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Soziale Ungleichheit und Mundgesundheit - Gesundheit Berlin eV

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Sebastian Ziller: <strong>Soziale</strong> <strong>Ungleichheit</strong> <strong>und</strong> M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit<br />

(Filled) Zähne (Teeth) beziehungsweise Zahnflächen (Surfaces) summiert). Für Dental Public<br />

Health haben diese Erkenntnisse eine erhebliche präventions- <strong>und</strong> versorgungspolitische Be-<br />

deutung, da vor allem Kinder <strong>und</strong> Jugendliche der unteren Sozialschichten überproportional<br />

von dieser Schieflage der Kariesverteilung (Kariespolarisierung) betroffen sind. Das heißt auf<br />

der anderen Seite aber auch, 70% aller Kinder dieser Altersgruppe sind kariesfrei (IDZ<br />

2006). Die Kariespolarisierung ist nicht nur bei Kindern- <strong>und</strong> Jugendlichen zu beobachten.<br />

Dieses sozialmedizinische Problem ist über alle Altersgruppen in unterschiedlicher Ausprä-<br />

gung vorhanden. Auch die zweite große M<strong>und</strong>erkrankung, die Zahnbettentzündung (Paro-<br />

dontitis), weist deutliche schichtspezifische Unterschiede in der Verbreitung in der Bevölke-<br />

rung auf (Micheelis 2001). Ein regionales Beispiel untersuchte die Häufigkeit der Nuckelfla-<br />

schenkaries bei Vorschulkindern (3-6J.) in Hannover in Abhängigkeit vom Sozialstatus. Robke<br />

<strong>und</strong> Buitkamp (2002) schildern, dass in Hannover die Prävalenz von Nuckelflaschenkaries in<br />

einigen Kindertagesstätten nahe Null, in anderen bei 35 % lag. Im Durchschnitt ergab sich<br />

ein über 20-facher Unterschied beim M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heitszustand der kleinen Kinder in Abhän-<br />

gigkeit von ihrem Sozialstatus. Das letzte epidemiologische Beispiel belegt, dass sich der<br />

Sozialgradient in der M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit durch alle Altersgruppen zieht. Erwachsenen mit ho-<br />

hem Sozialstatus fehlten im Jahr 2005 durchschnittlich ein Zahn, Erwachsenen mit niedrigem<br />

Status fehlten dagegen 4 Zähne (IDZ 2006).<br />

Es zeigt sich bei der Entwicklung der M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit dennoch deutlich, dass die unteren<br />

Sozialschichten von unseren zahnärztlichen präventiven Maßnahmen durchaus profitieren. So<br />

hat in den letzten 15 Jahren innerhalb der unteren sozialen Schicht der 12Jährigen der Anteil<br />

naturges<strong>und</strong>er Zähne durchaus zugenommen allerdings nicht so stark wie in der oberen so-<br />

zialen Schicht. Das bedeutet, diese Ges<strong>und</strong>heitsgewinne sind in der M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>heit weniger<br />

stark ausgeprägt, als in den oberen sozialen Bevölkerungsschichten.<br />

Common risk factor approach<br />

Die Probleme der Zahnmedizin unterscheiden sich hinsichtlich der Determinanten <strong>und</strong> Zu-<br />

sammenhänge nur unwesentlich von der Medizin, gerade wenn es um den M<strong>und</strong>ges<strong>und</strong>-<br />

heitszustand in Abhängigkeit vom Sozialstatus geht. Erkrankungen entstehen selten mono-<br />

kausal, sondern sind meist Ergebnis komplexer Prozesse. Durch einen Vergleich von Verhal-<br />

tensrisiken, sozialen Umfeldrisiken <strong>und</strong> somatischen Risiken lässt sich z. B. bei Herz-<br />

Kreislauf-Erkrankungen <strong>und</strong> Karies/Parodontitis ein gemeinsamer „Risikofaktorenkanon oraler<br />

<strong>und</strong> allgemeinmedizinischer Erkrankungen“ extrahieren. Es wir deutlich, dass vielfach aus der<br />

gleichen Problemlage sowohl allgemeine als auch zahnmedizinische Ges<strong>und</strong>heitsstörungen,<br />

sogenannter common risk factor approach, resultieren, das sind v. a. soziale Umfeldrisiken,<br />

Ernährung, Alkohol, Tabak. Orale Erkrankungen stehen außerdem zunehmend in einem stär-<br />

keren medizinischen Zusammenhang – <strong>und</strong> umgekehrt (Beck <strong>und</strong> Offenbacher 2005). Das<br />

bedeutet auch, dass im Laufe des Lebens M<strong>und</strong>erkrankungen stärker durch somatische Risi-<br />

ken als durch Verhaltensrisiken beeinflusst werden.<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>Berlin</strong> (Hrsg.): Dokumentation 13. b<strong>und</strong>esweiter Kongress Armut <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, <strong>Berlin</strong> 2007<br />

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