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Monika Fränznick<br />

<strong>Arbeitslosigkeit</strong>: <strong>Ansatzpunkte</strong> <strong>einer</strong> <strong>frauenspezifischen</strong><br />

Gesundheitsförderung<br />

2005 startete im FrauenGesundheitszentrum Berlin e.V. (FFGZ) ein Gesundheitsprojekt für<br />

arbeitslose Frauen mit dem Ziel der Gesundheitsförderung in dieser stark belasteten Lebens-<br />

phase. Im Rahmen dieses Projektes bieten wir seit 2006 Kurse unter dem Titel "Wohlbefin-<br />

den stärken, Gesundheitsrisiko <strong>Arbeitslosigkeit</strong> mindern. Ein Gesundheitsangebot für arbeits-<br />

lose Frauen" an. Bislang fanden achtzehn solcher Kurse statt, an denen 155 Frauen teilge-<br />

nommen haben .<br />

Ich möchte zunächst mit einigen Stichworten den Ausgangspunkt unseres Projektes skizzie-<br />

ren, dann den Kurs vorstellen, um abschließend einige Erfahrungen aus den bisherigen Kur-<br />

sen zur Diskussion zu stellen.<br />

1. Hintergrund des Kursangebotes<br />

Wir wissen inzwischen, dass Arbeitslose einen deutlich schlechteren gesundheitlichen Status<br />

haben als die Gesamtbevölkerung. Um nur einige wenige Aspekte zu nennen:<br />

• Erhöhtes Krankheits- und Sterberisiko: Arbeitslose weisen gegenüber Erwerbstätigen eine<br />

deutlich höhere Sterblichkeit auf. Gemäß <strong>einer</strong> AOK-Studie beträgt sie das 2,6-fache. Be-<br />

sonders bei arbeitslosen Frauen liegt die Sterblichkeit deutlich höher als bei Männern,<br />

während sie in der Allgemeinbevölkerung niedriger ist als bei Männern.<br />

• Gesundheitszustand und -zufriedenheit ist deutlich geringer als bei Erwerbstätigen. Dabei<br />

ist festzustellen, dass:<br />

1. Gesundheitsprobleme bei Männern mit Dauer der <strong>Arbeitslosigkeit</strong> zunehmen, bei Frauen<br />

hingegen die Kurzzeitarbeitslosigkeit genauso oder stärker belastend ist,<br />

2. dass Frauen ihre Gesundheit nochmals deutlich schlechter einschätzen als Männer und.<br />

3. dass sich all<strong>einer</strong>ziehende Frauen in <strong>einer</strong> besonders prekären Situation befinden und ge-<br />

sundheitlich besonders belastet sind.<br />

• Gesundheitliche Beschwerden, unter denen Arbeitslosen häufiger leiden als Erwerbstätige<br />

treten vor allem im Kontext psychischer und psychosomatischer Beschwerden auf, die zu<br />

massive Beschwerden und Einschränkungen des Wohlbefindens führen und die chronisch<br />

werden können. Benannt werden Schlaflosigkeit, depressive Symptome, Antriebsschwä-<br />

che, Magen-Darm-Störungen, Essstörungen, Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems,<br />

Stoffwechselerkrankungen. Darüber hinaus werden vermehrt Infektionen, Verletzungen,<br />

und Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt bei Arbeitslosen registriert.<br />

• Das Gesundheitsriskante Verhalten Arbeitsloser ist häufig stärker ausgeprägt als in der<br />

sonstigen Bevölkerung. Problembereiche sind hierbei vor allem Rauchen, Medikamenten-<br />

Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 13. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2007<br />

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einnahme, Alkoholgenuss, aber auch ungesunde Ernährung und Bewegungsmangel.<br />

Ausgehend von unseren Kursen, möchte ich hier anmerken, dass hinsichtlich des Medika-<br />

mentenkonsums nicht nur die betroffenen Personen in den Blick genommen werden müs-<br />

sen, sondern auch das Verschreibungsverhalten vieler Ärztinnen. In unseren Kursen erfuh-<br />

ren wir, wie schnell auf Beschwerden wie Schlaflosigkeit und depressive Verstimmungen<br />

mit der Verschreibung von Psychopharmaka reagiert wird.<br />

Der geschilderte schlechterer Gesundheitszustand von Arbeitslosen schlägt sich in mehr<br />

Krankheitstagen, mehr Krankenhausaufenthalten und -tage sowie in mehr Arztbesuchen nie-<br />

der. Er führt also zu <strong>einer</strong> vermehrten Inanspruchnahme medizinischer Versorgung. Im Ge-<br />

gensatz dazu werden jedoch weniger Hilfeangebote jenseits der Medizin und weniger Prä-<br />

ventionsmaßnahmen wie Gesundheitsfördermaßnahmen, Krebsfrüherkennungs-<br />

Untersuchungen sowie Checkup´s genutzt. Es existiert also ein extremes Ungleichgewicht<br />

zwischen Gesundheitszustand, Gesundheitsempfinden und Arztbesuchen <strong>einer</strong>seits und In-<br />

anspruchnahme von Unterstützung und von Möglichkeiten der Gesundheitsförderung ande-<br />

rerseits. Fachkreise erachten daher schon lange Konzepte und Angebote zur Gesundheitsför-<br />

derung für die stark belastete Gruppe der Arbeitslosen, die auch dort ankommen, als drin-<br />

gend erforderlich. Vor diesem Hintergrund haben wir unser Angebot für arbeitslose Frauen<br />

konzipiert.<br />

2. Das Angebot<br />

Der Kurs "Wohlbefinden stärken, Gesundheitsrisiko <strong>Arbeitslosigkeit</strong> mindern. Ein Gesund-<br />

heitsangebot für arbeitslose Frauen" umfasst drei mal zwei Stunden. Ziel des Kurses ist eine<br />

verbesserte Lebensqualität trotz <strong>Arbeitslosigkeit</strong>. Die Frauen werden unterstützt als aktiv<br />

Handelnde ihren Alltag positiver und gesünder zu gestalten. Strukturiert ist der Kurs als eine<br />

Mischung aus Information, Austausch und praktischen Übungen und inhaltlich richtet er sich<br />

nach den gesundheitlichen Themen, die für die jeweiligen Kursteilnehmerinnen relevant sind,<br />

zum Beispiel:<br />

• Stress und Stressbewältigung<br />

• Körper- und Entspannungsübungen<br />

• Beschwerden wie Schlafstörungen oder depressiven Verstimmungen<br />

• alltagstaugliche Selbsthilfetipps, um das Wohlbefinden zu stärken<br />

• Übungen zur positiven Selbstwahrnehmung und Eigenmotivation<br />

• Informationen über kostengünstige Gesundheitsangebote<br />

• Orientierungshilfe hinsichtlich weiterer Unterstützungsangebote<br />

Im Laufe der Zeit haben wir den Kurs modifiziert. Stand zunächst Information im Vorder-<br />

grund, halten sich inzwischen Informationen, praktische Übungen und Austausch die Waage.<br />

Wir haben mehr praktische Übungen integriert, weil - so unsere Erfahrung - viele in ihrem<br />

Alltag nur wenig positive Selbst- und Körperwahrnehmungen oder Entspannung erleben<br />

können angesichts des Drucks, unter dem sich viele empfinden. Übungen sind eine Möglich-<br />

keit, die scheinbar festgefahrenen Strukturen zu lockern und in der Gruppe etwas Neues und<br />

Angenehmes zu erleben. Das Erleben von Körper- und Entspannungsübungen oder von Vi-<br />

sualisierungstechniken gibt Beispiele und zugleich Anreize, gesundheitsfördernde Maßnah-<br />

Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 13. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2007<br />

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men in den Alltag zu integrieren. Übungen zur Selbstwahrnehmung motivierten die Teilneh-<br />

merinnen dazu, ihrer Ressourcen, Kompetenzen und Möglichkeiten wieder bewusst wahrzu-<br />

nehmen, auch in ihrer derzeit schwierigen Lebenssituation. Praktischen Übungen wirkten<br />

stark motivierend, was sich auf die Nachhaltigkeit auswirken soll.<br />

Auch dem Bedürfnis nach Austausch unter Frauen, die in der gleichen Situation sind, kom-<br />

men wir inzwischen mehr nach. Dabei achten wir allerdings darauf, dass ein Treffen nicht in<br />

die – durchaus berechtigte - Klage über die Situation "abkippt". Schließlich wollen wir hier<br />

gerade entdecken, was die einzelne aus einem Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Perspek-<br />

tivlosigkeit herausführen kann. Neben den Gesprächen in den Kurssitzungen haben wir eine<br />

nachfolgende "offene" Stunde im Kursraum eingerichtet, in der wir für weitere Fragen an-<br />

sprechbar sind und in der sich die Kursteilnehmerinnen untereinander austauschen können.<br />

Hier können die Frauen von den Kompetenzen und dem Wissen der anderen profitieren.<br />

Immerhin sind sie Expertinnen für den Umgang mit Ämtern, den Lebensalltag mit wenig Geld<br />

oder für politische Forderungen, die ihrer Lebenssituation entstammen.<br />

3. Erfahrungen<br />

Aus den Erfahrungen, die wir im Kurs sammeln konnten, werde ich im Folgenden auf Stres-<br />

soren und auf Möglichkeiten des Kurses eingehen.<br />

3.a. Was belastete die Kursteilnehmerinnen besonders?<br />

Ganz deutlich zeichnet sich bei der Mehrheit der Kursteilenehmerinnen eine stark ausgepräg-<br />

te Stresssymptomatik ab. Diese geht einher mit Beschwerden wie Schlaflosigkeit, depressi-<br />

ven Verstimmungen, Unruhe und Gehetztsein, Erschöpfungszustände, Antriebslosigkeit, aber<br />

auch mit häufigen Infektionen oder Rückenbeschwerden. Wenn ich nun Stressoren skizziere,<br />

die sich immer wieder herauskristallisierten, geschieht dies auch im Auftrag diverser Kursteil-<br />

nehmerinnen. Sie betonten immer wieder. "Bring unsere Situation in die politische Diskussion<br />

ein, setzte den Klischees über Arbeitslose etwas entgegen. Es muss sich auf der politischen<br />

Ebene etwas ändern. Und wir werden zu wenig gehört oder unsere Geschichte als Einzel-<br />

schicksal bewertet, was nichts über die generelle Situation von Arbeitslosen aussage“. Diesen<br />

Auftrag kann ich hier natürlich so nicht erfüllen, aber einige Aspekte möchte ich doch anfüh-<br />

ren:<br />

Schwierige finanzielle Situation, drohender sozialer Abstieg, Zukunftsängste<br />

Viele Frauen empfanden sich sozial ausgegrenzt und isoliert, perspektiv- und hoffnungslos<br />

und hatten Ängste vor weiterer Armut und „dem Absturz. Diese Gefühle verursachten häufig<br />

ein depressives Grundgefühl, insbesondere wenn die Frauen schon lange arbeitslos waren.<br />

Einerseits wurde es immer schwerer „sich aufzuraffen“, andererseits fehlten für Maßnahmen,<br />

das Wohlbefinden zu fördern, finanzielle Ressourcen. Ein Teufelskreis von schwieriger sozia-<br />

ler und finanzieller Situation sowie deprimierter Befindlichkeit setzte ein. Als Folge waren<br />

Schlaflosigkeit, Unruhe, Antriebsschwäche, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Immunschwäche<br />

etc. zu beobachten.<br />

Gesundheit Berlin (Hrsg.): Dokumentation 13. bundesweiter Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2007<br />

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Geschlechtsspezifische Faktoren<br />

a. Arbeitslose Frauen mit Familie sind oft doppelt belastet:<br />

In unseren Kursen machten wir immer wieder die Erfahrung, dass arbeitslose Frauen nicht<br />

nur mit geringen finanziellen Mittel auskommen mussten, sondern darüber hinaus die Folgen<br />

der <strong>Arbeitslosigkeit</strong> für die Familie und insbesondere für ihre Kinder zu kompensieren ver-<br />

suchten. Die Kinder sollen sich nicht einschränken müssen, sollen nicht die Folgen der Ar-<br />

beitslosigkeit zu spüren bekommen. Diese Kompensationsleistung bedeutete eine weitere<br />

Belastungssituation für die Frauen. Teilnehmende Mütter, insbesondere all<strong>einer</strong>ziehende,<br />

klagten dementsprechend über starke Erschöpfungszustände.<br />

b. Viele - wohlgemerkt: nicht alle - Frauen sind es gewohnt, für andere da zu sein, Auf-<br />

gaben zu übernehmen und nur in Ausnahmefällen, abzusagen. Dieser Altruismus schlägt sich<br />

auch in arbeitslosen Phasen nieder: Arbeitslose Frauen befinden sich <strong>einer</strong>seits in <strong>einer</strong><br />

Stresssituation, haben aber von außen betrachtet viel freie Zeit. Dies führt nicht selten dazu,<br />

dass sie sich verpflichtet fühlen, Aufgaben zu übernehmen, die an sie herangetragen wer-<br />

den. Natürlich können ehrenamtliche Tätigkeiten Effekte wie Anerkennung, Aktivierung, sozi-<br />

ale Kontakte und Freude haben. Zu beobachten war jedoch häufig, dass die Sorge um sich<br />

und das eigene Wohlbefinden - wie es ihrer schwierigen und belasteten Lebenssituation ent-<br />

spräche - zurücktritt.<br />

c. Viele Kursteilnehmerinnen waren über die <strong>Arbeitslosigkeit</strong> hinaus durch Familienauf-<br />

gaben und schwierige Familiensituationen belastet, sei es durch die Pflege Angehöriger,<br />

durch Sprachprobleme, durch Probleme mit Kindern oder durch die Tatsache, all<strong>einer</strong>ziehend<br />

zu sein.<br />

Altersdiskriminierung:<br />

Viele hochmotivierte Frauen in unseren Kursen mussten ab einem bestimmten Alter - spätes-<br />

tens ab 50 - die Erfahrung machen, dass sie bei Bewerbungen nicht berücksichtigt werden.<br />

Auch beim Arbeitsamt sahen sie sich unabhängig von der Qualifikation mit dem Label "un-<br />

vermittelbar" versehen und häufig zu <strong>einer</strong> Frühverrentung gedrängt. Dieses „Abgeschrie-<br />

bensein“, wie es einige formulierten, resultierte in Gefühlen von Perspektivlosigkeit, Ohn-<br />

macht und gesellschaftlicher Ausgrenzung sowie der Angst vor Altersarmut. Kursteilnehme-<br />

rinnen über 50 sahen diesen Aspekt ihrer <strong>Arbeitslosigkeit</strong> zumeist als stärkste Beeinträchti-<br />

gung ihrer Lebensqualität.<br />

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Kontakte mit Arbeitsagentur / Jobcenter<br />

Arbeitsagentur- oder Jobcenterbesuche erlebten die meisten Kursteilnehmerinnen als sehr<br />

belastend. Viele Regelungen oder deren Auslegungen waren für sie nicht nachvollziehbar<br />

oder schienen gar schikanös. Die Frauen berichteten in diesem Kontext von Ohnmachtsge-<br />

fühlen, wenig Verständnis und großem Druck, der ihren Alltag prägt. Gerade die in den Kur-<br />

sen angeführten Gegenbeispiele von gelungenen Kontakten mit verständnisvollen und enga-<br />

gierten MitarbeiterInnen, die konstruktiv mit arbeitslosen Frauen zusammenarbeiteten, zeig-<br />

ten wie positiv die Betreuung durch Jobcenter und Arbeitsagenturen für die Einzelnen wirken<br />

können und in viel größerem Maße wirken könnten.<br />

Gesellschaftliche Diskriminierung als Arbeitslose<br />

Frauen, die unbedingt arbeiten wollten, denen immer wieder vermittelt wird, dass sie nicht<br />

vermittelbar sind, da sie zu alt, all<strong>einer</strong>ziehend oder Migrantin seien und die erleben, dass sie<br />

kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, sind fast täglich mit Klischees konfrontiert: Ar-<br />

beitslose wollten nicht arbeiten, seien zu inflexibel, hätten zu hohe Ansprüche etc. Sowohl in<br />

der Presse, in der politischen Diskussion als auch im sozialen Umfeld treffen sie auf solche<br />

Vorurteile, sehen sich in <strong>einer</strong> Rechtfertigungsposition und manche Frau sieht nur die Mög-<br />

lichkeit des Rückzugs oder Abbruchs von sozialen Kontakten,<br />

Selbstwertproblematik<br />

Längere <strong>Arbeitslosigkeit</strong> bedeutet zumeist wenig Anerkennung zu bekommen und immer<br />

wieder abgelehnt zu werden. Das geht nicht spurlos an den Frauen vorüber. Selbstzweifel,<br />

das Gefühl, nichts zu können, Rückzug von anderen, depressive Grundstimmung bis hin zu<br />

manifesten Depressionen sind häufige Folgen. Entsprechend klagten viele Kursteilnehmerin-<br />

nen über eine schlechte psychische Verfassung, die sich auch in gesundheitlichen Problemen<br />

niederschlagen wie verminderte Abwehrkräfte, Schlafstörungen oder Kreislaufprobleme. In<br />

Übungen waren die Frauen selbst so manches Mal überrascht, über welche Kompetenzen sie<br />

verfügen.<br />

Gesundheitliche Beeinträchtigungen<br />

Sind Krankheiten oder ein allgemein schlechter Gesundheitszustand <strong>einer</strong>seits Folgen von<br />

Stress, sind sie andererseits auch wieder dessen Ursachen. So empfanden sich diverse<br />

Kursteilnehmerinnen, die zum Beispiel unter Schlaflosigkeit, depressiven Verstimmungen<br />

oder häufigen Infektionen litten, als gesundheitlich zu stark beeinträchtigt, um auf dem Ar-<br />

beitsmarkt bestehen zu können. Daraus kann sich ein weiterer Stressmoment entwickeln,<br />

wenn sie dann der Simulation und Arbeitsverweigerung verdächtigt werden.<br />

Die genannten Aspekte sind einige typische Stressoren, von denen unsere Kursteilnehmerin-<br />

nen immer wieder berichteten. Oftmals war eine Kumulation verschiedener Stressoren fest-<br />

zustellen, wobei natürlich auch Schicksalsschläge oder weitere belastende Umstände einflos-<br />

sen, wie sie jede und jeden treffen können. Genannt wurden beispielsweise die Belastungen<br />

durch die Pflege Angehörige, den Tod des Mannes, eigene schwere Erkrankungen, Probleme<br />

mit Kindern, Probleme als Migrantin in unserer Gesellschaft, etc.<br />

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3.b. Was kann ein solcher Kurs leisten?<br />

Der Kurs „Wohlbefinden stärken, Gesundheitsrisiko <strong>Arbeitslosigkeit</strong> mindern“ umfasst drei<br />

mal zwei Stunden plus jeweils <strong>einer</strong> weiteren Stunde für Austausch und Fragen. Entspre-<br />

chend dieses begrenzten Umfanges müssen die Inhalte des Kurses begrenzt werden. Fol-<br />

gende inhaltliche Schwerpunkte haben sich als sinnvoll erwiesen:<br />

• Den Zusammenhang von <strong>Arbeitslosigkeit</strong> und Stress herzustellen, war für viele Kursteil-<br />

nehmerinnen sehr erhellend. Beschwerden und Beeinträchtigungen des Wohlbefindens<br />

wurden für sie oftmals verständlicher. Außerdem hatte die Erkenntnis dieses Zusammen-<br />

hangs eine entlastende Funktion, da viele bis dahin die Anzeichen von Stress nicht gelten<br />

ließen oder nicht ernst nahmen, da sie schließlich mehr freie Zeit hatten als in ihrem frühe-<br />

ren Berufsleben. Mit der Betonung der Belastungssituation durch ihre <strong>Arbeitslosigkeit</strong> und<br />

der daraus folgenden Stresssymptomatik entstand ein Bewusstsein für die Notwendigkeit,<br />

Stress abzubauen.<br />

• Möglichkeiten der Stressreduktion vorzustellen und einfache alltagstaugliche Übungen zur<br />

Stressbewältigung waren logische Konsequenz der genannten Stresswahrnehmung. Wir<br />

arbeiten hier mit Körperübungen, mit Anregungen für eine stressfreie Gestaltung des All-<br />

tags und mit Gesprächen über Möglichkeiten, das persönliche Wohlbefinden zu verbes-<br />

sern, wobei das gegenseitige Feedback von besonderer Bedeutung ist.<br />

• Gesundheitliche Beeinträchtigungen, die von einzelnen im Zusammenhang mit Arbeitslo-<br />

sigkeit genannt wurden, greifen wir auf. So informieren wir über Themen wie Schlafstö-<br />

rungen oder depressive Verstimmungen und geben alltagstaugliche Selbsthilfetipps bezie-<br />

hungsweise die Kursteilnehmerinnen geben ihre gesammelten Erfahrungen weiter.<br />

• Austausch und Feedback ist grundsätzlicher Bestandteil, da die Kursteilnehmerinnen von<br />

Erfahrungen und Wissen anderer profitieren können und Anregungen voneinander erhal-<br />

ten. Da die Zeit im Kurs begrenzt ist, kann der Austausch in der anberaumten "offenen"<br />

Stunde nach dem Kurs vertieft werden.<br />

• Die Weitervermittlung an andere Einrichtungen erweist sich als Möglichkeit, Thematiken,<br />

die sich im Kurs herauskristallisierten, zu vertiefen oder weiterzuverfolgen. Das Spektrum<br />

reicht hier von Beratungsstellen für Arbeitslose über PsychotherapeutInnen und Naturheil-<br />

kundlerInnen bis hin zu Sportangeboten oder Selbsthilfeeinrichtungen.<br />

• In diesem Zusammenhang treffen unsere Informationen über kostengünstige Angebote in<br />

Bereichen wie Bewegung, Sport, Entspannung, aber auch kulturelle und gesundheitsför-<br />

dernde Angebote auf großes Interesse.<br />

• Denn - und dies ist ein Hauptanliegen unseres Kurses - hier werden Impulse gesetzt, aktiv<br />

zu werden und eigene Handlungsmöglichkeiten sowie eigene Ressourcen und Kompeten-<br />

zen (wieder-) zu entdecken.<br />

Die Rückmeldung zu den Kursen lässt denn auch den Schluss zu, dass sich die Frauen moti-<br />

viert fühlen, etwas für sich zu tun, ihr Wohlbefinden, ihre Zufriedenheit und ihr Selbstwertge-<br />

fühl zu stärken - gerade auch in der Situation der <strong>Arbeitslosigkeit</strong>, die oftmals mit depressi-<br />

ven Stimmungen und Ohnmachtsgefühlen assoziiert wird. In diesem Kontext hat der Kurs<br />

eine Doppelfunktion: Einerseits soll er - mit dem Ziel das gesundheitliche Wohlbefinden lang-<br />

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fristig zu stärken - dazu anregen, aktiv zu werden und den Alltag gesundheitsfördernd zu<br />

gestalten. Andererseits soll dieses verbesserte Wohlbefinden bereits im Kurs erfahrbar wer-<br />

den, sozusagen als Modell: Der Kurs als Beispiel, es sich, trotz schwieriger Lebensumstände,<br />

möglichst gut gehen zu lassen, auf positive Aspekte, statt auf Belastungen zu schauen und<br />

sich gegenseitig zu stärken. Diese Vorbildfunktion gewann aufgrund des Teilnehmerinnen-<br />

feedbacks zunehmend an Bedeutung. Wichtig war uns hierfür eine Atmosphäre der Wert-<br />

schätzung und des Verwöhntwerdens. Von Frauen wurde immer wieder betont, wie wichtig<br />

es für sie ist, hier einen angstfreien Raum vorzufinden, in dem sie sich willkommen und<br />

wertgeschätzt fühlen und in dem sie mit ihren Ressourcen wahrgenommen werden. Größtes<br />

Lob war für mich dann auch, als eine Kursteilnehmerin den Kurs als ein "gesundes Pro-<br />

gramm" bezeichnete, da hier nicht nur über Gesundheit gesprochen, sondern Gesundheit<br />

auch gelebt würde, indem sich Theorie, Praxis und Austausch die Waage halten und Unter-<br />

stützung erfahrbar wird. In diesem Sinne sehen wir unser Kursangebot als Empowerment: Es<br />

lädt dazu ein, Motivation, neue Ideen und praktisches Wissen mitzunehmen und in den Alltag<br />

zu integrieren, um das persönliche Wohlbefinden langfristig zu verbessern.<br />

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Literatur<br />

Elkeles, Th./ Kirschner, W. (2004), <strong>Arbeitslosigkeit</strong> und Gesundheit. Intervention durch Ge-<br />

sundheitsförderung und Gesundheitsmanagement – Befunde und Strategien, Berlin<br />

Grehn, K. (2001), <strong>Arbeitslosigkeit</strong> macht krank – Krankheit macht arbeitslos, in: Geene, R./<br />

Gold, C./ Hans, Ch. (Hg.), Armut macht krank, Teil 2, Berlin<br />

Lampert, Th. et al. (2005): Armut, soziale Ungleichheit und Gesundheit, Beiträge zur Ge-<br />

sundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch Institut, Berlin<br />

Robert Koch Institut (2006), Gesundheit in Deutschland, Gesundheitsberichterstattung des<br />

Bundes, Berlin<br />

Fränznick, Monika<br />

Strategien der Gesundheitsförderung<br />

Gender Mainstreaming, FR 11.30<br />

geboren: 1962<br />

Diplompolitologin, Gesundheitsberaterin<br />

seit 2004: Freiberufliche Referentin und Kursleiterin zu Gesundheitsthemen, u.a. Gesund-<br />

heitskurse für arbeitslose Frauen und Stressbewältigungsangebote. 1995-2004: Mitarbeiterin<br />

im Feministischen FrauenGesundheitszentrum Berlin (Beratung, Öffentlichkeitsarbeit, Lei-<br />

tung). 1991-1994: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Otto-Suhr-Institut für politische Wis-<br />

senschaften an der Freien Universität Berlin, Autorin<br />

Kontakt:<br />

Feministisches FrauenGesundheitsZentrum, Bamberger Str. 51, 10777 Berlin<br />

Tel.: 030- 2139597<br />

E-Mail: ffgzberlin@snafu.de<br />

www.ffgz.de<br />

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