Themengutachten Vereinsvormundschaften 20.03.12 - DIJuF
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<strong>DIJuF</strong>-<strong>Themengutachten</strong><br />
Rechtsfragen zu <strong>Vereinsvormundschaften</strong>:<br />
Vorschlag, Bestellung und Finanzierung<br />
Inhalt<br />
I. Umfang von <strong>Vereinsvormundschaften</strong>/-pflegschaften in<br />
Deutschland und Entwicklung in der Bundesrepublik nach<br />
dem neuen Vormundschaftsrecht<br />
II. Bedeutung des BGH-Urteils vom 25.05.2011, XII ZB 625/10 =<br />
JAmt 2011, 363 für Entscheidungen der Familiengerichte darüber,<br />
ob eine persönliche Bestellung von Vereinsmitarbeiter/innen<br />
vorgenommen wird<br />
III. Rechtsmittel gegen die Bestellung des Jugendamts zum<br />
Vormund, wenn zuvor die Bestellung eines/r geeigneten Vereinsmitarbeiters/in<br />
angeregt wurde<br />
IV. Bedeutung der persönlichen Bestellung von Vereinsmitarbeiter/innen<br />
zum Vormund für Haftungsfragen<br />
V. Bestellung vertretender Vormünder in Fällen, in denen ein/e<br />
Mitarbeiter/in eines Vereins vom Gericht persönlich bestellt<br />
wird<br />
VI. Rechtmäßigkeit der Finanzierung von Vereinen nur unter der<br />
Voraussetzung, genau 50 Vormundschaften pro Vollzeitkraft<br />
zu führen<br />
VII. Bedingungen der Erlaubniserteilung für die Führung von Vormundschaften<br />
nach § 54 SGB VIII<br />
VIII. Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte, Rechnungslegung<br />
V 5.000 Ho/Dl/K<br />
20.03.2012
- 2 -<br />
I. Welche Aussagen können in Bezug auf den Umfang von Vereinsvormund-<br />
schaften/-pflegschaften in Deutschland und die Entwicklung in der Bundesre-<br />
publik nach dem neuen Vormundschaftsrecht gemacht werden?<br />
Bereits aus der Vielzahl an publizierten und nicht publizierten Gerichtsentscheidungen<br />
zur Vergütung von <strong>Vereinsvormundschaften</strong>/-pflegschaften lässt sich schließen, dass<br />
das Führen von Vormund-/pflegschaften durch Vereine oder ihre Mitarbeiter/innen<br />
ein bundesweites Thema ist (vgl etwa BGH JAmt 2011, 363-366; OLG Celle JAmt 2011,<br />
352-354; OLG Celle JAmt 2010, 257; OLG Düsseldorf JAmt 2011, 366-367).<br />
Die meisten Vereine, die Vormundschaften führen, sind in den Bundesländern Bayern<br />
und Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Verlässliche statistische Zahlen über die Anzahl<br />
der Vereine oder über die Anzahl der von ihnen geführten Vormundschaften gibt es<br />
nicht. Mündliche Angaben deuten darauf hin, dass im Bereich der katholischen Ver-<br />
eine, die traditionell in der vormundschaftlichen Arbeit verankert sind, insbesondere<br />
der Katholischen Jugendfürsorge, dem Sozialdienst katholischer Frauen/Männer und<br />
dem Caritas Verband ca 2000 Vormundschaften geführt werden.<br />
Über die Entwicklung nach der Änderung des Vormundschaftsrechts können noch<br />
keine abschließenden Angaben gemacht werden. Die Diskussion unter den Jugend-<br />
ämtern, ob und wie viele Vormundschaften zukünftig ggf an Vereine gegeben wer-<br />
den könnten, ist noch im Fluss. Unter Vereinen, bspw Betreuungsvereinen, gibt es Inte-<br />
resse. Voraussetzung für eine Ausweitung der <strong>Vereinsvormundschaften</strong> wird die Klä-<br />
rung der Finanzierungsfragen sein. In diesem Zusammenhang wird abzuwarten sein,<br />
welche Auswirkungen sich aus der Entscheidung des BGH vom 25.05.2011 (JAmt<br />
2011, 363) für die deutsche Rechtspraxis ergeben werden. Nach diesem höchstrich-<br />
terlichen Beschluss erhält ein Verein, der gem. § 1791a BGB selbst zum Vormund be-<br />
stellt wird, keine Vergütung gem. § 1836 Abs. 3 BGB und keinen Aufwendungsersatz.<br />
Wenn jedoch ein/e Mitarbeiter/in eines Vereins, der gem. § 1791a BGB iVm § 54<br />
Abs. 1 SGB VIII zur Übernahme von Vormundschaften geeignet ist, zum Vormund be-<br />
stellt und der/die Mitarbeiter/in im Verein ausschließlich oder teilweise als solche/r<br />
tätig ist (§ 1897 Abs. 2 S. 1 BGB analog), kann der Verein in entsprechender Anwen-<br />
dung von § 7 VBVG Vergütung und Aufwendungsersatz von der Staatskasse bean-<br />
spruchen. Dem Institut ist bislang nur die Praxis in Einzelfällen bekannt (siehe 2.).<br />
Zu klären sein werden darüber hinaus Fragen nach den notwendigen Voraussetzun-<br />
gen und der Qualifikation der potenziellen Vormünder/Ergänzungs-pfleger/innen bei
- 3 -<br />
den Vereinen, besonders bei denjenigen, die bisher keine Erfahrungen mit der vor-<br />
mundschaftlichen Arbeit haben.<br />
II. Nach dem BGH-Urteil 25.05.2011, XII ZB 625/10 = JAmt 2011, 363 steht einem<br />
Verein bei persönlicher Bestellung eines/r seiner Mitarbeiter/innen ein Vergü-<br />
tungsanspruch und Aufwendungsersatz gegen die Staatskasse zu. Einige Fa-<br />
miliengerichte machen von dieser Möglichkeit regen Gebrauch, andere zei-<br />
gen sich jedoch nicht bereit, eine/n bestimmten Mitarbeiter/in eines Vereins<br />
persönlich zum Vormund zu bestellen etwa mit der Begründung, eine solche<br />
Bestellung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Sind die Familiengerichte frei darin,<br />
zu entscheiden, ob eine persönliche Bestellung von Vereinsmitarbeiter/innen<br />
überhaupt vorgenommen wird?<br />
Das vom Familiengericht als Begründung angeführte Fehlen einer Regelung zu einer<br />
persönlichen Bestellung eines Vereinsvormunds hat der BGH in dem genannten Be-<br />
schluss vom 25.05.2011 (JAmt 2011, 363) als planwidrige Lücke des Gesetzes gewer-<br />
tet, die durch eine Analogie zu den Vorschriften über die persönliche Bestellung von<br />
Mitarbeiter/inne/n eines Betreuungsvereins zu schließen sei. Die Schlüsselsätze hierzu<br />
finden sich unter Tz 20 der Entscheidungsgründe (Hervorhebung des Verf.):<br />
„[20] Dabei hat das BVerfG nicht verlangt, dass sowohl dem Verein als<br />
auch seinem Mitglied ein Vergütungsanspruch zustehen müsse; vielmehr<br />
hat es nur bemängelt, dass keinem von beiden eine Vergütung einge-<br />
räumt worden sei (BVerfG FamRZ 2000, 414, 415). Von daher ist es aus ver-<br />
fassungsrechtlicher Sicht hinreichend, wenn die Bestellung eines Vereins-<br />
mitarbeiters möglich ist und diese einen Vergütungsanspruch nach sich<br />
zieht. Dies gilt umso mehr, als der Verein gemäß § 1791 a Abs. 1 S. 2<br />
Halbs. 2, § 1900 Abs. 1 S. 2 BGB nicht gegen seinen Willen bestellt werden<br />
und er somit regelmäßig auf die Bestellung eines seiner Mitarbeiter hinwir-<br />
ken kann.“<br />
Im gleichen Sinne fährt der Senat unter Tz 22 fort:<br />
„[22] Wird jedoch der Mitarbeiter eines Vormundschaftsvereins zum Vor-<br />
mund bestellt, kann der Verein hierfür eine Vergütung beanspruchen.<br />
Denn die zugunsten eines Betreuungsvereins bestehenden Vergütungsvor-
- 4 -<br />
schriften der § 1897 Abs. 2 S. 1 BGB, § 7 VBVG sind insoweit entsprechend<br />
auch auf einen Vormundschaftsverein anzuwenden.“<br />
Wenn demgegenüber Familiengerichte die persönliche Bestellung eines/r Vereins-<br />
mitarbeiters/in zum Vormund allein mit der Begründung ablehnen sollten, Derartiges<br />
sei im BGB nicht vorgesehen, greift das ersichtlich zu kurz und spricht dafür, dass die<br />
vorgenannte Entscheidung des BGH noch nicht mit all ihren Konsequenzen für die<br />
Praxis zur Kenntnis genommen wurde.<br />
III. Ist es möglich und aussichtsreich, gegen die Bestellung des Jugendamts zum<br />
Vormund Rechtsmittel einzulegen, wenn zuvor die Bestellung eines/r geeigne-<br />
ten Vereinsmitarbeiters/in angeregt wurde?<br />
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde des Jugendamts für den Fall, dass es nicht die Er-<br />
richtung der Vormundschaft bzw Pflegschaft als solche angreift, sondern sich ledig-<br />
lich gegen seine eigene Bestellung wendet, hat der BGH in der jüngsten Entschei-<br />
dung vom 23.11.2011, XII ZB 293/11 zu diesem Fragenkreis ausdrücklich bekräftigt:<br />
„[12] Durch die Anordnung der Ergänzungspflegschaft wird das Jugend-<br />
amt ebenso wie durch deren Ablehnung (vgl OLG Brandenburg FamRZ<br />
2007, 2095) nicht in eigenen Rechten betroffen (aA KG Berlin FamRZ 2010,<br />
1171). Für das Jugendamt ergeben sich aus der Anordnung der Ergän-<br />
zungspflegschaft für sich genommen noch keine Rechtswirkungen. Das<br />
Jugendamt wird in seiner eigenen Rechtsstellung erst durch seine Bestel-<br />
lung zum Ergänzungspfleger betroffen. Da diese aber von der Anordnung<br />
als Grundentscheidung gegenständlich zu trennen ist, ist es dem Jugend-<br />
amt verwehrt, über die Anfechtung der Bestellung zugleich auch die<br />
Grundentscheidung in Frage zu stellen. Vielmehr ist nicht anders zu ent-<br />
scheiden, als wenn das Familiengericht über die Anordnung der Ergän-<br />
zungspflegschaft (vergleichbar der Entziehung der elterlichen Vertre-<br />
tungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB) und die Bestellung in<br />
getrennten Beschlüssen entschieden hätte. Dass dem Jugendamt vom<br />
Gesetz eine Beschwerdebefugnis schließlich auch nicht aufgrund seiner<br />
Behördeneigenschaft zugedacht ist, ergibt sich daraus, dass ihm eine Be-<br />
schwerdebefugnis insoweit – wie oben ausgeführt – nur in Verfahren ein-<br />
geräumt wird, die sich auf die Person des Kindes beziehen.
- 5 -<br />
[13] b) Das Jugendamt hat seine Rechtsmittel nur damit begründet, dass<br />
die Voraussetzungen für eine Ergänzungspflegschaft nicht vorlägen. Ob<br />
sich daraus eine Beschränkung der Rechtsmittel auf die Anordnung der<br />
Ergänzungspflegschaft ergibt, kann dahinstehen. Denn das Jugendamt<br />
hat bereits nicht dargetan, dass seine Auswahl und Bestellung zum Ergän-<br />
zungspfleger, die es aus eigenem Recht allein anfechten kann, rechts-<br />
feh0lerhaft sei. Für eine Fehlerhaftigkeit der vom Amtsgericht getroffenen<br />
Auswahlentscheidung bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte.“<br />
Nicht die Entscheidung über die Einrichtung einer Vormund-/Ergänzungspflegschaft,<br />
wohl aber Auswahl und Bestellung des Jugendamts ist also durch die Behörde an-<br />
fechtbar.<br />
2. Ob das Rechtsmittel des Jugendamts im jeweiligen Einzelfall aber auch in der Sa-<br />
che Erfolg haben wird, erscheint nicht von vornherein gesichert.<br />
a) Ein Ansatzpunkt zu einer Begründung der Beschwerde kann einem Beschluss des<br />
OLG Hamm 09.03.2010 = JAmt 2010, 256 entnommen werden, in dem ausgeführt<br />
wird:<br />
„Zwar ist dem Amtsgericht darin beizupflichten, dass das Anliegen des Ju-<br />
gendamts der Stadt Z1, aus der Vormundschaft entlassen zu werden, be-<br />
rechtigt ist, weil das Kind inzwischen seit längerem im Kreis H lebt. Dies<br />
rechtfertigt es jedoch nicht, ohne weiteres das Jugendamt des Kreises H<br />
zum Vormund zu bestimmen. Gem. § 1791b BGB kann auch das Jugend-<br />
amt zum Vormund bestellt werden, wenn eine als ehrenamtlicher Einzel-<br />
vormund geeignete Person nicht vorhanden. Ob dies der Fall ist, hat das<br />
Familiengericht von Amts wegen zu ermitteln (vgl Diederichsen, in: Pa-<br />
landt, BGB, 69. Aufl. 2010, § 1791b Rn 1 mwN). Dazu gehört auch die An-<br />
frage an das Jugendamt, ob dieses gem. § 53 Abs. 1 SGB VIII geeignete<br />
Personen vorschlagen kann. Dass das Amtsgericht hier solche Ermittlungen<br />
angestellt hat, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Es lässt sich nicht<br />
einmal feststellen, dass es dem KrJA H vor seiner Entscheidung Gelegen-<br />
heit zur Stellungnahme und zur Benennung eines geeigneten Einzelvor-<br />
munds gegeben hat.<br />
Eine andere Beurteilung der Sache ergibt sich vorliegend auch nicht dar-<br />
aus, dass das Kreisjugendamt selbst keinen ehrenamtlichen Einzelvormund
- 6 -<br />
benannt hat. Denn auch dies entband das Amtsgericht nicht von der<br />
Verpflichtung zu eigener Ermittlung.<br />
Sollte ein ehrenamtlicher Einzelvormund nicht vorhanden sein, wäre die<br />
Entscheidung des Amtsgerichts gleichwohl nicht verfahrensfehlerfrei. Denn<br />
§ 1791b BGB sieht bei Fehlen eines ehrenamtlichen Einzelvormunds nicht<br />
zwingend die Bestellung des Jugendamts vor. Der Wortlaut der Regelung<br />
ist eindeutig. Danach kann in einem solchen Fall auch das Jugendamt be-<br />
stellt werden. Hieraus folgt, dass das Amtsgericht bei der Auswahl des<br />
Vormunds Ermessen hat, wovon es vorliegend ersichtlich keinen Ge-<br />
brauch gemacht hat. Es hat sich lediglich und ohne nähere Begründung<br />
auf die Feststellung beschränkt, dass eine als Einzelvormund geeignete<br />
Person nicht vorhanden sei.<br />
Ohne nähere Auswahlentscheidung, bei der die Interessen des Kindes im<br />
Vordergrund zu stehen haben und die nach den hier gegebenen Um-<br />
ständen auch die Bestellung eines Berufsvormunds als interessengerecht<br />
erscheinen lassen können, kann jedoch die Entscheidung des Amtsge-<br />
richts keinen Bestand haben.“<br />
Mit der entsprechenden Rüge kann somit im Beschwerdeverfahren zumindest the-<br />
matisiert werden, dass das Familiengericht unverblümt – und ohne Alternativen we-<br />
nigstens zu erwägen – auf die Bestellung des Jugendamts zum Vormund bzw Ergän-<br />
zungspfleger zugesteuert hat.<br />
b) Ob hingegen mit dem Rechtsmittel auch mit Erfolgsaussicht geltend gemacht<br />
werden kann, das Familiengericht hätte statt des Jugendamts eine/n Mitarbeiter/in<br />
eines Vereins berufen müssen, erscheint zweifelhaft.<br />
Nach allgemeiner Meinung betont § 1791b Abs.1 BGB den Vorrang der ehrenamtli-<br />
chen Einzelvormundschaft (vgl nur OLG Zweibrücken NJW-RR 1987, 584); vor Bestel-<br />
lung des Jugendamts hat das Familiengericht daher intensiv zu ermitteln, ob eine<br />
geeignete Einzelperson vorhanden ist (BayObLG Rpfleger 1985, 361; OLG Naumburg<br />
OLGR 2005, 749), auch durch Anfrage an das Jugendamt.<br />
Nach verbreiteter, wenngleich nicht unbestrittener Auffassung, genießt gegenüber<br />
der Amts- auch die Vereinsvormundschaft Vorrang, wie sich ua aus § 56 Abs. 4<br />
SGB VIII ergeben soll (OLG Celle JAmt 2010, 257; KG Berlin JAmt 2010, 257; OLG Frank-<br />
furt aM FamRZ 1980, 284; Diederichsen, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1791b Rn 1;
- 7 -<br />
Wagenitz, in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, § 1791b Rn 3; Bettin, in: Bamber-<br />
ger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.03.2011, § 1791b Rn 2).<br />
Wagenitz (aaO)) führt hierzu aus:<br />
„Die Frage, ob auch die Vereinsvormundschaft Vorrang vor der Amtsvor-<br />
mundschaft genießt, ist streitig. Z.T. wird angenommen, die Vereinsvor-<br />
mundschaft genieße keinen solchen Vorrang (Fn. 1: OLG Köln JMBINRW<br />
1963, 16; Soergel/Zimmermann RdNr. 2; RGRK/Dickescheid RdNr. 2; Stau-<br />
dinger/Engler RdNr. 5), so dass das VormG [nunmehr FamG; Anm. des<br />
Verf.] nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten entscheiden könne, ob es<br />
einen Verein oder das zuständige Jugendamt bestellen wollte. Dem Wort-<br />
laut des § 56 Abs. 4 SGB VIII lässt sich indes eine andere Tendenz entneh-<br />
men, mag sich auch dessen Aussagegehalt angesichts der begrenzten<br />
legislativen Qualität dieses Gesetzes relativieren (Fn 2: So der im Übrigen<br />
durchaus richtige Einwand von Staudinger/Engler RdNr. 5): Wenn das Ju-<br />
gendamt in der Regel jährlich zu prüfen hat, ob die Bestellung einer Ein-<br />
zelperson oder eines Vereins angezeigt ist, so ergibt sich daraus die Subsi-<br />
diarität der Amtsvormundschaft auch gegenüber der Tätigkeit von geeig-<br />
neten Vereinen.“<br />
Für den Vorrang des vormundschaftsführenden Vereins vor dem Jugendamt könnte<br />
– zumindest de lege ferenda – auch ein Vergleich mit dem Betreuungsrecht spre-<br />
chen. Nach § 1900 Abs. 4 BGB ist die Betreuungsbehörde jedenfalls nur dann zu be-<br />
stellen, wenn auch kein geeigneter Verein vorhanden ist. Nach § 1897 Abs. 2 BGB ist<br />
für die rechtliche Betreuung der Vorrang einer natürlichen Person vorgesehen. Es<br />
könnte auf Grundlage dieser Grundgedanken argumentiert werden, dass im Bereich<br />
der Vormundschaften zumindest dann, wenn Vereine die persönliche Bestellung ihrer<br />
Mitarbeiter/innen vornehmen, die Vormundschaft/-pflegschaft von Vereinsmitarbei-<br />
ter/innen gegenüber der Amtsvormundschaft/-pflegschaft vorrangig ist.<br />
Für die Gegenauffassung sei Engler (in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2004, § 1791b<br />
Rn 5) wörtlich zitiert:<br />
„Ob auch die Vereinsvormundschaft Vorrang hat vor der Amtsvormund-<br />
schaft, ist streitig. Der RegE zum NEhelG wollte zwar dadurch, dass in<br />
§ 1791b Abs 1 S 1 an das Fehlen einer ‚als Vormund‘ geeigneten Person<br />
angeknüpft werden sollte (im Gegensatz zu dem in § 1791a verwendeten<br />
Begriff ‚Einzelvormund‘), deutlich machen, dass die Amtsvormundschaft
- 8 -<br />
gegenüber der Vereinsvormundschaft subsidiär sein solle (Jansen/Knöpfel,<br />
Das neue Unehelichengesetz 365). Dazu kam es aber nicht; sowohl<br />
§ 1791a Abs 1 S 2 als auch § 1791b Abs 1 S 1 knüpfen daran an, dass ‚eine<br />
als Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden‘ ist. Hierunter kann<br />
man aber nur eine natürliche Person, dagegen schwerlich einen rechtsfä-<br />
higen Verein verstehen. Daraus folgt, dass die Bestellung des Jugendamts<br />
zum Vormund nicht auch dann ausgeschlossen ist, wenn zwar keine Ein-<br />
zelperson, wohl aber ein Verein, der zum Vormund bestellt werden kann,<br />
vorhanden ist. Das Vormundschaftsgericht kann also, wenn kein Einzel-<br />
vormund zur Verfügung steht, ohne allgemeine Vorgabe aufgrund der im<br />
Einzelfall gegebenen Umstände entscheiden, ob das Jugendamt oder ein<br />
Verein Vormund werden soll (so auch OLG Köln JMBlNRW 1963; 16; Soer-<br />
gel/Zimmermann Rn 2; BGB-RGRK/ Dickescheid Rn 2; jetzt auch Pa-<br />
landt/Diederichsen Rn 1; wohl auch LG Aachen FamRZ 1976, 672; offen<br />
gelassen von BayObLG FamRZ 1977, 664; aA OLG Frankfurt a M OLGZ<br />
1980, 129 = FamRZ 1980, 284; Erman/Holzhauer Rn 2). Aus § 56 Abs 4 KJHG,<br />
der dem Jugendamt die regelmäßige Prüfung auferlegt, ob im Interesse<br />
des Mündels seine Entlassung als Amtsvormund “und die Bestellung einer<br />
Einzelperson oder eines Vereins“ angezeigt ist, leiten Wagenitz (in Münch-<br />
Komm Rn 3) und Gernhuber/Coester-Waltjen (§ 70 II 3 Fn 5) die Subsidiari-<br />
tät der Amtsvormundschaft auch gegenüber der Tätigkeit von geeigne-<br />
ten Vereinen ab. Diese Folgerung erscheint im Hinblick auf den maßge-<br />
benden, in § 1791a Abs 1 S 2 dem Verein gegenübergestellten Begriff ‚Ein-<br />
zelvormund‘ nicht zwingend; im Übrigen können die herkömmlichen Aus-<br />
legungsgrundsätze auf das KJHG nur zurückhaltend angewandt werden.“<br />
Wenn man nun mit der neueren Auffassung des BGH vom 25.05.2011 (JAmt 2011,<br />
363) die persönliche Bestellung eines/r Vereinsmitarbeiters/in zur Schließung einer Ge-<br />
setzeslücke für zulässig hält, ist zwar eine „als Einzelvormund geeignete Person“ vor-<br />
handen. Diese wird aber nicht „ehrenamtlich“ tätig, wie § 1791b Abs. 1 S. 1 Halbs. 1<br />
BGB voraussetzt. Denn wie die Vorgeschichte und der Begründungszusammenhang<br />
des BGH-Beschlusses deutlich machen, dient die außerhalb des geltenden Gesetzes-<br />
textes höchstrichterlich eingeführte Rechtsfigur des/der persönlich bestellten Ver-<br />
einsmitarbeiters/in als Vormund/in im Wesentlichen dazu, dem Verein einen Vergü-<br />
tungsanspruch zu verschaffen, den ihm das Gesetz im Fall der klassischen Vereins-<br />
vormundschaft bisher verwehrt.
- 9 -<br />
Selbst wenn man also mit der oben zuerst dargestellten Meinung den Vorrang der<br />
Vereinsvormundschaft vor der Amtsvormundschaft des Jugendamts begründen woll-<br />
te, lassen sich die angeführten Argumente nicht ohne weiteres auf die neue Rechts-<br />
lage der Amtsführung durch eine/n persönlich bestellte/n Vereinsmitarbeiter/in über-<br />
tragen.<br />
Aus Sicht des Instituts gibt es Grund zur Zuversicht, dass Rechtsprechung und Literatur<br />
hier in absehbarer Zeit zu einer weiteren Klärung bzw zumindest Verdeutlichung des<br />
Streitstands beitragen werden.<br />
c) Derzeit kann das Fazit aber nur lauten: Das Jugendamt kann stets in zulässiger Wei-<br />
se seine Bestellung zum Vormund oder Ergänzungspfleger anfechten, weil es durch<br />
die entsprechende Entscheidung des Familiengerichts iSv § 59 Abs. 1 FamFG be-<br />
schwert wird. Es kann hierbei rügen, dass diese Bestellung ermessensfehlerhaft sei,<br />
weil Alternativen vom erstinstanzlichen Gericht offensichtlich nicht geprüft wurden.<br />
Die Bestellung einer berufsmäßigen Einzelperson oder eines Vereins wird durch das<br />
Gesetz jedenfalls nicht ausgeschlossen, da das Jugendamt im Gesetzestext zwar<br />
„auch“ bestellt werden kann, aber nicht zwingend die einzige Alternative zum eh-<br />
renamtlichen Einzelvormund ist.<br />
Ob ein Stufenverhältnis mit dem Nachrang des Jugendamts besteht, war schon bis-<br />
her für die Vereinsvormundschaft strittig. Die von einer wohl überwiegenden beja-<br />
henden Meinung hierfür herangezogenen Argumente lassen sich aber nicht ohne<br />
weiteres auf die persönliche Führung der Vormundschaft durch eine/n – im Hinblick<br />
auf die Vergütungsproblematik berufsmäßig tätige/n – Vereinsmitarbeiter/in übertra-<br />
gen.<br />
IV. Da die Finanzierung aus der Staatskasse nur noch bei persönlich bestellter<br />
Vereinsvormundschaft möglich ist (JAmt 2011, 363), wirken Vormundschafts-<br />
vereine zunehmend auf persönliche Bestellungen ihrer Mitarbeiter/innen hin.<br />
Welche Folgen hat das in Bezug auf Haftungsfragen? Welchen ausreichenden<br />
Haftungsschutz hat der Verein seinen Mitarbeiter/innen zu bieten?<br />
Haftungsfragen bei persönlicher Bestellung eines/r Mitarbeiters/in wurden bisher pri-<br />
mär für die persönliche Bestellung der Mitarbeiter/innen von Betreuungsvereinen dis-<br />
kutiert (vgl OLG Koblenz FamRZ 2010, 755). Aus der Entscheidung ergibt sich bei einer
- 10 -<br />
Übertragung auf Vormundschaftsvereine und deren Mitarbeiter/innen folgende<br />
Sachlage:<br />
Aus § 1791a Abs. 3 S.2 BGB ergibt sich nach überwiegender Ansicht unmittelbar kei-<br />
ne Haftung eines Vereins, da insoweit Voraussetzung ist, dass der Verein selbst zum<br />
Vormund bzw Pfleger bestellt wurde. Umstritten ist, ob die Regelung entsprechend<br />
und somit haftungsbegründend anzuwenden ist, wenn ein/e Mitarbeiter/in persön-<br />
lich bestellt wird. Dies wird teilweise bejaht, da der Verein den/die Mitarbeiter/in für<br />
diese Aufgabe zur Verfügung stelle und die Vormund-/Pflegschaft im Rahmen eines<br />
Dienstverhältnisses leiste, innerhalb dessen der/die Mitarbeiter/in auch dienstlichen<br />
Anforderungen und Weisungen unterliege. Zudem erhalte der Verein Aufwendungs-<br />
ersatz und Vergütung (Schwab, in: MünchKommBGB, 5. Aufl. 2008, § 1908i Rn 24,<br />
ders. FamRZ 1992, 498; Diederichsen § 1896 Rn 18). Nach anderer Ansicht steht dem<br />
entgegen, dass eine der Voraussetzungen für die Erlaubnis zum Führen von Vereins-<br />
vormundschaften ist, dass der Verein seine Mitarbeiter/innen ausreichend versichert<br />
(vgl für den Bereich der Vormund-/Pflegschaften auch § 54 Abs. 1 Nr 1 SGB VIII). Zu-<br />
dem fehle es auch an einer vergleichbaren Sachlage, denn der/die persönlich be-<br />
stellte Mitarbeiter/in unterliege nur einer begrenzten Aufsicht des Vereins (so OLG<br />
Koblenz aaO mwN).<br />
Andererseits nimmt das OLG Koblenz (aaO) an, dass im Grundsatz eine vertragliche<br />
Haftung des Vereins nach §§ 241, 280 Abs. 1, § 278 S. 1 BGB gegenüber dem Mün-<br />
del/Pflegling gegeben sein kann, wenn der Verein seine Aufsichtspflichten gegen-<br />
über dem/der Mitarbeiter/in verletzt. Diese Aufsichtspflichten werden jedoch vielfach<br />
nicht verletzt sein, obgleich dem Mündel/Pflegling durch ein Verhalten des/der Mit-<br />
arbeiters/in ein Schaden entstanden ist. Der Verein ist daher in jedem Fall verpflich-<br />
tet, einen ausreichenden Haftungsschutz für die Mitarbeiter/innen sicherzustellen,<br />
denn es ist nicht gesichert, dass im Schadensfall eine Haftung des Vereins analog<br />
§ 1791a Abs. 3 S. 2 BGB anzunehmen ist.<br />
Darauf ist auch der BGH in der oben genannten Entscheidung wiederholt eingegan-<br />
gen, indem er die rechtliche Qualität von Vormundschaftsvereinen mit den seit<br />
01.01.1992 im Gesetz verschiedentlich geregelten Betreuungsvereinen verglichen<br />
hat:<br />
„[23] Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Betreuungsvereins<br />
gemäß § 1908 f BGB, die wiederum den Vergütungsanspruch bedingen,<br />
entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen, die ein Verein erfüllen
- 11 -<br />
muss, um als Vereinsvormund gemäß § 1791a BGB iVm § 54 SGB VIII für<br />
geeignet erklärt zu werden. […]<br />
[32] Die entsprechenden Erwägungen gelten für den Vormundschaftsver-<br />
ein. Vor allem muss er seit 1991 im Wesentlichen dieselben Anforderungen<br />
wie ein Betreuungsverein erfüllen (s. dazu § 1908f BGB), um als Verein zum<br />
Vormund bestellt werden zu können. Gemäß § 54 Abs. 2 SGB VIII muss der<br />
Verein gewährleisten, dass er eine ausreichende Zahl geeigneter Mitarbei-<br />
ter hat und diese beaufsichtigen, weiterbilden und gegen Schäden an-<br />
gemessen versichern wird.“<br />
Das Gebot, die Vereinsmitarbeiter „gegen Schäden, die diese anderen im Rahmen<br />
ihrer Tätigkeit zufügen können“, angemessen zu versichern (vgl § 54 Abs. 2 Nr 1<br />
SGB VIII), ist also nicht neu, sondern schon seit Inkrafttreten des SGB VIII Anerken-<br />
nungsvoraussetzung für einen Vormundschaftsverein. Im Rahmen des § 54 SGB VIII<br />
wird daher idR der Nachweis einer angemessenen Versicherung der Fachkräfte<br />
durch Vorlage einer Kopie des Versicherungsvertrags gegenüber dem Jugendamt<br />
erforderlich sein.<br />
Der Vereinsvorstand hätte aktuell zu klären, ob sich die Versicherungskonditionen<br />
ändern, wenn aufgrund der neuen Rechtslage Vereinsmitarbeiter/innen auch auf-<br />
grund persönlicher Bestellung tätig werden.<br />
Für eine solche Änderung bestünde zwar grundsätzlich kein Anlass, weil sich die Tä-<br />
tigkeiten inhaltlich und in Bezug auf die Haftungsrisiken nicht wesentlich unterschei-<br />
den, je nachdem, ob der Verein als solcher oder der/die persönlich bestellte Mitar-<br />
beiter/in die Vormundschaft/Pflegschaft führt. Angesichts der Unwägbarkeiten, mit<br />
denen Versicherungsnehmer aber zuweilen rechnen müssen, wenn ein Versiche-<br />
rungsunternehmen womöglich versuchen könnte, seinen Haftungseintritt schon dem<br />
Grunde nach zu bestreiten, kann es keinesfalls schaden, wenn ein Vereinsvorstand<br />
hier von vornherein für klare Vertragsverhältnisse sorgt, indem er die Frage von sich<br />
aus an seinen Haftpflichtversicherer heranträgt.<br />
V. In Fällen, in denen ein/e Mitarbeiter/in eines Vereins vom Gericht persönlich<br />
bestellt wird, ergibt sich, anders als bei der Bestellung eines Vereins zum Vor-<br />
mund, das Problem der Vertretung etwa in Ferienzeiten. Im Betreuungsrecht<br />
ermöglicht § 1899 Abs. 4 BGB die Bestellung vertretender Betreuer/innen; in
- 12 -<br />
der Praxis wird auch der Verein selbst in dieser vertretenden Funktion bestellt.<br />
Ermöglicht das Vormundschaftsrecht eine ähnliche Praxis, um die Vertretung<br />
persönlich bestellter Vereinsvormünder sicherzustellen?<br />
Gegen eine entsprechende Vorgehensweise bestehen nach Auffassung des Instituts<br />
keine Bedenken. Ob die Gerichte zu einer derartigen Vorgehensweise bereits sein<br />
werden, lässt sich nicht mit ausreichender Verlässlichkeit vorhersagen. Die einschlä-<br />
gige Regelung in § 1775 S. 2 BGB lautet: „Im Übrigen soll das Familiengericht, sofern<br />
nicht besondere Gründe für die Bestellung mehrerer Vormünder vorliegen, … nur ei-<br />
nen Vormund bestellen.“ Erforderlich wäre, dass der Vertretungsbedarf als ein be-<br />
sonderer Grund anerkannt wird. In den einschlägigen Kommentaren wird die Bestel-<br />
lung mehrerer Vormünder restriktiv ausgelegt. So sei bei einer gegenständlich be-<br />
schränkten, vorübergehenden tatsächlichen Verhinderung nicht ein Mitvormund,<br />
sondern ein Ergänzungspfleger zu bestellen (Wagenitz § 1775 Rn 6). Aus der Perspek-<br />
tive des Instituts bleibt offen, ob mit dieser Auslegung nur ein einmaliger oder auch<br />
ein wiederkehrender Vertretungsbedarf gemeint ist.<br />
Teilweise verweisen Gerichte auf die Möglichkeit, dass der/die persönlich bestellte<br />
Vereinsmitarbeiter/in im Vertretungsfall seine Kolleg/inn/en per Vollmacht autorisie-<br />
ren könne. Hier wird den Vereinen dringend zu raten sein, dies mit ihren Vermögens-<br />
schadenshaftpflichtversicherungen abzuklären. Allgemein lehnen Versicherungen<br />
den Schutz ab, wenn im Bereich der gesetzlichen Vertretung im Rahmen einer Voll-<br />
macht gehandelt wurde. Nach Kenntnis des Instituts argumentiert eine große Versi-<br />
cherung in einem Bundesland, dass der/die Mitarbeiter/in im Rahmen der Bestellung<br />
durch das Gericht ausschließlich auf gesetzlichen Grundlagen agiere und dabei<br />
auch der Aufsicht des Gerichts unterliege – ebenso wie der Verein, wenn dieser be-<br />
stellt ist. Im Rahmen der Vollmacht wird ausschließlich auf privatrechtlicher Basis ge-<br />
handelt.<br />
Die Bestellung des Vereins zur Vertretung wird nach Kenntnis des Instituts von der Pra-<br />
xis teilweise kritisch gesehen: Es werden einerseits im Zusammenhang mit dem er-<br />
wähnten BGH-Urteil abrechnungstechnische Probleme befürchtet. Andererseits wird<br />
auch Verwirrung bei möglichen Haftungsfällen befürchtet, wenn die Versicherung für<br />
persönlich bestellte Mitarbeiter/innen abgeschlossen ist, in deren Vertretung jedoch<br />
der Verein agiert, der erstere beschäftigt und dessen Weisungen und Dienstaufsicht<br />
diese unterliegen.
- 13 -<br />
Empfohlen wird daher, dass im Bereich der Vormund-/Pflegschaften mindestens zwei<br />
Ergänzungspfleger/innen bestellt werden. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil arbeits-<br />
rechtliche Belange es häufig nicht erlauben, dass zwei Mitarbeiter/innen ihre Urlaube<br />
vollständig aufeinander abstimmen. Gleichzeitig treten im Bereich der Vormund-<br />
schaften Verhinderungsfälle sehr viel häufiger und dringender auf als im Bereich der<br />
Betreuung. Im Bereich der Vormundschaft/Pflegschaft ist im Unterschied zur rechtli-<br />
chen Betreuung ein weitaus größeres Umfeld an Beteiligten (zB Heimeinrich-<br />
tung/Pflegefamilie, Herkunftsfamilie, Schule, Umgangsberechtigte, Lehrstelle) vor-<br />
handen. Auch muss der/die Vormund/Ergänzungspflegerin seinem/ihrem erzieheri-<br />
schen Auftrag gerecht werden und kann Entscheidungen deshalb in der Regel nur<br />
kurzzeitig aufschieben.<br />
VI. Im Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom<br />
29.06.2011 wird in § 55 SGB Abs. 2 VIII ausgeführt, dass ein/e vollzeitbeschäf-<br />
tigte/r Beamter/in oder Angestellte/r im Jugendamt höchstens 50 Vormund-<br />
schaften zu führen habe. Während schon die Einhaltung dieser Maximal-<br />
vorgabe für die Jugendämter idR eine Senkung der Fallzahlen zur Folge hat,<br />
waren in Vereinen teilweise schon bisher niedrigere Fallzahlen von bspw 40<br />
Vormundschaften je Vollzeitkraft üblich. In Folge der Gesetzgebung werden<br />
Vereine an einzelnen Orten von den Jugendämtern verpflichtet, zukünftig ge-<br />
nau 50 Vormundschaften pro Vollzeitkraft zu führen, andernfalls sei eine (teil-<br />
weise) Finanzierung der Vormundschaften durch das Jugendamt nicht mehr<br />
möglich.<br />
Nach § 55 Abs. 2 S. 4 SGB VIII soll ein/e vollzeitbeschäftigte/r Beamter/in oder Ange-<br />
stellte/r, der/die nur mit der Führung von Vormundschaften oder Pflegschaften be-<br />
traut ist, höchstens 50 (so bereits die „Dresdener Erklärung“ JAmt 2000, 437) und bei<br />
gleichzeitiger Wahrnehmung anderer Aufgaben – in der Praxis insbesondere Bei-<br />
standschaften (zur Kritik an Mischarbeitsplätzen vgl Jugend- und Familienministerkon-<br />
ferenz [JFMK] JAmt 2011, 323; Justin JAmt 2011, 305) – entsprechend weniger Vor-<br />
mund- und Pflegschaften führen. Eine entsprechende Regelung im BGB fehlt. Eine<br />
zwingende Verknüpfung zwischen der Finanzierung von <strong>Vereinsvormundschaften</strong><br />
und einer bestimmten Fallzahl der Mitarbeiter/innen des Vereins ist daher rechtlich<br />
nicht gegeben. Eine Finanzierung von Vormundschaftsvereinen ist daher rechtlich
- 14 -<br />
auch nach der Reform „möglich“, wenn die Mitarbeiter/innen des Vereins nicht im<br />
Durchschnitt 50, sondern sogar mehr Vormundschaften/Pflegschaften führen.<br />
Das Führen von 50 Fällen pro Mitarbeiter/innen als conditio sine qua non für eine Fi-<br />
nanzierung scheidet jedoch aus fachlichen Gründen aus, denn die Fallzahl 50 stellt<br />
eine Obergrenze dar, die ggf unterschritten werden muss, wenn ansonsten eine ver-<br />
antwortliche Wahrnehmung der Aufgaben nicht möglich ist und damit die Gefahr<br />
von Pflichtverletzungen naheliegt.<br />
VII. Aus Perspektive der Landesjugendämter stellt sich die Frage, an welche Be-<br />
dingungen die Erlaubniserteilung zur Führung von Vormundschaften nach § 54<br />
SGB VIII gebunden ist. Von Interesse ist dabei zum einen die Organisations-<br />
form, insbesondere wenn ein vormaliger Verein, der Vormundschaf-<br />
ten/Pflegschaften führt, sich eine andere Organisationsform gibt (zB gGmbH).<br />
In Frage steht auch, ob ein Verein überhaupt einer Erlaubnis nach § 54 SGB VIII<br />
bedarf, wenn ausschließlich persönlich durch das Gericht bestellte Vormund-<br />
schaften geführt werden.<br />
Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB VIII nach derzeitiger<br />
Rechtslage kommt nur das Erteilen einer Erlaubnis für einen rechtsfähigen Verein und<br />
nicht für eine gGmbH etc in Betracht. Denkbar sind jedoch rechtliche Gestaltungen,<br />
in denen ein Vormundschaftsverein mit einer gGmbH verknüpft ist.<br />
Rechte, Pflichten, Privilegien – etwa eine Vergütung nach dem VBVG – kommen nur<br />
dem Verein zu, der eine Erlaubnis besitzt.<br />
VIII. Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte, Rechnungslegung<br />
Die Befreiungsvorschrift des § 1857a BGB steht ausweislich des Wortlauts nur dem<br />
Verein zu. Dies bedeutet, dass ein persönlich bestellter Vereinsvormund nicht nur für<br />
sämtliche genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte der familiengerichtlichen Ge-<br />
nehmigung bedarf, sondern auch nicht von der Rechnungslegungspflicht befreit ist.<br />
Den Vereinen ist daher dringend zu raten, mit den zuständigen Familiengerichten zu<br />
klären, ob insoweit § 1908i Abs. 1 BGB ebenfalls sinngemäß angewandt wird. Gerade<br />
was die Rechnungslegungspflicht anbetrifft, ist eine rechtzeitige Abklärung anzura-<br />
ten; eine im Nachhinein zu erstellende Rechnungslegung bedeutet erfahrungsge-<br />
mäß einen erheblichen Mehraufwand.