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1. philharmonisches konzert - Philharmonisches Orchester Heidelberg

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6. Mut zur Freiheit<br />

„Für mich ist f.a.e. [frei, aber einsam] ein Symbol geblieben,<br />

und darf ich es, trotz allem, wohl segnen.”<br />

Johannes Brahms an Joseph Joachim, 5. März 1888


<strong>1.</strong> PhilharMoniScheS<br />

Konzert


<strong>1.</strong> PhilharMoniScheS<br />

Konzert<br />

*29.9.10<br />

StaDthalle<br />

ca. 1 ¾ Std., eine Pause<br />

Schott Music, Mainz<br />

Breitkopf & Härtel, Wiesbaden/Leipzig<br />

Boosey & Hawkes, London<br />

Ton- & Bildaufnahmen während des Konzerts sind nicht gestattet.<br />

renaud capuçon<br />

Violine<br />

christian Poltéra<br />

Violoncello<br />

cornelius Meister<br />

Dirigent<br />

<strong>Philharmonisches</strong> orchester<br />

der Stadt heidelberg


Programm<br />

Andrew Norman (*1979)<br />

DriP BliP SParKle SPin Glint<br />

GliDe GloW Float FloP choP<br />

PoP Shatter SPlaSh<br />

(Deutsche Erstaufführung)<br />

Johannes Brahms (1833–1897)<br />

Konzert FÜr Violine, Violoncello<br />

unD orcheSter a-Moll op. 102<br />

I. Allegro<br />

II. Andante<br />

III. Vivace non troppo<br />

Pause<br />

Béla Bartók (1881–1945)<br />

Konzert FÜr orcheSter Sz 116<br />

I. Introduzione<br />

II. Giuoco delle coppie<br />

III. Elegia<br />

IV. Intermezzo interrotto<br />

V. Finale<br />

Für die Unterstützung der PHILHArMoNIScHEN KoNzErTE<br />

in der Spielzeit 10/11 danken wir


VoM tröPFeln unD PlatSchen<br />

von Andrew Norman<br />

Das Stück DrIP BLIP SPArKLE SPIN GLINT GLIDE GLoW FLoAT FLoP<br />

cHoP PoP SHATTEr SPLASH habe ich 2005 als Auftragswerk für die Jugend<strong>konzert</strong>e<br />

des Minnesota orchestra komponiert. Ursprünglich wurde es<br />

als gemeinsames Projekt mit der Filmemacherin Marjorie Thieman konzipiert.<br />

Wir sammelten unsere Lieblingsverben, schrieben sie auf eine Liste<br />

und wählten daraus dreizehn Verben aus. Anschließend arbeitete jeder von<br />

uns für sich allein; ich komponierte für jedes Verb einen besonderen Klang<br />

und Marjorie kreierte die passenden Bilder. Wir einigten uns auf eine Dauer<br />

und eine grobe formale Struktur, die Ergebnisse unserer Arbeit hielten wir<br />

aber bis zur Generalprobe vor dem anderen geheim. Die Musik eignet sich<br />

6


für eine Aufführung sowohl mit als auch ohne Marjories Film. Auch wenn<br />

ich mich mit dem Stück ursprünglich an junge Leute richten wollte, ist es<br />

als intuitive Klangmalerei für neugierige ohren und Jedermanns Vorstellungskraft<br />

geeignet.<br />

oft fordere ich das Publikum bei Aufführungen heraus und frage, welche<br />

der Verben sie aus der Musik heraushören können. Probieren Sie es aus!<br />

Hier ein kleiner Tipp: Das Stück beginnt mit allen dreizehn Verben in schneller<br />

Folge, jedoch in umgekehrter reihenfolge, also von ‚Splash‘ bis ‚Drip‘. Ich<br />

bezeichne diesen Abschnitt als eine Art sinfonische Exposition auf kleinstem<br />

raum – wofür Beethoven in seiner Eroica 151 Takte benötigt, das geschieht<br />

hier in nur 17 Sekunden.<br />

Kürze im Ausdruck ist ein zentraler Aspekt in vielen meiner Werke; Fragmentierung<br />

oder zerteilung ein weiterer. Ich arbeite ähnlich wie beim<br />

Schnitt eines Films: Ich zerstückele mein musikalisches Material in kleinste<br />

7


Teile und setze sie anschließend wieder zusammen, wie bei einem Mosaik<br />

oder einer Montage. Mich interessiert dabei das Nebeneinander von Verschiedenem,<br />

wie sich also unterschiedliche musikalische Ideen rekontextualisieren,<br />

nachdem sie wild durcheinander gewürfelt wurden. Besonders<br />

spannend ist für mich außerdem, wie wir als zuhörer ein zeitlich ausgedehntes<br />

klangliches Ereignis, das aus Unterbrechungen und musikalischen<br />

Schnitten besteht, verarbeiten und erinnern.<br />

Ich freue mich sehr auf die deutsche Erstaufführung von DrIP BLIP<br />

SPArKLE SPIN GLINT GLIDE GLoW FLoAT FLoP cHoP PoP SHATTEr<br />

SPLASH mit dem Philharmonischen orchester <strong>Heidelberg</strong> und auf mein<br />

Jahr als KoMPoNIST Für HEIDELBErG 10/1<strong>1.</strong><br />

(aus dem Englischen von raphael rösler)<br />

8


anDreW norMan (*1979)<br />

Andrew Norman wurde 1979 in Michigan geboren. Er schloss sein Diplom<br />

an der University of Southern california Thornton School of Music ab, wo<br />

er Komposition bei Donald crockett und Stephen Hartke und Klavier bei<br />

Stewart Gordon studierte.<br />

Sein Stück SAcrED GEoMETry wurde im rahmen des First Music Programm<br />

in Auftrag gegeben und im Dezember 2004 von der New york youth<br />

Symphony uraufgeführt. Für dieses Werk erhielt er den Nissim Preis der<br />

AScAP und den Jacob Druckman Preis des Aspen Music Festival. Norman<br />

hat Kompositionsaufträge vom Minnesota orchestra, der oakland East<br />

Bay Symphony, der california State University Stanislaus Symphony, der<br />

9


andrew norman


Hoff-Barthelson School und vom cascade Head Music Festival in oregon<br />

erhalten. In den Jahren 2007 bis 2009 wurde er zum young Artists composer<br />

in residence gewählt. Er hat zahlreiche Preise gewonnen, darunter<br />

den rome Prize der American Academy in rom, vier Morton Gould young<br />

composer Awards und den Leo Kaplan Prize von AScAP.<br />

Andrew Norman ist KoMPoNIST Für HEIDELBErG 10/1<strong>1.</strong> Als Auftragswerk<br />

wird er ein Konzert für Theremin und orchester komponieren, das im<br />

7. PHILHArMoNIScHEN KoNzErT seine Premiere erleben wird. Heute<br />

Abend hören sie in einer deutschen Erstaufführung DrIP BLIP SPArKLE<br />

SPIN GLINT GLIDE GLoW FLoAT FLoP cHoP PoP SHATTEr SPLASH, einen<br />

Auftrag des Minnesota orchestra, komponiert und uraufgeführt im Herbst<br />

2005.<br />

11


BrahMS’ letzteS orcheSterWerK<br />

Konzert FÜr Violine, Violoncello &<br />

orcheSter a-Moll oP. 102<br />

Johannes Brahms und seine Eigenheiten – ob wahr oder angedichtet – prägen<br />

bis heute das Bild des berühmten romantischen Komponisten. Angefangen<br />

bei seinem lebenslangen Dasein als Junggeselle, bis hin zu seiner<br />

zur Legende gewordenen Verschlossenheit. Auch wenn Brahms etliche,<br />

durchaus enge Freundschaften, z. B. zu robert und clara Schumann oder<br />

zu dem berühmten Geiger Joseph Joachim, unterhielt, lässt sich belegen,<br />

dass er gleichzeitig großen Wert auf eine gewisse Distanz legte. Nicht ohne<br />

Grund machte er sich das Motto von Joseph Joachim, „Frei, aber einsam“,<br />

zueigen. An die befreundete Gemahlin des Herzogs von Sachsen-Meiningen,<br />

12


Johannes Brahms &<br />

Joseph Joachim (1867)


Helene von Heldburg, schrieb er im August 1887 über sich und seinen Drang<br />

nach Einsamkeit: „Nun laßen Sie mich bekennen, daß ich in solchem Fall<br />

freilich nicht unredlich bin aber auch nicht offen; die ehrliche Antwort will<br />

nicht heraus, weil ich nicht gern von mir u. meiner Eigenheit spreche. Das<br />

Bekenntniß ist einfach: ich brauche absolute Einsamkeit, nicht sowohl um<br />

das mir Mögliche zu leisten, sondern um nur überhaupt an meine Sache zu<br />

denken. Das liegt an meinem Naturell ...“.<br />

Brahms’ charakterliche Besonderheiten wirkten sich auch auf die Entstehung<br />

seiner letzter Komposition für orchester aus, dem KoNzErT Für<br />

VIoLINE, VIoLoNcELLo & orcHESTEr a-Moll op. 102. Brahms, der sich<br />

bekanntermaßen mit der Komposition seiner vier Symphonien mitunter<br />

recht schwer tat, suchte wohl auch für Arbeit an seinem vierten und letzten<br />

Konzert Abstand und ruhe. Aus dem schon zitierten Brief an Helene von<br />

Heldburg: „Aber grade jetzt, da ein neues größeres Werk vor mir liegt [das<br />

DoPPELKoNzErT], freue ich mich doch ein wenig seiner u. muß mir sagen:<br />

14


ich hätte es nicht geschrieben, wenn ich mich am rhein u. in Berchtesgaden<br />

noch so schön des Lebens gefreut hätte.“<br />

Bis auf das Datum der Fertigstellung – Brahms beendete das DoPPEL-<br />

KoNzErT während seines Aufenthalts im Sommer 1887 im schweizerischen<br />

Thun – sind die näheren Umstände der Entstehung des Werks nicht überliefert.<br />

Auch wenn häufig zu lesen ist, dass das Konzert von Brahms als<br />

Mittel zur Wiederannäherung oder gar Aussöhnung mit seinem langjährigen<br />

Freund Joseph Joachim intendiert sei, ist dies nicht belegt. Tatsache ist,<br />

dass sich die beiden Freunde im Jahr 1880, im zusammenhang mit Joachims<br />

Scheidung von seiner Ehefrau Amalie, überworfen hatten und der Kontakt<br />

zwischen ihnen für mehrere Jahre weitestgehend abbrach. Fakt ist außerdem,<br />

dass Brahms sich gegen Ende der Kompositionsarbeit, im Juli 1887,<br />

an Joachim wandte und ihn fragte, ob er sich die Noten einmal anschauen<br />

möge und sich unter Brahms’ Leitung eine Erstaufführung mit dem cellisten<br />

robert Hausmann vorstellen könne. Joachim, der schon Brahms’<br />

15


Verehrter Joachim,<br />

Dein freundlicher Gruß läßt mich mein Geständnis viel vergnügter machen als<br />

ich gehofft hatte! aber mache Dich auf einen kleinen Schreck gefaßt! ich konnte<br />

nämlich derzeit den einfällen zu einem Konzert für Violine und Violoncello nicht<br />

widerstehen, so sehr ich es mir auch immer wieder auszureden versuchte.<br />

nun ist mir alles Mögliche an der Sache gleichgültig, bis auf die Frage, wie Du<br />

Dich dazu verhalten möchtest. Vor allem aber bitte ich in aller herzlichkeit und<br />

Freundlichkeit, daß Du Dich nicht im geringsten genierst. Wenn Du mir eine Karte<br />

schickst, auf der einfach steht: ‚ich verzichte‘, so weiß ich mir selbst alles Weitere<br />

und genug zu sagen. [...]<br />

ich schreibe jetzt gleich die Solostimmen zusammen; magst Du Dir mit hausmann<br />

die Mühe geben, sie auf ihre Spielbarkeit anzusehen? Könntest Du daran denken,<br />

das Stück gelegentlich irgendwo mit hausmann und mir am Klavier zu versuchen<br />

und schließlich etwas in irgendeiner beliebigen Stadt mit orchester und uns?<br />

[...] ich sage nicht laut und ausführlich, was ich leise hoffe und wünsche. hausmann<br />

aber grüße bestens, und ich bin in alter Verehrung<br />

Dein J.B.


VIoLINKoNzErT uraufgeführt hatte, stimmte schließlich zu, und einige Proben<br />

und Verbesserungsvorschläge später kam das Konzert am 18. oktober<br />

1887 im Kölner Gürzenich zur Premiere.<br />

Als Konzert für zwei Soloinstrumente steht Brahms’ Komposition in der<br />

Tradition der Sinfonia concertante, eine Gattung, die sich in der Klassik<br />

großer Beliebtheit erfreute. Auch Johann christian Bach, Joseph Haydn<br />

und Wolfgang Amadeus Mozart komponierten für mehrere <strong>konzert</strong>ierende<br />

Instrumente in den verschiedensten Kombinationen. Brahms greift diese<br />

Gattungsform wieder auf und überführt sie in die Klangsprache und musikalische<br />

Gestik der romantischen Epoche.<br />

Aber anders als vielleicht erwartet, integriert Brahms die Solisten zwar<br />

stark in den Klang eines groß besetzten romantischen orchesters, so dass<br />

sie sich teilweise wenig abheben, jedoch räumt er den Soloinstrumenten andererseits<br />

so großen raum ein, dass die Musik streckenweise kammermu-<br />

17


sikalische züge trägt. Gleich zu Beginn des ersten Satzes, nach der knappen<br />

Einleitung des orchestertutti, setzen zuerst das cello und anschließend<br />

die Violine je mit einer ausgedehnten, unbegleiteten Kadenz ein, in der mit<br />

aller ruhe das thematische Material vorgestellt wird, bevor im orchester die<br />

Sonatenexposition folgt.<br />

Der zweite Satz, ein inniges Andante, fällt durch ausgedehnte Passagen auf,<br />

in denen die Stimmen der Solisten in oktaven parallelgeführt werden.<br />

Das finale rondo, „Vivace non troppo“, erinnert in seinem tänzerischen, fast<br />

ungarischen Gestus an den Schlusssatz des VIoLINKoNzErTS und findet in<br />

triolischen Achtelbewegungen seinen fulminanten Abschluss.<br />

18


Johannes<br />

Brahms<br />

19


Wir SinD SoliSt<br />

BartóKS Konzert FÜr orcheSter Sz 116<br />

Dass Béla Bartók in seinen letzten Lebensjahren im amerikanischen Exil<br />

überhaupt noch einmal zu Stift und Papier greifen würde, um ein umfangreiches<br />

Werk zu komponieren, daran glaubten seine Frau und seine Freunde<br />

zu Beginn der 40er Jahre kaum mehr. Durch etliche Schicksalschläge schwer<br />

gezeichnet fand Bartók weder die zeit noch die Kraft zur kreativen Arbeit.<br />

zu den sozialen Nöten – die Trennung von seinen beiden Söhnen Béla junior<br />

und Péter – kam hinzu, dass er aus seiner finanziellen Situation heraus mehr<br />

oder weniger gezwungen war zeitraubende und doch einträgliche Aufträge<br />

anzunehmen. Entweder war er mit seiner Frau auf Konzertreise oder er<br />

20


arbeitete an einer jugoslawischen Volksmusiksammlung an der columbia<br />

University in New york, um den gemeinsamen Lebensunterhalt zu sichern.<br />

Insbesondere das aufwändige Editionsprojekt lag dem Spezialisten für<br />

osteuropäische Folklore besonders am Herzen, so dass er sich dieser Aufgabe<br />

im besonderen Maße und mit großer Sorgfalt und zeitlichen Aufwand<br />

widmete.<br />

So ist leicht zu erklären, warum Béla Bartók in den Jahren 1940–42 kein<br />

einziges Werk komponierte. Aus seinen Briefen an Familie und Freunde<br />

in der alten und neuen Welt spricht oft tiefe Depression und Bitterkeit. Die<br />

Probleme, die ihm seine Emigration und ein Leben im Exil aufbürdeten,<br />

wurden im Frühjahr 1943 noch verstärkt, als Bartók schwer an Leukämie<br />

erkrankte. Jedoch nahm sein Leben kurz darauf eine überraschend positive<br />

Wende. Im Mai 1943 erhielt er von dem berühmten amerikanischen Dirigenten<br />

Serge Koussevitzky bzw. der Koussevitzky Music Foundation den<br />

lukrativen Auftrag, ein Stück für orchester zu komponieren.<br />

21


„Koussevitzky hat B. im Sanatorium besucht, ich weiss, daß es ihm sehr<br />

gut getan hat. [...]<br />

Sie haben besprochen, dass es sich nur um ein orchesterwerk handelt; es<br />

war eine idee Bélas, Gesang und orchester zu vereinigen. es ist mir eine<br />

große Freude, daß sich in Béla Pläne, Sehnsucht nach Musik, Kompositionen<br />

regen – eine neue hoffnung, was man so zufällig, wie nebensächlich<br />

erfahren konnte.<br />

eines ist sicher: die einstellung Bélas ‚ich schreibe unter keinen umständen,<br />

nie mehr ein neues Werk ...‘ ist verschwunden.“<br />

Aus einem Brief von seiner Frau Ditta Bartók-Pásztory an den Geiger Joseph<br />

Szigeti, 23. Mai 1943


Durch einen Sanatoriumsaufenthalt im Sommer desgleichen Jahres zumindest<br />

zeitweilig gestärkt verfiel Bartók regelrecht in einen Schaffensrausch<br />

und schrieb vom 15. August bis zum 8. oktober 1943 das KoNzErT Für<br />

orcHESTEr Sz 116 nieder. An seine ehemalige Schülerin Wilhelmine creel<br />

schreibt er diesbezüglich: „Vielleicht liegt es an der Besserung in meinem<br />

Gesundheitszustand, dass es mir gelungen ist, ein neues orchesterwerk zu<br />

schreiben.“<br />

Das KoNzErT Für orcHESTEr wurde am <strong>1.</strong> Dezember 1944 vom Boston<br />

Symphony orchestra unter der Leitung von Koussevitzky mit großem Erfolg<br />

uraufgeführt. Heute gehört es zu den beliebtesten und am meisten aufgeführten<br />

Kompositionen des ungarischen Komponisten.<br />

Die Musik zeichnet sich – typisch für Bartóks Spätstil – durch eine Hinwendung<br />

zu traditioneller Harmonik und durch eine orientierung an konventionellen<br />

Formen und Satztypen aus. Im Programm der Uraufführung erläu-<br />

23


tert Bartók seinen kompositorischen und programmatischen Ansatz. Auch<br />

wenn es sich bei dem Werk um ein, mit Bartóks Worten „symphony-like<br />

work“ handelt, wollte er es dennoch eher als Konzert verstanden wissen<br />

und nannte es kurzerhand KoNzErT Für orcHESTEr. Wichtig war ihm,<br />

mit diesem widersprüchlichen Titel auf die orchestrale Virtuosität und die<br />

solistische Behandlung der einzelnen Instrumente oder Instrumentengruppen<br />

hinzuweisen.<br />

In der formalen Gesamtkonzeption fällt vor allem die Fünfsätzigkeit auf,<br />

die ihm ermöglicht, das Werk streng bogenförmig und somit symmetrisch<br />

aufzubauen. Im zentrum steht der langsame Satz „Elegia“, der von zwei<br />

eher scherzohaften Tanzsätzen umrahmt wird. Die Eckpunkte bilden der<br />

erste und der fünfte Satz, beide in schnellem bis sehr schnellem Tempo. Die<br />

Bogenförmigkeit wird darin noch gedoppelt, dass Bartók die mittleren Sätze<br />

ebenfalls an einer bogenförmigen dreiteiligen Form (A - B - A) ausrichtet.<br />

Als Kontrast zu dem zentralen mittleren Satz „Elegia“, ein ergreifender<br />

24


Béla Bartók auf seiner<br />

ausreise in die uSa, oktober 1940


Klagegesang der Piccoloflöte, weist die Musik streckenweise auch eine<br />

große Komik auf. Im ersten der beiden Tanzsätze „Giuco delle coppie – Spiel<br />

der Paare“ stellt Bartók paarweise einzelne Blasinstrumente in den Vordergrund,<br />

die ihre tänzerischen Melodien in strikter Parallelführung in Sexten,<br />

Terzen, Septen, Quinten oder Sekunden vortragen. Kontrastiert wird das<br />

‚Spiel‘ durch einen choralartigen B-Teil, bevor in der Wiederholung des<br />

A-Teils das ‚Spiel‘ wieder aufgenommen wird.<br />

In den Ecksätzen greift Bartók auf klassische Formmodelle zurück: So<br />

im ersten Satz „Introduzione“, einem Sonatensatz, in dem die Quarte das<br />

zentrale und verbindende Intervall darstellt, wie auch im Finale. Dort findet<br />

Bartók, wie er es nennt, eine „perpetuumm mobile-artige“ Figur, die den<br />

gesamten Satz durchzieht. In diesem brillanten und zuletzt wild, nahezu<br />

ekstatisch rasenden Finale komponiert er eine komplexe Fuge, die noch<br />

einmal deutlich macht, warum er sein von Krisen überschattetes Werk als<br />

KoNzErT bezeichnete.<br />

26


Koussevitzkys nachricht über den<br />

Kompositionsauftrag, Mai 1943<br />

27


„ich weiß daher wirklich nicht, ob und wann ich überhaupt zu<br />

komponieren fähig sein werde. Das künstlerische Schaffen ist im<br />

allgemeinen ein Überströmen der Kraft, der guten laune, der<br />

lebenslust usw. leider gehen mir diese Vorbedingungen momentan<br />

ab. Vielleicht handelt es sich nur um eine vorübergehende<br />

niedergeschlagenheit.“<br />

Aus einem Briefentwurf von Béla Bartók an Joseph Szigeti, April 1942


Béla Bartók<br />

29


Die WerKe in heiDelBerG<br />

auFFÜhrunGen in PhilharMoniSchen Konzerten<br />

Andrew Normans<br />

DriP BliP SParKle SPin Glint<br />

GliDe GloW Float FloP choP<br />

PoP Shatter SPlaSh<br />

ist eine deutsche Erstaufführung.<br />

30


Johannes Brahms<br />

Konzert FÜr Violine, Violoncello<br />

& orcheSter a-Moll op. 102<br />

3.10.1956 | Violine Erich röhn<br />

| Violoncello Arthur Tröster<br />

| Dirigent Karl rucht<br />

13.5.1965 | Violine Alfred Altenburger<br />

| Violoncello Hans Adomeit<br />

| Dirigent Kurt Brass<br />

19.3.1997 | Violine Latica Honda-rosenberg<br />

| Violoncello Jens-Peter Maintz<br />

| Dirigent Thomas Kalb<br />

31<br />

Béla Bartók<br />

Konzert FÜr orcheSter<br />

22.3.2000 | Dirigent Thomas Kalb


enauD caPuçon<br />

Violine<br />

renaud capuçon begann mit 14 Jahren sein Studium bei Gérard Poulet und<br />

Veda reynold und setzte es später bei Thomas Brandis und Isaac Stern fort.<br />

Schon vielfach ausgezeichnet holte ihn claudio Abbado 1997 als Konzertmeister<br />

zum Gustav Mahler Jugendorchester. Nach weiteren Preisen debütierte<br />

er 2002 bei den Berliner Philharmonikern unter Bernard Haitink und 2004<br />

beim Boston Symphony orchestra unter christoph von Dohnányi. Er <strong>konzert</strong>iert<br />

weltweit mit den renommiertesten orchestern und Dirigenten wie Semyon<br />

Bychkov, christoph Eschenbach, Daniel Harding und robin Ticciati.<br />

32


chriStian Poltéra<br />

Violoncello<br />

christian Poltéra, 1977 in zürich geboren, studierte bei Nancy chumachenco,<br />

Boris Pergamenschikow und Heinrich Schiff. Als Solist arbeitet er mit den<br />

weltweit führenden orchestern zusammen. zu seinen Partnern gehören<br />

Dirigenten wie Bernard Haitink, riccardo chailly, christoph von Dohnányi<br />

und John Eliot Gardiner. In Deutschland war er zuletzt beim Konzerthausorchester<br />

Berlin, den Münchner Philharmonikern und den Bamberger Symphonikern<br />

zu Gast. Mit Frank Peter zimmermann und Antoine Tamestit bildet<br />

er ein festes Streichtrio.<br />

33


corneliuS MeiSter<br />

DiriGent<br />

Bereits mit 21 Jahren begann die Dirigierkarriere des <strong>Heidelberg</strong>er Generalmusikdirektors<br />

an der Staatsoper Hamburg. Mittlerweile leitet er weltweit opern-<br />

und Konzertaufführungen. Im November 2009 debütierte er an der Deutschen<br />

oper Berlin und bei den Bamberger Symphonikern. Im Januar kehrte er zum<br />

Indianapolis Symphony orchestra zurück. Ab dieser Spielzeit ist cornelius<br />

Meister zusätzlich zu seinen <strong>Heidelberg</strong>er Aufgaben chefdirigent des rSo Wien.<br />

In <strong>Heidelberg</strong> ist er diese Saison unter anderem als Dirigent von oTELLo sowie<br />

im 3. und 7. PHILHArMoNIScHEN KoNzErT als Dirigent und Solist zu erleben.<br />

34


PhilharMoniScheS orcheSter<br />

Der StaDt heiDelBerG<br />

Die <strong>Heidelberg</strong>er Philharmoniker prägen seit 1889 als städtisches orchester mit<br />

zahlreichen opernvorstellungen und Konzerten das Musikleben der Stadt. zweimal<br />

wurden sie mit dem Preis für das „beste Konzertprogramm“ des Deutschen<br />

Musikverleger-Verbands ausgezeichnet. Konzertreisen führten das orchester in<br />

den letzten Jahren in die Kölner Philharmonie, nach Antwerpen und nach ravenna.<br />

regelmäßig werden Konzerte vom Deutschlandfunk und SWr mitgeschnitten.<br />

Das Philharmonische orchester zeichnet sich durch seine stilistische Flexibilität<br />

aus. Seit 2006 beschäftigen sich die Philharmoniker mit historischer Aufführungspraxis.<br />

Eine lange Tradition hat das Engagement für Neue Musik: Mehrere<br />

35


Werke sind dem Philharmonischen orchester gewidmet. Seit 2005 arbeitet das<br />

orchester besonders intensiv mit einem jährlich wechselnden Komponisten für<br />

<strong>Heidelberg</strong> zusammen.<br />

Die Musikvermittlung ist dem orchester wichtig. Fünf Familien<strong>konzert</strong>e werden<br />

in dieser Saison ergänzt unter anderem durch ein Jugend<strong>konzert</strong>, ein Konzert<br />

für Kleinkinder & Schwangere und Besuche in Schulen und Kindergärten. DAS<br />

NEUE WUNDErHorN wurde mit einem junge-ohren-Preis ausgezeichnet.<br />

zusätzlich präsentieren sich die Mitglieder des orchesters regelmäßig in wechselnden<br />

Formationen in Kammer<strong>konzert</strong>en.<br />

Seit 2005 leitet cornelius Meister das Philharmonische orchester. Unmittelbare<br />

Vorgänger waren Volker christ, der Initiator der Philharmonic-Wonders-<br />

Konzerte, und Thomas Kalb, der mit dem Brahmsfest 1997 den Vorläufer des<br />

<strong>Heidelberg</strong>er Frühlings ins Leben rief. Der ehemalige Generalmusikdirektor<br />

Mario Venzago ist seit 2007 der erste Ehrendirigent des orchesters.<br />

36


orcheSterBeSetzunG<br />

<strong>1.</strong> Violine<br />

Thierry Stöckel<br />

<strong>1.</strong> Konzertmeister<br />

Ernst-Wolfram Winterberg<br />

2. Konzertmeister<br />

Isabel Schneider<br />

3. Konzertmeisterin<br />

Mayumi Hasegawa<br />

Joachim Groebke<br />

Mahasti Kamdar<br />

Tetsuya Mogitate<br />

caroline Korn<br />

Gabriele Köller<br />

Sebastian Eckoldt<br />

Philipp von Piechowski 3<br />

Ljuba Selzer-Niederer 3<br />

Antje reichert 3<br />

Izabela Pochylczuk-<br />

Grether 3<br />

2. Violine<br />

Eleonora Plotkina<br />

Nicole Streichardt<br />

Lucian Derendorf<br />

Ludwig Dieckmann<br />

Janetta Grishchuk<br />

37<br />

Marion Thomas<br />

Nadine-Goussi Aguigah<br />

Elena Leshchanova<br />

Anke Hoffmann<br />

Michael Leitz 3<br />

Natalia Mitscher 3<br />

Hayk Sahakyan 3<br />

Viola<br />

Marianne Venzago<br />

Andreas Bartsch<br />

Horst Düker<br />

christoff Schlesinger


Anna Elsabe Marquardt<br />

Mareike Niemz<br />

Naomi ogino 3<br />

Bradley Johnson 3<br />

Birgit Glas 3<br />

Susanne Trägner-Born 3<br />

Violoncello<br />

reimund Korupp<br />

Hans Schafft<br />

Ann-Margriet ziethen<br />

christoph Habicht<br />

Katja Knaak<br />

Katharina Uzal 3<br />

Kathrin Heintze 3<br />

Michael Steinmann 3<br />

KontraBaSS<br />

Michael Schneider<br />

Thomas Acker<br />

Michael Feiertag<br />

Hakeem Holloway 1<br />

Kiyomi Sobue 3<br />

Martin Lichtmann 3<br />

Flöte<br />

Konrad Metz<br />

Katharina Lorenzen<br />

yvonne Anselment<br />

38<br />

oBoe<br />

Matthias Friederich<br />

christine Bender<br />

Sandra Seibold<br />

Klarinette<br />

Sascha Stinner<br />

Detlef Mitscher<br />

Heribert Eckert<br />

FaGott<br />

Hitomi Wilkening<br />

Sophia Brenneke<br />

Gerhard Mährlein


horn<br />

Heinrich Lohr<br />

Bernd Frelet<br />

Philip Schmelzle<br />

Judith Tigyi<br />

troMPete<br />

Fred Frick<br />

robert Schweizer<br />

Timo Gneipelt 2<br />

PoSaune<br />

Damian Schneider<br />

Melanie roth<br />

Marek Janicki<br />

tuBa<br />

Thomas Matt<br />

PauKe<br />

Klaus Wissler<br />

SchlaGzeuG<br />

Peter Klinkenberg<br />

Gregory riffel<br />

christian Gutgsell 3<br />

harFe<br />

Walli Kossakowski<br />

Frauke roland 3<br />

KlaVier/celeSta<br />

Philipp Vandré 3<br />

1 PraktikantIn<br />

2 StipendiatIn der orchesterakademie<br />

rhein-Neckar<br />

3 als Gast


Bildnachweise<br />

S. 10 | © Timothy Andres, S. 13 | Photographie, Kla-<br />

genfurt 1867, aus: Sandberger, Wolfgang: BrAHMS-<br />

HANDBUcH. Stuttgart/Kassel 2009, S. 47.<br />

S. 19 | Gemälde von Hermann Torggler, aus: Jacob-<br />

sen, christiane: JoHANNES BrAHMS – LEBEN UND<br />

WErK. Wiesbaden 1983, S. 88.<br />

S. 25, 27 & 29 | Aus: Bónis, Ferenc: Béla Bartók – Sein<br />

Leben in Bilddokumenten. zürich/Freiburg i.Br. 1981,<br />

S. 253, 262 & 235, S. 32 | © Simon Fowler, S. 33 | ©<br />

Marco Borgreve, S. 34 | © rosa Frank<br />

Der Text von ANDrEW NorMAN ist ein originalbeitrag<br />

des Komponisten für dieses Programmheft. Nicht<br />

namentlich gekennzeichnete Texte sind originalbeiträge<br />

für dieses Programmheft von rAPHAEL röSLEr.<br />

40<br />

Impressum<br />

Herausgeber THEATEr & orcHESTEr HEIDELBErG<br />

Intendant PETEr SPUHLEr<br />

Verwaltungsleiterin ANDrEA BoPP<br />

redaktion rAPHAEL röSLEr<br />

Gestaltung DANIcA ScHLoSSEr<br />

Herstellung ABcDrUcK<br />

Anzeigen GrEILIcH / NEUTArD<br />

www.THEATEr.HEIDELBErG.de<br />

www.HEIDELBErGEr-PHILHArMoNIKEr.de<br />

THEATEr & orcHESTEr HEIDELBErG<br />

2010/11, ProGrAMMHEFT Nr. 2


Elegante Strickmode<br />

für Damen und Herren:<br />

Klassisches<br />

und Modernes<br />

aus reinem Kaschmir<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />

Untere Straße 9<br />

69117 <strong>Heidelberg</strong><br />

Tel: 06221 - 650 26 49<br />

Di.-Fr. 11 - 19 Uhr, Sa. 11 - 18 Uhr<br />

www.yabis.de<br />

<strong>1.</strong> PHILHARMONISCHES:KONZERT<br />

Ludwigshafen, Konzertsaal im Pfalzbau<br />

Sa 23. Oktober 2010, 19.30 Uhr<br />

Guy Braunstein Violine<br />

Karl-Heinz Steffens Dirigent<br />

Ludwig van Beethoven „Leonoren“-Ouvertüre<br />

Dmitri Schostakowitsch Violin<strong>konzert</strong> Nr. 1<br />

Ludwig van Beethoven Sinfonie Nr. 7<br />

SO:UM:5<br />

Kammermusik sonntags um fünf<br />

Ludwigshafen, Philharmonie<br />

So 3<strong>1.</strong> Oktober 2010, 17.00 Uhr<br />

Herbert Schuch & Friends<br />

Herbert Schuch Klavier, Doris Mende Oboe,<br />

Julius Kircher Klarinette, Till Heine Fagott,<br />

Philipp Römer Horn<br />

Klavierquintette von Wolfgang Amadeus Mozart<br />

und Ludwig van Beethoven<br />

Tickets 0621 504 25 58 I www.staatsphilharmonie.de


unSer nächSteS Konzert<br />

ruth zieSaK<br />

2. PhilharMoniScheS Konzert<br />

Hans Werner Henze TELEMANNIANA für großes orchester<br />

Gustav Mahler SyMPHoNIE Nr. 4 G-Dur<br />

Sopran rUTH zIESAK<br />

Dirigent GEorGE ALEXANDEr ALBrEcHT<br />

*17.1<strong>1.</strong>10<br />

20.00 | StaDthalle


ihr geigenbaumeister<br />

in heidelberg<br />

nähe stadthalle<br />

matthias kohl<br />

bauamtsgasse 4 · 69117 heidelberg<br />

tel. 0 62 21-18 36 79<br />

mo-fr 9.00-12.00, 14.00-18.00 Uhr<br />

sa 9.00-12.00 uhr und nach vereinbarung<br />

www.geigenbau-kohl.de


www.swhd.de<br />

für dich<br />

weil du so<br />

gut aussiehst<br />

Dass <strong>Heidelberg</strong> bei Nacht besonders gut<br />

aussieht, weiß eigentlich jeder. Wir hören es<br />

aber immer wieder gerne.<br />

<strong>1.</strong> Bachchor-Konzert<br />

arVo Pärt zuM 75. GeBurtStaG<br />

Werke für chor & orchester von Arvo Pärt<br />

Dirigent cHrISTIAN KABITz<br />

*17.10.10<br />

20.00 | PeterSKirche


Wir haben Zeit für Sie,<br />

wenn Sie Zeit für uns haben.<br />

Sparkasse<br />

<strong>Heidelberg</strong><br />

www.sparkasse-heidelberg.de


MARIINSK Y-BALLETT ST. PETERSBURG<br />

2<strong>1.</strong> bis 28. Dezember 2010<br />

TSCHAIKOWSKY: „DER NUSSKNACKER“<br />

2<strong>1.</strong>/26. Dezember, 20/14 und 20 UHR<br />

TSCHAIKOWSKY: „DORNRÖSCHEN“<br />

22./23./25. Dezember, 19 UHR<br />

Eintrittskartenpreise von € 36 bis € 120 ,Ticket-Service 07221/30 13-101<br />

Bitte fordern Sie unser vollständiges Jahresprogramm an, www.festspielhaus.de<br />

TSCHAIKOWSKY: „SCHWANENSEE“<br />

27. Dezember, 20 UHR<br />

BALLETT-GALA, STARS OF THE KIROV<br />

28. Dezember, 20 UHR<br />

Foto: Valentin M. Baranovsky

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