916 Kapitel 27: der Formulierung der hochgesteckten atompolitischen Ziele stehen nicht etwa das Interesse an e<strong>in</strong>er ergiebigen, umweltfreundlichen und billigen Energie, sondern <strong>die</strong> Absatz- und Verwertungs<strong>in</strong>teressen und <strong>in</strong>sbesondere <strong>die</strong> M~no~olabsicherun der westdeutschen und <strong>in</strong>ternationalen Atom<strong>in</strong>dustrie an erster Stelle. Zu Beg<strong>in</strong>n der staatlichen Atompolitik <strong>in</strong> der Mitte der fünfziger Jahre spielte auch das Potential beim Aufbau e<strong>in</strong>er nationalen Atom<strong>in</strong>dustrie e<strong>in</strong>e Rolle. Im Klima des Kalten Krieges wurde nicht nur an den Aufbau der deutschen Bundeswehr, sondern auch an e<strong>in</strong>e eigene Atomwaffenstreitkraft gedacht. Der erste Atomm<strong>in</strong>ister Strauß wechselte dann auch nach e<strong>in</strong>jähriger Amtszeit <strong>in</strong> das ~~~eidigungsm<strong>in</strong>isterium über. Zu ergänzen ist, daß <strong>die</strong> Nuklear<strong>in</strong>dustrie ihre mächtige <strong>in</strong>ternationale Position durch <strong>die</strong> B~mben~roduktion erhielt. Tatsächlich wurde und wird <strong>die</strong> Nuklear<strong>in</strong>dustrie noch immer durch militärische Subventionen Das angereicherte Uran, das zum Betrieb von Atomkraftwerken benötigt wird, ist e<strong>in</strong> Zweckprodukt der At~mbombenfertigun~, und der größte Teil der ~~twicklungsarbeiten und Herstellung wurde aus Militärhaushalten beglichen. Die Atomenergie bekam e<strong>in</strong>en rasanten Start, und <strong>die</strong> Entwicklung schritt zügig voran. E<strong>in</strong>e große Motivation für weitere Investitionen irn Atomkraftwerkbau war, daß das vorhandene Wissen und <strong>die</strong> vorhandene Technologie nach e<strong>in</strong>er Nutzbarmachung auch auf anderen Gebieten drängten. Das Interesse der Energiekonzerne und der kapital<strong>in</strong>tensiv arbeitenden Produktionsmittel<strong>in</strong>dustrie konnte gar nicht anders, als <strong>in</strong> <strong>die</strong> Verwertung der Atomenergie zu drängen. Bei der Raketen- und Computertechnik war der Vorsprung der Amerikaner, Japaner und Engländer bereits zu groß, daher versuchten bundesrepublikanische Firmen und Behörden <strong>in</strong> <strong>die</strong> ,,Marktlücke" Kernenergietechnik zu stoßen. Investitionen <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich konnten sich aber nur dann gew<strong>in</strong>nversprechend entwickeln, wenn der Staat <strong>die</strong> Kosten übernahm und <strong>die</strong> Kapazitäten voll ausgelastet würden. So braucht <strong>die</strong> Kraftwerks-Union (KWU) sechs bis acht Atomkraftwerks-Aufträge pro Jahr, damit Gew<strong>in</strong>ne erzielt werden können. Das geht natürlich nur über den Export, und somit s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Reaktoren <strong>in</strong> der Bundesrepublik auch häufig Demonstrationsobjekte für ausländische Abnehmer. Das erklärt auch, warum <strong>in</strong> der Bundesrepublik <strong>die</strong> größten Atomkraftwerke der Welt gebaut werden, obgleich man hierzulande aus politischen Gründen lange daran geh<strong>in</strong>dert wurde, sie überhaupt zu bauen. Man versuchte <strong>die</strong> mangelnde Erfahrung durch forsche V~r~ehensweise auszugleichen. Man begründete <strong>die</strong>se Art von ,,Fortschri-tt" als notwendig, um den <strong>in</strong>ternationalen Anschlug nicht zu verlieren, da ohne Atomenergie ke<strong>in</strong> <strong>in</strong>dustrieller Fortschritt möglich wäre und ohne <strong>in</strong>dustriellen Fortschritt ke<strong>in</strong>e neuen Arbeitsplätze und ke<strong>in</strong> Wohlstand geschaffen würde. Dieser Propaganda g<strong>in</strong>gen - entweder <strong>in</strong> voller Kenntnis oder <strong>in</strong> Ahnungslosigkeit - Politiker, Behörden und Gewerkschaften voll auf den Leim. Die Atom<strong>in</strong>dustrie wurde gefördert wie nie e<strong>in</strong>e andere Industrie Zuvor. Dabei spielte das Argument, daß wir den Strom brauchen, kaum mehr als <strong>die</strong>