Novene 2013 - Renovabis
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Dies sollte insbesondere in den Kirchengemeinden, in den<br />
christlichen Gemeinschaften, Verbänden und Initiativen, in<br />
den karitativen werken, Diensten und organisationen deutlich<br />
werden. Menschen mit und Menschen ohne Behinderungen<br />
sollten sich gegenseitig als Nehmende und Gebende erfahren.<br />
Christen glauben, dass Gott den wert und die Sinnhaftigkeit<br />
eines jeden menschlichen Lebens garantiert. welchen Sinn und<br />
wert das Leben hat, kann sich der Mensch letztlich nur von<br />
Gott sagen lassen.<br />
menschen mit behinderungen sind „besondere Autoritäten“<br />
Mit Behinderungen sein Leben zu führen, hat eine eigene<br />
Sinnhaftigkeit. für die Mehrzahl der Menschen relativiert<br />
es die gewohnten Maßstäbe des Sinnvollen und Nichtsinnvollen.<br />
Nichtbehinderte Menschen erkennen, dass es<br />
möglich ist, sinnvoll zu leben – bei allem Anderssein. festgefahrene<br />
und verengte Bilder von dem, was geglücktes,<br />
wahrhaft gelingendes Leben ist, werden aufgebrochen. Sie<br />
entdecken am Anderen neue Möglichkeiten, mit den Begrenztheiten<br />
auch des eigenen Lebens sinnvoll umzugehen.<br />
Sie lernen einen respektvollen Umgang mit Verschiedenheiten,<br />
ohne immer wieder die alten Muster von besser<br />
oder schlechter zu bemühen. Sie lernen, Ängste vor dem<br />
Unbekannten und Befremdlichen abzubauen. Sie lernen eine<br />
Menschlichkeit, die für vieles Platz hat. So besehen, sind<br />
Menschen mit Behinderungen „besondere Autoritäten“ für<br />
einen reichtum sinnerfüllten, gelingenden Lebens, der sich<br />
in keinem festgefügten Bild fixieren lässt.<br />
* Auszüge aus „unBehindert Leben und Glauben teilen”, Wort der deutschen<br />
Bischöfe zur Situation der Menschen mit Behinderungen vom 12. März 2003, hier:<br />
S. 3, S. 8 und S. 17/18<br />
58 DAS LEBEN tEILEN | tExtE zUM NACHDENKEN<br />
Perfekte menschen – „unwertes“ leben?*<br />
Längst lebt der alte traum vom perfekten Menschen wieder<br />
auf – vom Menschen mit medizinischem Gütesiegel. Er wird<br />
stets auf Kosten der nicht so perfekten Menschen geträumt.<br />
Dazu gehören wir früher oder später alle.<br />
wenn wir Menschen mit schweren Behinderungen sehen,<br />
erschrecken wir fast instinktiv und weichen aus. wir versuchen,<br />
uns möglichst schnell an ihnen vorbeizudrücken.<br />
Manch einer denkt: „Besser, sie wären nicht geboren! was<br />
wäre den Eltern und der Gesellschaft alles erspart geblieben!“<br />
Die Abneigung gegen körperlich oder geistig behinderte<br />
Menschen sitzt uns von der Evolution her in den Knochen.<br />
Gerade in unserer Gesellschaft sehen wir fast nur noch<br />
Gesundheit und Vitalität, Stärke und Leistung. Niemandem<br />
ist ein Vorwurf daraus zu machen, dass er verunsichert ist<br />
und abwehrend reagiert, wenn er behinderten Menschen<br />
begegnet. Aber das ist keine Entschuldigung, sondern eine<br />
Herausforderung. wir haben lebenslang daran zu arbeiten,<br />
diese Menschen in freiheit und Liebe zu würdigen wie jeden<br />
anderen. Leider wird ihnen heute in zunehmend vielen fällen<br />
das Leben genommen, bevor sie zur welt kommen.<br />
Die Pränataldiagnostik verschärft die Gefahr, nicht nur<br />
Schwächen aufzuspüren, sondern die Schwachen und als<br />
„unwert“ erachtetes Leben zu „entsorgen“. faktisch wird<br />
hier die Solidargemeinschaft mit den betroffenen Eltern und<br />
Kindern aufgekündigt. Das hat unübersehbare folgen. Der<br />
Umgang mit behinderten Menschen vor der Geburt ist ein<br />
Menetekel für den Umgang mit behinderten, schwachen<br />
und alten Menschen überhaupt.<br />
DAS LEBEN tEILEN | tExtE zUM NACHDENKEN 59