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(anderer Elternteil, Ehegatte) vom 13. September 2012 - DIJuF

(anderer Elternteil, Ehegatte) vom 13. September 2012 - DIJuF

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<strong>DIJuF</strong>-Themengutachten<br />

Unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit und Einkommen<br />

Dritter (<strong>anderer</strong> <strong>Elternteil</strong>, <strong>Ehegatte</strong>)<br />

– Häufig gestellte Fragen und die Antworten –<br />

Inhalt<br />

1. Auswirkung des Einkommens des betreuenden <strong>Elternteil</strong>s auf den<br />

Selbstbehalt des Barunterhaltspflichtigen<br />

2. Bedeutung des Einkommen eines deutlich besser verdienenden<br />

<strong>Ehegatte</strong>n für die Leistungsfähigkeit des Schuldners<br />

3. Auskunftsanspruch des Kindes über das Einkommen des <strong>Ehegatte</strong>n<br />

4. Taschengeldanspruch als pfändbares Einkommen<br />

5. Zur Anrechnung des Familienunterhalts auf das Existenzminimum<br />

des Schuldners nach § 850d Abs. 1 ZPO<br />

6. Auswirkungen des Familienunterhaltsanspruchs beim Bezug von<br />

Elterngeld<br />

DEUTSCHES INSTITUT<br />

FÜR JUGENDHILFE UND<br />

FAMILIENRECHT e. V.<br />

7. Inhalt und Bedeutung der Hausmann-Rechtsprechung<br />

FORUM FÜR FACHFRAGEN<br />

U 2.900 Dl<br />

<strong>13.</strong>09.<strong>2012</strong>


2<br />

1. Wie kann sich das Einkommen des betreuenden <strong>Elternteil</strong>s auf den Selbstbehalt<br />

des Barunterhaltspflichtigen auswirken?<br />

Mit dieser Fragestellung hat sich das Institut im Rahmen folgender Anfrage eines Ju-<br />

gendamts befasst:<br />

Eine Mutter hat ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.077<br />

EUR bei 20 Stunden halbtags. Sie hat keine weiteren Kinder. Der betreuende Vater<br />

verdient laut eigenen Angaben ca 2.650 EUR monatlich. Die Mutter beruft sich auf<br />

§ 1603 Abs. 2 Halbs. 1 BGB und lehnt eine Ausweitung ihrer Erwerbstätigkeit ab. Sie be-<br />

hauptet, dass ihr ein Selbstbehalt von 1.150 EUR zustehe. Das Jugendamt als Beistand<br />

hält ihr weiterhin eine verschärfte Erwerbsobliegenheit vor und will ihr nur 950 EUR zuer-<br />

kennen, nach Abzug einer ehebedingten Haushaltsersparnis sogar nur 855 EUR.<br />

(1) Ausgangspunkt: Verschärfte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern<br />

Auszugehen ist <strong>vom</strong> Grundsatz des § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB. Danach sind die Eltern un-<br />

verheirateter minderjähriger Kinder verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und<br />

der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus ergeben sich unterhaltsrecht-<br />

lich zwei konkrete Folgerungen: die Beschränkung im Regelfall auf den notwendigen<br />

Eigenbedarf von derzeit 950 EUR sowie die verschärfte Erwerbsobliegenheit. Diese be-<br />

deutet: Der Unterhaltsverpflichtete hat im Interesse des Unterhaltsberechtigten seine<br />

Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen. Daher muss er sich im Rahmen von Ver-<br />

hältnismäßigkeit und Zumutbarkeit fiktive Einkünfte anrechnen lassen, die er durch ei-<br />

ne zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte (statt aller Brudermüller, in: Palandt,<br />

BGB, 71. Aufl. <strong>2012</strong>, § 1603 Rn 22 ff).<br />

(2) Wegfall der verschärften Haftung aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 1603<br />

Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 BGB<br />

a) Die Verpflichtung eines barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s aus § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB<br />

tritt aber nicht ein, wenn sich dieser darauf berufen kann, dass ein <strong>anderer</strong> unterhalts-<br />

pflichtiger Verwandter vorhanden sei (§ 1603 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 BGB; sog. Subsidiari-<br />

tätsklausel). Ein solcher Verwandter kann auch der andere <strong>Elternteil</strong> sein, wenn dieser<br />

neben der Betreuung des Kindes ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen<br />

Unterhalts auch zu dessen Barbedarf beitragen kann (vgl bereits BGH DAVorm 1980,<br />

199 = FamRZ 1980, 555 und FamRZ 2008, 137, 140 sowie zuletzt FamRZ 2011, 1041; Bru-<br />

dermüller, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. <strong>2012</strong>, § 1603 Rn 46 mwN).


3<br />

Diese Regelung wird in einigen obergerichtlichen Leitlinien ausdrücklich angespro-<br />

chen, zB in den Hammer Leitlinien unter Nr 12.3:<br />

„Der <strong>Elternteil</strong>, der in seinem Haushalt ein minderjähriges unverheiratetes<br />

Kind betreut, braucht deshalb (vgl Nr 12.1) neben dem anderen <strong>Elternteil</strong><br />

regelmäßig keinen Barunterhalt zu leisten. Er kann jedoch auch barunter-<br />

haltspflichtig sein, wenn sein Einkommen bedeutend höher als das des an-<br />

deren <strong>Elternteil</strong>s ist oder wenn sein eigener angemessener Unterhaltsbedarf<br />

(1.150 EUR) bei zusätzlicher Leistung auch des Barunterhalts nicht unter-<br />

schritten wird, während der an sich allein barunterhaltspflichtige <strong>Elternteil</strong><br />

hierzu ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Unterhaltsbe-<br />

darfs nicht in der Lage ist (§ 1603 Abs. 2 S. 3 BGB).“<br />

Hingegen äußern sich die Leitlinien des KG Berlin hierzu zurückhaltender (vgl Nr 12.1):<br />

„Der <strong>Elternteil</strong>, der in seinem Haushalt ein mdj Kind versorgt, braucht für die-<br />

ses neben dem anderen <strong>Elternteil</strong> idR keinen Barunterhalt zu leisten, weil der<br />

Betreuungsunterhalt iSv § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB wertmäßig dem vollen Barun-<br />

terhalt entspricht. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn sein Einkommen<br />

bedeutend höher als das des anderen <strong>Elternteil</strong>s ist. In diesem Fall kann der<br />

Barunterhalt des anderen <strong>Elternteil</strong>s angemessen gekürzt werden.“<br />

Die Leitlinien aller Oberlandesgerichte können zu Vergleichszwecken auf dem Inter-<br />

netportal des Deutschen Familiengerichtstages eV (www.dfgt.de) abgerufen werden.<br />

b) Es stellt sich allerdings die Frage, ob sich der Gehalt der Regelung des § 1603 Abs. 2<br />

S. 3 Halbs. 1 BGB darin erschöpft, dass der Barunterhaltspflichtige bei Vorhandensein<br />

eines anderen leistungsfähigen Verwandten lediglich seinen „angemessenen“ (statt<br />

des niedrigeren notwendigen) Selbstbehalt verteidigen könne.<br />

aa) Wäre dies zutreffend, hätte das Jugendamt mit seiner Argumentation Recht.<br />

Dann bliebe die weitere Folge der grundsätzlich verschärften Haftung nach Absatz 2<br />

Satz 1 unberührt: Der Barunterhaltspflichtige müsste in jedem Fall seine gesteigerte Er-<br />

werbsobliegenheit erfüllen; andernfalls könnte ihm ein fiktives Einkommen zugerechnet<br />

werden. Der substanzielle Inhalt des Satzes 3 Halbs. 1 würde sich dann im Ergebnis auf<br />

die Festlegung beschränken: Würde der Pflichtige selbst bei Anwendung einer Ein-<br />

kommensfiktion den angemessenen Selbstbehalt unterschreiten, während der betreu-<br />

ende <strong>Elternteil</strong> diesen mühelos wahrt, ist Letzterer im entsprechenden Verhältnis zum<br />

Barunterhalt heranzuziehen.


4<br />

bb) Nur ergänzend sei zur konkreten Anwendung der Vorschrift auf Folgendes hinge-<br />

wiesen:<br />

Stellte man allein auf die Wahrung des angemessenen Selbstbehalts ab, so bliebe die<br />

Betreuung durch einen <strong>Elternteil</strong> im Ergebnis ohne Auswirkungen und ließe die Bestim-<br />

mung in § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB über die Gleichwertigkeit von Betreuungs- und Barun-<br />

terhalt leerlaufen. Diese Folge kann nur vermieden werden, wenn die Beteiligung des<br />

betreuenden <strong>Elternteil</strong>s am Barunterhalt davon abhängig gemacht wird, dass ein er-<br />

heblicher Unterschied zwischen den Einkünften der Eltern besteht (Klinkhammer, in:<br />

Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl. 2011, § 2<br />

Rn 398 unter Hinweis auf OLG Düsseldorf FamRZ 1992, 92 im Anschluss an BGH FamRZ<br />

1991, 182 sowie auf BGH FamRZ 2002, 742).<br />

Im gleichen Sinne bemerkt Seiler, in: Handbuch des Fachanwalts Familienrechts,<br />

8. Aufl. 2011, Rn 6/333:<br />

„Strittig ist, ob der betreuende <strong>Elternteil</strong> ein deutlich höheres Einkommen<br />

haben muss (BGH FamRZ 1980, 555 [556]; 1984, 39; 1991, 182; 1998, 286<br />

[288]); dies ist in eingeschränktem Umfang zu bejahen, dh die Subsidiari-<br />

tätshaftung darf nicht dazu führen, dass durch Übernahme des Barunter-<br />

halts der betreuende <strong>Elternteil</strong> nur noch über ein nahezu gleiches Einkom-<br />

men wie der Barunterhaltspflichtige verfügt (Faustregel mindestens 300 bis<br />

500 EUR mehr).“<br />

Auch der BGH (FamRZ 2008,137 [140]) hat zu den Voraussetzungen des § 1603 Abs. 2<br />

S. 3 BGB in zurückhaltender Auslegung angemerkt:<br />

„Ob das hier der Fall ist, kann schon zweifelhaft sein, weil sich das Einkom-<br />

men der Mutter auf lediglich 1.595,76 EUR monatlich beläuft. Allein diese<br />

Differenz des verfügbaren Einkommens kann es kaum rechtfertigen, die Un-<br />

terhaltspflicht gegenüber dem Beklagten vollständig entfallen zu lassen.“<br />

Allerdings stimmen die Aussagen in den Leitlinien der Oberlandesgerichte hierzu teil-<br />

weise nicht überein: Ein Teil der Leitlinien etwa aus Bremen, Dresden, Düsseldorf, Frank-<br />

furt, Oldenburg, Rostock und Schleswig legt jeweils in Nr 12.1 oder Nr 12.3 ausdrücklich<br />

zu Grunde, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1603 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1<br />

BGB sich das Einkommen des betreuenden <strong>Elternteil</strong>s als „bedeutend höher“ erweisen<br />

müsse. Hingegen sehen die Süddeutschen Leitlinien in Nr 12.1 für die Mithaftung des<br />

betreuenden <strong>Elternteil</strong>s, wenn der angemessene Selbstbehalt des anderen nicht ge-


5<br />

wahrt ist, nicht ausdrücklich eine weitere Einschränkung vor; ähnlich die Leitlinien des<br />

OLG Hamm (Nr 12. 3; vgl dazu oben), sowie diejenigen aus Koblenz, Köln und Celle<br />

(jeweils 12.1; zum Ganzen auch Klinkhammer aaO).<br />

c) Zur oben bereits angesprochenen Frage, ob sich der barunterhaltspflichtige Eltern-<br />

teil auch bei verletzter eigener Erwerbsobliegenheit auf die (Mit-)Haftung des Betreu-<br />

enden berufen kann, scheint unter rein formal-logischen Gesichtspunkten auf den ers-<br />

ten Blick eher die Sicht der unterhaltspflichtigen Mutter nahe zu liegen: Wenn § 1603<br />

Abs. 2 S. 1 BGB so zu verstehen ist, dass darunter auch die verschärfte Erwerbsoblie-<br />

genheit fällt und Satz 3 Halbs. 1 hierauf allgemein negativ Bezug nimmt („Diese Ver-<br />

pflichtung tritt nicht ein …“), ist zu fragen: Hat sich das tatsächlich in der Anwendung<br />

des höheren Selbstbehalts auf den Barunterhaltspflichtigen zu erschöpfen?<br />

(3) Standpunkt der Rechtsprechung und Literatur<br />

Eine Auswertung von Rechtsprechung und Literatur, soweit die Problematik ausdrück-<br />

lich oder in einschlägigem Zusammenhang mittelbar angesprochen wird, ergibt:<br />

a) Es ist keine einzige Fundstelle bekannt, die – iSd hier barunterhaltspflichtigen Mutter<br />

– wie folgt argumentieren würde: Bei Vorhandensein eines deutlich leistungsfähigeren<br />

betreuenden <strong>Elternteil</strong>s wird der Barunterhaltspflichtige auch von seiner verschärften<br />

Erwerbsobliegenheit befreit.<br />

b) Vielmehr sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung den Wesenskern der Subsidia-<br />

ritätsklausel offenbar in der Beschränkung auf den angemessenen Selbstbehalt, wie<br />

folgende Beispiele belegen:<br />

aa) BGH 04.05. 2011 = FamRZ 2011, 1041 = JAmt 2011, 339:<br />

„Auch ein sonst grundsätzlich nach § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB nicht barunter-<br />

haltspflichtiger <strong>Elternteil</strong> kommt als <strong>anderer</strong> leistungsfähiger Verwandter iSd<br />

§ 1603 Abs. 2 S. 3 BGB in Betracht. Denn der Grundsatz der Gleichwertigkeit<br />

von Barunterhalt und Betreuung gilt nicht uneingeschränkt, insbesondere<br />

dann nicht, wenn die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des betreu-<br />

enden <strong>Elternteil</strong>s deutlich günstiger sind als die des anderen <strong>Elternteil</strong>s. Die<br />

Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden <strong>Elternteil</strong>s kann entfallen<br />

oder sich ermäßigen, wenn er zur Unterhaltszahlung nicht ohne Beeinträch-<br />

tigung seines eigenen angemessenen Unterhalts in der Lage wäre, wäh-<br />

rend der andere <strong>Elternteil</strong> neben der Betreuung des Kindes auch den Bar-<br />

unterhalt leisten könnte, ohne dass dadurch sein eigener angemessener


6<br />

Unterhalt gefährdet würde. In solchen Fällen entfällt aber lediglich die ge-<br />

steigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB, also die Be-<br />

schränkung auf den notwendigen Selbstbehalt. Die Unterhaltspflicht mit<br />

dem Einkommen, das den angemessenen Selbstbehalt übersteigt, wird da-<br />

von nicht berührt (Senatsurteile <strong>vom</strong> 31.10.2007, XII ZR 112/05; FamRZ 2008,<br />

137 Rn 41 ff; <strong>vom</strong> 19.11.1997, XII ZR 1/96; FamRZ 1998, 286, 288 und <strong>vom</strong><br />

07.11.1990, XII ZR 123/89; FamRZ 1991, 182, 183 f.; Wendl/Klinkhammer, in:<br />

Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rn 274 a).“<br />

bb) BGH 31.10.2007, XII ZR 112/05 = FamRZ 2008, 137 Rn 39:<br />

„Die gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen und privilegier-<br />

ten volljährigen Kindern entfällt nach § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB zwar dann,<br />

wenn ein <strong>anderer</strong> leistungsfähiger Verwandter vorhanden ist. Im Gegensatz<br />

zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts erfasst dies aber nicht die ge-<br />

samte Unterhaltspflicht, sondern lediglich die gesteigerte Unterhaltspflicht<br />

nach § 1603 Abs. 2 S. 1 und 2 BGB. Ist also ein <strong>anderer</strong> leistungsfähiger Ver-<br />

wandter iSd § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB vorhanden, entfällt die Unterhaltspflicht<br />

nur insoweit, als der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, den Unterhalt<br />

zu leisten, ohne seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu gefährden<br />

(§ 1603 Abs. 1 BGB). Die Haftung mit Einkünften, die den eigenen angemes-<br />

senen Unterhalt übersteigen, bleibt davon unberührt.“<br />

cc) BGH 19.11.1997, XII ZR 1/96 = FamRZ 1998, 286 = DAVorm 1998, 524:<br />

„Ist der Vater der Klägerin verpflichtet, sich an deren Barunterhalt zu beteili-<br />

gen, kann deshalb die gesteigerte Unterhaltspflicht der Beklagten entfallen<br />

mit der Folge, dass ihr der angemessene Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) zu<br />

belassen ist.“<br />

c) In der obergerichtlichen Rechtsprechung finden sich darüber hinaus ver-<br />

schiedentlich Entscheidungen, die im Rahmen von § 1603 Abs. 2 S. 3, Halbs. 1 BGB<br />

ausdrücklich die unberührt bleibende Erwerbsobliegenheit des Barunterhaltspflichti-<br />

gen ansprechen:<br />

aa) OLG Koblenz 04.06.2009, 7 WF 452/09 = FamRZ 2009, 1921, Rn 8:<br />

„Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass der betreuende Kindes-<br />

vater auch den Barunterhalt tragen müsse. Bisher hat die vorrangig unter-


7<br />

haltspflichtige Beklagte schon nicht hinreichend dargelegt, dass dieser<br />

nach §§ 1603 Abs. 2 S. 3, 1606 Abs. 3 S. 2 BGB als <strong>anderer</strong> unterhaltspflichti-<br />

ger Verwandter in Betracht kommt. Dazu müsste sie substantiiert die Ein-<br />

kommens- und Vermögensverhältnisse des Kindesvaters darlegen, wobei<br />

auf ihrer Seite zur Feststellung eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts auch<br />

fiktive Einkünfte einbezogen werden können.“<br />

bb) OLG Köln 17.06.2003, 4 UF 233/02 = FamRZ 2004, 829 (Ls):<br />

„2. Soweit es für die Anwendung von § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB darauf an-<br />

kommt, ob die Inanspruchnahme des barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s zu<br />

einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Eltern führen<br />

würde, ist im Rahmen des Einkommensvergleichs auf die Einkünfte abzustel-<br />

len, die der Barunterhaltspflichtige bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner<br />

(gesteigerten) Erwerbsobliegenheit erzielen könnte, sofern diese über den<br />

tatsächlich erzielten Einkünften liegen.“<br />

Auch in zwei weiteren OLG-Entscheidungen wird im Rahmen des § 1603 Abs. 2 S. 3<br />

BGB das Vorliegen einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit des barunterhaltspflichti-<br />

gen <strong>Elternteil</strong>s geprüft, jedoch verneint. In dem einem Falle betreute die barunter-<br />

haltspflichtige Mutter ein weiteres Kleinkind, für welches sie Erziehungsgeld bezog<br />

(OLG Köln 05.09.2006, 4 UF 88/06 = NJW-RR 2007, 440). In dem weiteren Fall wurde eine<br />

Aufstockung der Tätigkeit nicht gefordert, da der barunterhaltspflichtige <strong>Elternteil</strong> nur<br />

minimal hinter einer vollschichtigen Tätigkeit zurückblieb, da bereits an 6 Tagen pro<br />

Woche im Monat 163 Stunden gearbeitet wurde (OLG Hamm 16.02.2006, 4 UF 225/05<br />

= FamRZ 2006, 1628).<br />

d) Auch in der Literatur, soweit die Fragestellung ausdrücklich erörtert wird, finden sich<br />

Belegstellen für die Auffassung, dass der barunterhaltspflichtige <strong>Elternteil</strong> sich auf den<br />

angemessenen Selbstbehalt nur dann berufen kann, wenn er seine Erwerbsobliegen-<br />

heiten nicht verletzt:<br />

aa) Reinken, in: Beck'scher Online-Kommentar BGB – Hrsg: Bamberger/Roth – § 1603<br />

BGB:<br />

„Rn 42: Es ist danach ein Vergleich der Einkünfte der Eltern anzustellen. Auf<br />

Seiten des barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s sind nicht allein die tatsächli-<br />

chen Einkünfte einzustellen, sondern auch fiktive Einkünfte, die dieser in Er-


8<br />

füllung seiner gesteigerten Unterhaltspflicht erzielen könnte (OLG Köln Fa-<br />

mRZ 2004, 829).“<br />

bb) Born, in: MünchKommBGB, 6. Aufl. <strong>2012</strong> § 1603, Rn 115:<br />

„Insgesamt erscheint Zurückhaltung bei der Bejahung des Ausnahmefalls<br />

angebracht, für den der eigentlich allein barunterhaltspflichtige <strong>Elternteil</strong> zu<br />

Recht die Darlegungs- und Beweislast hat (s. Rn 115). Zum einen handelt es<br />

sich um eine Abweichung von der gesetzlich vorgesehenen Zweiteilung der<br />

Unterhaltspflicht in Form der Barzahlung einerseits und der Betreuung ande-<br />

rerseits (s. § 1610 Rn 32, 39), auch vor dem Hintergrund der Gleichwertigkeit<br />

von Bar- und Betreuungsunterhalt. Zum anderen wird sich der betreuende<br />

<strong>Elternteil</strong> (Fn 453: Auch vor dem Hintergrund der Frage, ob „der Fleißige der<br />

Dumme“ ist, Born FamRZ 1997, 129) regelmäßig etwas wundern, weshalb er<br />

neben der Kindesbetreuung so viel arbeitet und der andere <strong>Elternteil</strong> davon<br />

profitieren soll. Hier sollte zunächst vorrangig überprüft werden, ob und in-<br />

wieweit dem barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong> fiktive Einkünfte anzurechnen<br />

sind mit der Folge, dass sich das Einkommensgefälle zwischen den Eltern<br />

verringert und der betreuende <strong>Elternteil</strong> nicht zusätzlich in Anspruch ge-<br />

nommen werden muss.“<br />

(4) Schlussfolgerung<br />

a) Nach alldem besteht kein Anlass für das Jugendamt, von seiner Linie abzugehen:<br />

Die Mutter kann hier nicht etwa – mit dem Ziel, nur den angemessenen Selbstbehalt<br />

von grundsätzlich 1.150 EUR verteidigen zu müssen – den betreuenden Vater allein<br />

deshalb als „anderen unterhaltspflichtigen Verwandten“ iSv § 1603 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1<br />

BGB benennen, weil dieser mit einem Nettoeinkommen von 2.650 EUR problemlos<br />

den von ihr geschuldeten Barunterhalt aufbringen könnte, während sie mit ihrem tat-<br />

sächlichen Einkommen von 1.077 EUR diesen Eigenbedarfs-Betrag nicht einmal er-<br />

reicht (wobei ohnehin unter Berücksichtigung ihrer Haushaltsersparnis durch gemein-<br />

sames Wirtschaften mit ihrem Ehemann und dem hierdurch gerechtfertigten 10-<br />

prozentigen Abschlag nach Nr 21.5. der LL des KG allenfalls 1.035 EUR als Selbstbehalt<br />

anzusetzen wären).<br />

b) Vielmehr kommt der Ansatz des angemessenen Eigenbedarfs in einer solchen<br />

Konstellation nur dann in Betracht, wenn dem barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong> hin-<br />

sichtlich seines tatsächlichen niedrigen Einkommens keine Verletzung einer Er-


9<br />

werbsobliegenheit vorgehalten werden kann. Da hier keinerlei Gründe geltend ge-<br />

macht worden sind, weshalb die Mutter sich mit einer Halbtagstätigkeit von 20 Stun-<br />

den begnügt, ist ihr ein fiktives Einkommen in angemessener Höhe zuzurechnen. Auch<br />

ohne akribische Rechnerei liegt auf der Hand, dass eine entsprechende Ausweitung<br />

ihrer Erwerbstätigkeit ohne weiteres zu einem Einkommen führen könnte, welches den<br />

vorgenannten angemessenen Selbstbehalt so weit überschreitet, dass sie unschwer<br />

jedenfalls den Mindestunterhalt zahlen könnte. Deshalb kommt die Anwendung von<br />

§ 1603 Abs. 2 S. 3 Halbs. 1 BGB mit der entsprechenden Selbstbehalts-Folge von vorn-<br />

herein nicht in Betracht. Anzusetzen ist vielmehr der notwendige Eigenbedarf von<br />

950 EUR, der sich unter Zugrundelegung der Haushaltsersparnis auf den bereits <strong>vom</strong><br />

Jugendamt genannten Betrag von 855 EUR reduziert.<br />

2. Bedeutung des Einkommens eines deutlich besser verdienenden <strong>Ehegatte</strong>n für die<br />

Leistungsfähigkeit des Schuldners<br />

Mit dieser Fragestellung hat sich das Institut im Rahmen folgender Anfrage eines Ju-<br />

gendamts befasst:<br />

Eine Mutter bezieht derzeit nur Krankengeld in Höhe von 585 EUR. Ihr <strong>Ehegatte</strong> hat ein<br />

bereinigtes Nettoeinkommen von 2.488,33 EUR. Kann sie zum Unterhalt für ein familien-<br />

fernes Kind herangezogen werden?<br />

(1) Bedarfsdeckung durch Familienunterhalt<br />

Das im Fall einer verschärften Haftung nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB erzielte oder erziel-<br />

bare Einkommen steht jedenfalls dann ganz oder teilweise für Unterhaltszwecke zur<br />

Verfügung, wenn es zwar nicht den eigenen Bedarf des pflichtigen <strong>Elternteil</strong>s deckt,<br />

jedoch dieser im Rahmen des Familienunterhalts Bedarfsdeckung durch den leistungs-<br />

fähigen <strong>Ehegatte</strong>n verlangen kann (vgl BGH in stRspr, zB FamRZ 2002, 742 und FamRZ<br />

2003, 363 sowie JAmt 2004, 93).<br />

In der letztgenannten Entscheidung hat der BGH hierzu ausgeführt (Hervorhebungen<br />

durch den Verf.):<br />

„Zwar lässt sich der in einer intakten Ehe bestehende Familienunterhaltsan-<br />

spruch gem. §§ 1360, 1360a BGB nicht ohne weiteres nach den zum Ehe-<br />

gattenunterhalt nach Trennung oder Scheidung entwickelten Grundsätzen<br />

bemessen. Denn er ist nach seiner Ausgestaltung nicht auf die Gewährung<br />

einer – frei verfügbaren – laufenden Geldrente für den jeweils anderen


10<br />

<strong>Ehegatte</strong>n, sondern vielmehr als gegenseitiger Anspruch der <strong>Ehegatte</strong>n da-<br />

rauf gerichtet, dass jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt<br />

entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funk-<br />

tion leistet. Seinem Umfang nach umfasst er gem. § 1360a BGB alles, was für<br />

die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der<br />

<strong>Ehegatte</strong>n und der gemeinsamen Kinder erforderlich ist. Sein Maß bestimmt<br />

sich aber nach den ehelichen Lebensverhältnissen, so dass § 1578 BGB als<br />

Orientierungshilfe herangezogen werden kann (Senatsurteil <strong>vom</strong> 22. Januar<br />

2003, XII ZR 2/00; FamRZ 2003, 363, 366 f.). Es begegnet deshalb keinen Be-<br />

denken, den im vorliegenden Fall maßgeblichen Anspruch auf Familienun-<br />

terhalt in einem Geldbetrag zu veranschlagen und diesen in gleicher Weise<br />

wie den Unterhaltsbedarf des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehe-<br />

gatten zu ermitteln:<br />

Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen betrug das<br />

gemeinsame bereinigte Nettoeinkommen des Beklagten und seiner Ehe-<br />

frau im Jahre 1999 monatlich durchschnittlich 4.485,05 DM, im Jahre 2000<br />

4.812,72 DM und ab 2001 monatlich 5.060,24 DM. Dem Beklagten steht da-<br />

von im Rahmen des Familienunterhalts nach §§ 1360, 1360a BGB rein rech-<br />

nerisch jeweils die Hälfte zu, 1999 mithin 2.242,50 DM und in den folgenden<br />

Jahren 2.406 DM bzw 2.530 DM. Bei Zahlung der ausgeurteilten Unterhalts-<br />

beträge an die Klägerin in Höhe von 510 DM bleibt der angemessene Ei-<br />

genbedarf des Beklagten somit gesichert, ohne dass <strong>anderer</strong>seits der Hälf-<br />

teanteil seiner Ehefrau geschmälert und sie damit indirekt zu Unterhaltsleis-<br />

tungen für das Kind ihres Ehemannes herangezogen würde“.<br />

Diese Überlegungen hat der BGH in einem weiteren Urteil (FamRZ 2006, 1827) wie folgt<br />

vertieft:<br />

„b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Bemessung der Un-<br />

terhaltspflicht des Beklagten gegenüber seinen mdj Kindern auch auf des-<br />

sen Taschengeld zurückgegriffen (vgl BVerfG, FamRZ 1985, 143, 146).<br />

aa) Das Taschengeld ist Bestandteil des Familienunterhalts nach den<br />

§§ 1360, 1360a BGB. Nach diesen Vorschriften sind <strong>Ehegatte</strong>n einander<br />

verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie ange-<br />

messen zu unterhalten (§ 1360 S. 1 BGB). Der angemessene Unterhalt um-<br />

fasst alles, was nach den Verhältnissen der <strong>Ehegatte</strong>n erforderlich ist, um


11<br />

die Haushaltskosten zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehe-<br />

gatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder zu befriedigen<br />

(§ 1360a Abs. 1 BGB). Dazu gehören ua Kosten für Wohnung, Nahrung, Klei-<br />

dung, medizinische Versorgung, kulturelle Bedürfnisse, Kranken- und Alters-<br />

vorsorge, Urlaub usw, die idR in Form des Naturalunterhalts gewährt wer-<br />

den. Außerdem hat jeder der <strong>Ehegatte</strong>n Anspruch auf einen angemesse-<br />

nen Teil des Gesamteinkommens als Taschengeld, dh auf einen Geldbe-<br />

trag, der ihm die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nach eige-<br />

nem Gutdünken und freier Wahl unabhängig von einer Mitsprache des an-<br />

deren <strong>Ehegatte</strong>n ermöglichen soll (Senatsurteil <strong>vom</strong> 21.01.1998, XII ZR<br />

140/96; FamRZ 1998, 608, 609). Wie der gesamte Familienunterhalt hat des-<br />

wegen auch das Taschengeld zunächst den Zweck, die notwendigen Be-<br />

dürfnisse des Unterhaltspflichtigen, also seinen gegenüber den minderjähri-<br />

gen Klägern zu wahrenden notwendigen Selbstbehalt sicherzustellen (Se-<br />

natsurteil <strong>vom</strong> 11.02. 1987, IVb ZR 81/85; FamRZ 1987, 472, 473 f.; zum Erzie-<br />

hungsgeld vgl Senatsurteil <strong>vom</strong> 12. 04.2006, aaO 1011 f.).<br />

bb) Erlangt der unterhaltspflichtige <strong>Elternteil</strong> allerdings von seinem neuen<br />

<strong>Ehegatte</strong>n Unterhalt, der über den gegenüber seinen minderjährigen Kin-<br />

dern aus erster Ehe zu wahrenden notwendigen Selbstbehalt hinausgeht,<br />

stellt sich die Frage, inwieweit diese Unterhaltsleistungen als Einkommen des<br />

barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s zu berücksichtigen und für den Unterhalt<br />

der Kinder zu verwenden sind.<br />

Der neue <strong>Ehegatte</strong> kann seinen Beitrag zum Familienunterhalt im Verhältnis<br />

zu dem barunterhaltspflichtigen Beklagten nicht unter Hinweis darauf ver-<br />

weigern, er sei ohne Gefährdung seines Eigenbedarfs zu Unterhaltsleistun-<br />

gen nicht in der Lage. Ein solches Verhalten wäre dem ehegemeinschaftli-<br />

chen Prinzip fremd und widerspräche der familienrechtlichen Unterhaltsre-<br />

gelung (BVerfG FamRZ 1994, 346, 350). Dieser Gedanke lässt sich jedoch<br />

nicht in gleicher Weise auf Unterhaltspflichten übertragen, die nur einen der<br />

<strong>Ehegatte</strong>n treffen. Anderenfalls würde der den erstehelich geborenen Kin-<br />

dern nicht unterhaltspflichtige zweite <strong>Ehegatte</strong> über seine Verpflichtung<br />

zum Familienunterhalt mittelbar stets auch den Unterhalt dieser Kinder si-<br />

chern. Weil der neue <strong>Ehegatte</strong> nicht den aus erster Ehe hervorgegangenen<br />

Kindern seines <strong>Ehegatte</strong>n, sondern nur diesem unterhaltspflichtig ist, muss<br />

ihm in solchen Fällen bei der Bemessung des Familienunterhalts jedenfalls


12<br />

der – höhere – <strong>Ehegatte</strong>nselbstbehalt verbleiben (Senatsurteil <strong>vom</strong><br />

15.03.2006, XII ZR 30/04; FamRZ 2006, 683, 684).<br />

Aber auch der dem Beklagten unter Wahrung des <strong>Ehegatte</strong>nselbstbehalts<br />

seiner neuen Ehefrau geschuldete Familienunterhalt kann nach der Recht-<br />

sprechung des Senats nur bis zur Höhe des Taschengeldes für die Unter-<br />

haltsansprüche seiner mdj Kinder aus erster Ehe herangezogen werden.<br />

Denn der Anspruch auf Familienunterhalt ist nach seiner Ausgestaltung<br />

nicht auf die Gewährung einer – frei verfügbaren – laufenden Geldrente,<br />

sondern vielmehr als gegenseitiger Anspruch der <strong>Ehegatte</strong>n darauf gerich-<br />

tet, dass jeder von ihnen seinen Beitrag zum Familienunterhalt entspre-<br />

chend seiner nach dem individuellen Ehebild übernommenen Funktion leis-<br />

tet. Nur zur Bestimmung seines Maßes hat es der Senat gebilligt, auf die<br />

ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien abzustellen, so dass § 1578 BGB<br />

als Orientierungshilfe herangezogen werden kann. Nur ein Teil des An-<br />

spruchs auf Familienunterhalt, nämlich der Taschengeldanspruch, ist hinge-<br />

gen auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet (Senatsurteil <strong>vom</strong> 21.01.1998<br />

aaO). Nur in diesem Umfang führt der Anspruch auf Familienunterhalt zu ei-<br />

nem eigenen Einkommen des unterhaltspflichtigen <strong>Ehegatte</strong>n, welches ne-<br />

ben seinen Einkünften aus der Teilzeiterwerbstätigkeit für den Unterhalt sei-<br />

ner minderjährigen Kinder aus erster Ehe eingesetzt werden kann, sofern<br />

sein eigener notwendiger Selbstbehalt durch den übrigen Anspruch auf<br />

Familienunterhalt gesichert ist (vgl Senatsurteil <strong>vom</strong> 11.02.1987 aaO).<br />

Schließlich ist das Berufungsgericht zu Recht und im Einklang mit der neue-<br />

ren Rechtsprechung des Senats von einem Anspruch auf Familienunterhalt<br />

ausgegangen, der – auch ohne den als Taschengeld geschuldeten Anteil –<br />

den notwendigen Selbstbehalt des Beklagten in voller Höhe wahrt. Denn<br />

das nach Abzug des Unterhalts für die drei mdj Kinder aus zweiter Ehe ver-<br />

bleibende Familieneinkommen betrug nach den insoweit nicht angegriffe-<br />

nen Feststellungen des Berufungsgerichts ursprünglich 3.983,70 DM, für die<br />

Zeit von Juli bis Dezember 2001 3.717,70 DM und beläuft sich seit Januar<br />

2001 auf monatlich 1.896,11 EUR. Das Taschengeld, das das Oberlandesge-<br />

richt im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats mit 6 % des zur Verfü-<br />

gung stehenden Nettoeinkommens angenommen hat (Senatsurteil <strong>vom</strong><br />

21.01.1998 aaO), kann der Beklagte deswegen in voller Höhe zusätzlich zu


13<br />

dem Einkommen aus Nebentätigkeit für den Unterhalt seiner mdj Kinder aus<br />

erster Ehe verwenden.“<br />

(2) Konkrete fallbezogene Schlussfolgerungen<br />

Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, ist wie folgt zu rechnen:<br />

a) Das gemeinsame Nettoeinkommen beider <strong>Ehegatte</strong>n beträgt (2.488,33 EUR +<br />

585,30 EUR =) 3.073 EUR.<br />

b) Von diesem Gesamteinkommen sind keine Abzüge für Kindesunterhalt veranlasst.<br />

Gemeinsame Kinder haben die <strong>Ehegatte</strong>n offensichtlich nicht, auch von anderweiti-<br />

gen Unterhaltspflichten des neuen Ehemannes ist nicht die Rede.<br />

c) Von dem oben errechneten Gesamt-Nettoeinkommen stehen jedem <strong>Ehegatte</strong>n<br />

1.536,50 EUR zu. Der Eigenbedarf des Ehemannes der Schuldnerin von 1.050 EUR ihr<br />

gegenüber gem. Anm. B IV der DT ist gewahrt. Nur aus der die Schuldnerin betreffen-<br />

den Einkommenshälfte kann der Unterhalt für das mdj Kind M bestritten werden, damit<br />

nicht der Ehemann mit seinem Unterhaltsbeitrag für die Ehefrau zugleich den Bedarf<br />

des nur ihr gegenüber unterhaltsberechtigten familienfernen Kindes M deckt.<br />

d) Zur Vermeidung eines in diesem Zusammenhang häufig festzustellenden Missver-<br />

ständnisses ist im Übrigen nochmals zu betonen:<br />

aa) „Zugriffsmasse“ für den Kindesunterhalt ist allenfalls das konkrete eigene Einkom-<br />

men des nach § 1603 Abs. 2 BGB verpflichteten <strong>Ehegatte</strong>n, also hier die rund 585 EUR.<br />

bb) Inwieweit dieses für den Kindesunterhalt herangezogen werden kann, hängt da-<br />

von ab, in welcher Höhe sie es für den notwendigen Eigenbedarf benötigt.<br />

Da sie von ihrem <strong>Ehegatte</strong>n verlangen kann, mit (1.536,50 EUR - 585 EUR =) 951,50 EUR<br />

zu ihrem Familienunterhalt beizutragen, liegt auf der Hand: Ihr steht der volle Betrag<br />

von 585 EUR für den Unterhalt von M zur Verfügung. MaW kann also hier der Min-<br />

destunterhalt ihrer Tochter von 426 EUR, abzüglich des hälftigen Kindergeldes = 334<br />

EUR, von ihr ohne weiteres aufgebracht werden, ohne dass sie Einbußen bezüglich<br />

ihres notwendigen Eigenbedarfs hinnehmen müsste.<br />

Aber nochmals und um Missverständnisse auch für künftige Fälle strikt zu vermeiden:<br />

Damit wird nicht etwa der <strong>Ehegatte</strong> für den Unterhalt des mit ihm nicht verwandten<br />

Kindes M herangezogen. Er deckt allein den Bedarf seiner Ehefrau, damit deren – für<br />

ihren Eigenbedarf nicht benötigtes – Erwerbseinkommen (bzw hier: eine Sozialleistung


14<br />

mit Einkommensfunktion) für den Kindesunterhalt nach § 1603 Abs. 2 BGB herangezo-<br />

gen werden kann.<br />

cc) Wo die mögliche Grenze liegt, mag mit folgender Alternativüberlegung bei leicht<br />

veränderten Zahlen verdeutlicht werden, nämlich bei einem bereinigten Nettoein-<br />

kommen des Ehemannes von 3.488 EUR. Die Summe beider Einkommen wäre somit<br />

(3.488 EUR + 585 EUR = 4.073 EUR), die Hälfte läge bei 2.036,50 EUR. Hätte die Mutter im<br />

vorliegenden Fall Unterhaltspflichten gegenüber mehreren Kindern zu erfüllen, die in<br />

der Summe beispielsweise 668 EUR betragen würden, könnte sie nicht etwa uneinge-<br />

schränkt hierfür als leistungsfähig angesehen werden mit der Begründung: Zwar reiche<br />

ihr eigenes Einkommen von 585 EUR nicht aus, aber ihr stünden doch insgesamt<br />

2.036,50 EUR als Anteil am Familienunterhalt zu. Mit 950 EUR + 668 EUR = 1.616 EUR läge<br />

sie immer deutlich unter diesem Hälftebetrag, der ihr zusteht.<br />

Eine solche Argumentation wäre verfehlt, weil sie in der Tat zu dem verpönten Ergebnis<br />

führen würde, dass der <strong>Ehegatte</strong> – welcher mit dem Kind M nicht verwandt ist und die-<br />

sem keinen Unterhalt schuldet – dennoch für dessen Unterhalt zur Kasse gebeten wür-<br />

de. Das muss grundsätzlich vermieden werden; lediglich bei einem bestehenden Ta-<br />

schengeldanspruch (s.u. zu Ziff. 4) des zum Kindesunterhalt verpflichteten <strong>Ehegatte</strong>n<br />

kann das Einkommen des anderen <strong>Elternteil</strong>s, aus dem der Taschengeldanspruch zu<br />

befriedigen ist, unmittelbar zur Deckung des Kindesunterhalts herangezogen werden.<br />

Deshalb ist bei jeder sonstigen Berechnung, inwieweit der <strong>Ehegatte</strong> zum Eigenbedarf<br />

des nach § 1603 Abs. 2 BGB haftenden <strong>Elternteil</strong>s beitragen könnte, strikt darauf zu<br />

achten, dass Unterhaltszahlungen nur auf der Grundlage des diesem <strong>Elternteil</strong> konkret<br />

zustehenden Erwerbseinkommens errechnet werden; das Einkommen des <strong>Ehegatte</strong>n<br />

ist ausschließlich zur Deckung des notwendigen Eigenbedarfs einzusetzen, nicht aber<br />

für den Kindesunterhalt selbst. Da dies in Anfragen häufig nicht klar genug erkannt<br />

wird, muss der Grundsatz beharrlich mit aller Deutlichkeit unterstrichen werden.<br />

3. Auskunftsanspruch des Kindes über das Einkommen des <strong>Ehegatte</strong>n<br />

Der BGH hat in seinem Urteil <strong>vom</strong> 02.06.2010, XII ZR 124/08 = FamRZ 2011, 21 grundsätz-<br />

lich einen Auskunftsanspruch des Kindes über das Einkommen des <strong>Ehegatte</strong>n des bar-<br />

unterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s bejaht und hierbei Folgendes ausgeführt (zit. nach juris<br />

mit den dortigen Rn):<br />

„10 a) Nach § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Verwandte in gerader Linie ei-<br />

nander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen


15<br />

Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs<br />

oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. Der Auskunftsberechtigte<br />

soll dadurch die Möglichkeit erhalten, sich rechtzeitig Gewissheit über die<br />

jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verschaffen, um sei-<br />

ne Ansprüche genau zu berechnen und Einwendungen in begründeter<br />

Form vorbringen zu können sowie das Kostenrisiko für das Betragsverfahren<br />

zu begrenzen. Dabei ist der Auskunftsanspruch auf die Offenbarung der<br />

Verhältnisse des Auskunftspflichtigen gerichtet. Um die notwendigen<br />

Kenntnisse über die unterhaltsrelevanten Tatsachen zu erhalten, können in-<br />

dessen weitergehende Angaben erforderlich sein, als sie sich aus den <strong>vom</strong><br />

Auskunftspflichtigen aus selbständiger oder nicht selbständiger Tätigkeit,<br />

Gewerbebetrieb, Vermögen, Vermietung und Verpachtung oder derglei-<br />

chen erzielten Einkünften ergeben. Gleichermaßen von Bedeutung kann,<br />

etwa bei unzureichendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sein, ob er<br />

seinerseits über Unterhaltsansprüche verfügt die seinen Eigenbedarf de-<br />

cken. Ob den Auskunftspflichtigen auch insoweit eine Unterrichtungspflicht<br />

trifft, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beurteilt.<br />

11 b) Hierzu wird die Auffassung vertreten, der Auskunftspflichtige habe nur<br />

über seine eigenen Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, nicht<br />

dagegen über das Einkommen dritter Personen, demgemäß auch nicht<br />

über das Einkommen seines <strong>Ehegatte</strong>n. Soweit es für die Frage der Unter-<br />

haltsverpflichtung eines wieder verheirateten <strong>Elternteil</strong>s auf dessen An-<br />

spruch auf Familienunterhalt ankomme, sei dieser nach den allgemeinen<br />

Grundsätzen über die Darlegungs- und Beweislast im Hauptsacheverfahren<br />

zu klären (OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1481 zum Kindesunterhalt). Nach Auf-<br />

fassung des OLG München (OLGR 2000, 123) gibt es im Rahmen des Famili-<br />

enunterhalts keinen Auskunftsanspruch, weil § 1360 a Abs. 3 BGB nicht auf<br />

§ 1605 BGB verweist. Danach wäre der auf Auskunft in Anspruch Genom-<br />

mene bereits nicht in der Lage, einem Auskunftsbegehren über das Ein-<br />

kommen seines <strong>Ehegatte</strong>n zu entsprechen.<br />

12 Diese Auffassung macht sich auch die Revision zu Eigen. Sie macht gel-<br />

tend, bei der Reichweite und dem Umfang des Auskunftsanspruchs sei<br />

grundsätzlich das verfassungsrechtlich geschützte Geheimhaltungsinteresse<br />

zu beachten. Zwar könne sich der Unterhaltspflichtige selbst im Hinblick auf<br />

die gesetzliche Bestimmung des § 1605 BGB auf dieses Interesse nicht mit Er-


16<br />

folg berufen. Anders stelle sich jedoch die Sachlage für einen Dritten, hier<br />

die Ehefrau des Beklagten, dar. Ihr werde nach Auffassung des Berufungs-<br />

gerichts abverlangt, ihre Einkommensverhältnisse entsprechend der Teno-<br />

rierung des angefochtenen Urteils umfassend preiszugeben, wenn auch<br />

über den Umweg einer "mittelbaren" Einschaltung des Beklagten. Im Ergeb-<br />

nis werde die Ehefrau des Beklagten damit so gestellt, wie wenn dem Klä-<br />

ger ein eigener Unterhaltsanspruch gegen diese zustünde, wofür es jedoch<br />

weder nach § 1605 BGB noch nach § 242 BGB eine Grundlage gebe. Damit<br />

kann die Revision nicht durchdringen.<br />

13 c) aa) Der Senat hat zu einem im Rahmen des Elternunterhalts erhobe-<br />

nen Auskunftsverlangen entschieden, dass zwar ein gegenüber seinen El-<br />

tern Unterhaltspflichtiger von den <strong>Ehegatte</strong>n seiner Geschwister nicht Aus-<br />

kunft über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse beanspruchen<br />

kann. Denn in diesem Verhältnis besteht keine besondere Rechtsbeziehung<br />

in deren Folge sich aus dem - insofern allein in Betracht kommenden - § 242<br />

BGB eine Auskunftspflicht ergeben könnte. Gleichwohl besteht für den Aus-<br />

kunftbegehrenden die Möglichkeit, die für die Bestimmung der anteiligen<br />

Haftung der Geschwister nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB erforderliche Kennt-<br />

nis zu erlangen. Er kann nämlich seine Geschwister auf Auskunftserteilung in<br />

Anspruch nehmen. Diese haben nicht nur über ihre eigenen Einkommens-<br />

verhältnisse Auskunft zu geben, sondern - auf Verlangen - zusätzlich Anga-<br />

ben über die Einkünfte ihrer <strong>Ehegatte</strong>n zu machen, soweit solche erforder-<br />

lich sind, um deren Anteil am Familienunterhalt bestimmen zu können (Se-<br />

natsurteil <strong>vom</strong> 7. Mai 2003 - XII ZR 229/00 - FamRZ 2003, 1836, 1838 f. mit An-<br />

merkung Strohal; ebenso Eschenbruch/Klinkhammer Unterhaltsprozess<br />

5. Aufl. Kap. 5 Rn. 318; Johannsen/Henrich/Graba Familienrecht 5. Aufl.<br />

§ 1605 Rn. 10; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 6. Aufl. Kap.<br />

IV Rn. 593; HK-FamR/Pauling § 1605 Rn. 2; Heiß/Born/Kleffmann Unterhalts-<br />

recht Teil G Rn. 182).<br />

14 bb) Eine dementsprechende Verpflichtung gilt auch für das auf § 1605<br />

Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte Auskunftsbegehren, mit dem das Kind eines aus<br />

eigenen Einkommensverhältnissen nicht leistungsfähigen, wieder verheira-<br />

teten <strong>Elternteil</strong>s von diesem Informationen über das Einkommen des neuen<br />

<strong>Ehegatte</strong>n begehrt. Bei einem Anspruch aus § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt<br />

eine Unterrichtung des Auskunftsberechtigten auch über das Einkommen


17<br />

des <strong>Ehegatte</strong>n sogar noch näher, denn der an den Unterhaltspflichtigen zu<br />

leistende Familienunterhalt lässt sich zwanglos unter die nach dem Wortlaut<br />

des § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB zu offenbarenden Einkommens- und Vermö-<br />

gensverhältnisse fassen. Da der Anspruch auf Familienunterhalt nach seiner<br />

Ausgestaltung allerdings nicht auf Gewährung einer - frei verfügbaren - lau-<br />

fenden Geldrente für den jeweils anderen <strong>Ehegatte</strong>n, sondern als gegen-<br />

seitiger Anspruch der <strong>Ehegatte</strong>n darauf gerichtet ist, dass jeder von ihnen<br />

seinen Beitrag entsprechend seiner nach dem individuellen Ehebild über-<br />

nommenen Funktion leistet (Senatsurteil <strong>vom</strong> 22. Januar 2003 - XII ZR 2/00 -<br />

FamRZ 2003, 363, 366; <strong>vom</strong> 29. Oktober 2003 - XII ZR 115/01 - FamRZ 2004, 24,<br />

25 und <strong>vom</strong> 8. Juni 2005 - XII ZR 75/04 - FamRZ 2006, 26, 29) wird er grund-<br />

sätzlich nicht beziffert. Zu seiner Darlegung sind deshalb die ihn beeinflus-<br />

senden Einkünfte mitzuteilen.<br />

15 Ein solches Verständnis steht auch mit dem Sinn und Zweck des Aus-<br />

kunftsanspruchs in Einklang. Eine Klärung der in Rede stehenden Einkom-<br />

mensverhältnisse erst im Rahmen des Rechtsstreits über den Unterhalt wäre<br />

hiermit nicht zu vereinbaren: Dem Unterhaltsgläubiger verbliebe das Risiko,<br />

zu geringen Unterhalt geltend zu machen bzw. im Fall einer zu hohen Un-<br />

terhaltsforderung die mit dem teilweise Unterliegen verbundene Kostenbe-<br />

lastung (vgl. auch Hoppenz FamRZ 2008, 733, 735; Viefhues in juris PK-BGB<br />

4. Aufl. 2008 § 1605 Rn. 24.2; Heiß/Born/Kleffmann aaO Teil G Rn. 181; vgl.<br />

auch Strohal FamRZ 2003, 1838, 1839).<br />

16 cc) Auch ein von der Revision angeführtes Geheimhaltungsinteresse der<br />

Ehefrau steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung<br />

des Senats muss der <strong>Ehegatte</strong> eines Unterhaltspflichtigen es zum Beispiel<br />

hinnehmen, dass der Unterhaltspflichtige im Rahmen der zu belegenden<br />

Auskunft über sein Einkommen Steuerbescheide vorzulegen hat, die auf-<br />

grund einer Zusammenveranlagung der <strong>Ehegatte</strong>n ergangen sind. In einem<br />

solchen Fall können zwar die Angaben geschwärzt werden, die von dem<br />

Auskunftsanspruch nicht umfasst werden. Soweit der Steuerbescheid aber<br />

Angaben enthält, in denen Beträge für Ehemann und Ehefrau zusammen-<br />

gefasst sind, bleibt es bei der Vorlagepflicht, falls insofern Auskunft zu ertei-<br />

len ist. Wenn hierdurch Schlüsse auf die Verhältnisse des <strong>Ehegatte</strong>n bezo-<br />

gen werden können, muss dies hingenommen werden (Senatsurteil <strong>vom</strong> <strong>13.</strong><br />

April 1983 - IVb ZR 374/81 - FamRZ 1983, 680, 682). Daraus ergibt sich, dass


18<br />

das Interesse des Auskunftbegehrenden dem Geheimhaltungsinteresse des<br />

Auskunftspflichtigen oder einem Dritten grundsätzlich vorgeht (st. Recht-<br />

sprechung, vgl. etwa Senatsurteil <strong>vom</strong> 6. Oktober 1993 - XII ZR 116/92 -<br />

FamRZ 1994, 28 f.).<br />

17 dd) Diese Rechtsprechung wirkt sich auch auf die Erfüllung der Aus-<br />

kunftspflicht aus. Wenn und soweit die Kenntnis der Einkommensverhältnisse<br />

des <strong>Ehegatte</strong>n erforderlich ist, weil diese eine Grundlage für die Beurteilung<br />

des Unterhaltsanspruchs bilden, muss der <strong>Ehegatte</strong> akzeptieren, dass seine<br />

Verhältnisse dem Auskunftsberechtigten bekannt werden. Der <strong>Ehegatte</strong><br />

steht zwar außerhalb des Unterhaltsrechtsverhältnisses, weshalb er nicht auf<br />

Auskunft in Anspruch genommen werden kann. Wie die Revisionserwide-<br />

rung zu Recht ausführt, ist er aber kein unbeteiligter Dritter, sondern mit dem<br />

Unterhaltspflichtigen verheiratet, und schuldet diesem seinerseits Familien-<br />

unterhalt. Er muss es deshalb hinnehmen, dass seine Einkommensverhältnis-<br />

se, soweit erforderlich, bekannt gegeben werden, wie er gleichermaßen<br />

akzeptieren müsste, wenn der Unterhaltspflichtige im Rahmen der Erteilung<br />

von Auskünften über bezogene Steuererstattungen beide <strong>Ehegatte</strong>n be-<br />

treffende Steuerbescheide nach den vorgenannten Maßgaben vorlegen<br />

müsste.<br />

18 Dadurch steht der <strong>Ehegatte</strong> auch nicht so, als ob er selbst Auskunft ertei-<br />

len müsste. Die Auskunftsverpflichtung nach Maßgabe des Berufungsurteils<br />

bleibt schon deshalb hinter den Anforderungen zurück, die für die Aus-<br />

kunftserteilung des Unterhaltspflichtigen über eigenes Einkommen gelten,<br />

weil keine Belege vorzulegen sind.<br />

19 4. a) Hinsichtlich des Umfangs der geschuldeten Auskunft hat das Beru-<br />

fungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass dieser nicht weiter reichen<br />

kann, als dem Beklagten seinerseits ein Anspruch auf Information gegen-<br />

über seiner Ehefrau zusteht. Ein solcher Informationsanspruch ergibt sich<br />

während des Zusammenlebens der <strong>Ehegatte</strong>n zwar nicht aus § 1605 Abs. 1<br />

BGB, da in den den Familienunterhalt betreffenden Bestimmungen der<br />

§§ 1360, 1360 a BGB - anders als in dem für die Zeit des Getrenntlebens<br />

maßgebenden<br />

§ 1361 Abs. 4 BGB - nicht auf § 1605 BGB verwiesen wird. <strong>Ehegatte</strong>n haben<br />

aber nach der Generalklausel der Verpflichtung zur ehelichen Lebensge-


19<br />

meinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) einander wenigstens in groben Zügen<br />

über die von ihnen vorgenommenen Vermögensbewegungen zu unterrich-<br />

ten (Senatsurteil <strong>vom</strong> 5. Juli 2000 - XII ZR 26/98 - FamRZ 2001, 23, 25; BGH Ur-<br />

teil <strong>vom</strong> 25. Juni 1976 - IV ZR 125/75 - FamRZ 1978, 677, 678; OLG Karlsruhe<br />

FamRZ 1990, 161, 162) sowie sich über den Bestand des eigenen Vermögens<br />

zu informieren (OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1441, 1442; Münch-<br />

Komm/Koch 5. Aufl. §§ 1385, 1386 Rn. 25; Staudinger/Thiele BGB [2007]<br />

§ 1386 Rn. 23).<br />

20 b) In Rechtsprechung und Schrifttum ist dieser Maßstab auch auf die<br />

Verpflichtung zur Unterrichtung über das laufende Einkommen der Ehegat-<br />

ten übertragen worden (OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 161, 162; Staudin-<br />

ger/Voppel aaO § 1353 Rn. 97; MünchKomm/Roth aaO § 1353 Rn. 38;<br />

Wendel/Dose aaO § 1 Rn. 664; Heiß/Born/Kleffmann aaO Teil G Rn. 181; Pa-<br />

landt/Brudermüller BGB 69. Aufl. § 1353 Rn. 13).<br />

21 Im Schrifttum wird allerdings auch die Auffassung vertreten, der An-<br />

spruch gehe nicht nur auf eine Information in groben Zügen, sondern um-<br />

fasse dieselben Auskunftspflichten wie nach § 1605 Abs. 1 BGB. Dass der<br />

Anspruch während des Zusammenlebens der <strong>Ehegatte</strong>n schwächer sein<br />

solle als im Fall des Getrenntlebens, lasse sich aus § 1353 BGB nicht ableiten<br />

(Schwab/Borth aaO Kap. IV Rn. 590; Eschenbruch/Klinkhammer aaO Kap. 5<br />

Rn. 308).<br />

22 c) Der Senat teilt im Grundsatz die zuletzt genannte Meinung. <strong>Ehegatte</strong>n<br />

haben nach den §§ 1360, 1360 a BGB einen Anspruch auf Familienunterhalt.<br />

Dieser kann aber nur bei genauer Kenntnis der Einkommensverhältnisse des<br />

anderen <strong>Ehegatte</strong>n beziffert werden. Aus der Verpflichtung zur ehelichen<br />

Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB) folgt deshalb auch der<br />

wechselseitige Anspruch, sich über die für die Höhe des Familienunterhalts<br />

und eines Taschengeldes maßgeblichen finanziellen Verhältnisse zu infor-<br />

mieren. Seinem Umfang nach geht dieser Anspruch nicht nur auf eine Un-<br />

terrichtung in groben Zügen, da eine derart eingeschränkte Kenntnis den<br />

<strong>Ehegatte</strong>n nicht in die Lage versetzten würde, den ihm zustehenden Unter-<br />

halt zu ermitteln. Geschuldet wird deshalb die Erteilung von Auskunft in ei-<br />

ner Weise, wie sie zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich ist.<br />

Die Auskunftspflicht entspricht damit derjenigen, wie sie nach § 1605 Abs. 1


20<br />

Satz 1 BGB besteht. Eine solche Verpflichtung läuft nicht etwa dem Gebot<br />

der gegenseitigen Rücksichtnahme der <strong>Ehegatte</strong>n zuwider; diese erfordert<br />

vielmehr gerade, den anderen ausreichend über die eigenen Einkom-<br />

mensverhältnisse zu unterrichten.<br />

23 Nicht geschuldet wird allerdings die Vorlage von Belegen oder die ei-<br />

desstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben.<br />

Eine solche Kontrollmöglichkeit wäre mit dem in einer Ehe herrschenden<br />

Vertrauen nicht zu vereinbaren (aA Borth aaO Kap. IV Rn. 590 und Klink-<br />

hammer aaO Kap. 5 Rn. 308, die auch eine Belegpflicht bejahen).“<br />

Diese Auffassung hat mittlerweile bereits Eingang in die Rechtsprechung der Instanz-<br />

gerichte gefunden. So hat das OLG Hamm mit Beschluss <strong>vom</strong> 15.12.2010, 5 WF 157/10;<br />

Juris, ausweislich des veröffentlichten Leitsatzes 1 entschieden:<br />

„1. § 1605 BGB gibt dem unterhaltsberechtigten Kind im Falle eines aus ei-<br />

genen Einkommensverhältnissen nicht leistungsfähigen wieder verheirate-<br />

ten barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s einen Anspruch auch auf Informatio-<br />

nen über das Einkommen des neuen <strong>Ehegatte</strong>n.“<br />

4. Taschengeldanspruch gegen den <strong>Ehegatte</strong>n als pfändbares Einkommen<br />

Dem Beschluss des BGH <strong>vom</strong> 19.03.2004 (FamRZ 2004, 1784) sind folgende grundle-<br />

gende Aussagen zu entnehmen:<br />

Der Taschengeldanspruch folgt aus dem Gesetz und ist in seinem Bestehen nicht von<br />

einem Organisationsakt oder einer Vereinbarung der <strong>Ehegatte</strong>n abhängig.<br />

Der haushaltsführende <strong>Ehegatte</strong> hat, sofern nicht das Familieneinkommen schon<br />

durch den notwendigen Grundbedarf der Familienmitglieder restlos aufgezehrt wird,<br />

einen Anspruch auf Zahlung eines Taschengeldes. Der Taschengeldanspruch ist also<br />

ein Zahlungsanspruch.<br />

Die Höhe richtet sich nach den im Einzelfall gegebenen Vermögensverhältnissen, dem<br />

Lebensstil und der Zukunftsplanung der <strong>Ehegatte</strong>n und wird üblicherweise mit einer<br />

Quote von 5% bis 7% des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens bemessen.<br />

Der Taschengeldanspruch ist eine auf gesetzlicher Vorschrift beruhende Unterhaltsren-<br />

te iSd § 850b Abs. 1 Nr 2 ZPO und gem. § 850b Abs. 2 iVm §§ 850c ff ZPO bedingt<br />

pfändbar.


21<br />

Gem. § 850b Abs. 2 ZPO können die nach § 850 Abs. 1 ZPO grundsätzlich unpfändba-<br />

ren Bezüge nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften (hier § 850c ZPO)<br />

nur dann gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche<br />

Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung nicht geführt hat oder<br />

voraussichtlich nicht führen wird und wenn die Pfändung nach den Umständen des<br />

Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der<br />

Bezüge der Billigkeit entspricht.<br />

Hierzu der BGH im genannten Beschluss:<br />

„14 2. Daß die Voraussetzungen des § 850b Abs. 2 ZPO für die Pfändung<br />

und Überweisung von 7/10 des angeblichen Taschengeldanspruchs des<br />

Schuldners gegen die Drittschuldnerin an den Gläubiger vorliegen, ist je-<br />

doch durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt.<br />

15 a) Aus den für die Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren maßgebli-<br />

chen Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts (§ 559<br />

Abs. 1 Satz 1, § 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO) ergibt sich nur, daß die Pfändungs-<br />

freigrenzen des § 850c Abs. 1, 2 ZPO einer Pfändung von 7/10 des Taschen-<br />

geldanspruchs des Schuldners nicht entgegenstehen. Das Landgericht hat<br />

bei der Prüfung der nach § 850c Abs. 1 zu beachtenden Pfändungsfrei-<br />

grenze auf den (fiktiven) betragsmäßigen Unterhaltsanspruch abgestellt,<br />

der üblicherweise mit 3/7 des bereinigten Nettoeinkommens des unter-<br />

haltspflichtigen <strong>Ehegatte</strong>n bemessen wird (vgl. OLG München FamRZ 1988,<br />

1161, 1164; OLG Köln FamRZ 1995, 309, 311; Musielak/Becker, aaO § 850b<br />

Rn. 4, jew. m.w.N.). Ferner ist es davon ausgegangen, daß das Taschengeld<br />

dem danach pfändbaren Teil des (fiktiven) Unterhaltsanspruchs zu ent-<br />

nehmen ist (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2002, 185, 186). Diese Erwägungen<br />

sind rechtlich nicht zu beanstandenden. Dies gilt auch für die Berücksichti-<br />

gung nur der Pfändungsfreigrenze des § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO, denn eine<br />

Erhöhung nach Satz 2 dieser Vorschrift ist hier nicht veranlaßt, weil der<br />

Schuldner einkommens- und vermögenslos ist (vgl. OLG Celle NJW 1991,<br />

1960, 1961). Allein die nach § 850c ZPO gegebene Pfändbarkeit, vermag<br />

aber die Zulassung der Pfändung einer Unterhaltsrente nicht zu rechtferti-<br />

gen.<br />

16 b) Gemäß § 850b Abs. 2 ZPO können die nach Abs. 1 dieser Vorschrift<br />

grundsätzlich unpfändbaren Bezüge nach den für Arbeitseinkommen gel-


22<br />

tenden Vorschriften (hier § 850c ZPO) vielmehr nur dann gepfändet wer-<br />

den, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des<br />

Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung nicht geführt hat oder vo-<br />

raussichtlich nicht führen wird und wenn die Pfändung nach den Umstän-<br />

den des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs<br />

und der Höhe der Bezüge, der Billigkeit entspricht. Nur wenn positiv fest-<br />

steht, daß auch diese besonderen Voraussetzungen für die Pfändung vor-<br />

liegen, darf die Pfändung des nach Abs. 1 Nr. 2 ZPO grundsätzlich un-<br />

pfändbaren Taschengeldanspruchs zugelassen werden (vgl. nur OLG<br />

Schleswig Rpfleger 2002, 87). An derartigen Feststellungen fehlt es.“<br />

Zur Darlegungspflicht des Vollstreckungsgläubigers hat das OLG Köln im Urteil <strong>vom</strong><br />

05.08.2003, 25 UF 5/03 = Rpfleger 2003, 670 ausgeführt:<br />

„Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen des Anspruchs ist die<br />

Klägerin (vgl. OLG Hamm FamRZ 1989, 617; Palandt/Brudermüller a.a.O.<br />

§ 1360a BGB Rn. 4; Stöber a.a.O. Rn 1031a). Die Klägerin kann als Pfän-<br />

dungspfandgläubigerin insofern nicht schlechter, aber auch nicht besser<br />

dastehen, als wenn ihre Schuldnerin ihren Anspruch selber geltend machen<br />

würde. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Klägerin kei-<br />

ne genauen Einblicke in die finanzielle und wirtschaftliche Situation der Ehe-<br />

leute habe. Denn die Klägerin hat über § 836 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit,<br />

von ihrer Schuldnerin Auskunft über die gepfändete Forderung zu erhalten<br />

und hat zudem ihr gegenüber einen Anspruch darauf, dass die über die<br />

Forderung bestehenden Urkunden an sie herausgegeben werden. Dieser<br />

Anspruch besteht ggfs. neben dem Anspruch der Klägerin auf Abgabe der<br />

sogen. Offenbarungsversicherung nach § 807 ZPO (so zutreffend OLG<br />

Naumburg sowie LG Leipzig InVo 2000, 391;..“<br />

Zu den Grenzen der Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs hat das OLG Köln aaO<br />

bemerkt:<br />

„Lediglich ergänzend weist der Senat noch darauf hin, dass selbst bei Un-<br />

terstellung eines bereinigten Nettoeinkommens von 4.500 DM sich kein<br />

pfändbarer Taschengeldanspruch in der geltend gemachten Höhe von 315<br />

DM monatlich ergeben würde. Ein Taschengeldanspruch ist nur nach den<br />

für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften pfändbar. Der Taschengeld-<br />

anspruch errechnet sich üblicher Weise aus einem Prozentsatz von 5 % - 7 %


23<br />

des bereinigten Nettoeinkommens, wobei hier nichts dafür spricht, über den<br />

allgemein üblichen Betrag von 5 % hinauszugehen. Er ist nach zutreffender<br />

Ansicht Teil des - mit 3/7 aus dem bereinigten Einkommen ermittelten fikti-<br />

ven - Unterhaltsanspruchs des <strong>Ehegatte</strong>n (vgl. OLG Stuttgart InVo 2002, 36;<br />

OLG Hamm InVo 2002, 191), wobei dieser Unterhaltsanspruch die jeweilige<br />

Pfändungsfreigrenze überschreiten muss, um überhaupt pfändbar zu sein<br />

(OLG Stuttgart a.a.O.). Soweit die jeweilige Pfändungsfreigrenze überschrit-<br />

ten wird, handelt es sich dabei um Mehreinkommen i.S. von § 850c Abs. 2<br />

ZPO, so dass dieser Teil lediglich in Höhe von 7/10 pfändbar ist. Demnach<br />

wären für Dezember 2001 allenfalls 157, 50 DM (5 % aus 4.500 = 225 DM, da-<br />

von 7/10) pfändbar gewesen, ab Januar 2002 jedoch nur noch 76,76 DM<br />

[39,24 EUR], weil die Pfändungsfreigrenze seitdem bei 930 EUR liegt.“<br />

Zu beachten ist, dass kein Anspruch auf Taschengeld dann besteht, soweit der Ta-<br />

schengeldbedarf durch Eigenverdienst gedeckt wird. Insoweit ist auszugsweise aus<br />

einem grundlegenden Urteil des BGH (FamRZ 1998, 608) wie folgt zu zitieren:<br />

„Vergleichbar mit dem Barunterhaltsanspruch eines getrennt lebenden<br />

oder geschiedenen <strong>Ehegatte</strong>n, der seinen eheangemessenen Unterhalts-<br />

bedarf ganz oder zum Teil durch seinen Eigenverdienst decken kann und<br />

insoweit keinen Zahlungsanspruch mehr gegen den anderen <strong>Ehegatte</strong>n<br />

hat, wird auch der Taschengeldbedarf durch den Eigenverdienst des Gläu-<br />

bigerehegatten ganz oder teilweise gedeckt, so daß insoweit kein weiterer<br />

Zahlungsanspruch gegen den Schuldnerehegatten besteht.“<br />

c) Danach besteht im vorliegenden Fall für den Ehemann kein Taschen-<br />

geldanspruch mehr gegen die Beklagte, den der Kläger aufgrund des<br />

Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts gegen die Be-<br />

klagte geltend machen könnte (§§ 1360, 1360 a BGB, 829 Abs. 3, 835 Abs. 1<br />

u. Abs. 3 S. 1 ZPO). Denn bei dem <strong>vom</strong> Kläger als Mittelwert für die Jahre<br />

1991 und 1992 angenommenen, von der Beklagten nicht bestrittenen mo-<br />

natlichen Nettoeinkommen von 5.122 DM und dem Eigeneinkommen des<br />

Ehemannes von 700 DM beläuft sich das Taschengeld selbst nach der <strong>vom</strong><br />

Oberlandesgericht hier angenommenen Quote von 7 % auf rund 407 DM<br />

monatlich, das der Ehemann durch seinen Eigenverdienst decken kann.<br />

Dies wäre erst recht bei einem höheren Eigeneinkommen des Ehemannes


der Fall.“<br />

24<br />

5. Zur Anrechnung des Familienunterhalts auf das Existenzminimum des Schuldners<br />

nach § 850d ZPO<br />

Das Institut hat seit langem die Auffassung vertreten, dass die höchstrichterliche<br />

Rechtsprechung zur unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit von verheirateten Unter-<br />

haltsschuldnern unter Berücksichtigung des Anspruchs auf Familienunterhalt gegen<br />

ihren <strong>Ehegatte</strong>n auch vollstreckungsrechtliche Auswirkungen haben muss.<br />

Es ist kein Grund ersichtlich, diese Erwägungen nicht auch auf die Festsetzung des Exis-<br />

tenzminimums des Schuldners im Rahmen des § 850d ZPO zu übertragen. Auf aus-<br />

drücklichen Hinweis aus dem Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V.<br />

hat Stöber in seiner Kommentierung in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 850d Rn 11 diese Auffas-<br />

sung vertreten. Denn schließlich sind auf den „notwendigen“ Betrag auch Naturalein-<br />

künfte anzurechnen, aus denen der Schuldner seinen Lebensunterhalt ganz oder teil-<br />

weise bestreiten kann (vgl Stöber, aaO, unter Hinweis auf LAG Saarland JurBüro 1990,<br />

115: „freie Kost“ im Wert von 200 DM; der Wert der Naturalbezüge ist sogleich auf den<br />

dem Schuldner gem. § 850d ZPO zu belassenden Freibetrag anzurechnen).<br />

Während der letztgenannte Punkt noch immer auch in der aktuellen 28. Aufl. des<br />

Kommentars Erwähnung findet, wurde aus nicht näher bekannten Gründen der Hin-<br />

weis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Familienunterhalt nicht mehr in<br />

die letzten Auflagen des Werkes aufgenommen.<br />

Veröffentlichte Rechtsprechung, in denen die unterhaltsrechtliche Bewertung des<br />

BGH bereits auf die Zwangsvollstreckung übertragen worden wäre, ist uns bisher nicht<br />

bekannt geworden.<br />

Wir halten das für bedauerlich, weil ein schlichter Hinweis auf eine entsprechende Ent-<br />

scheidung oder zumindest eine ausdrückliche Erwähnung in einer aktuellen Kommen-<br />

tarstelle die zuständigen Rechtspfleger bei den Vollstreckungsgerichten wesentlich<br />

leichter überzeugen könnte, entsprechend zu verfahren.<br />

Es ist nicht der geringste Anhaltspunkt dafür erkennbar, warum dieser für die Praxis<br />

enorm bedeutsame Punkt bisher keinen Niederschlag in der Rechtsprechung gefun-<br />

den hat. Auch für unsere Gutachtentätigkeit wäre es eine deutliche Erleichterung,<br />

wenn ein Jugendamt bei der Unterhaltsverfolgung den Mut und die Entschlossenheit<br />

aufbringen würde, eine entsprechende Auffassung nicht nur im Antrag auf Pfändung


25<br />

zu vertreten, sondern auch im Fall der Ablehnung ggf durch die Instanzen zu verfol-<br />

gen.<br />

Solange das bisher nicht geschehen ist, können wir immer nur allgemein auf diese<br />

nach unserer Auffassung gegebene Möglichkeit hinweisen und dazu ermutigen, ein-<br />

mal den Versuch einer entsprechenden Argumentation in einem Vollstreckungsantrag<br />

zu unternehmen.<br />

6. Auswirkungen des Familienunterhaltsanspruchs beim Bezug von Elterngeld<br />

a) Das Elterngeld und das entsprechend anrechenbare Mutterschaftsgeld bleiben für<br />

den Bezug von Sozialleistungen bis zur Höhe von 300 EUR monatlich als Einkommen<br />

unberücksichtigt (§ 10 Abs. 1 BEEG).<br />

b) Weil das Elterngeld einkommensabhängig gewährt wird, hat es Lohnersatzfunktion<br />

und ist deswegen für das Unterhaltsrecht im Grundsatz als Einkommen des bezugsbe-<br />

rechtigten <strong>Elternteil</strong>s zu berücksichtigen. Nach § 11 S. 1 BEEG werden Unterhaltsver-<br />

pflichtungen durch die Zahlung des Elterngeldes und <strong>anderer</strong> vergleichbarer Leistun-<br />

gen der Länder nur insoweit berührt, als die Zahlung 300 EUR monatlich (bei Verlänge-<br />

rung auf die doppelte Zeit und Zahlung in halber Höhe 150 EUR monatlich) übersteigt.<br />

In besonders gelagerten Fällen, die § 11 S. 4 BEEG im Einzelnen aufzählt, ist allerdings<br />

das gesamte Elterngeld bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen. Das ist bei<br />

Bezug des Elterngeldes durch den Unterhaltsberechtigten der Fall, wenn auf seiner<br />

Seite ein Verwirkungstatbestand erfüllt ist (§ 1361 Abs. 3, § 1579, § 1611 Abs. 1 BGB). Ein<br />

<strong>vom</strong> Unterhaltspflichtigen bezogenes Elterngeld ist hingegen nur dann nach § 11 S. 4<br />

BEEG iVm § 1603 Abs. 2 BGB in vollem Umfang zu berücksichtigen, wenn eine gestei-<br />

gerte Unterhaltspflicht gegenüber mdj Kindern oder privilegierten Volljährigen vorliegt.<br />

c) Wird der eigene notwendige Selbstbehalt des barunterhaltspflichtigen wiederver-<br />

heirateten <strong>Elternteil</strong>s durch den Anspruch auf Familienunterhalt gegen seinen neuen<br />

<strong>Ehegatte</strong>n gedeckt, so ist das Elterngeld des barunterhaltspflichtigen <strong>Elternteil</strong>s zum<br />

Barunterhalt der unterhaltsberechtigten mdj Kindern oder privilegiert Volljährigen ein-<br />

zusetzen (vgl BGH FamRZ 2006, 1182 und 2006, 1010 zur gleichen Rechtsfrage beim<br />

Erziehungsgeld).<br />

7. Inhalt und Bedeutung der Hausmann-Rechtsprechung<br />

Mit der sog. Hausmann-Rechtsprechung hat sich das Institut im Rahmen folgender An-<br />

frage befasst:


26<br />

Eine gegenüber mehreren Kindern der 3. Altersstufe barunterhaltspflichtige Mutter ist<br />

seit mehreren Jahren wieder verheiratet (mit einem Allgemeinmediziner, der vor ca<br />

einem halben Jahr eine eigene Praxis eröffnet hat). Sie hat aus der 2. Ehe ein drei- und<br />

ein einjähriges Kind. Schon in der ersten Ehe war sie Vollzeithausfrau, hatte dann aller-<br />

dings nach der Trennung eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht und zwei<br />

Monate in diesem Beruf gearbeitet, bevor sie das erste Kind aus der neuen Beziehung<br />

bekam. Danach arbeitete sie aushilfsweise in der Arztpraxis mit, in der auch ihr neuer<br />

Ehemann arbeitete. Seit der Geburt des zweiten Kindes aus der neuen Beziehung ist<br />

sie Vollzeithausfrau. Nach den zunächst vorgelegten Unterlagen verfügte sie nicht<br />

über einen ausreichenden Taschengeldanspruch, um für die Kinder aus erster Ehe Un-<br />

terhalt zu zahlen. Sie entrichtete daher lediglich den Sockelbetrag des Elterngeldes<br />

(300 EUR) als Unterhalt. Dieses fiel ab <strong>September</strong> 2010 weg, als das jüngste Kind ein<br />

Jahr alt wurde. Seitdem hat sie keinen Unterhalt mehr überwiesen. Fraglich ist, ob die<br />

Mutter zumindest verpflichtet ist, eine Nebentätigkeit auf 400 EUR-Basis aufzunehmen,<br />

um damit zum Unterhalt der drei Kinder aus erster Ehe beizutragen. Die Mutter beruft<br />

sich jedoch darauf, dass sie bereits in erster Ehe Vollzeithausfrau war und deshalb man<br />

ihr auch in der zweiten Ehe mit den zwei kleinen Kindern noch nicht zumuten könnte,<br />

wieder arbeiten zu gehen.<br />

(1) Grundlegende Darstellung der Hausmannrechtsprechung<br />

Die Hausmann-Rechtsprechung, die naturgemäß inhaltlich auch auf Hausfrauen an-<br />

wendbar ist (vgl eingehend BGH 12.11.2003, XII ZR 111/01 = JAmt 2004, 151 mwN) be-<br />

sagt im Wesentlichen:<br />

a) Wer einem minderjährigen vor- oder erstehelichen Kind Unterhalt schuldet, kann<br />

sich regelmäßig in einer neuen Ehe nicht auf eine Rollenverteilung berufen, die ihm<br />

allein die Haushaltsführung zuweist und deshalb von einer Erwerbstätigkeit ausschließt.<br />

Das gilt auch bei Vorhandensein betreuungsbedürftiger Kinder aus der neuen Ehe. Ist<br />

die Betreuung des Kleinkindes sichergestellt, so muss die Mutter durch eine Nebentä-<br />

tigkeit (ggf in den Abendstunden oder an Wochenenden) Einkommen zur Deckung<br />

des Unterhaltsbedarfs des familienfernen Kindes erzielen. Zu diesen Zeiten muss nöti-<br />

genfalls der <strong>Ehegatte</strong> die Kinderbetreuung übernehmen. Ist der neue <strong>Ehegatte</strong> beruf-<br />

lich derart belastet, dass er den barunterhaltspflichtigen <strong>Ehegatte</strong>n nicht persönlich<br />

entlasten kann oder will, ist stets zu prüfen, ob er seiner Verpflichtung zur Rücksicht-<br />

nahme auf die weiteren Unterhaltspflichten seines <strong>Ehegatte</strong>n nicht auf andere Weise<br />

genügen kann, was auch durch die Finanzierung einer Hilfe für die Haushaltsführung


27<br />

und Kindesbetreuung geschehen kann (BGH 05.10.2006, XII ZR 197/02 = FamRZ 2006,<br />

1827, 1830).<br />

Sofern die Mutter nicht tatsächlich entsprechendes Nebeneinkommen bezieht, müss-<br />

ten ihr fiktive Einkünfte in entsprechender Höhe zugerechnet werden.<br />

Das in einem derartigen Fall aus einer halbschichtigen oder geringfügigen Tätigkeit<br />

erzielte oder erzielbare Einkommen steht jedenfalls dann ganz oder teilweise für Unter-<br />

haltszwecke zur Verfügung, wenn der eigene Bedarf des pflichtigen <strong>Elternteil</strong>s im<br />

Rahmen des Familienunterhalts durch den leistungsfähigen <strong>Elternteil</strong> erfüllt werden<br />

kann (vgl zB BGH FamRZ 2002, 742 und FamRZ 2003, 363 sowie JAmt 2004, 93, vgl dazu<br />

oben Ziff. 2).<br />

b) Eine wesentliche Kernaussage dieser Rechtsprechung, die gewissermaßen eine Vor-<br />

frage betrifft, lautet: Ein seinem vor- oder erstehelichen Kind barunterhaltspflichtiger<br />

<strong>Elternteil</strong> darf aus unterhaltsrechtlicher Sicht in einer (neuen) Ehe nur dann die Haus-<br />

haltsführung und Kindesbetreuung übernehmen, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte<br />

oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die<br />

neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall den Rollentausch rechtfertigen (vgl BGH<br />

FamRZ 2006, 1827 im Anschluss an BGH FamRZ 1996, 796).<br />

In den Entscheidungsgründen des erstgenannten Urteils wird hierzu ausgeführt:<br />

„Nach ständiger Rechtsprechung des Senats…entfällt die unterhaltsrechtli-<br />

che Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit gegen-<br />

über minderjährigen unverheirateten Kindern nicht ohne weiteres dadurch,<br />

dass der Unterhaltspflichtige eine neue Ehe eingegangen ist und darin im<br />

Einvernehmen mit seinem <strong>Ehegatte</strong>n allein die Haushaltsführung übernom-<br />

men hat. Zwar können die <strong>Ehegatte</strong>n nach § 1356 Abs. 1 BGB die Haus-<br />

haltsführung im gegenseitigen Einvernehmen regeln und sie dabei einem<br />

von ihnen allein überlassen. Unterhaltsrechtlich entlastet die Haushaltsfüh-<br />

rung den <strong>Ehegatte</strong>n aber nur gegenüber den Mitgliedern der durch die<br />

Ehe begründeten neuen Familie und auch dies nur im Regelfall.<br />

Minderjährigen unverheirateten Kindern aus einer früheren Ehe, die nicht<br />

innerhalb der neuen Familie leben, kommt die Haushaltsführung in dieser<br />

Familie weder unmittelbar noch mittelbar zugute. Da diese Kinder den Mit-<br />

gliedern der neuen Familie unterhaltsrechtlich nicht nachstehen (§ 1609<br />

Abs. 1 BGB), darf sich der unterhaltspflichtige <strong>Ehegatte</strong> nicht ohne weiteres<br />

auf die Sorge für die Mitglieder seiner neuen Familie beschränken. Auch


28<br />

dass die <strong>vom</strong> Beklagten betreuten jüngsten Kinder in der neuen Ehe gebo-<br />

ren sind, ändert nichts daran, dass die Unterhaltsansprüche aller minderjäh-<br />

rigen unverheirateten Kinder aus den verschiedenen Ehen gleichrangig sind<br />

und der Unterhaltspflichtige seine Arbeitskraft zum Unterhalt aller Kinder ein-<br />

setzen muss.<br />

Wenn der Unterhaltspflichtige in der früheren Ehe erwerbstätig war und die-<br />

se Erwerbstätigkeit im Rahmen eines Rollenwechsels zugunsten der auszu-<br />

bauen Haushaltsführung und Kinderbetreuung in der neuen Ehe aufgege-<br />

ben hat, kann der Rollentausch und die sich daraus ergebende Minderung<br />

der Erwerbseinkünfte unterhaltsrechtlich nur dann akzeptiert werden, wenn<br />

wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Ge-<br />

wicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen,<br />

im Einzelfall den Rollentausch rechtfertigen. Allerdings kann die Möglichkeit,<br />

in der neuen Ehe durch den Rollentausch eine Erhöhung des wirtschaftli-<br />

chen Lebensstandards und eine Verbesserung der eigenen Lebensqualität<br />

zu erreichen, dann nicht mehr ohne weiteres als Rechtfertigung dienen,<br />

wenn sie gleichzeitig dazu führen würde, dass der Unterhaltspflichtige sich<br />

gegenüber den Berechtigten auf seine damit einhergehende Leistungsun-<br />

fähigkeit beruft und damit deren bisherigen Lebensstandard verschlechtert.<br />

Die Kinder aus erster Ehe müssen eine Einbuße ihrer Unterhaltsansprüche al-<br />

so nur dann hinnehmen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen und<br />

seiner neuen Familie an der Aufgabenverteilung ihr eigenes Interesse an<br />

der Beibehaltung der bisherigen Unterhaltssicherung deutlich überwiegt<br />

(Senatsurteil <strong>vom</strong> <strong>13.</strong> März 1996 aaO). Nur in solchen Fällen ist auch der<br />

neue <strong>Ehegatte</strong> nicht verpflichtet, insoweit auf die Unterhaltspflicht seines<br />

Partners außerhalb der Ehe Rücksicht zu nehmen, zum Nachteil seiner Fami-<br />

lie auf eine eigene Erwerbstätigkeit zu verzichten und stattdessen die Kin-<br />

derbetreuung zu übernehmen (Senatsurteil <strong>vom</strong> 12. April 2006 - XII ZR 31/04 -<br />

FamRZ 2006, 1010, 1012 m.w.N.)“.<br />

(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist festzustellen:<br />

a) Es bedarf wohl keiner vertieften Diskussion, um die Rollenverteilung in der neuen Ehe<br />

zwischen der Mutter und ihrem Ehemann zu billigen. Jedenfalls ist nicht erkennbar,<br />

dass die neue Familie wirtschaftliche Vorteile davon hätte, wenn der Ehemann – statt<br />

seine neu gegründete Arztpraxis weiter auszubauen – die Rolle eines Hausmanns ein-


29<br />

schließlich der Kinderbetreuung übernehmen und dafür die Ehefrau mit ihrer verhält-<br />

nismäßig geringeren Qualifikation und beschränkten Berufserfahrung durch Erwerbstä-<br />

tigkeit das Haushaltseinkommen sicherstellen wollte. Deshalb kann der Entschluss der<br />

Mutter, derzeit von einer Erwerbstätigkeit abzusehen, nach dem Maßstab der unter<br />

Ziffer (1)b) zitierten Erwägungsgründe des BGH schon nicht allgemein in Zweifel gezo-<br />

gen werden.<br />

b) Das entbindet die Mutter aber nicht grundsätzlich von ihrer im Rahmen der Haus-<br />

mann-Rechtsprechung anerkannten Obliegenheit, ggf in den Abendstunden oder am<br />

Wochenende einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um zum Unterhalt ihrer ersteheli-<br />

chen Kinder beizutragen (dass sie diesen mit einer Nebentätigkeit in dem beschränk-<br />

ten Umfang, der durch den genannten zeitlichen Rahmen vorgezeichnet wird, sicher-<br />

stellen könnte, wäre wohl eine bei weitem zu optimistische Umschreibung des Sach-<br />

verhalts).<br />

Insoweit geht ihr Einwand fehl, sie habe in der früheren Ehe ebenfalls nur die Hausfrau-<br />

enrolle gehabt. Dies könnte allenfalls von Gewicht sein, wenn es um Erwerbsobliegen-<br />

heiten in Zusammenhang mit einem eigenen Unterhaltsanspruch geht. Dieser steht<br />

hier aber nicht in Rede, nachdem die Mutter wieder verheiratet ist und ein Unterhalts-<br />

anspruch allein gegen ihren jetzigen Ehemann in Betracht kommt.<br />

Im Rahmen der verschärften Erwerbsobliegenheit gegenüber minderjährigen Kindern<br />

gem. §1603 Abs. 2 BGB stellt dieser Einwand jedenfalls kein grundsätzlich ausschlag-<br />

gebendes Argument dar. Ferner kann hieraus auch nicht abgeleitet werden, dass der<br />

Mutter jegliche Berufsqualifikation fehle, nachdem sie nach der Ehe eine Ausbildung<br />

zur Krankenschwester absolviert hat. Es wäre immerhin vorstellbar, dass sie durch Wo-<br />

chenenddienste ein Zusatzeinkommen in bescheidenem Rahmen erzielen könnte.<br />

Dies stünde dann für den Unterhalt ihrer erstehelichen Kinder insofern zur Verfügung,<br />

als ihr Eigenbedarf durch Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes gedeckt wäre.<br />

c) Allerdings sind im vorliegenden Fall zwei grundsätzliche Probleme zu berücksichti-<br />

gen:<br />

aa) Die Mutter hat hier nicht nur ein kleines Kind sondern zwei.<br />

bb) Außerdem ist das jüngste Kind erst ein Jahr alt. Fraglich ist, inwieweit auf die Recht-<br />

sprechung abzustellen ist, wonach eine Erwerbsobliegenheit während der ersten zwei<br />

Lebensjahre verneint wird, allerdings im engen Zusammenhang mit der Laufzeit des<br />

inzwischen abgeschafften Erziehungsgeldes von zwei Jahren(BGH FamRZ 2006, 1010).


30<br />

In einer anderen Entscheidung des BGH wurde nicht eine Altersgrenze genannt, son-<br />

dern allein darauf abgestellt, ob die Betreuung des Kleinkindes sichergestellt ist (BGH<br />

JAmt 2004, 151).<br />

Zudem ist beachtlich, dass die Mutter auch noch Zeit haben sollte, den Umgang mit<br />

ihren weiteren familienfernen Kindern zu pflegen.<br />

cc) Mit dem Einwand, die Betreuung der zwei Kinder könne nicht sichergestellt wer-<br />

den, da ihr Ehemann behaupten wird, er sei als Arzt durch Bereitschaft bzw Notfallein-<br />

sätze in Abendstunden und am Wochenende hierzu nicht in der Lage, scheidet dann<br />

aus, wenn ihm aufgrund seiner guten Einkommenssituation abzuverlangen ist, eine<br />

Betreuung zu finanzieren (BGH 05.10.2006, XII ZR 197/02 = FamRZ 2006, 1827, 1830).<br />

Keiner Betonung sollte bedürfen, dass es aber in einem konkreten Rechtsstreit auf die<br />

endgültige Beurteilung durch das Familiengericht bzw das im Rechtsmittelzug angeru-<br />

fene Oberlandesgericht ankäme. Im jeweiligen Verfahren können naturgemäß auch<br />

Gesichtspunkte des Einzelfalls eine ausschlaggebende Rolle spielen (zB die Notwen-<br />

digkeit der Betreuung mehrerer Kleinkinder, eine gesteigerte Betreuungsbedürftigkeit<br />

etwa eines behinderten Kindes usw).<br />

d) Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es zweifelhaft, ob bereits zum gegenwärtigen<br />

Zeitpunkt die grundsätzlich bestehende beschränkte Erwerbsobliegenheit der Mutter<br />

zur Deckung des finanziellen Bedarfs ihrer erstehelichen Kinder mit Erfolg zur Geltung<br />

gebracht werden könnte. Dass eine solche Obliegenheit hier nicht allgemein verneint<br />

werden kann, sollte hinreichend deutlich geworden sein. Ob der „Arzteinwand“ be-<br />

züglich der Möglichkeit des Ehemannes zur Kinderbetreuung verfangen könnte, lässt<br />

sich vorweg nicht abschließend beurteilen. Jedoch dürfte mit einiger Wahrscheinlich-<br />

keit vorauszusagen sein, dass ein Familiengericht im Streitfall den Umstand der not-<br />

wendigen Betreuung zweier Kleinkinder, von denen das jüngste erst ein Jahr alt ist, zu-<br />

gunsten der Mutter gewichten könnte mit der Folge, dass derzeit eine Verpflichtung<br />

zur Aufnahme einer Nebenerwerbstätigkeit auszuschließen wäre.<br />

e) Umgekehrt steigt naturgemäß mit zunehmendem Alter der zweitehelichen Kinder<br />

die Erfolgsaussicht für ein entsprechendes Verlangen. Da allerdings absehbar ist, dass<br />

der Vater der erstehelichen Kinder mit einer Untätigkeit des Jugendamtes gegenüber<br />

der Mutter unzufrieden wäre, bleibt wohl nur die Möglichkeit, in absehbarer Zeit – sinn-<br />

vollerweise beginnend mit einem Unterhaltszeitraum ab <strong>September</strong> 2011 – einen unter<br />

die Bedingung der VKH-Bewilligung gestellten Antrag auf Festsetzung einzureichen.


31<br />

aa) Hierzu sollte der Beistand in Erfahrung bringen, ob in Krankenhäusern der Umge-<br />

bung die Bereitschaft bestünde, eine Krankenschwester auch auf Teilzeitbasis an je-<br />

weils einem Tag des Wochenendes zu beschäftigen und welche Verdienstmöglichkeit<br />

hierfür bestünden. Dies wäre ein realistischer Ansatzpunkt für ein erzielbares Nebenein-<br />

kommen der Mutter.<br />

bb) Auszugehen ist weiter von einem notwendigen Eigenbedarf von 860 EUR. Insoweit<br />

ist zu verweisen auf ein BGH-Urteil <strong>vom</strong> 09.01.2008, XII ZR 170/05 = FamRZ 2008, 594, in<br />

dem ausgeführt wurde:<br />

„Die geringen Nebeneinkünfte können es unter Berücksichtigung der für<br />

eine Differenzierung des notwendigen Selbstbehalts sprechenden Grün-<br />

de, insbesondere des Erwerbsanreizes, kaum rechtfertigen, dem Beklag-<br />

ten einen gleich hohen Selbstbehalt zu belassen, wie er einem voll-<br />

schichtigen Erwerbstätigen verbliebe. Denn nach dem Sinn der Differen-<br />

zierung muss der (höhere) notwendige Selbstbehalt eines Erwerbstätigen<br />

Fällen vorbehalten bleiben, in denen der Unterhaltspflichtige einer voll-<br />

zeitigen Erwerbstätigkeit nachgeht oder ihm ein fiktives Einkommen auf<br />

der Grundlage einer solchen Tätigkeit zugerechnet wird. Beruht das un-<br />

terhaltsrelevante Einkommen hingegen überwiegend nicht auf einer Er-<br />

werbstätigkeit, kann im Einzelfall allenfalls in Betracht kommen, dem Un-<br />

terhaltspflichtigen einen Selbstbehalt zu belassen, der sich zwischen<br />

dem ihm im Regelfall zu belassenden Selbstbehalt für Nichterwerbstäti-<br />

ge und dem Selbstbehalt für Erwerbstätige bewegt.“<br />

Berücksichtigt man die nunmehrige Erhöhung des Selbstbehalts für Erwerbstätige auf<br />

950 EUR, läge der höchstrichterlich erwogene Zwischenbetrag somit bei 860 EUR.<br />

cc) Da auf der Hand liegt, dass die Mutter mit einem Teilzeiteinkommen aus Wochen-<br />

endbeschäftigung nicht einmal ihren eigenen Selbstbehalt annähernd decken könn-<br />

te, müsste ggf die Differenz aus dem von ihrem nunmehrigen Ehemann geschuldeten<br />

Familienunterhalt gedeckt werden.<br />

Grundsätzlich kommt auch ein Taschengeldanspruch der Unterhaltsschuldnerin gegen<br />

ihren Ehemann in Betracht. Ob sein Einkommen wegen der mitgeteilten Anlaufschwie-<br />

rigkeiten der neu eingerichteten Arztpraxis bereits jetzt für Familienunterhalt bzw sogar<br />

einen Taschengeldanspruch ausreicht, bedürfte nochmaliger Prüfung, nachdem die


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zunächst vorgelegten Unterlagen wohl zumindest beim letztgenannten Punkt dage-<br />

gen sprachen.

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