Kindergesundheit, Kinderrechte, Kinderinteressen ...
Kindergesundheit, Kinderrechte, Kinderinteressen ...
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Raimund Geene: <strong>Kindergesundheit</strong>, <strong>Kinderrechte</strong>, <strong>Kinderinteressen</strong>. Kindheitswissenschaften als multidisziplinärer<br />
Ansatz<br />
jedoch Wirkung zeigt, kann bislang nur bedingt beantwortet werden aus der Perspektive<br />
einzelner Fachdisziplinen wie der Pädagogik (die für ein Mehr an Pädagogik eintritt), der Pä-<br />
diatrie (die für lückenlose Vorsorgeuntersuchungen plädiert) oder der Psychologie (die in der<br />
Entwicklungspsychologie den Schlüssel sieht). Doch wie steht es um die Selbstwahrnehmung<br />
der Eltern und insbesondere auch der Kinder? Welche Interessen verfolgen sie, welche<br />
Schwerpunkte setzen sie?<br />
Kinderarmut und bildungsbürgerliches Paradigma<br />
Schon im Ansatz zeigt sich hier die Problematik, dass eine gebündelte Perspektive nicht nur<br />
fehlt, ihr wird sogar implizit die Berechtigung abgesprochen. Denn wie alle Fachdisziplinen<br />
ihren eigenen Gesetzen folgen, so sehen auch die kindheitsbezogenen sich selbst als Maß-<br />
stab. Pädagogische, psychologische oder medizinische Anforderungen werden als Parameter<br />
der Beschreibung des Zustandes der Kinder und Jugendlichen genommen. Kinder werden<br />
noch immer kaum als selbstständige Personen wahrgenommen, sondern als zu betreuende.<br />
Solch wohlmeinender Paternalismus übersieht aber die Vielfalt kindlicher Sozialisationspro-<br />
zesse und die unterschiedlichen Möglichkeiten, sich dieser zu stellen. Sie geht aus von einem<br />
eher mittelständischen Blick, der die subjektiven Rationalismen von Kindern oder auch El-<br />
tern, gerade in sozial benachteiligten Lebenslagen, oft nicht zu verstehen mag.<br />
Dabei stößt diese Wahrnehmung auf ein besonderes Paradox: gerade die Mittel- und Ober-<br />
schichten, die die (ver)öffentlich(t)e Meinung repräsentieren, leiden unter dieser von Frank<br />
Schirrmacher beschriebenen „Kinderentwöhnung“. Doch gleichzeitig prägen sie die Bilder<br />
und Anforderungen einer Kindheit, der sie sich in ihren eigenen Lebenswelten bereits weit-<br />
gehend entledigt haben. Den sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen, die – wie bei-<br />
spielsweise türkische Familien oder auch die aus Russland ausgesiedelten – weiterhin Kinder<br />
bekommen und dies in fast unveränderter Anzahl, wird das bildungsbürgerliche Kindheitsbild<br />
hingegen übergestülpt. Diese Diskrepanz zwischen erlebter Realität und bürgerlichem An-<br />
spruch setzt nicht nur die sozial benachteiligten Eltern, sondern auch die Kinder unter enor-<br />
me Spannung und ist letztendlich kaum auflösbar.<br />
<strong>Kinderrechte</strong> und <strong>Kinderinteressen</strong><br />
Dennoch artikuliert sich die Forderung nach verstärkter „Förderung“ der Kinder als Vertre-<br />
tung von <strong>Kinderinteressen</strong>. Doch sind Pflichtbesuche in Kitas, gesundheitliche Reihenunter-<br />
suchungen oder frühere Einschulungen gleichbedeutend mit <strong>Kinderinteressen</strong>? Gibt es ein<br />
„Kinderrecht“ auf bildungsbürgerliche Sozialisation?<br />
Befragt man Kinder nach ihren Rechten, erntet man zumeist ein Stirnrunzeln: sie hören be-<br />
reits „die Pflichten“ als Wortergänzung, schon in jungen Jahren gespeist aus der Erfahrung,<br />
dass ihnen im Zuge ihrer mutmaßlichen Rechte vor allem erwachsenenopportunes Verhalten<br />
abverlangt wird.<br />
Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 12. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2007<br />
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