbst derje-<br />

nige Elternteil, dem zwecks <strong>Begründung</strong> bzw Absicherung s<strong>einer</strong> Obhut über<br />

das Kind das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde, wäre gehindert,<br />

von seinen Befugnissen nach § 1629 Abs. 2 S. 2 <strong>und</strong> § 1713 Abs. 1 S. 3 BGB Ge-<br />

brauch zu machen, weil – in den Begriffskategorien des Familiengerichts – keine<br />

gemeinsame Sorge, sondern nur eine „Teilsorge“ bestünde. Dass dies nicht rich-<br />

tig sein kann, sollte auf der Hand liegen.<br />

d) Es gibt aber auch keinen Anlass zu <strong>einer</strong> anderen Beurteilung, wenn das Auf-<br />

enthaltsbestimmungsrecht nicht dem Elternteil zusteht, der tatsächlich die Ob-<br />

hut über das Kind bzw die Kinder hat. In diesem Zusammenhang bemerkt Kai-<br />

ser, in: NomosKommentar BGB - Familienrecht, 2. Aufl, 2010, § 1629 Rn. 42:<br />

„Nicht maßgeblich ist, ob der betreuende Elternteil berechtigt ist, das Kind in s<strong>einer</strong> Ob-<br />

hut zu haben: Der Normzweck des § 1629 Abs. 2 S. 2 gebietet es, dem mitsorgeberech-<br />

tigten Elternteil das Recht zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen auch dann<br />

zu geben, wenn er das Kind <strong>vom</strong> anderen Elternteil entführt oder nach einem Besuchs-<br />

wochenende nicht zum bisher betreuenden Elternteil hat zurückkehren lassen. Auch in<br />

diesen Fällen müssen Unterhaltsansprüche des Kindes möglichst unkompliziert (ohne


- 18 -<br />

Pflegerbestellung) durchgesetzt werden können, um den Unterhalt des Kindes zu si-<br />

chern (Fn. 48: OLG München FamRZ 2003,248; Staudinger/Peschel-Gutzeit § 1629 Rn.<br />

337).“<br />

Der letzte Satz erinnert im Übrigen erneut an das schon angesprochene Prinzip<br />

der Verhältnismäßigkeit, das auch hier zu beachten ist.<br />

e) Weiterhin ist zu bedenken: Bei alleiniger Sorge steht die Befugnis des betreu-<br />

enden Elternteils, den Unterhalt im Rahmen der Personensorge geltend zu ma-<br />

chen, außer Frage. Es kommt aber nicht ganz selten vor, dass einem alleinsor-<br />

geberechtigten Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen wird. Bei<br />

konsequenter Übertragung der im Beschluss mitgeteilten, aber von hier aus<br />

nicht geteilten Ansicht des Amtsgerichts auf diese Fallgestaltung müsste dann<br />

ebenfalls angenommen werden, dass dieser Elternteil im Rahmen s<strong>einer</strong> ver-<br />

meintlich bloßen „Teilsorge“ nicht mehr befugt sei, den Kindesunterhalt geltend<br />

zu machen, weshalb ein Ergänzungspfleger zu bestellen sei.<br />

Eine solche Schlussfolgerung wird aber, soweit ersichtlich, nirgendwo gezogen.<br />

Sie läge auch fern. Denn es sind immerhin Fälle denkbar, in denen – anders als<br />

im Fall des OLG Koblenz in FamRZ 2007, 412, bei dem das Kind in den Haushalt<br />

des Vaters gezogen war <strong>und</strong> die alleinsorgeberechtigte Mutter das hingenom-<br />

men hat – der Unterhaltsanspruch des Kindes nach einem Aufenthaltswechsel<br />

nicht oder nicht allein von der nunmehr im Gr<strong>und</strong>satz (auch) barunterhalts-<br />

pflichtigen Mutter zu erfüllen ist (zB bei <strong>einer</strong> Aufnahme des Kindes in den Haus-<br />

halt der Großmutter; zur Absicherung des dortigen Aufenthalts wird der sozial in-<br />

stabilen <strong>und</strong> leistungsunfähigen Mutter - nur - das Aufenthaltsrecht entzogen.<br />

Diese ist mit dem Fortbestand der <strong>Beistandschaft</strong> einverstanden <strong>und</strong> genehmigt<br />

die unmittelbare Aushändigung der beim Vater eingezogenen Unterhaltsbe-<br />

träge an die Großmutter).<br />

Wäre die Ansicht des Familiengerichts <strong>vom</strong> Gr<strong>und</strong>satz her zutreffend, müsste<br />

folgerichtig die bestehende <strong>und</strong> funktionierende <strong>Beistandschaft</strong> als beendet<br />

angesehen werden, weil die Mutter nur noch eine „Teilsorge“ habe, obwohl ih-<br />

re Befugnis zur Geltendmachung des Unterhalts von dem Sorgerechtseingriff<br />

unberührt blieb. Dieses Beispiel zeigt wohl deutlich die fehlende Stimmigkeit die-<br />

ses gedanklichen Ansatzes auf.


- 19 -<br />

Dann kann aber eine schlüssige Lösung der hier aufgeworfenen Fragestellung<br />

nur lauten: Auch in diesem Fall hat es bei der <strong>vom</strong> Gesetz strukturell vorgege-<br />

benen Ausgestaltung der Vertretungsbefugnis zu bleiben; § 1629 Abs. 2 S. 2 <strong>und</strong><br />

§ 1713 Abs. 1 S. 2 BGB bleiben anwendbar, wenn gr<strong>und</strong>sätzlich gemeinsame<br />

Sorge besteht <strong>und</strong> ein Elternteil die Obhut hat, mag auch das Aufenthaltsbe-<br />

stimmungsrecht gesondert geregelt sein oder sogar dem Obhut-Elternteil nicht<br />

zustehen.<br />

(3) Abschließend sei bemerkt, dass weder in führenden Kommentaren zum BGB<br />

noch in obergerichtlicher oder gar höchstrichterlicher Rechtsprechung F<strong>und</strong>-<br />

stellen auffindbar sind, welche die in dem Beschluss vertretene Ansicht stützen<br />

könnten. Das Fortbestehen <strong>einer</strong> im Sinne von § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB rechtlich<br />

beachtlichen gemeinsamen Sorge wird bei <strong>einer</strong> gerichtlich angeordneten<br />

Ausklammerung lediglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts offenbar nirgend-<br />

wo in Zweifel gezogen.<br />

Indirekt angesprochen wird die Problematik lediglich bei Jaeger, in: Johansen<br />

/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 1629 BGB Rn. 6a:<br />

㤠1629 Abs. 2 S. 2 ist nicht, auch nicht analog, zu Gunsten des nicht sorgeberechtigten<br />

Elternteils anwendbar, in dessen Obhut sich das Kind -zB aufgr<strong>und</strong> eines Umzugs in sei-<br />

nen Haushalt - befindet <strong>und</strong> der Barunterhaltsansprüche des Kindes gegen den ande-<br />

ren (noch) allein sorgeberechtigten Elternteil geltend machen will. Zur Behebung des<br />

Mangels der gesetzlichen Vertretung im Unterhaltsverfahren bedarf es hier der Bestel-<br />

lung eines Ergänzungspflegers (Fn. 22: § 1909 Abs. 1 S. 1; vgl. Koblenz FamRZ 2007, 412;<br />

2002, 562).“<br />

Diese zutreffenden Ausführungen lassen aber wiederum nur den Umkehrschluss<br />

zu: Bei gemeinsamer Sorge besteht in jedem Fall die Vertretungsbefugnis des<br />

die Obhut ausübenden Elternteils, selbst wenn das Aufenthaltsbestimmungs-<br />

recht gesondert geregelt ist.<br />

6. Wie sind Fälle <strong>einer</strong> geteilten Mitbetreuung zu beurteilen?<br />

Haben die Eltern das gemeinsame Sorgerecht, kommt es vielfach zu Fällen sog. geteil-<br />

ter Mitbetreuung. Dies kann beispielsweise gegeben sein, wenn das Kind an den Wo-<br />

chenende bei einem Elternteil lebt, ggf dort auch gemeldet ist, <strong>und</strong> unter der Woche<br />

eine Berufsausbildung absolviert, die sich im Betrieb oder in der Nähe des anderen


- 20 -<br />

Elternteils befindet, so dass das Kind dort nach der Arbeit hingeht <strong>und</strong> auch übernach-<br />

tet.<br />

Stellt sich nun die Frage nach der Antragsberechtigung für die <strong>Beistandschaft</strong>,<br />

kann fraglich werden, wessen Obhut bei gemeinsamer elterlicher Sorge gege-<br />

ben ist.<br />

Die Feststellung der Obhut eines Elternteils ist dann unproblematisch, wenn sich<br />

das Kind eindeutig überwiegend bei diesem Teil aufhält <strong>und</strong> der andere Elternteil<br />

allenfalls einen zeitlich untergeordneten Umgang pflegt. Problematisch wird es,<br />

wenn – wie eingangs beschrieben – Fallkonstellationen auftreten, in denen beide<br />

Elternteile jeweils erhebliche Zeitanteile an der Betreuung des Kindes haben bis<br />

hin zu dem reinen Wechselmodell, in dem bei exakt gleichen Betreuungsanteilen<br />

kein Elternteil mehr die Obhut hat. In diesen Fällen ist das wesentliche Hilfsmittel<br />

der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Rechtsfindung der Taschen-<br />

rechner. Hierzu nehmen wir beispielhaft Bezug auf eine einschlägige BGH-<br />

Entscheidung <strong>vom</strong> 28.02.2007 (JAmt 2007, 217 = FamRZ 2007, 707):<br />

‚b) Mehrere gleichnahe Verwandte haften nach § 1606 Abs. 3 Satz 1<br />

BGB für den Unterhalt eines Berechtigten anteilig nach ihren Erwerbs-<br />

<strong>und</strong> Vermögensverhältnissen. Nach Satz 2 der Bestimmung erfüllt der El-<br />

ternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seine Ver-<br />

pflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch<br />

dessen Pflege <strong>und</strong> Erziehung. Der andere, nicht betreuende Elternteil<br />

hat den Unterhalt durch Entrichtung <strong>einer</strong> Geldrente zu gewähren<br />

(§ 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die gesetzliche Regelung geht mithin davon<br />

aus, dass ein Elternteil das Kind betreut <strong>und</strong> versorgt <strong>und</strong> der andere El-<br />

ternteil die hierfür erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Da-<br />

bei bestimmt sich das Maß des zu gewährenden Unterhalts nach der<br />

Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB). Soweit dieser aller-<br />

dings noch keine eigenständige Lebensstellung erlangt hat, wie dies<br />

bei unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kindern der Fall ist, leitet sich<br />

seine Lebensstellung von derjenigen der unterhaltspflichtigen Eltern ab.<br />

Wird das Kind von einem Elternteil versorgt <strong>und</strong> betreut, während der<br />

andere Teil Barunterhalt leistet, so bestimmt sich die Lebensstellung des


- 21 -<br />

Kindes gr<strong>und</strong>sätzlich nach den Einkommens- <strong>und</strong> Vermögensverhältnis-<br />

sen des barunterhaltspflichtigen Elternteils.<br />

Das ist - in Fällen der vorliegenden Art - so lange nicht in Frage zu stel-<br />

len, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Eltern-<br />

teil liegt. Solange ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass dieser<br />

Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt <strong>und</strong> dadurch den<br />

Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage nur s<strong>einer</strong> eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barun-<br />

terhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwerge-<br />

wicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwi-<br />

schen Bar- <strong>und</strong> Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhalts-<br />

pflichtige Elternteil s<strong>einer</strong>seits Betreuungs- <strong>und</strong> Versorgungsleistungen<br />

erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hin-<br />

aus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung<br />

sich bereits <strong>einer</strong> Mitbetreuung annähert. Wenn <strong>und</strong> soweit der andere<br />

Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es<br />

dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des<br />

§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege <strong>und</strong> Erziehung des Kindes er-<br />

füllt. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Elternteil die Hauptverantwor-<br />

tung für ein Kind trägt, kommt der zeitlichen Komponente der von ihm<br />

übernommenen Betreuung indizielle Bedeutung zu, ohne dass die Beur-<br />

teilung sich allein hierauf zu beschränken braucht (Senatsurteil <strong>vom</strong> 21.<br />

Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1016 f.).<br />

c) Im vorliegenden Fall hat der Beklagte in dem hier maßgeblichen Zeit-<br />

raum nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des<br />

Berufungsgerichts im Durchschnitt die Betreuung an 5 von 14 Tagen<br />

übernommen, <strong>und</strong> zwar dergestalt, dass sich die Kinder von mittwochs<br />

abends bis montags morgens beim Vater aufhalten <strong>und</strong> sodann nach<br />

der Schule in den Haushalt der Mutter wechseln, wo sie bis zum Mitt-<br />

wochabend der folgenden Woche bleiben. Damit entfällt auf den Be-<br />

klagten ein Betreuungsanteil von etwas mehr als 1/3 (ger<strong>und</strong>et 36 %).<br />

Auch wenn er - über den zeitlichen Einsatz hinaus - den entsprechen-<br />

den Anteil der insgesamt anfallenden Betreuungsleistungen wahrge-<br />

nommen haben sollte, was sich aus den getroffenen Feststellungen<br />

nicht zweifelsfrei ergibt, reicht das nicht aus, um von <strong>einer</strong> etwa hälfti-


- 22 -<br />

gen Aufteilung der Erziehungs- <strong>und</strong> Betreuungsaufgaben auszugehen.<br />

Vielmehr läge das Schwergewicht der Betreuung auch dann eindeutig<br />

bei der Mutter. Die Eltern praktizieren somit keine Betreuung in einem<br />

Wechselmodel mit im Wesentlichen gleichen Anteilen (vgl. hierzu Se-<br />

natsurteil <strong>vom</strong> 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015,<br />

1017). Deshalb kommt die Mutter ihrer Unterhaltspflicht gegenüber den<br />

Klägerinnen gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch deren Betreuung<br />

nach. Eine anteilige Barunterhaltspflicht besteht für sie entgegen der<br />

Auffassung des Berufungsgerichts nicht‘<br />

Je nach dem Ergebnis sollte bei diesen Fallkonstellationen die Obhut des einen bzw<br />

des anderen Elternteils bejaht <strong>und</strong> danach die Frage beantwortet werden, wer zur<br />

Geltendmachung des Unterhalts <strong>und</strong> damit zum Antrag auf eine <strong>Beistandschaft</strong> legi-<br />

timiert ist. Der BGH aaO ist der Auffassung, dass ‚zur Beantwortung der Frage, ob ein<br />

Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, der zeitlichen Komponente der<br />

von ihm übernommenen Betreuung indizielle Bedeutung zukommt, ohne dass die Be-<br />

urteilung sich allein hierauf zu beschränken braucht.‘ Es ist aber schwer erkennbar <strong>und</strong><br />

bisher auch in einschlägigen Entscheidungen nicht näher ausgeführt worden, welche<br />

sonstigen Kriterien bei <strong>einer</strong> eindeutig zeitlich überwiegenden Betreuung durch einen<br />

Elternteil zu einem abweichenden Ergebnis führen könnten.<br />

Ergänzend ist zu bemerken, dass für die Ermittlung der entsprechenden Zeitanteile der<br />

wechselseitigen Betreuung Kindergarten- <strong>und</strong> Schulzeiten gr<strong>und</strong>sätzlich nicht als neut-<br />

rale Zeiten herauszurechnen sind. Der jeweils betreuende Elternteil muss sich an den<br />

Schul- <strong>und</strong> Kindergartentagen um das Aufstehen, die Bekleidung, das Frühstück <strong>und</strong><br />

den sicheren Kindergarten- bzw Schulweg kümmern. Bei Erkrankung muss er die Be-<br />

treuung selbst wahrnehmen (OLG Koblenz 03.07.2008, 11 WF 547/08 = OLG-Report<br />

Koblenz 2008, 798).<br />

7. Welche Folgen hat der Wechsel der Obhut bei gemeinsamer Sorge?<br />

Zieht das Kind beispielsweise von der Mutter zum Vater, so wechselt auch die Obhut<br />

mit der Folge, dass bei vorliegender gemeinsamer Sorge die zunächst gegebene An-<br />

tragsbefugnis der Mutter für eine <strong>Beistandschaft</strong> entfällt <strong>und</strong> damit auch die Beistand-<br />

schaft von Gesetzes wegen beendet ist (§ 1715 Abs. 2 iVm § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB). Da


- 23 -<br />

die Mutter das Kind nunmehr überhaupt nicht mehr in Unterhaltsbelangen vertreten<br />

kann – wohl aber umgekehrt der Vater gegen sie für Unterhaltszeiträume ab dem Ob-<br />

hutswechsel, in welchen die Mutter infolge des Wegfalls ihrer Betreuung barunter-<br />

haltspflichtig wird, vgl § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB –, könnte sie die Rückstände auch selbst<br />

dann nicht mehr im Namen des Kindes gegen den Vater geltend machen, wenn sie<br />

sich statt der Unterstützung des Jugendamts beispielsweise anwaltlicher Hilfe bedienen<br />

würde.Soweit die Mutter in der Vergangenheit anstelle des nicht leistenden Vaters mit<br />

dem Kindesunterhalt in Vorlage getreten ist, steht ihr ggf ein familienrechtlicher Aus-<br />

gleichsanspruch hierfür zu. Diesen muss sie aber im eigenen Namen <strong>und</strong> ohne ju-<br />

gendamtliche Unterstützung gegen den Vater geltend machen.<br />

8. Wie ist unterhaltsrechtlich der Monat des Wechsels zu beurteilen?<br />

Legt man den Ablauf eines bestimmten Tages, zB den 06.07.2011, für einen Wechsel<br />

der rechtmäßigen Obhut über das Kind zugr<strong>und</strong>e, endet an diesem Tag auch die Ver-<br />

tretungsbefugnis des Jugendamts als Beistand, die zuvor auf Antrag eines Elternteils<br />

eingetreten war, bei dem das Kind zuvor gelebt hat. Der alleinige gesetzliche Vertreter<br />

des Kindes in Unterhaltsbelangen ist ab diesem Tag der andere Elternteil. Das Jugend-<br />

amt ist deshalb nicht mehr befugt, im Namen des Kindes Unterhaltsansprüche gegen<br />

den erst genannten Elternteil geltend zu machen. Umgekehrt konnte der andere El-<br />

ternteil mit Wirkung ab diesem Tag eine <strong>Beistandschaft</strong> beantragen. Zu den Aufgaben<br />

des Beistands im Rahmen der ihm nunmehr obliegenden Unterhaltsverfolgung gegen<br />

den Elternteil, bei dem das Kind zuvor gelebt hat, gehört es auch, aufgelaufene Rück-<br />

stände geltend zu machen.<br />

Insoweit ist die Ausgangslage klar: Das Jugendamt hat keine Möglichkeiten mehr, Kin-<br />

desunterhalt auf Geheiß des Elternteils, bei dem das Kind zuvor gelebt hat, gegen den<br />

Elternteil, bei dem das Kind jetzt lebt, geltend zu machen. Umgekehrt besteht eine<br />

entsprechende Verpflichtung, gegen den erstgenannten Elternteil vorzugehen, soweit<br />

dieser nach dem Wechsel der Obhut Kindesunterhalt schulden sollte. Denn mit dem<br />

Ende der tatsächlichen Betreuung entfiel für diesen auch die Möglichkeit, seinen Un-<br />

terhaltsbeitrag durch Pflege <strong>und</strong> Erziehung iSv § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB zu leisten. Er wur-<br />

de selbst barunterhaltspflichtig.<br />

Ungeachtet der eindeutigen formalen Ausgangslage bestehen aber Bedenken, ge-<br />

wissermaßen bei laufender Fahrt den Schalter umzulegen <strong>und</strong> mitten im Monat nicht<br />

mehr für den einen Elternteil, sondern gegen diesen tätig zu werden. Dies ist nicht zu-


- 24 -<br />

letzt eine Frage der Fairness gegenüber diesem Elternteil, der binnen kurzer Frist aus<br />

der Position des Gläubigervertreters in diejenige des Schuldners versetzt wird. Dass dies<br />

eine gewisse Zeit der Umstellung erfordert, sollte auf der Hand liegen.<br />

Hier kommt es zB darauf an, wann der andere Elternteil erstmals iSd § 1613 Abs. 1 S. 1<br />

BGB nachweislich den einen Elternteil zur Zahlung von Unterhalt für den restlichen Mo-<br />

nat Juli aufgefordert hat. Sollte das erst nachträglich geschehen sein, käme eine<br />

rückwirkende Einforderung von vornherein nicht in Betracht. Ein vernünftiges Ergebnis<br />

wäre es, beide Seiten dazu zu bewegen, für den Monat Juli auf ihre jeweiligen ver-<br />

meintlichen Ansprüche zu verzichten. Hat jedoch der eine Elternteil bestimmte Beträge<br />

verauslagt, zB für Schulhort, Musikunterricht usw, sollte der Beistand um eine Aufstellung<br />

bitten, welche konkreten Kosten im Monat Juli dies sind <strong>und</strong> dann prüfen, inwieweit<br />

hierdurch der Kindesbedarf teilweise gedeckt wäre.<br />

9. Kommt es darauf an, ob der Obhutswechsel gegen den Willen eines Elternteils<br />

herbeigeführt wurde?<br />

Ein Obhutswechsel gegen den Willen eines Elternteils liegt zB dann vor, wenn das Kind<br />

entführt wurde. Allgemein bemerkt hierzu Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB, Stand<br />

2007, § 1629 Rn 337:<br />

„Auf die Berechtigung zur Obhut kommt es nicht an; es entscheidet<br />

die tatsächliche vorrangige Fürsorge. Deshalb hat auch der Elternteil<br />

das Kind in s<strong>einer</strong> Obhut, der es von dem anderen Elternteil entführt<br />

hat, es sei denn, dieser andere Elternteil ist Inhaber der alleinigen el-<br />

terlichen Sorge (Rolland Rn 10). Denn auch in diesem Fall muss der<br />

Unterhalt des Kindes schnell <strong>und</strong> ohne zusätzliche Komplikationen<br />

(Pflegerbestellung!) gesichert werden.“<br />

Diese F<strong>und</strong>stelle wird zustimmend zitiert von Kaiser (in: BGB-Familienrecht, § 1629 Rn 42<br />

Nomos-Kommentar, 2. Aufl. 2010 unter Hinw. auf OLG München FamRZ 2003, 248).<br />

Deshalb ist für den Fall eines Obhutswechsels gegen den Willen eines Elternteils bis zu<br />

<strong>einer</strong> etwaigen erneuten Aufenthaltsänderung der Kinder (sei es im Einvernehmen der<br />

Eltern, sei es aufgr<strong>und</strong> <strong>einer</strong> etwaigen gerichtlichen Entscheidung über die Sorge) zu-<br />

gr<strong>und</strong>e zu legen, dass Elternteil, bei dem sich das Kind nicht aufhält, den Barunterhalt


- 25 -<br />

schuldet <strong>und</strong> sich nicht auf eine früher abweichende, aber von den Eltern nicht mehr<br />

einvernehmlich aufrechterhaltene Vereinbarung berufen kann.<br />

Ebenso unbeachtlich ist z.B. auch eine Argumentation dahingehend, der Vater habe<br />

den Aufenthaltswechsel der Kinder nicht nur hingenommen, sondern womöglich aktiv<br />

gefördert. Bei Uneinigkeit der Eltern mit gemeinsamer Sorge bedarf es insoweit <strong>einer</strong><br />

gerichtlichen Klärung. Diese kann erreicht werden entweder über einen Antrag nach<br />

§ 1628 BGB mit dem Ziel, einem Elternteil per Gerichtsbeschluss die Entscheidung über<br />

den Aufenthalt einzuräumen. Denkbar ist andererseits aber auch ein Antrag gem. §<br />

1671 Abs. 1 BGB, das Aufenthaltsrecht als Teil der elterlichen Sorge einem der beiden<br />

Elternteile zu übertragen. Allenfalls in diesem jeweiligen Zusammenhang mag eine Rol-<br />

le spielen, inwieweit die Eltern s<strong>einer</strong>zeit im Verhältnis zueinander eine verbindliche<br />

Absprache getroffen hatten, die – vorbehaltlich <strong>einer</strong> abweichenden Beurteilung an-<br />

hand des Kindeswohls – nach wie vor beachtlich wäre. Jedenfalls kann aber eine sol-<br />

che Vereinbarung, wie bereits aufgezeigt, nicht seitens des anderen Elternteils den<br />

Kindern entgegengehalten werden, wenn diese Unterhalt verlangen.<br />

Solange ein Elternteil eine derartige Klärung nicht sucht, sondern den gegenwärtigen<br />

Zustand hinnimmt, müssen auch die unterhaltsrechtlichen Folgen getragen <strong>und</strong> für<br />

den Barbedarf der Kinder gesorgt werden.<br />

10. Wie ist ein Obhutswechsel auf Probe zu beurteilen?<br />

Zur Verdeutlichung <strong>und</strong> Veranschaulichung der Problematik sei hier ein Auszug eines<br />

<strong>DIJuF</strong>-Rechtsgutachtens zitiert:<br />

„Das Kind (16 Jahre alt) hat bisher im Haushalt der Mutter gelebt. Die Mutter<br />

hat das alleinige Sorgerecht. Nunmehr hat sich die Mutter auf Drängen des<br />

Vaters <strong>und</strong> des Kindes damit einverstanden erklärt, dass das Kind probeweise<br />

für ca 6 Wochen bei seinem Vater leben wird. (Das Kind hat bereits in der<br />

Vergangenheit einmal beim Vater gelebt, ist dann jedoch wieder in den<br />

Haushalt der Mutter zurückgekehrt.)<br />

Für die Mutter scheint es tatsächlich zunächst eine ‚Probezeit‘ zu sein, der<br />

Vater möchte die Situation jedoch anscheinend bereits jetzt verfestigen.


- 26 -<br />

Der Vater lebt in guten wirtschaftlichen Verhältnissen. Laut Titel musste er bis-<br />

her Unterhalt in Höhe von 412 EUR leisten. Tatsächlich wäre der Unterhalt je-<br />

doch nach oben anzupassen, falls dauerhaft von <strong>einer</strong> Barunterhaltsver-<br />

pflichtung auszugehen wäre. Nunmehr möchte der Vater das Kind in seinem<br />

Haushalt anmelden <strong>und</strong> Kindergeld beantragen. Ferner ist die Frage des Un-<br />

terhalts ungeklärt. Insbesondere besteht auch noch ein Rückstand aus den<br />

vergangenen Monaten, den die Mutter nunmehr (durch den Beistand) gel-<br />

tend machen möchte.<br />

Dem Jugendamt stellt sich die Frage, wie die Situation aus der Sicht der Bei-<br />

standschaft zu beurteilen ist, solange noch nicht endgültig entschieden ist,<br />

bei welchem Elternteil das Kind dauerhaft leben wird:<br />

1. Welcher Elternteil hat während der Probezeit Anspruch auf eine Beistand-<br />

schaft?<br />

Bei Alleinsorge der Mutter ändert sich nichts an den bisherigen Verhältnissen<br />

(vgl § 1715 Abs. 2 iVm § 1713 BGB). Der Wechsel des tatsächlichen Aufent-<br />

halts des Kindes spielt keine Rolle. Auf die Frage der Obhut kommt es nur bei<br />

gemeinsamer Sorge an.<br />

Selbst in diesem Fall wäre sehr fraglich, ob bei <strong>einer</strong> einvernehmlich verein-<br />

barten sechswöchigen Probezeit mit der unstrittigen Perspektive, dass das<br />

Kind bei einem Fehlschlagen des ‚Experiments‘ wieder in den Haushalt der<br />

Mutter zurückkehrt, bereits von einem rechtlich beachtlichen Wechsel der<br />

Obhut mit Auswirkungen iSv § 1629 Abs. 2 S. 2 , § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB ge-<br />

sprochen werden könnte.<br />

2. Muss der Vater während der Probezeit von 6 Wochen anteilig Unterhalt an<br />

die Mutter (zB für Unterkunftskosten) leisten?<br />

Die Fallgestaltung unterscheidet sich noch nicht sehr wesentlich von <strong>einer</strong><br />

längeren Umgangsperiode zB während der großen Ferien. Hier entspricht es<br />

der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass der barunterhaltspflichtige El-<br />

ternteil nicht allein deshalb den Unterhalt kürzen darf, weil er den Bedarf des<br />

Kindes in dieser Zeit durch Naturalleistungen deckt.


- 27 -<br />

3. Muss evtl die Mutter Unterhalt während der Probezeit von 6 Wochen Un-<br />

terhalt an den Vater leisten?<br />

Hier gilt spiegelbildlich das oben bereits Ausgeführte. Freilich ist keineswegs<br />

ausgeschlossen, dass die Eltern einvernehmlich eine Absprache treffen, die<br />

den Naturalleistungen des Vaters während der sechswöchigen probeweisen<br />

Betreuungszeit Rechnung trägt.<br />

4. Ist das Kind bereits jetzt umzumelden?<br />

Die Entscheidung hierüber trifft die alleinsorgeberechtigte Mutter. Solange<br />

nicht endgültig feststeht, dass das Kind den Wohnsitz beim Vater begründen<br />

solle, dürfte kein Anlass für eine Ummeldung bestehen.<br />

5. Wer hat Anspruch auf das Kindergeld?<br />

Insoweit besteht im Hinblick auf die Vorläufigkeit der innerfamiliären Rege-<br />

lung kein Anlass, eine anderweitige Auszahlung zu veranlassen. Die tiefen<br />

fre<strong>und</strong>schaftlichen Gefühle für die Eltern seitens des Sachbearbeiters/der<br />

Sachbearbeiterin der Kindergeldkasse, dem oder der innerhalb von sechs<br />

Wochen zwei konträre Anträge für eine Änderung der Auszahlung vorgelegt<br />

werden, lassen sich bereits jetzt in etwa vorausahnen.<br />

Dass die Eltern eine informelle Absprache darüber treffen können, wie das<br />

Kindergeld während dieser Zeit angerechnet oder verwendet werden soll,<br />

bleibt hiervon unberührt.<br />

6. Kann der Beistand für die Mutter die titulierten Rückstände noch geltend<br />

machen?<br />

Der Beistand ist gem. § 1716 S. 2 BGB iVm den Vorschriften des Pflegschafts-<br />

rechts gesetzlicher Vertreter des Kindes. Eingezogenen Unterhalt hat er dem-<br />

jenigen Elternteil abzuliefern, der zum Empfang des Geldes <strong>und</strong> zur Verfü-<br />

gung hierüber berechtigt ist. Das ist bei der bestehenden Alleinsorge zweifels-<br />

frei die Mutter.


- 28 -<br />

Würde bei gemeinschaftlicher Sorge die Obhut tatsächlich wechseln, wäre<br />

die <strong>Beistandschaft</strong> beendet. Der Vater könnte dann s<strong>einer</strong>seits eine Bei-<br />

standschaft beantragen, um Unterhaltsansprüche des Kindes gegen die<br />

nunmehr barunterhaltspflichtig gewordene Mutter durchzusetzen.<br />

Bei rein formaler Betrachtung bleiben natürlich auch die zuvor aufgelaufe-<br />

nen Rückstände, die der Vater dem Kind schuldete, Unterhaltsansprüche des<br />

Kindes. Jedoch wäre es eine weitgehend sinnfreie Beschäftigung des Bei-<br />

stands, im Namen des Kindes rückständigen Unterhalt <strong>vom</strong> Vater einzufor-<br />

dern, um diesen sodann wieder beim nunmehr gem. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB<br />

zur unterhaltsrechtlichen Vertretung des Kindes allein befugten Vater abzulie-<br />

fern.<br />

Wenn die Mutter die Tatsache, dass sie in der Vergangenheit während aus-<br />

gebliebener Unterhaltszahlungen des Vaters den Kindesbedarf selbst ge-<br />

deckt hat, gegenüber dem Vater geltend machen will, ist sie hierfür auf ei-<br />

nen sog. ‚familienrechtlichen Ausgleichsanspruch‘ angewiesen. Diese<br />

Rechtsfigur hat die Rechtsprechung ohne gesetzliche Gr<strong>und</strong>lage entwickelt.<br />

Einen solchen Anspruch muss die Mutter aber selbst einfordern. Eine Unter-<br />

stützung durch das Jugendamt als Beistand scheidet hierbei aus.“<br />

11. Wie ist bei einem Obhutswechsel mit dem vorliegenden Titel zu verfahren?<br />

a) Mit dem Ende der <strong>Beistandschaft</strong> endet die gesetzliche Vertretung durch das Ju-<br />

gendamt. Der Unterhaltsgläubiger kann die Herausgabe eines in seinem Eigentum<br />

stehenden Titels verlangen (§ 985 BGB). Unterhaltsgläubiger ist hier das Kind. Dieses<br />

wird zwar bei gemeinsamer Sorge gr<strong>und</strong>sätzlich von beiden Elternteilen vertreten. In<br />

Unterhaltsbelangen obliegt aber die Vertretung demjenigen Elternteil, der die Obhut<br />

über das Kind hat (§ 1629 Abs. 2 S. 2). Deshalb hat dieser Elternteil Anspruch auf Her-<br />

ausgabe des Titels zu seinen Händen, auch wenn dieser sich gegen ihn selbst richtet.<br />

Anzumerken sind hierzu noch auf folgende Punkte:<br />

Das Jugendamt darf nach <strong>Beendigung</strong> der <strong>Beistandschaft</strong> die vollstreckbare Ausferti-<br />

gung nicht weiter bei sich verwahren. Eine Aushändigung an den bisher vertretungs-<br />

berechtigten Elternteil kommt jedoch nicht in Betracht, weil dieser nicht (mehr) zur Ver-<br />

tretung des Kindes beim Unterhalt berechtigt ist. Soweit dieser Elternteil bei bisher aus-<br />

gebliebenem Barunterhalt des anderen Elternteils den Bedarf des Kindes gedeckt hat,


- 29 -<br />

hat er zwar im Gr<strong>und</strong>satz einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den<br />

anderen. Diesen Anspruch muss er aber selbst geltend machen <strong>und</strong> ggf. einen eige-<br />

nen Titel hierüber erwirken.<br />

Theoretisch wäre denkbar, dass der auf das Kind lautende Titel auf den nun vertre-<br />

tungsberechtigten Elternteil umgeschrieben werden könnte. Dies würde aber entwe-<br />

der einen gesetzlichen Forderungsübergang voraussetzen – was nur in Ausnahmefäl-<br />

len anzunehmen ist – oder aber eine Abtretung des Kindesunterhalts. Eine Abtretung<br />

des rückständigen Kindesunterhalts an den jetzt vertretungsberechtigten Elternteil zum<br />

Zwecke der Titelumschreibung wäre nur bei Mitwirkung eines Ergänzungspflegers vor-<br />

stellbar. Solange ein solcher nicht bestellt ist, hat das Jugendamt die gegenwärtigen<br />

Vertretungsverhältnisse zu beachten.<br />

Deshalb kann <strong>und</strong> muss das Jugendamt im Gr<strong>und</strong>satz den Titel nur dem derzeitigen<br />

gesetzlichen Vertreter des Kindes beim Unterhalt herausgeben, auch wenn dieser in<br />

der Urk<strong>und</strong>e als Schuldner bezeichnet ist.<br />

b) Zum selben Ergebnis käme man, wenn man allein das eigene Interesse des ehema-<br />

ligen Barunterhaltsschuldners an der Herausgabe der zuvor gegen ihn bestehenden<br />

Vollstreckungsgr<strong>und</strong>lage betrachtet:<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich kann der Schuldner, der den titulierten Anspruch vollständig erfüllt hat,<br />

<strong>vom</strong> Gläubiger in entsprechender Anwendung des § 371 BGB die Herausgabe der<br />

vollstreckbaren Ausfertigung des Titels verlangen (BGH 22.09.1994, IX ZR 165/93 =<br />

BGHZ 127, 146 = NJW 1994, 3225). Dahinter steht folgende Überlegung (vgl Wenzel, in:<br />

MünchKommBGB, 5. Aufl. 2007, § 371 Rn 1 mwN): Ist ein Schuldschein durch Erlöschen<br />

der Schuld unrichtig geworden, hat der Schuldner ein berechtigtes Interesse an des-<br />

sen Rückgabe, damit der Schuldschein nicht mehr als Beweismittel oder in sonstiger<br />

Weise gegen ihn verwandt werden kann. Das Gesetz räumt dem Schuldner daher ne-<br />

ben dem Anspruch auf Quittung (§ 368 BGB) einen Anspruch auf Rückgabe des<br />

Schuldscheins ein. Es will damit zugleich im allgemeinen Verkehrsinteresse <strong>einer</strong> miss-<br />

bräuchlichen Verwendung von Schuldscheinen entgegenwirken. Wegen der ver-<br />

gleichbaren Interessenlage kann der Schuldner gr<strong>und</strong>sätzlich in entsprechender An-<br />

wendung des § 371 BGB nach Erfüllung der Schuld auch die Herausgabe des Vollstre-<br />

ckungstitels verlangen (BGH aaO; Wenzel aaO Rn 8). Hierfür ist es nicht notwendig<br />

oder auch nur ausreichend, dass er vorher ein Urteil gem. § 767 ZPO erwirkt hat oder<br />

gleichzeitig Vollstreckungsgegenklage erhebt (BGH aaO). Denn die materiell-<br />

rechtliche Klage nach § 371 BGB verfolgt ein anderes Ziel <strong>und</strong> geht über die Wirkung


- 30 -<br />

des § 767 hinaus. Sie setzt deshalb das Nicht-(mehr-)Bestehen des materiellen An-<br />

spruchs voraus, das der Titel nach § 767 nicht zum Inhalt hat (Wenzel aaO unter Hin-<br />

weis auf BGH aaO).<br />

Rechtsprechung <strong>und</strong> Literatur, welche einen Herausgabeanspruch in entsprechender<br />

Anwendung des § 371 BGB bejahen, legen aber stets zugr<strong>und</strong>e, dass die titulierte Ver-<br />

pflichtung endgültig erloschen ist, sodass also auch der Titel – analog zum Schuld-<br />

schein – dauerhaft unrichtig geworden ist.<br />

Einen Sonderfall dergestalt, dass zwar gegenwärtig der Unterhaltsverpflichtete nichts<br />

mehr aus dem Titel schuldet, dieser aber wieder Bedeutung erlangen könnte, - z.B.<br />

weil der Kindesbedarf zwar derzeit, aber zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr<br />

durch Leistungen der wirtschaftlichen Jugendhilfe im Rahmen eines Pflegeverhältnis-<br />

ses gedeckt sind oder der Unterhaltsberechtigte volljährig wird (vgl § 244 FamFG) –<br />

haben die bisher veröffentlichten Gerichtsentscheidungen <strong>und</strong> Kommentarf<strong>und</strong>stellen<br />

offenbar nicht im Blick. Deshalb haben wir Bedenken, den Titel in solchen Sonderkons-<br />

tellationen direkt nach <strong>Beendigung</strong> der <strong>Beistandschaft</strong> an den anderen Elternteil her-<br />

auszugeben, wenn nicht sicher festgestellt werden kann, ob dessen Unterhaltspflicht<br />

dauerhaft nicht mehr fortbesteht. Dass in solchen Konstellationen eine Herausgabe an<br />

den nun barunterhaltspflichtigen Elternteil nicht in Betracht kommt, der infolge des<br />

Wegfalls s<strong>einer</strong> Obhut bei gemeinsamer Sorge nicht mehr in Unterhaltsbelangen des<br />

Kindes vertretungsberechtigt ist (vgl § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB), bedarf wohl k<strong>einer</strong> Her-<br />

vorhebung. Aber auch eine Übergabe zB an das Sachgebiet Wirtschaftliche Jugend-<br />

hilfe kommt nicht in Betracht, weil diese im Fall der Geltendmachung eines Kostenbei-<br />

trags gegenüber den Eltern nach den Vorschriften des SGB VIII nicht im Rahmen des<br />

Unterhaltsrechts handelt <strong>und</strong> deshalb mit dem Titel nichts anfangen kann. Deshalb<br />

kann für solche Fälle nur eine Herausgabe an das Kind in Erwägung gezogen werden.<br />

Insoweit ist die häufig übersehene Vertretungsvorschrift des § 1688 Abs. 1 BGB von Be-<br />

deutung. Sie lautet:<br />

‚(1) Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeper-<br />

son berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entschei-<br />

den sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegen-<br />

heiten zu vertreten. Sie ist befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu<br />

verwalten sowie Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- <strong>und</strong> sonstige


- 31 -<br />

Sozialleistungen für das Kind geltend zu machen <strong>und</strong> zu verwalten.<br />

§ 1629 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.‘<br />

Daher halten wir es für richtig, den Titel in Fällen der Familienpflege an den oder die<br />

Verwandten herauszugeben, bei denen das Kind derzeitig in Pflege ist. Hierbei sollte in<br />

sinngemäßer Kurzfassung der oben gegebenen Hinweise erwähnt werden, dass der<br />

Titel zwar keine aktuelle Bedeutung hat, aber im Fall der <strong>Beendigung</strong> der Leistungen<br />

der Wirtschaftlichen Jugendhilfe <strong>und</strong> auch bei Eintritt der Volljährigkeit des Kindes<br />

noch in gewissem Umfang als Vollstreckungsgr<strong>und</strong>lage für den künftigen Unterhaltsan-<br />

spruch dienen kann. Deshalb sei er nicht an den anderen Elternteil herausgegeben<br />

worden, sondern an die derzeit in Unterhaltsbelangen vertretungsberechtigten Ver-<br />

wandten. Diese mögen die vollstreckbare Ausfertigung gut verwahren, damit sie im<br />

Bedarfsfall nochmals zur Geltung gebracht <strong>und</strong> auch dem Kind bei Eintritt der Volljäh-<br />

rigkeit zur etwaigen weiteren Veranlassung übergeben werden kann.<br />

Allerdings sehen wir nicht den Beistand in der Pflicht, den Titel von dem Elternteil her-<br />

auszuverlangen, um ihn sodann weiterzugeben. Er benötigt den zuvor gegen den Va-<br />

ter gerichteten Titel nicht zur Erfüllung s<strong>einer</strong> jetzigen Aufgaben. Denn diese bestehen<br />

allein darin, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend zu<br />

machen. Es ist uE auch nicht Aufgabe des Beistands, den anderen Elternteil vor <strong>einer</strong><br />

möglichen unrechtmäßigen Vollstreckung durch diesen Elternteil zu bewahren. Des-<br />

halb mag ihm anheimgestellt werden, selbst den Titel herauszufordern, wenn er hie-<br />

rauf Wert legt.<br />

Wir gestehen im Übrigen gerne zu, dass man bei sehr feinsinniger Betrachtung im letzt-<br />

genannten Punkt womöglich auch zu einem anderen Ergebnis kommen könnte. Eine<br />

solche Überlegung könnte etwa darauf gestützt werden, dass der Beistand für ‚Ord-<br />

nung‘ hinsichtlich der im Namen des Kindes existierenden Unterhaltstitel zu sorgen ha-<br />

be. Allerdings müsste dann konsequenterweise die Schlussfolgerung lauten, dass der<br />

Beistand den zunächst gegen den anderen Elternteil gerichteten Titel weiterhin im<br />

Namen des Kindes verwahren sollte, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die-<br />

ser bei einem erneuten Obhutswechsel wieder aktiviert werden könne. Jedenfalls<br />

spricht dies aber gegen die Berechtigung des Elternteils, der Beistand möge den an-<br />

deren Elternteil zur Herausgabe des Unterhaltstitels veranlassen <strong>und</strong> diesen sodann an<br />

ihn selbst aushändigen.


- 32 -<br />

Nur am Rande sei bemerkt, dass für die vorstehenden Erwägungen unerheblich ist, ob<br />

aus dem Titel noch Rückstände bestehen. Denn der Elternteil wäre nach dem Verlust<br />

der Obhut über das Kind nicht befugt, dieses insoweit zu vertreten. Soweit er in der<br />

Vergangenheit den finanziellen Bedarf des Kindes gedeckt hat <strong>und</strong> insoweit in Vorla-<br />

ge getreten ist, steht ihm allenfalls in s<strong>einer</strong> Person ein eigenständiger familienrechtli-<br />

cher Ausgleichsanspruch gegen den anderen Elternteil zu. Für dessen Geltendma-<br />

chung benötigt er aber nicht den Titel, der auf das Kind lautet. Insoweit ist gr<strong>und</strong>sätz-<br />

lich keine Rechtsnachfolge anzunehmen, soweit nicht ausnahmsweise die Vorausset-<br />

zungen des § 1607 Abs. 2 BGB vorliegen.<br />

12. Können rechtliche Betreuer/-innen eine <strong>Beistandschaft</strong> im Namen von ihnen<br />

vertretener Elternteile beantragen?<br />

a) Die Wahrnehmung der elterlichen Sorge gehört nicht zu den eigenen Angelegen-<br />

heiten eines Elternteils <strong>und</strong> kann daher nicht Gegenstand <strong>einer</strong> Betreuung gem. §§<br />

1896 ff. BGB sein (BayObLG BtPrax 2004, 239 m. w. N.; Dodegge FPR 2005, 233). Des-<br />

halb ist das Erziehungsversagen eines Elternteils auch ohne Bedeutung für die tatsäch-<br />

lichen Voraussetzungen der Bestellung eines rechtlichen Betreuers; es kann allenfalls<br />

Anlass für familiengerichtliche Maßnahmen nach §§ 1666,1666a BGB sein, soweit das<br />

Kindeswohl gefährdet sein sollte (Knittel in Münchner Anwaltshandbuch Familienrecht,<br />

3. Aufl. 2010. § 13 Rn. 50).<br />

Daher ist es hier von vornherein ausgeschlossen, dass ein gesetzlicher Betreuer des El-<br />

ternteils in deren Namen eine <strong>Beistandschaft</strong> beantragt. Ein Teil-Aufgabenkreis der<br />

Betreuung wie „Vertretung bei Behörden <strong>und</strong> Ämtern“ (wobei sich die Frage stellt, wo-<br />

rin der Unterschied zwischen beiden Institutionen liegen soll) gibt nur die Befugnis, in<br />

eigenen Angelegenheiten des Elternteils zu handeln, nicht aber auch im Bereich der<br />

elterlichen Sorge.<br />

Auf die Frage, ob das Verbot der Antragstellung durch einen Vertreter in § 1713 Abs. 1<br />

S. 4 BGB sich nur auf die Bevollmächtigung bezieht (vgl. hierzu RegE BT-Drucks. 13/892<br />

S. 38), kommt es daher nicht an.<br />

b) Vielmehr ist folgendes zu überlegen: Die Einrichtung <strong>einer</strong> Betreuung hat für sich<br />

genommen keine Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit des oder der Betroffenen.<br />

Sofern nicht unter den Voraussetzungen des § 104 Nr 2 BGB tatsächlich eine Ge-<br />

schäftsunfähigkeit anzunehmen ist - was im jeweiligen Einzelfall auf der Hand liegen


- 33 -<br />

oder konkret durch Gutachten nachgewiesen sein müsste, weil bei Volljährigen von<br />

ihrer Geschäftsfähigkeit als Regelfall auszugehen ist -, können Betroffene weiterhin<br />

rechtlich wirksame Erklärungen abgeben. Deshalb sollte jeweils mit der Betreuungsper-<br />

son Rücksprache genommen werden, ob dem Elternteil ggf bewusst ist, dass er mit<br />

<strong>einer</strong> von ihm unterzeichneten Erklärung die Hilfe des Jugendamts bei der Geltend-<br />

machung von Unterhaltsansprüchen ihres Kindes beantragt. Wenn dies zweifelsfrei<br />

bejaht werden kann, bestehen auch keine Bedenken gegen die Wirksamkeit <strong>einer</strong><br />

solchen Erklärung.<br />

c) Sollte hingegen der Betreuer im Hinblick auf geistige Beeinträchtigungen des Eltern-<br />

teils f<strong>und</strong>ierte Argumente dagegen haben, dass dieser sein Kind in diesem Zusam-<br />

menhang rechtlich wirksam vertreten kann, könnte dem nur durch Bestellung eines<br />

Ergänzungspflegers im Sinne von § 1909 Abs. 1 BGB für die Unterhaltsangelegenheiten<br />

des Kindes begegnet werden. Dann müsste aber von vornherein durch das Familien-<br />

gericht mit Unterstützung des Jugendamts auch geprüft werden, ob die Pflegschaft<br />

auf die Geltendmachung des Unterhalts zu beschränken ist oder ggf auch weitere<br />

Wirkungskreise zu umfassen hätte.<br />

13. Ein Elternteil mit Alleinsorge gibt die Obhut auf. Endet die <strong>Beistandschaft</strong>?<br />

Hat ein Elternteil die alleinige Sorge, kommt es nicht auf die Obhut an. Dann ist nur<br />

dieser Elternteil antragsbefugt iSv § 1713 Abs. 1 S. 1 BGB, nicht aber der andere Eltern-<br />

teil. Das gilt auch dann, wenn ein untergeordneter Teil der Personensorge, wie hier das<br />

Aufenthaltsbestimmungsrecht, auf den anderen Elternteil übertragen wurde.<br />

Zu näheren Einzelheiten vgl die nachfolgenden <strong>DIJuF</strong>-Gutachten:<br />

„Seit Jahren besteht für ein Kind eine <strong>Beistandschaft</strong>, welche die alleinsorge-<br />

berechtige Mutter beantragt hat. Inzwischen lebt das Kind nicht mehr bei<br />

der Mutter, sondern bei den Großeltern. Die Mutter hat nach wie vor das<br />

Sorgerecht.<br />

1. Bleibt die <strong>Beistandschaft</strong> bestehen?<br />

Die <strong>Beendigung</strong>sgründe für eine <strong>Beistandschaft</strong> ergeben sich aus §§ 1715,<br />

1717 BGB. Neben dem schriftlichen <strong>Beendigung</strong>sverlangen des antragsbe-<br />

fugten Elternteils <strong>und</strong> dem Umzug des Kindes ins Ausland ist von praktischer


- 34 -<br />

Bedeutung insbesondere der Entzug der elterlichen (Personen-)Sorge sowie<br />

bei gemeinsamer Sorge der Verlust der Obhut über das Kind. Die Obhut ist<br />

als Abgrenzungskriterium für Eltern mit gemeinsamer Sorge notwendig, weil<br />

nur <strong>einer</strong> von beiden das Kind gegen den anderen bei der Geltendma-<br />

chung des Unterhalts vertreten kann (vgl § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB).<br />

Ob bei gemeinsamer Sorge ein Elternteil seine bisherige Obhut nicht mehr in-<br />

nehat, bedarf im Fall der Unterbringung bei Verwandten genauerer Prüfung.<br />

Entscheidend ist, ob diese nicht nur als ‚Betreuungshelfer‘ zB während der<br />

Woche eingesetzt werden <strong>und</strong> das Kind regelmäßig die Wochenenden mit<br />

dem betreffenden Elternteil verbringt. Nur dann, wenn der bisher die Obhut<br />

ausübende Elternteil seine Betreuungs- <strong>und</strong> Erziehungsverantwortung im We-<br />

sentlichen auf Verwandte wie etwa die Großeltern delegiert, kann auch von<br />

einem Verlust dieser Obhut gesprochen werden.<br />

Im Umkehrschluss bedeutet das: Hat ein Elternteil die Alleinsorge, kommt es<br />

nicht darauf an, ob er auch das Kind in Obhut hat. Eine von ihm beantragte<br />

<strong>Beistandschaft</strong> wird nicht dadurch von Gesetzes wegen beendet, dass er<br />

das Kind anderweitig unterbringt.<br />

2. ... <strong>und</strong> falls ja, prüfe ich auch die Unterhaltsfähigkeit der Mutter?<br />

Das ist gr<strong>und</strong>sätzlich erforderlich, da der Beistand nicht gesetzlicher Vertreter<br />

der Mutter, sondern des Kindes ist <strong>und</strong> deshalb auch dessen Unterhaltsan-<br />

sprüche gegen beide Elternteile geltend machen muss, wenn beide barun-<br />

terhaltspflichtig sind (was ja anzunehmen wäre, wenn die Mutter nicht mehr<br />

ihren Unterhaltsbeitrag durch Pflege <strong>und</strong> Erziehung des Kindes gem. § 1606<br />

Abs. 3 S. 2 BGB leisten würde. Das führt wieder zurück zu der bereits erörterten<br />

Frage, ob die Großeltern die Betreuung des Kindes in vollem Umfang über-<br />

nommen haben oder nur als zeitweilige Betreuungshelfer der Mutter anzuse-<br />

hen sind).<br />

Allerdings kann die entsprechende Prüfung gegenüber der Mutter im Ergeb-<br />

nis wohl nur bedeuten, dass nach allgemein bekannten Gr<strong>und</strong>sätzen (vgl<br />

hierzu die unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Celle in Nr 12.3 iVm Nr 13.3;<br />

die Leitlinien sind zB aufzurufen auf dem Internetportal des Deutschen Famili-<br />

engerichtstages eV) der Bedarf des Kindes nach dem zusammengerechne-


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ten bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern – ohne Umgruppierung we-<br />

gen <strong>vom</strong> Durchschnitt abweichender Zahl der Leistungspflichten – ermittelt<br />

<strong>und</strong> sodann die jeweilige Haftungsquote der Eltern nach Maßgabe der bei-<br />

derseitigen Einkommensverhältnisse berechnet wird. Nur der sich dann erge-<br />

bende Teil des Unterhalts ist gegenüber dem Vater geltend zu machen.<br />

Hingegen wäre es wenig sinnvoll, dass der Beistand auch die Mutter auffor-<br />

dert, ihren Teil zum Barunterhalt beizutragen. Zum einen könnte die Mutter<br />

die <strong>Beistandschaft</strong> jederzeit beenden, wenn das Jugendamt entgegen ihrer<br />

ursprünglichen Erwartung auch gegen sie selbst vorgehen wollte. Zum ande-<br />

ren ist bei Alleinsorge der Mutter auch nur diese berechtigt, für das Kind ein-<br />

gezogenen Unterhalt entgegenzunehmen <strong>und</strong> darüber zu verfügen. Es wäre<br />

aber eine vollständig sinnfreie <strong>und</strong> ausschließlich skurrile Beschäftigung des<br />

Beistands, wenn dieser die Mutter auffordert würde, Unterhalt in Höhe ihrer<br />

Haftungsquote an ihn zu entrichten, damit er ihr anschließend das Geld wie-<br />

der zur Verwendung für das Kind aushändigen kann.<br />

In einschlägigen Fällen kann erfahrungsgemäß die Situation eintreten, dass<br />

ein Kind der Betreuung von Großeltern überantwortet wird, ohne dass die<br />

weiterhin alleinsorgeberechtigte Mutter es für notwendig hält, durch Abfüh-<br />

rung der <strong>vom</strong> Vater eingezogenen Unterhaltsbeträge oder auch durch einen<br />

eigenen Beitrag den finanziellen Bedarf des Kindes zu decken. Wenn das Ju-<br />

gendamt hiervon erfährt – wobei es durchaus offensiv mit der Problematik<br />

umgehen kann, indem es die Mutter befragt <strong>und</strong> sich womöglich deren An-<br />

gaben von den Großeltern bestätigen lässt –, ist gr<strong>und</strong>sätzlich von <strong>einer</strong> Ge-<br />

fährdung des Kindeswohls auszugehen. Denn es geht nicht an, dass die Mut-<br />

ter ihre Erziehungsverantwortung auf andere abschiebt, ohne sich darum zu<br />

kümmern, wie der Lebensunterhalt des Kindes sichergestellt werden kann. In<br />

einem derartigen Fall sollte das Familiengericht angerufen werden, damit<br />

geprüft werden kann, ob der Mutter zumindest ein Teil der Sorge entzogen<br />

werden kann, damit ein Ergänzungspfleger zur Geltendmachung des Unter-<br />

halts <strong>und</strong> zur Entscheidung über dessen Verwendung eingesetzt werden<br />

kann. In nicht wenigen Fällen wird dann auch das Jugendamt diese Pflegs-<br />

chaft zu übernehmen haben.<br />

Nur am Rande sei bemerkt, dass ein wenig verantwortungsbewusstes Verhal-<br />

ten der Mutter in einschlägigen Fallkonstellationen, welches Anlass zu einem


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unterhaltsbezogenen Eingriff in ihre Sorge gibt, häufig auch Defizite in ande-<br />

ren Bereichen der Ausübung des Sorgerechts erkennen lässt, sodass vermut-<br />

lich das Familiengericht in erweitertem Umfang hierin eingreifen <strong>und</strong> eine<br />

Pflegschaft anzuordnen muss.<br />

3. Falls die <strong>Beistandschaft</strong> beendet werden muss, wie können die Großeltern<br />

die Unterhaltsansprüche des Kindes realisieren?<br />

Im konkreten Fall stellt sich die Frage nicht, weil die <strong>Beistandschaft</strong> aus dem<br />

oben näher dargelegten Gr<strong>und</strong> fortbesteht.<br />

Nachfolgend sei daher für den hypothetischen Fall Stellung genommen, dass<br />

eine gemeinsame Sorge besteht <strong>und</strong> die Obhut eines Elternteils endet. Dann<br />

ist k<strong>einer</strong> der Elternteile mehr befugt, das Kind bei der Geltendmachung des<br />

Unterhalts zu vertreten. Die <strong>Beistandschaft</strong> endet von Gesetzes wegen.<br />

Eine Vertretungsbefugnis der Großeltern für die Geltendmachung des Kin-<br />

desunterhalts könnte allenfalls unter den Voraussetzungen des § 1688 Abs. 1<br />

S. 2 BGB angenommen werden, wenn eine Familienpflege im Sinne der Vor-<br />

schrift vorläge. Das ist bei <strong>einer</strong> Vollzeitpflege iSv § 33 SGB VIII zu bejahen.<br />

Jedoch können auch faktische Pflegeverhältnisse unbeschadet fehlender<br />

rechtlicher Vorbedingungen, insbesondere <strong>einer</strong> Pflegeerlaubnis, diese Vo-<br />

raussetzungen erfüllen (Finger, in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, § 1688 Rn<br />

1).<br />

Allerdings sind die Großeltern bei Vorliegen <strong>einer</strong> Vertretungsbefugnis nach<br />

der genannten Vorschrift nicht befugt, eine <strong>Beistandschaft</strong> zu beantragen,<br />

weil der Wortlaut des § 1713 Abs. 1 BGB das nicht ermöglicht.<br />

Stehen die Voraussetzungen des § 1688 Abs. 1 BGB nicht zweifelsfrei fest,<br />

müsste ggf wiederum eine Ergänzungspflegschaft gem. § 1909 Abs. 1 BGB<br />

durch das Familiengericht eingerichtet werden.“<br />

Bei Bestellung eines Ergänzungspflegers sei folgendes ergänzend angemerkt:<br />

Ein bestellter Ergänzungspfleger wäre auch befugt, über die Verwendung einge-<br />

zogener Beträge zu entscheiden. Hätte beispielsweise ein Stiefvater seit dem Um-<br />

zug des Kindes in seinen Haushalt ohne entsprechende rechtliche Verpflichtung


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hierzu dessen finanziellen Bedarf gedeckt, hätte dieser einen eigenen Aus-<br />

gleichsanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677 ff gegen die<br />

Eltern. Deshalb erschiene es fair <strong>und</strong> unbürokratisch, ihm aufgelaufenen Unter-<br />

haltsbeträge auszuhändigen.<br />

14. Das Jugendamt hat Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter mit dem Kind ins Aus-<br />

land umgezogen ist <strong>und</strong> den bisherigen inländischen Wohnsitz nur noch formal beibe-<br />

hält. Die Mutter verweigert hierzu eine Aufklärung. Wie soll sich das Jugendamt verhal-<br />

ten?<br />

a) Gr<strong>und</strong>sätzlich ist richtig, dass die Voraussetzungen für die <strong>Beendigung</strong> <strong>einer</strong> Bei-<br />

standschaft feststehen müssen <strong>und</strong> eine entsprechende Schlussfolgerung nicht auf<br />

blosse Mutmassungen gestützt werden kann, wobei der bloßen fortbestehenden An-<br />

meldung des Kindes mit einem Wohnsitz im bisher zuständigen Kreis keine ausschlag-<br />

gebende Bedeutung zukommt, weil nur der tatsächliche gewöhnliche Aufenthalt von<br />

Bedeutung ist.<br />

b) Deuten mehrere gewichtige Anhaltspunkte auf einen ausländischen gewöhnlichen<br />

Aufenthalt des Kindes hin <strong>und</strong> verweigert die Mutter nachhaltig jegliche Kooperation<br />

sollte mit <strong>einer</strong> Umkehr der Beweislast gearbeitet werden: Sofern die Mutter nicht bin-<br />

nen angemessener Frist glaubhafte anderweitige Angaben zum tatsächlichen Auf-<br />

enthalt des Kindes macht, müsse unterstellt werden, dass es sich unter der ausländi-<br />

sche Wohnsitzadresse gewöhnlich aufhält <strong>und</strong> deshalb die <strong>Beistandschaft</strong> gem.<br />

§ 1717 S. 2 Hs. 1 BGB von Gesetzes wegen beendet ist.<br />

c) Andernfalls würde nicht nur die tatsächliche Fortführung der <strong>Beistandschaft</strong> infolge<br />

des Mangels an benötigten Informationen seitens der Mutter erschwert. Das Jugend-<br />

amt stünde auch vor folgendem Dilemma:<br />

- Hat das Kind tatsächlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei der Mutter im Ausland,<br />

wäre die <strong>Beistandschaft</strong> aus den <strong>vom</strong> Jugendamt genannten Gründen von Gesetzes<br />

wegen beendet.<br />

- Hält sich das Kind hingegen gewöhnlich an einem dritten Ort auf - zB bei Verwand-<br />

ten, welche die tatsächliche Obhut übernommen haben -, stellt sich die Frage <strong>einer</strong><br />

anteiligen Barunterhaltspflicht der Mutter; denn diese könnte dann womöglich ihrer<br />

Unterhaltspflicht nicht mehr durch Pflege <strong>und</strong> Erziehung des Kindes im Sinne von<br />

§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB nachkommen.


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d) Angesichts dieser komplexen Sachlage ist das Jugendamt ohne zusätzliche Infor-<br />

mationen nicht in der Lage, den Fortbestand s<strong>einer</strong> Zuständigkeit zweifelsfrei zu klären<br />

<strong>und</strong> kann darüber hinaus auch nicht den Unterhaltsanspruch des Kindes sachgerecht<br />

- insbesondere unter Berücksichtigung <strong>einer</strong> etwaigen Mithaftung der Mutter - klären.<br />

Das behindert nicht nur die tatsächliche Vertretungsmöglichkeit für das Kind, sondern<br />

kann im Extremfall sogar Haftungsfragen berühren (wenn etwa der Vater gegenüber<br />

dem Jugendamt den Vorwurf erheben würde, es habe ins Blaue hinein Unterhaltsfor-<br />

derungen gegen ihn erhoben, deren Höhe zweifelhaft sei, was <strong>einer</strong> vorsätzlichen sit-<br />

tenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB gleichkomme).<br />

Zwar ist es wenig wahrscheinlich, dass tatsächlich ein solcher Vorwurf durchgreifen<br />

würde. Dass das Jugendamt aber in eine fragwürdige Lage gerät, wenn es weiterhin<br />

Unterhaltsforderungen gegen den Vater geltend machen würde, ohne nähere Infor-<br />

mationen über den Aufenthalt des Kindes <strong>und</strong> die daraus folgenden Haftungsverhält-<br />

nisse zwischen den Eltern zu haben, sollte k<strong>einer</strong> Vertiefung bedürfen.<br />

e) Gr<strong>und</strong>sätzlich trifft es zwar zu, dass das Jugendamt eine unersprießliche Beistand-<br />

schaft nicht von sich aus beenden kann, sondern es hierzu <strong>einer</strong> ausdrücklichen Erklä-<br />

rung des antragsbefugten Elternteils bedarf. Wenn es aber den Hebel <strong>einer</strong> mutmaßli-<br />

chen Verlegung des Kindes ins Ausland hat, sollte dieser auch mit entsprechender Wir-<br />

kung eingesetzt werden. Allerdings empfiehlt es sich, der Mutter die Aufforderung zu<br />

weiterer Erklärung über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (bei ihr oder bei Drit-<br />

ten) durch ein internationales Einschreiben mit Rückschein zugehen zu lassen. Denn<br />

immerhin kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie andernfalls später behauptet,<br />

das Jugendamt habe sie nie über seine Zweifel <strong>und</strong> den angemeldeten Informations-<br />

bedarf aufgeklärt.<br />

15. Der Unterhaltspflichtige stirbt. Welche Auswirkungen hat das auf die Beistand-<br />

schaft?<br />

Der Tod des Unterhaltspflichtigen beendet die <strong>Beistandschaft</strong> nicht, solange noch<br />

Rückstände gegen Erben oder den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden kön-<br />

nen. Denn diese bleiben <strong>vom</strong> Tod des Verpflichteten unberührt (§ 1615 Abs. 1 BGB).<br />

Auch wenn zB der Mutter als gesetzlicher Vertreterin des Kindes bereits eine Schluss-<br />

rechnung erteilt <strong>und</strong> ihr gegenüber sowie gegenüber dem Insolvenzverwalter <strong>vom</strong><br />

Ende der <strong>Beistandschaft</strong> gesprochen worden sein sollte, ist damit nicht eine Emp-


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fangszuständigkeit für Rückstände entfallen, die noch nach längerer Zeit <strong>vom</strong> Insol-<br />

venzverwalter als anteilige Insolvenzforderungen überwiesen werden.<br />

16. Kann eine <strong>Beistandschaft</strong> auch durch Erledigung ihrer Aufgabe beendet<br />

werden?<br />

Zwar kennt das Gesetz für die Pflegschaft <strong>und</strong> demgemäß auch entsprechend<br />

für die <strong>Beistandschaft</strong> den <strong>Beendigung</strong>statbestand der „Erledigung <strong>einer</strong> einzel-<br />

nen Aufgabe“ (§ 1918 Abs. 3, § 1915 Abs. 1 S. 1; § 1716 S. 2 Hs. 1 BGB). Allerdings<br />

ist dies bei <strong>Beistandschaft</strong>en, die von Anfang an - oder nach Abschluss der ur-<br />

sprünglich mit umfassten Vaterschaftsfeststellung – auf die Aufgabe der Gel-<br />

tendmachung des Unterhalts beschränkt sind, eher selten zu bejahen. Denn die<br />

Aufgabe des Beistands ist nicht bereits dann erledigt, wenn dieser die Titulierung<br />

des Unterhalts erreicht hat. Zur „Geltendmachung“ gehören auch die ggf erfor-<br />

derliche Zwangsvollstreckung sowie das Bemühen um Aktualisierung der Titel bei<br />

Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse, zB nach turnusgemäßer Einkom-<br />

mensüberprüfung beim Schuldner. Da auch die Vertretung des Kindes bei der<br />

Abwehr von Herabsetzungsforderungen seitens des Pflichtigen nach inzwischen<br />

ganz hM von der „Geltendmachung“ umfasst wird, lässt sich wohl nur in sehr we-<br />

nigen Ausnahmefällen begründen, dass - bei rückstandsfreien Unterhaltsverhält-<br />

nissen – die entsprechende Aufgabe des Beistands vor der Volljährigkeit „erle-<br />

digt“ sei.<br />

Allenfalls könnte dies - bei rein zukunftsgerichteter Betrachtung - anders zu beur-<br />

teilen sein, wenn mit erheblicher Wahrscheinlichkeit absehbar ist, dass bis zur Voll-<br />

jährigkeit des Kindes tatsächlich kein laufender Unterhalt mehr geltend zu ma-<br />

chen ist (zB bei Unterbringung des Kindes in einem Heim oder <strong>einer</strong> Pflegefamilie<br />

<strong>und</strong> Übernahme der Kosten durch die Wirtschaftliche Jugendhilfe). Das bedürfte<br />

aber <strong>einer</strong> Bewertung auch der zeitlichen Dimension: Betrifft die Unterbringung<br />

einen 16jährigen, lässt sich die Annahme <strong>einer</strong> Erledigung der Aufgabe des Bei-<br />

stands womöglich wesentlich einfacher begründen als bei einem elf - bis zwölf-<br />

jährigen Kind mit halbwegs realistischer Rückkehrperspektive in den Haushalt des<br />

betreffenden Elternteils <strong>und</strong> dann erneuter Notwendigkeit, Forderungen gegen<br />

den barunterhaltspflichtigen Elternteil durchzusetzen.

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