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<strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?
Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?<br />
9. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Duisburg, 4. November 2010<br />
Die Dokumentation zur 9. <strong>Haniel</strong> Lecture erscheint in deutscher und englischer Sprache.
6<br />
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Begrüßung<br />
Franz M. <strong>Haniel</strong><br />
Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?<br />
Ronald Heifetz<br />
Friedrich Merz<br />
Über die Referenten<br />
Über den Moderator<br />
Teilnehmer
6<br />
Begrüßung<br />
Franz M. <strong>Haniel</strong><br />
Dear Ronald Heifetz, sehr geehrter Herr Merz,<br />
sehr geehrte Damen und Herren,<br />
mit Blick auf das Thema des heutigen Abends freue ich mich, dass<br />
es Ihre Work-Life-Balance erlaubt hat, hier bei uns zu sein. Diejenigen<br />
von Ihnen, die nicht zum ersten Mal Gast bei der <strong>Haniel</strong><br />
Lecture sind, kennen unser Anliegen: Die <strong>Haniel</strong> Lectures widmen<br />
sich Fragen und Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels<br />
und versuchen, darauf Antworten zu fi nden – aus unternehmerischer<br />
wie aus politischer Sicht, aus europäischer wie aus nordamerikanischer<br />
Perspektive.<br />
„Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?“ ist die Überschrift der<br />
diesjährigen <strong>Haniel</strong> Lecture. Der amerikanische Dichter Robert<br />
Frost hat einmal gesagt: „Wenn man ganz bewusst acht Stunden<br />
täglich arbeitet, kann man es dazu bringen, Chef zu werden und<br />
vierzehn Stunden täglich zu arbeiten.“ Um es gleich vorwegzunehmen:<br />
Work and Life, Arbeit und Leben, sind nicht als zwei getrennte<br />
Welten zu sehen. Arbeit ist nicht der zwanghafte Teil unserer Existenz.<br />
Das eigentliche Leben fi ndet auch nicht nur außerhalb der<br />
Arbeit statt. Entscheiden Sie selbst, ob zum Beispiel der heutige<br />
Abend für Sie Arbeit, Leben oder – wie ich hoff e – beides ist.<br />
Die Arbeitswelt, meine Damen und Herren, so wird allgemein<br />
diagnostiziert, befi ndet sich seit Längerem in einem tiefgreifenden<br />
Wandel. Der Status quo der modernen Arbeitsgesellschaft ist<br />
gekennzeichnet durch viele verschiedene Konfl ikte. Erstens: Die<br />
Erwerbsbiografi en haben sich gewandelt. An die Stelle der lebenslangen<br />
Zugehörigkeit zu einem Betrieb rückt der mehrfache Wechsel<br />
von Arbeitgebern, Branchen und Arbeitsplätzen im Laufe eines<br />
Berufslebens. Es gibt keine Ausbildung, die einen lebenslangen Job<br />
garantiert. Festanstellungen weichen befristeten Beschäftigungsverhältnissen.<br />
Lebenslanges Lernen, ständiges Umdisponieren, ja<br />
sogar die Gefahr, aufgrund der Kürze der Einsatzzeit nie richtig<br />
anzukommen, und die Aufl ösung von Grenzen zwischen Arbeit<br />
und Privatleben begleiten diese Entwicklung. Kein Unternehmen<br />
wird es sich in Zukunft leisten können, den potenziellen Konfl ikt<br />
zwischen Familie und Beruf auszublenden.<br />
Zweitens: Work-Life-Balance ist mehr als nur ein neumodisches<br />
Label für Gleichstellungsstrategien im Beruf. Es geht um mehr als<br />
Wäscheservice oder Wellness. Es geht um ein sich veränderndes<br />
Wertesystem, das zunehmend Faktoren wie Glück und Erfüllung in<br />
den Vordergrund stellt. Es geht um einen grundlegenden Wandel,<br />
nämlich die Erkenntnis, dass private Lebensverhältnisse des Mitarbeiters<br />
im Interesse des Unternehmens stärker berücksichtigt<br />
werden müssen. Davon sollten vor allen Dingen Frauen profi tieren,<br />
sodass für sie der Weg in die Führungspositionen leichter wird.<br />
Drittens: Die hinter uns liegende Finanz- und Wirtschaftskrise hat<br />
den Wettbewerb und damit den Druck auf die Anpassungs- und<br />
Wandlungsfähigkeit der Unternehmen, aber auch der Führungskräfte<br />
weiter verstärkt – und das wird weiter anhalten. Wir leben<br />
in Zeiten nicht linearer Entwicklung. Methoden, die in der Vergangenheit<br />
zum Erfolg geführt haben, mögen in Zukunft nicht mehr<br />
erfolgreich sein. Damit ist der Druck auf den Einzelnen noch höher<br />
als in der Vergangenheit.<br />
In dem Buch „Von der Kürze des Lebens“ des römischen Philosophen<br />
und Politikers Seneca heißt es: „Nichts vermag ein viel<br />
beschäftigter Mensch weniger, als zu leben, und nichts ist schwieriger<br />
zu erlernen“. Die gesunde Identität einer Person beruht auf<br />
einem gewissen Einklang zwischen Arbeit, Partnerschaft und<br />
Familie, Körper und Gesundheit, sozialen Beziehungen und gesellschaftlichem<br />
Engagement sowie Sinnsystemen. Dabei müssen<br />
nicht in jeder Lebensphase alle diese Elemente immer absolut<br />
gleich stark ausgeprägt sein, aber in einem längerfristigen Mittel<br />
sollte es einen gewissen Einklang geben. Unternehmen müssen<br />
Mitarbeiter dabei unterstützen, nicht nur gute Ergebnisse im Job,<br />
sondern auch in der privaten Lebenssphäre zu erzielen.<br />
Meine Damen und Herren, folgt man diesen Thesen, so resultiert<br />
daraus eine ganze Reihe neuer Herausforderungen, nicht nur für<br />
den Einzelnen, sondern auch für Unternehmen und deren Führung<br />
sowie für die sozialpolitischen Rahmenbedingungen und damit<br />
für die Politik.
„Work-Life-Balance ist mehr als nur ein neumodisches Label für Gleichstellungsstrategien<br />
im Beruf. Es geht um die Erkenntnis, dass private Lebensverhältnisse<br />
des Mitarbeiters im Interesse des Unternehmens stärker berücksichtigt<br />
werden müssen.“<br />
Für den Einzelnen lautet die Frage: Wie vereinbare ich einen Karriere<br />
weg, der mit Organisations- und Ortswechseln einhergeht,<br />
der mir viel Flexibilität und ständiges Dazulernen abverlangt, mit<br />
meinem Privat- und Familienleben? Für die Führung eines Unternehmens<br />
bedeuten diese Veränderungen, mit Mitarbeitern anders<br />
als bisher umzugehen und den Wettbewerb um zusehends mobile<br />
und fl exible Beschäftigte aufzunehmen und erfolgreich zu gestalten.<br />
Und für die Sozialpolitik resultieren neue Rahmenbedingungen,<br />
die mit früheren Erwerbsbiografi en nur wenig zu tun haben<br />
und die neue, unkonventionelle Antworten erfordern.<br />
Meine Damen und Herren, Sie alle kennen Nachrichten wie diese:<br />
Jeder neunte Deutsche, so schrieb die „Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung“ am 8. März 2010, ist vom Burnout-Syndrom betroff en.<br />
Burnout, so wissen wir, ist ein Zustand körperlicher, psychischer<br />
und geistiger Erschöpfung, der mit einer normalen Erholungsphase<br />
nicht auszugleichen ist. Es gibt viele Beispiele, die zeigen, wie Arbeit,<br />
gerade wenn sie herausfordernd ist und Spaß macht, das Leben<br />
bestimmt und in Besitz nimmt – vielleicht zu sehr in Besitz nimmt.<br />
Allerdings dürfen wir auch nicht vergessen: Bis an die Schwelle<br />
zum 20. Jahrhundert galt unerschütterliche Ruhe und ein nicht<br />
möglichst voller Terminkalender als Ausweis der damals aristokratischen<br />
Elite. Erst im Zuge des explosionsartigen industriellen<br />
Wachstums seit den 1870er Jahren, also mit der Entstehung von<br />
Unternehmertum und Management, so wie wir es heute verstehen,<br />
wurden Tempo und manchmal auch demonstrative Hektik zu<br />
Zeichen verantwortlichen Tuns.<br />
Der Unternehmer ist ein Tempomacher – und das ist auch gut<br />
so. Doch scheinen sich die Anforderungen an Führungskräfte in<br />
Wirtschaft und Gesellschaft zu erhöhen. In Zeiten des steigenden<br />
Wettbewerbsdrucks in globalen Wirtschaftszusammenhängen<br />
entstehen neue Chancen für unternehmerisches Handeln genauso<br />
schnell wie Konkurrenzkampf, Druck und Risiken zunehmen. Doch<br />
um den Überblick zu behalten, schwierige Herausforderungen zu<br />
meistern und kluge Entscheidungen zu fällen, hilft keine Hektik –<br />
es braucht das Abschalten-Können, es braucht Abstand und Ausgleich<br />
im Privaten.<br />
7
8 | Franz M. <strong>Haniel</strong><br />
„Für die Sozialpolitik resultieren neue Rahmenbedingungen, die mit früheren<br />
Erwerbsbiografi en nur wenig zu tun haben und die neue, unkonventionelle<br />
Antworten erfordern.“<br />
Daher ist es nicht überraschend, dass das Thema der Work-Life-<br />
Balance aktuell einen solchen Stellenwert bekommt. Wie balancieren<br />
wir Arbeits- und Privatleben so, dass die Herausforderungen<br />
und auch der Spaß bei der Arbeit nicht zulasten des Privaten, der<br />
Familie, des Freundeskreises oder sogar zulasten unserer Gesundheit<br />
gehen? Sind wir schon so weit, dass wir einen „survival guide<br />
for leaders“ benötigen, also einen Überlebensratgeber für Führungskräfte,<br />
wie die Überschrift eines Artikels von Ronald Heifetz<br />
im Magazin „Harvard Business Review“ lautet?<br />
Meine Damen und Herren, die Bedingungen sind so, wie sie sind,<br />
und wir müssen uns ihnen stellen, und zwar nicht nur auf individueller,<br />
sondern auch auf unternehmerischer und sozialpolitischer<br />
Ebene. Nur so entsteht Wachstum und nur so kann unsere<br />
Gesellschaft ihr Wohlstandsniveau halten und anheben. Doch wie<br />
gehen wir mit dem Wandel der Arbeitswelt als Unternehmer und<br />
Führungskräfte um? Wie kann die Politik auf den Wandel reagieren,<br />
ihn begleiten und unterstützen? Ich freue mich sehr, dass<br />
ich diese genauso wichtigen wie schwierigen Fragen an unsere<br />
renommierten Gäste auf dem Podium weitergeben darf.<br />
Ich begrüße Ron Heifetz und Friedrich Merz als Redner, Diskutanten<br />
und Inspiratoren sowie Roger de Weck als Moderator des heutigen<br />
Abends.<br />
Ron Heifetz, Sie sind einer der weltweit renommiertesten Leadership-Forscher.<br />
Sie sind King Hussein bin Talal Senior Lecturer in<br />
Public Leadership sowie Gründer des Center for Public Leadership<br />
an der Harvard Kennedy School of Government. Ihr Leadership-<br />
Kurs dort ist zu einem zentralen Bestandteil des von der <strong>Haniel</strong><br />
<strong>Stiftung</strong> geförderten McCloy-Programms geworden, was mich<br />
sehr freut. Darüber hinaus ist Ihre beraterische Expertise in Fragen<br />
von Führung und Wandel in Unternehmen, Politik und Non-Profi<br />
t-Organisationen weltweit gefragt. Sie haben in viele Sprachen<br />
übersetzte Standardwerke sowie vielfach zitierte Artikel verfasst<br />
und Bücher wie „Leadership without Easy Answers“, „The Practice<br />
of Adaptive Leadership“ und „Leadership on the Line“. Der Untertitel<br />
des letztgenannten Buches „Staying Alive through the Dangers<br />
of Leading“ ist besonders interessant, weil Sie als Absolvent der<br />
Harvard Medical School auch Mediziner sind. Sie haben zudem<br />
Cello studiert und gelten als Virtuose auf diesem Gebiet.
Als zweiten Referenten der diesjährigen <strong>Haniel</strong> Lecture begrüße<br />
ich Friedrich Merz. Sie vertreten heute Abend die hiesige Seite des<br />
Atlantiks und die sozialpolitische Perspektive. Sie haben Rechts-<br />
und Staatswissenschaften in Bonn und Marburg studiert und<br />
danach zunächst als Richter, dann als Rechtsanwalt gearbeitet.<br />
1989 wurden Sie in das Europäische Parlament gewählt; von 1994<br />
bis 2009 waren Sie Mitglied des Bundestages und hatten unter<br />
anderem den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion inne.<br />
„Um den Überblick zu behalten, schwierige Herausforderungen zu meistern<br />
und kluge Entscheidungen zu fällen, hilft keine Hektik – es braucht das<br />
Abschalten-Können, es braucht Abstand und Ausgleich im Privaten.“<br />
Sie wurden damals – als genauso scharfsinniger wie scharfzüngiger<br />
Kopf und Analytiker Ihrer Partei – einer der bekanntesten<br />
Politiker dieses Landes. Aufsehen und breite Diskussionen erregten<br />
auch Ihre Bücher: „Nur wer sich ändert, wird bestehen“ stand<br />
monatelang auf der Bestsellerliste. 2008, und damit zu einem<br />
sehr interessanten Zeitpunkt mitten in der Finanzkrise, erschien<br />
das Buch „Mehr Kapitalismus wagen – Wege zu einer gerechten<br />
Gesellschaft“. Anfang Januar 2010 wurden Sie in den Verwaltungsrat<br />
der Bank HSBC Trinkaus berufen, wo Sie die Nachfolge des verstorbenen<br />
Otto Graf Lambsdorff einnehmen. Seit Juni 2010 sind<br />
Sie zudem Veräußerungsbevollmächtigter für den Verkauf der<br />
WestLB. Soeben haben Sie gemeinsam mit Wolfgang Clement das<br />
Buch „Was jetzt zu tun ist: Deutschland 2.0“ veröff entlicht.<br />
Moderator des heutigen Abends ist Roger de Weck. Sie sind freier<br />
Publizist – noch, muss ich sagen. Nach Ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre<br />
an der Universität St. Gallen waren Sie von 1992<br />
bis 1997 Chefredakteur des Schweizer „Tagesanzeigers“ und von<br />
1997 bis 2001 der Wochenzeitung „DIE ZEIT“. Seit 2001 moderieren<br />
Sie die Fernsehsendung „Sternstunden Philosophie“ des Schweizer<br />
Fernsehens. Sie sind Präsident des Graduate Institute of International<br />
and Development Studies in Genf und lehren am College<br />
of Europe in Brügge und Warschau. Sie sind noch freier Publizist<br />
– denn zu Beginn des Jahres 2011 werden Sie Generaldirektor<br />
der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft.<br />
Meine Damen und Herren, herzlichen Dank, dass Sie gekommen<br />
sind. Ich wünsche uns allen einen kurzweiligen und anregungs-<br />
sowie antwortreichen Abend!<br />
9
10<br />
Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?<br />
Ronald Heifetz<br />
Es ist eine Ehre und ein Privileg, heute Abend bei Ihnen sein zu dürfen.<br />
Es ist für mich unter anderem deshalb so wichtig, weil meine<br />
Mutter hier in der Nähe, in einer Stadt namens Hattingen, geboren<br />
wurde und dort aufgewachsen ist. Seitdem sie 1938 Deutschland<br />
verlassen hatte, kam sie nur einmal zurück, nämlich 1999, als ich<br />
gemeinsam mit ihr Hattingen besuchte. Es war eine sehr berührende<br />
Erfahrung. Meine Mutter ist mittlerweile 85 Jahre alt und<br />
immer noch sehr stolz auf ihre Wurzeln. Heute Abend hier über<br />
meine Arbeit zu sprechen, ist für mich also fast wie nach Hause<br />
zu kommen.<br />
Ich würde gerne über einige Lektionen sprechen, die ich sowohl<br />
durch die Arbeit mit Menschen lernen durfte, die am Beginn ihrer<br />
berufl ichen Laufb ahn standen, als auch durch die Arbeit mit Menschen,<br />
die bereits die höchsten Ämter in Ländern und Unternehmen,<br />
aber auch im akademischen Bereich, bei Nichtregierungs-<br />
und kirchlichen Organisationen bekleidet haben. Ich hatte die<br />
einmalige Gelegenheit, die Geschichten vieler Menschen zu hören,<br />
in der Bemühung ihnen zu helfen, ihre Führungsarbeit zu korrigieren,<br />
sodass sie gleichzeitig gut führen können und das Ganze<br />
auch unbeschadet überleben. Gut führen und überleben stehen<br />
manchmal im Widerstreit miteinander, weil Führung kein sicheres<br />
Unterfangen ist. Wenn Führung bedeuten würde, allen Menschen<br />
jeden Tag schöne Nachrichten zu überbringen, dann wäre es eine<br />
einfache Aufgabe. Aber in der Praxis müssen Führungskräfte häufi<br />
g Menschen dazu mobilisieren, Zielkonfl ikte zu lösen, kurzfristige<br />
Verluste oder schmerzliche Dinge hinzunehmen, um langfristig<br />
zu gewinnen. Franz <strong>Haniel</strong> hat vorhin beschrieben, dass es für<br />
Unternehmen nicht nur wichtig ist zu verstehen, was sie neu oder<br />
anders machen müssen, sondern auch zu verstehen, was sie aufgeben<br />
müssen – und das ist immer schmerzlich. Die Aussicht auf<br />
Verluste erzeugt Widerstand gegen Veränderungen.<br />
Viele von Ihnen werden die Redensart kennen: Der Mensch widersetzt<br />
sich Veränderungen. Aber das ist so nicht ganz richtig. Menschen<br />
widersetzen sich Veränderungen nicht, wenn sie wissen,<br />
dass diese gut sind. Ein gewinnreiches Lotterielos etwa würde niemand<br />
zurückgeben, nur weil es eine Veränderung im Leben bedeutet.<br />
Wenn die Veränderung gut ist, dann nehmen wir sie gerne an.<br />
Menschen haben nur Angst vor dem Verlust oder Schmerz, der<br />
mit einer Veränderung einhergehen kann. Es gibt viele verschiedene<br />
Formen von Verlust: Verlust von Kompetenz, Verlust von<br />
Loyalität und natürlich auch den direkten Verlust von Wohlstand,<br />
Status, Macht, Einfl uss oder Relevanz. Als Führungskraft müssen<br />
Sie von Menschen fordern, diese Verluste in Kauf zu nehmen, um<br />
auf der anderen Seite potenzielle Gewinne zu erzielen. Das geht<br />
natürlich mit dem Risiko einher, dass die Menschen Widerstand<br />
leisten werden gegen solche Forderungen, indem sie versuchen,<br />
Sie auszuschalten. Manchmal nimmt das raffi nierte Züge an. Sie<br />
werden beispielsweise befördert oder versetzt, damit Sie aus dem<br />
Weg sind. Und manchmal werden Sie viel direkter ausgeschaltet:<br />
durch Rufmord oder off enen Angriff . In dem Bereich, in dem ich<br />
arbeite – der Politik –, riskieren Sie sogar, ermordet zu werden.<br />
Führen bringt nicht nur externe Gefahren mit sich in dem Sinne,<br />
dass Sie Ihren Arbeitsplatz oder Ihren Status verlieren könnten. Die<br />
Risiken betreff en auch Ihr eigenes Leben. Ich möchte gerne einige<br />
Ideen mit Ihnen teilen, die ich im Laufe meiner 28-jährigen Lehr-<br />
und Beratungstätigkeit aus den vielen verschiedenen Geschichten,<br />
die mir Menschen erzählten, gelernt habe: Lektionen, wie Sie sich<br />
selbst managen und den Boden unter den Füßen nicht verlieren.<br />
Die Diskussion am heutigen Abend ist umrahmt von der Frage:<br />
Wie fi nden wir das richtige Gleichgewicht zwischen Arbeit und<br />
Leben? Lassen Sie mich erstens damit beginnen, über die Metapher<br />
des Gleichgewichts nachzudenken. Sie legt nahe, dass jeder<br />
Mensch zwei verschiedene Konten hat – wie ein Buchhalter – und<br />
versucht, das richtige Gleichgewicht zwischen beiden herzustellen.<br />
Das ist ein hilfreiches Bild, aber mit gewissen Einschränkungen<br />
verbunden, wenn wir Gleichgewicht als etwas Statisches, Unverrückbares<br />
verstehen.
„Wenn wir uns das Leben also als Komposition vorstellen, dann können wir<br />
uns die Freiheit nehmen, jeden Tag Fehler zu machen und aus dem Gleichgewicht<br />
zu kommen – aber dann Korrekturen vorzunehmen.“<br />
Denn wir werden diesen statischen Zustand im Leben wahrscheinlich<br />
nie erreichen – und sollten es auch nicht. Wir sollten uns<br />
im Haus des Lebens nicht schlafen legen, nur weil das Thermostat<br />
jetzt richtig eingestellt ist und die Temperatur stabil bleibt. Beides,<br />
Leben und Führung, ist immer dynamisch – eine Kunst der Improvisation.<br />
Es gibt einige übergeordnete Themen und Leitwerte, an<br />
denen wir uns das ganze Leben lang orientieren. Aber der Weg,<br />
den wir Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr beschreiten,<br />
nimmt Wendungen voller Entdeckungen und Überraschungen.<br />
Wir müssen ständig auf aktuelle Entwicklungen reagieren und<br />
herausfi nden, wie wir den heutigen Tag ins Gleichgewicht bringen.<br />
In diesem Sinne brauchen wir vielleicht eine umfassendere<br />
Metapher. Was bedeutet es, ein Leben zu „komponieren“? Was<br />
bedeutet es, innezuhalten und sich zu fragen: Was soll das Ganze<br />
überhaupt? Was erwarte ich vom Leben? Das sind Fragen, die oft<br />
den Momenten in der Kirche, im Tempel oder in der Synagoge vorbehalten<br />
bleiben, oder einem Moment, wenn wir ruhig im Park<br />
sitzen oder meditieren. Das Leben wird dann zu einem Kunstwerk,<br />
das wir gestalten und komponieren. Es beinhaltet alle möglichen<br />
Formen von dynamischen Spannungen, deren übergreifender<br />
Zusammenhang bekannt ist, im Laufe des Lebens aber mehrfach<br />
verloren geht und wiedergefunden wird.<br />
Ihre deutschen Vorgänger haben die Harmonien in der Musik entwickelt.<br />
Und für jede großartige Komposition gilt: Harmonie besteht<br />
nicht nur aus Gleichklängen. Wenn ein Musikstück nur aus Gleichklängen<br />
bestehen würde, wäre es wie gregorianischer Gesang. Es<br />
wäre zwar zeitlos, aber auch statisch. Alle Musik, die sich seit dem<br />
gregorianischen Gesang entwickelt hat, bedient sich der Harmonie.<br />
Und Harmonie ist die Kunst des Verwebens von Gleichklang<br />
und Dissonanz. Die bewusste Verwendung der Dissonanz erzeugt<br />
Dramaturgie und Bewegung in der Musik – zum Beispiel der Septakkord,<br />
der sich zur Tonika aufl öst. Wenn wir uns das Leben also als<br />
Komposition vorstellen, dann können wir uns die Freiheit nehmen,<br />
jeden Tag Fehler zu machen und aus dem Gleichgewicht zu kommen<br />
– aber dann Korrekturen vorzunehmen. Dissonanzen sind Teil<br />
des Lebens und stehen nicht im Gegensatz dazu.<br />
11
12 | Ronald Heifetz<br />
Um über die Dissonanzen des täglichen Lebens zu refl ektieren und<br />
sie aufzulösen, nehme ich die Metapher vom Balkon zu Hilfe: Oft<br />
sind wir zu sehr im alltäglichen Geschehen gefangen. Wenn wir<br />
tanzen und die Musik sehr schnell und laut ist, sehen wir nur die<br />
Menschen, die um uns herum tanzen. Wir lassen uns von der Musik<br />
davontragen, sehen nicht mehr nach rechts und links. Manchmal<br />
ist es aber sehr hilfreich, zurückzutreten und nach oben auf den<br />
Balkon zu gehen, um von dort das ganze Geschehen auf der Tanzfl<br />
äche zu beobachten. Dieser Abstand ist gerade in der täglichen<br />
Führungsarbeit wesentlich, um zu überleben. Er ist notwendig,<br />
um in einem größeren Gesamtsystem von Erwartungen, Normen,<br />
politischen Motiven und Trends die Dynamik, Kernthemen und<br />
Quellen von Konfl ikten zu ergründen.<br />
Jeder muss fähig sein, ständig zwischen Aktion und Refl ektion<br />
zu wechseln. Wer beispielsweise mitten in einer Besprechung ist,<br />
sollte gelegentlich gedanklich einfach auf den Balkon gehen, seinen<br />
Stuhl ein Stück zurückschieben und sich fragen: Was passiert<br />
hier eigentlich? Ich dachte, das läuft heute ganz einfach, und plötzlich<br />
geht es hier rund. Was habe ich verpasst? Was ist mir entgangen?<br />
Welche Loyalitäten greifen hier? Wem habe ich jetzt gerade<br />
auf die Füße getreten, womit ich vorher nicht gerechnet hatte?<br />
Das heißt, welche Korrekturmaßnahmen muss ich am nächsten<br />
Tag ergreifen? Nachdem die Antworten auf diese Fragen gefunden<br />
sind, kann es wieder zurück auf die Tanzfl äche gehen.<br />
Gleichzeitig sollte jeder auch fähig sein, sich selbst etwas zurückzunehmen<br />
und zu fragen: Bin ich überhaupt die richtige Person für<br />
diese Aufgabe? Vielleicht sollte sie jemand anderes übernehmen.<br />
Vielleicht sollte ich mich von einigen Funktionen und Vorrechten<br />
verabschieden, die mit meiner Position einhergehen, und diese<br />
Aufgabe Menschen übertragen, die dafür besser geeignet sind als<br />
ich – beispielsweise aufgrund der informellen Kontakte und Beziehungen,<br />
die sie haben, oder vielleicht, weil sie einfach eine andere<br />
Persönlichkeit oder Qualifi kation haben. Vielleicht sollte ich auch<br />
Verantwortung an andere übertragen, damit ich nicht alleine führe.<br />
Das Gleiche gilt aber auch auf persönlicher Ebene. Auch hier ist<br />
es wichtig, von einer Situation Abstand zu nehmen, sprichwörtlich<br />
auf den Balkon zu treten, nach unten zu schauen und zu fragen:<br />
Was mache ich hier? Worum geht es eigentlich? Wir müssen uns<br />
selbst immer wieder neu ausrichten, neu verankern in den persönlichen<br />
Werten und Überzeugungen, die uns im Leben durch all die<br />
Improvisationen aus familiären, berufl ichen und politischen Verpfl<br />
ichtungen leiten.<br />
Heutzutage, da sich vieles so schnell bewegt, in einer Welt von<br />
zunehmender globaler Unabhängigkeit, wo niemand mehr die<br />
volle Kontrolle über irgendetwas hat, ist es einfach, sich mitreißen<br />
oder sogar davonspülen zu lassen. Angesichts der Komplexität<br />
tendieren Menschen dazu, nach einer starken Autorität zu suchen,<br />
die ihnen den Weg weist. Aber alleine zu führen, ist gefährlich. Die<br />
Idee von einem Einzelkämpfer, einer einzigen Person, ist vermessen<br />
– sie ist vielleicht heroisch, aber auch selbstmörderisch. Um<br />
andere und sich selbst zu führen, braucht es heute Partner.<br />
Und damit komme ich zum zweiten Grundgedanken: Sie können<br />
nicht alleine führen. Um zu überleben, um sich selbst zu schonen,<br />
brauchen Sie Menschen, die Ihnen helfen, den richtigen Weg zu<br />
fi nden. Menschen, die Sie am Kragen packen und auf den Balkon<br />
ziehen, wenn Sie es nicht alleine schaff en, und Schlüsselfragen<br />
stellen. „Warte mal kurz, was machst du da eigentlich? Du hast<br />
dich wieder in die Irre leiten lassen. Hol mal tief Luft, du bist gar<br />
nicht so wichtig. Hör mal gut zu, du hast da einen blinden Fleck.“<br />
Sie hören diesem Menschen nicht nur zu, weil er Sie aufregt, sondern<br />
weil er etwas sagt, das Sie begreifen müssen.<br />
„Abstand ist in der täglichen Führungsarbeit wesentlich, um zu überleben.<br />
Er ist notwendig, um in einem größeren Gesamtsystem die Dynamik, Kernthemen<br />
und Quellen von Konfl ikten zu ergründen.“
Einer der häufi gsten Fehler beim Führen ist die Tendenz, zu viel<br />
Zeit mit Freunden und nicht genug Zeit mit Feinden zu verbringen.<br />
Es ist schwer, sich mit den Menschen zu verabreden, die Sie<br />
ärgern. Diese Menschen sind es aber, die Sie am besten verstehen<br />
müssen. Denn Sie leisten Ihnen Widerstand – hauptsächlich, weil<br />
für sie am meisten auf dem Spiel steht. Verbündete kosten nicht<br />
viel. Verbündete können sich leicht auf Ihre Seite stellen, weil sie<br />
nämlich nicht viel zu verlieren haben. Aber Menschen, die Ihnen<br />
Widerstand leisten, haben viel zu verlieren, und sie werden sich<br />
wehren. Um sie auf Ihre Seite zu bringen, sie zu mobilisieren,<br />
bestimmte Verluste hinzunehmen, müssen Sie mit sehr großem<br />
Fingerspitzengefühl vorgehen. Sie müssen herausfi nden, was für<br />
sie auf dem Spiel steht, wo ihre Loyalitäten und Interessen liegen.<br />
Sie trampeln quasi auf ihrem Werdegang herum, wenn Sie sie bitten,<br />
dieses oder jenes bleiben zu lassen. Wenn Franz <strong>Haniel</strong> beispielsweise<br />
in einer Aufsichtsratssitzung darüber befi nden muss,<br />
welche Geschäftsaktivitäten fortgesetzt und welche eingestellt<br />
werden, muss er auch darüber nachdenken, welche Loyalitäten<br />
jeder betroff ene Mensch gegenüber diesen Geschäftsaktivitäten<br />
und gegenüber den anderen Betroff enen empfi ndet. Nur wer sich<br />
darüber bewusst ist, kann den Veränderungsprozess so gestalten<br />
und vorantreiben, dass er ein detailliertes Verständnis von den<br />
Loyalitäten und Verlustängsten widerspiegelt und diesen Rechnung<br />
trägt. Partner – Verbündete und Vertraute – können dabei<br />
helfen, auf den Balkon zu gehen und das Gesamtsystem zu sehen.<br />
Wen haben Sie in dem Prozess nicht bedacht? Mit wem verbringen<br />
Sie zu viel und mit wem zu wenig Zeit?<br />
„Einer der häufi gsten Fehler beim Führen<br />
ist die Tendenz, zu viel Zeit mit Freunden<br />
und nicht genug Zeit mit Feinden zu<br />
verbringen.“<br />
Es gibt zwei verschiedene Arten von Partnern: Verbündete und<br />
Vertraute. Beide sind von entscheidender Bedeutung im Berufsleben.<br />
Verbündete sind Menschen, mit denen Sie vielleicht privat<br />
auch sehr eng befreundet sind. Vielleicht verbringen Ihre Kinder<br />
viel Zeit miteinander. Der Unterschied zwischen einem Verbündeten<br />
und einem Vertrauten ist aber nicht die Freundschaft, sondern<br />
es sind konkurrierende Loyalitäten. Verbündete haben konkurrierende<br />
Loyalitäten, Vertraute haben sie nicht. Verbündete vertreten<br />
eine Organisation, eine Abteilung, eine Partei, eine Fraktion<br />
und können Ihnen deshalb nicht immer über alle Grenzen hinweg<br />
treu ergeben sein. Sie müssen auch ihrem eigenen Umfeld, ihren<br />
Unterstützern gerecht werden. Das bedeutet, dass Sie einem Verbündeten<br />
nicht immer alles mitteilen dürfen, was Ihnen auf dem<br />
Herzen liegt. Denn wenn Sie ihm alles erzählen, zwingen Sie ihn zu<br />
wählen zwischen Ihnen und seinen anderen Loyalitäten.<br />
13
14 | Ronald Heifetz<br />
Folglich brauchen Sie auch Vertraute – Menschen, denen Ihre beruflichen<br />
Anliegen egal sind, für die lediglich Sie als Mensch zählen.<br />
Aus diesem Grund können sie Ihnen helfen, sich neu auszurichten.<br />
Dem Vertrauten können Sie alles sagen, was Ihnen auf dem Herzen<br />
liegt, ohne dass es strukturiert und vernünftig klingen muss. Sie<br />
können dabei so irrational sein, wie Sie sich eben manchmal fühlen.<br />
(Es gibt ein altes Lied: „Mama said, there will be days like that“.) Und<br />
es gibt sie tatsächlich, solche Tage – daher brauchen Sie Vertraute.<br />
Sie fi nden sie normalerweise nicht innerhalb Ihres Unternehmens<br />
oder Ihrer Organisation. Es sind eher Freunde, Mitglieder Ihrer Familie,<br />
vielleicht frühere Kollegen. Es sind auf jeden Fall Menschen, die<br />
keine Interessen haben, die im Wettstreit zu den Ihrigen stehen. Es<br />
sind Menschen, mit denen Sie frei reden können.<br />
Der dritte Gedanke, die Unterscheidung zwischen der Rolle, die Sie<br />
innehaben, und Ihnen selbst, ist ein sehr wichtiger und sogar ein<br />
sehr schwerwiegender. Ich unterrichte im Januar einen zweiwöchigen<br />
Intensivkurs vor allem für Menschen mit langjähriger Berufserfahrung<br />
zu dieser einen Idee: der Wichtigkeit, zwischen der eigenen<br />
Rolle oder der eigenen Funktion und sich selbst als Mensch zu<br />
unterscheiden. Wir tendieren dazu, das, was wir berufl ich machen,<br />
und das, was uns als Mensch ausmacht, zu vermischen. Deswegen<br />
ist unser Selbstwertgefühl ein Gefangener unserer wechselnden<br />
berufl ichen Rollen. Wenn beispielsweise völlig überraschend<br />
etwas auf dem US-amerikanischen Aktienmarkt passiert, während<br />
Sie gerade viertausend Meilen entfernt sind, und plötzlich<br />
die Aktienkurse in den Keller schießen, dann ist es wichtig, nicht zu<br />
vergessen, dass dieses Ereignis nichts Persönliches ist. Es betriff t<br />
Sie nicht als Mensch. Aber diese Haltung ist sehr schwer, weil Sie<br />
sich natürlich betroff en fühlen, umso mehr, wenn Sie in einer Führungsposition<br />
sind, weil dann alle Augen auf Sie gerichtet sind und<br />
erwarten, dass Sie das Problem lösen. Da viele von Ihnen gelernt<br />
haben, sich selbst als den Problemlöser zu sehen, nehmen Sie<br />
anderen Menschen die Last von der Schulter. Sie lassen es zu, dass<br />
sie ihre persönlichen Sorgen und Verlustängste auf Sie abwälzen.<br />
Natürlich, es ist Ihr Job, die Verantwortung für Veränderungen<br />
in Krisenzeiten zu übernehmen. Es ist Ihre Aufgabe, die Sorgen<br />
Ihrer Mitarbeiter ernst zu nehmen und sie zu beruhigen – aber Sie<br />
müssen auch Ihre eigenen Sorgen bewältigen. Wenn Sie aber den<br />
Ärger persönlich nehmen, den Ihnen frustrierte Mitarbeiter, Kollegen<br />
und Arbeitgeber entgegenbringen, bürden Sie sich eine ungesunde<br />
Last auf, sowohl persönlich als auch berufl ich.<br />
Partner – Verbündete und Vertraute – können Ihnen helfen, zwischen<br />
Ihrer berufl ichen Rolle und Ihnen selbst als Person zu unterscheiden.<br />
Ich habe zweimal mit dem König von Jordanien zu Mittag<br />
gegessen, König Abdullah, ein sehr talentierter Mann. Nach<br />
einem der Mittagessen gab es damals bei uns an der Universität<br />
ein off enes Forum, bei dem ein Student aus Südamerika den König<br />
fragte: „Dort, wo wir leben, gibt es keine Könige. Daher brenne<br />
ich darauf, Sie zu fragen: Wie ist das denn so, wenn man König<br />
ist?“ Und König Abdullah hat das Ganze dann ganz aufrichtig und<br />
wunderbar beantwortet. Er sagte: „Ich habe gar nicht erwartet,<br />
dass ich König werde. Mein Onkel sollte eigentlich König sein. Aber<br />
bevor mein Vater, König Hussein, starb, hat er beschlossen, dass ich<br />
zukünftiger König werden sollte. Vielleicht hat er mich mein gan-<br />
„Wir tendieren dazu, das, was wir berufl ich machen, und das, was uns als<br />
Mensch ausmacht, zu vermischen. Deswegen ist unser Selbstwertgefühl ein<br />
Gefangener unserer wechselnden berufl ichen Rollen.“<br />
zes Leben lang darauf vorbereitet, denn er sagte mir wiederholt:<br />
,Mein Sohn, in dem Moment, in dem du anfängst zu glauben, dass<br />
du ein König bist, hast du ein Problem.‘“ König Hussein wurde zum<br />
König, als er noch Teenager war. Er war noch ein junger Mann – und<br />
fast sein ganzes Leben lang König. Aber er wusste, dass, wenn Menschen<br />
ihm die Hand küssen, sie nicht seine Hand küssen, sondern<br />
die Hand des Königs. Und dass andererseits, wenn jemand Kugeln<br />
auf ihn feuert, er dann nicht auf ihn als Mensch schießt, sondern<br />
auf den König – seine Rolle.<br />
Ich hatte auch viele Gelegenheiten, mit Dalia Rabin zu sprechen,<br />
der Tochter von Yitzhak Rabin, eine wunderbare Person und selbst<br />
eine fähige Politikerin. Auch wenn es eine sehr schmerzliche Erfahrung<br />
gewesen ist, versteht sie es, dass die Ermordung ihres Vaters<br />
nicht persönlich gemeint war. Natürlich war es eine zutiefst persönliche<br />
Tat, Ihren Vater zu ermorden. Aber andererseits ging es in<br />
diesem Moment nicht um den Menschen Yitzhak Rabin. Derjenige,<br />
der Yitzhak Rabin tötete, wollte eine entschlossene und mächtige<br />
Stimme zum Schweigen bringen, die scheinbar unvertretbare<br />
Verluste angepriesen hatte: Sie vertrat eine Anschauung, welche<br />
die Loyalität vieler israelischer Siedler herausforderte, die sie<br />
seit 2.000 Jahren von ihren Vorfahren übernommen hatten – die<br />
Loyalität gegenüber geliebten Menschen, die ihnen den Glauben<br />
gegeben haben, dass sie auf diesem historischen Boden leben sollten.<br />
Um als Führungskraft zu überleben, brauchen Sie Partner, die<br />
Ihnen helfen, zwischen Ihrer Rolle und Ihrem Selbst zu unterscheiden.<br />
Zum ersten Mal habe ich das als Vater gelernt. Als ich mein<br />
erstes Kind bekam, sagte mir ein enger Freund: „Du wirst erst dann<br />
wissen, ob du als Vater gute Arbeit geleistet hast, wenn dein Kind<br />
sich respektlos dir gegenüber verhält und du es nicht persönlich<br />
nimmst. Und das wird dir erst beim zweiten Kind gelingen.“ Und<br />
das stimmte. Ich habe zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter –<br />
beide mittlerweile schon auf der Universität.
An meinen guten Tagen als Vater schaff te ich es, wann immer die<br />
Kinder frech zu mir waren, es nicht persönlich zu nehmen. Ich korrigierte<br />
ihr Verhalten – „So kannst du nicht mit mir reden!“ – und<br />
bewahrte Ruhe. Danach war es meine Aufgabe zuzuhören. Welches<br />
Problem hat das Kind? Warum benimmt er sich so? Normalerweise<br />
dauerte es zwei Tage, bis ich das Problem eingrenzen konnte,<br />
beispielsweise: „Ich habe in der Schule eine Prüfung vermasselt.“<br />
Oder: „Ich habe mich mit meiner Freundin gestritten.“ Oder: „Ich<br />
habe auf dem Spielfeld den Ball verloren.“ Da ich die ganze Zeit<br />
zugehört hatte, konnte ich helfen, das Problem zu lösen, indem ich<br />
mein Kind beim Lernen unterstützte, ihm half, die Beziehung zur<br />
Freundin wiederherzustellen, oder es ermutigte, wieder auf das<br />
Spielfeld zurückzukehren.<br />
Aber was passierte an meinen schlechten Tagen? Das waren keine<br />
mit Stolz erfüllten Augenblicke. An meinen schlechten Tagen habe<br />
ich das Ungehorsam meiner Kinder persönlich genommen. Wenn<br />
ich beispielsweise müde von der Arbeit war und meine Kinder<br />
frech waren oder mir nicht den gebührenden Respekt zollten, fi ng<br />
ich an, sie anzuschreien – zunächst innerlich. „Wie kannst du mich<br />
denn so behandeln? Weißt du denn nicht, was ich alles für dich<br />
tue? Ich kenne keinen Vater, der seine Kinder jeden Tag von der<br />
Schule abholt und trotzdem so viel Geld verdient wie ich.“ Nachdem<br />
ich in mich hinein gebrüllt hatte, brach es aus mir heraus und<br />
ich fi ng an, laut zu schreien. Nach einer Minute fühlte ich mich so<br />
schlecht, dass ich das arme Kind noch lauter anbrüllte: „Warum<br />
bewirkst du, dass ich die Fassung verliere? Weißt du denn nicht,<br />
dass ich es hasse, die Fassung zu verlieren? Wieso provozierst du<br />
mich denn so?“ Als wäre das Kind schuld an meinem Temperament.<br />
Und dann fühle ich mich erst richtig schlecht, so schlecht,<br />
dass ich meist in mein Arbeitszimmer ging und mir „Medikamente“<br />
einwarf. Jeder hat seine eigene Form der medizinischen Behandlung.<br />
Mein Medikament sind E-Mails. Ich habe immer 3.000 unbeantwortete<br />
E-Mails im Postfach. Immer wenn es nötig war, mich<br />
zu betäuben, schrieb ich E-Mails. Zwei Tage später war ich bereit,<br />
wieder zu meiner Familie zu stoßen. Dann wusste ich immer noch<br />
nicht, was das eigentliche Problem gewesen war. Denn indem ich<br />
es persönlich nahm, wich die Aufmerksamkeit vom Problem ab<br />
und ich konzentrierte mich stattdessen auf mich selbst.<br />
„Um als Führungskraft zu überleben,<br />
brauchen Sie Partner, die Ihnen helfen,<br />
zwischen Ihrer Rolle und Ihrem Selbst<br />
zu unterscheiden.“<br />
Wenn Sie sich als Mensch mit Ihrer Rolle verwechseln, dann werden<br />
Sie selbst zum Problem. Ihr defensives und off ensives Verhalten<br />
tritt an die Stelle des eigentlichen Problems. Aus diagnostischer<br />
Sicht ist es entscheidend zu wissen, dass das, was Ihnen<br />
entgegengebracht wird – manchmal Bewunderung, manchmal<br />
Hass –, weniger persönlich gemeint ist, als Sie denken.<br />
Es gibt aber noch einen zweiten Grund, warum Sie zwischen Ihrer<br />
Rolle und Ihrem Selbst unterscheiden müssen – und ich glaube, dass<br />
dieser Punkt das heutige Thema noch besser triff t. Wenn Sie anfangen<br />
zu denken, Sie seien zum Beispiel Professor, Arzt, Bürgermeister,<br />
Führungskraft oder Gründer, dann vergessen Sie den großen<br />
Reichtum dessen, was Sie als Mensch ausmacht. Sie fangen an, sich<br />
mit dieser einen Rolle zu stark zu identifi zieren. Und was passiert,<br />
wenn Sie diese Rolle irgendwann verlieren? (Eines Tages werden<br />
wir das alle.) Natürlich, Sie können dann immer noch sagen: „Ich<br />
bleibe Arzt, auch wenn ich nicht mehr praktiziere.“ Was machen Sie<br />
also? Wir alle kennen viele Menschen, die in den Ruhestand gehen<br />
oder ihren Arbeitsplatz verlieren und sich dann eingeengt fühlen.<br />
Sie sind eingeschränkt, weil sie außerhalb dieser Rolle, die sie jahrzehntelang<br />
ausgefüllt haben, ihrem Leben keine Bedeutung mehr<br />
geben können. Ihnen fehlt das Mittel dazu. Sie lassen die Flexibilität<br />
vermissen, die sie hatten, als sie noch jung waren, als noch so viele<br />
Rollen für sie infrage kamen. Aber selbst im Alter von 60, 70, 80 oder<br />
90 – das Alter meines Vaters – gibt es so viele verschiedene Rollen,<br />
die jeder spielen kann, um seinem Leben Sinn zu geben, um weiterhin<br />
ein Leben zu komponieren, das Bedeutung hat – abseits von all<br />
dem Wissen und der Erfahrung, die Sie in einer Rolle während eines<br />
bestimmten Lebensabschnitts gesammelt haben.<br />
15
16 | Ronald Heifetz<br />
Viertens: Wenn Menschen in der Politik frühzeitig ausgeschaltet<br />
werden, dann gehen sie häufi g mit off enem Mund! Soll heißen: Sie<br />
werden in der Regel entfernt, weil sie zu viel Zeit mit Reden und<br />
viel zu wenig Zeit mit Zuhören verbringen. Aber erst das Zuhören<br />
ermöglicht es Ihnen, die Komplexität des Systems zu verstehen,<br />
Schlüsselparteien und potenzielle Verluste zu identifi zieren sowie<br />
die neuen Kompetenzen und Anpassungen, die Sie den Menschen<br />
abverlangen. Nur indem Sie zuhören, insbesondere den Stimmen,<br />
die Sie am meisten ärgern, können Sie eine Strategie entwickeln,<br />
um Menschen zu mobilisieren, damit sie die Veränderungen verstehen,<br />
denen sie sich stellen müssen.<br />
Vor zwei Tagen fanden in den Vereinigten Staaten Kongress-Wahlen<br />
statt, die verdeutlicht haben, dass das Volk nicht verstanden<br />
hat, wie lange es braucht, bis ein Wandel vollzogen ist. Die US-<br />
Bürger haben ökonomische Resultate schneller erwartet, als sie<br />
erreicht werden konnten. Unser neuer Präsident hat den klassischen<br />
Fehler gemacht, zu viel zu versprechen, womit er unrealistische<br />
Erwartungen geweckt und verstärkt hat. Die Erwartungen,<br />
die nicht erfüllt wurden und nicht erfüllt werden konnten, haben<br />
wiederum zu einer starken Gegenreaktion der verängstigten Amerikaner<br />
gegen die Partei des Präsidenten geführt.<br />
Sie sollten aber auch sich selbst zuhören. Dazu brauchen Sie verschiedene<br />
Anker und Praktiken. Es gibt vier Kategorien von Ankern:<br />
Die erste Kategorie ist ein Rückzugsort. Ich kann Ihnen keinen spezifi<br />
schen Ort empfehlen. Vielleicht ist es für Sie eine Kirche oder<br />
eine andere religiöse Einrichtung. Vielleicht ist es auch ein Wanderweg<br />
durch den Wald oder am Fluss entlang. Vielleicht ist es<br />
der Küchentisch einer Freundin, wo Sie Tee trinken. Es kann auch<br />
ein Zimmer in Ihrem Haus sein, wo Sie einfach nur in Ruhe sitzen<br />
und lesen. Vielleicht ist es ein Café, Fitness-Center, Yoga-Kurs oder<br />
eine Meditationsgruppe. Wichtig ist, dass Sie Ihren persönlichen<br />
Rückzugsort haben. Sie können angesichts der Komplexität und<br />
Geschwindigkeit des heutigen Berufslebens kaum eine Führungsrolle<br />
übernehmen, wenn Sie nicht irgendwo Anker haben, die Sie<br />
aus diesem Berufsleben herausziehen, damit Sie sich wieder selbst<br />
denken hören. Das sind keine entbehrlichen Luxusgüter – auch<br />
wenn sie oft als solche angesehen werden. Dann heißt es: „Ich<br />
habe keine Zeit, um mit meiner Freundin essen zu gehen“ – und<br />
das verabredete Mittagessen oder Frühstück wird abgesagt. Diese<br />
Anker sind aber für Ihr berufl iches Leben genauso wichtig wie ein<br />
Wintermantel für jemanden, der in den Norden zieht oder nach<br />
Boston. Es handelt sich nicht um Luxus. Wir brauchen solche Rückzugsorte<br />
– und wir müssen sie schützen.<br />
„Wenn Sie anfangen zu denken, Sie seien zum Beispiel Professor, Arzt, Bürgermeister,<br />
Führungskraft oder Gründer, dann vergessen Sie den großen Reichtum<br />
dessen, was Sie als Mensch ausmacht.“
Die zweite Kategorie von Ankern, wie schon angedeutet, sind Partner.<br />
Wir brauchen Menschen, denen wir vertrauen können, Menschen,<br />
die für uns die Kohlen aus dem Feuer holen, wenn wir uns<br />
im Eifer des Gefechts verzettelt haben. Wir brauchen Verbündete,<br />
die uns helfen, in der Führungspraxis, in der wir ständig improvisieren,<br />
den Veränderungsprozess zu analysieren und Korrekturmaßnahmen<br />
zu ergreifen. Und wir brauchen Vertraute, die uns<br />
helfen, unsere berufl iche Rolle von unserem Selbst zu unterscheiden,<br />
und die uns an unsere Menschlichkeit erinnern.<br />
Drittens brauchen wir Routinen. Manchmal sind das körperliche<br />
Routinen oder Rituale wie Bewegung oder Sport. Es gibt auch spirituelle<br />
Routinen, beispielsweise das Gebet oder die Meditation. Vielleicht<br />
ist Ihre persönliche Routine auch das Führen eines Tagebuchs<br />
oder eine künstlerische Tätigkeit wie Malen oder Musizieren. Und<br />
diese Routinen sollten keine berufl iche Funktion haben, sondern<br />
lediglich dazu dienen, dass Sie zu sich selbst zurückfi nden – damit<br />
Sie nicht vergessen, dass Sie als Mensch mehr sind als die Rolle, die<br />
Sie spielen, insbesondere wenn diese Sie stark beansprucht.<br />
Die letzte Kategorie von Ankern sind multiple Rollen, durch die wir<br />
den Sinn des Lebens fi nden: die Rolle des Vaters, der Mutter, der<br />
Schwester, des ehrenamtlichen Mitarbeiters, des Nachbars oder<br />
des Gemeindemitglieds. Jede Rolle wird zu einem Anker, um von<br />
einer anderen Rolle nicht davongetragen zu werden. So managen<br />
und komponieren Sie Ihr Leben. Sie schaff en sich ein Netzwerk von<br />
verschiedenen Anker-Rollen. Jede davon geht mit verschiedenen<br />
Verpfl ichtungen einher, jede zieht Sie heraus in Momenten, in<br />
denen Sie sagen: „Ich habe dafür jetzt keine Zeit.“ Trotzdem gehen<br />
Sie widerwillig hin – und sind froh, wenn Sie erst einmal da sind.<br />
Ich habe das selbst erlebt, als meine Kinder noch klein waren und<br />
ihre Mutter gerade ihre Doktorarbeit schrieb. Ich fi ng an, meine<br />
Kinder jeden Morgen zur Schule zu fahren und sie nachmittags<br />
wieder abzuholen. Das fi el mir damals schwer, weil ich mich ja für<br />
so wichtig hielt. Meine „wichtigen Verpfl ichtungen“ erschwerten<br />
es mir, um 15 Uhr von der Arbeit wegzufahren. Obendrein musste<br />
ich vor der Schule in einer langen Autoschlange warten – und<br />
wurde ungeduldig. Um mir die Zeit zu vertreiben, zählte ich, wie<br />
viele andere Männer ihre Kinder abholten. In den Anfangsjahren,<br />
als meine Kinder in der ersten und zweiten Klasse waren, saß in<br />
einem von dreißig Autos noch ein weiterer Mann. Stellen Sie sich<br />
mal vor, wie ich mir vorkam in meiner Rolle als Mann! „Was mache<br />
ich hier!?“, fragte ich mich. Das Diktiergerät in der einen und das<br />
Mobiltelefon in der anderen Hand versuchte ich, das Maximum<br />
aus jeder Minute rauszuholen, bis ich endlich an der Spitze der<br />
Schlange ankam.<br />
Als ich die kleinen Gesichter meiner Kinder sah, wurde ich aus meiner<br />
Beschäftigung gerissen. Anfangs war das ein langsamer Übergang.<br />
Ich sagte zu ihnen: „Anni, du steigst zuerst ins Auto ein, und<br />
David, du steigst als Zweiter ein“ – aufgrund der Anordnung der<br />
Kindersitze. Aber die beiden haben natürlich nie auf mich gehört.<br />
Sie warfen ihre Taschen ins Auto, alles total chaotisch, und stiegen<br />
irgendwie ein. Dann sprudelten sofort die Geschichten aus<br />
ihnen heraus, Geschichten, die ich bis dahin niemals zu hören<br />
bekommen hatte. Ich stellte fest, dass Kinder die spontane Version<br />
ihrer Geschichten nur einmal erzählen, und sie erzählen sie<br />
dem Menschen, den sie zuerst treff en. Unzählige Kindermädchen<br />
auf der ganzen Welt bekommen all diese einmaligen Kindergeschichten<br />
zu hören! Im Laufe der Zeit erkannte ich, was für ein großer<br />
Reichtum das war. Ich lernte zu tun, was traditionell Mütter<br />
taten – und es war ein Segen für mich. Natürlich bedeutete es eine<br />
Herausforderung für meine Rolle als Mann und Berufstätiger mit<br />
all den wichtigen unbeantworteten Anrufen und all den Projekten<br />
und dem Geld, die auf dem Tisch liegen geblieben waren. Im<br />
Laufe der Zeit wurde ich erfolgreicher und bekam hohe Honorare<br />
angeboten. Oder es hieß: „Wir brauchen Sie, aber wir können Sie<br />
nicht bezahlen“ – was noch schwieriger abzulehnen war. Aber ich<br />
musste alles unerledigt liegen lassen, weil ich ja meine Kinder von<br />
der Schule abholen musste. Mit den Kindern, in den täglichen Routinen<br />
aus Klavier- und Geigenunterricht, Karate- und Tanzstunden<br />
oder Verabredungen zum Spielen war ich verankert in einer neuen<br />
Bedeutungswelt. Die zwei Welten – Arbeit und Familie – sind nicht<br />
vergleichbar. Sie lassen sich nicht in der gleichen Bilanz auff ühren.<br />
Beide sind von unschätzbarem Wert. Der Wert meiner Arbeit,<br />
die darin besteht, Menschen zu helfen, Staaten oder Unternehmen<br />
eff ektiver zu führen, und der Wert meiner Arbeit als Vater,<br />
der hilft, seine Kinder zu lieben und zu erziehen, sind jeweils von<br />
unschätzbarem Wert. Die beiden Welten ergänzen sich und brauchen<br />
einander.<br />
„Die zwei Welten – Arbeit und Familie –<br />
sind nicht vergleichbar. Sie lassen sich<br />
nicht in der gleichen Bilanz auff ühren.“<br />
17
18 | Ronald Heifetz<br />
Ohne diese multiplen Rollen als Anker wäre es für mich einfach<br />
gewesen, mich davontragen zu lassen in das, was ich meine<br />
Zone der Unersättlichkeit nenne, dorthin wo, ganz egal wie viel<br />
ich erreiche, es niemals genug sein würde. Ich riskierte, mir eine<br />
innere Hölle zu schaff en, in der ich mit dem bereits Erreichten nie<br />
zufrieden gewesen wäre. Und das ist sicherlich nicht das Rezept<br />
zum Glück. Um sich aus diesem Strudel der Unersättlichkeit zu<br />
befreien, brauchte ich eine andere Rolle, einen anderen Sinnanker<br />
– und meine Kinder sind für mich dieser Anker geworden. (Jetzt<br />
sind sie an der Uni, und ich bin wieder verloren!)<br />
Ich möchte mit einigen Anmerkungen zu der Idee des Messens<br />
abschließen. Ich glaube, wir möchten alle zielstrebige Menschen<br />
sein. Wir wollen sinnvolle Arbeit leisten, werden aber oft verwirrt,<br />
da wir in einer Welt des Messens leben. Weil wir alles messen,<br />
fangen wir an zu glauben, dass das Messen die ganze Wahrheit<br />
erfasst – und nicht bloß ein nützliches Instrument ist. Es kann<br />
ungemein hilfreich sein: In der Medizin werden täglich Leben<br />
gerettet, weil wir Blutwerte, Blutdruck oder Herzschlag messen<br />
können. Kein Geschäft funktioniert, ohne dass so viele Parameter<br />
wie möglich gemessen werden, um Gesundheitszustand, Ertragskraft<br />
und Erfolg zu ermitteln.<br />
Aber das Messen kann nicht die eigentliche Wahrheit erfassen. Ich<br />
glaube nicht, dass sich die Liebe, die Sie geben, oder das Gute, das<br />
Sie tun, messen lassen. Ich erkannte das, als ich als junger Mann<br />
Shakespeare an der Columbia University gelesen habe. Julia macht<br />
Romeo eine Liebeserklärung: „the more I give to thee, the more<br />
I have …“ Bald nach der Lektüre besuchte ich einen berühmten<br />
Philosophieprofessor, Professor Ernst Nagel. Als ich wissen wollte,<br />
welche Fragen ihn umtreiben, sagte er: „Ich interessiere mich für<br />
den Nutzen und die Grenzen des Messens.“ „Wie Julia“, sagte ich.<br />
„Genau“, erwiderte er.<br />
Nach vielen Jahren wurden mir die Grenzen des Messens bewusst,<br />
als meine Eltern mich an Halloween zu Hause besuchten. Mein<br />
Vater ist Neurochirurg. Er hat viele der Instrumente erfunden,<br />
die heute in der Gehirnchirurgie weltweit zum Einsatz kommen.<br />
Dadurch hat er in seiner Karriere direkt und indirekt tausende<br />
Leben gerettet. (Einer der Hersteller seiner medizinischen Instrumente<br />
sitzt übrigens hier in Solingen.) Als er als Mediziner in<br />
den Ruhestand ging, nahm er ein Kindheitshobby wieder auf: Er<br />
hatte immer Gefallen daran gefunden, die Sterne zu betrachten.<br />
Damals beschloss er, seinen Enkelkindern die Schönheit des Himmels<br />
näherzubringen. Er zog los, kaufte alle Bücher zur Astronomie,<br />
die er fi nden konnte, aber keines davon hat ihm gefallen. Also<br />
schrieb er sein eigenes Buch und schickte es an Cambridge University<br />
Press, einen großen Verlag. Dieser machte ihn mit einem<br />
bekannten Illustrator in den Niederlanden bekannt und veröff entlichte<br />
das Buch unter dem Titel: „A Walk Through the Heavens“,<br />
Cambridge University Press – 9,95 US-Dollar!
Kurz nachdem es erschienen war, kamen meine Eltern an Halloween<br />
zu Besuch. An diesem Tag war ein junger Mann, Richard, bei<br />
uns eingeladen, der in unserem Haus gelebt hatte, als er noch Student<br />
gewesen war, und nun, einige Jahre später, als Musiklehrer<br />
arbeitete. Er verbrachte den Abend mit uns, einen sehr schönen<br />
Abend – wir sind mit den Kindern durch die Straßen gezogen. Als<br />
wir nach Hause zurückkamen, waren meine Eltern noch da. Ich<br />
dachte, dass Richard als Lehrer sich über das Astronomie-Buch meines<br />
Vaters freuen würde, holte ein Exemplar aus dem Arbeitszimmer<br />
und überreichte es Richard. Er öff nete es und las die Widmung<br />
an alle Enkelkinder meines Vaters, die auch namentlich genannt<br />
wurden. Dann schlug er das Buch zu, wandte sich meinem Vater<br />
zu und fragte, ob er einen Stift leihen könnte. Mein Vater lächelte<br />
zufrieden und holte einen Stift aus seiner Brust tasche hervor.<br />
Natürlich erwartete er, dass Richard ihn bitten würde, das Buch<br />
zu signieren. Aber das tat Richard nicht. Stattdessen ging er in die<br />
Hocke, schlug das Buch auf der Widmungsseite auf und bat meine<br />
beiden Kinder, es zu signieren. Sie kritzelten ihre Unterschriften<br />
hin. Während sie das taten, drehte ich mich nach meinem Vater<br />
um, neugierig, wie er sich in diesem Moment fühlte. Ich sah, wie<br />
ihm Tränen in die Augen stiegen, und mir wurde klar, dass es der<br />
gemessene Wert von 40 lebensrettenden Jahren nicht mit der<br />
Bedeutung dieses Moments aufnehmen konnte.<br />
Ich glaube, wenn wir irgendwann aus dem Leben scheiden<br />
und zu den Engeln gehen, wird keiner fragen: „Warum hast du<br />
100 Arbeitsplätze geschaff en und nicht 120? Warum hast du<br />
47 Leben gerettet und nicht 62? Warum hast du 150 Kindern beigebracht<br />
zu schreiben und nicht 640? Warum hast du einen Krieg<br />
beendet und nicht zwei?“<br />
Das Gute, das wir tun, lässt sich nicht beziff ern. Wenn wir in unseren<br />
Herzen und in unseren Seelen lebendig bleiben, hören wir<br />
nicht damit auf, sinnvolle Arbeit zu leisten. Wir müssen die multiplen<br />
Arten von Verantwortung jeden Tag ausbalancieren, indem<br />
wir uns die Bedeutung unserer Arbeit in den verschiedenen Rollen<br />
vor Augen führen und die Früchte genießen. Ich denke nicht, dass<br />
es ausreicht, uns von der Arbeit, die noch getan werden muss, mit<br />
leidenschaftlicher Begeisterung erfüllen und motivieren zu lassen.<br />
Vielmehr denke ich, dass wir Genugtuung empfi nden müssen für<br />
die gute Arbeit, die wir schon geleistet haben – jenseits des Messens.<br />
Und dass uns Freunde und Vertraute daran erinnern müssen.<br />
Unsere Seele braucht das zum Überleben. Und das ist es, was ich<br />
in meine Gebete für Sie alle einschließe: dass Sie sich an den Früchten<br />
guter Arbeit erfreuen. Möge die Macht mit Ihnen sein!<br />
„Weil wir alles messen, fangen wir an zu glauben, dass das Messen die ganze<br />
Wahrheit erfasst – und nicht bloß ein nützliches Instrument ist.“<br />
19
20<br />
Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?<br />
Friedrich Merz
Lieber Herr <strong>Haniel</strong>, meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />
während der brillanten Rede von Ronald Heifetz, in der er seine<br />
persönlichen Erlebnisse schilderte, habe ich immer wieder Parallelen<br />
zu dem gesehen, was ich in Amerika erlebe – einer berufl ichen<br />
Welt, die mir bis vor einigen Jahren noch sehr fremd war. In meiner<br />
Anwaltsfi rma, deren Vorstand ich seit zwei Jahren angehöre, spielen<br />
persönliche Erfahrungen auch und gerade aus dem Familienleben<br />
eine große Rolle. Das war nicht nur neu für mich, sondern<br />
hat auch dazu beigetragen, einige Vorurteile über die Amerikaner<br />
abzubauen.<br />
Meine Damen und Herren, vielleicht ist Ihnen auch aufgefallen,<br />
dass Ronald Heifetz in seiner Rede einen Aspekt überhaupt nicht<br />
angesprochen hat, der diesseits des Atlantiks von großer Bedeutung<br />
ist, wenn es um das Verhältnis zwischen Beruf und Leben<br />
geht, nämlich die Rolle des Staates. Sich selbst zu organisieren,<br />
Verantwortung für das eigene Leben in der Familie und im Beruf<br />
zu übernehmen – all das ist uns in Deutschland, und ich glaube<br />
auch in Europa, in dieser Form fremd.<br />
Ich werde versuchen, das Thema – „Leben um zu arbeiten oder<br />
arbeiten um zu leben“ – aus meiner, also einer deutschen beziehungsweise<br />
europäischen, Sicht darzustellen. Meine erste These<br />
dazu lautet: Leben und Arbeit sind erst in unserer jüngeren Zeit<br />
zu einem solchen Gegensatz geworden. Dies sage ich auch, aufgewachsen<br />
in einer Familie mit vier Kindern, aus persönlicher<br />
Perspektive. Meine Mutter war immer zu Hause und mein Vater<br />
kam jeden Mittag aus dem Betrieb zum Essen. Dies war zugegebenermaßen<br />
schon damals nicht selbstverständlich, aber in einer<br />
Kleinstadt möglich und mit dem Beruf meines Vaters vereinbar.<br />
Viele Klassenkameraden wussten von ähnlichen Lebenswelten<br />
zu berichten. Heute hingegen sind wir froh, wenn wenigstens ein<br />
Elternteil zu Hause ist, wenn die Kinder aus der Schule kommen.<br />
Mehr noch: Die Mobilität, die uns im Beruf abverlangt wird, führt<br />
dazu, dass Eltern zu Wochenendpendlern werden und dass Familien<br />
unter der Woche getrennt leben. Der deutsche Staat fördert<br />
das auch – zum Beispiel mit der Pendlerpauschale. Ich wüsste gar<br />
nicht, wie man das Wort auf Englisch übersetzt. Es gibt sogar eine<br />
steuerliche Begünstigung für eine Zweitwohnung, höchstrichterlich<br />
aufs Neue vor gar nicht langer Zeit anerkannt. Der Staat fördert<br />
es also, wenn Sie zur Arbeit möglichst weit wegfahren und<br />
dazu noch möglichst lange wegbleiben – dass dies Folgen hat für<br />
den Zusammenhalt von Familien, ist off ensichtlich und trivial.<br />
Die Globalisierung, die ich gerade erst an ihrem Anfang sehe, wird<br />
diesen Trend weiter verstärken – so meine zweite These. Viele<br />
Familien werden von Berufskarrieren der Eltern geprägt sein, die<br />
von mehrjährigen, möglicherweise mehrfachen und auch kürzeren<br />
Auslandsaufenthalten gekennzeichnet sind. Die dadurch<br />
bedingte mangelnde Integration in die Gesellschaften der verschiedenen<br />
Länder wird mehr und mehr zu einer Last für diese<br />
Familien. Sie werden sich nach dem Lebensrhythmus der berufstätigen<br />
Eltern richten müssen. Gleichzeitig erleben wir eine ungeheure<br />
Beschleunigung durch Internet und neue Medien – Fluch<br />
und Segen zugleich. Glücklich ist, wer 3.000 unbeantwortete<br />
E-Mails im Postfach hat und trotzdem noch gut schläft. Auch dies<br />
hat Auswirkungen auf unsere Familien.<br />
Meine dritte These lautet: Unser Wohlstand hat seine Schattenseiten.<br />
Die allgegenwärtige Werbung zum Beispiel führt zu einem Konsumverhalten,<br />
welches in der Überzeugung aufgeht, jeder könne<br />
sich alles leisten, wenn es nur billig genug ist. Jede Familie braucht<br />
deshalb auch mindestens zwei Einkommen. Verstehen Sie mich<br />
nicht falsch, meine Damen und Herren: Gut ausgebildete junge<br />
Frauen haben das Recht und den Anspruch darauf, ihr persönliches<br />
Lebensglück nicht „nur“ in der Familie zu suchen und zu fi nden. Aber<br />
ist das allein die Triebfeder? Oder reden wir über ganz andere Formen<br />
von Selbstverwirklichung und Erfüllung im Beruf, als es die Not<br />
und auch der materielle Bedarf der Familien erfordert?<br />
Eine Elektrohandelskette ruft uns in einer großen Werbekampagne<br />
zu: „Geiz ist geil“. Die mahnenden Worte, die ich noch vom<br />
abendlichen Esstisch im Elternhaus kenne wie „Das können wir<br />
uns nicht leisten“, sind mit der heutigen Werbung unvereinbar.<br />
„Geiz ist geil“ heißt: Ihr müsst nur auf die Schnäppchen gucken,<br />
dann geht alles. Ich will gar nicht die Legitimation von Werbung,<br />
insbesondere im Discountbereich, infrage stellen. Aber der Druck,<br />
den sie erzeugt und der mit den Einkommensverhältnissen vieler<br />
Haushalte nicht vereinbar ist, hat Folgen für das Konsumverhalten<br />
von Familien – was insbesondere Frauen unter Druck setzt.<br />
Ich habe aus meiner Studentenzeit noch ein Buch in Erinnerung,<br />
von Autorinnen mit damals sehr linken Überzeugungen. Der Titel<br />
lautete: „Eines ist zu wenig, beides ist zu viel“. In diesem Titel<br />
kommt die ganze Ambivalenz zum Ausdruck, von der gerade<br />
Frauen geprägt sind, die Beruf und Familie in angemessener Weise<br />
miteinander vereinbaren wollen. In Amerika ist es schon viel länger<br />
üblich, dass auch Frauen einer Beschäftigung außer Haus nachgehen.<br />
Und wenn Kinder da sind, dann erleichtert das Schulsystem<br />
die Berufstätigkeit beider Eltern. Unsere Antwort darauf ist jedoch<br />
erneut anders als die amerikanische. Bei uns muss im Zweifel der<br />
Staat dafür sorgen, dass das funktioniert.<br />
21
22 | Friedrich Merz<br />
„Wir haben unseren Staat in eine Verpfl<br />
ichtung hineingebracht, das Leben<br />
vieler Familien mitzugestalten, mitzufi<br />
nanzieren und mitzuermöglichen –<br />
eine Verpfl ichtung, die diesen Staat<br />
objektiv völlig überfordert.“<br />
Deswegen ist meine vierte These: Wir haben unseren Staat in eine<br />
Verpfl ichtung hineingebracht, das Leben vieler Familien mitzugestalten,<br />
mitzufi nanzieren und mitzuermöglichen – eine Verpfl ichtung,<br />
die diesen Staat objektiv völlig überfordert. Wir lassen uns von<br />
einem Gleichheitsgedanken leiten, der nicht nur zu immer höherer<br />
Staatsverschuldung führt und zu immer höheren Ausgaben in den<br />
Sozialbudgets. Wir lassen uns auch dazu verleiten, den Menschen<br />
in ihrer Unterschiedlichkeit die notwendige eigene Verantwortung<br />
zu nehmen. Das ist keine Erfi ndung unserer Tage und unserer<br />
Zeit – schon Alexis de Tocqueville hat einmal geschrieben: „Ist die<br />
Ungleichheit das allgemeine Gesetz einer Gesellschaft, so fallen die<br />
stärksten Ungleichheiten nicht auf. Ist alles ziemlich eingeebnet,<br />
so wirken die geringsten Ungleichheiten kränkend.“ Deshalb, so<br />
schreibt er weiter, „wird der Wunsch nach Gleichheit desto unersättlicher,<br />
je größer die Gleichheit schon ist“. Die Überforderung<br />
unseres Sozialstaates hängt mit diesem Sachverhalt zusammen.<br />
Ich behaupte deshalb, dass mehr Geld im Sozialstaat nicht mehr Probleme<br />
löst, sondern immer neue Probleme schaff t. Ich gehe sogar<br />
noch einen Schritt weiter: Wir, der Staat, die öff entlichen Haushalte<br />
geben im Jahr 2010 so viel Geld aus für Familien wie nie zuvor. Wahrscheinlich<br />
sind es rund 80 Fördertöpfe, die – vom Kindergeld bis<br />
hin zur Gesundheitsvorsorge – Familien zur Verfügung stehen. Wir<br />
haben damit viel zu viel auf Transferleistungen gesetzt und viel zu<br />
wenig auf die innere Verantwortung der kleinsten gesellschaftlichen<br />
Einheit unseres Landes, nämlich der Familie. In dem Vortrag von<br />
Ronald Heifetz kommt eine ganz andere Grundüberzeugung vom<br />
Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft und der Selbstverantwortung<br />
zum Ausdruck, als wir sie in unseren europäischen Sozialstaaten<br />
über Jahrzehnte entwickelt haben. Was folgt daraus?<br />
Der platte Antikapitalismus ist in der Beantwortung dieser Frage<br />
gescheitert – das ist meine fünfte These. Er wusste immer nur,<br />
was er nicht wollte, und hat zu Recht auf manche Missstände und<br />
Exzesse hingewiesen. Aber die Aufgabe, eine neue Balance zwischen<br />
Staat und Bürger zu fi nden, besteht nach wie vor. Und sie<br />
ist aus europäischer Sicht dringender denn je. Manches von dem,<br />
was Ronald Heifetz in seinem Vortrag gesagt hat, ist auch auf uns<br />
übertragbar. Ich nenne zwei große Aufgabenfelder: die soziale<br />
Verantwortung der Unternehmen. Darüber wird seit Jahr und Tag<br />
mehr oder weniger gut geredet, und es wird auch seit Jahr und Tag<br />
vieles richtig gemacht. Aber reicht das, was wir tun? Reicht es aus,<br />
soziale Verantwortung für Mitarbeiter zu empfi nden und auch zu<br />
leben? Müssen wir nicht vielmehr über ganz andere Formen der<br />
Arbeitsorganisation nachdenken?<br />
Dazu möchte ich noch ein persönliches Erlebnis schildern: Als ich<br />
noch aktiver Politiker war, wurde ich jedes Jahr zu vielen Neujahrsempfängen<br />
als Redner eingeladen. So auch vor einigen Jahren<br />
von einem Unternehmen auf der Schwäbischen Alb. Dieses<br />
Maschinenbauunternehmen – ein alteingesessenes Familienunternehmen<br />
– hatte voller Stolz ein neues Verwaltungsgebäude<br />
eingeweiht, in dem es nicht nur eine Kantine gab, sondern direkt<br />
nebenan auch einen Betriebskindergarten. Bei meinem Besuch<br />
dort haben mir viele stolz berichtet, dass sie jetzt wieder zusammen<br />
mit ihren Kindern wenigstens im Betrieb zu Mittag essen<br />
können. Wieso macht dieses Beispiel nicht Schule?<br />
Ich habe in der Zwischenzeit lernen müssen, dass wir große Schwierigkeiten<br />
haben in der steuerlichen Anerkennung von Betriebskindergärten.<br />
Aber wenn wir Pendlerpauschale und Zweitwohnung<br />
gelten lassen als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder wie<br />
immer man sie nennt – dann muss der Staat auch Betriebskindergärten<br />
als ein sinnvolles und hier nur beispielhaft genanntes<br />
Instrument sehen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser<br />
zu ermöglichen. Es muss doch gehen, dass wir andere Formen<br />
der Organisation in Betrieben schaff en, vielleicht gerade dort, wo<br />
mittelständische Unternehmen noch eine starke Bindung an die<br />
Region und an die Stadt haben, in der sich ihr Sitz befi ndet.
Das zweite, vielleicht noch größere Arbeitsfeld ist die Bildungspolitik.<br />
Wir haben in den vergangenen Jahren in Deutschland und<br />
in vielen anderen europäischen Ländern manches erreicht. Die Bildungspolitik<br />
ist lange nicht mehr so schlecht, wie sie einmal war,<br />
und sie ist auch viel besser als ihr Ruf. Aber reicht das? Reicht hier<br />
insbesondere das Engagement der Bürger und der Unternehmen<br />
für die wichtigste Einrichtung unseres Staates und unserer Gesellschaft<br />
außerhalb der Familien? Tun wir alle zusammen genug für<br />
die Grundschulen, die Hauptschulen, die Behindertenschulen, die<br />
Realschulen, die Gymnasien in den Städten, in denen wir leben<br />
und in denen wir arbeiten? „Ja“, wird mancher sagen, „das tue ich“.<br />
Aber tun wir es wirklich alle? Oder haben wir uns als Eltern – und<br />
da schließe ich mich selbst als Vater ein – die passive Attitüde<br />
angewöhnt zu sagen: „Hier habt Ihr meine Kinder. Sie sind jetzt<br />
sechs Jahre alt. In spätestens dreizehn Jahren hätte ich sie gerne<br />
gut ausgebildet und vor allem besser erzogen wieder“? Sollten wir<br />
nicht stattdessen hingehen und verfolgen, was in der Schule passiert?<br />
Nicht um im Hintergrund zu sitzen und die Lehrer zu korrigieren,<br />
sondern um abends oder am Samstag dabei zu sein, wenn<br />
beraten wird, wie sich die Schule in Zukunft entwickelt. Dieses<br />
Engagement in Schulen und für Schulen müssten auch Unternehmen<br />
verfolgen. Wo sind die Schulpatenschaften der Betriebe fl ächendeckend<br />
für alle Schulen in Deutschland? Wo bleibt die Mitverantwortung<br />
der Manager für das, was in den Schulen passiert?<br />
Eines ist doch völlig klar: Wenn Familien aufgrund der beschriebenen<br />
Umstände, die sich nicht mehr ändern lassen und die wir<br />
vielleicht auch gar nicht mehr ändern wollen, ihre frühere Funktion<br />
nicht mehr erfüllen können, dann treten doch automatisch die<br />
Bildungseinrichtungen und insbesondere die Primarschulen mehr<br />
und mehr an ihre Stelle. Dann müssen diese Institutionen aber eine<br />
Leistungsfähigkeit entwickeln, die weit über die Lehrpläne hinausgeht.<br />
Dann ist soziale Kompetenz gefragt und Vorbereitung auf den<br />
späteren Lebensweg einschließlich der Berufswahl. Für das Schicksal<br />
unserer Gesellschaft ist keine andere Berufsgruppe langfristig<br />
von größerer Relevanz, und zwar negativ wie positiv, als die Lehrer.<br />
Dazu ein kleiner Befund als Fußnote: Der Lehrerberuf ist mittlerweile<br />
so weit abgewertet, dass Männer ihn kaum noch ergreifen.<br />
Die Grundschulen, mittlerweile auch die Hauptschulen und Realschulen,<br />
sind fast „nur“ noch mit Lehrerinnen besetzt. Doch was<br />
bedeutet es für Jungs, zu Hause möglicherweise mit einer alleinstehenden<br />
Mutter groß zu werden, im Kindergarten „nur“ Kindergärtnerinnen<br />
um sich zu haben und in den ersten beiden Schulabschnitten<br />
„nur“ mit Frauen konfrontiert zu werden, ohne einmal<br />
auch die Autorität eines Mannes zu erleben?<br />
Darüber steht die Forschung noch am Anfang. Aber es hat ganz<br />
sicher Auswirkungen auf die Entwicklung der Jungen. Deshalb<br />
muss der Beruf des Lehrers wieder aufgewertet werden – und<br />
zwar so, dass er attraktiv und angesehen genug ist für Frauen und<br />
Männer gleichermaßen.<br />
Mit diesem Plädoyer möchte ich gerne schließen. Globalisierung,<br />
Mobilität, vollkommen neue Formen der Arbeitswelt, völlig veränderte<br />
Ansprüche an lebenslanges Lernen – dies alles wird weitergehen.<br />
Als Gesellschaft werden wir darauf neue Antworten geben<br />
müssen, jeden Tag und jede Woche.<br />
„Für das Schicksal unserer Gesellschaft ist keine andere Berufsgruppe langfristig<br />
von größerer Relevanz als die Lehrer. Deshalb muss der Beruf wieder<br />
aufgewertet werden – und zwar so, dass er attraktiv und angesehen genug<br />
ist für Frauen und Männer gleichermaßen.“<br />
Aber sie können und dürfen nicht allein in der beständigen Anhebung<br />
der Transferleistungen bestehen, sondern sie müssen in<br />
einer zurückgewonnenen eigenen Verantwortung eines jeden<br />
Staatsbürgers für Unternehmen, für Gesellschaft und insbesondere<br />
für Bildungseinrichtungen bestehen. Die Kirchen werden diesen<br />
Beitrag wohl auf absehbare Zeit nicht mehr leisten können.<br />
Übrigens auch hier unterscheiden wir uns zu meinem Bedauern<br />
ganz erheblich von dem, was wir in großen Teilen Amerikas immer<br />
noch erleben: eine tiefe Religiosität und eine hohe Verantwortung<br />
der Kirchen und Glaubensgemeinschaften für die Gestaltung des<br />
örtlichen Lebens. Wenn uns aber solche Institutionen zumindest<br />
auf Zeit fehlen oder sie nur in begrenztem Maß zur Verfügung stehen,<br />
dann müssen wir diese Aufgabe übernehmen – persönlich,<br />
gemeinsam mit <strong>Stiftung</strong>en und mit Zeit. Und hier schließt sich<br />
der Kreis zu dem, was Ronald Heifetz gesagt hat: Zeit zu haben<br />
für unsere Kinder, für unsere Freunde, für unsere Familie, wird der<br />
wichtigste Erfolgsfaktor für eine Gesellschaft, die ihr menschliches<br />
Gesicht behalten soll und muss und weiter Wohlstand und<br />
soziale Gerechtigkeit ermöglichen will.<br />
23
24<br />
Über die Referenten<br />
Dr. med. Ronald Heifetz ist King Hussein bin Talal Senior Lecturer in<br />
Public Leadership an der Harvard Kennedy School of Government<br />
und Mitbegründer des Center for Public Leadership. Er ist bekannt<br />
für seine bahnbrechende Arbeit zur Leadership-Praxis und -Lehre.<br />
Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Frage, wie sich adaptive Fähigkeiten<br />
in Gesellschaften, Unternehmen und im Non-Profi t-Sektor<br />
stärken lassen. Sein Buch „Leadership without Easy Answers“<br />
ist bereits in der 13. Aufl age erschienen. Zudem ist er Co-Autor<br />
von „Leadership on the Line“ und „The Practice of Adaptive Leadership“.<br />
Neben seiner Tätigkeit an der Harvard Kennedy School<br />
berät Heifetz führende Persönlichkeiten aus der Politik, dem Privat-<br />
sowie dem Non-Profi t-Sektor und ist Mitgründer der Beratungsfi<br />
rma Cambridge Leadership Associates. Er ist Absolvent der<br />
Columbia University, der Harvard Medical School und der Harvard<br />
Kennedy School, Arzt und Cellist.<br />
Friedrich Merz studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn<br />
und Marburg. Er arbeitete zunächst als Richter, dann als Rechtsanwalt.<br />
1989 wurde er in das Europäische Parlament gewählt, dem er<br />
bis 1994 angehörte. Danach war Merz bis 2009 Mitglied des Bundestages<br />
und hatte unter anderem den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />
inne. Anfang Januar 2010 wurde er in den Verwaltungsrat<br />
der Bank HSBC Trinkaus berufen, wo er die Nachfolge des<br />
verstorbenen Otto Graf Lambsdorff übernahm. Seit Juni 2010 ist er<br />
Veräußerungsbevollmächtigter für den Verkauf der WestLB. Sein<br />
Buch „Nur wer sich ändert, wird bestehen“ (2004) stand monatelang<br />
auf der Bestsellerliste. 2008 erschien „Mehr Kapitalismus<br />
wagen – Wege zu einer gerechten Gesellschaft“ und 2010 veröffentlichte<br />
Merz gemeinsam mit Wolfgang Clement „Was jetzt zu<br />
tun ist: Deutschland 2.0“.
Über den Moderator<br />
Roger de Weck ist freier Publizist. Nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre<br />
in St. Gallen war er Chefredakteur des Schweizer<br />
„Tagesanzeigers“ (1992 – 1997) und der „ZEIT“ (1997 – 2001). Seit<br />
2001 moderiert er die Fernsehsendung „Sternstunden Philosophie“<br />
des Schweizer Fernsehens SF DRS. Der Volkswirt ist Präsident des<br />
Graduate Institute of International and Development Studies in<br />
Genf und lehrt am College of Europe in Brügge und Warschau.<br />
Seit Anfang 2011 ist Roger de Weck Generaldirektor der Schweizerischen<br />
Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR idée suisse).<br />
25
26<br />
Teilnehmer<br />
<strong>Haniel</strong> Lecture 4. November 2010
Silke Adamitza<br />
Projektkoordinatorin Osteuropa,<br />
Willy Brandt School of Public Policy,<br />
Universität Erfurt<br />
Peter Albrecht<br />
Mitglied des Vorstands,<br />
PricewaterhouseCoopers AG, Essen<br />
Dr. Ernst Alers, Mülheim/Ruhr<br />
Gisela Alers, Mülheim/Ruhr<br />
Dr. Rupert Antes<br />
Geschäftsführer, <strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>,<br />
Duisburg<br />
Dr. Claus-Michael Baier<br />
Geschäftsführer, HANITAX-<br />
Steuerberatungsgesellschaft mbH,<br />
Düsseldorf<br />
Dr. Markus Baumanns<br />
Geschäftsführer, Schumacher und<br />
Baumanns GmbH, Hamburg<br />
Dr. Georg F. Baur, Hamburg<br />
Matthias Beck<br />
Geschäftsführer, Kronos Network GmbH,<br />
München<br />
Prof. Dr. Andreas Blätte<br />
Institut für Politikwissenschaft,<br />
Univer sität Duisburg-Essen<br />
Christine Blondel, Ph.D.<br />
Adjunct Professor of Family Business,<br />
INSEAD, The Business School for the<br />
World, Fontainebleau<br />
Dr. Jens-Jürgen Böckel<br />
Geschäftsführung Holding,<br />
Unternehmensgruppe Tengelmann,<br />
Mülheim/Ruhr<br />
Christoph Böninger<br />
Mitglied des Kuratoriums, <strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>,<br />
München<br />
Prof. Dr. Michael Boutros<br />
Leiter Abteilung Signalwege und<br />
Funktionelle Genomik, Deutsches<br />
Krebsforschungszentrum, Heidelberg<br />
Tillmann Rudolf Braun, M.P.A. (Harv.)<br />
Auswärtiges Amt, Berlin<br />
Prof. Dr. Christoph Brockhaus, Duisburg<br />
Dr. Robbi Brockhaus, Duisburg<br />
Dr. Georg Brodach<br />
Senior Vice President, ABB Europe, Brüssel<br />
Lise Bruynooghe<br />
European Bank for Reconstruction and<br />
Development, London<br />
Dr. Ludger Buerstedde<br />
Botschafter a.D., Bonn<br />
Ben Buiting<br />
Mitglied der Geschäftsführung,<br />
PricewaterhouseCoopers AG, Essen<br />
Christian von Bülow, Nürnberg<br />
Veronika von Bülow<br />
Rechtsanwältin, Nürnberg<br />
Prof. James A. Cooney, Ph.D.<br />
Vice Provost for International Aff airs,<br />
Colorado State University, Fort Collins<br />
Michael Cramer, Düsseldorf<br />
Dr. Vera Cramer, Düsseldorf<br />
Gesa Curtius-Stollenwerk<br />
Richterin am Landgericht, Frankfurt/Main<br />
Prof. Dr. Joachim Curtius, Wiesbaden<br />
Dr. Gert Dahlmanns, M.C.L.<br />
Beirat, Zeppelin Universität,<br />
Friedrichs hafen<br />
Marita Dahlmanns, Friedrichshafen<br />
Ralf Däinghaus, Düsseldorf<br />
Stephanie Delhees<br />
NRW School of Governance, Universität<br />
Duisburg-Essen<br />
Alexandra Diehl<br />
Rechtsanwältin, Düsseldorf<br />
Dr. Stefan Dietzfelbinger<br />
Hauptgeschäftsführer, Niederrheinische<br />
Industrie- und Handelskammer, Duisburg<br />
Lavinia Diniz Freitas, London<br />
Jan-Peter Dolff<br />
Comgest Deutschland GmbH, Düsseldorf<br />
Dr. Anke Dörner<br />
Leiterin McCloy Academic Scholarship<br />
Program, Studien stiftung des deutschen<br />
Volkes, Bonn<br />
Doris Dorra, Essen<br />
Dr. Frank-Detlef Drake<br />
Vice President Corporate Research &<br />
Development, RWE AG, Essen<br />
Christian Graf Dürckheim, London<br />
Dr. Christian Duve<br />
Freshfi elds Bruckhaus Deringer,<br />
Frankfurt/Main<br />
Sebastian Dworack<br />
Geschäftsführer, Willy Brandt School of<br />
Public Policy, Universität Erfurt<br />
27<br />
Lothar Ehring<br />
Assistent des stellv. Generaldirektors,<br />
Generaldirektion Außenhandel EU, Brüssel<br />
Prof. Dr. Frank Ettrich<br />
Direktor, Willy Brandt School of Public<br />
Policy, Universität Erfurt<br />
Paul Falke<br />
Geschäftsführender Gesellschafter,<br />
FALKE KGaA, Schmallenberg<br />
Dr. Gunilla Fincke<br />
Geschäftsführerin, Sachverständigenrat<br />
deutscher <strong>Stiftung</strong>en für Integration und<br />
Migration, Berlin<br />
Dr. Markus Fisseler<br />
Freshfi elds Bruckhaus Deringer, München<br />
Andreas Flick<br />
Franz <strong>Haniel</strong> & Cie. GmbH, Duisburg
28 | Teilnehmer<br />
Caroline Flüh, Berlin<br />
John Flüh<br />
Rechtsanwalt und Notar, Hengeler<br />
Mueller, Berlin<br />
Tobias Frick<br />
Franz <strong>Haniel</strong> & Cie. GmbH, Duisburg<br />
Rüdiger Frohn<br />
Vorsitzender des Beirats, <strong>Stiftung</strong><br />
Mercator GmbH, Essen<br />
Sir Jürgen C. Gehrels KBE, Italien<br />
Dr. Heiko Giermann, LL.M. (McGill)<br />
FPS Rechtsanwälte und Notare,<br />
Düsseldorf<br />
Maria D. Gonzalez, Düsseldorf<br />
Reinhard Gorenfl os<br />
Partner, Kohlberg Kravis Roberts & Co.,<br />
London<br />
Ellen Grisar, Freiburg<br />
Peter Groos<br />
Mitglied des Kuratoriums, <strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>,<br />
München<br />
Signe Groos, München<br />
Prof. Dr. Dieter Grunow<br />
Institut für Politikwissenschaft,<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
Dr. Vera Grunow-Lutter, Duisburg<br />
Dr. Ulrich Guntram<br />
Vorsitzender des Vorstands, AXA Art<br />
Versicherung AG, Köln<br />
Özge Guzelsu, Berlin<br />
Friederike <strong>Haniel</strong>, Köln<br />
Franz M. <strong>Haniel</strong><br />
Vorsitzender des Aufsichtsrats,<br />
Franz <strong>Haniel</strong> & Cie. GmbH<br />
Vorsitzender des Kuratoriums,<br />
<strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>, München<br />
Hans Jakob <strong>Haniel</strong>, Köln<br />
Christoph Hardt<br />
Leiter Interne Kommunikation, SIEMENS<br />
Aktiengesellschaft, München<br />
Ulla Hardt, München<br />
Dr. med. Ronald Heifetz<br />
Leadership-Experte, Gründer des Harvard<br />
University’s Center for Public Leadership,<br />
Harvard Kennedy School of Government<br />
Dr. Andrej Heinke<br />
Senior Expert Corporate Strategy, Robert<br />
Bosch GmbH, Stuttgart<br />
Prof. Dr. Dr. Engelbert Heitkamp, Essen<br />
Monika Heitkamp, Essen<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Brun-Hagen Hennerkes<br />
Seniorpartner, Hennerkes, Kirchdörfer &<br />
Lorz, Stuttgart<br />
Prof. Dr. Dietmar Herz<br />
Staatssekretär des Thüringer Justizministeriums,<br />
Erfurt<br />
Dr. Anne Gräfi n v. Hochberg, Bocholt<br />
Peter Graf v. Hochberg<br />
Geschäftsführer und Partner, Booz &<br />
Company, Düsseldorf<br />
Kathrin Susanne Höckel, München<br />
Ulrich Hocker<br />
Hauptgeschäftsführer, Deutsche Schutzvereinigung<br />
für Wertpapierbesitz, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Florian F. Hoff mann<br />
Franz <strong>Haniel</strong> Chair of Public Policy, Willy<br />
Brandt School of Public Policy, Universität<br />
Erfurt<br />
Beate Hoff mann-Becking, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Michael Hoff mann-Becking<br />
Partner, Hengeler Mueller, Düsseldorf<br />
Rainer Höll<br />
Ashoka Deutschland gGmbH, München<br />
Dipl.-Ing. MBA Bodo Holz<br />
Vorsitzender des Beirats, Management<br />
Engineers GmbH + Co. KG, Düsseldorf<br />
Felix Hufeld, Bad Homburg<br />
Gerrit Huy<br />
Unternehmensberaterin, Buch<br />
Cornelia Jakob, Essen<br />
Prof. Dr. Karl Friedrich Jakob<br />
Vorsitzender des Vorstands, RWTÜV, Essen<br />
Friedrich P. Joussen<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung,<br />
Vodafone D2 GmbH, Düsseldorf<br />
Cecilia Juárez Ramírez, Köln<br />
Philipp Justus<br />
Vorsitzender des Vorstands, Zanox.de AG,<br />
Berlin<br />
Christel Kaufmann-Hocker, Düsseldorf<br />
Dr. Horst Kayser<br />
Vorsitzender des Vorstands, AEG Power<br />
Solutions B.V., Zwanenburg/Niederlande<br />
Dr. Thomas Kempf<br />
Mitglied des Vorstands, Alfried Krupp von<br />
Bohlen und Halbach-<strong>Stiftung</strong>, Essen<br />
Annabel von Klenck<br />
Geschäftsführerin, Common Purpose,<br />
Essen<br />
Gabriele Kluge, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Jürgen Kluge<br />
Vorsitzender des Vorstands,<br />
Franz <strong>Haniel</strong> & Cie. GmbH, Duisburg<br />
Anette Knappertsbusch, Düsseldorf<br />
Maximilian Knappertsbusch, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte<br />
Direktor, NRW School of Governance,<br />
Universität Duisburg-Essen<br />
Roman Kotov<br />
Director, Center of International Education,<br />
Higher School of Economics, Moskau<br />
Dr. Katrin Krömer<br />
Geschäftsführerin, Interner Service, Regionaldirektion<br />
Berlin-Brandenburg, Bundesagentur<br />
für Arbeit, Berlin
30 | Teilnehmer
Dr. Gabriele Kröner<br />
Vorstand, Dr. Hans & Else Kröner <strong>Stiftung</strong><br />
„Menschen fördern“, Berg<br />
Burkhard Landers<br />
Präsident, Industrie- und Handelskammer<br />
Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg<br />
Heidi Landwers-Schädlich, Düsseldorf<br />
Kay Richard Landwers, Frankfurt/Main<br />
Prof. Dr. Thomas A. Lange<br />
Sprecher des Vorstands, National-Bank,<br />
Essen<br />
Helmut Laux<br />
Leiter der Niederlassung Nordrhein-<br />
Westfalen, IKB Deutsche Industriebank,<br />
Düsseldorf<br />
Tobias Leipprand<br />
stiftung neue verantwortung, Berlin<br />
Elke Libbert, Hamburg<br />
Jürgen Libbert, Hamburg<br />
Roland Lienau<br />
Managing Director, Wendel<br />
Investissement, Paris<br />
Dr. Hans-Georg Lilge<br />
Programmleiter, MBA Management<br />
for Central and Eastern Europe, Europa-<br />
Universität Viadrina, Frankfurt/Oder<br />
Mathias Lingnau<br />
Mitglied des Bereichsvorstands, EXPRESS<br />
Deutschland, DHL Express Germany, Bonn<br />
Dr. Helmut Linssen<br />
Staatsminister a.D., Issum<br />
Sebastian Litta<br />
stiftung neue verantwortung, Berlin<br />
Dr. Bernhard Lorentz<br />
President und CEO, <strong>Stiftung</strong> Mercator<br />
GmbH, Essen<br />
Prof. Dr. Ralph-Alexander Lorz, LL.M.<br />
Staatssekretär a.D., Lehrstuhl für Deutsches<br />
und Ausländisches Öff entliches<br />
Recht, Völkerrecht und Europarecht,<br />
Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf<br />
Dr. Maximilian Martin, Genf<br />
Klaus Martini<br />
Wilhelm von Finck AG, Grasbrunn<br />
Michaela Martini, Grasbrunn<br />
Juliane Massenberg, Duisburg<br />
Sophie Massenberg, Duisburg<br />
Norbert Matysik<br />
Präsident der Hauptverwaltung<br />
Düsseldorf, Deutsche Bundesbank<br />
Rosita Meister, Stuttgart<br />
Stefan Meister<br />
Mitglied des Vorstands,<br />
Franz <strong>Haniel</strong> & Cie. GmbH, Duisburg<br />
Dr. Klaus von Menges, Mülheim/Ruhr<br />
Friedrich Merz<br />
Ehem. Mitglied des Deutschen Bundestags,<br />
Partner Mayer Brown LLP, Berlin<br />
Eveline Y. Metzen M.A.<br />
Geschäftsführende Direktorin,<br />
Amerika Haus e.V. NRW, Köln<br />
Friedrich von Metzler<br />
Partner, B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA,<br />
Frankfurt/Main<br />
Dr. Dietmar Meyersiek<br />
Geschäftsführender Gesellschafter,<br />
EXES Management Information GmbH,<br />
Meerbusch<br />
Jutta Meyersiek, Meerbusch<br />
Maike Middelmann, Essen<br />
Prof. h.c. (CHN) Dr. Ing. E.h.<br />
Dr. Ulrich Middelmann, Essen<br />
Dr. Jörg Mittelsten Scheid<br />
Vorsitzender des Beirats, Vorwerk & Co. KG,<br />
Wuppertal<br />
Vivica Mittelsten Scheid, Wuppertal<br />
Hans Georg Mockel<br />
Kanzler, Johann Wolfgang Goethe-<br />
Universität, Frankfurt/Main<br />
Dr. Frank B. Müller<br />
Vorstand, vita <strong>Stiftung</strong> für Umwelt,<br />
Bildung und Kultur, Oberursel<br />
Björn Münstermann<br />
McKinsey & Company, München<br />
Dr. Stephan Muschick<br />
RWE <strong>Stiftung</strong>, Essen<br />
Prof. Minori Murata<br />
Center for Japanese Studies, Keio University<br />
Dr. Klaus Neuhoff<br />
Leiter des Instituts <strong>Stiftung</strong> und Gemeinwohl,<br />
Universität Witten/Herdecke<br />
Prof. Dr. Christian Oberländer<br />
Seminar für Japanologie, Martin-Luther-<br />
Universität Halle-Wittenberg<br />
Dr. Alfred Oetker<br />
Managing Director, Dr. Oetker Nederland<br />
b.v., Amersfoort/Niederlande<br />
Roland Oetker<br />
Geschäftsführender Gesellschafter,<br />
ROI Verwaltungsgesellschaft, Düsseldorf<br />
Suzanne Oetker, Düsseldorf<br />
Michael Okrob<br />
Teach First Deutschland gGmbH, Berlin<br />
Ingo H. Pahl, Ratingen<br />
Mathias Pahl, München<br />
Prof. Dr. Ulrich Radtke<br />
Rektor, Universität Duisburg-Essen<br />
Ulrich Reitz<br />
Chefredakteur, WAZ, Essen<br />
Dr. Andreas M. Rickert<br />
Vorstandsvorsitzender, PHINEO gemeinnützige<br />
AG, Berlin<br />
Dr. Hergard Rohwedder<br />
Rechtsanwältin, Liberales Netzwerk,<br />
Düsseldorf<br />
Dr. Michael Roßbach<br />
LIFE & BRAIN GmbH, Universität Bonn<br />
31
32 | Teilnehmer<br />
Dr. Susanne Rückert<br />
Rechtsanwältin, Düsseldorf<br />
Katrin Ruhfus, MBA<br />
Head of Chairman’s Offi ce, HSBC Trinkaus,<br />
Düsseldorf<br />
Dr. Rolf Ruhfus<br />
Chairman and CEO, c/o LodgeWorks<br />
Corporation, Düsseldorf<br />
Dr. Michael Schädlich, Düsseldorf<br />
Dr. Jochen Scheel, LL.M.<br />
Partner, Paul, Hastings, Janofsky & Walker<br />
LLP, Frankfurt/Main<br />
Prof. Dr. Rolf Schieder<br />
Professor für Praktische Theologie,<br />
Humboldt-Universität zu Berlin<br />
Carola Gräfi n von Schmettow<br />
HSBC Trinkaus, Düsseldorf<br />
Anita Schmidt, Essen<br />
Dr. Jochen Schmidt<br />
Rechtsanwalt und Notar, Essen<br />
Dr. Armin Schmiedeberg<br />
Director, Bain & Company, Düsseldorf<br />
Anna-Lena Schneider<br />
Referentin, <strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>, Duisburg<br />
Caspar v. Schoeler<br />
Teach First Deutschland gGmbH, Berlin<br />
Christina Schrade<br />
Director, SEEK Development, Berlin<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Gesine Schwan<br />
Präsidentin, Humboldt-Viadrina School<br />
of Governance, Berlin<br />
Patrick Schwarz-Schütte<br />
Geschäftsführer, Black Horse Investment<br />
GmbH, Düsseldorf<br />
Dr. Gary Smith<br />
Executive Director, American Academy<br />
Berlin<br />
Prof. Dr. jur. Dr. Ing. E.h. Dieter Spethmann,<br />
Düsseldorf<br />
Elisabeth Birte Spethmann, Düsseldorf<br />
Prof. Dr. Sascha Spoun<br />
Mitglied des Kuratoriums,<br />
<strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>, Duisburg<br />
Präsident Leuphana Universität,<br />
Lüneburg<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty<br />
Vorsitzender des Vorstands, Aktionsgemeinschaft<br />
Soziale Marktwirtschaft,<br />
Tübingen<br />
Dr. Wulf v. Stark, Gräfelfi ng<br />
Margo Steiner<br />
Harvard Kennedy School of Government,<br />
Boston<br />
Dr. Marion Steiner Stassinopoulos,<br />
Baar/Zug<br />
Andrea Stürmer<br />
Strategic Assistant to Group CEO, Zurich<br />
Financial Services, Zürich<br />
Christiane Frfr. v.d. Tann, Tann/Rhön<br />
Prof. Jan Teunen<br />
Teunen Konzepte, Geisenheim<br />
Christa Thoben<br />
Staatsministerin a.D., Bochum<br />
Prof. Dr. Günter Trost<br />
ITB Consulting GmbH, Bonn<br />
Gabriele Trützschler, Essen<br />
Prof. Dr. Klaus Trützschler<br />
Mitglied des Vorstands,<br />
Franz <strong>Haniel</strong> & Cie. GmbH, Duisburg<br />
Dr. Michael J. Ulmer<br />
Rechtsanwalt Allen & Overy LLP,<br />
Frankfurt/Main<br />
Roger de Weck<br />
Freier Publizist, Berlin und Zürich<br />
Peter Weidig<br />
Geschäftsführer, <strong>Haniel</strong> Akademie,<br />
Duisburg<br />
Prof. Dr. Peter Welzel<br />
Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre –<br />
Ökonomie der Informationsgesellschaft,<br />
Universität Augsburg<br />
Dr. Michael Werhahn<br />
Wilh. Werhahn KG, Neuss<br />
Dr. Angelika Westerwelle<br />
Geschäftsführerin, LANAX Management<br />
GmbH, Berlin<br />
Mylène Wienrank, Bonn<br />
Prof. Dr. Hans Georg Willers<br />
Mitglied des Kuratoriums, <strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>,<br />
Düsseldorf<br />
Ansgar Wimmer<br />
Vorsitzender des Vorstands, Alfred Toepfer<br />
<strong>Stiftung</strong>, Hamburg<br />
Prof. Dr. Kay Windthorst, München<br />
Stefan Wisbauer<br />
US Preventive Medicine, Geschäftsführer<br />
UK & International, European Leadership<br />
Academy, Co Founder, London<br />
Malte Woweries<br />
Corporate Strategy and Communications<br />
DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft,<br />
Köln<br />
Andreas Zimmer<br />
Geschäftsführender Gesellschafter,<br />
Zimmer + Rohde GmbH, Oberursel<br />
Dr. Karsten W. Zimmermann<br />
Geschäftsführender Gesellschafter, Agon<br />
Group Strategic Consulting, München<br />
Lars Zimmermann<br />
Vorstandsvorsitzender, stiftung neue<br />
verantwortung, Berlin<br />
Dr. Peter-Christian Zinkann<br />
Mitinhaber, Miele & Cie. KG, Gütersloh<br />
Claus Zoellner<br />
Vorsitzender des Beirates, Accumulatorenwerke<br />
HOPPECKE, Brilon
Veranstaltungsreihe<br />
<strong>Haniel</strong> Lecture<br />
1. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Hagen Schulze, Was ist eigentlich Europa?<br />
David Marsh, Ist das Maastrichter Modell<br />
noch zeitgemäß?<br />
1993<br />
2. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Europa und seine Nachbarn<br />
Jean François-Poncet, Die Ost- und die<br />
Sü dfl anke Europas<br />
Otto von der Gablentz, Die Herausforderungen<br />
im Osten Europas<br />
1996<br />
3. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Wie entsteht Innovation?<br />
Hubert Markl, Was macht Forschung<br />
innovativ?<br />
Giuseppe Vita, Innovations impulse<br />
aus der Wirtschaft<br />
1998<br />
4. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Warum noch Europa im Zeichen der<br />
Globalisierung?<br />
Leon Brittan/Kurt Biedenkopf<br />
2001<br />
5. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Hegemony or Partnership? The<br />
Trans atlantic Relationship<br />
in a Changing World<br />
Joseph S. Nye jr./Wolfgang Schäuble<br />
2003<br />
6. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Die internationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
deutscher Unter nehmen und die Rolle der<br />
Europäischen Kommission<br />
Frits Bolkestein/Jü rgen Kluge<br />
2004<br />
7. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Europa und China – Partner oder Kontrahenten<br />
in der Welt?<br />
The Hon. Sir David Li Kwok-po, GBS, JP,<br />
OBE/Jü rgen Strube<br />
2006<br />
8. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Spitzenbildung, Spitzenforschung und<br />
Innovation –<br />
die Herausforderung Europas und der USA<br />
durch die „Neue“ Welt<br />
Jeff rey D. Sachs, Gesine Schwan, Ernst-<br />
Ludwig Winnacker<br />
2008<br />
9. <strong>Haniel</strong> Lecture<br />
Leben um zu arbeiten oder umgekehrt?<br />
Ronald Heifetz, Friedrich Merz<br />
2010<br />
Publikationen sind erhältlich im <strong>Stiftung</strong>sbü<br />
ro oder unter www.haniel-stiftung.de
Impressum<br />
Herausgeber<br />
<strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong>, Duisburg<br />
Redaktion<br />
Katharina Golomb<br />
Konzept und Design<br />
Burkhard Wittemeier, Köln<br />
Fotografi e<br />
Stephan Brendgen, Monheim<br />
Produktion<br />
Druckhaus Duisburg<br />
Kontakt<br />
<strong>Haniel</strong> <strong>Stiftung</strong><br />
Franz-<strong>Haniel</strong>-Platz 6 – 8<br />
47119 Duisburg<br />
Deutschland<br />
Telefon +49 203 806-367/-368<br />
Fax +49 203 806-720<br />
stiftung@haniel.de<br />
www.haniel-stiftung.de<br />
Gedruckt auf Recyclingpapier<br />
aus 100 Prozent Altpapier.
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