PDF-Datei - G-ibs.de
PDF-Datei - G-ibs.de
PDF-Datei - G-ibs.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie<br />
Wenn Selbststeuerung und Verantwortung zur Belastung wer<strong>de</strong>n<br />
Erfahrungen aus <strong>de</strong>r Gestaltung von Arbeitsorganisation, Arbeitszeit und Leistung<br />
Dipl.-Ing. Hartwig Paulsen, M.A.<br />
Innovationsberatung bei <strong>de</strong>r IG Metall, Berlin<br />
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
seit 8 Jahren berate ich Betriebsräte in <strong>de</strong>r Metallwirtschaft und beobachte die Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>n Betrieben. Als Anfang <strong>de</strong>r 90ziger Jahre mit <strong>de</strong>r „lean production“<br />
- Diskussion ein Paradigmenwechsel in <strong>de</strong>n Betrieben begann, war ich, wie viele<br />
sehr euphorisch. Ich dachte, daß nun endlich mit <strong>de</strong>r Gruppenarbeit und <strong>de</strong>n flachen<br />
Hierarchien eine <strong>de</strong>mokratischere und humanere Betriebskultur ermöglicht<br />
wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Und es gab noch mehr Hoffnungen und nicht nur auf <strong>de</strong>r Arbeitnehmerseite.<br />
Ich erinnere mich an eine Überschrift von En<strong>de</strong> 1992 in <strong>de</strong>n VDI-<br />
Nachrichten bezüglich eines Gesamtmetall Forums, die hieß „Mit Gruppenarbeit<br />
aus <strong>de</strong>r Krise“. Die Krise haben wir immer noch, in vielen Fällen sind allerdings die<br />
Gewinne genauso gestiegen, wie die Arbeitslosigkeit.<br />
Doch mittlerweile wird dieser Paradigmenwechsel von allen Seiten nüchterner gesehen.<br />
Nicht wenige Projekte sind in <strong>de</strong>r Zwischenzeit eingestellt wor<strong>de</strong>n. Häufig<br />
hat man vergessen, die Beschäftigten auf diese neue Form <strong>de</strong>r Arbeit vorzubereiten,<br />
sie zu qualifizieren, sie an <strong>de</strong>r Gestaltung zu beteiligen, die Entlohnung entsprechend<br />
anzupassen, und fast immer hat man nicht berücksichtigt, daß die Rationalisierung<br />
<strong>de</strong>r Arbeitsorganisation mit erheblichen Kosten und Aufwendungen<br />
verbun<strong>de</strong>n ist.<br />
Festzuhalten ist allerdings auch, daß er stattfin<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r Wechsel von <strong>de</strong>m extrem<br />
hierarchischen und arbeitsteiligen Taylorismus hin zu einer Organisation die sich<br />
durch mehr Selbstorganisation, hierarchiearme Kommunikation und durch überschaubaren<br />
sowie ganzheitlicheren Einheiten bzw. Prozessen auszeichnet.
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 2<br />
Für die Beschäftigten bringt die Einführung <strong>de</strong>r Gruppen- Team- o<strong>de</strong>r Projektarbeit<br />
i.d.R. erst einmal Nachteile. Die häufig mit ca. 20-30 % bezifferten möglichen Produktivitätssteigerungen<br />
durch Gruppenarbeit wer<strong>de</strong>n überwiegend nicht durch Steigerung<br />
<strong>de</strong>r Produktion son<strong>de</strong>rn durch Personalabbau kompensiert. Die Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
an die einzelnen Beschäftigten wachsen: Sie müssen ihre angestammten Einzelarbeitsplätze<br />
mit Gruppenarbeit eintauschen, sie sollen sich mit ihrer Arbeit i<strong>de</strong>ntifizieren,<br />
Verantwortung übernehmen, selbständig arbeiten und han<strong>de</strong>ln, mit an<strong>de</strong>ren<br />
zusammenarbeiten u.v.m. Die Gefahr von Überfor<strong>de</strong>rung, Streß und Leistungsverdichtung<br />
sind dabei akut und gefähr<strong>de</strong>n neben <strong>de</strong>r Gesundheit <strong>de</strong>r Einzelnen<br />
auch die Motivation für eine langfristig erfolgreiche Umgestaltung <strong>de</strong>s Betriebes.<br />
Trotz<strong>de</strong>m bin ich <strong>de</strong>r Auffassung, daß diese Formen <strong>de</strong>r Arbeitsorganisation langfristig<br />
notwendig sind. Die verän<strong>de</strong>rten Marktanfor<strong>de</strong>rungen, die schnellere Reaktionszeiten,<br />
vermehrte Kun<strong>de</strong>norientierung, höhere Variantenviellfalt usw mit sich<br />
bringen, sie erfor<strong>de</strong>rn diese neuen Strukturmerkmale, bei Strafe <strong>de</strong>s Unterganges.<br />
Ich könnte an dieser Stelle als Berater von Betriebsräten ein Klagelied hierzu singen,<br />
es wür<strong>de</strong> allerdings <strong>de</strong>n Rahmen sprengen, nur so viel: Die zu langsame Anpassung<br />
o<strong>de</strong>r die Nichtanpassung ist mit eine Ursache dafür, daß das Berliner verarbeiten<strong>de</strong><br />
Gewerbe von 1991 mit 260.000 Beschäftigten auf nur noch 118.000 Beschäftigte<br />
geschrumpft ist.<br />
Gleichzeitig habe ich auch weiterhin die Hoffnung, daß die Chancen genutzt wer<strong>de</strong>n,<br />
die sich mit <strong>de</strong>n neuen Strukturen für die Emanzipation <strong>de</strong>r Arbeitnehmer bieten.<br />
Ich glaube, daß die ernsthafte Beteiligung <strong>de</strong>r Arbeitnehmer an <strong>de</strong>n betrieblichen<br />
Prozessen und die humane Gestaltung dieser Prozesse, Voraussetzungen<br />
sind für einen langfristigen Geschäftserfolg <strong>de</strong>r meisten Betriebe. Lei<strong>de</strong>r wird dies<br />
bisher zu wenig von <strong>de</strong>n Unternehmern und zum Teil auch von <strong>de</strong>n Arbeitnehmern<br />
selbst erkannt. Ich möchte dies <strong>de</strong>shalb im folgen<strong>de</strong>n etwas näher ausführen.<br />
Ein Hauptziel gewerkschaftlicher Betriebspolitik ist es, die Arbeitsbelastungen zu<br />
senken und es zu ermöglichen, mit <strong>de</strong>r Arbeit auch zu leben und alt zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Rechnung, daß die humane Gestaltung betriebswirtschaftlich zu teuer ist, ist<br />
nicht nur moralisch be<strong>de</strong>nklich, son<strong>de</strong>rn auch falsch. Zum einen schlagen die externalisierten<br />
Kosten durch höhere Krankenkassen- und Berufsgenossenschaftsbei-
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 3<br />
träge indirekt betriebswirtschaftlich zu Buche. Zum an<strong>de</strong>ren wer<strong>de</strong>n unmittelbar betriebswirtschaftliche<br />
Kosten geltend gemacht.<br />
Die humane Gestaltung <strong>de</strong>r Arbeit ist damit auch aus <strong>de</strong>r Sicht einer langfristigen<br />
effizienten Geschäftspolitik notwendig und liegt im Unternehmensinteresse.<br />
Der Belastungsbegriff ist hierbei sehr weit zu fassen. So ist die Büroarbeit mittlerweile<br />
in einem ähnlichen Umfang körperlich belastend wie die Schwerstarbeit in <strong>de</strong>r<br />
Fertigung. Zwangshaltungen, Augenbelastungen, Sick-Building-Syndrom usw. seien<br />
in diesen Zusammenhang erwähnt.<br />
Zu diesen Belastungen, die schon länger diskutiert wer<strong>de</strong>n, kommen nun mit <strong>de</strong>n<br />
neuen Formen <strong>de</strong>r Arbeitsorganisation Belastungen, die sich aus <strong>de</strong>r Verantwortung<br />
für <strong>de</strong>n Aufgabenbereich und aus <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>r Kooperation ergeben. Hier<br />
möchte ich einige dieser Belastungen und die Ansprüche für <strong>de</strong>ren Gestaltung benennen.<br />
• Teamarbeit muß Toleranz ermöglichen und Isolation vermei<strong>de</strong>n.<br />
Im Sinne eines erweiterten Belastungsbegriffs ist die Gefahr <strong>de</strong>r Isolierung und <strong>de</strong>r<br />
Einengung <strong>de</strong>r Persönlichkeit aufzuzeigen. Wegen <strong>de</strong>s Schwergewichtes <strong>de</strong>r neuen<br />
Arbeitsformen auf Kommunikation und Kooperation besteht gera<strong>de</strong> hier die Gefahr<br />
<strong>de</strong>r sozialen Ausgrenzung und <strong>de</strong>r Nachbarschaftskontrolle. Überschaubarkeit und<br />
Transparenz können zu Effekten führen, die das „An<strong>de</strong>rs sein“ bestraft, zu übermäßigem<br />
Leistungsdruck führen o<strong>de</strong>r gar die Ausgrenzung (Mobbing) zur Folge haben.<br />
Das „An<strong>de</strong>rs sein“ kann sich auf die Leistungsfähigkeit, das Alter, das Geschlecht<br />
o<strong>de</strong>r sonstige fast beliebige Eigenschaften beziehen.<br />
• Arbeitssysteme sollten heterogen zusammengesetzt sein.<br />
Von Arbeitgeberseite besteht häufig die Ten<strong>de</strong>nz, homogene Gruppen aus jungen<br />
leistungsstarken Männern o<strong>de</strong>r Frauen zusammenzusetzen. Der Erfolg solcher<br />
„olympiareifen Mannschaften“ ist, bezogen auf eine langfristige Betriebspolitik, zweifelhaft.<br />
Eine sozial ausgewogene Integration ist aus zweierlei Sicht sinnvoll:<br />
Zum einen be<strong>de</strong>utet die Ausrichtung körperlicher Leistungsziele am Standard von<br />
Fünfundzwanzigjährigen, alle an<strong>de</strong>ren, ob jünger o<strong>de</strong>r älter, über das Erträgliche zu
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 4<br />
beanspruchen und ggf. krank zu machen.<br />
Zum an<strong>de</strong>ren kann eine Gruppe, die sich leistungs- und altersheterogen, multikulturell<br />
und aus Männern und Frauen zusammensetzt, langfristig innovativer und leistungsfähiger<br />
sein als die kurzfristig leistungsfähigen Monogruppen. Gleiche Stärken<br />
können sich nicht ergänzen. Unterschiedliche geistige, soziale und körperliche<br />
Potentiale können sich in <strong>de</strong>r Entwicklung einer Gruppe vervollständigen und die<br />
Motivation <strong>de</strong>r Gruppenmitglie<strong>de</strong>r steigern.<br />
• Schaffung von Entfaltungsmöglichkeiten <strong>de</strong>r Mitarbeiter als Führungsauf-<br />
gabe.<br />
Viele Arbeitnehmer haben ein Interesse, ihre Persönlichkeit zu entfalten, sich mit<br />
ihrer Arbeit zu i<strong>de</strong>ntifizieren, ernst genommen zu wer<strong>de</strong>n und Spaß an ihrer Tätigkeit<br />
zu haben. Dieses Interesse hat in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten aufgrund eines gestiegenen<br />
Bildungsniveaus zugenommen und erfor<strong>de</strong>rt entsprechen<strong>de</strong> Freiräume<br />
und Mitwirkungsmöglichkeiten. Obwohl diese Entfaltungsmöglichkeiten eine Grundlage<br />
für die Motivation sind, sind sie häufig stark umkämpft. Den Entfaltungsmöglichkeiten<br />
gegenüber stehen die Machtinteressen von Vorgesetzen, <strong>de</strong>r „Herr im<br />
Hause“ - Standpunkt von Arbeitgebern o<strong>de</strong>r auch die Unterordnungsansprüche von<br />
Gruppen o<strong>de</strong>r Kollegen. Hier gilt es einen Ausgleich zu fin<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r die Motivation<br />
för<strong>de</strong>rt, aber die betrieblichen Notwendigkeiten nicht vernachlässigt. Dies ist eine<br />
Führungsaufgabe <strong>de</strong>s Managements.<br />
• Kompetenzen und Verantwortung können nicht verordnet wer<strong>de</strong>n, sie<br />
müssen schrittweise erworben und zu gebilligt wer<strong>de</strong>n. Soziale, methodi-<br />
sche und fachliche Qualifikationen müssen erlernt wer<strong>de</strong>n und entspre-<br />
chen<strong>de</strong> Maßnahmen sind anzubieten.<br />
Eine Möglichkeit <strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>r sozialen Isolierung und Einengung zu begegnen,<br />
ist es, die sozialen Kompetenzen aller Beteiligten zu stärken. Gera<strong>de</strong> die Fähigkeit,<br />
miteinan<strong>de</strong>r umzugehen, Konflikte untereinan<strong>de</strong>r zu lösen usw., wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n alten<br />
Hierarchieordnungen vernachlässigt, ja sie störten sogar. Um eine fließen<strong>de</strong> Kooperation<br />
zu gewährleisten, sind soziale Qualifikationen erfor<strong>de</strong>rlich, wie z.B. eine effektive<br />
und soziale Konfliktbewältigung, die oft erst mühsam erlernt wer<strong>de</strong>n müssen.
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 5<br />
Auch die vorhan<strong>de</strong>nen fachlichen Qualifikationen reichen meist nicht aus, um die<br />
gewollte Flexibilität <strong>de</strong>s neuen Arbeitssystems zu erhalten. Weiter wird ein umfangreiches<br />
methodisches Wissen zur Selbststeuerung und Selbstoptimierung von <strong>de</strong>n<br />
Beschäftigten verlangt.<br />
• Dem Mitarbeiter ist in <strong>de</strong>m jeweiligen Arbeitssystem eine Perspektive und<br />
Entfaltungsmöglichkeit anzubieten.<br />
Voraussetzung für die Motivation ist die individuelle und die betriebliche Perspektive.<br />
Der Betrieb braucht eine Zukunft und Zielvorgaben, die für die Beschäftigten<br />
erkennbar sind und von ihnen mitgetragen wer<strong>de</strong>n. Vor allem muß die betriebliche<br />
Perspektive mit <strong>de</strong>r eigenen individuellen Perspektive in Einklang gebracht wer<strong>de</strong>n<br />
können. Arbeitsplatzsicherheit, Karriere, I<strong>de</strong>ntifikation, Selbstverwirklichung und<br />
soziale Geborgenheit (Betriebsklima) sind Stichworte, die Indikatoren für eine Perspektive<br />
<strong>de</strong>s Einzelnen sind.<br />
• Mitarbeiter brauchen Sicherheiten, insbeson<strong>de</strong>re bezüglich Arbeitsplatz<br />
und Einkommen.<br />
Die Beschäftigten wer<strong>de</strong>n sich eher verantwortungsvoll an einer Neugestaltung <strong>de</strong>s<br />
Betriebes beteiligen, wenn ihnen verbindliche Sicherheiten und Rechte eingeräumt<br />
wer<strong>de</strong>n.<br />
• Das Management hat für eine umfassen<strong>de</strong> Transparenz <strong>de</strong>s Betriebes zu<br />
sorgen.<br />
Ebenso wichtig ist eine umfassen<strong>de</strong> Information über die betriebliche Situation, <strong>de</strong>n<br />
Prozeßfortgang und eventuelle Planungsi<strong>de</strong>en. Dafür muß <strong>de</strong>r Betrieb von „unten“<br />
her transparent wer<strong>de</strong>n. Nur wer weiß, wo es Engpässe und Schwachstellen gibt,<br />
kann das Seinige dazu tun, um sie abzustellen. Diese hierfür nötige Einsicht / Motivation<br />
kann sich langfristig entfalten, wenn die Beschäftigten nicht „über <strong>de</strong>n Tisch<br />
gezogen wer<strong>de</strong>n“, ihre Beteiligung nicht einseitig ausgenutzt wird, o<strong>de</strong>r die Betroffenen<br />
gewichtige Nachteile erdul<strong>de</strong>n müssen. Hier gilt es, beteiligungsorientierte<br />
<strong>de</strong>mokratische Entscheidungsstrukturen im Betrieb zu installieren, die die solidarische<br />
Verantwortung <strong>de</strong>r betrieblichen Gemeinschaft gegenüber <strong>de</strong>m Einzelnen und<br />
umgekehrt zur Grundlage hat.
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 6<br />
• Leistungsziele müssen mit normalem Aufwand bewältigt wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Zwang mithalten zu müssen, die Kollegen o<strong>de</strong>r die Vorgesetzten nicht zu enttäuschen,<br />
die selbst gesetzten Ziele einzuhalten usw. ist mit Ursache für eine zusätzliche<br />
mentale Belastung o<strong>de</strong>r für zusätzlichen Streß. Leistungsziele müssen<br />
daher nach <strong>de</strong>n Fähigkeiten und Möglichkeiten ausgehan<strong>de</strong>lt bzw. gestaltet wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Arbeit ist eine begrenzte Ressource, sie über einseitig <strong>de</strong>finierte Ergebnisverantwortung<br />
über Gebühr auszu<strong>de</strong>hnen, scha<strong>de</strong>t zuerst <strong>de</strong>m Mitarbeiter, dann<br />
seiner Familie und seinem sozialen Umfeld und mittelfristig <strong>de</strong>m Betrieb, <strong>de</strong>nn<br />
ausgebrannte Mitarbeiter sind nicht innovativ, motiviert bzw. effektiv.<br />
• Es bedarf eines Controllings <strong>de</strong>s Arbeitsaufwan<strong>de</strong>s / <strong>de</strong>r Arbeitszeit.<br />
Was wir brauchen ist ein Controlling <strong>de</strong>s Arbeitsaufwan<strong>de</strong>s. Es ist doch bezeichnend,<br />
das Controlling kümmert sich um je<strong>de</strong>n Pfenning <strong>de</strong>r im Betrieb ausgegeben<br />
wird, nur von <strong>de</strong>r Kontrolle <strong>de</strong>r Arbeitsstun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mitarbeiter will man vielfach weg.<br />
Neue I<strong>de</strong>en hier sind Vertrauensarbeitszeit o<strong>de</strong>r Zielvereinbarungen. Vertrauensarbeitszeit<br />
kann heißen man bekommt 35 Stun<strong>de</strong>n bezahlt und darf für die über eine<br />
Zielvereinbarung zugewiesene Aufgaben so lange brauchen, wie Mensch halt<br />
braucht. Da gera<strong>de</strong> Angestellte häufig ihre Karriere über ihre Leistungsfähigkeit<br />
herstellen müssen, tut sich hier eine Schraube ohne En<strong>de</strong> auf. Vertrauensarbeitszeit<br />
und Zielvereinbarungen sind nur aus Sicht <strong>de</strong>r Arbeitnehmer gestaltbar, wenn<br />
es Instrumente <strong>de</strong>s Controlling <strong>de</strong>s Arbeitsaufwan<strong>de</strong>s gibt.<br />
• Es bedarf einer Arbeitskapazitätsplanung, die die Erfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r Mitar-<br />
beiter und <strong>de</strong>s Betriebes in Einklang bringt.<br />
In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung zur Arbeitszeitflexibilisierung. Die<br />
ökonomische Notwendigkeit aufgrund schnellerer Marktreaktion und erheblich reduzierter<br />
Lagerbestän<strong>de</strong> auch die Arbeitszeit zu flexibilisieren und <strong>de</strong>n Kapazitätserfor<strong>de</strong>rnissen<br />
anzupassen ist mir einsichtig. Allerdings sind häufig in <strong>de</strong>n Betrieben,<br />
die die Arbeitszeit flexibilisieren, Instrumente für eine Arbeitszeitkapazitätsplanung<br />
gar nicht vorhan<strong>de</strong>n. Solche Instrumente wür<strong>de</strong>n es allerdings meist ermöglichen,<br />
die Verteilung <strong>de</strong>r Arbeitszeit mittelfristig mit <strong>de</strong>n Beschäftigten auszuhan<strong>de</strong>ln<br />
und zu planen. Statt <strong>de</strong>ssen sind volle Arbeitszeitkonten und unzufrie<strong>de</strong>ne Mitarbeiter<br />
lei<strong>de</strong>r üblich.
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 7<br />
• Eine Entlohnungsform sollte einfach, transparent, motivierend, gruppen-<br />
för<strong>de</strong>rnd und leistungsgerecht sein.<br />
Ein weiterer wichtiger Punkt bei <strong>de</strong>r Leistungsgestaltung ist die Entlohnung. In meiner<br />
Beratungspraxis kann ich zwei Extreme beobachten. Entwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Betrieb verzichtet<br />
auf eine motivieren<strong>de</strong> Entlohnungsform und beläßt es bei reinen Zeitlohn<br />
o<strong>de</strong>r es wer<strong>de</strong>n komplizierte Entlohnungsmetho<strong>de</strong>n mit unterschiedlichsten Variationen<br />
entwickelt. In vielen Fällen wi<strong>de</strong>rsprechen sie z.B. <strong>de</strong>r Gruppenarbeit. Beispiel:<br />
Die Prämie, die zur Beurteilung von Gruppenmitglie<strong>de</strong>r vergeben wird, wird<br />
z.B. ge<strong>de</strong>ckelt, d.h. wird einer in <strong>de</strong>r Gruppe besser beurteilt so müssen die an<strong>de</strong>ren,<br />
auch wenn sie gleichbleibend beurteilt wur<strong>de</strong>n, weniger bekommen. An<strong>de</strong>res<br />
Beispiel wäre, die Prämienspanne <strong>de</strong>r Gruppe ist extrem ausgelegt, d.h. die Gruppe<br />
könnte vielleicht eine hohe Prämie bekommen, wenn alles klappt. Da aber nie immer<br />
alles klappt wird die Gruppe diese Prämie nicht erreichen und es wer<strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>nböcke<br />
hierfür innerhalb und günstigsten falls außerhalb <strong>de</strong>r Gruppe gesucht. Es<br />
gibt genügend Beispiele wo die Kollegen sich mehr über die Entlohnung auseinan<strong>de</strong>rsetzen<br />
müssen als über ihre eigentliche Arbeit. Eine Entlohnungsform sollte einfach,<br />
transparent, motivierend, gruppenför<strong>de</strong>rnd und Leistungsgerecht sein. Beispiel<br />
für eine solche Leistungsentlohnung wäre <strong>de</strong>r Standardlohn. Hier bekommt z.B. die<br />
Gruppe für eine <strong>de</strong>finierte ausgehan<strong>de</strong>lte Standardleistung einen festen Standardlohn.<br />
Wird die ausgehan<strong>de</strong>lte Leistung nicht erzielt, so wird nach <strong>de</strong>n Ursachen geforscht<br />
und nicht wie vielfach üblich nach <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>nböcken und über die zu zahlen<strong>de</strong><br />
Höhe <strong>de</strong>s Entgelts.<br />
Wer<strong>de</strong>n die oben erwähnten Ansprüche nicht berücksichtigt so besteht die Gefahr,<br />
daß die vorhan<strong>de</strong>n Autonomie sich nur an <strong>de</strong>n ökonomischen Anfor<strong>de</strong>rungen<br />
schutzlos orientiert und damit zur Belastung wer<strong>de</strong>n muß. Die Autonomie <strong>de</strong>r<br />
Team´s , Gruppen und <strong>de</strong>r einzelnen Beschäftigten ist gleichzeitig durch die Organisation<br />
<strong>de</strong>s Betriebes, <strong>de</strong>r Direktion <strong>de</strong>s Management aber auch durch die kollektiven<br />
Interessen <strong>de</strong>r gemeinsamen Gestaltung <strong>de</strong>r Arbeit begrenzt.<br />
Die Gestaltung dieser Ansprüche erfor<strong>de</strong>rt auch während und nach <strong>de</strong>s eingangs<br />
beschriebenen Paradigmenwechsels eine starke Arbeitnehmervertretung, sprich<br />
Betriebs- bzw. Personalräte und die Gewerkschaften. Die Rolle än<strong>de</strong>rt sich allerdings<br />
ein wenig. Betriebs- und Personalräte wer<strong>de</strong>n weniger stellvertretend für ihre
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 8<br />
Kollegen und Kolleginnen die Interessen wahrnehmen und dafür mehr die direkte<br />
Aushandlung von Interessen durch die Gruppen, Team´s und je<strong>de</strong>m einzelnen Beschäftigten<br />
ermöglichen und absichern. Rahmen für Aushandlungsprozesse schaffen<br />
ist eine neue Aufgabe von Betriebs- und Personalräte.<br />
Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.
Grenzen <strong>de</strong>r Autonomie 9<br />
Ansprüche an die Gestaltung <strong>de</strong>r kooperativen Arbeit<br />
• Teamarbeit muß Toleranz ermöglichen und Isolation vermei<strong>de</strong>n.<br />
• Arbeitssysteme sollten heterogen zusammengesetzt sein.<br />
• Schaffung von Entwaltungsmöglichkeiten <strong>de</strong>r Mitarbeiter als Führungs-<br />
aufgabe.<br />
• Kompetenzen und Verantwortung können nicht verordnet wer<strong>de</strong>n, sie<br />
müssen schrittweise erworben und zu gebilligt wer<strong>de</strong>n. Soziale, methodi-<br />
sche und fachliche Qualifikationen müssen erlernt wer<strong>de</strong>n und entspre-<br />
chen<strong>de</strong> Maßnahmen sind anzubieten.<br />
• Dem Mitarbeiter ist in <strong>de</strong>m jeweiligen Arbeitssystem eine Perspektive und<br />
Entfaltungsmöglichkeit anzubieten.<br />
• Mitarbeiter brauchen Sicherheiten, insbeson<strong>de</strong>re bezüglich Arbeitsplatz<br />
und Einkommen.<br />
• Das Management hat für eine umfassen<strong>de</strong> Transparenz <strong>de</strong>s Betriebes zu<br />
sorgen.<br />
• Leistungsziele müssen mit normalem Aufwand bewältigt wer<strong>de</strong>n.<br />
• Es bedarf eines Controllings <strong>de</strong>s Arbeitsaufwan<strong>de</strong>s / <strong>de</strong>r Arbeitszeit.<br />
• Es bedarf einer Arbeitskapazitätsplanung, die die Erfor<strong>de</strong>rnisse <strong>de</strong>r Mitar-<br />
beiter und <strong>de</strong>s Betriebes in Einklang bringt.<br />
• Eine Entlohnungsform sollte einfach, transparent, motivierend, gruppen-<br />
för<strong>de</strong>rnd und leistungsgerecht sein.